Andrea Jördens

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Andrea Jördens (* 27. Juni 1958 in Hildesheim) ist eine deutsche Papyrologin und Althistorikerin.

Andrea Jördens studierte von 1977 bis 1984 Klassische Philologie, Geschichte und Mittellatein an der Universität Göttingen, der Universität Florenz und der Universität Heidelberg, wo sie das in Florenz am Istituto Papirologico „Girolamo Vitelli“ bei Manfredo Manfredi[1] begonnene Studium der Papyrologie bei Dieter Hagedorn fortsetzte. Nach dem 1. Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien wurde sie 1986 aufgrund ihrer durch ein Stipendium der Landesgraduiertenförderung Baden-Württembergs unterstützten Dissertation Vertragliche Regelungen von Arbeiten im späten griechischsprachigen Ägypten. Mit Editionen von Texten der Heidelberger Papyrus-Sammlung, des Istituto Papirologico „G. Vitelli“, des Ägyptischen Museums zu Kairo und des British Museum in London (P. Heid. V) promoviert. Gutachter waren Dieter Hagedorn und der Althistoriker Fritz Gschnitzer. Seit 1987 war Jördens wissenschaftliche Angestellte im Rahmen des von dem Rechtshistoriker Hans-Albert Rupprecht geleiteten Projektes Griechische Papyrusurkunden aus Ägypten am Institut für Rechtsgeschichte und Papyrusforschung der Philipps-Universität Marburg, das die von dem Rechtshistoriker Otto Gradenwitz ins Leben gerufenen und von dem Papyrologen Friedrich Preisigke begonnenen Referenzwerke der Papyrologie fortführte. 2002 erfolgte die Habilitation mit der Arbeit Statthalterliche Verwaltungspraxis in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti an der Universität Marburg im Fach Alte Geschichte. 2004 wurde Jördens als Nachfolgerin ihres akademischen Lehrers Dieter Hagedorn auf die Professur für Papyrologie am Institut für Papyrologie der Universität Heidelberg berufen,[2] dessen Direktorin sie bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand zum Ende des Sommersemesters 2024 war.

Seit 1989 ist Jördens Mitglied der Association Internationale de Papyrologues, seit 1995 Mitglied der Mommsen-Gesellschaft und der American Society of Papyrologists. Sie ist ordentliches Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts. 2004 wurde sie in das Comité der Association Internationale de Papyrologues gewählt, aus dem sie 2013 satzungsgemäß ausschied; gleichzeitig wurde sie zur Präsidentin gewählt. Das Amt bekleidete sie bis 2019. Zu ihrem Nachfolger wurde Paul Schubert gewählt. Jördens ist stellvertretende Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik und der von dieser herausgegebenen Zeitschrift Chiron sowie der Schriftenreihe Vestigia.[3] Darüber hinaus ist sie Mitherausgeberin der Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik und gehört zum Beirat der Zeitschrift Bulletin of the American Society of Papyrologists. Ferner zeichnet sie als Mitherausgeberin verantwortlich für zwei Schriftenreihen, Papyrologische Texte und Abhandlungen sowie Philippika. Altertumswissenschaftliche Abhandlungen. Contributions to the Study of Ancient World Cultures. Anlässlich ihres 65. Geburtstages wurde sie unter großer internationaler Beteiligung mit einer Festschrift geehrt.[4]

Als Papyrologin arbeitet Jördens an der Edition, Kommentierung und historischen Auswertung der griechischsprachigen dokumentarischen Papyrustexte aus Ägypten, die alle Aspekte des privaten, gesellschaftlichen und öffentlichen Lebens des antiken Ägypten von der Eroberung des Landes durch Alexander d. Gr. bis weit in die Zeit der arabischen Herrschaft (4. Jahrhundert v. Chr. bis 8. Jahrhundert n. Chr.) beleuchten. Die Erstellung von unentbehrlichen Hilfsmitteln zur Erfassung und Erschließung des umfangreichen und disparaten Quellenmaterials, das aufgrund seines einzigartigen Charakters für viele Fragen der antiken Lebensverhältnisse weit über Ägypten hinaus Bedeutung besitzt, bildet einen besonderen Schwerpunkt. Systematische Studien widmen sich Problemen der Sozial-, Wirtschafts-, Rechts-, Verwaltungs- und Religionsgeschichte.

Zusammen mit dem Juristen Christoph Schönberger von der Universität Konstanz führte Jördens das Jahresvorhaben 2011/12 des Altertumswissenschaftlichen Kollegs Heidelberg zum Thema „Einheit des Rechts und Vielheit der Rechte zwischen Rom und Brüssel. Antiker und gegenwärtiger Umgang mit Fremdheit in großräumigen Herrschaftsgebilden“ durch. Sie ist als Teilprojektleiterin des Unterprojekts Rechtsschutzbitten an Götter und Dämonen (Papyrologie) am Sonderforschungsbereichs 933 Materiale Textkulturen. Materialität und Präsenz des Geschriebenen in non-typographischen Gesellschaften an der Universität Heidelberg beteiligt.

