Alkaliphilie
Alkaliphilie ist die Eigenschaft von Lebewesen, eine alkalische Umgebung (also mit hohem pH-Wert) zu bevorzugen. Lebewesen mit dieser Eigenschaft werden als alkaliphil bezeichnet. Oft wird auch die sprachlich inkorrekte Form Alkalophilie (bzw. alkalophil) verwendet.
Organismen, die an einen neutralen pH-Wert angepasst sind neutrophil. Acidophile Lebewesen haben sich an sehr saure Umweltbedingungen angepasst.
Alkaliphile Mikroorganismen
Alkaliphile Organismen kommen meistens in hoch basischen Biotopen wie z. B. carbonathaltigen Böden und alkalischen Sodaseen vor. Zu den alkaliphilen Mikroorganismen gehören beispielsweise Cyanobacterien der Gattung Spirulina und Arthrospira platensis.[3][4]. Extrem alkaliphile Bakterien finden sich insbesondere in den Gattungen Bacillus und Clostridium.
Manche alkaliphile Bakterien sind in der Lage, ihre Umgebung zu verändern, indem sie neutrales Medium alkalisieren oder hochalkalisches Medium ansäuern und damit den pH-Wert für ihr Wachstum optimieren. Ihre extracellulär ausgeschiedenen Enzyme haben ihr Optimum im stark alkalischen Bereich. Solche Enzyme haben z. B. in der Waschmittelindustrie eine wichtige technische Bedeutung.
Alkaliphile Mikroorganismen sind extremophil: sie gehören zu den Lebewesen, die an einen extremen Lebensraum angepasst sind. Ihr optimales Wachstum findet bei einem pH-Wert von 10 statt. Manche können in stark alkalischen Medien mit einem pH-Wert von 11 wachsen.
Aufrechterhaltung des pH-Werts im Cytosol
Ihre Anpassung an alkalische Lebensräume erfordert die Überwindung grundsätzlicher Probleme. Ein hoher pH-Wert im Inneren der Zellen ist zerstörerisch. Beispiellsweise werden DNA und RNA bei hohen pH-Werten zerstört. Zum Schutz benötigen alkaliphile Organismen einen Mechanismus, mit dem sie im Zellinneren den Anstieg des pH-Werts begrenzen, der durch ihre alkalisches Umgebung droht.
Abb. 1 zeigt sich die Auswirkung der nach rechts zunehmenden Alkalität des Nährmediums auf den pH-Wert im Zellinneren. Im Bereich bis ca. pH 10,5 zeigen die dort blau dargestellten alkaliphilen Bakterien im inneren kaum höhere pH-Werte als die beiden grün abgebildeten neutrophilen Referenz-Organismen. Bei dem Bakterium Clostridium paradoxum zeigt sich beispielsweise, dass der pH-Wert im Inneren physiologisch zunehmend ungünstig wird, wenn die Alkalinität über diesen Wert ansteigt.
Die Mechanismen zur Anpassung von Clostridium paradoxum an die alkalische Umgebung sind in Abb. 2 dargestellt.
Clostridium paradoxum ist ein thermophiles alkaliphiles anaerobes Bakterium, das ATP durch Homoacetatgärung von Glucose gewinnen kann. Unter ATP-Verbrauch kann der Organismus mittels einer ATP-Synthase Na+ durch die Membran befördern. Dadurch entsteht ein chemiosmotisches Membranpotenzial ΔP, das sich aus der elektrischen Spannung ΔΨ (außen positiv geladen) und dem ΔNa+-Konzentrationsunterschied zusammensetzt. Zurück strömende Na+-Ionen ermöglichen den Import von Glucose.
