Am Ende der "Erziehungsweisheit". Die pädagogischpsychiatrische Behandlung ,psychopathischer* Für... more Am Ende der "Erziehungsweisheit". Die pädagogischpsychiatrische Behandlung ,psychopathischer* Fürsorgezöglinge in der Weimarer Republik am Beispiel des "Heims für weibliche Psychopathen" in Hadamar Dorle Klika "Wir sind die Positiven". "Die Stunde Nohl"-Herman Nohl und die Göttinger Pädagogik 1945 III Kritik und Diskussion Matthias Asche Humanistische Distanz gegenüber dem "Konfessionalisiemngsparadigma". Kritische Bemerkungen aus der Sicht der deutschen Bildungs-und Universitätsgeschichte IV Quelle und Kommentar Quelle Herzogliches Staatsministerium. Abteilung für Kirchen-und Schulsachen. An die Leitung der Freien Schulgemeinde Wickersdorf Peter Dudek "... dass Unterricht und Erziehung von dem Geist einer ungesunden Kritik beherrscht werden." Gustav Wynekens Konflikt mit der Staatsregierung Sachsen-Meiningens 1909 V Erinnerung und Reflexion
Doch erst nach dem Ausbruch des Südwestafrikanischen Krieges (1904) wurden Kolonialpropaganda und... more Doch erst nach dem Ausbruch des Südwestafrikanischen Krieges (1904) wurden Kolonialpropaganda und Kolonialerziehung zum festen Bestandteil des Unterrichts. Neue, thematisch einschlägige Schulratgeber und Unterrichtsmodelle überschwemmten nun den Markt und ließen keinen Zweifel an der Dringlichkeit einer pädagogischen Beschäftigung mit dem Kolonialismus. Titel wie Unsere Kolonien im Schulunterricht (1907), Kolonialidee und Schule (2. Aufl. 1907) oder Die Deutschen Kolonien und ihre Würdigung in der Schule (1907) begegneten einem neu aufkommenden Bedarf. Weniger neu war allerdings die Überzeugung einer breiten Öffentlichkeit von der Notwendigkeit einer speziellen kolonialen Erziehung der nachfolgenden Generation. Ein recht differenziertes Bild der Entwicklung der kolonialen Stimmung innerhalb der Gesellschaft und der damit verbundenen Erziehungsvorstellungen liefert-neben zeitgenössischen Zeitungen und Zeitschriften-die eigens 8 Susanne Pellatz für Jugendliche verfaßte Unterhaltungsliteratur 1 : Lange bevor sich eine spezifische und programmatische Kolonialliteratur ausprägte, sickerte die koloniale Stimmung in Abenteuer-und Reiseromane ein; lange bevor die Kolonialpolitik offiziell vertreten wurde, durchzogen koloniale Sehnsüchte einzelner Autoren die Jugend-und abenteuerliche Erwachsenenliteratur. Seit dem Ende der 1870er Jahre wurden als Schauplätze für abenteuerliche Erzählungen die Kolonialgebiete der europäischen Nachbarn (England, Holland) immer beliebter; aber erst einige Jahre nach der Gründung der ersten deutschen Kolonien (1884) und der Übernahme der Regierungsmacht durch WILHELM II. (1888) kam es zur Ausbildung einer speziellen Kolonialliteratur für die Jugend. Dabei trat Afrika als zentraler Handlungsort neben den bis dahin die Abenteuerliteratur bestimmenden amerikanischen Kontinent. 2 Anhand der ausgewählten Quellen 3 lassen sich drei Phasen der Kolonialerziehung im Kaiserreich unterscheiden: Die erste Phase ist als ,Frühoder Vorphase 1 zu bezeichnen und umfaßt die Jahre von der Reichsgründung bis zur Etablierung der Kolonialpolitik gegen Ende der 1880er Jahre (BlSMARCK-Ära). In diesen Jahren führte das Selbstbewußtsein des neuen Staates auch in der Jugendliteratur zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit der kolonialen Idee. Die zweite Phase ist als ,Hochphase 1 der Kolonialerziehung anzusehen: Sie reicht vom Beginn der 1890er Jahre bis etwa zum Ausbruch des Südwestafrikanischen Krieges im Jahr 1904 und steht unter dem Zeichen der mit dem Regierungswechsel (1888) und BISMARCKS Rücktritt (1890) forcierten Kolonialpolitik. In dieser Zeit entstand eine spezifische Kolonialliteratur, die von der christlich-moralischen Grundhaltung ihrer Autoren einerseits und dem von BISMARCK proklamierten .Handelskolonialismus 1 andererseits geprägt war. Die dritte Phase bzw. , Spätphase 1 der Kolonialerziehung im Kaiserreich reicht vom Ausbruch des Südwestafrikanischen Krieges bis zum Ende des Ersten Weltkrieges: Flottenpolitik, Marinea-1 Die folgenden Ausführungen stehen im Zusammenhang mit meinen Arbeiten zum laufenden Forschungsprojekt der Universität zu Köln zum Handbuch der Kinder-und Jugendliteratur 1850 bis 1900 (Hrsg. OTTO BRUNKEN, BETTINA HURRELMANN, GISELA WIKENDING; voraussichtlich Metzler: Stuttgart 2004). 2 Bis Anfang der 1880er Jahre spielten die meisten Abenteuer-, Entdecker-und Reiseromane in Amerika. Prägend auf die Jugendliteratur wirkten besonders COOPERS "Lederstrumpf ' (erste deutsche Jugendausgabe 1845) und FRIEDRICH GERSTäCKERS Reiseberichte für Erwachsene (1840er bis 1860er Jahre). 3 Vgl. die unter Quellen aufgeführten Titel. Sie bieten einen Querschnitt der von 1871-1918 erschienenen Jugendbücher, in denen die zeitgenössischen Kolonialgebiete eine zentrale Rolle spielen. Es handelt sich um eine Auswahlbibliographie. Abenteuer Afrika 9 gitation und Kriegspropaganda des Wilheminischen Reiches führten im letzten Jahrzehnt vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges auch in der Kolonialliteratur zunehmend zu aggressiven und rassistischen Tönen. 4 1902 erreichte das Blatt eine Auflage von ca. 6.000, was im Vergleich zu anderen Unterhaltungszeitschriften für Kinder relativ hoch war (SPERLING 1902).
