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Als Non-finito (aus dem Italienischen, so viel wie „unvollendet“) wird in der Kunst beziehungsweise Bildhauerei eine nicht fertiggestellte Skulptur bezeichnet.

Der Gedanke (La pensée) von Auguste Rodin, um 1895

Der Unterschied zwischen einem Torso und dem Non-finito besteht darin, dass der Künstler mehr Material verwendet hat, als notwendig ist, und dass die Plastik noch unbearbeitete Partien besitzt, wohingegen ein Torso „abgeschnittene“ Partien hat, deren gedankliche Fortsetzungen (oft Arme oder Beine) niemals Teil der fertigen Skulptur sein sollten.

Beispiele von Non-finitos:

„Non finito“ wurde ab 1435 in Verbindung mit den ersten Handzeichnungen verwendet, die ab diesem Zeitpunkt als eigenständige Kunstform galten. Die Tatsache, dass es in der Natur „nulla linea“ („keine Linie“) gibt, führte bei den Künstlern dieser Generation dazu, darin die höchste Form der Abstraktion zu erkennen. Gleichzeitig wurde von den Künstlern dieser Epoche „vorausgesetzt“, dass der Rezipient etwas, was nicht vollständig zeichnerisch formuliert wurde (Zeichnungen können per se nicht naturalistisch sein, aber die Aquarellmalerei und das Pastell), zu Ende sehen kann. Leonardo da Vinci hat in seinen Traktaten darauf hingewiesen, dass das Non-finito eine hohe künstlerische und intellektuelle Leistung bedeutet. In der Neurologie ist diese Tatsache ca. 550 Jahre später als erwiesen angesehen worden, das perzeptuelle Ergänzen (Filling-in) ist ein Begriff, der für diese Leistung des Gehirns steht.[1]

Auf einer Studienreise nach Florenz und Rom im Jahre 1875 studierte Rodin intensiv die Skulpturen Michelangelos. Er sah dort auch die sogenannten Sklaven Michelangelos (1518–1522), die grob behauen, unfertig, noch halb im Marmor stecken, aus dem sie sich scheinbar windend zu befreien versuchen. Diese Skulpturen sind ein Beispiel für das Non-finito (ital. für „unvollendet“) im Werk des großen Michelangelos.

Non-finito bedeutet, dass die Skulptur noch unbearbeitete Partien aufweist. Die Loslösung vom homogenen, fertigen Kunstwerk zugunsten des Fragments erzeugt eine große Spannung, die den Betrachter indirekt auffordert, das Gesehene im Kopf „weiterzudenken“, zu vollenden. Rodin war davon derart fasziniert, dass er das Non-finito in sein Kunstschaffen integrierte. „Der Gedanke“ von 1895 ist ein Beispiel hierfür.

[2]

»Alle wesentlichen Formen sind da, und sie wären nicht mehr da, wenn ich die Arbeit dem äußeren Anschein nach mehr vollendete.« Auguste Rodin[3]

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Mag.a Gerlinde Tamerl-Lugger: MICHELANGELOS NON-FINITO. In: Hauptbetreuer: Ao. Univ.-Prof. Dr. Markus Neuwirth, Betreuer: Ao. Univ.-Prof. Dr. Christoph Bertsch (Hrsg.): Dissertation. eingereicht im Rahmen des Doktoratsstudiums C 092 315 (Kunstgeschichte). Leopold-Franzens-Universität, Innsbruck 18. September 2017.
  2. Katja Heckes: Auguste Rodin – Erneuerer und Wegbereiter der modernen Plastik und Skulptur. In: Ernst Klett Verlag GmbH (Hrsg.): Auguste Rodin: Der Denker (Le penseur). Newsletter KUNST, Nr. 02/2013.
  3. (Zitat nach: Quelle: http://www.kunstdirekt.net/kunstzitate/bildendekunst/kuenstlerueberkunst/rodin_auguste.htm)