Pilatusbahn

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Pilatusbahn


Pilatusbahn bei der Einfahrt in die Bergstation Pilatus Kulm

Fahrplanfeld:473
Streckenlänge:4,27 km
Spurweite:800 mm (Schmalspur)
Stromsystem:1650 V =
Maximale Neigung: 480 
Zahnstangensystem:Locher
Alpnachstad–Pilatus Kulm
0,00 Alpnachstad 440 m ü. M.
Anschluss an die Brünigbahn nach Luzern und Interlaken
Wolfort 890 m ü. M.
Wolforttunnel (40 m)
Tunnel Unterer Spycher (47 m)
Tunnel Oberer Spycher (97 m)
2,07 Ämsigen Kreuzungsstation 1355 m ü. M.
Mattalp 1600 m ü. M.
Tunnel Rosegg (44 m), verlängert mit 2 Galerien
Tunnel Eselwand (50 m)
Tunnel Fleimentunnel (>55 m)
4,27 Pilatus Kulm 2073 m ü. M.

Die Pilatusbahn ist eine Zahnradbahn in der Schweiz und die weltweit steilste ihrer Art.[1] Sie führt von Alpnachstad auf den Pilatus und wird durch die Pilatus-Bahnen AG betrieben.

Streckenbeschreibung

Zahnradsystem Locher der Pilatusbahn. Die gegenüberliegenden Zahnräder verhindern ein seitliches Aufklettern. Sicherungsscheiben unter den Zahnrädern verhindern das Aufsteigen nach oben.
Pilatusbahn: Gleiswender in der Nähe der Bergstation

Die Bahn fährt auf einer 4,618 km[2] langen Schmalspurstrecke (Spurweite 800 mm) und überwindet eine Höhendifferenz von 1635 m. Es finden sich auch Längenangaben von 4,27 Kilometer[3], was sich auf das Längenmass der Basis beziehen wird, wie sie bei Vermessungen üblich ist. Die maximale Steigung von 48 % macht sie zur steilsten Zahnradbahn der Welt. Da bei dieser Steigung bei herkömmlichen Zahnstangen mit vertikalem Eingriff die Gefahr des Aufkletterns des Zahnrades aus der Zahnstange besteht, entwickelte Eduard Locher speziell für diese Bahn eine Zahnstange mit seitlichem Eingriff (Zahnradsystem Locher). Wegen dieser Zahnstange ist die Verwendung herkömmlicher Weichen nicht möglich − stattdessen werden Schiebebühnen und Gleiswender verwendet. Eine Besonderheit stellen auch die Spurkränze der Fahrzeuge dar, die an den Schienenaussenseiten entlang rollen.

Die Fahrgeschwindigkeit beträgt bergwärts 9 bis 12 km/h und talwärts maximal 9 km/h. Daraus resultiert eine Fahrzeit bergwärts von 30 Minuten und talwärts von 40 Minuten. Die maximale Transportleistung liegt bei 340 Personen pro Stunde. Die Antriebsleistung beträgt 210 PS bzw. 154 kW pro Triebwagen.

Die Ausweiche Ämsigen wurde mit Aufnahme des Sommerfahrplans 2006 zu einer auch für Touristen regulär nutzbaren Haltestelle hochgestuft.

Rollmaterial

Mit Stand September 2021 werden 10 Triebwagen für je 40 Personen eingesetzt.

  • PB Bhm 1/2 1–11 (alle ausrangiert)
  • PB Bhe 1/2 21–30 (Nr. 29 nur als Wagenkasten, Untergestell von Nr. 31)[4]
  • PB Ohe 1/2 31 (Meistens mit Wechselaufbau als Bhe 1/2 Nr. 29 unterwegs)
  • PB Xhm 1/2 32 Diesel-elektrischer Material- und Arbeitstriebwagen
  • PB Bhe 2/2 41 Neubautriebwagen, acht Fahrzeuge bestellt, davon einer ausgeliefert und im Testbetrieb (Stand September 2021).

Zwei Dampftriebwagen (PB Bhm 1/2) aus der Anfangszeit der Pilatusbahn sind bis heute erhalten geblieben. Wagen 9 steht im Verkehrshaus Luzern, der Wagen 10 kann im Deutschen Museum Verkehrszentrum in München besichtigt werden.