Goethe-Bildungspraxis eines Autodidakten Was soll man erwarten, wenn GOETHE, das vielleicht letzt... more Goethe-Bildungspraxis eines Autodidakten Was soll man erwarten, wenn GOETHE, das vielleicht letzte Universalgenie 1 , unter dem Aspekt der Bildung untersucht wird? Scheint doch gerade zu seinem Bildungsbegriff mehr als genug geschrieben und gesagt worden zu sein. Hinzu kommen die Bildungs/o/gen GOETHES, die in der Tat unübersehbar sind. Vom Konzept des Bildungsromans und dem kaum von GOETHES Werken (zumindest im Bücherschrank) zu trennenden Bildungsbürger bis hin zu der nicht nur Germanistik-Bibliotheken und ihre Benutzer prägenden Epochenbezeichnung Goethezeit. Zwar werden Bildungsroman, Bildungsbürger und Goethezeit immer häufiger unter kritischem Vorzeichen gesehen, doch zeugt diese Diskussionswürdigkeit eher von der Vitalität als von der Überlebtheit des Bildungsguts GOETHE. Hier sollen nun keine weiteren GOETHE-Büsten nach Weimar (bzw. in bildungsbürgerliche Wohnzimmer) getragen werden, noch wird angestrebt, den Jubilar endgültig als hoffnungslosen Dilettanten und universellen Nichtskönner zu entlarven. Es geht vielmehr darum, in einer Mischung aus unumwundenem Respekt vor der Vielfältigkeit seiner Tätigkeitsfelder einerseits und nahezu ausschließlicher Neugierde bezüglich der Motivation GOETHES für diese Beschäftigungen andererseits ein kaleidoskopartiges Bild zu entwerfen. Weder Bildungsgang noch-begriff GOETHES (JANNIDIS 1996) samt ihrer pädagogischen Nutzbarmachung (z.B. BÖHME 1991) stehen damit im Zentrum des Interesses, sondern seine je konkrete-und, wie sich zeigen wird, alles andere als unstrukturierte-Bildungspraxw. Goethe-Bildungspraxis eines Autodidakten 13 graphic über Goethe als Eisläufer (GASSNER 1990)-ist gewiß ein willkommener Anlaß zur Belustigung, kann jedoch den Gegenstand selbst nicht diskreditieren. Und schließlich-auf die Gefahr eines Zirkelschlusses-lohnt es sich gerade deswegen, viel über GOETHE wissen zu wollen, weil er über ein so immenses Wissensspektrum verfügte. Damit kommen wir auf die eingangs gestellte Frage nach seiner Motivation auf diesem offensichtlich erfolgreichen Bildungsweg zurück. "Mit Eifer hab' ich mich der Studien beflissen; | Zwar weiß ich viel, doch möcht' ich alles wissen." (V. 600 f.) Ein hehres Bildungsprogramm, wie es scheint, noch dazu aus des Meisters dichterischem Hauptwerk. Doch trifft es für ihn selbst zu, sehen wir GOETHE auf dem Lebensweg zur universellen akademischen Gelehrsamkeit? Oder gar als Miniaturausgabe bzw. Zerrbild dieses Ideals in der Art des von JEAN-PAUL SARTRE in La Nausee beschriebenen Autodidakten, der seinen Bildungshunger durch alphabetisches Abarbeiten der Regale einer öffentlichen Bibliothek stillt? Eine offensichtlich falsche Spur, wie bereits ein Blick darauf zeigt, wer im Drama diese Verse spricht. Denn es ist nicht der erkenntnis-und erfahrungshungrige Titelheld, der diesen Wunsch äußert, sondern sein Famulus WAGNER, von FAUST als der "trockne Schleicher" (V. 521) und "ärmlichste [...] von allen Erdensöhnen" (V. 609) bezeichnet. Diese Berufung auf die Rollengebundenheit der angeführten Bildungsposition zielt freilich weder auf eine Identifikation zwischen GOETHE und FAUST, noch auf eine Reduktion WAGNERS zur ,komischen Person". 8 Markiert doch (wohlgemerkt: nach dem ,Urfaust') WAGNERS "Helles kaltes Wissensch[aftliches] Streben" (Paralipomenon 1, FA I 7/1, S. 577) durchaus eine ernstzunehmende, von FAUST selbst im Gespräch mit seinem Famulus während des Osterspaziergangs anerkannte Einstellung. 9 Eine vehement vertretene Gegenposition zu dieser ,,dezidierte[n] Trennung von Leben und Wissenschaft" mit ihrem Verständnis von "Erfahrungsfülle [...] als optimale[r] Kenntnis der Primär-und Sekundärliteratur" (MAYER 1969, S. 188) undin der Erschaffung des Homunkulus-von "Praxis als geistige[r] Antizipathe und nahezu beliebig gefüllt werden kann. Frei nach GOETHES Zahmem Xenion von 1820: "Im Auslegen seid frisch und munter! | Legt ihr's nicht aus, so legt was unter." (FA 12, S. 636) 8 Zur Position WAGNERS im Drama und in der Wissenschaftsgeschichte vgl. MAYER 1969. 9 Vgl. V. 1110-1112: "FAUST: Du bist dir nur des einen Triebs bewußt; | O lerne nie den andern kennen! | Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust". 10 .Nichts Glänzenderes, Würdevolleres, Ehrenvolleres als sie. Ihr Ansehen und ihr Ruhm hat die Schärfe meiner Augen und meines Geistes so geblendet, daß ich nach keinen anderen Ehren als nach denen einer Professur dürste.' (FA II 1, S. 578) 11 Vgl. die nüchternen Bemerkungen GOETHES in Dichtung und Wahrheit über sein Verhältnis zum Jurastudium, wie z.B.: "Das Juristische trieb ich mit so viel Fleiß als nötig Goethe-Bildungspraxis eines Autodidakten 15 WEINECK, der in seiner Dissertation GOETHE aufgrund seines Bildungsganges und-konzeptes zum "Erzieher seines Volkes", ja zum "Menschheitserzieher" (WEINECK 1911, S. 71) aufbauen wollte, konnte sich dabei nicht auf die Studienzeit in Leipzig und Straßburg berufen, sondern mußte (als Schuldirektor mit akademischen Ambitionen wohl