Natan Sznaider

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Natan Sznaider, 2021

Natan Sznaider (* 6. Oktober 1954 in Mannheim) ist ein israelischer Soziologe. Er unterrichtete an der Akademischen Hochschule[1] in Tel Aviv. Natan Sznaider war von Juli bis September 2022 auf Einladung von Michael Brenner (LMU) Visiting Fellow am Center for Advanced Studies der LMU München (CAS).[2] Von März bis Juni 2023 forschte Natan Sznaider als Senior Fellow am IFK in Wien.[3] Von Mai bis Juni 2024 ist Sznaider als Gastforscher am Hamburg Institute for Advanced Study.[4]

Natan Sznaider wurde 1954 in Mannheim als Kind von aus Polen stammenden staatenlosen Überlebenden der Shoah geboren.[5][6] Im Alter von 20 Jahren ging er nach Israel und arbeitete zunächst in verschiedenen Kibbuzim. Im August 1993 heiratete Sznaider eine israelische Historikerin, im Jahr darauf wurde ihre gemeinsame Tochter geboren.

Akademische Karriere

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Natan Sznaider begann 1977 an der Universität Tel Aviv Soziologie, Psychologie, Geschichte und Philosophie zu studieren. 1984 wechselte er an die Columbia University in New York City, wo er 1992 mit der Arbeit Die Sozialgeschichte von Mitleid promovierte. Im selben Jahr begann er für das Leo Baeck Institut in Berlin zu arbeiten.

Er unterrichtete an der Columbia-Universität, an der Hebräischen Universität in Jerusalem, der LMU München und lehrt seit 1994, zunächst als außerordentlicher Professor für Soziologie an der Akademischen Hochschule in Tel Aviv, wo er seit 1996[7] den Lehrstuhl für Soziologie besetzt und „Soziologie des Holocaust“ unterrichtet. Schwerpunkte seiner Forschungen sind Kultursoziologie, Politische Theorie, Hannah Arendt, Globalisierung, Kosmopolitismus, Erinnerung und Shoah. In mehreren Büchern und Essays lotet Sznaider die jüdische politische Theorie von Hannah Arendt aus.

Zusammen mit Daniel Levy prägte er die Begriffe des kosmopolitischen Gedächtnisses und der kosmopolitischen Erinnerung. Mit Alejandro Baer untersuchte er eine Ethik des Nie Wieder im spanischen und argentinischen Kontext.

In seinem 2022 erschienenen Buch Fluchtpunkte der Erinnerung: Über die Gegenwart von Holocaust und Kolonialismus begibt sich Sznaider auf die Suche nach einem erinnerungspolitischen und soziologischen Narrativ, dessen Ausgangsfrage lautet: Ist es und wird es möglich, der Opfer des Holocaust und des Kolonialismus zu gedenken, ohne Geschichte zu relativieren?

2024 wurde ihm der Friedenspreis der Geschwister Korn und Gerstenmann-Stiftung zugesprochen.[8] Eine gekürzte Fassung seiner Rede wurde in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht.[9]

  • The Compassionate Temperament: Care and Cruelty in Modern Society. Rowman & Littlefield, Lanham, Maryland, USA 2000, ISBN 0-8476-9556-5.
  • Über das Mitleid im Kapitalismus. Bibliothek der Provinz, 2000, ISBN 3-901862-08-0.
  • mit Daniel Levy: Erinnerungen im globalen Zeitalter: Der Holocaust. 2001. (aktualisierte Neuauflage: Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-518-45870-9)
    • in englischer Sprache: The Holocaust and Memory in the Global Age. Temple University Press 2006, ISBN 1-59213-276-6.
  • Gedächtnisraum Europa. Die Visionen des europäischen Kosmopolitismus. Eine jüdische Perspektive. Transcript Verlag, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89942-692-2.
  • mit Daniel Levy: Human Rights and Memory. Pennsylvania State University Press, 2010, ISBN 978-0-271-03738-7.
  • Jewish Memory and the Cosmopolitan Order. Polity Press, Cambridge 2011, ISBN 978-0-7456-4796-8.
  • mit Doron Rabinovici: Herzl relo@ded – Kein Märchen. Suhrkamp, Berlin 2016, ISBN 978-3-633-54276-5.
  • mit Alejandro Baer: Memory and Forgetting in the Post-Holocaust Era: The Ethics of Never Again. Routledge, London/New York 2017, ISBN 978-1-4724-4894-1.
  • Gesellschaften in Israel – Eine Einführung in zehn Bildern. Suhrkamp, Berlin 2017, ISBN 978-3-633-54285-7.
  • Politik des Mitgefühls. Die Vermarktung der Gefühle in der Demokratie. Beltz Juventa, Weinheim/Basel 2021, ISBN 978-3-7799-6247-2.
  • Fluchtpunkte der Erinnerung. Über die Gegenwart von Holocaust und Kolonialismus. (Nominiert für den Deutschen Sachbuchpreis 2022 und nominiert für den Tractatus-Preis 2022)[10][11]. Hanser, München 2022, ISBN 978-3-446-27296-5.
  • mit Navid Kermani: Israel. Eine Korrespondenz. Hanser, München 2023, ISBN 978-3-446-28070-0.
  • Die jüdische Wunde. Leben zwischen Anpassung und Autonomie. Hanser, München 2024, ISBN 978-3-446-28131-8.

