Die Territorialstaaten europäischer Prägung sind im Ausgangspunkt immobil und das öffentliche Rec... more Die Territorialstaaten europäischer Prägung sind im Ausgangspunkt immobil und das öffentliche Recht bildet dies ab. Für Migration besteht ein Leitbild der Sesshaftigkeit, das als normativer Normalfall im Sinn eines „sedentären Bias“ unser Denken lenkt. Die Identifikation des Leitbilds besitzt eine analytische Stoßrichtung, weil die Grundannahme der Sesshaftigkeit tief in die Rechtsfiguren und Strukturprinzipien speziell des deutschen öffentlichen Rechts eingeschrieben ist. Ich wer-de daher übergreifende Aspekte des Migrationsfolgenrechts auf sedentäre Vorannahmen überprüfen und eine Rekonstruktion vorschlagen, die die Perspektive des Grenzübertritts reflektiert.
Sozialstaat: Schließung nach außen und soziale Sicherheit im Inland bedingten sich wechselseitig und tun dies bis heute. Die Gleichheitssemantik des Sozialstaats beruht auf einer eingeschriebenen „Ungleichheitsschwelle.“ In der Gegenwart wird der Blick auf die Ungleichheitsschwelle durch das Territorialitätsprinzip kaschiert, das soziale Leistungsansprüche an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpft. Dies lässt die sozialstaatliche Ungleichheitsschwelle nicht verschwinden, verlagert diese jedoch auf das Migrationsrecht, das als Vorposten über den Gebietsverbleib entscheidet, während das Sozialrecht den faktischen Inlandsaufenthalt gleichstellt. Zwingend ist dies nicht. Man kann Territorialität und Sozialrecht auch anders zuordnen.
Rechtliche, politische und kulturelle Zugehörigkeit: In den 1970er-Jahren entwickelte sich in Wissenschaft und Praxis ein Konsens, dass eine Gebietszulassung schrittweise zu Aufenthaltssicherheit und soziökonomischer Gleichstellung führen soll. Es entstand ein hybrider Status, den die Sozialwissenschaft bald als „Denizenship“ bezeichnete; Ausländer erlangten eine Wirtschafts- und Sozialbürgerschaft, nicht jedoch die volle Zugehörigkeit in Form der Bürgerschaft („Citizenship“).In der Gegenwart sind wir weiter. Mit der Staatsangehörigkeitsrechtsreform 1999 und dem Zuwanderungsgesetz 2004 verabschiedete sich der deutsche Gesetzgeber von der Denizenship. Ausländer sollen vollwertige Bürger werden können. Heute ist das Hauptproblem nicht länger die fehlende Teilhabeoption in Form des Wahlrechts und sonstiger Partizipationsrechte, sondern der begrenzte Teilnahmewunsch.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Integration betrifft neben der strukturellen Einbindung in gesellschaftliche Teilbereiche auch die Tiefenschicht des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die wir im Sinn eines sedentären Bias bisweilen als selbstverständlich voraussetzen. Aus der historischen Kontingenz kollektiver Identitätskonstruktionen folgt nicht, dass der Staat als Ordnungsprinzip sowie ein hierauf bezogener sozialer Zusammenhalt irrelevant wären. Dem Grundgesetz ist ein Verfassungsziel der gesellschaftlichen Integration zu entnehmen, das inhaltlich auf Verständigung zielt, ohne eine Gestaltform vorzugeben. In öffentlichen Debatten wird das Grundgesetz häufig als Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenhalts beschworen, ganz im Sinn eines Verfassungspatriotismus. Es wäre jedoch ein Fehler, den Verfassungsbezug statisch zu deuten. Es wird näher ausgeführt, wie der Zusammenhalt im Zeichen von Migration erneuert werden kann.
Einwanderung: Der Verfassungspatriotismus erläge einem sedentären Bias, wenn er die interne Öffnung unbesehen nach außen projizierte und annähme, dass die Option einer gleichen Zugehörigkeit eine Einwanderungsfreiheit beinhalte. Migrationssteuerung und Integrationsförderung widersprechen sich nicht. Mit dem liberalen Paradoxon gleichzeitiger Öffnung und Schließung umzugehen, gehört zum Lernprozess für eine Gesellschaft, die das Öffentliche Recht nicht länger auf ein Leitbild der Sesshaftigkeit gründet.
