http://www.rolf-haaser.de/selbstdarstellung/biographisches/ Ich bin freier Schriftsteller, Essayist, Sachbuchautor und Übersetzer. Ich studierte und promovierte an der der Justus Liebig Universität Gießen. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter war ich in mehreren Forschungsprojekten in Gießen, Bonn und Tübingen tätig. Unter meinen Veröffentlichungen befinden sich mehrere Bücher zum Thema der Erinnerungskulturen nach 1945, der Hessische Literaturgeschichte des 17.-21. Jahrhunderts, der Unterhaltungszeitschriften um 1800 sowie dem künstlerischer Nachlass von Felix und Editha Klipstein.
in: Georg-Forster- Studien 24 (Themenheft: Rassismus und Antirassismus im 18. Jahrhundert), S. 221-230, 2024
This paper reviews Dirk Sangmeister's article "The Deep Conflict Between Desire and Failure: Unkn... more This paper reviews Dirk Sangmeister's article "The Deep Conflict Between Desire and Failure: Unknown Letters from Georg Forster to Wilhelm Meyer," published in the 2018 Lichtenberg Yearbook. Sangmeister's critical edition unveils eleven previously unknown letters from Forster, enriching our understanding of the intricate emotional triangle among Forster, his wife Therese, and their friend Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer. These letters, dating from 1785 to 1788, reveal the dynamics of their relationships, casting new light on their personal and intellectual bonds. Sangmeister's annotations and scholarly rigor provide a crucial addition to Forster studies, presenting a nuanced portrayal of Forster's inner life and his connections with contemporaries.
in: Georg-Forster-Studien 24 (Themenheft: Rassismus und Antirassismus im 18. Jahrhundert), S. 177-209, 2024
The article "More than a Fleeting Encounter? August von Kotzebue's Interaction with Georg Forster... more The article "More than a Fleeting Encounter? August von Kotzebue's Interaction with Georg Forster in Mainz in 1791" is featured in the 24th volume "Racism and Anti-Racism in the 18th Century" of the “Georg-Forster-Studien” series. The study examines the nuanced interactions between August von Kotzebue, a prominent playwright, and Georg Forster, a respected naturalist, during Kotzebue’s brief stay in Mainz. Through a detailed analysis of unpublished correspondence and a rich historical context, the paper explores their intellectual and personal engagements. It highlights how their dialogue reflects the broader intellectual trends of the Enlightenment, emphasizing their influence on each other’s thoughts and works. This article offers a deep dive into the intersection of personal relationships and intellectual exchange among Enlightenment thinkers, enhancing our comprehension of their impact on cultural and scientific discourses of their time.
in: Adel im Vormärz Begegnungen mit einer umstrittenen Sozialformation, hg. v. Urte Stobbe und Claude D. Conter. Bielefeld: Aisthesis, S. 199-227, 2023
Unbestreitbar schrieb sich Alexander von Sternberg (geb. Alexander Peter Freiherr von Ungern-Ster... more Unbestreitbar schrieb sich Alexander von Sternberg (geb. Alexander Peter Freiherr von Ungern-Sternberg) auf eine markante Weise in den Prozess des Elitenwandels ein und lieferte, wenn man so will, ein Beispiel für die Kombination von ‚aristokratischer écriture’ und Adeligkeit, insofern nämlich seine literarischen Produktionen sich häufig als Schreiben über verschiedene Merkmale und Erscheinungsformen des Adels zu erkennen gaben. In seinem Fall aber handelte es sich nicht, oder jedenfalls nur sehr bedingt, um das Resultat kollektiver adeliger Standes- und Familienstrategien, da eine regional gegründete Adeligkeit sich ihm nicht in Form einer festen Gruppenzugehörigkeit anbot und die Option einer historisch gewachsenen Gruppenkultur als Erfolgskonzept im Elitenwandel der modernen Gesellschaft sich ihm nicht stellte. Alexander von Sternberg gehörte zu der seltenen Species von Schriftstellern seiner Zeit, die Belletristik als Lebensberuf gewählt hatten und sich damit die materielle Basis für einen relativ aufwendigen Lebensstil erwirtschaften konnten. Er trat in erster Linie als Romanautor und Novellist in Erscheinung, wobei er sich überdurchschnittlich häufig, oft auch mit kulturkritischem Blick, auf Personen und Lebenswelten des Adels kaprizierte. Der literarischen Gattung des Dramas widmete er sich sporadisch, während Lyrik in seinem Portfolio nur selten zu finden ist. Daneben betätigte er sich als Karikaturist und Kunstkritiker sowie als Verfasser biographischer Skizzen und autobiographischer Reminiszenzen. Seine vermutlich nicht unbeträchtliche Rolle als Rezensent, Korrespondent und politischer Berichterstatter ist noch weitgehend unerforscht. Sternberg bediente als adliger Schriftsteller das Lektürebedürfnis einer im Laufe seiner Schaffenszeit rasant zunehmenden Leserschicht. Er war in den anderthalb Jahrzehnten vor der Revolution von 1848/49 der gefragteste Beiträger in Cottas vielgelesenem Morgenblatt, und als er gegen Ende seines Lebens die Familienzeitschrift Die Gartenlaube mit belletristischen Beiträgen bestückte, erreichte er, wenn man die Auflagenhöhe des Blattes als Maßstab anlegt, ein Publikum von 85 000 Lesern.
In: »Die deutsche Freiheit erdolcht« Neue Studien zu Leben, Werk und Rezeption August von Kotzebues. Hrsg. von Julia Bohnengel / Thomas Wortmann. Hannover: Wehrhahn, S. 207-230, 2023
Ein in der Kotzebue-Forschung bislang unbeachtet bzw. unberücksichtigt gebliebener Aktenbestand d... more Ein in der Kotzebue-Forschung bislang unbeachtet bzw. unberücksichtigt gebliebener Aktenbestand des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt stellt die wesentliche Materialgrundlage für den vorliegenden Beitrag dar. In dem Konvolut sind Archivalien mit Bezug auf Kotzebue enthalten, die sich in der Landgrafschaft und später im Großherzogtum Hessen-Darmstadt in den Jahren 1792 und 1819 angesammelt haben. Den Ausgangspunkt bildete Kotzebues Übersendung seiner Schrift „Vom Adel“ an den Landgrafen, wobei sich das handschriftliche Begleitschreiben des damals 28jährigen Verfassers erhalten hat. Der weitaus überwiegende Schwerpunkt des Archivmaterials besteht jedoch aus ausgewählten Briefen, Protokollen und Berichten aus der Arbeit der Darmstädter Untersuchungskommission, die nach dem Mordanschlag Sands eingesetzt wurde. Der Darmstädter Bestand enthält nicht mehr die vollständigen seinerzeit angefallenen Akten. Er wurde zu einem nicht bekannten Zeitpunkt einer Skartierung unterzogen, d.h. einer in der Archivierungspraxis üblichen Verschlankung der Aktenablage durch Verstampfung von nicht mehr nötigen bzw. als nicht mehr relevant erachteten alten Akten oder Aktenteilen.