Herausgegebene Bücher

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  • mit Ulrich Beck und Rainer Winter: Globales Amerika? Die kulturellen Folgen der Globalisierung. Transcript Verlag, Bielefeld 2003, ISBN 3-89942-172-8.
  • mit Ulrich Speck: Empire Amerika. Perspektiven einer neuen Weltordnung. Deutsche Verlags-Anstalt 2003, ISBN 3-421-05798-2.
  • mit Doron Rabinovici und Ulrich Speck: Neuer Antisemitismus? Eine globale Debatte. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-518-12386-6.
  • mit Christian Heilbronn und Doron Rabinovici: Neuer Antisemitismus? Fortsetzung einer globalen Debatte. Suhrkamp, Berlin 2019, ISBN 978-3-518-12740-7.
  • mit Angelika Poferl: Ulrich Becks kosmopolitisches Projekt. Nomos 2004, ISBN 3-8329-0654-1 (Zweite erweiterte Auflage: Nomos, 2020, ISBN 978-3-8487-4960-7).
  • mit Doron Kiesel und Olaf Zimmermann: Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist nie abgeschlossen: 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz. Initiative kulturelle Integration c/o Deutscher Kulturrat e. V., Berlin 2021, ISBN 978-3-947308-30-9.
  • mit Doron Kiesel und Olaf Zimmermann: Medienbild im Wandel. Jüdinnen und Juden in Deutschland; Dokumentation des Thementags der Initiative kulturelle Integration. Initiative kulturelle Integration c/o Deutscher Kulturrat e. V., Berlin 2022, ISBN 978-3-947308-48-4.

Aufsätze in Sammelbänden (Auswahl)

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  • Antisemitismus: Die Fallen der Definitionen. In: Michael Schmitt (Hrsg.): Antisemitismus in der Akademie. Otto Meyerhof – Ein Forscherleben zwischen Ruhm und Vertreibung. Hentrich & Hentrich Verlag. Berlin/Leipzig 2022, ISBN 978-3-95565-517-4.
  • Zivia Lubetkin und Hannah Arendt. Die Beschreibungen des Holocaust in Israel. In: Christian Wiese, Stefan Vogt, Doron Kiesel und Gury Schneider-Ludorff (Hrsg.): Die Zukunft der Erinnerung. Perspektiven des Gedenkens an die Verbrechen des Nationalsozialismus und die Shoah. De Gruyter, Oldenbourg 2021. ISBN 978-3-11-071056-4.
  • Antisemitismus und Moderne. In: Martin Jander und Anetta Kahane (Hrsg.): Gesichter der Antimoderne. Gefährdungen demokratischer Kultur in der Bundesrepublik Deutschland. Nomos, Baden-Baden 2020, ISBN 978-3-8487-6157-9.
  • mit Daniel Levy: Cosmopolitan Memory and Human Rights. In: Maria Rovisco und Magdalena Nowicka (Hrsg.): The Ashgate Research Companion to Cosmopolitanism. Ashgate Publishing, Farnham 2011. ISBN 978-0-7546-7799-4.

Artikel in Zeitschriften (Auswahl)

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  • Vom Wehrbürger zum Einkaufsbürger: Nationalismus und Konsum in Israel. In: Soziale Welt 1998, 49(1): 43-56.
  • Hannah Arendt and the Sociology of Antisemitism. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 2010, 39(4): 421-434.
  • mit Ulrich Beck: Unpacking Cosmopolitanism for the Social Sciences: A Research Agenda. In: British Journal of Sociology 2010, 61(1): 381-403.
  • mit Ulrich Beck: Self-Limitation of Modernity? The Theory of Reflexive Taboos. In: Theory and Society 2011, 40 (4): 417-436.
  • The Other Frankfurt School. In: Distinktion: Journal of Social Theory 2019, 20(2): 222-230.
  • Antisemitismus zwischen Schwertern und Pflugscharen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 19. Juni 2020.[12]
  • mit Alejandro Baer: Ghosts of the Holocaust in Franco’s Mass Graves: Cosmopolitan Memories and the Politics of “Never Again”. In: Memory Studies 2015, 8(3): 328-344.
  • Ulrich Beck and Classical Sociological Theory. In: Journal of Classical Sociology 2015, 15(2): 1-6.

