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Orthomol

deutsches Familienunternehmen

Orthomol (vollständiger Name: Orthomol pharmazeutische Vertriebs GmbH) ist ein Familienunternehmen mit Sitz in Langenfeld, Nordrhein-Westfalen.[2] Es wurde 1991 von Kristian Glagau und Hans Dietl gegründet und wird heute von seinem Sohn Nils Glagau sowie Michael Schmidt geführt.[3]

Orthomol pharmazeutische Vertriebs GmbH

Logo
Rechtsform GmbH
Gründung 1991
Sitz Langenfeld (Rheinland), Nordrhein-Westfalen
Leitung Nils Glagau
Michael Schmidt
Mitarbeiterzahl 478[1]
Umsatz 122,8 Millionen Euro[1]
Website www.orthomol.com
Stand: 31. Dezember 2021

Orthomol vertreibt entgegen dem Unternehmensnamen keine pharmazeutischen Produkte, sondern lediglich Nahrungsergänzungsmittel mit Mikronährstoff-Kombinationen und ist dabei Marktführer im Bereich der sogenannten orthomolekularen Medizin,[4][5] deren Grundannahmen und Konzepte nach Kriterien der evidenzbasierten Medizin nicht wissenschaftlich belegt sind und im Widerspruch zum anerkannten Stand der Ernährungswissenschaften stehen.

Geschichte

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Ende der 1980er Jahre entwickelte Kristian Glagau, vorher u. a. im Marketing der Firma Fresenius tätig, die Idee, orthomolekulare Produkte in Deutschland zu vertreiben. In den Vereinigten Staaten war die Idee, kombinierte Vitamin-, Mineralstoff- und Spurenelement-Präparate zur Prävention von Krankheiten einzusetzen, bereits kommerziell erfolgreich.[6] 1991 gründete Kristian Glagau mit seinem Partner Hans Dietl das Unternehmen Orthomol. Sie vertrieben spezifische Mikronährstoff-Kombinationen, die von Lohnherstellern produziert wurden.[7] Als Warenlager nutzten sie zunächst Räumlichkeiten an Glagaus Wohnsitz in Langenfeld.[8] Das Unternehmen wuchs kontinuierlich; zur Jahrtausendwende hatte Orthomol die Zahl von 100 Mitarbeitern überschritten[9] und sich zu einem der führenden Anbieter im Segment der Mikronährstoffe entwickelt.[10] 2001 kauft Glagau die Firmenanteile des zuvor verstorbenen Mitinhabers Dietl. 2003 erhielt das Unternehmen vom Bundesverband Deutscher Unternehmensberater den Company Award für besondere Managementleistungen.[11][12] Der Vertrieb expandierte über Europa hinaus nach Russland, in die Vereinigten Staaten sowie den Nahen Osten und Asien.[13][14]

Im Jahr 2009 verstarb auch der zweite Firmengründer Kristian Glagau.[15] Das Unternehmen wurde von seinen beiden Kindern gemeinsam mit Michael Schmidt weitergeführt, der schon zu Lebzeiten Glagaus Geschäftsführer war.[16] 2014 verblieben schließlich Nils Glagau und Michael Schmidt an der operativen Spitze des Unternehmens.[17] Beide steigerten den Umsatz bis heute (Stand: 2020) auf annähernd 130 Millionen Euro.[18]

 
Hauptsitz von Orthomol in Langenfeld

Dachgesellschaft des Unternehmens ist die Orthomol Holding, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach deutschem Recht. Ihr Geschäftszweck umfasst den Erwerb, die Errichtung, die Veräußerung, die Verwaltung und das Halten von Beteiligungen und die Geschäftsführung von Unternehmen, die die Herstellung und den Vertrieb von pharmazeutischen Produkten, insbesondere von diätetischen Lebensmitteln, Medizinprodukten, Nahrungsergänzungsprodukten und Kosmetika zum Gegenstand haben.[19] Die Orthomol Holding bildet mit ihren deutschen- und internationalen Tochtergesellschaften einen Konzern.[20] Derzeit sind Nils Glagau (Marketing und Vertrieb) und Michael Schmidt (Einkauf, Produktion, Logistik und Technik) Geschäftsführer.[20]

Wirksamkeit der Nahrungsergänzungsmittel

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Im Jahr 2002 bemängelte Der Spiegel, dass Orthomol seinerzeit Präparate ohne jegliche medizinische Evidenz für eine Einnahme im Zusammenhang mit Krebserkrankungen bewarb.[21] Der Tagesspiegel kritisierte, dass Nahrungsergänzungsmittel in erster Linie den Herstellern nützten, und zitierte das Arznei-Telegramm, das angesichts des nicht nachgewiesenen Nutzens und gravierender Bedenken von Produkten der orthomolekularen Medizin abrate.[22]

