Pfarrer-Mayer-Haus
Als Pfarrer-Mayer-Haus werden Bauernhäuser bezeichnet, die als typisch für die Region Hohenlohe und angrenzende Gebiete gelten. Es handelt sich um zweistöckige Wohnstallhäuser mit gemauertem Erdgeschoss.
Begriff
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Bezeichnung „Pfarrer-Mayer-Haus“ soll von Erich Specht, von 1959 bis 1971 Bürgermeister in Schwäbisch Hall, geprägt worden sein.[1] Erstmals schriftlich erwähnt wurde sie 1981 von Heinrich Mehl, dem damaligen Leiter des Hohenloher Freilandmuseums.[2]:S. 10 f.
Die Vorstellung, dass diese Bauform im 18. Jahrhundert durch den Pfarrer Johann Friedrich Mayer aus Kupferzell neu eingeführt und in der Folge zahlreiche Häuser umgebaut oder völlig neu errichtet worden seien, ist nicht haltbar. Vielmehr beschrieb Mayer in seinem 1773 veröffentlichten Lehrbuch für die Land- und Haußwirthe das zu seiner Zeit in Hohenlohe übliche Bauernhaus.[1][2]:S. 9 Der Begriff „Pfarrer-Mayer-Haus“ ist mithin eigentlich unzutreffend, aber dennoch weit verbreitet.[3]:S. 31 Der prägnante Ausdruck sollte wohl als „Marke“ für das neu gegründete Freilichtmuseum und für die Region Hohenlohe an sich stehen:
„Keine andere Region in Deutschland besitzt einen so schillernden Namen für ihre Bauernhäuser“
Bauform
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei den „Pfarrer-Mayer-Häusern“ handelt es sich um zweigeschossige Fachwerkbauten[4]:S. 15 mit gemauertem Erdgeschoss aus behauenen Quadern. In diesem Erdgeschoss befanden sich Stallungen für Pferde, Rinder und Schweine.[5]:S. 14 Die hohe Luftfeuchtigkeit wegen der auf engem Raum untergebrachten Nutztiere ist auch der Grund für die massive Bauweise.[5]:S. 18
Im durch den Stall zugänglichen Obergeschoss befanden sich die Stube, Küche, Flur und – ab dem 16. Jahrhundert – weitere Kammern.[3]:S. 32[4]:S. 15 Durch die Wärme des Stalles wurde der Wohnbereich mitgeheizt.[6] Die Häuser hatten von Beginn an Satteldächer anstelle eines Walm- oder Krüppelwalmdachs.[5]:S. 17 f. Auf der meist unausgebauten Bühne wurde Heu oder Getreide eingelagert.[5]:S. 156
Im Unterschied zu zweistöckigen Bauernhäusern anderer Regionen wie etwa dem Schwarzwaldhaus befand sich der Wohnbereich ausschließlich im Obergeschoss („gestelzt“). Dies gilt auch für die in der Stadt Schwäbisch Hall erhaltenen Bürgerhäuser aus der frühen Neuzeit, die den dörflichen in vielerlei Hinsicht ähneln.[3]:S. 32[5]:S. 29
Geschichte und Verbreitung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bauernhäuser dieser Bauart lösten bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts im Hohenlohischen die Ständerbauweise ab.[4]:S. 15 Dennoch wurde ihre Existenz für die Zeit vor Mitte des 18. Jahrhunderts lange Zeit negiert: man berief sich auf die Beschreibungen Mayers und die fehlerhaften Ausführungen des ehemaligen Leiters des Hohenlohe-Zentralarchivs, Karl Schumm,[2]:S. 10 anstatt „selber vor Ort aufwändig mit zeitintensiven Hausbegehungen recherchieren zu müssen“.[3]:S. 29 f. Ein auf das Jahr 1544 datiertes Haus in Sülz hielt man für eine „singuläre Erscheinung“.[5]:S. 22 Außerdem waren viele Bauernhäuser inschriftlich auf die Zeit zwischen 1750 und 1850 datiert und wurden deswegen nicht dendrochronologisch untersucht.[3]:S. 29
Das älteste bekannte „Pfarrer-Mayer-Haus“, aus dem Jahr 1418, befindet sich in Bröckingen,[5]:S. 19 weitere frühe Häuser dieser Art stehen oder standen in Uttenhofen (Baujahr 1450 und 1463) und Raibach (Baujahr 1451), zwei Teilorten der Gemeinde Rosengarten, sowie in Sulzbach (Baujahr 1544).[4]:S. 15 Das zum Bau des „Haus Veit“ aus Zaisenhausen verwendete Eichenholz wurde dendrochronologisch auf den Winter 1549/50 datiert.[5]:S. 7 Seit 2004 steht dieses Bauernhaus im Hohenloher Freilandmuseum Wackershofen.
