Alfred Lichtwark

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Alfred Lichtwark, Fotografie von Rudolf Dührkoop, 1899

Alfred Lichtwark (* 14. November 1852 in Hamburg-Reitbrook; † 13. Januar 1914 in Hamburg) war ein deutscher Kunsthistoriker, Museumsleiter und Kunstpädagoge in Hamburg. Er gehört zu den Begründern der Museumspädagogik und der Kunsterziehungsbewegung.

Herkunft und Werdegang

Hamburg-Reitbrook, Vorderdeich 9, Lichtwarks Geburtshaus

Alfred Lichtwark war der Sohn des Müllers Friedrich Johann Carl Ernst Lichtwark, der die Reitbrooker Mühle besaß. Aus erster Ehe des Vaters hatte er drei Halbgeschwister. Alfred Lichtwarks Mutter Johanne Helene Henrietta geb. Bach (1829–1909) stammte angeblich aus der direkten Linie des Komponisten Johann Sebastian Bach. Nachdem Alfred mit seinen Geschwistern Hans, ausgewandert nach Australien, und Marianne (1857–1930) auf dem Land eine glückliche Kindheit verbracht hatte, sah sich der Vater 1858 gezwungen, wegen Geldmangels die Mühle zu verkaufen. Die Familie zog nach Hamburg, wo der Vater eine ebenfalls schlecht laufende Gastwirtschaft führte und die Familie unter ärmlichen Umständen lebte. Lichtwark, der die Bürgerschule[1][2] besuchte, erwies sich als ein sehr talentierter und vielseitig begabter Schüler und half nach der Schule als Hilfslehrer aus. 1873 holte er das Abitur am Christianeum in Altona nach und studierte dank eines Stipendiums, zu dem ihm Justus Brinckmann verhalf, Kunst und Pädagogik in Dresden, Leipzig und Berlin. Nach dem Ende der Studienzeit arbeitete er an mehreren Volks- und Bürgerschulen in Berlin. Lichtwark war mit der damaligen Pädagogik sehr unzufrieden, was ihn bereits in Berlin zur Idee einer neuen Schulform oder Pädagogik führte.

Direktor der Hamburger Kunsthalle

Alfred Lichtwark, gemalt von Leopold Karl Walter Graf von Kalckreuth, 1912

Wieso Lichtwark 1886 gefragt wurde, ob er das Amt des Direktors der Hamburger Kunsthalle übernehmen wolle, die vorher nur von einer Person des Senats verwaltet wurde, ist unklar. Er war vom 3. Dezember 1886 an der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle, deren Sammlung er systematisch ausbaute. Der heutige Bestand beruht noch wesentlich auf den von Lichtwark geschaffenen Grundlagen. Er sammelte einerseits gezielt Hamburgs mittelalterliche Kunst (insbesondere Werke von Meister Bertram und Meister Francke) und erwarb andererseits Werke der deutschen Romantik (Caspar David Friedrich, Philipp Otto Runge) und zeitgenössischer Künstler des ausgehenden 19. Jahrhunderts wie Pierre Bonnard, Lovis Corinth, Wilhelm Leibl, Adolph Menzel und Edouard Vuillard. Mit seiner regen Ankaufspraxis und intensiver Öffentlichkeitsarbeit gelang es ihm, das Verständnis für die damals aktuelle Kunst zu verbreitern. Neben dem hohen Interesse am französischen Impressionismus setzte er sich nachdrücklich für die Hamburger Kunstszene ein, war Initiator der Gründung des Hamburgischen Künstlerklubs und vergab Aufträge an Hamburger Maler wie Gotthardt Kuehl und Wilhelm Trübner. Das Anliegen, seiner Heimatstadt Hamburg ein künstlerisches Denkmal zu setzen, führte auch zu Aufträgen an Maler wie Max Liebermann und Theodor Hagen, von dem er mehrere Hafenbilder erwarb. Lichtwark unternahm während seiner Amtszeit mehrere Reisen nach Dresden, Weimar, Frankfurt/Main, Genf, Paris, London und Stockholm, wo er nach vielen Kunstmotiven auf der Suche war. Er holte zudem den Grabower Altar von Meister Bertram, den früheren Altar der Hamburger Petrikirche, aus der Kirche in Grabow zurück nach Hamburg. 1906 wurde dieser erstmals in der Hamburger Kunsthalle ausgestellt. Lichtwark kritisierte außerdem den damaligen Zeitgeist und die Schichttrennung der Leute in Deutschland und in übrigen Teilen Europas. Seine pädagogischen Ideen führten schließlich zur Gründung der Lichtwarkschule.

