Dr. Mario Candeias is Director of the Institute for Critical Social Analysis at Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin. He is co-founder and co-editor of the journal "LuXemburg", oriented on political analysis and strategy. He is member of the party DIE LINKE (the Left) in Germany, also member of Seawatch, the service union Ver.di, of the Berlin Institute for Critical Theory, and other NGOs. He was member of the board of the review "Das Argument" and of the board of the Historic-Critical Dictionary of Marxism. He graduated in 1994 and later made his PhD (Dr. red. pol.) 2003 at Freie Universität Berlin. He started working with the Rosa-Luxemburg-Stiftung in 1999 and became Senior Researcher in 2007. Before he worked at Freie Universität Berlin and Friedrich-Schiller-Universität Jena. His mayor issues are: political strategy, parties and movements, crisis and transformation of capitalism, class analysis and connective class politics and other.
Transformation. Suchprozesse in Zeiten des Umbruchs, hgg. v. Michael Brie u.a., 2016
Sie haben das Unmögliche versucht und die Frage der Demokratie in Europa politisiert. Damit war S... more Sie haben das Unmögliche versucht und die Frage der Demokratie in Europa politisiert. Damit war Syriza ein "großer Katalysator" (Strohschneider 2015), der den Charakter des derzeitigen europäischen Projekts eines autoritären Neoliberalismus demaskierte und zugleich wieder Hoffnung auf ein anderes Europa weckte. Künftig wird über vieles in der EU anders gesprochen werden müssen. Doch man muss sich nichts vormachen: Das Verhandlungsergebnis vom 13. Juli 2015 zwischen Griechenland und den Gläubigern war eine schwere Niederlage. Im Angesicht der finanziellen Strangulation verliert das Land "seine Souveränität und wird zum Protektorat der übrigen Euro-Staaten" (Schumann, »Tagesspiegel« v. 17.7.15). "Die Treuhand als Schattenregierung." (Blockupy goes Athens v. 12.7.15) Das entspricht den Kräfteverhältnissen. Aber die Krise ist nicht gelöst, die Auseinandersetzung nicht beendet.
Die Lage der Partei DIE LINKE ist durch einen schreienden Widerspruch geprägt: Sie verfügt über e... more Die Lage der Partei DIE LINKE ist durch einen schreienden Widerspruch geprägt: Sie verfügt über ein starkes Potenzial und ist doch schwach. Das Potenzial der Partei DIE LINKE liegt bei knapp einem Fünftel der Wahlbevölkerung. Sie hat in den letzten zehn Jahren 30.000 neue, vornehmlich junge Mitglieder gewonnen. Ihre sozialen Forderungen wie die, den Pflegenotstand zu beenden und Krankenhäuser gemeinnützig auszurichten, die Mieten bezahlbar zu machen, eine Mindestrente von 1.200 Euro einzuführen und den öffentlichen Nah- und Fernverkehr im Rahmen neuer Mobilitätskonzepte zu fördern, werden breit unterstützt.
Die Suche nach Alternativen zum Kapitalismus ist für mehr als ein Drittel der Bevölkerung wichtig. Trotzdem haben sich viele, die DIE LINKE in der Vergangenheit gewählt haben, von ihr abgewandt. DIE LINKE ist in wesentlichen Teilen der Gesellschaft kaum oder nicht präsent. In den zentralen Fragen der letzten Jahre (Migration, Klima, Corona) war DIE LINKE vielstimmig, uneindeutig und damit uninteressant für die Bürger*innen. Die Verluste bei Wahlen betreffen alle linken Wählergruppen. Je länger dies so ist, umso wahrscheinlicher wird ihr völliger Niedergang. Der Widerspruch zwischen dem vorhandenen Potenzial für eine linke sozialistische Partei und der realen Kraft der Partei DIE LINKE stellt ihre Existenz infrage.
Im Weiteren werden zehn Herausforderungen skizziert, denen sich DIE LINKE bei ihrem Erneuerungsprozess stellen muss, will sie die Kluft zwischen dem realen Potenzial einer linkssozialistischen Kraft in Deutschland und der Umsetzung dieses Potenzials in Gestaltungsmacht schließen.
Mitglieder der Arbeitsgruppe: Dagmar Enkelmann, Heinz Bierbaum, Michael Brie, Mario Candeias, Richard Detje, Sophie Dieckmann, Heinz Hillebrand, Moritz Warnke
Wir danken Lia Becker, Joachim Bischoff, Janis Ehling, Thomas Goes, Cornelia Hildebrandt, Horst Kahrs, Bernhard Müller, Rhonda Koch, Hendrik Sander, Gerd Siebecke, Harald Wolf und anderen für Hinweise und Anregungen.
Inflation und Energiepreiskrise haben die soziale Frage zurück in die öffentliche Debatte gebrach... more Inflation und Energiepreiskrise haben die soziale Frage zurück in die öffentliche Debatte gebracht.
Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) muss sich nach eigener Einschätzung aufgrund der stark gestiegenen Preise für Energie und Lebensmittel bereits jetzt finanziell stark einschränken, im Osten Deutschlands sind es sogar 58 Prozent. Rund 15 Prozent der Befragten sehen sich als von Armut betroffen, davon deutlich mehr im Osten (27 Prozent) als im Westen (12 Prozent) der Republik sowie mehr Frauen (17 Prozent) als Männer (13 Prozent).
Daraus erwächst eine im Vergleich zu früheren Befragungen höhere Zustimmung zu der politischen Forderung, hohe Vermögen sowie Krisen und Kriegsgewinne großer Konzerne stärker zu besteuern und mit diesen Zusatzeinnahmen insbesondere bessere staatliche Sozialleistungen zu finanzieren.
Fast drei Viertel der Befragten (73 Prozent) sprechen sich für die Einführung einer Vermögenssteuer aus (nur 26 Prozent sind dagegen).
85 Prozent aller Befragten befürworten die Einführung einer Übergewinnsteuer (nur 12 Prozent sind dagegen). Dieser Wert ist im Vergleich zu einer repräsentativen Umfrage im August 2022 noch einmal deutlich gestiegen. Damals antworteten 72 Prozent auf die Frage: «Was halten Sie von dem Vorschlag einer sogenannten Übergewinnsteuer, die Unternehmen, die von der Marktentwicklung in der gegenwärtigen Krise stark profitieren, stärker besteuert?», dass sie dafür seien, 21 Prozent sprachen sich dagegen aus.
Dem Vorhaben, mit zusätzlichen Kreditaufnahmen vonseiten des Staates höhere Sozialleistungen und Investitionen in Krankenhäuser, Schulen, bezahlbaren Wohnraum etc. zu ermöglichen, stimmten 52 Prozent der Befragten zu (44 Prozent sind dagegen).
Die Antworten auf die Frage, was mit zusätzlichen Steuermitteln finanziert werden sollte, zeigen folgende Prioritäten: An erster Stelle werden Investitionen in Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Schulen und Kitas sowie deren Ausstattung mit ausreichend Personal genannt (jeweils 99 Prozent Zustimmung). Auf dem zweiten Platz folgen bezahlbarer Wohnraum, mehr Sozialwohnungen sowie der Ausbau des öffentlichen Nah- und Regionalverkehrs (jeweils 94 Prozent Zustimmung). Auf dem dritten Platz findet sich vergünstigter Bezug von Energie zur Abdeckung des Grundbedarfs von Privathaushalten (89 Prozent Zustimmung), gefolgt vom schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien (87 Prozent Zustimmung).
Gefragt nach einer Priorisierung von maximal zwei Forderungen, differenziert sich das Bild deutlicher: Mit Abstand werden eine gute Personalausstattung und Investitionen in Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen (71 Prozent Zustimmung) sowie Schulen und Kitas (65 Prozent Zustimmung) als besonders wichtig betrachtet.
Dass die Daseinsvorsorge in Form der Bereitstellung von Krankenhäusern, der Wasser- oder Energieversorgung nicht von privaten Unternehmen übernommen werden soll, sondern eine Aufgabe der öffentlichen Hand ist, dem stimmen 85 Prozent aller Befragten zu. Nur 12 Prozent sind anderer Meinung.
Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zum Wähler*innenpotenzial der LINKEN:
- Potenzial der ... more Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zum Wähler*innenpotenzial der LINKEN: - Potenzial der LINKEN noch immer bei 18 Prozent, also fast einem Fünftel der Wahlberechtigten. Das entspräche etwa 10,8 Millionen Wahlberechtigten, die sich vorstellen können, DIE LINKE zu wählen – und dies nicht nur in Städten und im urbanen Raum, sondern auch in kleineren Orten mit 5.000 bis 20.000 Einwohner*innen. Ihr höchstes Potenzial hat DIE LINKE weiter bei Personen mit niedrigem Einkommen: Leben sie in Haushalten mit einem Nettomonatseinkommen bis 1.500 Euro, sind es 22 Prozent, bei Haushalten mit einem Einkommen bis 2.500 Euro sind es 24 Prozent. - Ausschlaggebend für eine mögliche Wahl der LINKEN sind die folgenden Zuschreibungen: das «hohe soziale Engagement» der Partei und ihr «Einsatz für soziale Gerechtigkeit» (31 %). Ein weiterer wichtiger Grund für die Wahl (mit einigem Abstand zum sozialen Engagement) sind «gute Konzepte». «Gute Politiker*innen» folgt erst auf Platz drei. DIE LINKE gilt also weiterhin als eine Partei der (sozialen) Praxis und wird für ihre spezifische programmatische Ausrichtung geschätzt. - Maßnahmen zur Verringerung der Einkommens- und Vermögensungleichheit in Deutschland betrachten potenzielle Wähler*innen der LINKEN (quer durch alle Einkommens- und Altersklassen) auffällig häufig als eher wichtig oder sehr wichtig. - Fast ebenso wichtig sind potenziellen Wähler*innen der LINKEN Maßnahmen zum Schutz des Klimas in Verbindung mit einem sozialen Ausgleich. Am stärksten werden solche sozial-ökologischen Forderungen erneut von Geringverdiener*innen mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von bis zu 1.500 Euro befürwortet. Es ist also nicht so, dass die sozial-ökologische Transformation eine Frage der urbanen Mittelschichten mit guten Einkommen (sog. Besserverdienende) wäre, sondern eine Klassenfrage, die von den Ärmsten auch als solche betrachtet wird. Debatten, Forderungen, Programmpunkte und Projekte, die die ökologische mit der sozialen Frage verbinden, können also potenziell mehr leisten, um Wähler*innen zu binden.
Eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent der potenziellen Wähler*innen der LINKEN wünscht sich demnach von der Partei, sie solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz als gleichrangige Herausforderungen behandeln (und dies unabhängig von der Größe ihres Wohnorts). Der Forderung, angesichts der ökologischen Krise der Klimapolitik einen Vorrang einzuräumen, stimmten nur 8 Prozent zu (mit 19 % sind es vor allem die 50- bis 59-Jährigen, die dies befürworten, sowie mit 21 % diejenigen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.500 Euro). 24 Prozent wünschen sich von der Partei, sie solle sich vor allem für soziale Reformen einsetzen. Es spricht also viel dafür, systematischer an der Entwicklung und Darstellung verbindender Positionen zu arbeiten. Maßnahmen gegen den Klimawandel werden stärker von denjenigen unterstützt, die Gewerkschaften angehören. Der Position, die Partei solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz gleichrangig voranbringen, also das Soziale und das Ökologische systematisch miteinander verbinden, stimmten Gewerkschaftsmitglieder mit 65 Prozent zu (gegenüber 60 % der Nicht-Mitglieder). - Dass DIE LINKE für mehr Sozialismus eintreten soll, dem stimmen 54 Prozent der potenziellen Wähler*innen zu, und dies quer zu den Einkommensklassen. Vor allem Frauen unterstützen diese Ausrichtung mit 63 Prozent. Je jünger die Befragten sind, desto häufiger stimmen sie dieser Forderung zu (bei den U40: 71 %). Dass DIE LINKE stärker für eine Alternative zum Kapitalismus eintreten soll, dafür sprechen sich Gewerkschafter* innen mit 76 Prozent viel deutlicher aus als Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. Bei der Forderung nach mehr Sozialismus ist das Verhältnis 62 zu 53 Prozent.
Fazit: Es ist also durchaus ein stabiles Potenzial für eine sozial-ökologisch ausgerichtete linke Partei mit sozialistischer Perspektive vorhanden, entsprechende Konzepte und Kampagnen vorausgesetzt. Die Ausschöpfung dieses Potenzials gelingt bisher nicht. Damit dies möglich wird, müssen zunächst die parteiinternen Probleme gelöst und die harten internen Auseinandersetzungen befriedet werden. Nur so können Ausstrahlungskraft und Glaubwürdigkeit gemeinsam zurückgewonnen werden.
Thesen zum Ende des Interregnums und warum es gerade jetzt einen Neustart der LINKEN braucht.
The... more Thesen zum Ende des Interregnums und warum es gerade jetzt einen Neustart der LINKEN braucht. These 1: Wir leben in keiner offenen gesellschaftlichen Situation mehr. Die Entwicklungspfade sind umkämpft, aber viele Alternativen bereits verunmöglicht und Wege verschlossen.
repräsentative Umfrage zeigt Unterschiede zwischen der Partei DIE LINKE und BSW: Das Wähler*inne... more repräsentative Umfrage zeigt Unterschiede zwischen der Partei DIE LINKE und BSW: Das Wähler*innenpotenzial der Partei DIE LINKE liegt derzeit bei 15 Prozent. Vor allem im Osten der Republik ist es stabil und hoch. Vor allem junge Menschen und Menschen mit geringem Einkommen können sich vorstellen, DIE LINKE zu wählen. Die Werte für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erscheinen dagegen überschätzt. Insbesondere Anhänger von AfD und FDP könnten sich vorstellen eine Wagenknecht-Partei zu wählen. Vor allem aber überschneiden sich die Potenziale der beiden Parteien geringer als erwartet.
Silver, Beverly J. (2003): Forces of Labour. Workers' Movements and Globalization since 1870 ... more Silver, Beverly J. (2003): Forces of Labour. Workers' Movements and Globalization since 1870 Cambridge University Press 2003, 238 pages, 25,90 euro, ISBN 0 521 52077 0 [deutsch: Forces of Labour. Arbeiterbewegungen und Globalisierung seit 1870. Assoziation A, Berlin-Hamburg 2005, 284 Seiten, 18,00 euro, ISBN 3-935936-32-X] ,,While labor has been weakened in the locations from which productive capital emigrated, new working classes have been created and strengthened in the favoured new sites of investment." (p. 5) Against a fashionable farewell to the working class in a process of race-to-the-bottom-globalization Beverly Silver points out, that working classes (in plural) will continue to play an important part in shaping the social order of the 21st century. In the face of a never known global expansion of labor relations the so-called end of work turns out to be a narrow-minded euro-centerism. Therefore, due to her her world systems approach inspired by Wallerstein and Arrighi, Silver enhances the analytical perspective in time (going back to the 19th century) and in space (taking the different working classes in the global division of labor as interrelated) in order to grasp possible futures of labor movements. Here class is not just an object of economic processes, Silver's emphasis is rather on working class activity than corporate or IMF misdeeds, on resistance rather than victimization. She looks at the rise and decline of labor unrest in different locations, industries and over time and her empirical data points out, that class struggle pushes and is pulled dialectically by capital's outward trajectory. Moreover the making, unmaking and remaking of the working class shapes the form of capitalism as a world system. The measuring rod for labor unrest is a database compiled by the World Labor Group at the Fernand Braudel Center in Binghamton/New York, with which Silver worked closely. They identified every mention of labor unrest in the London Times and in the New York Times since the 1870s. For Silver, labor unrest is rooted in the contradictions of the capitalist mode of production itself: as capital subjects more and more population to discipline and exploitation, commodifying ever more areas of life, labor the >ficticious commodity For the concrete analysis of key industries in history, Silver differenciates (with E.O. Wright) two forms of workers' bargaining power: ,,Associational power" comes from the formation of collective organisations, unions and parties. In contrast, ,,structural power" is divided in two subtypes, ,,marketplace bargaining power", the power that results directly from more or less tight labor markets or low unemployment rates, and ,,workplace bargaining power" that consists of the strategic position of a particular group of workers within the production process (p. 13). An important factor is, how these forms of power are shaped by what she calls ,,boundary drawing" and specific social compacts (p. 20). Workers' power may be used exclusive, only for specific groups of workers, or inclusive, even crossing class borders, linking to other social groups. …
PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft
Im Interview erzählt Alex Demirovic von seiner theoretischen und politischen Sozialisation in Fra... more Im Interview erzählt Alex Demirovic von seiner theoretischen und politischen Sozialisation in Frankfurt im Nachgang der Student_innenbewegung und der Kritischen Theorie: Er berichtet von seiner Althusser- und Poulantzas-Lektüre der 1970er-Jahre, ebenso wie vom revolutionären Umfeld, vom Versuch der Gründung einer linkssozialistischen Partei und von den Anfängen der Grünen.
2 Systemic crisis or business as usual: Analyses of the current crisis oscillate between these tw... more 2 Systemic crisis or business as usual: Analyses of the current crisis oscillate between these two poles. But neither is capitalism as such in crisis, nor can the form of capitalist development of the past thirty years simply be carried on. The specific form of the transnational information technological mode of production and life under neoliberal hegemony has fallen into a structural or organic crisis. We are at the beginning of a new transformation of capitalism. The form it takes will be at issue in the struggle of the coming years. How, in view of the unfavourable power relations, is the goal of socialist transformation in the sense of Rosa Luxemburg’s concept of revolutionary pragmatism, to be pursued? In other words, “what is to be done? ” (Lenin) – and “who the hell is going to do it? ” (Harvey 2009)? Transformations as passive revolutions Nothing will stay the way it is. Transformation for the last 150 years has meant: a passive revolution of the modes of production and the...
Die Lage der Partei DIE LINKE ist durch einen schreienden Widerspruch geprägt: Sie verfügt über e... more Die Lage der Partei DIE LINKE ist durch einen schreienden Widerspruch geprägt: Sie verfügt über ein starkes Potenzial und ist doch schwach. Das Potenzial der Partei DIE LINKE liegt bei knapp einem Fünftel der Wahlbevölkerung. Sie hat in den letzten zehn Jahren 30.000 neue, vornehmlich junge Mitglieder gewonnen. Ihre sozialen Forderungen wie die, den Pflegenotstand zu beenden und Krankenhäuser gemeinnützig auszurichten, die Mieten bezahlbar zu machen, eine Mindestrente von 1.200 Euro einzuführen und den öffentlichen Nah- und Fernverkehr im Rahmen neuer Mobilitätskonzepte zu fördern, werden breit unterstützt.
Die Suche nach Alternativen zum Kapitalismus ist für mehr als ein Drittel der Bevölkerung wichtig. Trotzdem haben sich viele, die DIE LINKE in der Vergangenheit gewählt haben, von ihr abgewandt. DIE LINKE ist in wesentlichen Teilen der Gesellschaft kaum oder nicht präsent. In den zentralen Fragen der letzten Jahre (Migration, Klima, Corona) war DIE LINKE vielstimmig, uneindeutig und damit uninteressant für die Bürger*innen. Die Verluste bei Wahlen betreffen alle linken Wählergruppen. Je länger dies so ist, umso wahrscheinlicher wird ihr völliger Niedergang. Der Widerspruch zwischen dem vorhandenen Potenzial für eine linke sozialistische Partei und der realen Kraft der Partei DIE LINKE stellt ihre Existenz infrage.
Im Weiteren werden zehn Herausforderungen skizziert, denen sich DIE LINKE bei ihrem Erneuerungsprozess stellen muss, will sie die Kluft zwischen dem realen Potenzial einer linkssozialistischen Kraft in Deutschland und der Umsetzung dieses Potenzials in Gestaltungsmacht schließen.
Mitglieder der Arbeitsgruppe: Dagmar Enkelmann, Heinz Bierbaum, Michael Brie, Mario Candeias, Richard Detje, Sophie Dieckmann, Heinz Hillebrand, Moritz Warnke
Für eilige Leser*Innen:
Potenzial der LINKEN noch immer bei 18 Prozent, also fast einem Fünftel ... more Für eilige Leser*Innen:
Potenzial der LINKEN noch immer bei 18 Prozent, also fast einem Fünftel der Wahlberechtigten. Das entspräche etwa 10,8 Millionen Wahlberechtigten, die sich vorstellen können, DIE LINKE zu wählen – und dies nicht nur in Städten und im urbanen Raum, sondern auch in kleineren Orten mit 5.000 bis 20.000 Einwohner*innen. Ihr höchstes Potenzial hat DIE LINKE weiter bei Personen mit niedrigem Einkommen: Leben sie in Haushalten mit einem Nettomonatseinkommen bis 1.500 Euro, sind es 22 Prozent, bei Haushalten mit einem Einkommen bis 2.500 Euro sind es 24 Prozent.
