Soldatensender
Ein Soldatensender ist ein vom bzw. für das Militär betriebener Rundfunksender.
Allgemeines
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein Soldatensender kann einerseits der Unterhaltung und Information der eigenen Streitkräfte dienen (Truppenbetreuungssender). Im Krieg und Einsatz oder in einem fremden Stationierungsland soll er die „Moral“ der (kämpfenden) Soldaten erhalten und stärken und etwaige Zweifel am Sinn der Handlungen zerstreuen. Aus diesem Grund sind Grußsendungen ein wichtiger Bestandteil des Programms, weshalb er auch als „Brücke zwischen Front und Heimat“ bezeichnet wird.
Indirekt wirken Truppenbetreuungssender auch auf die Bevölkerung im Stationierungsland ein. So beeinflussten z. B. der amerikanische AFN und der britische BFN/BFBS durch ihr Musikprogramm und die Moderationsformen vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren die Musikkultur und Hörfunkpraxis in Deutschland. Viele Teenager hörten bevorzugt diese Soldatensender als Alternative zum vergleichsweise biederen deutschen Programm.
Andererseits kann er je nach Ausrichtung und Produzent aber auch für Propagandazwecke gegenüber fremden Soldaten oder Zivilpersonen benutzt werden (als „weiße“ Propaganda, die ihre Herkunft zu erkennen gibt, oder als „graue“ bzw. „schwarze“ Propaganda, die selbige zu verschleiern sucht). Es kann sein, dass ein Ziel der heute „operative Information“ genannten psychologischen Verteidigung (PSV) die gezielte Desinformation ist.
Schließlich gibt es auch vom Militär betriebene Sender, die ein allgemeines Programm für die eigene Bevölkerung veranstalten.
Neben dem inhaltlichen Aspekt sind mögliche Gründe für die Einrichtung von Soldatensendern die Entfernung vom Herkunftsland (die allerdings durch Satelliten- und Internetverbindungen eine immer geringere Rolle spielt) und die Zeitverschiebung, die ggf. andere Programmschemata erfordert als im Herkunftsland. Während des Zweiten Weltkriegs kamen als Truppenbetreuungssender oftmals mobile Sendeanlagen auf LKWs zum Einsatz.[1]
Bekannte Soldatensender
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Deutschsprachig
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Radio Andernach, Truppenbetreuungsradio der Bundeswehr (seit 1974)
- Bundeswehr TV, Truppenbetreuungsfernsehen der Bundeswehr (seit 2010)
- OEY 21, Schulungssender des österreichischen Bundesheeres (1981–90)[2]
- Rundfunkbataillon 990 der Bundeswehr zur Information der Soldaten der NVA (Juni/Juli 1962 unter dem Decknamen „Westwind“, Juni/Juli 1963 unter dem Decknamen „Südwind“)[3]
- Deutscher Soldatensender 935 der NVA zur pro-sozialistischen Information von Bundeswehrsoldaten (Oktober 1960 bis Juli 1972)
- Radio Oberharz, Truppenbetreuungsradio der Bundeswehr (1982–1989)
- Soldatensender Belgrad, Soldatensender der Wehrmacht, der 1941 weltweite Bekanntheit erlangte mit der Ausstrahlung des Liedes von Lili Marleen
- 1942 Teil der Wehrmachtsendergruppe Südost; daneben: Wehrmachtsendergruppe West (Paris), Soldatenfunk Oslo[4]
- Soldatensender „Martha“, mobiler Langwellen-Sender der Wehrmacht (der, über Polen aus dem Kaukasus zurückgekehrt und zum MW-Sender umgebaut, 1946 für den NWDR in Hannover-Hemmingen und, zum LW-Sender zurückgebaut, 1962/63 für den Deutschlandfunk in Mainflingen zum Einsatz kam)[5]
- Deutscher Kurzwellensender Atlantik und Soldatensender Calais, Propagandasender des britischen Militärs (1943–45)
- Sender 1212, Propagandasender des US-amerikanischen Militärs (1944–45)
- „Axis Sally“ vom Reichssender Berlin (1941–45)
Weitere