Laut Peter Sawicki in einem Artikel von Spiegel Online (2014) hat Orthomol Immun „weder als Einzelstoff noch als Kombination eine belegte Wirkung bei der Prävention von Erkrankungen“. Der Hinweis des Herstellers auf das Votum der Ethikkommission des Campus Charité sei zudem „eine bewusste Irreführung“.[23] Die Deutsche Apothekerzeitung berichtete 2016, dass rezeptfreie Immunstimulanzien, darunter „Orthomol Immun Pro“, vom Verbrauchermagazin Öko-Test mit „ungenügend“ bewertet wurden. Neben dem fehlenden Wirksamkeitsbeleg wurden auch Deklarationsmängel und Überdosierungen beanstandet.[24] 2018 urteilte die Wirtschaftswoche, das Unternehmen verkaufe „zweifelhafte Produkte mit vorbildlichem Marketing“.[25] Eine gesunde und ausgewogene Ernährung mache die Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln unnötig. Bei Minderjährigen bestehe zudem die Gefahr einer Überschreitung der vom Bundesinstitut für Risikobewertung empfohlenen täglichen Höchstmengen.[26]

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Commons: Orthomol – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Konzernabschluss zum Geschäftsjahr vom 01.01.2021 bis zum 31.12.2021, veröffentlicht im elektronischen Bundesanzeiger, abgerufen am 22. April 2024
  2. Unternehmen. Orthomol, abgerufen am 27. September 2019.
  3. Der neue Löwe aus Langenfeld. In: Solinger Morgenpost. 11. Dezember 2018, S. 23.
  4. Daniel Bakir: Ein Besuch bei Orthomol: So funktioniert das Pillenimperium des neuen Löwen. In: stern.de. Gruner + Jahr, 5. September 2019, abgerufen am 27. September 2019 (Reportage der Woche).
  5. A. Müller: Orthomolekulare Konkurrenz. 17. Juli 2013 (apotheke-adhoc.de).
  6. Carolin Bauer: Am Anfang war die Orthomol-Garage. In: apotheke-adhoc.de. 24. März 2016, abgerufen am 27. September 2019.
  7. Carolin Bauer: Am Anfang war die Orthomol-Garage. In: apotheke-adhoc.de. 24. März 2016, abgerufen am 27. September 2019.
  8. Anna Busch: Aus der Garage in die Welt. In: Westdeutsche Zeitung. 8. Juni 2011.
  9. Kleiner Anfang, großer Zuwachs. In: Rheinische Post. 25. Mai 2006.
  10. Maßgeschneiderte Mikronährstoffe. In: Rheinische Post. 25. Mai 2006.
  11. Orthomol ausgezeichnet. Wirtschaftsticker. In: Pharmazeutische Zeitung. 6. Oktober 2003.
  12. Branchenpreis für Orthomol. In: Rheinische Post. 4. Oktober 2003.
  13. Vitamine für Peking und Schanghai. In: Rheinische Post. 16. Januar 2004.
  14. Finn Mayer-Kuckuk: Auf der Suche nach deutschen Spurenelementen. In: Handelsblatt. 15. März 2004, S. 16.
  15. Orthomol-Gründer Kristian Glagau ist tot. In: Westdeutsche Zeitung. 12. September 2009.
  16. Orthomol regelt Nachfolge. In: Rheinische Post. 27. November 2009.
  17. Philipp Wente: Die Welt ist blau. In: Private Wealth. 5. Dezember 2016 (private-wealth.de [abgerufen am 27. September 2019]).
  18. Orthomol Holding GmbH, Langenfeld (Rheinland). In: northdata.de. Abgerufen am 29. Juni 2022.
  19. Orthomol Holding GmbH. Auf Northdata.de; abgerufen am 23. Juli 2024.
  20. a b Orthomol Holding GmbH. In: unternehmensregister.de. Bundesanzeiger Verlag, abgerufen am 27. September 2019.
  21. Vlad Georgescu, Marita Vollborn: Functional Food: Das Geschäft mit den Möchtegern-Medikamenten. In: spiegel.de. 19. Dezember 2002, abgerufen am 27. September 2019.
  22. Michael de Ridder: Gesundheit per Pille? Schöner, fitter, schlauer: Für alles gibt es Präparate. Die Wundermittel helfen aber vor allem den Herstellern. In: Der Tagesspiegel. 28. April 2019, S. 22.
  23. Nicola Kurth: Medikamenten-Check: Was die Abwehrkräfte wirklich stärkt. In: spiegel.de. 27. Oktober 2014, abgerufen am 27. September 2019.
  24. Julia Borsch: Rezeptfreie Immunstimulanzien fallen durch, DAZ.Online, 27. Oktober 2016
  25. Jürgen Salz: Doping für Deutschland: Der Mittelständler Orthomol ist einer der bekanntesten Hersteller angeblich heilender und leistungsfördernder Nahrungsergänzung. Erfolgreich macht ihn sein Marketing. In: WirtschaftsWoche. 17. August 2018, S. 60 (wiwo.de [abgerufen am 27. September 2019]).
  26. Bunte Drops und Bärchen für die Gesundheit? In: vzhh.de. Verbraucherzentrale Hamburg, 15. Mai 2018, abgerufen am 27. September 2019.