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Strebkatzenziehen

mittelalterliches Kraftspiel

Das Strebkatzenziehen, niederdeutsch Strewkattentrecken, auch Luderziehen, Katzenstriegel, Auchenomachia, war ein spätmittelalterliches Kraftspiel, das im 15. und 16. Jahrhundert in ganz Deutschland, aber auch in den Ländern Skandinaviens verbreitet war. Bei dem Spiel wurden die Köpfe der beiden sich gegenüber knienden Kontrahenten durch Seile oder Tuchstreifen um den jeweiligen Nacken miteinander verbunden. Es ging bei dem Spiel darum, den Kopf des Gegners möglichst über das zwischen beiden brennende Feuer zu ziehen. In weniger archaischen Varianten wurde derjenige Gewinner, der es schaffte, den Gegner drei Ellen in seine Richtung zu ziehen. Das Spiel hieß die Streb(e)katze ziehen, weil sich die Kontrahenten wie sich sträubende, widerstrebende Katzen gegenübersaßen.[1] Das Spiel gilt als Vorläufer des Tauziehens. Während es aber beim Tauziehen allein um Kraft, Körpergewicht und Technik im Sinne des modernen Sports geht, ist beim Luder (= noch immer mit Kot gefüllter meist Schweinedarm) noch das mittelalterliche Element des Zufalls vorhanden, denn der Darm kann reißen und somit die Wettkämpfer (und die nahen Zuschauer) mit Kot bespritzen.[2]

Strebkatzenziehen in Hannover
Strebkatzenziehen in Lübeck

In Dänemark wird das Spiel Traekke Grin und in Schweden Dra Gränja genannt. In vielen alten Städten finden sich zumeist mittelalterliche Reliefs, die auf dieses Spiel hindeuten.

Literatur und Drama

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Die Luterisch Strebkatz, 1524

In Deutschland spiegelt sich der Begriff der Strebkatze mit Aufkommen des Buchdrucks seit dem 15. Jahrhundert auch in der Literatur, so erstmals – wenn auch druckfehlerbehaftet – in Sebastian Brants Narrenschiff (1494) mit dem Reim „es züht die kräbkatz[3] mancher man | der doch das merteyl noch musz lan“[4], und ist als Schlagwort im Deutschen Wörterbuch mit weiteren Beispielen nachgewiesen:

ein bub sich an den andern hieng,
mit dem einen der hies herr Matz,
must ich ziehen die strebekatz
so stehet einander gegen vber,
vnd macht euch die quel[5] vmb den hals
nemet den knotten beyd gleichszfalls
vnd fasset mit den zänen fest,
ein jeder sein knotten aufs best.
darnach kniet nieder auff die erd,
vnd zieht, last sehen wer gewinnen werd.

Henrici (1595)

Auch dramatisch wurde der Stoff verarbeitet. In der Reformationszeit wurde das Strebkatzenziehen zum Symbol für die Auseinandersetzungen der Zeit. Ein frühes Beispiel ist eine Szene im mittelniederdeutschen Fastnachtsspiel Claews Bûer (Klaus Bauer) des Magisters Bado von Minden von 1523.[6] Über den Verfasser ist kaum etwas bekannt; er gilt als Schüler des Erasmus von Rotterdam. Im Spiel wird deutlich Kritik an den kirchlichen Zuständen geübt. Es ist die erste Flug- und Streitschrift reformatorischen Charakters in Westfalen und war weit verbreitet. Bis 1606 erlebte es fünf Auflagen, darunter auch eine in Lübeck durch Johann Balhorn um 1548.[7] Darauf greift später, wie Karl Goedeke nachwies, Franciscus Omichius in seinem 1578 bei Jacob Lucius erschienenen Schauspiel „Ein newe Comoedia von Dionysii Syracusani und Damonis und Pythiae Brüderschafft“ zurück.[8]

1524 erschien in Worms bei Peter Schöffer dem Jüngeren eine anonyme Streitschrift Die Luterisch Strebkatz zugunsten der Reformation. Als ihr Autor wird Urbanus Rhegius vermutet. Ihr satirischer Titelholzschnitt zeigt Martin Luther und den Papst beim Strebkatzenziehen. Luther, allein auf das Kreuz gestützt, gewinnt klar gegen den Papst und seine Helfer.[9]

Darstellungen

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Steinstraße 3 in Braunschweig
 
Breite Straße in Braunschweig

Soweit sich die Darstellungen in der unmittelbaren Nähe von Rathäusern befinden, die bis in die Frühe Neuzeit auch Gerichtshäuser waren, sind die Reliefs auch als Anspielung auf die dort verhandelten Prozesse zu verstehen.