Ausschlaggebend für eine mögliche Wahl der LINKEN sind die folgenden Zuschreibungen: das «hohe soziale Engagement» der Partei und ihr «Einsatz für soziale Gerechtigkeit» (31 %). Ein weiterer wichtiger Grund für die Wahl (mit einigem Abstand zum sozialen Engagement) sind «gute Konzepte». «Gute Politiker*innen» folgt erst auf Platz drei. DIE LINKE gilt also weiterhin als eine Partei der (sozialen) Praxis und wird für ihre spezifische programmatische Ausrichtung geschätzt.
Maßnahmen zur Verringerung der Einkommens- und Vermögensungleichheit in Deutschland betrachten potenzielle Wähler*innen der LINKEN (quer durch alle Einkommens- und Altersklassen) auffällig häufig als eher wichtig oder sehr wichtig.
Fast ebenso wichtig sind potenziellen Wähler*innen der LINKEN Maßnahmen zum Schutz des Klimas in Verbindung mit einem sozialen Ausgleich. Am stärksten werden solche sozial-ökologischen Forderungen erneut von Geringverdiener*innen mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von bis zu 1.500 Euro befürwortet. Es ist also nicht so, dass die sozial-ökologische Transformation eine Frage der urbanen Mittelschichten mit guten Einkommen (sog. Besserverdienende) wäre, sondern eine Klassenfrage, die von den Ärmsten auch als solche betrachtet wird. Debatten, Forderungen, Programmpunkte und Projekte, die die ökologische mit der sozialen Frage verbinden, können also potenziell mehr leisten, um Wähler*innen zu binden.
Eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent der potenziellen Wähler*innen der LINKEN wünscht sich demnach von der Partei, sie solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz als gleichrangige Herausforderungen behandeln (und dies unabhängig von der Größe ihres Wohnorts). Der Forderung, angesichts der ökologischen Krise der Klimapolitik einen Vorrang einzuräumen, stimmten nur 8 Prozent zu (mit 19 % sind es vor allem die 50- bis 59-Jährigen, die dies befürworten, sowie mit 21 % diejenigen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.500 Euro). 24 Prozent wünschen sich von der Partei, sie solle sich vor allem für soziale Reformen einsetzen. Es spricht also viel dafür, systematischer an der Entwicklung und Darstellung verbindender Positionen zu arbeiten. Maßnahmen gegen den Klimawandel werden stärker von denjenigen unterstützt, die Gewerkschaften angehören. Der Position, die Partei solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz gleichrangig voranbringen, also das Soziale und das Ökologische systematisch miteinander verbinden, stimmten Gewerkschaftsmitglieder mit 65 Prozent zu (gegenüber 60 % der Nicht-Mitglieder).
Dass DIE LINKE für mehr Sozialismus eintreten soll, dem stimmen 54 Prozent der potenziellen Wähler*innen zu, und dies quer zu den Einkommensklassen. Vor allem Frauen unterstützen diese Ausrichtung mit 63 Prozent. Je jünger die Befragten sind, desto häufiger stimmen sie dieser Forderung zu (bei den U40: 71 %). Dass DIE LINKE stärker für eine Alternative zum Kapitalismus eintreten soll, dafür sprechen sich Gewerkschafter* innen mit 76 Prozent viel deutlicher aus als Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. Bei der Forderung nach mehr Sozialismus ist das Verhältnis 62 zu 53 Prozent.
Fazit: Es ist also durchaus ein stabiles Potenzial für eine sozial-ökologisch ausgerichtete linke Partei mit sozialistischer Perspektive vorhanden, entsprechende Konzepte und Kampagnen vorausgesetzt. Die Ausschöpfung dieses Potenzials gelingt bisher nicht. Damit dies möglich wird, müssen zunächst die parteiinternen Probleme gelöst und die harten internen Auseinandersetzungen befriedet werden. Nur so können Ausstrahlungskraft und Glaubwürdigkeit gemeinsam zurückgewonnen werden.
Die Spaltung der Subalternen drückt sich immer wieder in der Schwierigkeit aus, gemeinsame Forder... more Die Spaltung der Subalternen drückt sich immer wieder in der Schwierigkeit aus, gemeinsame Forderungen zu entwickeln, die kollektive Handlungsperspektiven öffnen können. Das zeigt sich auch in den Diskussionen um die Zukunft sozialer Absicherung und die Perspektiven des Sozialstaats im 21. Jahrhundert. Was also wären positive Entwürfe, die die Anliegen der vielfältigen Bewegungen des Protests bündeln könnten? Von den zunehmenden Arbeitskämpfen insbesondere im Bereich Pflege und Erziehung über die Mietenproteste, die Anti-Privatisierungs-Bündnisse bis hin zu den neuen antirassistischen Protesten und der Klimabewegung: Wie könnten gemeinsame Forderungen aussehen, die die unterschiedlichen Anliegen einer pluralen Linken und verschiedenen Teilen der Subalternen aufnehmen und sinnvoll miteinander verbinden?
Seit einigen Jahren dreht sich die Debatte – angestoßen von einem Diskussionszusammenhang rund um Joachim Hirsch (2003) und das Frankfurter links-netz (2012) – verstärkt um die Bedeutung sozialer Infrastrukturen als Teil einer postneoliberalen Sozialpolitik. Der Ansatz stellt die sozialen Dienstleistungen in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Transformation.
Wenn die gesellschaftliche Situation so polarisiert ist wie jetzt, ist eine radikale Perspektive ... more Wenn die gesellschaftliche Situation so polarisiert ist wie jetzt, ist eine radikale Perspektive nötig, die vorhandene Kämpfe verbindet und weitertreibt. Ansätze gibt es genug, von der Gesundheitspolitik bis zur Energiewende
Die LINKE muss sich entscheiden: Will sie sich als sozial-konservative Partei in der Defensive ge... more Die LINKE muss sich entscheiden: Will sie sich als sozial-konservative Partei in der Defensive gegen neoliberale Verschlechterungen und gegen die Folgen ökologischer und gesellschaftlicher Modernisierung positionieren oder eine nach vorn gerichtete sozial-ökologische Kraft mit sozialistischer Perspektive sein, das heißt eine Partei der Zukunft?
Unabhängig davon, ob die Umfragen es derzeit hergeben, macht es Sinn, über Erfahrungen des Regier... more Unabhängig davon, ob die Umfragen es derzeit hergeben, macht es Sinn, über Erfahrungen des Regierens zu diskutieren. Ohne kritischen Blick, aber auch ohne Blick auf Gelingendes verschenken wir sonst viel. Nun kennen wir alle zahlreiche Beispiele, in denen linkes Regieren unter sehr ungünstigen Bedingungen nicht oder kaum gelang. Leere Kassen, ungünstige Kräfteverhältnisse in Gesellschaft und Koalitionsregierungen oder auch offene Feindschaften mit übermächtigen Gegnern wie der Troika in Griechenland haben linkes Regieren nahezu verunmöglicht. Das heißt: In Zeiten sattelfester Hegemonie des Neoliberalismus waren die allermeisten Regierungsbeteiligungen von Linken zum Scheitern verurteilt. Die Situation ist heute eine andere. Inzwischen sind die Parteiensysteme überall in heftiger Bewegung, auch bei uns. Innerhalb des herrschenden Machtblocks finden Kämpfe um seine Führung und Zusammensetzung statt, um zukünftige gesellschaftliche Projekte. Die neoliberale Hegemonie ist vorüber, ohne dass etwas Neues etabliert werden konnte. In solchen Zeiten entstehen Verschiebungen und Spielräume – freilich können diese auch wieder verschwinden.
Manchmal wiederum hatten linke Parteien kaum eine Wahl, als sich an der Regierung zu beteiligen: ob nun 1996 mit dem L’Ulivo-Bündnis zur Verhinderung einer zweiten Regierung Berlusconi in Italien oder zur Beendigung der korrupten CDU-Regierung in Berlin. Allerdings waren die Folgen für die Linke fatal. In Berlin entfremdete die rot-rote Koalition (2002 bis 2011) die Partei DIE LINKE auf Jahre von vielen Wähler*innen und sozialen Bewegungen, in Italien zerstörte und zersplitterte die Regierungsbeteiligung die Linke, die sich bis heute nicht davon erholt hat.
Es gibt jedoch auch Beispiele für eine gelungene Zusammenarbeit aus jüngerer Zeit, darunter Portugal mit einem Tolerierungsmodell auf Vertragsgrundlage (vgl. Candeias 2017). Auch mit der zweiten Regierungsbeteiligung der LINKEN in Berlin sind einige positive Erfahrungen verbunden. Auch wenn das Berliner Beispiel nicht überstrapaziert werden darf, zeigt sich hier grundsätzlich, dass es geht, dass die gesellschaftliche und die Parteilinke in der Lage sind, zu lernen und durch eine effektive Arbeitsteilung gemeinsam Erfolge zu erringen.
Trotz erheblicher Erfolge sowohl im Parteiaufbau, der Organisierung, erstarkter sozialer Bewegung... more Trotz erheblicher Erfolge sowohl im Parteiaufbau, der Organisierung, erstarkter sozialer Bewegungen (Fridays for Future, Mietenbewegung, Black Lives Matter, Anti-Polizeigesetze etc.) und einer LINKEN als wichtigem Teil und Partner darin sowie einiger “Leuchttürme” linken Regierens (vgl. Candeias 2019) stagniert die LINKE in Umfragen bei sieben Prozent (ca. zwei Prozent weniger als bei den letzten Wahlen). Der Blick auf mögliche Ursachen soll keineswegs vom Einsatz im Wahlkampf ablenken, vielmehr seine Bedeutung noch einmal verdeutlichen. Noch ist nichts entschieden und vieles im Fluss. ... Doch eine solche politische Konstellation kann sich – trotz teilweise guter Arbeit – in eine existenzgefährdende Dynamik übersetzen.