zähneknirschend) von den Äußerungen GOETHES zum Privatunterricht im Elternhaus ausgehen. ln einer akademischen Karriere ist also die Motivation für seine immensen Bildungsbemühungen offensichtlich nicht zu finden. Zu diesem negativen Befund paßt GOETHES nachuniversitärer beruflicher Werdegang: Im Anschluß an die-bereits wenig ernsthaft betriebene-Promotion zum "Lizentiaten der Rechte" 12 (seine Doktordissertation war zuvor wegen politischer und religiöser Bedenken von der Fakultät abgelehnt worden) arbeitete er in Frankfurt knapp vier Jahre als Rechtsanwalt und folgte dann dem Ruf CARL AUGUSTS in das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, wo er 1776 eine steile Lautbahn als leitender Beamter begann. Zwar hatte GOETHE nach der Rückkehr aus Italien in erheblichem Umfang mit dem Universitätsbetrieb zu tun-1809 kulminierte dies in der Übernahme der zentralen Verwaltung der künstlerischen und wissenschaftlichen Institute des Landes (zusammen mit CHRISTIAN GOTTLOB VON VOIGT)-, doch eben nicht als Wissenschaftler, sondern als Minister. Für seine Entscheidung gegen eine akademische Karriere erhielt GOETHE auch reichlich .Bestätigung 1 von Seiten des etablierten Wissenschaftsbetriebs. Seine Mitgliedschaft in Vereinen, wie der "Mineralogischen Sozietät zu Jena", der "Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde" oder der "Gesellschaft des vaterländischen Museums in Böhmen", die ihm zu Ehren benannten Steine (Nadeleisenerz "Goethit", 1806) und Pflanzen (Malvenart "Goethea", 1823) und auch die 1825 verliehenen Ehrendoktorwürden der philosophischen und medizinischen Fakultät der Universität Jena können nicht darüber hinwegtäuschen, daß GOETHE vor allem im Bereich der Naturwissenschaft in der zeitgenössischen Gelehrtenwelt kaum anerkannt war war, um die Promotion mit einigen Ehren zu absolvieren" (FA 1 14, S. 492) oder: "das eigentliche Wissen ging mir ab, und keine innere Richtung drängte mich zu diesen Gegenständen" (ebd., S. 515). Beziehen sie sich erst auf die Examenszeit in Straßburg (1771), so spricht einiges dafür, schon GOETHES um 1767 in Leipzig entstandene Übersetzung des Eröffnungsdialogs von CORNEILLES Komödie Le Menteur im Zusammenhang mit der Unzufriedenheit über sein Studium zu sehen. Die Eingangsverse lauten: "Gehab dich wohl o Jus! wir sind nunmehr geschieden; | Dem Himmel sey's gedanckt, mein Vater ist's zufrieden. | Der Übergang ist schnell, unglaublich scheint er mir, ] Noch gestern ein Student, und heut ein Cavalier." (DGZ, Bd. 1, S. 15) 12 Zum Zustandekommen und Inhalt der Promotionsthesen vgl. RADBRUCH 1955. Sebastian Donat "Die Natur gehört sich selbst an, Wesen dem Wesen; der Mensch gehört ihr, sie dem Menschen. Wer mit gesunden, offnen, freien Sinnen sich hineinfuhlt übt sein Recht aus, eben so das frische Kind als der ernsteste Betrachter." (FA I 25, S. 40). Wenn GOETHE im Anschluß daran die notwendigen Fertigkeiten der Naturforscher aufzählt, so zeigt sich sowohl in der Reihenfolge als auch in derhier von mir hervorgehobenen-Charakterisierung die unübersehbare Bevorzugung des natürlichen (,autodidaktischen 1) gegenüber dem abstrahierenden (,akademischen 1) Zugang: "Erfahren, schauen, beobachten, betrachten, verknüpfen, entdecken, erfinden sind Geistestätigkeiten, welche tausendfältig einzeln und zusammengenommen, von mehr oder weniger begabten Menschen ausgeübt werden. Bemerken, sondern, zählen, messen, wägen sind gleichfalls große H«#smittel [...]" (ebd.). Es liegt auf der Hand, daß jede ,Individualisierung der Wissenschaft 1 die Gefahr der Immunisierung gegenüber anderen als den eigenen Wertmaßstäben in sich birgt. Die daraus fast zwangsläufig resultierende Selbstüberschätzung zeigt sich bei GOETHE bereits auf einem anscheinend ungefährlichen Terrain, nämlich am Ende des oben angeführten mineralogischen Gesprächs 1 mit KANZLER VON MüLLER am 16.3.1824. Dort gelangte GOETHE ZU dem wahrlich nicht bescheidenen Resümee: "Mit allen Naturlehrern und Schriftstellern getraue er sich es aufzunehmen, sie scheuten ihn auch alle, wenn sie schon oft nicht seiner Meinung wären." (BIEDERMANN/HERWIG, Bd. 3/1, S. 667, Nr. 5434) Wohin die Radikalisierung sowohl der .Motivation durch Widerspruch 1 als auch des autodidaktischen Zugangs führen konnte, zeigt sich besonders deutlich in GOETHES Polemik gegen NEWTON im Rahmen seiner Arbeiten und Äußerungen zur Farbenlehre. Nicht nur Überschätzung, sondern allgemeiner Fehleinschätzung der eigenen Leistungen-so lautet wohl das Urteil der meisten heutigen und damaligen Leser in bezug auf GOETHES Kampf gegen NEWTON. Welche enorme Wichtigkeit er dabei der .Motivation durch Widerspruch 1 zumaß-konkret: der Bekämpfung der physikalischmathematischen Abstraktion und Modellbildung in der Farbentheorie NEWTONS und ihrer Ersetzung durch die Einbindung der Chromatik in GOETHES Konzeption einer auf .Polarität 1 und .Steigerung 1 beruhenden harmonischen Naturordnung-, zeigt sich in ECKERMANNS Aufzeichnung vom 2.5.1824: "Um Epoche in der Welt zu machen, sagte er [Goethe] [...], dazu gehören bekanntlich zwei Dinge; erstens, daß...