Lichtwarks Grabstein auf dem „Althamburgischen Gedächtnisfriedhof“

Alfred Lichtwark war befreundet mit Max Liebermann, Leopold von Kalckreuth, Hans Olde, Förderer des Grafen Kessler und des Bürgermeisters Max Predöhl.

Auch die Gründung sowie die Konzeption des Museums für Hamburgische Geschichte gehen auf seine Initiative zurück, sowie die künstlerische Früherziehung. 1896 eröffnete er in der Kunsthalle eine Ausstellung mit dem Thema, wie Kinder denken und malen.

Wegweisend sind seine Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken, bei denen er mit Schülern Kunstwerke in seinem Museum systematisch besprach. Die Erkenntnisse daraus verbreitete er in Vorträgen und mehreren Büchern. Er gilt damit als einer der Begründer der Museumspädagogik.[3] Alfred Lichtwark blieb Direktor der Kunsthalle bis zu seinem Tod 1914. Er starb an den Folgen einer Magenkrebserkrankung. Auf der Trauerfeier im (Alten) Krematorium an der Alsterdorfer Straße hielt Max Liebermann die Trauerrede[4]. Zwei Monate später gab es in der Musikhalle eine offizielle Gedächtnisfeier, auf der Bürgermeister Max Predöhl Lichtwark würdigte. Die Asche wurde auf dem „Althamburgischer Gedächtnisfriedhof“ genannten Teil des Friedhof Ohlsdorf in Hamburg beigesetzt (Grab 24).[5] Der Grabstein wurde von Fritz Schumacher entworfen, der viele Jahre später direkt neben Lichtwark bestattet wurde. Der Nachfolger Lichtwarks an der Kunsthalle wurde Gustav Pauli.

Lichtwark-Preis

Der Lichtwark-Preis, 1951 vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg anlässlich des 100. Geburtstages Alfred Lichtwarks gestiftet, wird alle fünf[6] Jahre vergeben.

Ehrungen

Nach Alfred Lichtwark benannt wurden:

  • in Eppendorf die Lichtwarkstraße
  • die heutige Heinrich-Hertz-Schule in Hamburg-Winterhude hieß zwischen 1920 und 1937 Lichtwarkschule (1937 wurde sie mit dem Heinrich-Hertz-Realgymnasium zur Oberschule am Stadtpark für Jungen zusammengelegt)[7] Berühmtester Abiturient dieser Schule war der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt.
  • das Lichtwark-Heft, ein Kultur-Magazin, das seit 1948 – anfangs monatlich, jetzt jährlich – erscheint im Verlag HB-Werbung, Hamburg-Bergedorf, ISSN 1862-3549.
  • ein Theater-Veranstalter in Bergedorf „LICHTWARK BERGEDORF THEATER Haus im Park“.
  • in Bergedorf das Lichtwarkhaus mit Haus der Jugend[8] und Kita und Arbeiterwohlfahrt
  • die Lichtwark-Gesellschaft, Hamburg,[9] sie gründete ein Heinz-Spielmann-Begabtenstipendium zur Förderung junger Künstler.
  • Ein Hafenfähre mit dem Namen Lichtwark.

