Chachapoya

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Vorkolumbische Kulturen in Südamerika

Die Chachapoya waren ein prähistorisches Andenvolk (indigene Völker Südamerikas). Der Name wurde ihnen von den Inka gegeben und bedeutet auf Quechua „Wolkenmenschen“ oder „Nebelkrieger“.

Ab wann man genau von einer Chachapoya-Kultur sprechen kann, ist ungewiss. Auch wann die riesige Festung von Kuelap, das bekannteste Zeugnis dieser Kultur, gebaut wurde, ist umstritten. Frühere Schätzungen gingen meist von 800 n. Chr. aus. Doch der seit 1986 für die Ausgrabungen in Kuelap zuständige peruanische Archäologe Alfredo Narváez kam zur Frage, wann Kuelap gebaut wurde, aufgrund neuerer Radiocarbon-Analysen inzwischen zu einem anderen Ergebnis: „Die ältesten Datierungen, die wir haben, stammen aus dem 6. Jahrhundert, d. h. etwa das Jahr 500. Aber wir vermuten, dass die Arbeit vorher begann, vielleicht um 400 n. Chr.“[1][2]

Der seit den frühen 1980er Jahren im Chachapoya-Gebiet lebende und forschende peruanische, deutschstämmige Anthropologe Peter Lerche schloss aus der Tatsache, dass für einen solchen Bau bestimmte Voraussetzungen vorliegen müssen, dass die Chachapoya-Kultur schon weit früher, evtl. vor 2000 Jahren begann.[3] Dieselbe Aussage traf Lerche auch im März 2013 in einem Statement für eine Dokumentarfilm-Produktion des TV-Senders Arte über die Ursprünge der Chachapoya-Kultur.[4]

Vermutlich waren die Chachapoya in einem losen Staatenverbund organisiert. Erst die Inka unterwarfen die Chachapoya um 1475, kurz vor Eintreffen der Spanier. Damals müssen sie noch etwa 500.000 Menschen gezählt haben. Ein großer Teil der Bevölkerung wurde deportiert, teilweise bis Cusco.

60 Jahre später verbündeten sich die Reste des Volkes mit den spanischen Konquistadoren gegen die Inka.

1549, 17 Jahre nach dem Eintreffen der Spanier, war die Gesamtbevölkerung durch Masern und Pocken auf 90.000 gesunken. Kurz darauf starben sie weitgehend aus.

Erforschung und Entdeckung

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Die Sarkophage von Karajia

1965 entdeckte der Archäologe Federico Kauffmann-Doig die Purunmachus (Alte Männer) genannten Lehmfiguren, Sarkophage der Chachapoya. Bis zu dreißig davon, etwa 60–110 cm groß, stehen in engen Felsnischen der Anden. Sie stellen die Verbindung zu den Ahnen dar.

In den 1990er Jahren wurde im Nordosten Perus, in der Nähe des Kondorsees, eine größere Begräbnisstätte mit mumifizierten Leichen gefunden. In diesen und früher entdeckten Gräbern der Chachapoya waren die Toten, die vorher nach Chachapoya-Art begraben waren, ausgegraben und nach Inka-Art neu bestattet worden – vielleicht um den Widerstand der Chachapoya gegen die Inka zu brechen. Seit dem Jahr 2000 sind die Mumien und weitere Funde der Chachapoya-Kultur im Museum Centro Mallqui in Leymebamba ausgestellt.

Im Jahre 2004 entdeckte ein Forschungsteam unter der Leitung des Forschers und Journalisten Gene Savoy bei Ocumal in der Provinz Luya eine riesige Stadtanlage, die sich über mindestens 65 Quadratkilometer erstreckt, umgeben von einer mit Wachttürmen bestückten Mauer. Insgesamt bestehe die Stadt auf den Hügeln längs des Flusses Huabayacu aus mindestens sechs Anlagen, die mit gepflasterten Wegen miteinander verbunden sind. Die Stadt wurde Gran Saposoa genannt.

Die bis jetzt größte Festung der Kultur ist das in der Nähe der Stadt Chachapoyas liegende Kuelap. Nicht weit davon entfernt wurden vor kurzem die Grabfiguren von Karajia entdeckt. Einige der weiter südlich im Nationalpark Río-Abiseo gelegenen archäologischen Ausgrabungsstätten werden ebenfalls der Chachapoya-Kultur zugerechnet.