Geschichte der Jugend ist immer interpretierte Geschichte, uberformt von den Etikettierungen der ... more Geschichte der Jugend ist immer interpretierte Geschichte, uberformt von den Etikettierungen der Erwachsenengesellschaft, gepragt von Jugendlichkeitsmythen in Literatur, Kunst, politischer Offentlichkeit und gefiltert durch je zeitspezifische Jugendbilder, denen zufolge Jugend nicht nur eine Geschichte hat, sondern selbst eine geschichtsformende Kraft darstellt (Gillis 1980). Alle am Jugenddiskurs Beteiligten sind sich zwar daruber einig, das gehort zum guten Ton der Vorworte, das es „die Jugend“ nicht gibt, das begrifflich damit eine Alterskohorte, eine ontogenetische Entwicklungsphase oder eine soziale Gruppe gemeint sein kann, aber auch zwischen Land- und Stadt-, Arbeiter- und Burgerjugend, zwischen Schulern und Auszubildenden, Madchen und Jungen differenziert werden musse. Aber solche Distinktionen schlichten nicht die Kontroversen uber „die Jugend“, und sie haben bislang auch nicht dazu beigetragen, die wissenschaftlich erzeugten und medial multiplizierten Jugendbilder kritisch zu hinterfragen oder ihre Verwendungsformen in Politik und Jugendarbeit zu untersuchen (Luders 1990). Wer sich der Geschichte „der Jugend“ nahert, sieht sich einem Konglomerat unterschiedlichster Theorieangebote und padagogischer Deutungsmuster ausgesetzt (Griese 1982; Hamann 1982). Sie alle zeigen aber, das man mit schlichten Definitionen dem gesellschaftlichen Phanomen nicht beikommt, eher schon durch die historische Rekonstruktion von Jugendbildern und die sozialgeschichtliche Analyse jugendlicher Lebenswelten. Denn Jugend und jugendtheoretisches Wissen unterliegen selbst einem historischen Funktionswandel. Die Frage, was heist Jugend, ist also falsch gestellt bzw. so nicht beantwortbar. Im folgenden soll es deshalb nicht um die Erorterung begriffstheoretischer und methodischer Probleme historischer Jugendforschung gehen1, sondern um eine knappe Skizze der Geschichte der deutschen Jugend von der Jahrhundertwende bis 1945, wie sie auf der Grundlage neuerer Forschungen und zeitgenossischer Studien unter ausgewahlten Aspekten schon moglich ist2 und in der zeitlichen Zasur auch der Realgeschichte des modernen Jugendalters entspricht. Erschwert wird ein solcher Versuch durch die Geschichte selbst. Denn die Befunde der historischen Jugendforschung der letzten Jahre zeigen, das das Bild der Jugend in jener Zeit „bemerkenswert uneinheitlich“ (Peukert 1987, S. 304) war, und das die gesellschaftlich verbreiteten Jugendbilder die Lebenswelten und Lebensentwurfe von Jugendlichen nicht angemessen wiedergeben.
Rezension von: Max Liedtke / Horant Schulz: Knabenchor – Last, Gluck, Lebenschance? Eine Untersu... more Rezension von: Max Liedtke / Horant Schulz: Knabenchor – Last, Gluck, Lebenschance? Eine Untersuchung am Beispiel des Windsbacher Knabenchors, Augsburg: Wisner-Verlag 2012 (156 S.; ISBN 978-3-89639-845-1)
Rezension von: Max Liedtke / Horant Schulz: Knabenchor – Last, Glück, Lebenschance? Eine Untersuc... more Rezension von: Max Liedtke / Horant Schulz: Knabenchor – Last, Glück, Lebenschance? Eine Untersuchung am Beispiel des Windsbacher Knabenchors, Augsburg: Wißner-Verlag 2012 (156 S.; ISBN 978-3-89639-845-1)
Das "Jahrbuch für Historische Bildungsforschung" widmet sich in interdisziplinärer Orie... more Das "Jahrbuch für Historische Bildungsforschung" widmet sich in interdisziplinärer Orientierung der historischen Analyse von Bildung, Erziehung und Sozialisation, den alltäglichen und institutionellen Bedingungen des Aufwachsens, der Geschichte von Kindheit und Jugend und von Medien der Vergesellschaftung. Band 12 (2006) wendet sich mit seinem Themenschwerpunkt zur Lehrerinnen- und Lehrergeschichte im Deutschland des 20. Jahrhunderts zunächst einem klassischen Thema der Historischen Bildungsforschung zu. In Gestalt des kollektivbiographischen Ansatzes wird dabei jedoch ein bislang noch wenig erprobter Zugang zu diesem Feld erschlossen. Am Beginn der Abhandlungen steht ein Beitrag zur Erziehung und Bildung im mittelalterlichen Judentum, der auf eine empfindliche Lücke in der Historischen Bildungsforschung verweist und Perspektiven zu ihrer Schließung entwickelt. Des weiteren werden der Orbis pictus des Comenius auf Originalität und historische Kontinuität überprüft, das Ver...
