Marmorpapier

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Marmoriertes Vorsatzpapier aus einem Buch, das um 1735 in Frankreich gebunden wurde

Als Marmorpapier (auch: marmoriertes Papier, türkisches Papier, venezianisches Papier; persisch ابروباد abrubād, also Wolke und Wind, oder کاغذ ابری kaqaz-e abri, also wolkiges Papier, daraus das türkische ebru) bezeichnet man mit verschiedenen speziellen Verfahren von Hand verzierte Papierbögen, die vermehrt seit dem 18. Jahrhundert, teils aber auch heute als Bezugsmaterial für handgebundene Bücher, als Vorsatzpapier, für die Auskleidung von Futteralen, Kanzleibehältnissen und Möbeln verwendet wurden. Neuerdings kommen sie als Geschenkpapier (Nachdrucke von Originalen) vereinzelt wieder in Gebrauch.

Herstellung

Ebru
Darstellung der Marmoriertechnik von 1750
Wanne mit vorbereiteter Farbschicht

Die Herstellung von traditionellem handgemachten Marmorpapier, die in Japan bereits um das Jahr 1000 bekannt war, gleicht der eines Marmorschnitts. Ein flaches Becken wird mit der sog. Schlichte gefüllt; dies ist eine Gallerte, die durch Auflösen von Tragantgummi in Wasser, Aufkochen von Irländischem Moos (auch Carrageen-Moos, Chondrus crispus) oder durch eine Lösung von Methylcellulose in Wasser (Tapetenkleister) hergestellt wird. Die Schlichte wird abgestrichen. Nun werden auf die flache Oberfläche des Leimbades Aquarellfarben aufgebracht, die mit Ochsengalle versetzt sind. Dieser Zusatz dient der Herabsetzung der Oberflächenspannung der Farbe, damit diese sich auf der Oberfläche der Schlichte ausbreiten kann. Die Farbe kann sich wegen der Konsistenz der Schlichte nicht mit dieser selbst oder den anderen Farben vermischen. Daher können die Farben nun mit verschiedenen Techniken in ornamentale Schlierenmuster gebracht werden, die teilweise natürlichem Marmor ähneln – daher der Name ‚Marmorpapier‘. Nun wird ein starker Papierbogen, der zuvor mit Alaunwasser gebeizt wurde, vorsichtig auf das Leimbad gelegt und anschließend wieder abgehoben. Die Farbe bleibt am Papier haften. Anschließend werden die Reste der Schlichte mit Wasser abgespült. Die Beize mit Alaunlösung dient dazu, dass die Farbe bei dem Abspülen der Leimreste nicht mitabgespült wird. Die Farbe verbindet sich beim anschließenden Trocknen dauerhaft mit dem Papier.

Neben der traditionellen Herstellung mit Aquarellfarben kann auch mit Ölfarben marmoriert werden. Diese Technik erlaubt es auch ohne eine Gallerte als Grund in einem bloßen Wasserbad zu marmorieren. Allerdings bleiben die Ergebnisse im Regelfall deutlich hinter denen des Marmorpapiers auf Basis von Aquarellfarben zurück, da sich die Musterung des Papiers nicht so weitgehend wie bei der traditionellen Herstellung kontrollieren lässt. Mit Ölfarben marmorierte Papiere haben insbesondere ein spezifisches körniges Aussehen, das nicht der Feinheit eines Marmorpapiers auf Aquarellbasis entspricht. In diesem Fall spricht man auch von Öltunkpapieren.

Arten

Unregelmäßiger Kammmarmor vom Vorsatz eines Buches (ca. 1720 bis 1770, Niederlande oder Deutschland)

Je nach der Art der Aufbringung der Farben (Spritzen, Tupfen, Sprühen usw.) und der anschließenden Behandlung entstehen verschiedene Ornamente. Besonders typisch sind getupfte Muster, die echtem Marmor am nächsten kommen, sowie wellenartige Muster, die entstehen, wenn man mit einem Kamm durch die Farbschicht (sog. Kamm-Marmor) fährt. Auch strudelartig verquirlte u. ä. Varianten kommen vor; letztlich sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt. Aus der Türkei stammt etwa der Brauch, Blütenbilder auf den Leim zu zeichnen. Der Begriff Ebru wird auch als spezifische Bezeichnung von Mustern der letztgenannten Technik verwendet. Auch durch gezielte Bewegung des Papiers beim Aufbringen auf die Schlichte kann das Muster in spezifischer Form beeinflusst werden. Dabei ergeben sich dunkle Streifen, die das sonstige Marmormuster regelmäßig durchbrechen (Spanisches Muster).