Zu den Ursprüngen der Chachapoya-Kultur

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Teilansicht der Festung von Kuelap

Die Chachapoya wurden von dem spanischen Chronisten Pedro de Cieza de León als die „weißesten und schönsten Indianer Perus“ beschrieben.[5] Diese und weitere ähnliche Bemerkungen spanischer Chronisten wurden und werden recht unterschiedlich interpretiert.[6] Das mag dazu beigetragen haben, dass – so die aktuelle Website des „British Museum“ – die Chachapoya als „eine der am wenigsten verstandenen alten Kulturen Südamerikas“ angesehen werden.[7]

Es werden unterschiedliche Regionen Lateinamerikas als Herkunftsgebiet der Chachapoya angesehen: Mittelamerika, Nordkolumbien, die peruanische Pazifikküste, das zentrale Andenhochland und das Tiefland Amazoniens. Der seit 1985 zu den Chachapoya forschende US-amerikanische Archäologe Warren B. Church von der Columbus State University hat solche Theorien analysiert und einen Mangel an überzeugenden Kulturparallelen aufgezeigt.[8]

Church nennt noch ein weiteres, nach seiner Meinung entscheidendes Argument gegen all solche Theorien. Im Rahmen eines aufwendigen, von der University of Colorado Boulder, USA, Archäologen der Universität von Trujillo, Peru, und der peruanischen Regierung unterstützten Grabungsprojekts im Süden des Chachapoya-Gebiets analysierte er fast 100.000 Keramikscherben und beinahe ebenso viele Steinwerkzeuge und verband die Analysen mit ethnographischen Kulturvergleichen und ethnohistorischen Studien. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass die Region bereits vor weit über 4.000 Jahren besiedelt war und dass es schon vor Tausenden von Jahren Langstrecken-Handel zwischen dem amazonischen Tiefland und den Anden gegeben hat. Die Chachapoya-Kultur – so leitet er aus seinen Untersuchungen ab – sei rund um wichtige Knotenpunkte dieser Handelswege im Bergwald des nordöstlichen Andenabhangs Perus im Einzugsgebiet des Río Huallaga, eines großen Amazonasquellflusses, entstanden. Zumindest habe sich dort – im kulturellen Austausch mit Handelspartnern unter benachbarten Indianervölkern – die Keramiktradition der Chachapoya etwa um 400–200 v. Chr. entwickelt und die gesamte Zeit der Chachapoya-Kultur überdauert.[9]

Daraus schloss Church, dass alle Theorien, die den Ursprung der Chachapoya-Kultur in einer Einwanderung eines Volks aus einer anderen Region in das Chachapoya-Gebiet sehen, falsch sein müssen.[10] Allerdings gilt das nur für Theorien, die die Chachapoya als einheitliche Ethnie sehen. Church versteht die Chachapoya-Kultur als eine Mischkultur, die sich an einem bedeutenden Handelsknotenpunkt zwischen dem Amazonasgebiet und den Anden („Andean Cloud Forest Crossroads“) aus alten lokalen Wurzeln und einer Reihe von unterschiedlichen Einflüssen und Zuwanderungen aus verschiedenen Regionen und zu verschiedenen Zeiten entwickelte. Dies weist er anhand verschiedener Keramiktraditionen im Chachapoya-Gebiet nach.[11] Zu den Ursprüngen der spektakulären Bautradition vertreten die zu den Chachapoya forschenden Archäologen nach wie vor kontroverse Positionen.[12]

Der Kulturwissenschaftler Hans Giffhorn vertritt die These, dass die Chachapoya eng mit den Kelten verwandt seien und möglicherweise von einer präkolumbianischen Einwanderung europäischer Seefahrer abstammen. Diese Theorie stützt sich auf genetische Analysen sowie kulturelle und architektonische Parallelen zwischen den Chachapoya und keltischen Kulturen. Allerdings ist diese Hypothese in der wissenschaftlichen Gemeinschaft umstritten und bedarf weiterer Forschung zur Verifizierung.[13]