Am Ende der "Erziehungsweisheit". Die pädagogischpsychiatrische Behandlung ,psychopathischer* Für... more Am Ende der "Erziehungsweisheit". Die pädagogischpsychiatrische Behandlung ,psychopathischer* Fürsorgezöglinge in der Weimarer Republik am Beispiel des "Heims für weibliche Psychopathen" in Hadamar Dorle Klika "Wir sind die Positiven". "Die Stunde Nohl"-Herman Nohl und die Göttinger Pädagogik 1945 III Kritik und Diskussion Matthias Asche Humanistische Distanz gegenüber dem "Konfessionalisiemngsparadigma". Kritische Bemerkungen aus der Sicht der deutschen Bildungs-und Universitätsgeschichte IV Quelle und Kommentar Quelle Herzogliches Staatsministerium. Abteilung für Kirchen-und Schulsachen. An die Leitung der Freien Schulgemeinde Wickersdorf Peter Dudek "... dass Unterricht und Erziehung von dem Geist einer ungesunden Kritik beherrscht werden." Gustav Wynekens Konflikt mit der Staatsregierung Sachsen-Meiningens 1909 V Erinnerung und Reflexion
Doch erst nach dem Ausbruch des Südwestafrikanischen Krieges (1904) wurden Kolonialpropaganda und... more Doch erst nach dem Ausbruch des Südwestafrikanischen Krieges (1904) wurden Kolonialpropaganda und Kolonialerziehung zum festen Bestandteil des Unterrichts. Neue, thematisch einschlägige Schulratgeber und Unterrichtsmodelle überschwemmten nun den Markt und ließen keinen Zweifel an der Dringlichkeit einer pädagogischen Beschäftigung mit dem Kolonialismus. Titel wie Unsere Kolonien im Schulunterricht (1907), Kolonialidee und Schule (2. Aufl. 1907) oder Die Deutschen Kolonien und ihre Würdigung in der Schule (1907) begegneten einem neu aufkommenden Bedarf. Weniger neu war allerdings die Überzeugung einer breiten Öffentlichkeit von der Notwendigkeit einer speziellen kolonialen Erziehung der nachfolgenden Generation. Ein recht differenziertes Bild der Entwicklung der kolonialen Stimmung innerhalb der Gesellschaft und der damit verbundenen Erziehungsvorstellungen liefert-neben zeitgenössischen Zeitungen und Zeitschriften-die eigens 8 Susanne Pellatz für Jugendliche verfaßte Unterhaltungsliteratur 1 : Lange bevor sich eine spezifische und programmatische Kolonialliteratur ausprägte, sickerte die koloniale Stimmung in Abenteuer-und Reiseromane ein; lange bevor die Kolonialpolitik offiziell vertreten wurde, durchzogen koloniale Sehnsüchte einzelner Autoren die Jugend-und abenteuerliche Erwachsenenliteratur. Seit dem Ende der 1870er Jahre wurden als Schauplätze für abenteuerliche Erzählungen die Kolonialgebiete der europäischen Nachbarn (England, Holland) immer beliebter; aber erst einige Jahre nach der Gründung der ersten deutschen Kolonien (1884) und der Übernahme der Regierungsmacht durch WILHELM II. (1888) kam es zur Ausbildung einer speziellen Kolonialliteratur für die Jugend. Dabei trat Afrika als zentraler Handlungsort neben den bis dahin die Abenteuerliteratur bestimmenden amerikanischen Kontinent. 2 Anhand der ausgewählten Quellen 3 lassen sich drei Phasen der Kolonialerziehung im Kaiserreich unterscheiden: Die erste Phase ist als ,Frühoder Vorphase 1 zu bezeichnen und umfaßt die Jahre von der Reichsgründung bis zur Etablierung der Kolonialpolitik gegen Ende der 1880er Jahre (BlSMARCK-Ära). In diesen Jahren führte das Selbstbewußtsein des neuen Staates auch in der Jugendliteratur zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit der kolonialen Idee. Die zweite Phase ist als ,Hochphase 1 der Kolonialerziehung anzusehen: Sie reicht vom Beginn der 1890er Jahre bis etwa zum Ausbruch des Südwestafrikanischen Krieges im Jahr 1904 und steht unter dem Zeichen der mit dem Regierungswechsel (1888) und BISMARCKS Rücktritt (1890) forcierten Kolonialpolitik. In dieser Zeit entstand eine spezifische Kolonialliteratur, die von der christlich-moralischen Grundhaltung ihrer Autoren einerseits und dem von BISMARCK proklamierten .Handelskolonialismus 1 andererseits geprägt war. Die dritte Phase bzw. , Spätphase 1 der Kolonialerziehung im Kaiserreich reicht vom Ausbruch des Südwestafrikanischen Krieges bis zum Ende des Ersten Weltkrieges: Flottenpolitik, Marinea-1 Die folgenden Ausführungen stehen im Zusammenhang mit meinen Arbeiten zum laufenden Forschungsprojekt der Universität zu Köln zum Handbuch der Kinder-und Jugendliteratur 1850 bis 1900 (Hrsg. OTTO BRUNKEN, BETTINA HURRELMANN, GISELA WIKENDING; voraussichtlich Metzler: Stuttgart 2004). 2 Bis Anfang der 1880er Jahre spielten die meisten Abenteuer-, Entdecker-und Reiseromane in Amerika. Prägend auf die Jugendliteratur wirkten besonders COOPERS "Lederstrumpf ' (erste deutsche Jugendausgabe 1845) und FRIEDRICH GERSTäCKERS Reiseberichte für Erwachsene (1840er bis 1860er Jahre). 3 Vgl. die unter Quellen aufgeführten Titel. Sie bieten einen Querschnitt der von 1871-1918 erschienenen Jugendbücher, in denen die zeitgenössischen Kolonialgebiete eine zentrale Rolle spielen. Es handelt sich um eine Auswahlbibliographie. Abenteuer Afrika 9 gitation und Kriegspropaganda des Wilheminischen Reiches führten im letzten Jahrzehnt vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges auch in der Kolonialliteratur zunehmend zu aggressiven und rassistischen Tönen. 4 1902 erreichte das Blatt eine Auflage von ca. 6.000, was im Vergleich zu anderen Unterhaltungszeitschriften für Kinder relativ hoch war (SPERLING 1902).