in: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen (MOHG), N.F., Bd. 105, S. 57-128, 2020
Der vorliegende Aufsatz knüpft unmittelbar an den Beitrag "Briefe aus dem Exil. Carl Vogt an Just... more Der vorliegende Aufsatz knüpft unmittelbar an den Beitrag "Briefe aus dem Exil. Carl Vogt an Justus Liebig 1835-1837" an, den der Verfasser 2018 im 103. Band der Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins veröffentlicht hat. Dort wurde gezeigt, wie der in seinem Schweizer Exilort angekommene Carl Vogt auf Wunsch des Vaters in Bern seine in Gießen begonnenen medizinischen Studien wieder aufnahm, wobei er sich besonders bei Gabriel Gustav Valentin, dem bedeutenden Physiologen und Anatomen, auf die Examina vorbereitete, die er im Sommer 1839 bestand. Er war aber schon damals entschlossen, von seinem Diplom keinen Gebrauch zu machen. Bereits in Gießen hatte Vogt sich zunehmend von der ungeliebten Medizin abgewandt und mit Verve auf die Chemie geworfen. Die Patronage Liebigs hielt auch noch während Vogts Exil in der Schweiz an, indem er den Abtrünnigen für die Chemie zu erhalten gesucht hatte. Tatsächlich hatte Vogt anfangs in Bern mit der Möglichkeit geliebäugelt, in diesem Fach zu reüssieren. In regem Briefwechsel mit Liebig stehend, ließ er sich über die geeigneten Schritte beraten. Sogar mit ersten kleineren Publikationen auf diesem Gebiet konnte er mit Hilfe Liebigs aufwarten. Die für den vorliegenden Beitrag ausgewerteten Briefe fallen in den Zeitrahmen von 1839 bis 1843. Mit Ausnahme des im Anhang im Wortlaut abgedruckten Briefes vom 10. März 1843 befinden sich die Brieforiginale in der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek in München und sind Bestandteil eines Konvolutes von insgesamt 44 Schreiben Carl Vogts an Justus von Liebig. 1 Das Auswahlkriterium für die im Folgenden besprochene Gruppe dieser handschriftlich überlieferten Dokumente besteht darin, dass sie alle in den Absenderdaten das eidgenössische Neuchâtel nachweisen. Auf der Ereignisebene sind sie durch die Eckpunkte der Übersiedelung Vogts nach Neuchâtel nach dem Abschluss seines Studiums in Bern (1839) und dem (vorläufigen) Scheitern der Bemühungen Liebigs um eine Anstellung Vogts an der Universität Gießen (1843) markiert.
in: Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hg. v. Jörg Jochen Berns & Thomas Rahn. (Frühe Neuzeit; 25). Tübingen: Niemeyer, S. 600-631, 1995
Jahrbücher für Geschichte Osteuropas Bd. 62, Heft 2, S. 180-214; (Themenheft: „Katastrophen im östlichen Europa“), 2014
The study is considered a contribution motivated by cultural studies and media history adding to ... more The study is considered a contribution motivated by cultural studies and media history adding to the discussion on transnational approaches of historical disaster studies. It looks at the topic of flooding in urban space and focuses on two outstanding examples from the first half of the 19th century: 1) the storm tide of November 1824 which caused backwater in the Neva and flooded huge parts of St Petersburg, and 2) the ice drift of the Danube in March 1838, a flood disaster which destroyed a large part of the prosperous merchant city of Pesth (Pest) and the suburbs of the residence of the Hungarian Palatine in Ofen (Buda). Due to their consequences, these two catastrophes take a special place in the urban, cultural, and political history of the early 19th century. By focusing the perception of these two geographically distant flood catastrophes in the Prague press and the reactions in the general public, the study includes the Bohemian residence as a third capital into its observation. Established as transnational media events, these flood disasters contributed to the imagination of a pan-European space. The study seizes on the question to what extent the handling of catastrophic natural phenomena in the first half of the 19th century influenced the self-image of an imagined community of urban elites in Europe. Here the study resumes the model of “dispersed public” which has become common in the past years within the communication and media studies. For the political daily press as well as entertainment journals did not only produce depictions of catastrophes but they also had the potential to bring about social integration as well as to generate empathy and altruism. In regard to the donation campaigns and fund-raisers, the study focuses on cultural practices of charity which, as practical action caused by a current catastrophe, mark the contribution of non-governing but elitist social classes in public events.
Dynamics of Social Change and Perceptions of Threat. Ed. by Ewald Frie, Thomas Kohl, Mischa Meier. (= Bedrohte Ordnungen; 12). Tübingen: Mohr Siebeck, S. 167-181, 2018
in: Hans R. Brittnacher, Irmela von der Lühe (Eds.), Enttäuschung und Engagement. Zur ästhetischen Radikalität Georg Büchners. Bielefeld: Aisthesis, S. 205-224., 2014
206 Breslau teilgenommen. Wilbrand war neben dem mit ihm befreundeten Lorenz Oken Mitbegründer di... more 206 Breslau teilgenommen. Wilbrand war neben dem mit ihm befreundeten Lorenz Oken Mitbegründer dieser jährlich an einem anderen Orte stattfindenden Veranstaltungsreihe. Er war einer der regelmäßigen Teilnehmer der Zusammenkünfte, auf denen er zunehmend die Rolle eines der großen Nestoren des an der Naturphilosophie Schellings ausgerichteten Zweiges der Naturwissenschaft spielte. Dieses Mal hatte Wilbrand u.a. mit einem Redebeitrag über die Bereitung von Zucker aus Ahornsaft aufgewartet, ein Vortragsthema, das aus einer in Gießen zusammen mit dem jungen Chemieprofessor Justus Liebig (1803-1873) durchgeführten Versuchsreihe hervorgegangen war. Zu Wilbrands Aufgabenbereich gehörte nämlich zu dieser Zeit die Leitung des botanischen Gartens, wo die Ahornbäume standen, deren Saft in Liebigs chemischem Labor untersucht wurde. (Abb. 1) Es ist anzunehmen, dass Wilbrand im Laufe von Georg Büchners erstem Wintersemester in Gießen den damals aktuellen Band der von Ludwig Friedrich von Froriep in Weimar herausgegebenen Notizen aus dem Gebiete der Natur-und Heilkunde zur Hand nahm, vermutlich zunächst einmal, um den Pressebericht über den Breslauer Wissenschaftskongress nachzulesen. Dabei muss ihm ein Artikel ins Auge gesprungen sein, der gleich auf der Frontseite des 37. Bandes des genannten Periodikums prangte und der seine Aufmerksamkeit spontan gefesselt haben dürfte. Er trug den Titel "Ueber die Function des äußern Ohrs" und stellte einen vermutlich von Froriep selbst übersetzten Ausschnitt aus der gerade erschienen Monographie des Londoner Chirurgen David Tod (1794-1856) 2 dar: Wir hören von oben, unten, vorn und hinten, von rechts und links, kurz von allen Seiten her; wodurch werden wir aber von der Richtung unterrichtet, aus welcher die Töne zu uns gelangen? Dieß ist eine Frage, welche bis jetzt immer unbeantwortet geblieben ist. Wir wollen versuchen, etwas zur Lösung derselben beizutragen. An dem Gehörorgan findet sich ein äußerer Anhang, das äußere Ohr genannt, welches auf eine eigenthümliche Weise gebaut, und auf eine auffallende Weise an dem Seitentheil des Kopfes angebracht ist; dasselbe bildet den äußern Theil 2 Auf dem Titelblatt seiner 1832 erschienenen Studie über die Anatomie und Physiologie des Ohres bezeichnet David Tod sich selbst als "Member of the Royal College of Surgeons". David Tod.
Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen (MOHG) 98, S. 23-80, 2013
Das literarische, politische 1 und wissenschaftliche Selbstverständnis Georg Büchners (1813-1837)... more Das literarische, politische 1 und wissenschaftliche Selbstverständnis Georg Büchners (1813-1837) ist auf je unterschiedliche Weise mit seinem Studienaufenthalt in Gießen (1833/34) verknüpft, weshalb die Stadt an der Lahn zu den wichtigen Schlüsselstationen in der kurzen Lebensspanne des Dichters zu rechnen ist. 2 Bei dem notorischen Mangel an direkten Quellen ist die wissenschaftlich ambitionierte Büchnerbiografik in hohem Maße darauf angewiesen, die Sozialisationsimpulse seiner persönlichen Umgebung und seiner Lebensräume akribisch zu untersuchen, um so vor allem durch Vergleichen unterschiedlicher direkter und indirekter Quellen zu Aufschlüssen über Leben und Werk des Dichters zu gelangen. Da Büchner bei seiner Immatrikulation im Herbst 1833 durch seine Unterschrift die Absicht kundtat, Medizin zu studieren, sind neue Informationen zur Situation des Faches in der Büchnerzeit für die Forschung von hohem Interesse. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, ein bislang unbeachtetes Dokument 3 vorzulegen und zu erläutern, das geeignet ist, die trotz erheblicher Forschungsfortschritte in den letzten beiden Jahrzehnten nach wie vor schmerzlich empfundenen Lücken ein Stückweit auszufüllen. 1 Zu Büchners politischer Tätigkeit in Gießen, die im vorliegenden Beitrag keine Rolle spielt, vgl. jetzt: Jan-Christoph Hauschild, Georg Büchner: Verschwörung für die Gleichheit, Hamburg: Hoffmann und Campe, 2013. 2 Einen Gesamtüberblick über Büchners Studienaufenthalt in Gießen gibt Corinna Nauheimer in ihrer von Heiner Boehncke und Robert Seidel begutachteten Frankfurter Magisterarbeit Georg Büchner als Rebell -Revolutionäre Ideen während der Studienzeit in Gießen 1833/34, 2008. 3 Die einzige Arbeit, die sich bislang mit dem hier behandelten Quellentext befasst hat, ist die 1994 im Gießener Schmitz-Verlag erschienene medizinische Doktorarbeit von Christian Maaß: Johann Bernhard Wilbrand (1779-1846). Herausragender Vertreter der romantischen Naturlehre in Giessen. Maaß scheint aber nur ein Fragment des Doppelartikels von Julius Wilbrand und Johann Jakob Sachs zur Verfügung gestanden zu haben. Dies muss man jedenfalls daraus schließen, dass er weder den von Wilbrand verfassten Teil kennt, noch den auf die Homöopathie bezogenen Teil der Quelle erwähnt.
in: Das Wartburgfest 1817 als Europäisches Ereignis. Hg. v. Joachim Bauer u.a. (= Quellen und Beiträge zur Geschichte der Universität Jena; 15). Stuttgart: Franz Steiner Verlag, S. 225-253, 2020
Blickt man aus der zeitlichen Distanz von heute auf die ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts, so... more Blickt man aus der zeitlichen Distanz von heute auf die ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts, so erscheint das gesamte europäische Raumgefüge von einer faszinierenden Dynamik ergriffen: Bestehende Staatsordnungen und Landesgrenzen wurden negiert, neue Länder und Verbünde geschaffen, Pläne für staatliche und gesellschaftliche Reformen geschmiedet und verworfen, Großmachtansprüche behauptet und verloren, revolutionäre Unruhen geboren und erstickt. Schon bald nach dem Wiener Kongress schlugen die ideologischen Reibungen zwischen den Ordnungsbestrebungen im Zeichen der Heiligen Allianz und den konstitutionell-revolutionären Bewegungen die ersten Funken. Diese entzündeten am 18. Oktober 1817 die echten Feuerflammen des Wartburgfestes in Eisenach. Ironischerweise entwickelte sich ein deutsches Großherzogtum zum Brandherd der radikalen National- und Freiheitsbewegung, in dem eine Schwester des russischen Kaisers Alexander I., Großfürstin Maria Pawlowna (1786–1859), an der Seite des regierenden Großherzogs residierte. Trotz der Bemühungen des Weimarer Hofes um Schadensbegrenzung zog das symbolträchtig inszenierte Autodafé der Wartburgfeier in dem deutschnationalen Lager weite Kreise. Die Radikalisierung an den deutschen Universitäten nahm zu und stand schließlich auf dem Programm des Monarchenkongresses in Aachen im Herbst 1818. Angefacht durch den publizistischen Skandal um ein geheimes Kongressdokument von Alexander von Stourdza wurden Pläne zur Ermordung des Zaren und einiger seiner Staatsdiener geschmiedet. Das Attentat an dem russischen Staatsrat, Publizisten und Dramatiker August von Kotzebue bot 1819 den Anlass für die restriktiven Karlsbader Beschlüsse des Deutschen Bundes. Auch in Russland wurden Maßnahmen getroffen, die die konstitutionell-liberalen Funkenschläge für den Rest der Regierungszeit Alexanders I. vorläufig einzudämmen vermochten.
in: Blätter der Rilke-Gesellschaft 35, S. 204-212, 2020
Der reiche epistolarische Nachlass Rainer Maria Rilkes, als Bestandteil eines Briefwerks, das sic... more Der reiche epistolarische Nachlass Rainer Maria Rilkes, als Bestandteil eines Briefwerks, das sich nur schätzungsweise beziffern lässt, erlaubt immer wieder überraschende Einsichten und Beobachtungen, und zwar sowohl in Hinblick auf literarische als auch biografische Zusammenhänge. Zu den Freuden der Beschäftigung mit Rilkes Korrespondenz gehören auch Entdeckungen neuer, bis dahin der Forschung nicht bekannter Dokumente, wie im Fall eines der frühesten Briefe aus Muzot, der hier erstmals vorgestellt und in der Transkription veröffentlicht wird. Zwei Aspekte fließen in diesen brieflichen Äußerungen aus Muzot mit besonderer Eindringlichkeit zusammen. Erstens, die Sorge um Baladine Klossowska (1886–1969), der Lebensgefährtin Rilkes in seinen letzten Lebensjahren. Zweitens, Rilkes Beschäftigung mit sich selbst: seine Aufmerksamkeit gegenüber existierenden wissenschaftlichen Diskursen über die Psychologie und Physiologie des Lebens, und insbesondere der Periodizität der Lebenszyklen, die – in dem ebenso esoterischen wie exzeptionellen Werk von Wilhelm Fließ (1858–1928) – in Bezug auf die Kreativität des künstlerischen Schaffens erörtert werden.