„Pfarrer-Mayer-Häuser“ waren auch in benachbarten Gebieten verbreitet, obwohl sie dort normalerweise nicht so bezeichnet werden: vor allem im Odenwald und dem Bauland,[7] aber auch im Schwäbisch-Fränkischen Wald und in Mittelfranken.[3]:S. 31 In der Region zwischen Crailsheim und Ansbach kommen ein- und zweistöckige Bauernhäuser nebeneinander vor.[3]:S. 32[5]:S. 29 Ein ausschließlich hohenlohisches Bauernhaus gibt es also nicht,[4]:S. 14[8]:S. 49[3]:S. 32 Allerdings hat sich das „Pfarrer-Mayer-Haus“ über mehrere Jahrhunderte hinweg bewährt und wurde dadurch zu einem „Kennzeichen der Region Hohenlohe“.[5]:S. 34
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Johann Friedrich Mayer: Lehrbuch für die Land- und Haußwirthe in der pragmatischen Geschichte der gesamten Land- und Haußwirthschafft des Hohenlohe Schillingsfürstischen Amtes Kupferzell. Zeh, Nürnberg 1773 (Digitalisat).
- Albrecht Bedal (Hrsg.): Bauernhaus aus Zaisenhausen. Leben in einem Hohenloher Dorf vor 400 Jahren. (= Häuser, Menschen und Museum, Band 4) Hohenloher Freilandmuseum, Schwäbisch Hall 2008, ISBN 978-3-9806793-9-8.
- Albrecht Bedal (Hrsg.): Alte Gebäude, neue Erkenntnisse. Zwei Freilichtmuseen und ihr Häusererbe im 21. Jahrhundert. Schwäbisch Hall 2012.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Typisch hohenlohisches Bauernhaus? ( vom 16. September 2011 im Internet Archive) auf swp.de
- Pfarrer Mayer beschrieb das im 18. Jahrhundert übliche Bauernhaus in Hohenlohe ( vom 24. September 2015 im Internet Archive) auf swp.de
- Bauernhaus Pfarrer-Mayer-Typus in Neuenstein-Obersöllbach bei der Landesdenkmalpflege Baden-Württemberg
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Pfarrer Mayer beschrieb das im 18. Jahrhundert übliche Bauernhaus in Hohenlohe ( vom 24. September 2015 im Internet Archive) auf swp.de
- ↑ a b c Ulrike Marski: Ein Pfarrer als Architekt? Hintergründe einer Falschmeldung. In: Albrecht Bedal: Alte Gebäude, neue Erkenntnisse. S. 9–13.
- ↑ a b c d e f g h i Albrecht Bedal: Vom Buchwissen zur Objektforschung. Hausforschung am Hohenloher Freilandmuseum. In: Albrecht Bedal: Alte Gebäude, neue Erkenntnisse. S. 28–33.
- ↑ a b c d e Gerd Schäfer: Irrtum Ausgeschlossen. Gebäude auf dem Land und in Kleinstädten um 1500. In: Albrecht Bedal (Hrsg.): Alte Gebäude, neue Erkenntnisse. Zwei Freilichtmuseen und ihr Häusererbe im 21. Jahrhundert. Schwäbisch Hall 2012, S. 14–27.
- ↑ a b c d e f g h i j Albrecht Bedal: Bauernhaus aus Zaisenhausen.
- ↑ In jedem Eckle eine Erinnerung auf stimme.de
- ↑ Albrecht Bedal: Haus Schüßler, ein typisches Odenwälder Bauernhaus? Fragen der Hausforschung zur Typologie der Hausformen im Odenwald und Bauland. In: Thomas Naumann (Hrsg.): Der Hof Schüßler in Gottersdorf. Zur Geschichte eines großbäuerlichen Hofes auf der Walldürner Höhe. Walldürn 1987, S. 97–110. Zitiert nach: Thomas Naumann: Ein „Pfarrer-Mayer-Haus“ im Odenwald! Der Großbauernhof Schüßler in Gottersdorf. In: Albrecht Bedal: Alte Gebäude, neue Erkenntnisse. S. 49.
- ↑ Thomas Naumann: Ein „Pfarrer-Mayer-Haus“ im Odenwald! Der Großbauernhof Schüßler in Gottersdorf. In: Albrecht Bedal: Alte Gebäude, neue Erkenntnisse. S. 46–53.