Goethe-Bildungspraxis eines Autodidakten Was soll man erwarten, wenn GOETHE, das vielleicht letzt... more Goethe-Bildungspraxis eines Autodidakten Was soll man erwarten, wenn GOETHE, das vielleicht letzte Universalgenie 1 , unter dem Aspekt der Bildung untersucht wird? Scheint doch gerade zu seinem Bildungsbegriff mehr als genug geschrieben und gesagt worden zu sein. Hinzu kommen die Bildungs/o/gen GOETHES, die in der Tat unübersehbar sind. Vom Konzept des Bildungsromans und dem kaum von GOETHES Werken (zumindest im Bücherschrank) zu trennenden Bildungsbürger bis hin zu der nicht nur Germanistik-Bibliotheken und ihre Benutzer prägenden Epochenbezeichnung Goethezeit. Zwar werden Bildungsroman, Bildungsbürger und Goethezeit immer häufiger unter kritischem Vorzeichen gesehen, doch zeugt diese Diskussionswürdigkeit eher von der Vitalität als von der Überlebtheit des Bildungsguts GOETHE. Hier sollen nun keine weiteren GOETHE-Büsten nach Weimar (bzw. in bildungsbürgerliche Wohnzimmer) getragen werden, noch wird angestrebt, den Jubilar endgültig als hoffnungslosen Dilettanten und universellen Nichtskönner zu entlarven. Es geht vielmehr darum, in einer Mischung aus unumwundenem Respekt vor der Vielfältigkeit seiner Tätigkeitsfelder einerseits und nahezu ausschließlicher Neugierde bezüglich der Motivation GOETHES für diese Beschäftigungen andererseits ein kaleidoskopartiges Bild zu entwerfen. Weder Bildungsgang noch-begriff GOETHES (JANNIDIS 1996) samt ihrer pädagogischen Nutzbarmachung (z.B. BÖHME 1991) stehen damit im Zentrum des Interesses, sondern seine je konkrete-und, wie sich zeigen wird, alles andere als unstrukturierte-Bildungspraxw. Goethe-Bildungspraxis eines Autodidakten 13 graphic über Goethe als Eisläufer (GASSNER 1990)-ist gewiß ein willkommener Anlaß zur Belustigung, kann jedoch den Gegenstand selbst nicht diskreditieren. Und schließlich-auf die Gefahr eines Zirkelschlusses-lohnt es sich gerade deswegen, viel über GOETHE wissen zu wollen, weil er über ein so immenses Wissensspektrum verfügte. Damit kommen wir auf die eingangs gestellte Frage nach seiner Motivation auf diesem offensichtlich erfolgreichen Bildungsweg zurück. "Mit Eifer hab' ich mich der Studien beflissen; | Zwar weiß ich viel, doch möcht' ich alles wissen." (V. 600 f.) Ein hehres Bildungsprogramm, wie es scheint, noch dazu aus des Meisters dichterischem Hauptwerk. Doch trifft es für ihn selbst zu, sehen wir GOETHE auf dem Lebensweg zur universellen akademischen Gelehrsamkeit? Oder gar als Miniaturausgabe bzw. Zerrbild dieses Ideals in der Art des von JEAN-PAUL SARTRE in La Nausee beschriebenen Autodidakten, der seinen Bildungshunger durch alphabetisches Abarbeiten der Regale einer öffentlichen Bibliothek stillt? Eine offensichtlich falsche Spur, wie bereits ein Blick darauf zeigt, wer im Drama diese Verse spricht. Denn es ist nicht der erkenntnis-und erfahrungshungrige Titelheld, der diesen Wunsch äußert, sondern sein Famulus WAGNER, von FAUST als der "trockne Schleicher" (V. 521) und "ärmlichste [...] von allen Erdensöhnen" (V. 609) bezeichnet. Diese Berufung auf die Rollengebundenheit der angeführten Bildungsposition zielt freilich weder auf eine Identifikation zwischen GOETHE und FAUST, noch auf eine Reduktion WAGNERS zur ,komischen Person". 8 Markiert doch (wohlgemerkt: nach dem ,Urfaust') WAGNERS "Helles kaltes Wissensch[aftliches] Streben" (Paralipomenon 1, FA I 7/1, S. 577) durchaus eine ernstzunehmende, von FAUST selbst im Gespräch mit seinem Famulus während des Osterspaziergangs anerkannte Einstellung. 9 Eine vehement vertretene Gegenposition zu dieser ,,dezidierte[n] Trennung von Leben und Wissenschaft" mit ihrem Verständnis von "Erfahrungsfülle [...] als optimale[r] Kenntnis der Primär-und Sekundärliteratur" (MAYER 1969, S. 188) undin der Erschaffung des Homunkulus-von "Praxis als geistige[r] Antizipathe und nahezu beliebig gefüllt werden kann. Frei nach GOETHES Zahmem Xenion von 1820: "Im Auslegen seid frisch und munter! | Legt ihr's nicht aus, so legt was unter." (FA 12, S. 636) 8 Zur Position WAGNERS im Drama und in der Wissenschaftsgeschichte vgl. MAYER 1969. 9 Vgl. V. 1110-1112: "FAUST: Du bist dir nur des einen Triebs bewußt; | O lerne nie den andern kennen! | Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust". 10 .Nichts Glänzenderes, Würdevolleres, Ehrenvolleres als sie. Ihr Ansehen und ihr Ruhm hat die Schärfe meiner Augen und meines Geistes so geblendet, daß ich nach keinen anderen Ehren als nach denen einer Professur dürste.' (FA II 1, S. 578) 11 Vgl. die nüchternen Bemerkungen GOETHES in Dichtung und Wahrheit über sein Verhältnis zum Jurastudium, wie z.B.: "Das Juristische trieb ich mit so viel Fleiß als nötig Goethe-Bildungspraxis eines Autodidakten 15 WEINECK, der in seiner Dissertation GOETHE aufgrund seines Bildungsganges und-konzeptes zum "Erzieher seines Volkes", ja zum "Menschheitserzieher" (WEINECK 1911, S. 71) aufbauen wollte, konnte sich dabei nicht auf die Studienzeit in Leipzig und Straßburg berufen, sondern mußte (als Schuldirektor mit akademischen Ambitionen wohl