Location via proxy:   [ UP ]  
[Report a bug]   [Manage cookies]                

Kommunalwahlen in Brasilien 2020

Gemeindewahlen

Kommunalwahlen in Brasilien im Jahr 2020 fanden am 15. November, dem Tag der Republik, statt, die Stichwahlen (dort, wo nötig) am 29. November 2020. Gewählt wurden die Bürgermeister, Vizebürgermeister und Stadträte in 5568 Gemeinden (Munizips) des Landes. Insgesamt waren 67.800 öffentliche Wahlämter zu besetzen. Landesweit wurden rund 95.000 Wahllokale eingerichtet. In 95 Gemeinden bestand die Möglichkeit einer Stichwahl, wenn kein Kandidat 50 % plus 1 Stimme erhält. Über 153 Millionen Brasilianer waren zur Wahl aufgerufen.[1]

Der Wahlkalender sah unter anderem vor, dass zwischen dem 31. August und dem 16. September Parteitage zur Auswahl der Kandidaten stattfinden und dass der Wahlkampf der ersten Runde am 27. September beginnen sollte. Die kostenlose Radio- und Fernsehwerbung begann am 9. Oktober 2020. Ursprünglich hätten die Wahlen am 4. Oktober (erste Runde) und am 25. Oktober (zweite Runde) stattfinden sollen. Mit der Verschärfung der COVID-19-Pandemie in Brasilien wurden die Termine jedoch mit der Verkündung der Verfassungsänderung Nr. 107/2020 geändert.

Wahlprozess

Bearbeiten

Von den 5570 Gemeinden des Landes wählen 5568 ihre örtlichen Vertreter alle vier Jahre aufgrund allgemeinen Wahlrechts in direkter und geheimer Wahl.[2][3] Es herrscht im Allgemeinen Wahlpflicht, nur für Personen zwischen 16 und 18 Jahren sowie über 70 Jahren und Analphabeten ist die Wahl nicht verpflichtend.[4] Der Wahlprozess wird von der Wahljustiz verwaltet, wobei das Tribunal Superior Eleitoral (TSE, deutsch Oberstes Wahlgericht) an der Spitze der Hierarchie steht.[5] Im Jahr 2020 sollten 69.078 Positionen bei den Kommunalwahlen besetzt werden, davon 5568 Bürgermeister, 5568 Vizebürgermeister und 57.942 Ratsmitglieder (vereadores).[6] In Brasília und Fernando de Noronha finden aufgrund ihres jeweiligen Status keine Gemeindewahlen statt. Die Stadträte bilden die Stadtkammern (câmaras municipais), die für die Ausübung der Gesetzgebungsbefugnis auf kommunaler Ebene verantwortlich sind. Sie werden durch proportionale Abstimmungen in einer offenen Liste gewählt.[7] Die Anzahl der Stadträte richtet sich nach der Einwohnerzahl und reicht von 9 Vertretern in den kleineren Gemeinden bis zu 55 Stadträten in São Paulo, der bevölkerungsreichsten Stadt des Landes.[8][9]

Die Abstimmung für die erste Runde war für den 15. November 2020 in allen Gemeinden des Landes geplant. In 95 Städten mit mehr als 200.000 Wählern war für den 29. November 2020 eine Stichwahl geplant, wenn kein Kandidat in der ersten Wahlrunde 50 % + 1 Stimme erhält.[10] Die Wahlwerbung in Radio und Fernsehen wird in der ersten Runde 35 Tage und in der zweiten 9 Tage dauern: vom 9. Oktober bis 12. November und vom 20. November bis 28. November. Der Start der Internetwerbung wurde auf den 27. September festgelegt, zusammen mit dem Start der Wahlkampagnen. Die Werbung für Wahlinhalte durch Kandidaten und Parteien im Internet wurde genehmigt.