Dessen Vergärung liefert Essigsäure, die durch die Membran nach außen diffundiert. Im alkalischen Äußeren dissoziiert Essigsäure in das Acetat-Anion und H+. Durch einen Na+/H+-Antiporter gelangt das H+ wieder in die Zelle und wirkt dessen Alkalisierung entgegen. [5][6]
Chemiosmose alkaliphiler Bakterien
Der Energiestoffwechsel aerober chemotropher Organismen beruht fast stets auf dem Betrieb einer ATP-Synthase, die eine erheblich höhere ATP-Ausbeute ermöglicht als Organismen, die wie Clostridium paradoxum auf Gärungsprozesse zur ATP-Bildung beschränkt sind und ihre ATP-Synthase nicht zur ATP-Produktion einsetzen können. Auch viele anaerobe Organismen nutzen, anders als Clostridium paradoxum, ATP-Synthasen zur ATP-Bildung; ebenso alle phototrophen Organismen.
Die chemiosmotische Energie für die von der ATP-Synthase katalysierten endergonischen ATP-Bildung bauen solche Organismen fast ausnahmslos dadurch auf, dass sie durch H+-Export an ihrer Zellmembran eine elektrische Spannung und eine energiereiche Konzentrationsdifferenz der H+Ionen aufbauen. Der Rückstrom der H+Ionen durch die ATP-Synthase stellt diesem Enzym die Energie zur Verfügung.
Die Ausnahme bilden methanogene Organismen, die über eine ATP-Synthase verfügen, die sowohl H+Ionen als auch Natriumionen akzeptiert.
Alkaliphile Organismen können kein Membranpotenzial dadurch aufbauen, dass sie H+Ionen in ihr Nährmedium abgeben. Die Kationen würden sofort mit den OH--Anionen zu Wasser reagieren, die Energie würde frei als Wärme und wäre für die Organismen nicht mehr nutzbar. Lange Zeit wurde daher vermutet, dass die Organismen eine Na+-angetriebene ATP-Synthase zur Energiegewinnung nutzen. Diese Vermutung wurde dadurch bestärkt, dass in Clostridien Na+-ATP-Synthasen gefunden wurden. Bei näherer Untersuchnung zeigte sich allerdings, dass die Na+-ATP-Synthasen der Clostridien durchweg ATP verbrauchen. Sie pumpen Na+ vom Cytosol nach außen (vgl. Abb. 2). Bei Clostridium paradoxum konnte bislang noch keine ATP-Bildung durch die Na+-ATP-Synthase nachgewiesen werden.
Bei einigen alkaliphilen Organismen lieferten biochemische Analysen den Nachweis von H+ getriebenen ATP-Synthasen. Bei dem Vergleich der Genome einer ganzen Reihe unterschiedlicher alkaliphiler Lebewesen mit denen ihrer nahen neutrophilen Verwandten fanden sich regelmäßig Gene für ATP-Synthasen, die keine wesentliche Unterschiede aufwiesen. Einen entscheidenden Hinweis für die materielle Grundlage der Alkaliphilie lieferten Mutanten mit verminderter Wachstumsfähigkeit bei hohen pH-Werten. Sie wiesen Defizite beim Aufbau ihrer Zellwand und dem Raum zwischen Zellwand und Zellmembran auf.
Die molekulare Grundlage der Alkaliphilie des alkaliphilen Bakteriums Bacillus pseudofirmus ist schematisch in Abb. 3 dargestellt. B. pseudofirmus wächst aerob auf organischen Medien und hält, wie in Abb. 1 dargestellt, bis zu einem pH von fast 11 sein Cytosol im neutralen Bereich. Die Zellwand des Bakteriums ist speziell mit Teichonsäuren angereichert, deren negative Ladung eine Barriere gegen die OH--Ionen des Mediums bilden.
Zwischen der aus Peptidoglykan bestehenden Zellwand findet und der Zellmembran sich hier ein Raum, der einen deutlich niedrigeren pH-Wert hat als das alkalische Medium, in dem das Bakterium lebt. Innerhalb dieses Raums tritt ein pH-Gadient auf. Direkt an der Außenseite der Zellmembran sind verschiedene Makromoleküle und Carotinoide angelagert. Hier ist der pH-Wert am niedrigsten.