  • Lena Bjerregaard: Chachapoya Textiles – The Laguna de los Cóndores Textiles in the Museo Leymebamba, Chachapoyas, Peru. Museum Tusculanum Press, Copenhagen 2007, ISBN 978-87-635-0499-7.
  • Robert Bradley: The Architecture of Kuelap. The Art and Architecture of the Pre-Columbian Chachapoya. VDM, Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-639-07619-6.
  • Warren B. Church: Prehistoric cultural development and interregional Interaction in the Tropical Montane Forests of Peru. Dissertation Yale 1996.
  • Warren Church, Adriana von Hagen: Chachapoyas: Cultural Development at an Andean Cloud Forest Crossroads. In: Helaine Silverman, William Isbell (Hrsg.): Handbook of South American Archaeology. Springer, ISBN 978-0-387-74907-5, S. 903–926 (Onlineversion).
  • Max Eipp: Ein Neubau für die Toten. In: Frankfurter Rundschau. Frankfurt 18. September 1999.
  • Federico Kauffmann Doig: Chachapoyas culture. Lima 2017, ISBN 978-612-47074-6-9.
  • Peter Lerche: Häuptlingstum Jalca – Bevölkerung und Ressourcen bei den vorspanischen Chachapoya, Peru. Berlin 1986, ISBN 3-496-00859-8.
  • Peter Lerche: Los Chachapoya y los símbolos de su historia. Lima 1995, OCLC 33061443.
  • Keith Muscutt: Warriors of the Clouds. A Lost Civilization in the Upper Amazon of Peru. University of New Mexico Press, Albuquerque 1998, ISBN 0-8263-1962-9.
  • Inge Schjellerup: Incas and Spaniards in the Conquest of Chachapoyas. Archaeological and Ethnohistorical Research in the North-eastern Andes of Peru. (Gothenburg Archaeological Theses. Bd. 7). Göteborg 1997, ISBN 91-85952-52-4.
  • Inge Schjellerup: Inca Transformations of the Chachapoya Region. In: Sonia Alconini, R. Alan Covey (Hrsg.): The Oxford Handbook of the Incas. Oxford University Press, New York 2018, ISBN 978-0-19-021937-6.
  • Viola Zetzsche, Klaus Koschmieder: Im Reich der Wolkenkrieger. In: Antike Welt. Zabern, Darmstadt 2010, 1, ISSN 0003-570X, S. 35 ff.
  • Viola Zetzsche: Totenkult der Wolkenkrieger. In: epoc. Heidelberg 2009, 5, ISSN 1865-5718, S. 88 ff.
  • Die Wolkenmenschen. In: natur+kosmos. Leinfelden-Echterdingen 2003, 3, ISSN 0723-5038, S. 56 ff.
Commons: Chachapoya – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Chachapoya – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Alfredo Narváez: Breve historia de las intervenciones en Kuélap. In: Antiguas civilzaciones en la frontera de Ecuador y Perú – Una propuesta binacional para la integración andina. Tagungsbericht, Jaén, Perú, 2010, S. 31–34, archiviert vom Original am 12. Januar 2014; abgerufen am 5. März 2019 (spanisch).
  2. Lost Kingdoms of South America – People of the Clouds. Englisch. Dokumentarfilm, Minute 49:40, Regie und Produktion: John MacLaverty, BBC Scotland 2012. Online auf bbc.co.uk.
  3. Hans Giffhorn: Wurde Amerika in der Antike entdeckt? – Karthager, Kelten und das Rätsel der Chachapoya, Beck, München (Beck), 2013, S. 75.
  4. koproduziert von ZDF-Enterprises und einem US-amerikanischen TV-Sender, Buch und Regie: Michael Gregor: Karthagos vergessene Krieger, Sendetermin 8. März 2014.
  5. Pedro de Cieza de León: The seventeen years travels of Peter de Cieza through the mighty kingdom of Peru, and the large provinces of Cartagena and Popayan in South America: from the city of Panama, on the isthmus, to the frontiers of Chil. S. 186.
  6. Hans Giffhorn: Wurde Amerika in der Antike entdeckt? 2013, S. 252f.
  7. Chachapoya. Englisch. Ausstellung im Britischen Museum. Online auf britishmuseum.org.
  8. Warren B. Church: Prehistoric cultural development and interregional Interaction in the Tropical Montane Forests of Peru. Dissertation. Yale 1996, S. 64–128, auch Inge Schjellerup: Incas and Spaniards in the Conquest of Chachapoyas. Archaeological and Ethnohistorical Research in the North-eastern Andes of Peru. (Gothenburg Archaeological Theses. Bd. 7). Göteborg 1997, ISBN 91-85952-52-4, S. 241.
  9. Warren B. Church: Prehistoric cultural development... 1996, S. 228–867.
  10. Warren B. Church, Adriana von Hagen: Chachapoyas: Cultural Development at an Andean Cloud Forest Crossroads. In: Silverman, Isbell (Hrsg.): Handbook of South American Archaeology. New York 2008, S. 903ff, und Warren B. Church: Chachapoya Indians. In: H. James Birx (Hrsg.): Encyclopedia of Anthropology. Thousand Oaks, CA 2006, S. 496ff.
  11. Warren B. Church, Adriana von Hagen: op. cit. (2008)
  12. U.a. Federico Kauffmann Doig: Origen de los Chachapoyas: andinización en la Alta Amazon, in: Los Chachapoyas (Memento des Originals vom 26. Februar 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.fondoeditorialbcp.com", Lima 2013 S. 46ff
  13. Ulli Kulke: Karthager & Kelten: Wie kamen blonde Weiße vor Kolumbus nach Peru? In: Die Welt. 8. Mai 2013, abgerufen am 3. Dezember 2024.