Die Kumulanten werden auch als Semiinvarianten der Dichtefunktion bezeichnet, da sie sich, mit Ausnahme von , bei einer Verschiebung des Erwartungswertes nicht ändern. Sei eine Zufallsvariable, dann gilt für eine beliebige Konstante :
Analog gilt für die Summe aus stochastisch unabhängigen Zufallsvariablen :
Die Additivität beruht darauf, dass für die charakteristische Funktionen einer Summe unabhängiger Zufallsvariablen die Produktdarstellung gilt. Für die Logarithmen gilt somit eine Additivität:
Mit den zentralen Momenten sind die Formeln meist kürzer:
Von besonderer Bedeutung sind die ersten beiden Kumulanten: ist der Erwartungswert und ist die Varianz. Ab der vierten Ordnung stimmen Kumulante und zentrales Moment nicht mehr überein.
Um die zentralen Momente als Funktion der Kumulanten auszudrücken, vernachlässige in obigen Polynomen für die Momente alle Terme, bei denen als Faktor auftaucht:
Oben haben wir die Momente als Polynome in den Kumulanten ausgedrückt. Diese Polynome haben eine interessante kombinatorische Interpretation: ihre Koeffizienten zählen Mengenpartitionen. Die allgemeine Form dieser Polynome kann folgendermaßen
geschrieben werden
wobei
die Menge aller Partitionen einer n-elementigen Menge durchläuft;
"" bedeutet, dass einer der Blöcke ist, in welche die Menge zerlegt wurde; und
Die multivariaten (oder gemeinsamen) Kumulanten von mehreren Zufallsvariablen X1, ..., Xn
kann auch durch eine Kumulanten-erzeugende Funktion definiert werden:
Diese Formel kann wieder in kombinatorischer Form interpretiert werden gemäß
wobei alle Partitionen von { 1, ..., n } durchläuft, läuft durch die Menge aller Blöcke der Partition , und ist die Anzahl der Blöcke in . Zum Beispiel haben wir
Dieser kombinatorische Zusammenhang zwischen Kumulanten und Momenten erhält eine einfachere Form, wenn man Momente durch
Kumulanten ausdrückt:
Zum Beispiel haben wir dann:
Die erste Kumulante einer Zufallsvariable ist ihr Erwartungswert, die gemeinsame zweite Kumulante von zwei Zufallsvariablen ist
ihre Kovarianz.
Sind einige der Zufallsvariablen unabhängig voneinander, so verschwindet jede gemischte Kumulante, welche mindestens zwei der unabhängigen
Variablen enthält.
Sind alle Zufallsvariablen gleich, so reduziert sich die gemeinsame Kumulante auf die
gewöhnliche n-te Kumulante von .
Eine weitere wichtige Eigenschaft der multivariaten Kumulanten ist Multilinearität in den Variablen:
ergeben sich unter Ausnutzung der Eigenschaften Homogenität und Additivität folgende Kumulanten:
Die Ordnung ergibt sich, da die Summe über die Einzelkumulanten von der Ordnung ist. Hier die Ordnungen der ersten Kumulanten:
Für ist die Ordnung hoch einem negativen Exponenten und somit gilt im Grenzwert unendlich vieler Zufallsvariablen:
D. h., es bleiben nur die beiden ersten Kumulanten übrig. Die einzige Verteilung, die nur die erste und zweite Kumulante besitzt, ist die Gauß-Verteilung. Damit wird plausibel, dass die Summe beliebiger Zufallsvariablen geteilt durch die Wurzel der Anzahl gegen die Gauß-Verteilung konvergiert; dies ist der Zentrale Grenzwertsatz. Um diese Plausibilitätsbetrachtung zu einem Beweis zu vervollständigen, bedarf es der Verwendung allgemeiner Gesetzmäßigkeiten von charakteristischen Funktionen. Die Gauß-Verteilung nimmt also eine besondere Stellung unter allen Verteilungen ein. Wirken bei einem Experiment viele stochastisch unabhängige Einflüsse, so kann man die Gesamtheit der Einflüsse durch eine Gaußsche Zufallsvariable darstellen.
Als einfachen Spezialfall betrachte alle Zufallsvariablen als identisch mit Mittelwert 0, Varianz und beliebigen höheren Momenten.
Für die Zufallsvariable
kann man gegenüber die Verschiebungsinvarianz der Kumulanten der Ordnung größer gleich 2 ausnutzen. Der einzige Unterschied zur Zufallsvariablen ist, dass Erwartungswert von Null ist, auch dann wenn die Erwartungswerte der nicht verschwinden.
ergeben sich unter Ausnutzung der Eigenschaften Homogenität und Additivität folgende Kumulanten:
Die Ordnung ergibt sich, da die Summe über die Einzelkumulanten von der Ordnung ist. Hier die Ordnungen der ersten Kumulanten:
Für ist die Ordnung hoch einem negativen Exponenten und somit gilt im Grenzwert unendlich vieler Zufallsvariablen:
D. h., es bleibt nur die erste Kumulante bzw. das erste Moment übrig. Mit wachsendem erhält man eine Gauß-Verteilung um den Mittelwert
,
wobei die Breite von der Ordnung ist, und im Grenzfall einen scharfen (Delta-förmigen) Peak bei .
Als einfachen Spezialfall betrachte alle Zufallsvariablen als identisch mit Mittelwert , Varianz und beliebigen höheren Momenten.
Somit ist eine Zufallsvariable mit demselben Mittelwert wie (man nennt erwartungstreuer Schätzer für den Mittelwert von ). Die für wachsende immer schmaler werdende Breite der Gauß-Verteilung (Standardabweichung um Mittelwert) beträgt .
Kumulanten und ihre Eigenschaften wurden erstmals 1889 von dem dänischen Mathematiker Thorvald Nicolai Thiele in einem in dänischer Sprache erschienenen Buch beschrieben.[1] Obwohl dieses Buch im gleichen Jahr im Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik ausführlich referiert wurde,[2] blieben die Ergebnisse zunächst weitgehend unbeachtet, so dass Felix Hausdorff noch 1901 diese Kenngrößen in einer Arbeit als (von ihm) „neueingeführt“ bezeichnete.[3]
In obiger kombinatorischer Momenten-Kumulanten-Formel
summiert man über alle Partitionen der Menge
.
Wenn man stattdessen nur über nicht-kreuzende Partitionen summiert, so erhält man die freien Kumulanten.
Diese wurden von Roland Speicher[4] eingeführt und spielen in der freien Wahrscheinlichkeitstheorie eine analoge Rolle wie die
üblichen Kumulanten in der klassischen Wahrscheinlichkeitstheorie.[5]
Insbesondere sind die freien Kumulanten additiv für freie Zufallsvariable. Die Wignersche Halbkreisverteilung, welche das freie Gegenstück zur Normalverteilung ist, ist dadurch charakterisiert, dass nur die freie Kumulante zweiter Ordnung nicht verschwindet.
↑Speicher, Roland (1994), "Multiplicative functions on the lattice of non-crossing partitions and free convolution", Mathematische Annalen, 298 (4): 611–628