Über eine Million Berliner*innen stimmten für die Vergesellschaftung privater Wohnungskonzerne. M... more Über eine Million Berliner*innen stimmten für die Vergesellschaftung privater Wohnungskonzerne. Mit diesem fulminanten Sieg des Volksentscheids "Deutsche Wohnen & Co enteignen" hat sich die Konstellation gedreht, der Raum des politisch Sagbaren wurde verschoben. Das Projekt der Vergesellschaftung kann und sollte im Sinne einer Gemeinwirtschaft (Bandt/Schneider 2020) oder eines Infrastruktursozialismus (Candeias u. a. 2020) als verbindende Perspektive dienen. Es gibt den Auseinandersetzungen um die Krankenhaus- und Pflegekonzerne, um die Sicherung privater Daten und digitaler Infrastrukturen, um die Mobilitäts- und Energiewende, die Wohnraumversorgung und eine neue Bodenpolitik einen frischen und nützlichen Impuls. Eine breit angelegte Vergesellschaftungsinitiative könnte die vielen kleinen und großen Kämpfe zusammenführen. Das gemeinsame Ziel: eine öffentliche, gemeinwohlorientierte und demokratisierte Ökonomie, die für alle und auch für unseren Planeten funktioniert.
Transformation. Suchprozesse in Zeiten des Umbruchs, hgg. v. Michael Brie u.a., 2016
Sie haben das Unmögliche versucht und die Frage der Demokratie in Europa politisiert. Damit war S... more Sie haben das Unmögliche versucht und die Frage der Demokratie in Europa politisiert. Damit war Syriza ein "großer Katalysator" (Strohschneider 2015), der den Charakter des derzeitigen europäischen Projekts eines autoritären Neoliberalismus demaskierte und zugleich wieder Hoffnung auf ein anderes Europa weckte. Künftig wird über vieles in der EU anders gesprochen werden müssen. Doch man muss sich nichts vormachen: Das Verhandlungsergebnis vom 13. Juli 2015 zwischen Griechenland und den Gläubigern war eine schwere Niederlage. Im Angesicht der finanziellen Strangulation verliert das Land "seine Souveränität und wird zum Protektorat der übrigen Euro-Staaten" (Schumann, »Tagesspiegel« v. 17.7.15). "Die Treuhand als Schattenregierung." (Blockupy goes Athens v. 12.7.15) Das entspricht den Kräfteverhältnissen. Aber die Krise ist nicht gelöst, die Auseinandersetzung nicht beendet.
Die Lage der Partei DIE LINKE ist durch einen schreienden Widerspruch geprägt: Sie verfügt über e... more Die Lage der Partei DIE LINKE ist durch einen schreienden Widerspruch geprägt: Sie verfügt über ein starkes Potenzial und ist doch schwach. Das Potenzial der Partei DIE LINKE liegt bei knapp einem Fünftel der Wahlbevölkerung. Sie hat in den letzten zehn Jahren 30.000 neue, vornehmlich junge Mitglieder gewonnen. Ihre sozialen Forderungen wie die, den Pflegenotstand zu beenden und Krankenhäuser gemeinnützig auszurichten, die Mieten bezahlbar zu machen, eine Mindestrente von 1.200 Euro einzuführen und den öffentlichen Nah- und Fernverkehr im Rahmen neuer Mobilitätskonzepte zu fördern, werden breit unterstützt.
Die Suche nach Alternativen zum Kapitalismus ist für mehr als ein Drittel der Bevölkerung wichtig. Trotzdem haben sich viele, die DIE LINKE in der Vergangenheit gewählt haben, von ihr abgewandt. DIE LINKE ist in wesentlichen Teilen der Gesellschaft kaum oder nicht präsent. In den zentralen Fragen der letzten Jahre (Migration, Klima, Corona) war DIE LINKE vielstimmig, uneindeutig und damit uninteressant für die Bürger*innen. Die Verluste bei Wahlen betreffen alle linken Wählergruppen. Je länger dies so ist, umso wahrscheinlicher wird ihr völliger Niedergang. Der Widerspruch zwischen dem vorhandenen Potenzial für eine linke sozialistische Partei und der realen Kraft der Partei DIE LINKE stellt ihre Existenz infrage.
Im Weiteren werden zehn Herausforderungen skizziert, denen sich DIE LINKE bei ihrem Erneuerungsprozess stellen muss, will sie die Kluft zwischen dem realen Potenzial einer linkssozialistischen Kraft in Deutschland und der Umsetzung dieses Potenzials in Gestaltungsmacht schließen.
Mitglieder der Arbeitsgruppe: Dagmar Enkelmann, Heinz Bierbaum, Michael Brie, Mario Candeias, Richard Detje, Sophie Dieckmann, Heinz Hillebrand, Moritz Warnke
Wir danken Lia Becker, Joachim Bischoff, Janis Ehling, Thomas Goes, Cornelia Hildebrandt, Horst Kahrs, Bernhard Müller, Rhonda Koch, Hendrik Sander, Gerd Siebecke, Harald Wolf und anderen für Hinweise und Anregungen.
Inflation und Energiepreiskrise haben die soziale Frage zurück in die öffentliche Debatte gebrach... more Inflation und Energiepreiskrise haben die soziale Frage zurück in die öffentliche Debatte gebracht.
Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) muss sich nach eigener Einschätzung aufgrund der stark gestiegenen Preise für Energie und Lebensmittel bereits jetzt finanziell stark einschränken, im Osten Deutschlands sind es sogar 58 Prozent. Rund 15 Prozent der Befragten sehen sich als von Armut betroffen, davon deutlich mehr im Osten (27 Prozent) als im Westen (12 Prozent) der Republik sowie mehr Frauen (17 Prozent) als Männer (13 Prozent).
Daraus erwächst eine im Vergleich zu früheren Befragungen höhere Zustimmung zu der politischen Forderung, hohe Vermögen sowie Krisen und Kriegsgewinne großer Konzerne stärker zu besteuern und mit diesen Zusatzeinnahmen insbesondere bessere staatliche Sozialleistungen zu finanzieren.
Fast drei Viertel der Befragten (73 Prozent) sprechen sich für die Einführung einer Vermögenssteuer aus (nur 26 Prozent sind dagegen).
85 Prozent aller Befragten befürworten die Einführung einer Übergewinnsteuer (nur 12 Prozent sind dagegen). Dieser Wert ist im Vergleich zu einer repräsentativen Umfrage im August 2022 noch einmal deutlich gestiegen. Damals antworteten 72 Prozent auf die Frage: «Was halten Sie von dem Vorschlag einer sogenannten Übergewinnsteuer, die Unternehmen, die von der Marktentwicklung in der gegenwärtigen Krise stark profitieren, stärker besteuert?», dass sie dafür seien, 21 Prozent sprachen sich dagegen aus.
Dem Vorhaben, mit zusätzlichen Kreditaufnahmen vonseiten des Staates höhere Sozialleistungen und Investitionen in Krankenhäuser, Schulen, bezahlbaren Wohnraum etc. zu ermöglichen, stimmten 52 Prozent der Befragten zu (44 Prozent sind dagegen).
Die Antworten auf die Frage, was mit zusätzlichen Steuermitteln finanziert werden sollte, zeigen folgende Prioritäten: An erster Stelle werden Investitionen in Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Schulen und Kitas sowie deren Ausstattung mit ausreichend Personal genannt (jeweils 99 Prozent Zustimmung). Auf dem zweiten Platz folgen bezahlbarer Wohnraum, mehr Sozialwohnungen sowie der Ausbau des öffentlichen Nah- und Regionalverkehrs (jeweils 94 Prozent Zustimmung). Auf dem dritten Platz findet sich vergünstigter Bezug von Energie zur Abdeckung des Grundbedarfs von Privathaushalten (89 Prozent Zustimmung), gefolgt vom schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien (87 Prozent Zustimmung).
Gefragt nach einer Priorisierung von maximal zwei Forderungen, differenziert sich das Bild deutlicher: Mit Abstand werden eine gute Personalausstattung und Investitionen in Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen (71 Prozent Zustimmung) sowie Schulen und Kitas (65 Prozent Zustimmung) als besonders wichtig betrachtet.
Dass die Daseinsvorsorge in Form der Bereitstellung von Krankenhäusern, der Wasser- oder Energieversorgung nicht von privaten Unternehmen übernommen werden soll, sondern eine Aufgabe der öffentlichen Hand ist, dem stimmen 85 Prozent aller Befragten zu. Nur 12 Prozent sind anderer Meinung.
Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zum Wähler*innenpotenzial der LINKEN:
- Potenzial der ... more Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zum Wähler*innenpotenzial der LINKEN: - Potenzial der LINKEN noch immer bei 18 Prozent, also fast einem Fünftel der Wahlberechtigten. Das entspräche etwa 10,8 Millionen Wahlberechtigten, die sich vorstellen können, DIE LINKE zu wählen – und dies nicht nur in Städten und im urbanen Raum, sondern auch in kleineren Orten mit 5.000 bis 20.000 Einwohner*innen. Ihr höchstes Potenzial hat DIE LINKE weiter bei Personen mit niedrigem Einkommen: Leben sie in Haushalten mit einem Nettomonatseinkommen bis 1.500 Euro, sind es 22 Prozent, bei Haushalten mit einem Einkommen bis 2.500 Euro sind es 24 Prozent. - Ausschlaggebend für eine mögliche Wahl der LINKEN sind die folgenden Zuschreibungen: das «hohe soziale Engagement» der Partei und ihr «Einsatz für soziale Gerechtigkeit» (31 %). Ein weiterer wichtiger Grund für die Wahl (mit einigem Abstand zum sozialen Engagement) sind «gute Konzepte». «Gute Politiker*innen» folgt erst auf Platz drei. DIE LINKE gilt also weiterhin als eine Partei der (sozialen) Praxis und wird für ihre spezifische programmatische Ausrichtung geschätzt. - Maßnahmen zur Verringerung der Einkommens- und Vermögensungleichheit in Deutschland betrachten potenzielle Wähler*innen der LINKEN (quer durch alle Einkommens- und Altersklassen) auffällig häufig als eher wichtig oder sehr wichtig. - Fast ebenso wichtig sind potenziellen Wähler*innen der LINKEN Maßnahmen zum Schutz des Klimas in Verbindung mit einem sozialen Ausgleich. Am stärksten werden solche sozial-ökologischen Forderungen erneut von Geringverdiener*innen mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von bis zu 1.500 Euro befürwortet. Es ist also nicht so, dass die sozial-ökologische Transformation eine Frage der urbanen Mittelschichten mit guten Einkommen (sog. Besserverdienende) wäre, sondern eine Klassenfrage, die von den Ärmsten auch als solche betrachtet wird. Debatten, Forderungen, Programmpunkte und Projekte, die die ökologische mit der sozialen Frage verbinden, können also potenziell mehr leisten, um Wähler*innen zu binden.
Eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent der potenziellen Wähler*innen der LINKEN wünscht sich demnach von der Partei, sie solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz als gleichrangige Herausforderungen behandeln (und dies unabhängig von der Größe ihres Wohnorts). Der Forderung, angesichts der ökologischen Krise der Klimapolitik einen Vorrang einzuräumen, stimmten nur 8 Prozent zu (mit 19 % sind es vor allem die 50- bis 59-Jährigen, die dies befürworten, sowie mit 21 % diejenigen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.500 Euro). 24 Prozent wünschen sich von der Partei, sie solle sich vor allem für soziale Reformen einsetzen. Es spricht also viel dafür, systematischer an der Entwicklung und Darstellung verbindender Positionen zu arbeiten. Maßnahmen gegen den Klimawandel werden stärker von denjenigen unterstützt, die Gewerkschaften angehören. Der Position, die Partei solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz gleichrangig voranbringen, also das Soziale und das Ökologische systematisch miteinander verbinden, stimmten Gewerkschaftsmitglieder mit 65 Prozent zu (gegenüber 60 % der Nicht-Mitglieder). - Dass DIE LINKE für mehr Sozialismus eintreten soll, dem stimmen 54 Prozent der potenziellen Wähler*innen zu, und dies quer zu den Einkommensklassen. Vor allem Frauen unterstützen diese Ausrichtung mit 63 Prozent. Je jünger die Befragten sind, desto häufiger stimmen sie dieser Forderung zu (bei den U40: 71 %). Dass DIE LINKE stärker für eine Alternative zum Kapitalismus eintreten soll, dafür sprechen sich Gewerkschafter* innen mit 76 Prozent viel deutlicher aus als Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. Bei der Forderung nach mehr Sozialismus ist das Verhältnis 62 zu 53 Prozent.
Fazit: Es ist also durchaus ein stabiles Potenzial für eine sozial-ökologisch ausgerichtete linke Partei mit sozialistischer Perspektive vorhanden, entsprechende Konzepte und Kampagnen vorausgesetzt. Die Ausschöpfung dieses Potenzials gelingt bisher nicht. Damit dies möglich wird, müssen zunächst die parteiinternen Probleme gelöst und die harten internen Auseinandersetzungen befriedet werden. Nur so können Ausstrahlungskraft und Glaubwürdigkeit gemeinsam zurückgewonnen werden.
Thesen zum Ende des Interregnums und warum es gerade jetzt einen Neustart der LINKEN braucht.
The... more Thesen zum Ende des Interregnums und warum es gerade jetzt einen Neustart der LINKEN braucht. These 1: Wir leben in keiner offenen gesellschaftlichen Situation mehr. Die Entwicklungspfade sind umkämpft, aber viele Alternativen bereits verunmöglicht und Wege verschlossen.
repräsentative Umfrage zeigt Unterschiede zwischen der Partei DIE LINKE und BSW: Das Wähler*inne... more repräsentative Umfrage zeigt Unterschiede zwischen der Partei DIE LINKE und BSW: Das Wähler*innenpotenzial der Partei DIE LINKE liegt derzeit bei 15 Prozent. Vor allem im Osten der Republik ist es stabil und hoch. Vor allem junge Menschen und Menschen mit geringem Einkommen können sich vorstellen, DIE LINKE zu wählen. Die Werte für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erscheinen dagegen überschätzt. Insbesondere Anhänger von AfD und FDP könnten sich vorstellen eine Wagenknecht-Partei zu wählen. Vor allem aber überschneiden sich die Potenziale der beiden Parteien geringer als erwartet.
Silver, Beverly J. (2003): Forces of Labour. Workers' Movements and Globalization since 1870 ... more Silver, Beverly J. (2003): Forces of Labour. Workers' Movements and Globalization since 1870 Cambridge University Press 2003, 238 pages, 25,90 euro, ISBN 0 521 52077 0 [deutsch: Forces of Labour. Arbeiterbewegungen und Globalisierung seit 1870. Assoziation A, Berlin-Hamburg 2005, 284 Seiten, 18,00 euro, ISBN 3-935936-32-X] ,,While labor has been weakened in the locations from which productive capital emigrated, new working classes have been created and strengthened in the favoured new sites of investment." (p. 5) Against a fashionable farewell to the working class in a process of race-to-the-bottom-globalization Beverly Silver points out, that working classes (in plural) will continue to play an important part in shaping the social order of the 21st century. In the face of a never known global expansion of labor relations the so-called end of work turns out to be a narrow-minded euro-centerism. Therefore, due to her her world systems approach inspired by Wallerstein and Arrighi, Silver enhances the analytical perspective in time (going back to the 19th century) and in space (taking the different working classes in the global division of labor as interrelated) in order to grasp possible futures of labor movements. Here class is not just an object of economic processes, Silver's emphasis is rather on working class activity than corporate or IMF misdeeds, on resistance rather than victimization. She looks at the rise and decline of labor unrest in different locations, industries and over time and her empirical data points out, that class struggle pushes and is pulled dialectically by capital's outward trajectory. Moreover the making, unmaking and remaking of the working class shapes the form of capitalism as a world system. The measuring rod for labor unrest is a database compiled by the World Labor Group at the Fernand Braudel Center in Binghamton/New York, with which Silver worked closely. They identified every mention of labor unrest in the London Times and in the New York Times since the 1870s. For Silver, labor unrest is rooted in the contradictions of the capitalist mode of production itself: as capital subjects more and more population to discipline and exploitation, commodifying ever more areas of life, labor the >ficticious commodity For the concrete analysis of key industries in history, Silver differenciates (with E.O. Wright) two forms of workers' bargaining power: ,,Associational power" comes from the formation of collective organisations, unions and parties. In contrast, ,,structural power" is divided in two subtypes, ,,marketplace bargaining power", the power that results directly from more or less tight labor markets or low unemployment rates, and ,,workplace bargaining power" that consists of the strategic position of a particular group of workers within the production process (p. 13). An important factor is, how these forms of power are shaped by what she calls ,,boundary drawing" and specific social compacts (p. 20). Workers' power may be used exclusive, only for specific groups of workers, or inclusive, even crossing class borders, linking to other social groups. …
PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft
Im Interview erzählt Alex Demirovic von seiner theoretischen und politischen Sozialisation in Fra... more Im Interview erzählt Alex Demirovic von seiner theoretischen und politischen Sozialisation in Frankfurt im Nachgang der Student_innenbewegung und der Kritischen Theorie: Er berichtet von seiner Althusser- und Poulantzas-Lektüre der 1970er-Jahre, ebenso wie vom revolutionären Umfeld, vom Versuch der Gründung einer linkssozialistischen Partei und von den Anfängen der Grünen.
2 Systemic crisis or business as usual: Analyses of the current crisis oscillate between these tw... more 2 Systemic crisis or business as usual: Analyses of the current crisis oscillate between these two poles. But neither is capitalism as such in crisis, nor can the form of capitalist development of the past thirty years simply be carried on. The specific form of the transnational information technological mode of production and life under neoliberal hegemony has fallen into a structural or organic crisis. We are at the beginning of a new transformation of capitalism. The form it takes will be at issue in the struggle of the coming years. How, in view of the unfavourable power relations, is the goal of socialist transformation in the sense of Rosa Luxemburg’s concept of revolutionary pragmatism, to be pursued? In other words, “what is to be done? ” (Lenin) – and “who the hell is going to do it? ” (Harvey 2009)? Transformations as passive revolutions Nothing will stay the way it is. Transformation for the last 150 years has meant: a passive revolution of the modes of production and the...
Die Lage der Partei DIE LINKE ist durch einen schreienden Widerspruch geprägt: Sie verfügt über e... more Die Lage der Partei DIE LINKE ist durch einen schreienden Widerspruch geprägt: Sie verfügt über ein starkes Potenzial und ist doch schwach. Das Potenzial der Partei DIE LINKE liegt bei knapp einem Fünftel der Wahlbevölkerung. Sie hat in den letzten zehn Jahren 30.000 neue, vornehmlich junge Mitglieder gewonnen. Ihre sozialen Forderungen wie die, den Pflegenotstand zu beenden und Krankenhäuser gemeinnützig auszurichten, die Mieten bezahlbar zu machen, eine Mindestrente von 1.200 Euro einzuführen und den öffentlichen Nah- und Fernverkehr im Rahmen neuer Mobilitätskonzepte zu fördern, werden breit unterstützt.
Die Suche nach Alternativen zum Kapitalismus ist für mehr als ein Drittel der Bevölkerung wichtig. Trotzdem haben sich viele, die DIE LINKE in der Vergangenheit gewählt haben, von ihr abgewandt. DIE LINKE ist in wesentlichen Teilen der Gesellschaft kaum oder nicht präsent. In den zentralen Fragen der letzten Jahre (Migration, Klima, Corona) war DIE LINKE vielstimmig, uneindeutig und damit uninteressant für die Bürger*innen. Die Verluste bei Wahlen betreffen alle linken Wählergruppen. Je länger dies so ist, umso wahrscheinlicher wird ihr völliger Niedergang. Der Widerspruch zwischen dem vorhandenen Potenzial für eine linke sozialistische Partei und der realen Kraft der Partei DIE LINKE stellt ihre Existenz infrage.
Im Weiteren werden zehn Herausforderungen skizziert, denen sich DIE LINKE bei ihrem Erneuerungsprozess stellen muss, will sie die Kluft zwischen dem realen Potenzial einer linkssozialistischen Kraft in Deutschland und der Umsetzung dieses Potenzials in Gestaltungsmacht schließen.
Mitglieder der Arbeitsgruppe: Dagmar Enkelmann, Heinz Bierbaum, Michael Brie, Mario Candeias, Richard Detje, Sophie Dieckmann, Heinz Hillebrand, Moritz Warnke
Für eilige Leser*Innen:
Potenzial der LINKEN noch immer bei 18 Prozent, also fast einem Fünftel ... more Für eilige Leser*Innen:
Potenzial der LINKEN noch immer bei 18 Prozent, also fast einem Fünftel der Wahlberechtigten. Das entspräche etwa 10,8 Millionen Wahlberechtigten, die sich vorstellen können, DIE LINKE zu wählen – und dies nicht nur in Städten und im urbanen Raum, sondern auch in kleineren Orten mit 5.000 bis 20.000 Einwohner*innen. Ihr höchstes Potenzial hat DIE LINKE weiter bei Personen mit niedrigem Einkommen: Leben sie in Haushalten mit einem Nettomonatseinkommen bis 1.500 Euro, sind es 22 Prozent, bei Haushalten mit einem Einkommen bis 2.500 Euro sind es 24 Prozent.