Nach langjähriger Mitarbeit zeichnet Jördens seit 2009 als Herausgeberin für die einst auf Initiative des Rechtshistorikers Otto Gradenwitz von dem Papyrologen Friedrich Preisigke begonnenen, später von den Rechtshistorikern Emil Kießling und Hans-Albert Rupprecht fortgeführten papyrologischen Grundlagenprojekte, die Berichtigungsliste der griechischen Papyrusurkunden aus Ägypten (in Kooperation mit Francisca A. J. Hoogendijk, Papyrologisch Instituut der Universiteit Leiden),[5] das Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden aus Ägypten[6] und das Sammelbuch der griechischen Papyrusurkunden aus Ägypten[7] verantwortlich, die nach Beendigung des von Hans Albert Rupprecht geleiteten Mainzer Akademieprojekts Griechische Papyrusurkunden aus Ägypten nunmehr mit Mitteln der Emil und Arthur Kießling-Stiftung und des Landes Baden-Württemberg am Institut für Papyrologie der Universität Heidelberg weitergeführt werden. Das von ihr geleitete Institut für Papyrologie der Universität Heidelberg ist zusammen mit zahlreichen internationalen Partnern maßgeblich an mehreren digitalen Hilfsmitteln zur Erschließung des papyrologischen Materials beteiligt. Als wichtigste sind zu nennen: Heidelberger Gesamtverzeichnis der griechischen Papyrusurkunden Ägyptens (HGV),[8] Papyri.info,[9] The Duke Databank of Documentary Papyri (DDbDP),[10] Lit.pap (DCLP),[11] PapPal,[12] Bulletin of Online Emendations to Papyri (BOEP).[13]

Schriften (Auswahl)

