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Stesichoros

Vertreter der älteren dorischen Lyrik

Stesichoros (altgriechisch Στησίχορος Stēsíchoros), auch Tisia; * um 632–629 v. Chr. wahrscheinlich in Himera in Sizilien;[1] † um 556–553 v. Chr. in Catania) war der bedeutendste Vertreter der älteren dorischen Lyrik und zählt zum Kanon der neun Lyriker. Er wurde auch der „lyrische Homer“ genannt.

Büste Stesichorus’ in der Villa Bellini

Von ihm rührt die Einteilung der chorischen Lieder in Strophe, Antistrophe und Epode her, auch gilt er als Begründer des höheren frischen Stils. Seine von den Alexandrinern in 26 Bücher eingeteilten Festgesänge behandelten in prächtiger Darstellung vorwiegend epische Stoffe; ebenso standen die einfachen metrischen Formen der epischen nahe, wie auch der Dialekt, der mit wenigen Dorismen gemischt war. Wir besitzen von ihm nur Bruchstücke.

Die vermeintliche Erblindung des Stesichoros (als Folge seiner Schmähung der Helena), und wundersame Heilung (nach seinem Widerruf) wird von der heutigen Forschung als Sinnbild und nicht als tatsächlicher Verlust des Augenlichtes angesehen.

Überliefert sind Fragmente unter anderem aus folgenden seiner Dichtungen:

  • Iliupersis (Das Hölzerne Pferd)
  • Helena (Die Schmähung der Helena)
  • Palinodie (Der Widerruf)

Von großer Bedeutung war Stesichoros auch für die Entwicklung der Tragödie. Er bildete sozusagen ein Bindeglied zwischen Epos und Tragödie. Besonders deutlich zeigt dies seine Orestie in zwei Büchern, die insbesondere Euripides als Vorlage gedient hat. Ein in den 1970er Jahren entdeckter Papyrus, der in Lille aufbewahrt wird, beinhaltet ein bedeutendes Fragment aus Stesichoros’ Werk über den Mythos der Sieben gegen Theben. Enthalten sind dramatische Dialoge zwischen Ödipus’ Mutter Iokaste und den beiden Söhnen Eteokles und Polyneikes. Das sind mithin Bauformen, die der Attischen Tragödie direkt präludieren.

Die Unterschätzung des Stesichoros in der modernen Forschung hat wohl auch damit zu tun, dass er in Aristoteles’ Darstellung der Entwicklung der Tragödie in dessen Poetik keine Rolle spielt. Aristoteles’ Geschichte und Analyse dieser Tragödie wurde aber für das Abendland kanonisch; in der Forschung ab den 1970er Jahren kommt dieser Dichter jedoch verstärkt wieder zu seinem Recht.

Seine herausragende Bedeutung in der Antike wird durch die Tatsache reflektiert, dass er in den Kanon der neun Lyriker in Alexandria Aufnahme fand. Da stand er zwar nicht an der Spitze – der Spitzenplatz gebührte Pindar –, aber er kam in diesem Kanon an prominenter Stelle vor. Die Römer in der augusteischen Zeit haben diesen Dichter ebenfalls geschätzt.

Stesichoros’ Abstammung aus Himera auf Sizilien zeigt aber auch, wie fruchtbar und vital die griechische Kultur der Magna Graecia bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. gewesen ist; und es zeigt sich, wie stark zeitweise auch im 6. Jahrhundert v. Chr. diese Kultur auf das Mutterland zurückwirkte.

Ausgaben

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Literatur

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  • Philip Brize: Die Geryoneis des Stesichoros und die frühe griechische Kunst. Triltsch, Würzburg 1980, ISBN 3-87825-035-5.
  • Paul Curtis: Stesichoros’s Geryoneis (= Mnemosyne Supplements. Band 333). Brill, Leiden 2011.
  • Peter Grossardt: Stesichoros zwischen kultischer Praxis, mythischer Tradition und eigenem Kunstanspruch. Zur Behandlung des Helenamythos im Werk des Dichters aus Himera (= Leipziger Studien zur klassischen Philologie. Band 9). Narr, Tübingen 2012, ISBN 978-3-8233-6767-3.
  • Christian Mueller-Goldingen: Tradition und Innovation. Zu Stesichoros’ Umgang mit dem Mythos. In: Antiquité Classique. Band 69, 2000, S. 1–19 (mit Angaben zur älteren Literatur).
  • Andreas Bagordo: Stesichoros. In: Bernhard Zimmermann (Hrsg.): Handbuch der griechischen Literatur der Antike. Band 1: Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit. C. H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-57673-7, S. 188–196.
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Commons: Stesichoros – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

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  1. Himera als Geburtsort geben an: Platon, Phaidros 244a; Aristoteles, Rhetorik 2,20,1393b; Pseudo-Plutarch, De Musica 1133; Aelius Aristides, Orationes 85,30; Pausanias 2,22,7; 8,3,2; 9,2,3; 9,11,2; Iulius Pollux 9,100; Claudius Aelianus, Varia historia 4,26; 10,18; Clemens von Alexandria, Stromata 1,16,78,5; Proklos, In Platonis rem publicam commentarii 1,173; Cicero, Reden gegen Verres 2,2,87. Die Suda, Stichwort Στησίχορος, Adler-Nummer: sigma 1095, Suda-Online überliefert ebenfalls Himera als Geburtsort, ergänzt aber, dass einige meinten, Stesichoros stammte aus Matauria, womit wohl die lokrische Stadt Metauros, das heutige Gioia Tauro, in Kalabrien gemeint ist. Harold North Fowler schloss diese Möglichkeit nicht aus; siehe derselbe: A History of Ancient Greek Literature. Macmillan, New York 1902, S. 114 (Reprint online). Dem folgt auch die Encyclopædia Britannica unter dem Stichwort Stesichorus. Diese Angaben der Suda werden in der Fachwissenschaft allerdings bezweifelt; siehe etwa Emmet Robins: Stesichoros [2]. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 11, Metzler, Stuttgart 2001, ISBN 3-476-01481-9, Sp. 975. und Walther Kraus: Stesichoros. In: Der Kleine Pauly (KlP). Band 5, Stuttgart 1975, Sp. 367. Zur Diskussion siehe etwa Paul Curtis: Stesichoros’s Geryoneis (= Mnemosyne Supplements. Band 333). Brill, Leiden 2011, S. 4 f.; Peter Grossardt: Stesichoros zwischen kultischer Praxis, mythischer Tradition und eigenem Kunstanspruch. Zur Behandlung des Helenamythos im Werk des Dichters aus Himera (= Leipziger Studien zur klassischen Philologie. Band 9). Narr, Tübingen 2012, passim; Andreas Bagordo: Stesichoros. In: Bernhard Zimmermann (Hrsg.): Handbuch der griechischen Literatur der Antike. Band 1: Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit. C. H. Beck, München 2011, S. 188 f.