Ausschlaggebend für eine mögliche Wahl der LINKEN sind die folgenden Zuschreibungen: das «hohe soziale Engagement» der Partei und ihr «Einsatz für soziale Gerechtigkeit» (31 %). Ein weiterer wichtiger Grund für die Wahl (mit einigem Abstand zum sozialen Engagement) sind «gute Konzepte». «Gute Politiker*innen» folgt erst auf Platz drei. DIE LINKE gilt also weiterhin als eine Partei der (sozialen) Praxis und wird für ihre spezifische programmatische Ausrichtung geschätzt.
Maßnahmen zur Verringerung der Einkommens- und Vermögensungleichheit in Deutschland betrachten potenzielle Wähler*innen der LINKEN (quer durch alle Einkommens- und Altersklassen) auffällig häufig als eher wichtig oder sehr wichtig.
Fast ebenso wichtig sind potenziellen Wähler*innen der LINKEN Maßnahmen zum Schutz des Klimas in Verbindung mit einem sozialen Ausgleich. Am stärksten werden solche sozial-ökologischen Forderungen erneut von Geringverdiener*innen mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von bis zu 1.500 Euro befürwortet. Es ist also nicht so, dass die sozial-ökologische Transformation eine Frage der urbanen Mittelschichten mit guten Einkommen (sog. Besserverdienende) wäre, sondern eine Klassenfrage, die von den Ärmsten auch als solche betrachtet wird. Debatten, Forderungen, Programmpunkte und Projekte, die die ökologische mit der sozialen Frage verbinden, können also potenziell mehr leisten, um Wähler*innen zu binden.
Eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent der potenziellen Wähler*innen der LINKEN wünscht sich demnach von der Partei, sie solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz als gleichrangige Herausforderungen behandeln (und dies unabhängig von der Größe ihres Wohnorts). Der Forderung, angesichts der ökologischen Krise der Klimapolitik einen Vorrang einzuräumen, stimmten nur 8 Prozent zu (mit 19 % sind es vor allem die 50- bis 59-Jährigen, die dies befürworten, sowie mit 21 % diejenigen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.500 Euro). 24 Prozent wünschen sich von der Partei, sie solle sich vor allem für soziale Reformen einsetzen. Es spricht also viel dafür, systematischer an der Entwicklung und Darstellung verbindender Positionen zu arbeiten. Maßnahmen gegen den Klimawandel werden stärker von denjenigen unterstützt, die Gewerkschaften angehören. Der Position, die Partei solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz gleichrangig voranbringen, also das Soziale und das Ökologische systematisch miteinander verbinden, stimmten Gewerkschaftsmitglieder mit 65 Prozent zu (gegenüber 60 % der Nicht-Mitglieder).
Dass DIE LINKE für mehr Sozialismus eintreten soll, dem stimmen 54 Prozent der potenziellen Wähler*innen zu, und dies quer zu den Einkommensklassen. Vor allem Frauen unterstützen diese Ausrichtung mit 63 Prozent. Je jünger die Befragten sind, desto häufiger stimmen sie dieser Forderung zu (bei den U40: 71 %). Dass DIE LINKE stärker für eine Alternative zum Kapitalismus eintreten soll, dafür sprechen sich Gewerkschafter* innen mit 76 Prozent viel deutlicher aus als Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. Bei der Forderung nach mehr Sozialismus ist das Verhältnis 62 zu 53 Prozent.
Fazit: Es ist also durchaus ein stabiles Potenzial für eine sozial-ökologisch ausgerichtete linke Partei mit sozialistischer Perspektive vorhanden, entsprechende Konzepte und Kampagnen vorausgesetzt. Die Ausschöpfung dieses Potenzials gelingt bisher nicht. Damit dies möglich wird, müssen zunächst die parteiinternen Probleme gelöst und die harten internen Auseinandersetzungen befriedet werden. Nur so können Ausstrahlungskraft und Glaubwürdigkeit gemeinsam zurückgewonnen werden.
Die Spaltung der Subalternen drückt sich immer wieder in der Schwierigkeit aus, gemeinsame Forder... more Die Spaltung der Subalternen drückt sich immer wieder in der Schwierigkeit aus, gemeinsame Forderungen zu entwickeln, die kollektive Handlungsperspektiven öffnen können. Das zeigt sich auch in den Diskussionen um die Zukunft sozialer Absicherung und die Perspektiven des Sozialstaats im 21. Jahrhundert. Was also wären positive Entwürfe, die die Anliegen der vielfältigen Bewegungen des Protests bündeln könnten? Von den zunehmenden Arbeitskämpfen insbesondere im Bereich Pflege und Erziehung über die Mietenproteste, die Anti-Privatisierungs-Bündnisse bis hin zu den neuen antirassistischen Protesten und der Klimabewegung: Wie könnten gemeinsame Forderungen aussehen, die die unterschiedlichen Anliegen einer pluralen Linken und verschiedenen Teilen der Subalternen aufnehmen und sinnvoll miteinander verbinden?
Seit einigen Jahren dreht sich die Debatte – angestoßen von einem Diskussionszusammenhang rund um Joachim Hirsch (2003) und das Frankfurter links-netz (2012) – verstärkt um die Bedeutung sozialer Infrastrukturen als Teil einer postneoliberalen Sozialpolitik. Der Ansatz stellt die sozialen Dienstleistungen in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Transformation.
Wenn die gesellschaftliche Situation so polarisiert ist wie jetzt, ist eine radikale Perspektive ... more Wenn die gesellschaftliche Situation so polarisiert ist wie jetzt, ist eine radikale Perspektive nötig, die vorhandene Kämpfe verbindet und weitertreibt. Ansätze gibt es genug, von der Gesundheitspolitik bis zur Energiewende
Die LINKE muss sich entscheiden: Will sie sich als sozial-konservative Partei in der Defensive ge... more Die LINKE muss sich entscheiden: Will sie sich als sozial-konservative Partei in der Defensive gegen neoliberale Verschlechterungen und gegen die Folgen ökologischer und gesellschaftlicher Modernisierung positionieren oder eine nach vorn gerichtete sozial-ökologische Kraft mit sozialistischer Perspektive sein, das heißt eine Partei der Zukunft?
Unabhängig davon, ob die Umfragen es derzeit hergeben, macht es Sinn, über Erfahrungen des Regier... more Unabhängig davon, ob die Umfragen es derzeit hergeben, macht es Sinn, über Erfahrungen des Regierens zu diskutieren. Ohne kritischen Blick, aber auch ohne Blick auf Gelingendes verschenken wir sonst viel. Nun kennen wir alle zahlreiche Beispiele, in denen linkes Regieren unter sehr ungünstigen Bedingungen nicht oder kaum gelang. Leere Kassen, ungünstige Kräfteverhältnisse in Gesellschaft und Koalitionsregierungen oder auch offene Feindschaften mit übermächtigen Gegnern wie der Troika in Griechenland haben linkes Regieren nahezu verunmöglicht. Das heißt: In Zeiten sattelfester Hegemonie des Neoliberalismus waren die allermeisten Regierungsbeteiligungen von Linken zum Scheitern verurteilt. Die Situation ist heute eine andere. Inzwischen sind die Parteiensysteme überall in heftiger Bewegung, auch bei uns. Innerhalb des herrschenden Machtblocks finden Kämpfe um seine Führung und Zusammensetzung statt, um zukünftige gesellschaftliche Projekte. Die neoliberale Hegemonie ist vorüber, ohne dass etwas Neues etabliert werden konnte. In solchen Zeiten entstehen Verschiebungen und Spielräume – freilich können diese auch wieder verschwinden.
Manchmal wiederum hatten linke Parteien kaum eine Wahl, als sich an der Regierung zu beteiligen: ob nun 1996 mit dem L’Ulivo-Bündnis zur Verhinderung einer zweiten Regierung Berlusconi in Italien oder zur Beendigung der korrupten CDU-Regierung in Berlin. Allerdings waren die Folgen für die Linke fatal. In Berlin entfremdete die rot-rote Koalition (2002 bis 2011) die Partei DIE LINKE auf Jahre von vielen Wähler*innen und sozialen Bewegungen, in Italien zerstörte und zersplitterte die Regierungsbeteiligung die Linke, die sich bis heute nicht davon erholt hat.
Es gibt jedoch auch Beispiele für eine gelungene Zusammenarbeit aus jüngerer Zeit, darunter Portugal mit einem Tolerierungsmodell auf Vertragsgrundlage (vgl. Candeias 2017). Auch mit der zweiten Regierungsbeteiligung der LINKEN in Berlin sind einige positive Erfahrungen verbunden. Auch wenn das Berliner Beispiel nicht überstrapaziert werden darf, zeigt sich hier grundsätzlich, dass es geht, dass die gesellschaftliche und die Parteilinke in der Lage sind, zu lernen und durch eine effektive Arbeitsteilung gemeinsam Erfolge zu erringen.
Trotz erheblicher Erfolge sowohl im Parteiaufbau, der Organisierung, erstarkter sozialer Bewegung... more Trotz erheblicher Erfolge sowohl im Parteiaufbau, der Organisierung, erstarkter sozialer Bewegungen (Fridays for Future, Mietenbewegung, Black Lives Matter, Anti-Polizeigesetze etc.) und einer LINKEN als wichtigem Teil und Partner darin sowie einiger “Leuchttürme” linken Regierens (vgl. Candeias 2019) stagniert die LINKE in Umfragen bei sieben Prozent (ca. zwei Prozent weniger als bei den letzten Wahlen). Der Blick auf mögliche Ursachen soll keineswegs vom Einsatz im Wahlkampf ablenken, vielmehr seine Bedeutung noch einmal verdeutlichen. Noch ist nichts entschieden und vieles im Fluss. ... Doch eine solche politische Konstellation kann sich – trotz teilweise guter Arbeit – in eine existenzgefährdende Dynamik übersetzen.
Über eine Million Berliner*innen stimmten für die Vergesellschaftung privater Wohnungskonzerne. M... more Über eine Million Berliner*innen stimmten für die Vergesellschaftung privater Wohnungskonzerne. Mit diesem fulminanten Sieg des Volksentscheids "Deutsche Wohnen & Co enteignen" hat sich die Konstellation gedreht, der Raum des politisch Sagbaren wurde verschoben. Das Projekt der Vergesellschaftung kann und sollte im Sinne einer Gemeinwirtschaft (Bandt/Schneider 2020) oder eines Infrastruktursozialismus (Candeias u. a. 2020) als verbindende Perspektive dienen. Es gibt den Auseinandersetzungen um die Krankenhaus- und Pflegekonzerne, um die Sicherung privater Daten und digitaler Infrastrukturen, um die Mobilitäts- und Energiewende, die Wohnraumversorgung und eine neue Bodenpolitik einen frischen und nützlichen Impuls. Eine breit angelegte Vergesellschaftungsinitiative könnte die vielen kleinen und großen Kämpfe zusammenführen. Das gemeinsame Ziel: eine öffentliche, gemeinwohlorientierte und demokratisierte Ökonomie, die für alle und auch für unseren Planeten funktioniert.