in: Literarische Öffentlichkeit im mittleren 19. Jahrhundert. Vergessene Konstellationen literarischer Kommunikation zwischen 1840 und 1885. Hg. v. Katja Mellmann, Jesko Reiling. (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur; 142). Berlin: De Gruyter, S. 35-60, 2016
Ein erlesener Mosaikstein unentdeckter deutscher Literaturgeschichte versteckt sich hinter einem ... more Ein erlesener Mosaikstein unentdeckter deutscher Literaturgeschichte versteckt sich hinter einem Brieftagebuch, das die Laubacher Schriftstellerin Editha Klipstein (1880-1953) anlässlich ihrer Begegnungen mit Rilke im Sommer 1915 in München verfasst hat. Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach und das Editha-Klipstein-Archiv an der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main bewahren zwei unterschiedliche Hälften des spannenden und brisanten Manuskripts, das erstmals von Rolf Haaser wieder zusammengeführt und kommentiert der Öffentlichkeit präsentiert werden konnte. Editha Klipstein verbrachte im Juli 1915 einige Wochen in München, um in der Pinakothek ein Gemälde Chardins zu kopieren. Zufälligerweise wohnte sie während dieser Zeit zur Untermiete bei der damaligen Freundin Rilkes, der französischen Malerin und Schriftstellerin Lou Albert-Lasard, und lernte so Rilke aus nächster Nähe kennen. Dies war der Beginn einer Freundschaft, die bis zu Rilkes Tod Bestand hatte. Während des Münchenaufenthaltes machte Rilke Editha Klipstein auch mit der Schweizer Schriftstellerin Regina Ullmann bekannt, eine Bekanntschaft, die in ihrer Bedeutung für Editha Klipstein kaum zu überschätzen ist. In dem Brieftagebuch begegnen wir Rilke inmitten der Schwabinger Bohème, aber auch im Zweiaugengespräch etwa über ein Gemälde Picassos. Neben den eigentlichen Rilkebeschreibungen, die den Tenor der Briefe beherrschen, und die den Reiz der Edition ausmachen, begegnen uns in besonderem Maße und auf je unterschiedliche Weise auch die für Rilke so wichtigen Frauenfiguren einer Lou Albert-Lasard, Regina Ullmann, Mathilde Vollmoeller-Purrmann, mittelbar als Adressatin der Briefe auch Ilse Erdmann, und nicht zu vergessen, Editha Klipstein selbst, die als Verfasserin der München-Briefe immerhin auch ein wichtiges Dokument zu ihrem eigenen biographischen Werdegang an die Hand gibt und gleichzeitig einen wertvollen Einblick in eine wichtige Facette ihrer intellektuellen Entwicklung gewährt.
in: Georg-Forster- Studien 24 (Themenheft: Rassismus und Antirassismus im 18. Jahrhundert), S. 221-230, 2024
This paper reviews Dirk Sangmeister's article "The Deep Conflict Between Desire and Failure: Unkn... more This paper reviews Dirk Sangmeister's article "The Deep Conflict Between Desire and Failure: Unknown Letters from Georg Forster to Wilhelm Meyer," published in the 2018 Lichtenberg Yearbook. Sangmeister's critical edition unveils eleven previously unknown letters from Forster, enriching our understanding of the intricate emotional triangle among Forster, his wife Therese, and their friend Friedrich Ludwig Wilhelm Meyer. These letters, dating from 1785 to 1788, reveal the dynamics of their relationships, casting new light on their personal and intellectual bonds. Sangmeister's annotations and scholarly rigor provide a crucial addition to Forster studies, presenting a nuanced portrayal of Forster's inner life and his connections with contemporaries.
in: Georg-Forster-Studien 24 (Themenheft: Rassismus und Antirassismus im 18. Jahrhundert), S. 177-209, 2024
The article "More than a Fleeting Encounter? August von Kotzebue's Interaction with Georg Forster... more The article "More than a Fleeting Encounter? August von Kotzebue's Interaction with Georg Forster in Mainz in 1791" is featured in the 24th volume "Racism and Anti-Racism in the 18th Century" of the “Georg-Forster-Studien” series. The study examines the nuanced interactions between August von Kotzebue, a prominent playwright, and Georg Forster, a respected naturalist, during Kotzebue’s brief stay in Mainz. Through a detailed analysis of unpublished correspondence and a rich historical context, the paper explores their intellectual and personal engagements. It highlights how their dialogue reflects the broader intellectual trends of the Enlightenment, emphasizing their influence on each other’s thoughts and works. This article offers a deep dive into the intersection of personal relationships and intellectual exchange among Enlightenment thinkers, enhancing our comprehension of their impact on cultural and scientific discourses of their time.
in: Adel im Vormärz Begegnungen mit einer umstrittenen Sozialformation, hg. v. Urte Stobbe und Claude D. Conter. Bielefeld: Aisthesis, S. 199-227, 2023
Unbestreitbar schrieb sich Alexander von Sternberg (geb. Alexander Peter Freiherr von Ungern-Ster... more Unbestreitbar schrieb sich Alexander von Sternberg (geb. Alexander Peter Freiherr von Ungern-Sternberg) auf eine markante Weise in den Prozess des Elitenwandels ein und lieferte, wenn man so will, ein Beispiel für die Kombination von ‚aristokratischer écriture’ und Adeligkeit, insofern nämlich seine literarischen Produktionen sich häufig als Schreiben über verschiedene Merkmale und Erscheinungsformen des Adels zu erkennen gaben. In seinem Fall aber handelte es sich nicht, oder jedenfalls nur sehr bedingt, um das Resultat kollektiver adeliger Standes- und Familienstrategien, da eine regional gegründete Adeligkeit sich ihm nicht in Form einer festen Gruppenzugehörigkeit anbot und die Option einer historisch gewachsenen Gruppenkultur als Erfolgskonzept im Elitenwandel der modernen Gesellschaft sich ihm nicht stellte. Alexander von Sternberg gehörte zu der seltenen Species von Schriftstellern seiner Zeit, die Belletristik als Lebensberuf gewählt hatten und sich damit die materielle Basis für einen relativ aufwendigen Lebensstil erwirtschaften konnten. Er trat in erster Linie als Romanautor und Novellist in Erscheinung, wobei er sich überdurchschnittlich häufig, oft auch mit kulturkritischem Blick, auf Personen und Lebenswelten des Adels kaprizierte. Der literarischen Gattung des Dramas widmete er sich sporadisch, während Lyrik in seinem Portfolio nur selten zu finden ist. Daneben betätigte er sich als Karikaturist und Kunstkritiker sowie als Verfasser biographischer Skizzen und autobiographischer Reminiszenzen. Seine vermutlich nicht unbeträchtliche Rolle als Rezensent, Korrespondent und politischer Berichterstatter ist noch weitgehend unerforscht. Sternberg bediente als adliger Schriftsteller das Lektürebedürfnis einer im Laufe seiner Schaffenszeit rasant zunehmenden Leserschicht. Er war in den anderthalb Jahrzehnten vor der Revolution von 1848/49 der gefragteste Beiträger in Cottas vielgelesenem Morgenblatt, und als er gegen Ende seines Lebens die Familienzeitschrift Die Gartenlaube mit belletristischen Beiträgen bestückte, erreichte er, wenn man die Auflagenhöhe des Blattes als Maßstab anlegt, ein Publikum von 85 000 Lesern.