Begriffsänderung

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Im 18. Jahrhundert setzte sich in Norddeutschland eine negative Begriffskonnotation durch; die Strebkatz wurde auch auf widerborstige Frauenzimmer angewandt, meist in einem kriminell zu verstehenden Kontext.

Literatur

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Offizieranwärter auf der Gorch Fock (1968)
  • Erich Ballerstedt: Das Strebkatzenziehen, ein Kraftspiel des Mittelalters, und seine Spuren in deutscher Sprache und Kunst. In: Hannoversche Geschichtsblätter. Bd. 4, 1901, S. 97–107.
  • Antjekathrin Graßmann: Lübeck Lexikon. Lübeck 2006, S. 338.
  • Carl R. af Ugglas: „Den Lilla Stockholmsrebusens“ Lösning. 1937, fornvannen.se (PDF; 2,1 MB).
  • V. Habicht: Darstellung eines mittelalterlichen Volksspiels in Schweden und Deutschland. In: Hannoversche Geschichtsblätter. Neue Folge, Bd. 5, 1938, S. 49–53.
  • Hermann Schaub: Strebkatz- und Luderziehen als Ausdruck theologischer Auseinandersetzungen im 16. Jahrhundert. Zur Deutung eines Schnitzbildes am Wiedenbrücker Ratskeller. In: Jahrbuch für westfälische Kirchengeschichte. Bd. 105, 2009, S. 45–72.
  • Klaus Mlynek: Luderziehen. In: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, S. 416.
  • Reinhard Wortmann: Strebkatzziehen – eine spätmittelalterliche Wandmalerei im Haus Engelgasse 4 in Biberach. In: BC – Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach. 37. Jg. 2014, Heft 1, S. 3–12 (PDF)
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Commons: Strebkatzenziehen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Siehe auch den Eintrag Strêbekatze in Adelung – Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart
  2. Arnd Krüger: Leibesübungen bis zum 19. Jahrhundert: Ritual und Rekord, in: Arnd Krüger & Hans Langenfeld (Hrsg.): Sport in Hannover - von der Stadtgründung bis heute. Göttingen: Die Werkstatt 1991, 11 - 12.
  3. gewollt wohl: Sträbkatz
  4. Narrenschiff 64, 31
  5. =Handtuch
  6. Dazu siehe Karl Goedeke: Grundrisz zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen. Zweite Auflage, Band 2: Das Reformationszeitalter. Dresden: Ehlermann 1886, S. 335f (Nr. 29)
  7. Digitalisat einer Ausgabe von um 1550; Exemplar der Herzog August Bibliothek
  8. Karl Ernst Hermann Krause: Omichius, Franciscus. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 24, Duncker & Humblot, Leipzig 1887, S. 349.
  9. Otto Clemen: Die Luterisch Strebkatz. In: ARG 2 (1905) S. 78–93, wieder in: ders.: Kleine Schriften, Band 2, 1983, S. 202–217
  10. H. Edel: Die Fachwerkhäuser der Stadt Braunschweig. Ein kunst- und kulturgeschichtliches Bild. Appelhans Verlag, Braunschweig 1928, S. 12.
  11. Wilhelm Schrader: Steinstraße 3. Kurze Chronik eines alten Patrizierhauses. In: Braunschweigische Heimat. Zeitschrift des Braunschweiger Landesvereins für Heimatschutz. 1931, Heft 1, 22. Jahrgang, S. 18
  12. Die Darstellungen aus der Breiten und der Heydenstraße befinden sich im Städtischen Museum, Braunschweig, s. Paul Jonas Meier und Karl Steinacker: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Braunschweig, 2. erw. Auflage. Braunschweig 1926, S. 83
  13. destentor.nl@1@2Vorlage:Toter Link/m.destentor.nl (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  14. Arnd Krüger: Leibesübungen bis zum 19. Jahrhundert: Ritual und Rekord, in: Arnd Krüger & Hans Langenfeld (Hrsg.): Sport in Hannover - von der Stadtgründung bis heute. Göttingen: Die Werkstatt 1991, 11 - 12.
  15. Hans Graeven: Das Strebkatzenziehen auf einer Lüneburger Beischlagwange. In: Hannoversche Geschichtsblätter 5 (1902), S. 241–252
  16. Kindstugatan in der englischsprachigen Wikipedia
  17. Carl R. af Ugglas, siehe Literatur
  18. Hermann Schaub: Strebkatz- und Luderziehen als Ausdruck theologischer Auseinandersetzungen im 16. Jahrhundert: zur Deutung eines Schnitzbildes am Wiedenbrücker Ratskeller. In: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 105 (2009), S. 45–72