Das Ausgabenlimit in jeder Gemeinde wurde vom TSE festgelegt, die die Werte der vorherigen Wahlen monetär aktualisierte.[11] In São Paulo konnten Bürgermeisterkandidaten in der ersten Runde bis zu 51,7 Millionen Reais und in der zweiten bis zu 20,7 Millionen R$ ausgeben, während sonstige Kandidaten eine Obergrenze von 3,6 Millionen hatten. Die Kandidaten können ihre Wahlkampagnen legal auf drei Arten finanzieren:[12] Selbstfinanzierung, begrenzt auf bis zu 10 % des maximal auszugebenden Betrags;[13] aus einem Wahlfonds in Höhe von 2,034 Mrd. R$, aufgeteilt auf 33 politische Parteien, hauptsächlich nach der Anzahl der Bundesabgeordneten und Senatoren, die sie bei den allgemeinen Wahlen 2018 gewählt haben;[14] und durch Spenden von Einzelpersonen.[15]

Die Frist für die Einreichung von Anträgen auf Registrierung von Kandidaturen durch die Parteien endete am 26. September 2020. Ab diesem Datum wurden die Anträge an die Wahljustiz weitergeleitet, die für die Wahlzulassung zuständig ist. Das passive Wahlrecht haben Personen, die die brasilianische Staatsangehörigkeit besitzen, deren vollständige Ausübung der politischen Rechte nicht eingeschränkt ist und das Mindestalter von 18 Jahren für Kandidaten für die Stadträte und 21 Jahre für Kandidaten für die kommunale Exekutive erreicht haben.[16][17]

Die Wahljustiz informiert über die registrierten Wahlvorschläge. Darin enthalten sind unter anderem folgende Daten: Grundlegende Identifikation (wie Name, Geburtsdatum, Geburtsort, Hautfarbe und Bildungsniveau), politische Partei, Wahlnummer, Status der Registrierung der Kandidatur, Erklärung des Vermögens, Auszug aus dem Strafregister und Websites, einschließlich Social Media.[18]

Gesellschaftlicher Kontext

Bearbeiten

Die Kommunalwahlen 2020 waren die ersten nach dem Aufstieg des Bolsonarismus, der dazu führte, dass Jair Bolsonaro 2018 zum Präsidenten der Republik gewählt wurde.[19] Der Aufstieg des Bolsonarismus war Teil der konservativen Welle im Land und der als „Anti-Petismus“ bezeichneten Abnahme der Zustimmung zur Arbeiterpartei Partido dos Trabalhadores, die wiederum eine der Folgen der politischen und wirtschaftlichen Krise von 2014 war, die unter der Regierung Dilma Rousseff begann und sich unter der Regierung von Michel Temer verschlechterte.[20] Die Folgen dieser Rechtsverschiebung waren bereits bei den Kommunalwahlen 2016 erkennbar.[21] Bei diesen Wahlen waren der Sieg von Bischof Marcelo Crivella in Rio de Janeiro und des Geschäftsmanns João Doria in São Paulo sowie ein beträchtlicher Rückgang der von der Arbeiterpartei gewählten Bürgermeister zu verzeichnen, die am meisten unter der politischen Krise litten, wenn sie auch nicht die einzigen daran Beteiligten waren.[22]

Das Jahr 2020 markiert den Eintritt der Generation Z in den Wahlkampf, wobei die jüngste Gruppe zwischen 18 und 20 Jahre alt ist,[23] die Zahl der religiös motivierten Kandidaten (Kirchenvertreter) nimmt zu,[24] ebenso die Zahl der Kandidaten, die sich bewaffnet präsentieren oder für Waffen aussprechen.[25]

Kandidatenzahl

Bearbeiten
Kandidatenzahl der letzten Kommunalwahlen
Jahr Exekutive Legislative
2020 19.340 518.298
2016 16.565 463.372
2012 15.791 449.791
2008 15.617 349.767
2004 16.127 369.024
Quelle: Tribunal Superior Eleitoral[26]

