Fließformel
Fließformeln dienen zur überschlägigen Berechnung der mittleren Geschwindigkeit einer Strömung. Dabei wird zwischen offenen Gerinnen und Rohren mit Freispiegel- oder Druckabfluss unterschieden. Die Formeln hängen vom hydraulischen Radius und dem Fließgefälle des Wasserspiegels ab und berücksichtigen sämtliche Fließwiderstände in Form empirischer Beiwerte. Diese sind für jede Fließformel unterschiedlich.
Der meist zu berechnende Abfluss ergibt sich dann durch Multiplikation der gefundenen mittleren Fließgeschwindigkeit mit der Querschnittsfläche :
Offene Gerinne
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fließformel nach Brahms und de Chézy (älteste Formel)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Namensgeber waren Albert Brahms und Antoine de Chézy.
mit
- der Fließgeschwindigkeit in m/s
- dem Chézy-Koeffizient in m½/s
- dem hydraulischen Radius in m (entspricht bei sehr breiten, flachen Fließquerschnitten ungefähr der Wassertiefe)
- dem durchflossenen Querschnitt in m²
- dem benetzten Umfang in m
- dem Fließgefälle in m/m
- der Höhe in m
- der Länge in m.
Fließformel nach Gauckler-Manning-Strickler
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Fließformel nach Gauckler-Manning-Strickler (GMS-Formel, nach Philippe Gaspard Gauckler,[1][2] Robert Manning und Albert Strickler) ist eine stark empirisch geprägte Weiterentwicklung der Formel nach Brahms und de Chézy. Sie gilt für die üblichen Verhältnisse in offenen Fließgewässern mit guter Genauigkeit:
mit dem Rauheitsbeiwert nach Strickler in m1/3/s für die Gerinnerauheit
oder im angelsächsischen Raum
mit dem Rauheitsbeiwert nach Manning .
Amerikanische Literatur und Berechnungen basieren ggf. nicht auf SI-Einheiten [m], sondern auf der Einheit Fuß [ft] (englisch foot).
Rauheitsbeiwert nach Strickler
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Strickler-Beiwert ist in Abhängigkeit von der Oberflächenbeschaffenheit, Bewuchs und Querschnittsform zu wählen und ändert sich grundsätzlich mit der Abflusstiefe, da der Einfluss der Böschungsrauheit mit zunehmender Fließtiefe abnimmt. Somit werden summarisch alle Verlust- sowie Reibungseinflüsse erfasst.
Der Strickler-Beiwert wurde von Strickler sowohl im Labor als auch in der Natur experimentell bestimmt. Seine ungewöhnliche Einheit hat keine physikalische Bedeutung, sondern wurde so festgelegt, dass die Gleichung dimensionsecht ist.[3]
Typische Flussbett-Werte:
Oberfläche | kst in m1/3/s |
---|---|
Glatter Beton | 100 |
Gerades Fließgewässer | 30–40 |
Mäandrierendes Flussbett mit Bodenbewuchs | 20–30 |
Wildbach mit Geröll | 10–20 |
Wildbach mit Unterholz | <10 |
Beispielrechnung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Rhein fließt von Köln, Höhe ca. 50 m NHN, ca. 300 km bis zur Mündung (0 m NHN); hat also ein Gefälle von . Er ist ca. 8 m tief () und besitzt ein ausgewaschenes Flussbett mit . Dann beträgt die Fließgeschwindigkeit nach Gauckler-Manning-Strickler:
- , in guter Übereinstimmung mit der gemessenen mittleren Geschwindigkeit von .
Rohrströmungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fließformel nach Darcy-Weisbach
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Durch Umformung der Darcy-Weisbach-Gleichung (nach Henry Darcy und Julius Weisbach) ergibt sich:
mit
- der Schwerebeschleunigung in m/s2
- dem hydraulischen Radius in m
- dem Rohr-Innendurchmesser in m
- der Rohrreibungszahl (ist – anders als der Strickler-Beiwert – dimensionslos).
Mit einem Parameter entspricht diese Formel der Chézy-Formel.
Fließformel von Prandtl-Colebrook
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Formel nach Ludwig Prandtl und Cyril Frank Colebrook gilt für Abfluss in Kreis- oder Nicht-Kreis-Profilen mit Voll- oder Teilfüllung. Sie geht von der Chézy-Formel aus und hat zusätzliche Parameter für die Viskosität von Wasser und die Rauheit des Rohres.