In: »Die deutsche Freiheit erdolcht« Neue Studien zu Leben, Werk und Rezeption August von Kotzebues. Hrsg. von Julia Bohnengel / Thomas Wortmann. Hannover: Wehrhahn, S. 207-230, 2023
Ein in der Kotzebue-Forschung bislang unbeachtet bzw. unberücksichtigt gebliebener Aktenbestand d... more Ein in der Kotzebue-Forschung bislang unbeachtet bzw. unberücksichtigt gebliebener Aktenbestand des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt stellt die wesentliche Materialgrundlage für den vorliegenden Beitrag dar. In dem Konvolut sind Archivalien mit Bezug auf Kotzebue enthalten, die sich in der Landgrafschaft und später im Großherzogtum Hessen-Darmstadt in den Jahren 1792 und 1819 angesammelt haben. Den Ausgangspunkt bildete Kotzebues Übersendung seiner Schrift „Vom Adel“ an den Landgrafen, wobei sich das handschriftliche Begleitschreiben des damals 28jährigen Verfassers erhalten hat. Der weitaus überwiegende Schwerpunkt des Archivmaterials besteht jedoch aus ausgewählten Briefen, Protokollen und Berichten aus der Arbeit der Darmstädter Untersuchungskommission, die nach dem Mordanschlag Sands eingesetzt wurde. Der Darmstädter Bestand enthält nicht mehr die vollständigen seinerzeit angefallenen Akten. Er wurde zu einem nicht bekannten Zeitpunkt einer Skartierung unterzogen, d.h. einer in der Archivierungspraxis üblichen Verschlankung der Aktenablage durch Verstampfung von nicht mehr nötigen bzw. als nicht mehr relevant erachteten alten Akten oder Aktenteilen.
in: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen (MOHG), N.F., Bd. 105, S. 57-128, 2020
Der vorliegende Aufsatz knüpft unmittelbar an den Beitrag "Briefe aus dem Exil. Carl Vogt an Just... more Der vorliegende Aufsatz knüpft unmittelbar an den Beitrag "Briefe aus dem Exil. Carl Vogt an Justus Liebig 1835-1837" an, den der Verfasser 2018 im 103. Band der Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins veröffentlicht hat. Dort wurde gezeigt, wie der in seinem Schweizer Exilort angekommene Carl Vogt auf Wunsch des Vaters in Bern seine in Gießen begonnenen medizinischen Studien wieder aufnahm, wobei er sich besonders bei Gabriel Gustav Valentin, dem bedeutenden Physiologen und Anatomen, auf die Examina vorbereitete, die er im Sommer 1839 bestand. Er war aber schon damals entschlossen, von seinem Diplom keinen Gebrauch zu machen. Bereits in Gießen hatte Vogt sich zunehmend von der ungeliebten Medizin abgewandt und mit Verve auf die Chemie geworfen. Die Patronage Liebigs hielt auch noch während Vogts Exil in der Schweiz an, indem er den Abtrünnigen für die Chemie zu erhalten gesucht hatte. Tatsächlich hatte Vogt anfangs in Bern mit der Möglichkeit geliebäugelt, in diesem Fach zu reüssieren. In regem Briefwechsel mit Liebig stehend, ließ er sich über die geeigneten Schritte beraten. Sogar mit ersten kleineren Publikationen auf diesem Gebiet konnte er mit Hilfe Liebigs aufwarten. Die für den vorliegenden Beitrag ausgewerteten Briefe fallen in den Zeitrahmen von 1839 bis 1843. Mit Ausnahme des im Anhang im Wortlaut abgedruckten Briefes vom 10. März 1843 befinden sich die Brieforiginale in der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek in München und sind Bestandteil eines Konvolutes von insgesamt 44 Schreiben Carl Vogts an Justus von Liebig. 1 Das Auswahlkriterium für die im Folgenden besprochene Gruppe dieser handschriftlich überlieferten Dokumente besteht darin, dass sie alle in den Absenderdaten das eidgenössische Neuchâtel nachweisen. Auf der Ereignisebene sind sie durch die Eckpunkte der Übersiedelung Vogts nach Neuchâtel nach dem Abschluss seines Studiums in Bern (1839) und dem (vorläufigen) Scheitern der Bemühungen Liebigs um eine Anstellung Vogts an der Universität Gießen (1843) markiert.
in: Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hg. v. Jörg Jochen Berns & Thomas Rahn. (Frühe Neuzeit; 25). Tübingen: Niemeyer, S. 600-631, 1995
Jahrbücher für Geschichte Osteuropas Bd. 62, Heft 2, S. 180-214; (Themenheft: „Katastrophen im östlichen Europa“), 2014
The study is considered a contribution motivated by cultural studies and media history adding to ... more The study is considered a contribution motivated by cultural studies and media history adding to the discussion on transnational approaches of historical disaster studies. It looks at the topic of flooding in urban space and focuses on two outstanding examples from the first half of the 19th century: 1) the storm tide of November 1824 which caused backwater in the Neva and flooded huge parts of St Petersburg, and 2) the ice drift of the Danube in March 1838, a flood disaster which destroyed a large part of the prosperous merchant city of Pesth (Pest) and the suburbs of the residence of the Hungarian Palatine in Ofen (Buda). Due to their consequences, these two catastrophes take a special place in the urban, cultural, and political history of the early 19th century. By focusing the perception of these two geographically distant flood catastrophes in the Prague press and the reactions in the general public, the study includes the Bohemian residence as a third capital into its observation. Established as transnational media events, these flood disasters contributed to the imagination of a pan-European space. The study seizes on the question to what extent the handling of catastrophic natural phenomena in the first half of the 19th century influenced the self-image of an imagined community of urban elites in Europe. Here the study resumes the model of “dispersed public” which has become common in the past years within the communication and media studies. For the political daily press as well as entertainment journals did not only produce depictions of catastrophes but they also had the potential to bring about social integration as well as to generate empathy and altruism. In regard to the donation campaigns and fund-raisers, the study focuses on cultural practices of charity which, as practical action caused by a current catastrophe, mark the contribution of non-governing but elitist social classes in public events.
Dynamics of Social Change and Perceptions of Threat. Ed. by Ewald Frie, Thomas Kohl, Mischa Meier. (= Bedrohte Ordnungen; 12). Tübingen: Mohr Siebeck, S. 167-181, 2018
in: Hans R. Brittnacher, Irmela von der Lühe (Eds.), Enttäuschung und Engagement. Zur ästhetischen Radikalität Georg Büchners. Bielefeld: Aisthesis, S. 205-224., 2014
206 Breslau teilgenommen. Wilbrand war neben dem mit ihm befreundeten Lorenz Oken Mitbegründer di... more 206 Breslau teilgenommen. Wilbrand war neben dem mit ihm befreundeten Lorenz Oken Mitbegründer dieser jährlich an einem anderen Orte stattfindenden Veranstaltungsreihe. Er war einer der regelmäßigen Teilnehmer der Zusammenkünfte, auf denen er zunehmend die Rolle eines der großen Nestoren des an der Naturphilosophie Schellings ausgerichteten Zweiges der Naturwissenschaft spielte. Dieses Mal hatte Wilbrand u.a. mit einem Redebeitrag über die Bereitung von Zucker aus Ahornsaft aufgewartet, ein Vortragsthema, das aus einer in Gießen zusammen mit dem jungen Chemieprofessor Justus Liebig (1803-1873) durchgeführten Versuchsreihe hervorgegangen war. Zu Wilbrands Aufgabenbereich gehörte nämlich zu dieser Zeit die Leitung des botanischen Gartens, wo die Ahornbäume standen, deren Saft in Liebigs chemischem Labor untersucht wurde. (Abb. 1) Es ist anzunehmen, dass Wilbrand im Laufe von Georg Büchners erstem Wintersemester in Gießen den damals aktuellen Band der von Ludwig Friedrich von Froriep in Weimar herausgegebenen Notizen aus dem Gebiete der Natur-und Heilkunde zur Hand nahm, vermutlich zunächst einmal, um den Pressebericht über den Breslauer Wissenschaftskongress nachzulesen. Dabei muss ihm ein Artikel ins Auge gesprungen sein, der gleich auf der Frontseite des 37. Bandes des genannten Periodikums prangte und der seine Aufmerksamkeit spontan gefesselt haben dürfte. Er trug den Titel "Ueber die Function des äußern Ohrs" und stellte einen vermutlich von Froriep selbst übersetzten Ausschnitt aus der gerade erschienen Monographie des Londoner Chirurgen David Tod (1794-1856) 2 dar: Wir hören von oben, unten, vorn und hinten, von rechts und links, kurz von allen Seiten her; wodurch werden wir aber von der Richtung unterrichtet, aus welcher die Töne zu uns gelangen? Dieß ist eine Frage, welche bis jetzt immer unbeantwortet geblieben ist. Wir wollen versuchen, etwas zur Lösung derselben beizutragen. An dem Gehörorgan findet sich ein äußerer Anhang, das äußere Ohr genannt, welches auf eine eigenthümliche Weise gebaut, und auf eine auffallende Weise an dem Seitentheil des Kopfes angebracht ist; dasselbe bildet den äußern Theil 2 Auf dem Titelblatt seiner 1832 erschienenen Studie über die Anatomie und Physiologie des Ohres bezeichnet David Tod sich selbst als "Member of the Royal College of Surgeons". David Tod.
Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen (MOHG) 98, S. 23-80, 2013
Das literarische, politische 1 und wissenschaftliche Selbstverständnis Georg Büchners (1813-1837)... more Das literarische, politische 1 und wissenschaftliche Selbstverständnis Georg Büchners (1813-1837) ist auf je unterschiedliche Weise mit seinem Studienaufenthalt in Gießen (1833/34) verknüpft, weshalb die Stadt an der Lahn zu den wichtigen Schlüsselstationen in der kurzen Lebensspanne des Dichters zu rechnen ist. 2 Bei dem notorischen Mangel an direkten Quellen ist die wissenschaftlich ambitionierte Büchnerbiografik in hohem Maße darauf angewiesen, die Sozialisationsimpulse seiner persönlichen Umgebung und seiner Lebensräume akribisch zu untersuchen, um so vor allem durch Vergleichen unterschiedlicher direkter und indirekter Quellen zu Aufschlüssen über Leben und Werk des Dichters zu gelangen. Da Büchner bei seiner Immatrikulation im Herbst 1833 durch seine Unterschrift die Absicht kundtat, Medizin zu studieren, sind neue Informationen zur Situation des Faches in der Büchnerzeit für die Forschung von hohem Interesse. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, ein bislang unbeachtetes Dokument 3 vorzulegen und zu erläutern, das geeignet ist, die trotz erheblicher Forschungsfortschritte in den letzten beiden Jahrzehnten nach wie vor schmerzlich empfundenen Lücken ein Stückweit auszufüllen. 1 Zu Büchners politischer Tätigkeit in Gießen, die im vorliegenden Beitrag keine Rolle spielt, vgl. jetzt: Jan-Christoph Hauschild, Georg Büchner: Verschwörung für die Gleichheit, Hamburg: Hoffmann und Campe, 2013. 2 Einen Gesamtüberblick über Büchners Studienaufenthalt in Gießen gibt Corinna Nauheimer in ihrer von Heiner Boehncke und Robert Seidel begutachteten Frankfurter Magisterarbeit Georg Büchner als Rebell -Revolutionäre Ideen während der Studienzeit in Gießen 1833/34, 2008. 3 Die einzige Arbeit, die sich bislang mit dem hier behandelten Quellentext befasst hat, ist die 1994 im Gießener Schmitz-Verlag erschienene medizinische Doktorarbeit von Christian Maaß: Johann Bernhard Wilbrand (1779-1846). Herausragender Vertreter der romantischen Naturlehre in Giessen. Maaß scheint aber nur ein Fragment des Doppelartikels von Julius Wilbrand und Johann Jakob Sachs zur Verfügung gestanden zu haben. Dies muss man jedenfalls daraus schließen, dass er weder den von Wilbrand verfassten Teil kennt, noch den auf die Homöopathie bezogenen Teil der Quelle erwähnt.
in: Das Wartburgfest 1817 als Europäisches Ereignis. Hg. v. Joachim Bauer u.a. (= Quellen und Beiträge zur Geschichte der Universität Jena; 15). Stuttgart: Franz Steiner Verlag, S. 225-253, 2020
Blickt man aus der zeitlichen Distanz von heute auf die ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts, so... more Blickt man aus der zeitlichen Distanz von heute auf die ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts, so erscheint das gesamte europäische Raumgefüge von einer faszinierenden Dynamik ergriffen: Bestehende Staatsordnungen und Landesgrenzen wurden negiert, neue Länder und Verbünde geschaffen, Pläne für staatliche und gesellschaftliche Reformen geschmiedet und verworfen, Großmachtansprüche behauptet und verloren, revolutionäre Unruhen geboren und erstickt. Schon bald nach dem Wiener Kongress schlugen die ideologischen Reibungen zwischen den Ordnungsbestrebungen im Zeichen der Heiligen Allianz und den konstitutionell-revolutionären Bewegungen die ersten Funken. Diese entzündeten am 18. Oktober 1817 die echten Feuerflammen des Wartburgfestes in Eisenach. Ironischerweise entwickelte sich ein deutsches Großherzogtum zum Brandherd der radikalen National- und Freiheitsbewegung, in dem eine Schwester des russischen Kaisers Alexander I., Großfürstin Maria Pawlowna (1786–1859), an der Seite des regierenden Großherzogs residierte. Trotz der Bemühungen des Weimarer Hofes um Schadensbegrenzung zog das symbolträchtig inszenierte Autodafé der Wartburgfeier in dem deutschnationalen Lager weite Kreise. Die Radikalisierung an den deutschen Universitäten nahm zu und stand schließlich auf dem Programm des Monarchenkongresses in Aachen im Herbst 1818. Angefacht durch den publizistischen Skandal um ein geheimes Kongressdokument von Alexander von Stourdza wurden Pläne zur Ermordung des Zaren und einiger seiner Staatsdiener geschmiedet. Das Attentat an dem russischen Staatsrat, Publizisten und Dramatiker August von Kotzebue bot 1819 den Anlass für die restriktiven Karlsbader Beschlüsse des Deutschen Bundes. Auch in Russland wurden Maßnahmen getroffen, die die konstitutionell-liberalen Funkenschläge für den Rest der Regierungszeit Alexanders I. vorläufig einzudämmen vermochten.