zähneknirschend) von den Äußerungen GOETHES zum Privatunterricht im Elternhaus ausgehen. ln einer akademischen Karriere ist also die Motivation für seine immensen Bildungsbemühungen offensichtlich nicht zu finden. Zu diesem negativen Befund paßt GOETHES nachuniversitärer beruflicher Werdegang: Im Anschluß an die-bereits wenig ernsthaft betriebene-Promotion zum "Lizentiaten der Rechte" 12 (seine Doktordissertation war zuvor wegen politischer und religiöser Bedenken von der Fakultät abgelehnt worden) arbeitete er in Frankfurt knapp vier Jahre als Rechtsanwalt und folgte dann dem Ruf CARL AUGUSTS in das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, wo er 1776 eine steile Lautbahn als leitender Beamter begann. Zwar hatte GOETHE nach der Rückkehr aus Italien in erheblichem Umfang mit dem Universitätsbetrieb zu tun-1809 kulminierte dies in der Übernahme der zentralen Verwaltung der künstlerischen und wissenschaftlichen Institute des Landes (zusammen mit CHRISTIAN GOTTLOB VON VOIGT)-, doch eben nicht als Wissenschaftler, sondern als Minister. Für seine Entscheidung gegen eine akademische Karriere erhielt GOETHE auch reichlich .Bestätigung 1 von Seiten des etablierten Wissenschaftsbetriebs. Seine Mitgliedschaft in Vereinen, wie der "Mineralogischen Sozietät zu Jena", der "Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde" oder der "Gesellschaft des vaterländischen Museums in Böhmen", die ihm zu Ehren benannten Steine (Nadeleisenerz "Goethit", 1806) und Pflanzen (Malvenart "Goethea", 1823) und auch die 1825 verliehenen Ehrendoktorwürden der philosophischen und medizinischen Fakultät der Universität Jena können nicht darüber hinwegtäuschen, daß GOETHE vor allem im Bereich der Naturwissenschaft in der zeitgenössischen Gelehrtenwelt kaum anerkannt war war, um die Promotion mit einigen Ehren zu absolvieren" (FA 1 14, S. 492) oder: "das eigentliche Wissen ging mir ab, und keine innere Richtung drängte mich zu diesen Gegenständen" (ebd., S. 515). Beziehen sie sich erst auf die Examenszeit in Straßburg (1771), so spricht einiges dafür, schon GOETHES um 1767 in Leipzig entstandene Übersetzung des Eröffnungsdialogs von CORNEILLES Komödie Le Menteur im Zusammenhang mit der Unzufriedenheit über sein Studium zu sehen. Die Eingangsverse lauten: "Gehab dich wohl o Jus! wir sind nunmehr geschieden; | Dem Himmel sey's gedanckt, mein Vater ist's zufrieden. | Der Übergang ist schnell, unglaublich scheint er mir, ] Noch gestern ein Student, und heut ein Cavalier." (DGZ, Bd. 1, S. 15) 12 Zum Zustandekommen und Inhalt der Promotionsthesen vgl. RADBRUCH 1955. Sebastian Donat "Die Natur gehört sich selbst an, Wesen dem Wesen; der Mensch gehört ihr, sie dem Menschen. Wer mit gesunden, offnen, freien Sinnen sich hineinfuhlt übt sein Recht aus, eben so das frische Kind als der ernsteste Betrachter." (FA I 25, S. 40). Wenn GOETHE im Anschluß daran die notwendigen Fertigkeiten der Naturforscher aufzählt, so zeigt sich sowohl in der Reihenfolge als auch in derhier von mir hervorgehobenen-Charakterisierung die unübersehbare Bevorzugung des natürlichen (,autodidaktischen 1) gegenüber dem abstrahierenden (,akademischen 1) Zugang: "Erfahren, schauen, beobachten, betrachten, verknüpfen, entdecken, erfinden sind Geistestätigkeiten, welche tausendfältig einzeln und zusammengenommen, von mehr oder weniger begabten Menschen ausgeübt werden. Bemerken, sondern, zählen, messen, wägen sind gleichfalls große H«#smittel [...]" (ebd.). Es liegt auf der Hand, daß jede ,Individualisierung der Wissenschaft 1 die Gefahr der Immunisierung gegenüber anderen als den eigenen Wertmaßstäben in sich birgt. Die daraus fast zwangsläufig resultierende Selbstüberschätzung zeigt sich bei GOETHE bereits auf einem anscheinend ungefährlichen Terrain, nämlich am Ende des oben angeführten mineralogischen Gesprächs 1 mit KANZLER VON MüLLER am 16.3.1824. Dort gelangte GOETHE ZU dem wahrlich nicht bescheidenen Resümee: "Mit allen Naturlehrern und Schriftstellern getraue er sich es aufzunehmen, sie scheuten ihn auch alle, wenn sie schon oft nicht seiner Meinung wären." (BIEDERMANN/HERWIG, Bd. 3/1, S. 667, Nr. 5434) Wohin die Radikalisierung sowohl der .Motivation durch Widerspruch 1 als auch des autodidaktischen Zugangs führen konnte, zeigt sich besonders deutlich in GOETHES Polemik gegen NEWTON im Rahmen seiner Arbeiten und Äußerungen zur Farbenlehre. Nicht nur Überschätzung, sondern allgemeiner Fehleinschätzung der eigenen Leistungen-so lautet wohl das Urteil der meisten heutigen und damaligen Leser in bezug auf GOETHES Kampf gegen NEWTON. Welche enorme Wichtigkeit er dabei der .Motivation durch Widerspruch 1 zumaß-konkret: der Bekämpfung der physikalischmathematischen Abstraktion und Modellbildung in der Farbentheorie NEWTONS und ihrer Ersetzung durch die Einbindung der Chromatik in GOETHES Konzeption einer auf .Polarität 1 und .Steigerung 1 beruhenden harmonischen Naturordnung-, zeigt sich in ECKERMANNS Aufzeichnung vom 2.5.1824: "Um Epoche in der Welt zu machen, sagte er [Goethe] [...], dazu gehören bekanntlich zwei Dinge; erstens, daß...