Werke

chronologisch

  • Hamburger Amateur-Photographenverein (Hg.): Die Bedeutung der Amateur-Photographie. Wilhelm Knapp, Halle (Saale) 1894. (Digitalisat)
  • Die Wiederentdeckung der Medaille. Gerhard Küthmann, Dresden, 1897[10] (Digitalisat).
  • Hans Holbeins Bilder des Todes. Reproducirt nach den Probedrucken und der Lyonner Ausgabe von 1547 in der Kunsthalle zu Hamburg. Commeter, Hamburg 1897 (digitalisierte Ausgabe).
  • Hamburg-Niedersachsen. Gerhard Küthmann, Dresden 1897 (Digitalisat).
  • Das Bildnis in Hamburg. Lütcke & Wulff, Hamburg 1898.
  • Die Seele als Kunstwerk. Böcklin-Studien. Bruno Cassirer, Berlin 1899 (Digitalisat).
  • Julius Oldach. Kunsthalle zu Hamburg, Hamburg 1899 (Digitalisat).
  • Meister Francke. Kunsthalle zu Hamburg, Hamburg 1899 (Digitalisat).
  • Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken. [Als Manuskript gedruckt 1897 bei Lütcke&Wulff Hamburg] Kühtmann, Dresden 1900 (Digitalisat).
  • Drei Programme (= Grundlagen der künstlerischen Bildung. Bd. 4). Bruno Cassirer, Berlin 1902 (Digitalisat).
  • Aus der Praxis (= Grundlagen der künstlerischen Bildung. Bd. 5). Bruno Cassirer, Berlin 1902 (Digitalisat).
  • Vom Arbeitsfeld des Dilettantismus (= Grundlagen der künstlerischen Bildung. Bd. 13). Bruno Cassirer, Berlin 1902 (Digitalisat).
  • Park- und Gartenstudien. Die Probleme des Hamburger Stadtparks, der Heidegarten. Bruno Cassirer, Berlin 1909 (Digitalisat).

Aufsätze zur Photographie

Literatur

  • Henrike Junge-Gent: Alfred Lichtwark. Zwischen den Zeiten. (= Forschungen zur Geschichte der Hamburger Kunsthalle. Band 3). Deutscher Kunstverlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-422-07142-1.
  • Rudolf Großkopff: Alfred Lichtwark. Ellert und Richter, Hamburg 2002, ISBN 3-8319-0076-0 (Biographie).
  • Alfred Hentzen: Lichtwark, Alfred. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, ISBN 3-428-00195-8, S. 467–469 (Digitalisat).
  • Werner Kayser: Alfred Lichtwark. (= Hamburger Bibliographien. Band 19). Christians, Hamburg 1977, ISBN 3-7672-0531-9 (Bibliographie).
  • Hans Präffcke: Der Kunstbegriff Alfred Lichtwarks. Olms, Hildesheim u. a. 1986, ISBN 3-487-07731-0.
  • Carsten Meyer-Tönnesmann: Der Hamburgische Künstlerclub von 1897. Atelier im Bauernhaus, Fischerhude 1997, ISBN 3-88132-255-8.
  • Nobumasa Kiyonaga: Alfred Lichtwark: Kunsterziehung als Kulturpolitik. Kopaed, München 2008, ISBN 978-3-86736-117-0.
  • Harald Richert: Alfred Lichtwark – Blumenliebe und Gartenkunst. In: Lichtwark-Heft. Heft 69, 2004
  • Elisabeth Scheele: Erinnerungen an Lichtwarks Wirken für die Kunsterziehung. In: Lichtwark-Heft. Heft 21, 1961.
Commons: Alfred Lichtwark – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Henny Wiebking: Alfred Lichtwarks Frühzeit. In: Lichtwark Nr. 17. Hrsg. Lichtwark-Ausschuß, Bergedorf 1958. Siehe jetzt: Verlag HB-Werbung, Hamburg-Bergedorf. ISSN 1862-3549.
  2. Henny Wiebking: Aus Alfred Lichtwarks Frühzeit. In: Lichtwark Nr. 19. Hrsg. Lichtwark-Ausschuß, Bergedorf 1959. Siehe jetzt: Verlag HB-Werbung, Hamburg-Bergedorf. ISSN 1862-3549.
  3. HAMBURG ANNO 1894 – DIE HEIMKEHRENDEN WERFTARBEITER AUF DER ELBE. REALIST LEOPOLD VON KALCKREUTH UND DIE HAMBURGER KUNSTHALLE. In: André Chahil | Gallery & Art Consulting. 26. Juli 2017 (andrechahil.com [abgerufen am 27. Juli 2017]).
  4. http://www.zeit.de/2014/03/alfred-lichtwark-kunst-todestag/komplettansicht
  5. Grab Alfred Lichtwark bei knerger.de
  6. Pressearchiv auf hamburg.de
  7. Reiner Lehberger: Die Lichtwarkschule in Hamburg. Hamburg, 1996; S. 5. ISBN 3-929728-27-3
  8. www.lichtwarkhaus.de
  9. Website der Lichtwark-Gesellschaft, Hamburg
  10. In dieser Ausgabe direkt hinter der Titelseite findet sich eine Auflistung Schriften von Alfred Lichtwark.