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  • Autor und Herausgeber: Vertragliche Regelungen von Arbeiten im späten griechischsprachigen Ägypten. Mit Editionen von Texten der Heidelberger Papyrus-Sammlung, des Istituto Papirologico „G. Vitelli“, des Ägyptischen Museums zu Kairo und des British Museum, London (P. Heid. V). Winter, Heidelberg 1990 (Veröffentlichungen aus der Heidelberger Papyrus-Sammlung, Neue Folge, Nr. 6) ISBN 3-533-04340-1
  • Autor und Herausgeber: Griechische Papyri aus Soknopaiu Nesos (P. Louvre I). Habelt, Bonn 1998 (Papyrologische Texte und Abhandlungen, Band 43) ISBN 3-7749-2838-X
  • Autor und Herausgeber (zusammen mit Paul Schubert): Griechische Papyri der Cahiers P. 1 und P. 2 aus der Sammlung des Louvre (P. Louvre II). Habelt, Bonn 2005 (Papyrologische Texte und Abhandlungen, Band 44) ISBN 3-7749-3319-7
  • Beiträge in: Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Neue Folge, herausgegeben von Bernd Janowski und Gernot Wilhelm: Band I: Texte zum Rechts- und Wirtschaftsleben, Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn, Gütersloh 2004 ISBN 9783641219871 (darin Kapitel V 6.1: Der Zolltarif (zusammen mit I. Kottsieper), S. 280–292; Kapitel VII: Griechische Texte aus Ägypten, S. 313–354). Band II: Staatsverträge, Herrscherinschriften und andere Dokumente zur politischen Geschichte, Gütersloh 2005 ISBN 9783641219888 (darin: Kap. VIII: Griechische Texte aus Ägypten, S. 369–389). Band III: Briefe, Gütersloh 2006 ISBN 9783641219895 (darin Kap. VIII: Griechische Briefe aus Ägypten, S. 399–427). Band IV: Omina, Orakel, Rituale und Beschwörungen, Gütersloh 2008 ISBN 9783641219901 (darin Kap. IV 4.9.1.3–4.9.1.6: Traumaufzeichnungen aus dem Serapeum – die Katochoi, S. 374–377; Kapitel VII: Griechische Texte aus Ägypten, S. 417–445). Band V: Texte zur Heilkunde, Gütersloh 2010 ISBN 9783641219918 (darin Kap. V: Griechische Texte aus Ägypten, , S. 317–350). Band VI: Grab-, Sarg-, Bau- und Votivinschriften, Gütersloh 2011 ISBN 9783641219925 (darin Kapitel IX: Griechische Texte aus Ägypten, S. 403–436). Band VII: Hymnen, Klagelieder und Gebete, Gütersloh 2013 ISBN 9783641219932 (darin Kap. V: Griechische Texte aus Ägypten, S. 273–310). Band VIII: Weisheitstexte, Mythen und Epen, Gütersloh 2015 ISBN 9783641219949 (darin Kapitel VII: Griechische Texte aus Ägypten, S. 479–518). Band IX: Texte zur Wissenskultur, Gütersloh 2020 ISBN 9783641219956 (darin Kap. VI: Griechische Texte aus Ägypten, S. 527–595).
  • Herausgeber: Itzhak F. Fikhman. Wirtschaft und Gesellschaft im spätantiken Ägypten. Kleine Schriften. Steiner, Stuttgart 2006 (Historia Einzelschriften, Band 192) ISBN 978-3-515-08876-3
  • Herausgeber (zusammen mit Joachim Friedrich Quack): Ägypten zwischen innerem Zwist und äußerem Druck. Die Zeit Ptolemaios’ VI. bis VIII. (Internationales Symposion Heidelberg, 16. bis 19. September 2007). Harrassowitz, Wiesbaden 2011 (Philippika, Band 45) ISBN 978-3-447-06504-7
  • Herausgeber (zusammen mit Hans Armin Gärtner, Herwig Görgemanns, Adolf Martin Ritter): Quaerite faciem eius semper. Studien zu den geistesgeschichtlichen Beziehungen zwischen Antike und Christentum. Dankesgabe für Albrecht Dihle zum 85. Geburtstag aus dem Heidelberger „Kirchenväterkolloquium“. Kovač, Hamburg 2008 (Schriftenreihe Studien zur Kirchengeschichte, Band 8) ISBN 978-3-8300-2749-2
  • Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit. Studien zum praefectus Aegypti, Franz Steiner, Stuttgart 2009 (Historia. Einzelschriften, Band 175) ISBN 978-3-515-09283-8
  • Herausgeber: Ägyptische Magie und ihre Umwelt. Harrassowitz, Wiesbaden 2015 (Philippika. Altertumswissenschaftliche Abhandlungen. Contributions to the Study of Ancient World Cultures, Band 80) ISBN 978-3-447-10316-9
  • Herausgeber: Hans-Albert Rupprecht. Beiträge zur Juristischen Papyrologie. Kleine Schriften. Franz Steiner, Stuttgart 2017 ISBN 978-3-515-11684-8
  • Hauptautor und Herausgeber: Griechische Papyri aus der Sammlung des Louvre (P. Louvre III). Mit Beiträgen von Lajos Berkes, Fritz Mitthof, Maria Nowak und Naïm Vanthieghem. Habelt Verlag, Bonn 2022 (Papyrologische Texte und Abhandlungen, Band 47) ISBN 978-3-7749-4350-6
  • Lajos Berkes / W. Graham Claytor / Maria Nowak (Hrsg.): Papyrologische und althistorische Studien zum 65. Geburtstag von Andrea Jördens (Philippika. Altertumswissenschaftliche Abhandlungen 167). Harrassowitz, Wiesbaden 2023.

Einzelnachweise

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  1. Vgl. Nachruf auf Manfredi in Florence Daily News vom 6. Dezember 2011; Nachruf auf Manfredi in La Nazione vom 6. Dezember 2011.
  2. Seite des Instituts für Papyrologie der Universität Heidelberg.
  3. Vgl. Deutsches Archäologisches Institut Website.
  4. Lajos Berkes / W. Graham Claytor / Maria Nowak (Hrsg.): Papyrologische und althistorische Studien zum 65. Geburtstag von Andrea Jördens (Philippika. Altertumswissenschaftliche Abhandlungen 167). Harrassowitz, Wiesbaden 2023.
  5. Vgl. BL in: Checklist Instrumenta. Zu beachten ist, dass hier der Begriff „Urkunde“ gemäß dem in der älteren papyrologischen Literatur üblichen Sprachgebrauch und im Gegensatz zur Terminologie der Diplomatik des Mittelalters und der Neuzeit nicht ausschließlich auf die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignete und mit Beglaubigungsmitteln (wie Unterschrift des Ausstellers, von Zeugen oder einem Notar, eventuell Siegel) ausgestattete „verkörperte Gedankenerklärung“ beschränkt ist, sondern Dokumente aller Art im Gegensatz zu literarischen Texten bezeichnet. Inzwischen hat sich durchgesetzt, zwischen dokumentarischen im Gegensatz zu literarischen Papyri zu unterscheiden.
  6. Vgl. WB in: Checklist Instrumenta.
  7. Vgl. SB in: Checklist Papyri.
  8. Seite des HGV.
  9. Seite von papyri.info.
  10. Seite von papyri.info über ddbdp.
  11. Seite von DCLP (Memento vom 20. September 2019 im Internet Archive).
  12. Seite von PapPal.
  13. BOEP auf der Seite des Instituts für Papyrologie der Universität Heidelberg.