While principles of non-discrimination amount to key constitutional principles in trade regulatio... more While principles of non-discrimination amount to key constitutional principles in trade regulation, most-favoured nation (MFN) and national treatment are virtually absent in financial regulation except for the General Agreement on Trade in Services (GATS). The current GATS financial services framework aims at disciplining regulation and contains few, if any, incentives for the development of sound regulatory standards and institutions. Future
Die Territorialstaaten europäischer Prägung sind im Ausgangspunkt immobil und das öffentliche Rec... more Die Territorialstaaten europäischer Prägung sind im Ausgangspunkt immobil und das öffentliche Recht bildet dies ab. Für Migration besteht ein Leitbild der Sesshaftigkeit, das als normativer Normalfall im Sinn eines „sedentären Bias“ unser Denken lenkt. Die Identifikation des Leitbilds besitzt eine analytische Stoßrichtung, weil die Grundannahme der Sesshaftigkeit tief in die Rechtsfiguren und Strukturprinzipien speziell des deutschen öffentlichen Rechts eingeschrieben ist. Ich wer-de daher übergreifende Aspekte des Migrationsfolgenrechts auf sedentäre Vorannahmen überprüfen und eine Rekonstruktion vorschlagen, die die Perspektive des Grenzübertritts reflektiert.
Sozialstaat: Schließung nach außen und soziale Sicherheit im Inland bedingten sich wechselseitig und tun dies bis heute. Die Gleichheitssemantik des Sozialstaats beruht auf einer eingeschriebenen „Ungleichheitsschwelle.“ In der Gegenwart wird der Blick auf die Ungleichheitsschwelle durch das Territorialitätsprinzip kaschiert, das soziale Leistungsansprüche an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpft. Dies lässt die sozialstaatliche Ungleichheitsschwelle nicht verschwinden, verlagert diese jedoch auf das Migrationsrecht, das als Vorposten über den Gebietsverbleib entscheidet, während das Sozialrecht den faktischen Inlandsaufenthalt gleichstellt. Zwingend ist dies nicht. Man kann Territorialität und Sozialrecht auch anders zuordnen.
Rechtliche, politische und kulturelle Zugehörigkeit: In den 1970er-Jahren entwickelte sich in Wissenschaft und Praxis ein Konsens, dass eine Gebietszulassung schrittweise zu Aufenthaltssicherheit und soziökonomischer Gleichstellung führen soll. Es entstand ein hybrider Status, den die Sozialwissenschaft bald als „Denizenship“ bezeichnete; Ausländer erlangten eine Wirtschafts- und Sozialbürgerschaft, nicht jedoch die volle Zugehörigkeit in Form der Bürgerschaft („Citizenship“).In der Gegenwart sind wir weiter. Mit der Staatsangehörigkeitsrechtsreform 1999 und dem Zuwanderungsgesetz 2004 verabschiedete sich der deutsche Gesetzgeber von der Denizenship. Ausländer sollen vollwertige Bürger werden können. Heute ist das Hauptproblem nicht länger die fehlende Teilhabeoption in Form des Wahlrechts und sonstiger Partizipationsrechte, sondern der begrenzte Teilnahmewunsch.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Integration betrifft neben der strukturellen Einbindung in gesellschaftliche Teilbereiche auch die Tiefenschicht des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die wir im Sinn eines sedentären Bias bisweilen als selbstverständlich voraussetzen. Aus der historischen Kontingenz kollektiver Identitätskonstruktionen folgt nicht, dass der Staat als Ordnungsprinzip sowie ein hierauf bezogener sozialer Zusammenhalt irrelevant wären. Dem Grundgesetz ist ein Verfassungsziel der gesellschaftlichen Integration zu entnehmen, das inhaltlich auf Verständigung zielt, ohne eine Gestaltform vorzugeben. In öffentlichen Debatten wird das Grundgesetz häufig als Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenhalts beschworen, ganz im Sinn eines Verfassungspatriotismus. Es wäre jedoch ein Fehler, den Verfassungsbezug statisch zu deuten. Es wird näher ausgeführt, wie der Zusammenhalt im Zeichen von Migration erneuert werden kann.