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Vereinigte Staaten: American Forces Network (AFN), Truppenbetreuungsfunk seit 1942/43
- Blue Danube Network (BDN), ehemaliges Truppenbetreuungsradio in Österreich (1945–1955)
- Vereinigtes Königreich: British Forces Broadcasting Service (BFBS), Truppenbetreuungsfunk seit 1943
- BBC Forces Programme (1940–44)/BBC General Forces Programme (1944–46)/BBC Allied Expeditionary Forces Programm (1944–45)
- Russland: Fernseh- und Radio-Gesellschaft der Streitkräfte „Swjosda“ (russisch Звезда ‚Stern‘)[6] seit 1992 (bis 2005 „Slawjanka“)
- Israel: Galei Zahal (גלי צה״ל, kurz: גלצ; seit 1950)[7]
- Volksrepublik China: CCTV-7 (国防军事频道 Guófáng jūnshì píndào; seit 1995)[8]
- Taiwan: Voice of Han (漢聲廣播電台 Hàn shēng guǎngbò diàntái/軍中之聲 Jūn zhōng zhī shēng; seit 1942)[9]
- Südkorea: Gugbang TV (국방TV; seit 2005), Gugbang FM (국방FM; seit 1954)[10]
- Thailand: Thai TV5 (สถานีวิทยุโทรทัศน์กองทัพบก Sathānī witthayu thōrathat Kǭng Thap Bok; seit 1958)[11]
- Singapur: So Drama! Entertainment (1994–2017 SAFRA Radio)[12]
- Indonesien: Radio Airmen FM der indonesischen Luftstreitkräfte[13]
- Japan: wöchentliche Hörfunksendung der Selbstverteidigungsstreitkräfte in Naha[14]
Ehemalige
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Australien
- Australian Armed Forces Radio (AAFR)/Australian Defence Force Radio (ADFR), australischer Marinesender 1939–99 (Kurzwellensender in Belconnen)[15]
- RAAF Radio Butterworth (RRB), Malaysia (1960–88)[16]
- Frankreich
- Radio Forces Françaises de Berlin (1957–1993)
- Griechenland
- Japan
- „Tokyo Rose“ während des Zweiten Weltkriegs (1943–1945)
- Kanada
- Canadian Forces Network (CFN), Truppenbetreuungsfunk in Frankreich, Südwestdeutschland und Belgien (1951–2014)
- Canadian Forces Radio CAE (Canadian Army Europe), Truppenbetreuungsradio im westfälischen Werl (1956–1970)
- Sowjetunion
- Radio Wolga (Радиостанция Волга), ehemaliges Truppenbetreuungsradio in Ostdeutschland (1945–1994; ab 1991 auch Sendungen auf Deutsch)
- Sowinformbjuro (Совинформбюро), Nachrichtenagentur, die ab 1941 über den Kriegsverlauf berichtete
Sender ausländischer Streitkräfte in Deutschland und Österreich
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hörfunk, Stand 1954
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Deutschland und Österreich Hörfunksender für die US-amerikanischen, britischen, kanadischen und sowjetischen Streitkräfte errichtet. Tabelle und Karte geben den 1954 erreichten Stand vor dem Abzug aus Österreich wieder. BFN nutzte ab 1956 nur noch UKW-Sender. Berlin bekam 1957 auch einen französischen Hörfunksender (FFB).
Ort | Senderkette | Frequenz | Leistung [kW] |
---|---|---|---|
Ansbach | AFN | 1034 | 0,25 |
Bad Hersfeld | AFN | 1142 | 0,25 |
Bad Kissingen | AFN | 1034 | 0,25 |
Bamberg | AFN | 1304 | 0,25 |
Berchtesgaden | AFN | 1304 | 0,25 |
Berlin * | AFN | 935 | 5 |
Bitburg | AFN | 1394 | 0,25 |
Bremerhaven * | AFN | 1142 | 1 |
Coburg | AFN | 1142 | 0,25 |
Frankfurt * | AFN | 872 | 150 |
Frankfurt | AFN | 3188 | 10 |
Frankfurt | AFN | 94,9 | 10 |
Füssen | AFN | 1142 | 0,25 |
Garmisch | AFN | 1502 | 0,25 |
Gießen | AFN | 1502 | 0,25 |
Grafenwöhr | AFN | 665 | 2 |
Heidelberg | AFN | 1304 | 1 |
Heidelberg | AFN | 93,7 | 0,25 |
Kaiserslautern * | AFN | 665 | 10 |
Kassel | AFN | 1034 | 0,25 |
München * | AFN | 548 | 100 |
Nürnberg * | AFN | 611 | 10 |
Regensburg | AFN | 1304 | 0,25 |
Sonthofen | AFN | 1304 | 0,25 |
Straubing | AFN | 1502 | 0,25 |
Stuttgart * | AFN | 1106 | 100 |
Würzburg | AFN | 1142 | 0,25 |
Berlin | BFN | 1214 | 10 |
Berlin | BFN | 87,6 | 10 |
Bonn | BFN | 1367 | 1 |