2. Auflage mit aktualisiertem Vorwort.
Die Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 hat die Analy... more 2. Auflage mit aktualisiertem Vorwort. Die Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 hat die Analyse bestätigt. Der Neoliberalismus gerät an seine Grenzen, und der Staat muss den Kapitalismus retten. Ökonomische, ökologische, soziale und politische Krise verdichten sich zur organischen Krise. Nun wird um »postneoliberale« Projekte gerungen, z.B. um einen Green New Deal. Zum Inhalt: Krise des Fordismus? Postfordismus? Längst passé! Unter neoliberaler Hegemonie hat sich transnational eine neue Produktions- und Lebensweise etabliert. Neoliberale Ideologieproduktion fungiert dabei als organisierendes Element einer krisenhaften Transformation gesellschaftlicher Verhältnisse. Der geschichtliche Block des Neoliberalismus kann sich trotz seiner antisozialen Politik auf aktive und passive Zustimmung stützen, weil er Interessen subordinierter Gruppen aufnimmt, ihre Ziele allerdings verrückt. Seine schmalere gesellschaftliche Basis und geringere Kohärenz verleiht zugleich dem Zwang größere Bedeutung, macht Krieg und Gewalt notwendig, um Krisen zu bändigen. Die Bearbeitung gesellschaftlicher Widersprüche erfolgt dabei durch die Reartikulation des herrschenden Projektes vom konservativ-liberalen über den sozialdemokratischen zum autoritären Neoliberalismus. Doch letztlich produziert die Verdichtung von Widersprüchen Risse in der hegemonialen Apparatur, die Andeutungen eines »Postneoliberalismus« sichtbar werden lassen. Für einen embryonalen anti-hegemonialen Block ist die Analyse der Bedingungen neoliberaler Hegemonie daher unverzichtbar. Vor diesem Hintergrund wird mit Marx und Gramsci die Regulationstheorie kritisch reformuliert, denn die geschichtlichen Prozesse erfordern eine Neubestimmung der theoretischen Begrifflichkeiten – nicht vor der Folie des Alten, sondern ausgehend von der eigenen Qualität und Dynamik des Neuen.
«Klassen» und «Klassenpolitik» sind mit Wucht in den öffentlichen Diskurs zurückgekehrt. Doch vie... more «Klassen» und «Klassenpolitik» sind mit Wucht in den öffentlichen Diskurs zurückgekehrt. Doch vieles was an klassenanalytischem Erkenntnisfortschritt erreicht worden war, ist heute in Vergessenheit geraten. Daher wird hier eine Auswahl der fort geschrittensten marxistischen, marxistischfeministi schen und praxeologischen Klassentheorien von Karl Marx oder Antonio Gramsci, über E. P. Thomsen, Mariarosa Dalla Costa, Stuart Hall, Lise Vogel, Etienne Balibar, Gayatri Spivak, Paul Willis, Pierre Bourdieu, Frank Deppe, Frigga Haug, Toni Negri, Michael Vester bis zu Ursula Huws usw., präsentiert. Ein Lesebuch zur Klassentheorie.
Do you want socialism and the future? How can we still talk about socialism in these dystopian ti... more Do you want socialism and the future? How can we still talk about socialism in these dystopian times? And how to fall silent upon this? Capitalism is devouring our future—while the crises of our time are literally heating up, it appears that their resolution is all the more absent. Furious ecological destruction, escalating military conflicts, the rise of the radical right as well as the private appropriation of social wealth are putting the future into question. Planetary boundaries and tipping points are already reached, narrowing the temporal horizon for left-wing alternatives. More and more people are realizing that we are running headlong into catastrophe if we do not radically transform the economy and society quickly—Fridays for Future and the global climate strikes symbolize this. Right now, it's easier to imagine the end of the world than an end to capitalism (Frederic Jameson).
Thoroughgoing and radical alternatives (system change) are increasingly being called for—and more often. Young people are beginning to connect the future to a socialist vision, especially in the US and in Great Britain. Socialism is even being fought over again in Germany, where there is a strong anti-communist tradition. What does a SOCIALISM FOR FUTURE, a socio-ecological revolution, a green socialism look like? How does it connect the various desires of the many? What does a policy that creates hope and brings real change look like? What is to be done and where do we begin? Socialism should first of all be obvious, self-evident, a matter of course... but it is also about producing exemplary, concrete social conflicts while lampooning the propertied classes' whine when little is taken from them. And moreover, there are a good many ideas and proposals: The Green New Deal put forward by Alexandria Ocasio-Cortez and Bernie Sanders being the most prominent. The neoliberal mantra "There is no Alternative" was turned into its opposite: There is no longer an alternative to radical transformation. Or according to Véronica Gago: socialism means taking care of the future.
With contributions from: With contribution by Étienne Balibar, Mario Candeias, Alex Demirović, Verónica Gago, Sarah Leonard and Ingar Solty
Lust auf Sozialismus und Zukunft? Wie in diesen dystopischen Zeiten noch von Sozialismus reden? U... more Lust auf Sozialismus und Zukunft? Wie in diesen dystopischen Zeiten noch von Sozialismus reden? Und wie sollte man davon schweigen? Der Kapitalismus frisst Zukunft – während die Krisen unserer Zeit immer brennender werden, scheint ihre Lösung immer unwahrscheinlicher. Rasende ökologische Zerstörung, eskalierende militärische Konflikte und der Aufstieg rechter Kräfte stellen genau wie die private Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums die Zukunft selbst infrage. Dass die planetarischen Grenzen erreicht sind, verengt den zeitlichen Horizont für linke Alternativen. Immer mehr Menschen erkennen, dass eine Katastrophe droht, wenn sich Ökonomie und Gesellschaft nicht radikal verändern – Fridays for Future und die globalen Klimastreiks stehen dafür. Manchmal können wir uns das Ende der Welt besser vorstellen als das Ende des Kapitalismus (Fredric Jameson).
Grundsätzliche Alternativen oder Systemwechsel werden gefordert, immer öfter. Gerade in den USA und Großbritannien wird das von Jüngeren wieder mit der Frage nach einem sozialistischen Projekt verbunden. Und auch in Deutschland wird wieder darüber gestritten. Wie kann ein Socialism for Future, eine sozial-ökologische Revolution, ein grüner Sozialismus aussehen und die Sehnsüchte der Vielen bündeln? Wie sieht eine Politik aus, die Hoffnung macht und Veränderungen bewirkt? Was tun und wo anfangen?
Sozialismus wäre erst einmal das Selbstverständliche …, aber es geht auch darum, gezielt beispielgebende, konkrete gesellschaftliche Konflikte zu produzieren und den Jammer der Besitzendenklasse zu verhöhnen, wenn ihnen mal ein wenig genommen wird. Und mehr natürlich – Ansätze gibt es zahlreiche, der prominenteste der jüngsten Vorschläge ist sicher der Green New Deal von Alexandria Ocasio-Cortez und Bernie Sanders. Das neoliberale Mantra «There is No Alternative» hat sich in sein Gegenteil verkehrt. Zu einer radikalen Veränderung gibt es keine Alternative mehr, oder in Anlehnung an Verónica Gago: Sozialismus heißt für die Zukunft sorgen.
MIT BEITRÄGEN VON: Bernie Sanders, Sarah Leonard, Johanna Bozuwa, Verónica Gago, Étienne Balibar, Ingar Solty, Alex Demirović, Mario Candeias
HERAUSGEBER/ INNEN, Mario Candeias, Barbara Fried, Hannah Schurian
Peter Bescherer / Karen Schierhorn (Hrsg.), Hello Marx. Zwischen "Arbeiterfrage" und sozialer Bewegung heute, 2009
Zusammenfassend: „Von der Struktur, die ihre Geschichte hat, und von der Geschichte, die struktur... more Zusammenfassend: „Von der Struktur, die ihre Geschichte hat, und von der Geschichte, die strukturiert voranschreitet, lässt sich sagen, was Marx in den Grundrissen vom ›Wert als solchem‹ notiert hat: In letzter Instanz sind sie immer Effekt, nie Ursache (MEW 42, 574).“ (Haug 2003b) Im marxschen Sinne existiert keine von den jeweiligen geschichtlichen Bedingungen unabhängige ökonomische Rationalität. Geschichte ist nicht deterministisch – es geht um dauernde Veränderung und Kampf. Eine Analyse der konkreten Entwicklung der kapitalistischen Produktions- und Lebensweise auf Grundlage der unabgeschlossenen marxschen Ansätze – etwa des Übergangs zur transnationalen informationstechnologischen Produktionsweise oder aktuell der Verdichtung von Widersprüchen zur organischen Krise des Neoliberalismus – ist dabei kein „Selbstzweck“ (Gramsci, Gef.7, 1564), dient dazu Bedingungen gesellschaftlicher Handlungsfähigkeit zu erkunden, damit von zentraler Bedeutung für die Orientierung politisch eingreifender Praxis im Kampf um Hegemonie.
In Gayatri Chakravorty Spivaks zentra- len Texten wird immer wieder ihr Bezug auf Marx und den Ma... more In Gayatri Chakravorty Spivaks zentra- len Texten wird immer wieder ihr Bezug auf Marx und den Marxismus deutlich. In Teilen der poststrukturalistischen wie der postkolonialen Debatte dominiert häufig eine Abgrenzung von diesen theoretischen Linien – Spivak versucht hier ein produktiveres Verhältnis zu entwickeln: «Marx’ eigene Einsicht in die Grenzen seines Denkens würdigend», immer fragend vorzugehen. Sich leiten zu lassen, von seiner «Gabe, von seinen Fehlern nicht nur beschränkt zu werden, sondern kreativ aus ihnen zu lernen». Spivak rekurriert dabei auf das «gefährliche Supplement»: Für sie bringt Marx «das Unberechenbare ins Spiel, denn wir alle müssen auf alle Zeiten über das Gegebene hinausblicken, in eine nicht enthüllbare Zukunft des Gebrauchs – ‹Poesie aus der Zukunft›», wie es Marx nannte. Zugleich unterminiert Marx dabei die Geschichtsschreibung, auch seine eigenen, etwa «durch die Erfahrung und das Studium gescheiterter Revolutionen». So versteht Spivak ihre «marxistischen Arbeiten».