Einwanderung: Der Verfassungspatriotismus erläge einem sedentären Bias, wenn er die interne Öffnung unbesehen nach außen projizierte und annähme, dass die Option einer gleichen Zugehörigkeit eine Einwanderungsfreiheit beinhalte. Migrationssteuerung und Integrationsförderung widersprechen sich nicht. Mit dem liberalen Paradoxon gleichzeitiger Öffnung und Schließung umzugehen, gehört zum Lernprozess für eine Gesellschaft, die das Öffentliche Recht nicht länger auf ein Leitbild der Sesshaftigkeit gründet.
While principles of non-discrimination amount to key constitutional principles in trade regulatio... more While principles of non-discrimination amount to key constitutional principles in trade regulation, most-favoured nation (MFN) and national treatment are virtually absent in financial regulation except for the General Agreement on Trade in Services (GATS). The current GATS financial services framework aims at disciplining regulation and contains few, if any, incentives for the development of sound regulatory standards and institutions. Future
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Sozialstaat: Schließung nach außen und soziale Sicherheit im Inland bedingten sich wechselseitig und tun dies bis heute. Die Gleichheitssemantik des Sozialstaats beruht auf einer eingeschriebenen „Ungleichheitsschwelle.“ In der Gegenwart wird der Blick auf die Ungleichheitsschwelle durch das Territorialitätsprinzip kaschiert, das soziale Leistungsansprüche an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpft. Dies lässt die sozialstaatliche Ungleichheitsschwelle nicht verschwinden, verlagert diese jedoch auf das Migrationsrecht, das als Vorposten über den Gebietsverbleib entscheidet, während das Sozialrecht den faktischen Inlandsaufenthalt gleichstellt. Zwingend ist dies nicht. Man kann Territorialität und Sozialrecht auch anders zuordnen.
Rechtliche, politische und kulturelle Zugehörigkeit: In den 1970er-Jahren entwickelte sich in Wissenschaft und Praxis ein Konsens, dass eine Gebietszulassung schrittweise zu Aufenthaltssicherheit und soziökonomischer Gleichstellung führen soll. Es entstand ein hybrider Status, den die Sozialwissenschaft bald als „Denizenship“ bezeichnete; Ausländer erlangten eine Wirtschafts- und Sozialbürgerschaft, nicht jedoch die volle Zugehörigkeit in Form der Bürgerschaft („Citizenship“).In der Gegenwart sind wir weiter. Mit der Staatsangehörigkeitsrechtsreform 1999 und dem Zuwanderungsgesetz 2004 verabschiedete sich der deutsche Gesetzgeber von der Denizenship. Ausländer sollen vollwertige Bürger werden können. Heute ist das Hauptproblem nicht länger die fehlende Teilhabeoption in Form des Wahlrechts und sonstiger Partizipationsrechte, sondern der begrenzte Teilnahmewunsch.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Integration betrifft neben der strukturellen Einbindung in gesellschaftliche Teilbereiche auch die Tiefenschicht des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die wir im Sinn eines sedentären Bias bisweilen als selbstverständlich voraussetzen. Aus der historischen Kontingenz kollektiver Identitätskonstruktionen folgt nicht, dass der Staat als Ordnungsprinzip sowie ein hierauf bezogener sozialer Zusammenhalt irrelevant wären. Dem Grundgesetz ist ein Verfassungsziel der gesellschaftlichen Integration zu entnehmen, das inhaltlich auf Verständigung zielt, ohne eine Gestaltform vorzugeben. In öffentlichen Debatten wird das Grundgesetz häufig als Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenhalts beschworen, ganz im Sinn eines Verfassungspatriotismus. Es wäre jedoch ein Fehler, den Verfassungsbezug statisch zu deuten. Es wird näher ausgeführt, wie der Zusammenhalt im Zeichen von Migration erneuert werden kann.