Geschichte der Jugend ist immer interpretierte Geschichte, uberformt von den Etikettierungen der ... more Geschichte der Jugend ist immer interpretierte Geschichte, uberformt von den Etikettierungen der Erwachsenengesellschaft, gepragt von Jugendlichkeitsmythen in Literatur, Kunst, politischer Offentlichkeit und gefiltert durch je zeitspezifische Jugendbilder, denen zufolge Jugend nicht nur eine Geschichte hat, sondern selbst eine geschichtsformende Kraft darstellt (Gillis 1980). Alle am Jugenddiskurs Beteiligten sind sich zwar daruber einig, das gehort zum guten Ton der Vorworte, das es „die Jugend“ nicht gibt, das begrifflich damit eine Alterskohorte, eine ontogenetische Entwicklungsphase oder eine soziale Gruppe gemeint sein kann, aber auch zwischen Land- und Stadt-, Arbeiter- und Burgerjugend, zwischen Schulern und Auszubildenden, Madchen und Jungen differenziert werden musse. Aber solche Distinktionen schlichten nicht die Kontroversen uber „die Jugend“, und sie haben bislang auch nicht dazu beigetragen, die wissenschaftlich erzeugten und medial multiplizierten Jugendbilder kritisch zu hinterfragen oder ihre Verwendungsformen in Politik und Jugendarbeit zu untersuchen (Luders 1990). Wer sich der Geschichte „der Jugend“ nahert, sieht sich einem Konglomerat unterschiedlichster Theorieangebote und padagogischer Deutungsmuster ausgesetzt (Griese 1982; Hamann 1982). Sie alle zeigen aber, das man mit schlichten Definitionen dem gesellschaftlichen Phanomen nicht beikommt, eher schon durch die historische Rekonstruktion von Jugendbildern und die sozialgeschichtliche Analyse jugendlicher Lebenswelten. Denn Jugend und jugendtheoretisches Wissen unterliegen selbst einem historischen Funktionswandel. Die Frage, was heist Jugend, ist also falsch gestellt bzw. so nicht beantwortbar. Im folgenden soll es deshalb nicht um die Erorterung begriffstheoretischer und methodischer Probleme historischer Jugendforschung gehen1, sondern um eine knappe Skizze der Geschichte der deutschen Jugend von der Jahrhundertwende bis 1945, wie sie auf der Grundlage neuerer Forschungen und zeitgenossischer Studien unter ausgewahlten Aspekten schon moglich ist2 und in der zeitlichen Zasur auch der Realgeschichte des modernen Jugendalters entspricht. Erschwert wird ein solcher Versuch durch die Geschichte selbst. Denn die Befunde der historischen Jugendforschung der letzten Jahre zeigen, das das Bild der Jugend in jener Zeit „bemerkenswert uneinheitlich“ (Peukert 1987, S. 304) war, und das die gesellschaftlich verbreiteten Jugendbilder die Lebenswelten und Lebensentwurfe von Jugendlichen nicht angemessen wiedergeben.
Rezension von: Max Liedtke / Horant Schulz: Knabenchor – Last, Gluck, Lebenschance? Eine Untersu... more Rezension von: Max Liedtke / Horant Schulz: Knabenchor – Last, Gluck, Lebenschance? Eine Untersuchung am Beispiel des Windsbacher Knabenchors, Augsburg: Wisner-Verlag 2012 (156 S.; ISBN 978-3-89639-845-1)
Rezension von: Max Liedtke / Horant Schulz: Knabenchor – Last, Glück, Lebenschance? Eine Untersuc... more Rezension von: Max Liedtke / Horant Schulz: Knabenchor – Last, Glück, Lebenschance? Eine Untersuchung am Beispiel des Windsbacher Knabenchors, Augsburg: Wißner-Verlag 2012 (156 S.; ISBN 978-3-89639-845-1)
Das "Jahrbuch für Historische Bildungsforschung" widmet sich in interdisziplinärer Orie... more Das "Jahrbuch für Historische Bildungsforschung" widmet sich in interdisziplinärer Orientierung der historischen Analyse von Bildung, Erziehung und Sozialisation, den alltäglichen und institutionellen Bedingungen des Aufwachsens, der Geschichte von Kindheit und Jugend und von Medien der Vergesellschaftung. Band 12 (2006) wendet sich mit seinem Themenschwerpunkt zur Lehrerinnen- und Lehrergeschichte im Deutschland des 20. Jahrhunderts zunächst einem klassischen Thema der Historischen Bildungsforschung zu. In Gestalt des kollektivbiographischen Ansatzes wird dabei jedoch ein bislang noch wenig erprobter Zugang zu diesem Feld erschlossen. Am Beginn der Abhandlungen steht ein Beitrag zur Erziehung und Bildung im mittelalterlichen Judentum, der auf eine empfindliche Lücke in der Historischen Bildungsforschung verweist und Perspektiven zu ihrer Schließung entwickelt. Des weiteren werden der Orbis pictus des Comenius auf Originalität und historische Kontinuität überprüft, das Ver...
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