Für kreisrunde, vollständig gefüllte Rohre lautet die Formel:[4]
mit
- dem Zehnerlogarithmus
- der kinematischen Zähigkeit des Wassers in m²/s
- dem Rauhigkeitsbeiwert nach Prandtl-Colebrook (hydraulisch wirksame Rauheit der Rohrinnenwandung) in m
- dem Energieliniengefälle in m/m.
Für Nicht-Kreisprofile gibt es auch eine Formel, bei denen der Rohrradius durch den hydraulischen Radius (mit anderen Faktoren) ersetzt wird.
Weitere Fließformeln
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben diesen eigentlichen Fließformeln gibt es noch weitere für andere Fälle:
- Die Ausflussformel nach dem Gesetz von Torricelli ist eine Formel für den Ausfluss aus einem Behälter oder bei einem Wehr unter dem Schütz hindurch:
- mit dem Ausfluss- oder Verlustbeiwert .
- Zur Berechnung des Abflusses bei vollkommenem Überfall von Wehren gibt es die Poleni-Formel. Sie wird als Überfall-Formel bezeichnet und nicht als Fließformel.
- Eine Fließformel für Sickerströmungen ist das Darcy-Gesetz.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ oder nach anderen Quellen Gaspar-Philibert Gauckler; „Philibert Gaspard“ sind auch die weiteren Vornamen von Henry Darcy.
- ↑ Einführung in die Hydromechanik: Gerhard H. Jirka: Einführung in die Hydromechanik. KIT Scientific Publishing, 2007, ISBN 978-3-86644-158-3, S. 212 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Open-channel hydraulics / Ven Te Chow. - New York [u. a.] : McGraw-Hill, 1959.
- ↑ DWA-Arbeitsblatt DWA-A 110: Hydraulische Dimensionierung und Leistungsnachweis von Abwasserleitungen und -kanälen, Stand Oktober 2012.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Albert Strickler: Beiträge zur Frage der Geschwindigkeitsformel und der Rauhigkeitszahlen für Ströme, Kanäle und geschlossene Leitungen. In: Eidg. Amt für Wasserwirtschaft (Hrsg.): Mitteilungen des Amtes für Wasserwirtschaft. Nr. 16. Bern 1923, S. 357 (In der ETH-Bibliothek).
- Albert Strickler: Theorie des Wasserstosses. In: Schweizerische Bauzeitung. Nr. 63, 1914, S. 25.
- Albert Strickler: Versuche über Druckschwankungen in eisernen Rohrleitungen. In: Schweizerische Bauzeitung. Nr. 64, 1914, S. 85–87,123.
- Helmut Martin, Reinhard Pohl: Technische Hydromechanik. In: Hydraulische und numerische Modelle. Band 4. Berlin 2009, ISBN 3-345-00924-2, S. 85–87,123.
- Willi H. Hager: Swiss contribution to water hammer theory. In: Journal of hydraulic research. 1. Auflage. Band 4, Nr. 39, 2001 (englisch, Online ( vom 6. Februar 2005 im Internet Archive) [PDF]).
- Robert Freimann: Hydraulik für Bauingenieure. Hanser, 2009, ISBN 978-3-446-41054-1, S. 121 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Wilhelm Hosang: Abwassertechnik. Vieweg+Teubner Verlag, 1998, ISBN 978-3-519-15247-7, S. 86 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Thomas Vetter: Hochwasserbegleitende Sohldynamik eines großen Flachlandflusses (Vereinigte Mulde, Sachsen-Anhalt) unter besonderer Berücksichtigung von gestörten Transportverhältnissen. Hrsg.: Reinhard Lampe. Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Greifswald 2008, ISBN 978-3-86006-311-8, S. 31–32.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 10.3.2 Fließformeln. (PDF; 590 kB) In: Kap.10 Gerinneströmung. Institut für Hydromechanik Karlsruhe, S. 181, abgerufen am 13. Juli 2016.
- Kap. 6 Hydraulik. (PDF; 392 kB) Abwasser. Jansen AG, CH Oberriet, April 2003, S. E-69 - E-86, archiviert vom am 24. Juni 2011; abgerufen am 13. Juli 2016.