Einwanderung: Der Verfassungspatriotismus erläge einem sedentären Bias, wenn er die interne Öffnung unbesehen nach außen projizierte und annähme, dass die Option einer gleichen Zugehörigkeit eine Einwanderungsfreiheit beinhalte. Migrationssteuerung und Integrationsförderung widersprechen sich nicht. Mit dem liberalen Paradoxon gleichzeitiger Öffnung und Schließung umzugehen, gehört zum Lernprozess für eine Gesellschaft, die das Öffentliche Recht nicht länger auf ein Leitbild der Sesshaftigkeit gründet.
Sozialstaat: Schließung nach außen und soziale Sicherheit im Inland bedingten sich wechselseitig und tun dies bis heute. Die Gleichheitssemantik des Sozialstaats beruht auf einer eingeschriebenen „Ungleichheitsschwelle.“ In der Gegenwart wird der Blick auf die Ungleichheitsschwelle durch das Territorialitätsprinzip kaschiert, das soziale Leistungsansprüche an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpft. Dies lässt die sozialstaatliche Ungleichheitsschwelle nicht verschwinden, verlagert diese jedoch auf das Migrationsrecht, das als Vorposten über den Gebietsverbleib entscheidet, während das Sozialrecht den faktischen Inlandsaufenthalt gleichstellt. Zwingend ist dies nicht. Man kann Territorialität und Sozialrecht auch anders zuordnen.
Rechtliche, politische und kulturelle Zugehörigkeit: In den 1970er-Jahren entwickelte sich in Wissenschaft und Praxis ein Konsens, dass eine Gebietszulassung schrittweise zu Aufenthaltssicherheit und soziökonomischer Gleichstellung führen soll. Es entstand ein hybrider Status, den die Sozialwissenschaft bald als „Denizenship“ bezeichnete; Ausländer erlangten eine Wirtschafts- und Sozialbürgerschaft, nicht jedoch die volle Zugehörigkeit in Form der Bürgerschaft („Citizenship“).In der Gegenwart sind wir weiter. Mit der Staatsangehörigkeitsrechtsreform 1999 und dem Zuwanderungsgesetz 2004 verabschiedete sich der deutsche Gesetzgeber von der Denizenship. Ausländer sollen vollwertige Bürger werden können. Heute ist das Hauptproblem nicht länger die fehlende Teilhabeoption in Form des Wahlrechts und sonstiger Partizipationsrechte, sondern der begrenzte Teilnahmewunsch.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Integration betrifft neben der strukturellen Einbindung in gesellschaftliche Teilbereiche auch die Tiefenschicht des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die wir im Sinn eines sedentären Bias bisweilen als selbstverständlich voraussetzen. Aus der historischen Kontingenz kollektiver Identitätskonstruktionen folgt nicht, dass der Staat als Ordnungsprinzip sowie ein hierauf bezogener sozialer Zusammenhalt irrelevant wären. Dem Grundgesetz ist ein Verfassungsziel der gesellschaftlichen Integration zu entnehmen, das inhaltlich auf Verständigung zielt, ohne eine Gestaltform vorzugeben. In öffentlichen Debatten wird das Grundgesetz häufig als Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenhalts beschworen, ganz im Sinn eines Verfassungspatriotismus. Es wäre jedoch ein Fehler, den Verfassungsbezug statisch zu deuten. Es wird näher ausgeführt, wie der Zusammenhalt im Zeichen von Migration erneuert werden kann.
Einwanderung: Der Verfassungspatriotismus erläge einem sedentären Bias, wenn er die interne Öffnung unbesehen nach außen projizierte und annähme, dass die Option einer gleichen Zugehörigkeit eine Einwanderungsfreiheit beinhalte. Migrationssteuerung und Integrationsförderung widersprechen sich nicht. Mit dem liberalen Paradoxon gleichzeitiger Öffnung und Schließung umzugehen, gehört zum Lernprozess für eine Gesellschaft, die das Öffentliche Recht nicht länger auf ein Leitbild der Sesshaftigkeit gründet.