Wehrerker
Als Wehrerker, Gusserker, Wurferker oder Pechnase bezeichnet man einen kleinen, nach unten offenen Vorbau (Erker) an den Mauern von Burgen und mittelalterlichen Festungen, aber auch an mittelalterlichen Stadtbefestigungen (Stadtmauern, Stadttore, Wehrtürme) und Wehrkirchen. Entsprechende Anbauten gab es bereits an den Hauptzugängen spätrömischer Kastelle im Vorderen Orient.
Ursprung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein in der Wissenschaft mehrfach diskutiertes Detail war ein im Orient an mehreren spätrömischen Militärbauten über den Hauptzugängen angebrachter Wehrerker mit einem Maschikuli. In der Vergangenheit wurde vielfach angenommen, dass diese Form des Wehrerkers eine Erfindung des Frühmittelalters gewesen sei und diese Anbauten daher eine Zutat früher Muslime nach der islamischen Eroberung der Levante gewesen sind. Diese nutzen etliche verlassene römische Garnisonen für ihre Zwecke um. Der spanische Architekt und Archäologe Ignacio Arce, konnte jedoch bis 2010 durch vergleichende Bauforschung an verschiedenen Kastellen den Nachweis für eine tetrarchische Konstruktion dieser Abwehrvorrichtung erbringen. Die Wehrerker der untersuchten Anlagen waren erwiesen spätrömisch und sind daher als eine Erfindung des 4. Jahrhunderts anzusehen. Unklar ist jedoch noch der Ursprung dieser Bauzutat.[1]
Funktion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der meistens über dem Burgtor angebrachte Wehrerker gestattete es, Ankömmlinge geschützt von hoher Position aus anzusprechen, doch diente er vor allem der Verteidigung des Tores und ist aus diesem Grunde in der Regel mit Schießscharten ausgestattet und hat gleichzeitig oft die Funktion eines „Wurferkers“.
Der „Gusserker“ oder „Wurferker“ ist mit Maschikulis (Wurf- oder Gussöffnungen) bewehrt. Letztere dienten der Verteidigung des toten Schusswinkels unter dem Erker durch den Bewurf des Belagerers und seiner Geräte mit Steinen oder (seltener) dem Ausguss von siedenden Flüssigkeiten wie Wasser oder Öl. Ob dabei tatsächlich auch Pech zum Einsatz kam, ist zweifelhaft, doch geht auf diese Vorstellung die erst seit dem 19. Jahrhundert gebräuchliche Bezeichnung Pechnase zurück.
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Gusserker an der Zitadelle von Damaskus (13. Jh.)
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Gusserker,
Steintor in Goch (14. Jh.) -
Pechnase
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Hölzerne Wehrerker auf der Stadtmauer von Aachen, Merian 1647
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Basel – St. Alban-Tor (14. Jh.)
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Pechnasen am Schloss Katzenzungen
Aborterker
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Aborterker, der eine ähnliche Bauform aufweist, ist nicht mit dem Wehrerker zu verwechseln. Er dient zur Entsorgung von Exkrementen und befindet sich daher meistens über dem Burggraben, niemals aber über einem Tor oder einem Fenster.
In spanischen Donjons ist der Abort manchmal in einer Pechnase zu finden (siehe Burg Guadamur).
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Chris Gravett: Atlas der Burgen. Die schönsten Burgen und Schlösser. Tosa, Wien 2001, ISBN 3-85492-470-4, S. 190.
- Michael Losse: Wehrerker, Wurferker. In: Horst Wolfgang Böhme, Reinhard Friedrich, Barbara Schock-Werner (Hrsg.): Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen. Philipp Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-010547-1, S. 263, doi:10.11588/arthistoricum.535.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Ignacio Arce: Qasr Hallabat, Qasr Bshir and Deir el Kahf. Building techniques, architectural typology and change of use of three “Quadriburgia” from the “Limes Arabicus”. Interpretation and significance. In: Stefano Camporeale, Hélène Dessales, Antonio Pizzo (Hrsg.): Arqueología de la construcción II, Los procesos constructivos en el mundo romano: Italia y provincias orientales. (= Anejos de Archivo Español de Arqueología 57), Certosa di Pontignano, Siena, 13-15 de noviembre de 2008, Madrid/Mérida 2010, ISBN 978-84-00-09279-5, S. 455-481; hier: S. 475.