Im Wiener Jugendstil entwickelten die Künstler Koloman Moser, Josef Hoffmann und Leopold Stolba die Technik, im Sinne der Klecksographie Gestalten in der Marmorierung zu entdecken oder zu verstecken, so dass Zufall und Phantasie ein besonders Spiel entfalten.[1]

Suminagashi

Die aus Japan stammende Technik nutzt Tusche auf Wasser, was auch die Bedeutung des Begriffes ausmacht. Die Verwendung dieser Technik reicht bis ins 8. Jahrhundert zurück.[2]

Hippie Marbling

Der Begriff Hippie Marbling wurde in den 1970er Jahren geprägt und bezeichnet die Herstellung großformatiger marmorierter Stoffbahnen mithilfe von meist auf Wasser schwimmenden Farben, die unter anderem mit Blasrohren manipuliert wurden.[3][4]

Seit einigen Jahren wird die Technik auch mit Seidenbahnen verwendet, so etwa in Kappadokien.

Qualität

Marmorpapier ist ein besonders hochwertiges veredeltes Papier: Jeder Bogen stellt ein Unikat dar, da sich die Muster auch bei gleichem Vorgehen nicht genau wiederholen; zudem tritt auch innerhalb eines Bogens keine exakte Wiederholung des Musters auf, wie das bei anderen Verzierungstechniken der Fall ist. Marmorpapier wurde als Bezugsmaterial sowie Vorsatzpapier für Bücher früher in ganz Europa hergestellt und verwendet, besonders in England. Heute werden Marmorpapiere insbesondere in England, den Niederlanden, Deutschland, Frankreich und Italien aber auch in Amerika manuell produziert und verkauft, wobei die Marmorierwerkstätten in Venedig in der öffentlichen Wahrnehmung am präsentesten sind. Neben dem echten Marmorpapier gibt es auch preiswerte Imitate, die das Muster in gewöhnlichem Farbdruck reproduzieren.

Beispiele

Commons: Paper marbling – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Anne Chambers: Marmoriertes Papier. Ein praktischer Leitfaden. Verlag Paul Haupt, Bern u. a. 1988, ISBN 3-258-03961-5.
  • Gabriele Grünebaum: Buntpapier – Geschichte, Herstellung, Verwendung. DuMont Buchverlag, Köln 1982, ISBN 3-7701-1406-X.
  • Gabriele Grünebaum: How to Marbleize Paper. Step-By-Step Instructions for 12 Traditional Patterns. Dover Publications, New York NY 1984, ISBN 0-486-24651-5.
  • Gabriele Grünebaum: Techniques for Marbleizing Paper. Dover Publications, New York NY 1992, ISBN 0-486-27156-0.
  • Josef Halfer: Die Fortschritte der Marmorirkunst. Ein praktisches Handbuch für Buchbinder und Buntpapierfabrikanten. Selbstverlag, Budapest 1885.
  • Marianne Moll: Altes und neues Buntpapier. Buntpapierverlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-938423-02-8.
  • Henk Porck et al.: Buntpapier – Ein Bestimmungsbuch, Decorated paper – A Guide Book, Sierpapier – Een gids. Buntpapierverlag, Hamburg 2009, ISBN 978-3-938423-17-2.
  • Nedim Sönmez: Ebru. Marmorpapiere. Maier, Ravensburg 1990. ISBN 3-473-48104-1
  • Richard J. Wolfe: Marbled Paper. Its History, Techniques, and Patterns ; with special references to the relationship of marbling to bookbinding in Europe and the Western world. University of Pennsylvania Press, Philadelphia 1990.

Einzelnachweise

  1. Michael Pabst, Wiener Grafik um 1900. München: Verlag Silke Schreiber 1984, S. 173–190.
  2. Julia Rinck: Geschichte des Buntpapiers in Auszügen. In: buntpapier.org. Abgerufen am 3. April 2017.
  3. Hippie Marbling. Film from 1970s, and 2005 interview. blib.tv, abgerufen am 25. Oktober 2014 (englisch, 1979ger Jahre).
  4. Hippie Marbling. An art form rooted in the 1960's and a look at one of its eccentric pioneers. April 2005, archiviert vom Original am 23. April 2013; abgerufen am 25. Oktober 2014 (englisch).