Durch die an der Mambran-Außenseite angelagerten Moleküle fließt ein in gewissem Sinne kanalisierter Strom von H+-Ionen zur ATP-Synthase und zu einem Mrp-Antiporter, der H+ gegen Na+ austauscht. Seine Atmungskette (Respiration) transportiert H+ durch die Zellmembran.
Dieser Austausch bringt dem Organismus wesentliche Vorteile. Zum einen wird durch den Reimport der H+-Kationen der Alkalisierung der Zellen entgegen gewirkt. Die nach außen gepumpten Na+-Ionen erhalten die elektrische Spannung an der Zellmembran aufrecht, ohne Gefahr zu laufen, durch OH- neutralisiert zu werden. Einströmendes Na+ nutzt das Bakterium energetisch zur Aufnahme von Nährstoffen durch einen Symporter und zum Betrieb der Geißel (Flagellum). Ein Na+-Membran-Kanal (NaBP) kann bei Natriummangel in der Zelle geöffnet werden und wird als Überspannungsschutz spannungsabhängig geöffnet oder geschlossen. [7][8]
Alkaliphile Cyanobakterien verfügen über einen grundsätzlich anderen Mechanismus, mit dem sie ein H+-Membranpotential nutzen können. Spirulina platensis hält bei einem äußeren pH-Wert von 10 im Cytoplasma einen pH-Wert von pH 8,2. ATP wird an einer Thyllakoid-Membran gebildet, die ohne Kontakt zur Außenwelt mitten in der Zelle befindet. Das Medium in diesem Vesikel ist mit pH 6,4 sogar leicht sauer. Nach außen wird wie bei Bacillus pseudofirmus ein Na+Potential aufgebaut und mit einem H+-/Na+-Antiporter der Ansäuerung des Zellinneren entgegen gewirkt.[9]
Einzelnachweise
- ↑ Cook G M: The Intracellular pH of Clostridium paradoxum, an Anaerobic, Alkaliphilic, and Thermophilic Bacterium. p 4576-4579 in: Applied and Environmental Microbiology Vol. 62, No. 12 (1996)
- ↑ Terry Ann Krulwich: Adaptive Mechanisms of Extreme Alkaliphiles. S. 123 in Koki Horikoshi: Extremophiles Handbook. New York 2011 ISBN 978-4-431-53897-4 (Print) 978-4-431-53898-1 (Online)
- ↑ Hicks B: F1F0-ATP synthases of alkaliphilic bacteria: lessons from their adaptations. Biochim Biophys Acta. 2010 Aug; 1797(8): 1362–1377. [1]
- ↑ Pogoryelov D: The c15 ring of the Spirulina platensis F-ATP synthase: F1/F0 symmetry mismatch is not obligatory. EMBO Rep. 2005 Nov; 6(11): 1040–1044. [2]
- ↑ Scott A. Ferguson et al.: Biochemical and Molecular Characterization of a Na+-Translocating F1Fo-ATPase from the Thermoalkaliphilic Bacterium Clostridium paradoxum. 2006 J.Bac.188,14 (2006)
- ↑ Cook, Gregory M. et al.: The Intracellular pH of Clostridium paradoxum, an Anaerobic, Alkaliphilic, and Thermophilic Bacterium. Appl. Environ. Microbiol. December 1996 vol. 62 no. 12 4576-4579
- ↑ Laura Preiss et al:Alkaliphilic bacteria with impact on industrial applications, concepts of early life forms, and bioenergetics of ATP synthesis. Front. Bioeng. Biotechnol., 03 June 2015. [3]
- ↑ Koki Horikoshi(Editor): Extremophiles Handbook. 2011 New York ISBN 978-4-431-53897-4 (Print) 978-4-431-53898-1 (Online)
- ↑ Terry Ann Krulwich: Adaptive Mechanisms of Extreme Alkaliphiles. S. 121-122 in Koki Horikoshi: Extremophiles Handbook. New York 2011 ISBN: 978-4-431-53897-4 (Print) 978-4-431-53898-1 (Online)