Essays und Interviews in Tages- und Wochenzeitungen und Nachrichtenmagazinen (Auswahl)

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  • Debatte um den Intellektuellen Achille Mbembe verläuft nach Drehbuch, in: Der Tagesspiegel, 17. Mai 2020.[13]
  • Antisemitismus: „Juden werden als weiße europäische Kolonialisten wahrgenommen“, in: Frankfurter Rundschau – Interview Harry Nutt, 13. Juni 2022 (Druckausgabe vom 14. Juni 2022).[14]
  • Der Zeitgeist gefällt sich in seiner Weltoffenheit, in: Die ZEIT, 23. Juni 2022.[15]
  • Der Spiegel, Soziologe zur Documenta-Debatte „Wir Juden sind ein Störfaktor“, vom 23. Juli 2022, Ein Interview von Ulrike Knöfel und Tobias Rapp.[16]
  • Der reine Hass, kein Widerstand, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Oktober 2023.[17]
  • Zur Lüge der Linken. Krieg in Nahost, in: Süddeutsche Zeitung, 24. Oktober 2023 (Druckausgabe 25. Oktober 2023).[18]
  • Nur die Verzweiflung kann uns retten, in: Der Spiegel, Nr. 48/2023, 25. November 2023.[19]
  • Lass uns reden, Freund. Navid Kermani und Natan Sznaider sind in Sachen Nahost absolut nicht einer Meinung – aber es eint sie eine Überzeugung. Wie man gut streitet. Gastbeitrag von Navid Kermani und Natan Sznaider, in: Süddeutsche Zeitung, 27. Februar 2024 (Druckausgabe 28. Februar 2024).[20]

Einzelnachweise

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  1. Prof. Emeritus Sznaider Natan. Akademische Hochschule in Tel Aviv, abgerufen am 20. Dezember 2022 (englisch).
  2. Prof. em. Natan Sznaider, Ph.D., auf cas.uni-muenchen.de
  3. Prof. em. Natan Sznaider, Ph.D., auf Kunstuniversität Linz in Wien
  4. Prof. em. Natan Sznaider auf HIAS
  5. Natan Sznaider bei Hanser
  6. Natan Sznaider bei Suhrkamp
  7. Woher kommen Sie? Interview mit Natan Sznaider im Rahmen des Ausstellungsprojektes "In welcher Welt wollen wir leben?", Dilemma Verlag (Abgerufen am 18. Januar 2018)
  8. https://www1.wdr.de/kultur/kulturnachrichten/geschwister-korn-gerstenmann-preis-natan-sznaider-100.html.
  9. Natan Sznaider: Angriff auf alles Jüdische. In: Süddeutsche Zeitung. 26. Mai 2024, abgerufen am 19. Juni 2024.
  10. Deutscher Sachbuchpreis. Abgerufen am 19. Juni 2024 (deutsch).
  11. Shortlist für den Tractatus 2022. Abgerufen am 29. September 2022 (deutsch).
  12. Natan Sznaider: Antisemitismus zwischen Schwertern und Pflugscharen - Essay. Abgerufen am 7. September 2022.
  13. Rassismus versus Antisemitismus: Debatte um den Intellektuellen Achille Mbembe verläuft nach Drehbuch. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 7. September 2022]).
  14. Antisemitismus: „Juden werden als weiße europäische Kolonialisten wahrgenommen“. Abgerufen am 7. September 2022.
  15. Natan Sznaider: Der Zeitgeist gefällt sich in seiner Weltoffenheit. In: Die Zeit. 23. Juni 2022, abgerufen am 7. September 2022.
  16. Ulrike Knöfel, Tobias Rapp: (S+) Soziologe Natan Sznaider zur Documenta-Debatte: »Wir Juden sind ein Störfaktor« (S+). In: Der Spiegel. 22. Juli 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 7. September 2022]).
  17. Natan Sznaider: Der reine Hass, kein Widerstand. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 17. Oktober 2023, abgerufen am 14. Dezember 2023.
  18. Natan Sznaider: Zur Lüge der Linken. In: Süddeutsche Zeitung. 24. Oktober 2023, abgerufen am 14. Dezember 2023.
  19. Natan Sznaider: Nur die Verzweiflung kann uns retten. In: Der Spiegel. 27. November 2023, abgerufen am 14. Dezember 2023.
  20. Natan Sznaider und Navid Kermani: Lass uns reden, Freund. In: Süddeutsche Zeitung. 27. Februar 2024, abgerufen am 15. März 2024.