in: Blätter der Rilke-Gesellschaft 35, S. 204-212, 2020
Der reiche epistolarische Nachlass Rainer Maria Rilkes, als Bestandteil eines Briefwerks, das sic... more Der reiche epistolarische Nachlass Rainer Maria Rilkes, als Bestandteil eines Briefwerks, das sich nur schätzungsweise beziffern lässt, erlaubt immer wieder überraschende Einsichten und Beobachtungen, und zwar sowohl in Hinblick auf literarische als auch biografische Zusammenhänge. Zu den Freuden der Beschäftigung mit Rilkes Korrespondenz gehören auch Entdeckungen neuer, bis dahin der Forschung nicht bekannter Dokumente, wie im Fall eines der frühesten Briefe aus Muzot, der hier erstmals vorgestellt und in der Transkription veröffentlicht wird. Zwei Aspekte fließen in diesen brieflichen Äußerungen aus Muzot mit besonderer Eindringlichkeit zusammen. Erstens, die Sorge um Baladine Klossowska (1886–1969), der Lebensgefährtin Rilkes in seinen letzten Lebensjahren. Zweitens, Rilkes Beschäftigung mit sich selbst: seine Aufmerksamkeit gegenüber existierenden wissenschaftlichen Diskursen über die Psychologie und Physiologie des Lebens, und insbesondere der Periodizität der Lebenszyklen, die – in dem ebenso esoterischen wie exzeptionellen Werk von Wilhelm Fließ (1858–1928) – in Bezug auf die Kreativität des künstlerischen Schaffens erörtert werden.
in: Literarische Öffentlichkeit im mittleren 19. Jahrhundert. Vergessene Konstellationen literarischer Kommunikation zwischen 1840 und 1885. Hg. v. Katja Mellmann, Jesko Reiling. (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur; 142). Berlin: De Gruyter, S. 35-60, 2016
Ein erlesener Mosaikstein unentdeckter deutscher Literaturgeschichte versteckt sich hinter einem ... more Ein erlesener Mosaikstein unentdeckter deutscher Literaturgeschichte versteckt sich hinter einem Brieftagebuch, das die Laubacher Schriftstellerin Editha Klipstein (1880-1953) anlässlich ihrer Begegnungen mit Rilke im Sommer 1915 in München verfasst hat. Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach und das Editha-Klipstein-Archiv an der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main bewahren zwei unterschiedliche Hälften des spannenden und brisanten Manuskripts, das erstmals von Rolf Haaser wieder zusammengeführt und kommentiert der Öffentlichkeit präsentiert werden konnte. Editha Klipstein verbrachte im Juli 1915 einige Wochen in München, um in der Pinakothek ein Gemälde Chardins zu kopieren. Zufälligerweise wohnte sie während dieser Zeit zur Untermiete bei der damaligen Freundin Rilkes, der französischen Malerin und Schriftstellerin Lou Albert-Lasard, und lernte so Rilke aus nächster Nähe kennen. Dies war der Beginn einer Freundschaft, die bis zu Rilkes Tod Bestand hatte. Während des Münchenaufenthaltes machte Rilke Editha Klipstein auch mit der Schweizer Schriftstellerin Regina Ullmann bekannt, eine Bekanntschaft, die in ihrer Bedeutung für Editha Klipstein kaum zu überschätzen ist. In dem Brieftagebuch begegnen wir Rilke inmitten der Schwabinger Bohème, aber auch im Zweiaugengespräch etwa über ein Gemälde Picassos. Neben den eigentlichen Rilkebeschreibungen, die den Tenor der Briefe beherrschen, und die den Reiz der Edition ausmachen, begegnen uns in besonderem Maße und auf je unterschiedliche Weise auch die für Rilke so wichtigen Frauenfiguren einer Lou Albert-Lasard, Regina Ullmann, Mathilde Vollmoeller-Purrmann, mittelbar als Adressatin der Briefe auch Ilse Erdmann, und nicht zu vergessen, Editha Klipstein selbst, die als Verfasserin der München-Briefe immerhin auch ein wichtiges Dokument zu ihrem eigenen biographischen Werdegang an die Hand gibt und gleichzeitig einen wertvollen Einblick in eine wichtige Facette ihrer intellektuellen Entwicklung gewährt.
Kapitel aus dem Buch: Auf der Schwelle zur Moderne: Szenarien von Unterhaltung in Deutschland zwi... more Kapitel aus dem Buch: Auf der Schwelle zur Moderne: Szenarien von Unterhaltung in Deutschland zwischen 1780 und 1840. Vier Fallstudien. Bd. 1. Bielefeld: Aisthesis, 2015, S. 265-424.
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Papers by Rolf Haaser
Alexander von Sternberg gehörte zu der seltenen Species von Schriftstellern seiner Zeit, die Belletristik als Lebensberuf gewählt hatten und sich damit die materielle Basis für einen relativ aufwendigen Lebensstil erwirtschaften konnten. Er trat in erster Linie als Romanautor und Novellist in Erscheinung, wobei er sich überdurchschnittlich häufig, oft auch mit kulturkritischem Blick, auf Personen und Lebenswelten des Adels kaprizierte. Der literarischen Gattung des Dramas widmete er sich sporadisch, während Lyrik in seinem Portfolio nur selten zu finden ist. Daneben betätigte er sich als Karikaturist und Kunstkritiker sowie als Verfasser biographischer Skizzen und autobiographischer Reminiszenzen. Seine vermutlich nicht unbeträchtliche Rolle als Rezensent, Korrespondent und politischer Berichterstatter ist noch weitgehend unerforscht. Sternberg bediente als adliger Schriftsteller das Lektürebedürfnis einer im Laufe seiner Schaffenszeit rasant zunehmenden Leserschicht. Er war in den anderthalb Jahrzehnten vor der Revolution von 1848/49 der gefragteste Beiträger in Cottas vielgelesenem Morgenblatt, und als er gegen Ende seines Lebens die Familienzeitschrift Die Gartenlaube mit belletristischen Beiträgen bestückte, erreichte er, wenn man die Auflagenhöhe des Blattes als Maßstab anlegt, ein Publikum von 85 000 Lesern.
Der weitaus überwiegende Schwerpunkt des Archivmaterials besteht jedoch aus ausgewählten Briefen, Protokollen und Berichten aus der Arbeit der Darmstädter Untersuchungskommission, die nach dem Mordanschlag Sands eingesetzt wurde.
Der Darmstädter Bestand enthält nicht mehr die vollständigen seinerzeit angefallenen Akten. Er wurde zu einem nicht bekannten Zeitpunkt einer Skartierung unterzogen, d.h. einer in der Archivierungspraxis üblichen Verschlankung der Aktenablage durch Verstampfung von nicht mehr nötigen bzw. als nicht mehr relevant erachteten alten Akten oder Aktenteilen.
By focusing the perception of these two geographically distant flood catastrophes in the Prague press and the reactions in the general public, the study includes the Bohemian residence as a third capital into its observation.
Established as transnational media events, these flood disasters contributed to the imagination of a pan-European space. The study seizes on the question to what extent the handling of catastrophic natural phenomena in the first half of the 19th century influenced the self-image of an imagined community of urban elites in Europe. Here the study resumes the model of “dispersed public” which has become common in the past years within the communication and media studies. For the political daily press as well as entertainment journals did not only produce depictions of catastrophes but they also had the potential to bring about social integration as well as to generate empathy and altruism. In regard to the donation campaigns and fund-raisers, the study focuses on cultural practices of charity which, as practical action caused by a current catastrophe, mark the contribution of non-governing but elitist social classes in public events.
Zwei Aspekte fließen in diesen brieflichen Äußerungen aus Muzot mit besonderer Eindringlichkeit zusammen. Erstens, die Sorge um Baladine Klossowska (1886–1969), der Lebensgefährtin Rilkes in seinen letzten Lebensjahren. Zweitens, Rilkes Beschäftigung mit sich selbst: seine Aufmerksamkeit gegenüber existierenden wissenschaftlichen Diskursen über die Psychologie und Physiologie des Lebens, und insbesondere der Periodizität der Lebenszyklen, die – in dem ebenso esoterischen wie exzeptionellen Werk von Wilhelm Fließ (1858–1928) – in Bezug auf die Kreativität des künstlerischen Schaffens erörtert werden.