Wahlergebnisse nach Parteien

Bearbeiten
0%
 
Karte brasilianischer Gemeinden
Parteien Stimmen Stadtpräfekten Stadträte
Stimmen % ±% Gesamt +/- Gesamt +/-
Movimento Democrático Brasileiro (MDB)
Partido dos Trabalhadores (PT)
Partido da Social Democracia Brasileira (PSDB)
Progressistas (PP)
Partido Democrático Trabalhista (PDT)
Partido Trabalhista Brasileiro (PTB)
Democratas (DEM)
Partido Liberal (PL)
Partido Socialista Brasileiro (PSB)
Republicanos
Cidadania
Partido Social Liberal (PSL)
Partido Social Cristão (PSC)
Partido Comunista do Brasil (PCdoB)
Podemos (PODE)
Partido Social Democrático (PSD)
Partido Verde (PV)
Patriota
Solidariedade
Partido da Mobilização Nacional (PMN)
Avante
Partido Trabalhista Cristão (PTC)
Partido Socialismo e Liberdade (PSOL)
Democracia Cristã (DC)
Partido Renovador Trabalhista Brasileiro (PRTB)
Partido Republicano da Ordem Social (PROS)
Partido da Mulher Brasileira (PMB)
Partido Novo (NOVO)
Rede Sustentabilidade (REDE)
Partido Socialista dos Trabalhadores Unificado (PSTU)
Partido Comunista Brasileiro (PCB)
Partido da Causa Operária (PCO)
Unidade Popular (UP)
Gültige Stimmen 100 % 5.570 56.810
Leere Stimmen
Nullstimmen
Gesamt
Nichtwähler
Wähler

Wahlergebnisse der Hauptstädte der Bundesstaaten

Bearbeiten

Laut Ergebnissen vom 16. November und 29. November 2020:

Stadtpräfektenwahl der Hauptstädte der Bundesstaaten *
Hauptstadt Name Partei Stimmen Stichwahl
Aracaju (SE) Edvaldo Nogueira PDT ja
Belém (PA) Edmilson Rodrigues PSOL ja
Belo Horizonte (MG) Alexandre Kalil PSD 63,39 % nein
Boa Vista (RR) Arthur Henrique Brandão Machado MDB ja
Campo Grande (MS) Marquinhos Trad PSC 52,58 % nein
Cuiabá (MT) Emanuel Pinheiro MDB ja
Curitiba (PR) Rafael Greca DEM 59,74 % nein
Florianópolis (SC) Gean Loureiro DEM 53,46 % nein
Fortaleza (CE) José Sarto PDT ja
Goiânia (GO) Maguito Vilela MDB ja
João Pessoa (PB) Cícero Lucena PP ja
Macapá (AP)** Antônio Furlan Cidadania 55,67 % ja
Maceió (AL) João Henrique Caldas PSB ja
Manaus (AM) David Almeida Avante % ja
Natal (RN) Álvaro Costa Dias PSDB 56,58 % nein
Palmas (TO) Cinthia Ribeiro PSDB 36,24 % nein
Porto Alegre (RS) Sebastião Melo MDB ja
Porto Velho (RO) Hildon Chaves PSDB ja
Recife (PE) João Henrique Campos PSB ja
Rio Branco (AC) Tião Bocalom PP ja
Rio de Janeiro (RJ) Eduardo Paes DEM ja
Salvador (BA) Bruno Soares Reis DEM 64,20 % nein
São Luís (MA) Eduardo Braide PODE ja
São Paulo (SP) Bruno Covas PSDB ja
Teresina (PI) José Pessoa Leal MDB ja
Vitória (ES) Lorenzo Pazolini REP ja

* Wiedergewählte farbig unterlegt
** Durch Stromausfall musste die Wahl in Macapá auf den 6. und 20. Dezember 2020 verschoben werden.