Geschichte

Planung

Gütertriebwagen in Alpnachstad zur Zeit des Bahnbaus
Triebwagen um 1889
Grafischer Fahrplan der Pilatusbahn Alpnach Stad - Pilatus Kulm von 1905

In Luzern erweckte der Erfolg der Vitznau-Rigi-Bahn, die anfangs eine Rendite von 15 % ausschüttete, Begehr mit einer Zahnradbahn auf den Hausberg Pilatus zu starten. Ein erstes Konzessionsgesuch wurde von der Kreditanstalt am 22. April 1873 eingereicht.[5] Doch gab es für das ausersehene Trassee von Alpnachstad zum Gipfel das Problem, dass die mit einer Riggenbachschen Zahnstange erreichbaren 25 % Steigung nicht ausreichten. Eduard Locher machte 1885 einen Vorschlag mit sieben Tunneln, schmalerer Gleisanlage und mit tief im Boden befestigten Stahlankern zur Fixierung der Gleise. Dieser Vorschlag ermöglichte eine Steigung von durchschnittlich 38 % und maximal 48 % auf gemauertem Untergrund.

Bau

Auf der Grundlage dieses Vorschlags konnte eine Realisierung im April 1886 in Angriff genommen werden.[6] Die Strecke wurde in Abschnitten gebaut. Der Bau wurde im Tal begonnen. Auf Fahrgestellen mit Ladepritschen für den Gütertransport wurden die Granitsteine zum jeweils nächsten Bauabschnitt transportiert. Dafür wurden die ersten der bestellten Dampflokomotiven eingesetzt. Damit wurden das Trassee und der Schienenaufbau sowie die Maschinen bereits in der Bauphase unter Last getestet. Die Wagenkästen für den Personenverkehr wurden erst zum Schluss auf die Fahrwerke aufgebaut.[7] Die erste Personenzugfahrt brachte am 17. August 1888 die Mitglieder des Verwaltungsrates der Pilatusbahn AG auf den Berg.[8] Der Dampfwagen Nr. 7 wurde auf der Weltausstellung 1889 in Paris gezeigt.[9]

Eröffnung

Die Strecke wurde am 4. Juni 1889 eröffnet und die Bahn fuhr im Dampfbetrieb, dazu wurde ein Triebwagen mit quer zur Fahrtrichtung gelagertem Kessel konstruiert. Das war nötig, damit Brennstoff und Wasser trotz unterschiedlicher Steigung weitgehend stabil bleiben. Man hatte zunächst ausgehend von gezählten 3000 Bergsteigern jährlich Beförderungskapazitäten für 288 Personen pro Fahrt geschaffen und konnte in den ersten zehn Jahren durchschnittlich 34'400 Personen zum Berghotel befördern.[10] Der Erfolg der Pilatusbahn drückte sich in den ersten Betriebsjahren durch eine Dividende von 7 % auf das Gesellschaftskapital aus. Das brachte dem über ein Jahrzehnt stockenden Bau weiterer Bergbahnen neuen Auftrieb. So konnten etwa Eduard Guyer-Zeller und Eduard Locher das Projekt der Jungfraubahn realisieren.[11] Aus der Anfangszeit der Pilatusbahn ist der Triebwagen Nummer 10 im Deutschen Museum in München erhalten.[12]

Elektrifizierung

Waren zu Betriebsbeginn die Triebwagen noch zu schwach motorisiert, so konnten 50 Jahre später elektrische Triebwagen die geforderte Leistung erbringen. 1936 erhielt die Bahn eine Fahrleitung und neue rote Triebwagen. Nach der Umstellung auf den elektrischen Antrieb wurde die Bahn am 15. Mai 1937 wieder eröffnet.[13]

Modernisierung 2023

Seit 2020 wird an einer Modernisierung der Pilatusbahn gearbeitet.[14] Im Kern geht es um den Ersatz des über 80 Jahre alten Fahrzeugmaterials durch acht Neubautriebwagen, die in Doppeltraktion verkehren können. Die neuen Fahrzeuge werden schneller fahren als die alten (15 km/h bergwärts, 12 km/h talwärts, bisher 12 bzw. 9 km/h) und mehr Sitzplätze bieten (46 statt 40). Ausserdem werden sie bei Talfahrt Strom in die Fahrleitung zurück speisen können (Rekuperation), es wird damit von einer Stromeinsparung von bis zu 30 % ausgegangen. Die Bahnhöfe Alpnachstad und Ämsigen werden umgebaut, sie erhalten Zugänge an beiden Aussenseiten, sodass der Ein- und Ausstieg schneller und sicherer erfolgen kann. Im Bahnhof Alpnachstad werden die bisherigen Schiebebühnen durch Gleiswender-Weichen ersetzt. Alle Massnahmen zusammen sollen es dann ermöglichen, einen 30-Minuten-Takt einzuführen (bisher 40 Minuten). Der Betrieb wird dann von Alpnachstad aus zentral gesteuert. Auch ein neuer Gütertriebwagen ist bestellt worden.

Die Arbeiten im Bahnhof Alpnachstad haben 2020 begonnen. Ein erster neuer Triebwagen Bhe 2/2 Nr. 41 wurde im Sommer 2021 angeliefert und befindet sich im Testeinsatz.