Books by Rolf Haaser
Editha Klipstein verbrachte im Juli 1915 einige Wochen in München, um in der Pinakothek ein Gemälde Chardins zu kopieren. Zufälligerweise wohnte sie während dieser Zeit zur Untermiete bei der damaligen Freundin Rilkes, der französischen Malerin und Schriftstellerin Lou Albert-Lasard, und lernte so Rilke aus nächster Nähe kennen. Dies war der Beginn einer Freundschaft, die bis zu Rilkes Tod Bestand hatte. Während des Münchenaufenthaltes machte Rilke Editha Klipstein auch mit der Schweizer Schriftstellerin Regina Ullmann bekannt, eine Bekanntschaft, die in ihrer Bedeutung für Editha Klipstein kaum zu überschätzen ist. In dem Brieftagebuch begegnen wir Rilke inmitten der Schwabinger Bohème, aber auch im Zweiaugengespräch etwa über ein Gemälde Picassos.
Neben den eigentlichen Rilkebeschreibungen, die den Tenor der Briefe beherrschen, und die den Reiz der Edition ausmachen, begegnen uns in besonderem Maße und auf je unterschiedliche Weise auch die für Rilke so wichtigen Frauenfiguren einer Lou Albert-Lasard, Regina Ullmann, Mathilde Vollmoeller-Purrmann, mittelbar als Adressatin der Briefe auch Ilse Erdmann, und nicht zu vergessen, Editha Klipstein selbst, die als Verfasserin der München-Briefe immerhin auch ein wichtiges Dokument zu ihrem eigenen biographischen Werdegang an die Hand gibt und gleichzeitig einen wertvollen Einblick in eine wichtige Facette ihrer intellektuellen Entwicklung gewährt.
Alexander von Sternberg gehörte zu der seltenen Species von Schriftstellern seiner Zeit, die Belletristik als Lebensberuf gewählt hatten und sich damit die materielle Basis für einen relativ aufwendigen Lebensstil erwirtschaften konnten. Er trat in erster Linie als Romanautor und Novellist in Erscheinung, wobei er sich überdurchschnittlich häufig, oft auch mit kulturkritischem Blick, auf Personen und Lebenswelten des Adels kaprizierte. Der literarischen Gattung des Dramas widmete er sich sporadisch, während Lyrik in seinem Portfolio nur selten zu finden ist. Daneben betätigte er sich als Karikaturist und Kunstkritiker sowie als Verfasser biographischer Skizzen und autobiographischer Reminiszenzen. Seine vermutlich nicht unbeträchtliche Rolle als Rezensent, Korrespondent und politischer Berichterstatter ist noch weitgehend unerforscht. Sternberg bediente als adliger Schriftsteller das Lektürebedürfnis einer im Laufe seiner Schaffenszeit rasant zunehmenden Leserschicht. Er war in den anderthalb Jahrzehnten vor der Revolution von 1848/49 der gefragteste Beiträger in Cottas vielgelesenem Morgenblatt, und als er gegen Ende seines Lebens die Familienzeitschrift Die Gartenlaube mit belletristischen Beiträgen bestückte, erreichte er, wenn man die Auflagenhöhe des Blattes als Maßstab anlegt, ein Publikum von 85 000 Lesern.
Der weitaus überwiegende Schwerpunkt des Archivmaterials besteht jedoch aus ausgewählten Briefen, Protokollen und Berichten aus der Arbeit der Darmstädter Untersuchungskommission, die nach dem Mordanschlag Sands eingesetzt wurde.
Der Darmstädter Bestand enthält nicht mehr die vollständigen seinerzeit angefallenen Akten. Er wurde zu einem nicht bekannten Zeitpunkt einer Skartierung unterzogen, d.h. einer in der Archivierungspraxis üblichen Verschlankung der Aktenablage durch Verstampfung von nicht mehr nötigen bzw. als nicht mehr relevant erachteten alten Akten oder Aktenteilen.
By focusing the perception of these two geographically distant flood catastrophes in the Prague press and the reactions in the general public, the study includes the Bohemian residence as a third capital into its observation.
Established as transnational media events, these flood disasters contributed to the imagination of a pan-European space. The study seizes on the question to what extent the handling of catastrophic natural phenomena in the first half of the 19th century influenced the self-image of an imagined community of urban elites in Europe. Here the study resumes the model of “dispersed public” which has become common in the past years within the communication and media studies. For the political daily press as well as entertainment journals did not only produce depictions of catastrophes but they also had the potential to bring about social integration as well as to generate empathy and altruism. In regard to the donation campaigns and fund-raisers, the study focuses on cultural practices of charity which, as practical action caused by a current catastrophe, mark the contribution of non-governing but elitist social classes in public events.
Zwei Aspekte fließen in diesen brieflichen Äußerungen aus Muzot mit besonderer Eindringlichkeit zusammen. Erstens, die Sorge um Baladine Klossowska (1886–1969), der Lebensgefährtin Rilkes in seinen letzten Lebensjahren. Zweitens, Rilkes Beschäftigung mit sich selbst: seine Aufmerksamkeit gegenüber existierenden wissenschaftlichen Diskursen über die Psychologie und Physiologie des Lebens, und insbesondere der Periodizität der Lebenszyklen, die – in dem ebenso esoterischen wie exzeptionellen Werk von Wilhelm Fließ (1858–1928) – in Bezug auf die Kreativität des künstlerischen Schaffens erörtert werden.
Editha Klipstein verbrachte im Juli 1915 einige Wochen in München, um in der Pinakothek ein Gemälde Chardins zu kopieren. Zufälligerweise wohnte sie während dieser Zeit zur Untermiete bei der damaligen Freundin Rilkes, der französischen Malerin und Schriftstellerin Lou Albert-Lasard, und lernte so Rilke aus nächster Nähe kennen. Dies war der Beginn einer Freundschaft, die bis zu Rilkes Tod Bestand hatte. Während des Münchenaufenthaltes machte Rilke Editha Klipstein auch mit der Schweizer Schriftstellerin Regina Ullmann bekannt, eine Bekanntschaft, die in ihrer Bedeutung für Editha Klipstein kaum zu überschätzen ist. In dem Brieftagebuch begegnen wir Rilke inmitten der Schwabinger Bohème, aber auch im Zweiaugengespräch etwa über ein Gemälde Picassos.
Neben den eigentlichen Rilkebeschreibungen, die den Tenor der Briefe beherrschen, und die den Reiz der Edition ausmachen, begegnen uns in besonderem Maße und auf je unterschiedliche Weise auch die für Rilke so wichtigen Frauenfiguren einer Lou Albert-Lasard, Regina Ullmann, Mathilde Vollmoeller-Purrmann, mittelbar als Adressatin der Briefe auch Ilse Erdmann, und nicht zu vergessen, Editha Klipstein selbst, die als Verfasserin der München-Briefe immerhin auch ein wichtiges Dokument zu ihrem eigenen biographischen Werdegang an die Hand gibt und gleichzeitig einen wertvollen Einblick in eine wichtige Facette ihrer intellektuellen Entwicklung gewährt.