Literatur

Bearbeiten
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Renato Souza: Eleições de 2020 terão novas regras; veja o que muda. In: com.br. Correio Braziliense, 12. Januar 2020, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  2. Eleições 2020: o Brasil nas urnas - Politize! In: com.br. web.archive.org, 2020, archiviert vom Original am 18. September 2020; abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  3. O sufrágio e o voto no Brasil: direito ou obrigação? Tribunal Superior Eleitoral, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  4. Tire suas dúvidas sobre as eleições. Senado Federal, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  5. Justiça Eleitoral: composição, competências e funções. Tribunal Superior Eleitoral, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  6. Kommunalwahl in Brasilien: Halbzeitbilanz für Bolsonaro? In: kooperation-brasilien.org. KoBra – Kooperation Brasilien e. V., 11. November 2020, abgerufen am 12. November 2020.
  7. Vereadores: vamos aprender como eles são eleitos? In: com.br. 2015, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  8. Tabela com o número de vereadores por município, segundo o STF. In: leg.br. Interlegis, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  9. Matheus Pichonelli: Com 57 mil vereadores, Brasil elegerá verdadeira “cidade legislativa” que custa R$ 10 bi por ano. In: theintercept.com. The Intercept Brasil, 21. September 2016, abgerufen am 12. November 2020 (portugiesisch).
  10. Primeiro turno da eleição será no dia 15 de novembro. In: com.br. Tribuna do Norte, 2. Juli 2020, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  11. Bruno Menezes: Saiba como funciona o limite de gastos de campanha para as eleições municipais. In: com.br. O Tempo, 14. September 2020, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  12. Eleições 2020: conheça as regras e os limites para doações eleitorais. Tribunal Superior Eleitoral, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  13. Bruna Aidar, Lucas Marchesini: 2020: nova regra de autofinanciamento quer frear candidatos ricos. In: metropoles.com. Metrópoles, 25. Januar 2020, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  14. Divulgada nova tabela com a divisão dos recursos do Fundo Eleitoral para 2020. Tribunal Superior Eleitoral, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  15. Eleições 2020: conheça aqui as regras e os limites para doações eleitorais. In: com.br. Jornal Contábil, 27. Februar 2020, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  16. Eleições 2020: prazo para registro de candidatura termina neste sábado (26). Tribunal Superior Eleitoral, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  17. Jean Laurindo: Eleições 2020: o que é preciso para concorrer a prefeito e vereador e quais os prazos. In: com.br. NSC Total, 22. Januar 2020, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  18. Saiba mais sobre seu candidato por meio do sistema DivulgaCand. Tribunal Superior Eleitoral, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  19. Efeito Bolsonaro? Os pré-candidatos a prefeito nas capitais: eleições 2020. In: com.br. Gazeta do Povo, 25. Februar 2020, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  20. Diego Irahetav: Como o Brasil virou à direita. In: huffpostbrasil.com. HuffPost Brasil, 8. Oktober 2018, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 6. November 2020; abgerufen am 12. November 2020 (portugiesisch).
  21. Leandro Colon: Análise: Segundo turno confirma guinada à direita e conservadora. In: com.br. Folha de S.Paulo, 30. Oktober 2016, abgerufen am 12. November 2020.
  22. Diego Junqueira: Partido com mais investigados na Lava Jato tem alta no número de prefeitos. In: r7.com. R7, 6. Oktober 2016, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  23. A estreia dos candidatos da geração Z. In: com.br. Istoé, 28. September 2020, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  24. Bruno Fonseca, Mariama Correia: Puxadas por Universal, candidaturas de sacerdotes religiosos batem recorde em 2020. In: apublica.org. Pública, 5. Oktober 2020, abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  25. Candidatos armados se multiplicam nas campanhas eleitorais. In: com.br. Seleções Brasil, 5. November 2020, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 5. November 2020; abgerufen am 12. November 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
  26. Divulgação de Candidaturas e Contas Eleitorais. Tribunal Superior Eleitoral, 2020, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. Mai 2021; abgerufen am 12. November 2020.