Drachenberg | BFN | 99,3 | 10 |
Hamburg | BFN | 1214 | 20 |
Hannover | BFN | 1214 | 20 |
Herford | BFN | 1214 | 10 |
Herford | BFN | 96,6 | 1 |
Langenberg | BFN | 1214 | 20 |
Zweibrücken | CFN | 1620 | 0,01 |
Königs Wusterhausen | Wolga | 283 | 20 |
Leipzig | Wolga | 722 | 120 |
Berlin | Wolga | 7615 | 120 |
Salzburg * | BDN | 674 | 1 |
Innsbruck | BDN | 881 | 0,05 |
Linz * | BDN | 890 | 1 |
Saalfeld (Zell am See) | BDN | 890 | 1 |
Wien * | BDN | 1034 | 1 |
Tulln | BDN | 1223 | 0,1 |
St. Johann | BDN | 1367 | 0,35 |
Salzburg | BDN | 9617 | 0,35 |
Salzburg | BDN | 5080 | 0,35 |
Klagenfurt | BFN | 566 | 1 |
Graz | BFN | 566 | 1 |
Wien | BFN | 868 | 1 |
Zeltweg | BFN | 863 | 0,2 |
* = AFN-/BDN-Studio
Fernsehen, Stand 1992
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Deutschland vermehrte sich die Zahl der Hörfunk- und es kamen Fernsehsender hinzu. Der erste amerikanische TV-Sender befand sich 1957 in Ramstein, der erste britische 1975 in Celle; es folgten belgische, französische, kanadische und sowjetische TV-Sender. Rechtsgrundlage für die westlichen Sender bildete Art. 60 Abs. 5 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut,[17] für die sowjetischen Art. 12 des Aufenthalts- und Abzugsvertrags[18] bzw. zuvor Art. 15 des Abkommens über Fragen, die mit der zeitweiligen Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik zusammenhängen.[19] Die Karte zeigt den Stand von 1992 vor dem Abzug der sowjetischen Streitkräfte. Bis in die 2000er-Jahre wurden alle Fernsehsender abgebaut. Soweit sich noch NATO-Streitkräfte in Deutschland befinden, erfolgt die TV-Versorgung über Satellit.
Film
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Good Morning, Vietnam. Film mit Robin Williams als Radiomoderator eines Soldatensenders in Vietnam.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Michael Herms: Hier spricht der Deutsche Soldatensender. In: Das Blättchen, Jg. 6, Heft 2 (20. Januar 2003): S. 5–7. (Online-Version)
- Wolfgang Rumpf: Music in the air AFN, BFBS, Ö3, Radio Luxemburg und die Radiokultur in Deutschland. Lit Verlag 2007
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Bernd-Andreas Möller: Rundfunksender auf Rädern: die fahrbaren Rundfunksendeanlagen der Deutschen Reichspost in den Jahren 1932 bis 1945. Walz, Idstein 2003 (Inhaltsverzeichnis, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- ↑ OEY 21 – Schulungssender des Österreichischen Bundesheeres
- ↑ Dirk Drews: Die Psychologische Kampfführung/Psychologische Verteidigung der Bundeswehr (2006), S. 220
- ↑ Derrick Sington, Arthur Weidenfeld: The Goebbels experiment: a study of the Nazi propaganda machine. Murray, London 1942, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
- ↑ Heinrich Brunswig in: Joachim-Felix Leonhard (Hrsg.): Medienwissenschaft: ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kommunikationsformen, 2. Teilband (2001), S. 1394; ratzer.at: 50 Jahre Deutschlandfunk
- ↑ tvzvezda.ru; radiozvezda.ru
- ↑ glz.co.il
- ↑ CCTV-7; www.js7tv.cn; Hörfunkseite: 央广军事
- ↑ Voice of HAN: About us
- ↑ 국방홍보원 = Defense Media Agency (seit 2000; zuvor 국군방송 Guggun Bangsong ‚Rundfunk der Streitkräfte‘)
- ↑ tv5.co.th
- ↑ So Drama! Entertainment; Bradley C. Freeman, Yokanathan Ramakrishnan: Singapore Radio: Then and Now (2016), S. 45
- ↑ www.radioairmenfm.com
- ↑ Naha Air Base 広報ラジオ
- ↑ Belconnen Communications Station (Canberra); Royal Australian Naval Transmitting Station ACT
- ↑ acrossthesea.my: The Royal Australian Air Force
- ↑ Art. 60 NATO-TS ZAbk auf jurion.de
- ↑ BGBl. 1991 II S. 256, 268
- ↑ GBl. 1957 I S. 237, 242