Von den Bhe 1/2 Nr. 21–28 sollen zwei betriebsfähig erhalten werden, weitere Fahrzeuge als Ersatzteilspender bzw. als Ausstellungsstücke in Museen. Im Regelbetrieb werden die alten Fahrzeuge wegen ihrer geringeren Geschwindigkeit nicht mehr einsetzbar sein.

Die Betriebsaufnahme nach Modernisierung soll mit dem Saisonbeginn 2023 erfolgen.

Unfälle

Am 20. April 1970 um 10.15 Uhr wurden bei den Schneeräumungsarbeiten (dem sogenannten «Schneebruch») 20 Arbeiter auf dem Bahntrassee der Zahnradbahn von der «Heumattli-Lawine» überrascht. Zwölf dieser Männer waren Angestellte der Pilatus-Bahnen, die übrigen acht waren spanische Gastarbeiter einer Obwaldner Baufirma. Die Unfallstelle befand sich rund 500 Meter oberhalb der Kreuzungsstation Ämsigen.[15][16][17] Eine Gruppe von sieben Arbeitern wurde direkt von der gewaltigen Lawine erfasst. Drei der verschütteten Männer – zwei Einheimische und ein spanischer Gastarbeiter – konnten von den herbeieilenden Kollegen schnell aus dem Schnee befreit werden; einer war schwer und zwei mittelschwer verletzt. Drei weitere Männer der Gruppe wurden von den gegen Mittag eintreffenden Rettungstruppen mit zwei Suchhunden lokalisiert, konnten aber nur noch tot geborgen werden. Der vierte tödlich Verunfallte, der für die Schneeräumung verantwortliche Bahnmeister, wurde erst am 2. Juni aufgefunden.[18][19] Drei der vier tödlich verunglückten Männer waren Einheimische und langjährige Mitarbeiter der Pilatus-Bahnen. Der vierte war ein 19-jähriger Spanier aus der Provinz Zamora.

Ebenfalls 1970 hatte zuvor Ende Februar ein Maschinist der Seilbahn beim Schneefräsen auf Pilatus-Kulm bei einem Unfall sein Leben verloren.[20]

Kultur- und technikgeschichtliche Bedeutung

Die Pilatusbahn mit Talstation wird im Schweizerischen Inventar der Kulturgüter von nationaler und regionaler Bedeutung als Kulturgut von nationaler Bedeutung geführt.[21]

Im Jahr 2001 stufte die American Society of Mechanical Engineers die Pilatusbahn als Historic Mechanical Engineering Landmark ein.[22]

Literatur

Commons: Pilatusbahn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Die steilste Zahnradbahn der Welt auf den Pilatus auf der Website der Pilatus-Bahnen AG, abgerufen am 15. Oktober 2018
  2. Angabe auf eigener Webseite
  3. Bergbahnen der Schweiz (1959), Schienennetz Schweiz (1980), CH+ (2010)
  4. Foto des Bhe 1/2 27, auf railpictures.net
  5. Gurtner 1975, S. 33
  6. Gurtner 1975, S. 38
  7. Gurtner 1975, S. 48ff
  8. Gurtner 1975, S. 51
  9. Gurtner 1975, S. 42f
  10. Gurtner 1975, S. 61f
  11. Gurtner 1975, S. 65
  12. Internetseite vom Deutschen Museum München mit Erwähnung des Pilatusbahn Nr. 10
  13. https://www.pilatus.ch/entdecken/zahnradbahn/geschichte/
  14. Dragonride.ch: Neukonzeption der Zahnradbahn. In: Dragonride.ch. Abgerufen am 6. Oktober 2021.
  15. Schwarzer Montag in der Innerschweiz. In: Luzerner Neueste Nachrichten, 21. April 1970.
  16. Pilatus: Die Todeslawine kam in Nebel. In: Luzerner Tagblatt, 21. April 1970.
  17. Am Pilatus erntete der Weisse Tod. In: Vaterland, 21. April 1970.
  18. Der vermisste Bahnmeister ist gefunden. In: Luzerner Neueste Nachrichten, 3. Juni 1970.
  19. Wie Federn in einem Orkan - Erinnerung an die tödliche Lawine von 1970 am Pilatus. In: Luzerner Zeitung, 20. April 2020.
  20. Im Schatten tragischer Ereignisse. In: Luzerner Neueste Nachrichten, 30. Mai 1970.
  21. Schweizerisches Inventar der Kulturgüter von nationaler Bedeutung, Kanton Obwalden auf der Webseite des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (pdf)
  22. Pilatusbahn auf www.asme.org

Koordinaten: 46° 57′ 20″ N, 8° 16′ 37″ O; CH1903: 663811 / 200838