Wie lässt sich der Auf- stieg der radikalen Rechten begreifen, was sind die gesellschaftlichen Ur... more Wie lässt sich der Auf- stieg der radikalen Rechten begreifen, was sind die gesellschaftlichen Ursachen? Die ra- dikale Rechte ist ein allgemeines Phänomen in der Bundesrepublik und weiten Teilen Eu- ropas. Wie kommt das? Die radikale Rechte ist aber auch ein Phänomen, das in bestimmten Klassenfraktionen und Regionen sowie unter Männern auf besonders große Zustimmung stößt. Was ist das jeweils Spezifische? Das zu begreifende Phänomen ist so hetero- gen und dynamisch, dass es sich eindeutigen Erklärungen entzieht. Dennoch wäre es wün- schenswert, das beliebige Nebeneinander von Forschungsansätzen bzw. die gegensei- tige Abgrenzung zu überwinden und das Er- starken der Rechten systematischer vor dem Hintergrund von Transformation und Krise der kapitalistischen Gesellschaften und damit ver- änderter Produktions- und Lebensweisen zu analysieren. Warum konnte das Phänomen gerade jetzt so bedeutsam werden? Zu prü- fen wäre die These von einer verallgemeiner- ten Kultur der Unsicherheit, die verschiedene gesellschaftliche Dimensionen berücksichtigt und diese in einen Zusammenhang mit der or- ganischen Krise des alten neoliberalen Projek- tes stellt: Umbrüche und Verunsicherungen, die die Erwerbsarbeit, die Familie, die Nach- barschaft oder die Region, in der man lebt, be- treffen, aber auch die eigene Geschichte, die eigene Identität, Geschlechterrollen und da- mit verbundene Lebensweisen und Perspek- tiven. Diese Verunsicherung bietet die Grundlage für subjektive Bewältigungsstrategien, die in Zeiten von Prekarisierung, Deklassierung und Entsolidarisierung bei mangelnder Erfahrung solidarischer Praxen von rechts ein Angebot zur Erhaltung und Erweiterung eigener, res- triktiver Handlungsfähigkeit und reaktionä- rer Selbstermächtigung erhalten. Auf dersel- ben Grundlage lässt sich aber auch von links anknüpfen, da bei vielen kein geschlossenes Weltbild vorherrscht, sondern ein bizarres All- tagsbewusstsein, bei dem ganz gegensätzli- che Impulse nebeneinanderstehen. Zwar ist es schwieriger, die Einzelnen für solidarische Praxen zurückzugewinnen, wenn sie sich in ein radikal rechtes Projekt selbst eingeschrie- ben haben, welches gerade versucht, den bizarren Alltagsverstand in eine kohärente rechte Weltauffassung und rassistische Le- bensweise auszuarbeiten. Dennoch wissen viele, dass auch die AfD ihre alltäglichen Pro- bleme nicht wirklich lösen wird, verspüren ein Unbehagen mit den Rechten. Wie also von links anschließen an die Unsicherheit? Wie erreichen wir jene gesellschaftlichen (Teil-)Grup- pen, die sich von der Linken ab- und der radi- kalen Rechten zugewandt haben? Aber auch jene, die keineswegs rechte Einstellungen ver- treten, sich aber von «der Politik» verabschie- det haben? Und wie kann ein Ansatz subjekt- wissenschaftlicher Handlungsforschung in Verbindung mit einer organisierenden Praxis dabei helfen?
The question of class rests at the center of a left-Marxist project. Nonetheless, ›class‹ has not... more The question of class rests at the center of a left-Marxist project. Nonetheless, ›class‹ has not really played much of a role in recent stratecig debates and political prax- ises. The reasons are manyfold: since the 1970s, social democracy has abandoned the question of class in favor of models that assume a diversity of social strata; dis- tancing themselves from an understanding of class reduced to male industrial labor, new social movements have turned to questions of gender relations, the post-co- lonial legacy and ecology; and the ›end of socialism‹ has also done its part. At the same time, social antagonisms have inten- sified in Western industrial countries as a consequence of a financialised capitalism in crisis and declining profit rates. The lat- ter are being ›compensated‹ for by means of flexibilization, downward pressure on wages, and the destruction of public infra- structure, carried out on the backs of the majority of the population. Most recently, the successes on the right – from BREXIT through the Front National and AfD up to the election of Donald Trump in the US – have, in a strange way, put the question of class back on the agenda: legitimate anger on the part of those who feel they are being held back by this system and aren’t being represented has in many places been expressed by a rightward turn. How could critique of the current state of democracy and social inequality be articulated differently? Could left-wing politics by making »class experiences« once again their subject demarcate a clearer difference from ruling elites? Could this help forming a »connecting antagonism« (Candeias) from different perspectives? The answer cannot lie in going ›back‹ to old conceptions of »class struggle«! Collective effort is required to map out a »new class politics« that does not posit identity politics and the social question as antagonistic to each other, but rather overthrows all the relations under which so many suffer. Herein lies a chance to both sharpen emancipatory struggles in terms of class politics and draw the line against their selective integration within neoliberalism, as well as to read feminism, ecology, and anti-racism as integral aspects of »ques- tions of class«, thus (finally) placing them at the center of a left project. How can various parts of the class be connected? How can we read precarious labor in traditionally female vocations as a question of both gender relations and class relations? And how can racism be recognized as a form through which one part of the class is pitted against others? Creating solidarity is complicated, but more urgent than ever! The LuXemburg Magazine has worked on some of these questions. The present brochure assembles a selection of texts on the topic. with: Bernd Riexinger, Anne Steckner, Barbara Fried, Alex Demirović, Volker Woltersdorf, Markus Wissen, Bernd Röttger
Confronted with its most pressing challenge to date, the connective party has failed. Porcaro res... more Confronted with its most pressing challenge to date, the connective party has failed. Porcaro responds to this perceived defeat by calling for a strategic party – one capable of acting quickly and having a mass impact. But how do we both prevent “the unavoidable ‘solitude’ of the strategic decision” from devolving into a “monologue”, while also ensuring that strategic initiative is not lost in the multitude?
Erfolgreiches Scheitern muss organisiert werden. Ein Diskurs des hat-doch-alles-nichts-gebracht w... more Erfolgreiches Scheitern muss organisiert werden. Ein Diskurs des hat-doch-alles-nichts-gebracht war schon nach dem ersten Abflauen von Occupy und Indignad@s dominant und erwies sich als wenig nützlich, voreilig und vor allem falsch. Zugegeben: die Niederlage ist im Falle der griechischen Linksregierung besonders heftig (zumindest für die kurze Geschichte der Linken seit Beginn der jüngsten großen Krise). Doch waren Niederlagen immer auch wichtige Momente der Aufarbeitung, des Lernens, der Reorganisierung. So gesehen war Scheitern schon immer die wichtigste Bewegungsform der Linken. Solche Lerneffekte sind natürlich kein Automatismus. Damit verlorene Kämpfe nicht in Desorganisation und Zersplitterung führen, muss es auch eine verbindende Praxis bei der Aufarbeitung und Reorganisieren geben. Erst Recht, wenn der Kampf noch gar nicht beendet ist, wie im Falle Griechenlands und des europäischen Austeritätsregimes. …Ein Moment der Katharsis, wenn man ihn nutzt.
Very useful is the differentiation of the different forms of strategies of transformation: ruptur... more Very useful is the differentiation of the different forms of strategies of transformation: ruptural, interstitial, and symbiotic ones. But is not enough to point out the differences and celebrate the newly won plurality as a new dogma of post-classist politics in order to avoid false unity. And it is furthermore not enough to lament and analyze fragmentation while once again calling for a unitary project under the same flag, which would once again negate the differences and split off what is supposedly dissident or deviant. In this case, the mosaic’s joints would be plastered over and its margins chipped off. Rather, what is necessary is a productive dealing with multiple fragmentation and differences. So strategy is also about how to combine and integrate these forms concretely.
Europe is no longer what it used to be. The notion of European unification has been dashed to the... more Europe is no longer what it used to be. The notion of European unification has been dashed to the ground. The actually existing project of European unification can hardly still be defended, from a left perspective, without lapsing into sheer illusionism. The call for additional consolidation and democratisation of the EU is not illusionary in the sense of being false, but in that of lacking any possibility of implementation under the given circumstances. In the experience of broad sections of the population, what »more EU« has meant so far has simply been more neoliberal reform. Brexit has shown one thing clearly: the European left has lost large parts of the popular classes – both the »endangered middle« and the precariat –, and this is true not just with regard to a European perspective, but with regard to left perspectives as such. According to Owen Jones (2016), the Brexit vote was »a working-class revolt. It may not have been the working-class revolt against the political establishment that many of us favoured, but it is undeniable that this result was achieved off the back of furious, alienated« white working class voters. This state of affairs, which is not specific to the UK, constitutes an existential problem for the left: if left politics degenerates into the lifestyle choice of a well-educated, urban, cosmopolitan class, then the left will be perceived as merely another established political force, with little to distinguish it from other »elites«. It makes no sense to bank on the consolidation of European integration, given the crisis and the deterioration of the European idea. But to conclude from this that we should strive for a left exit, a Lexit, is no less sensible, and as unrealistic as our call for a social Europe, which we have now been articulating for twenty years. Where a Lexit referendum would be formally possible, we could only win it by joining forces with right-wing populists and racists such as Wilders' Party for Freedom or Le Pen's National Front. This would be a poisoned cooperation, not only because it would be extremely difficult for us to set ourselves apart from the right, but also because as a rule, it is the right that benefits from such arrangements, whereas the left is berated and accused, both by middle-class parties and by its own supporters. So what is to be done?
Uploads
Papers by Mario Candeias
Die Suche nach Alternativen zum Kapitalismus ist für mehr als ein Drittel der Bevölkerung wichtig. Trotzdem haben sich viele, die DIE LINKE in der Vergangenheit gewählt haben, von ihr abgewandt. DIE LINKE ist in wesentlichen Teilen der Gesellschaft kaum oder nicht präsent. In den zentralen Fragen der letzten Jahre (Migration, Klima, Corona) war DIE LINKE vielstimmig, uneindeutig und damit uninteressant für die Bürger*innen. Die Verluste bei Wahlen betreffen alle linken Wählergruppen. Je länger dies so ist, umso wahrscheinlicher wird ihr völliger Niedergang. Der Widerspruch zwischen dem vorhandenen Potenzial für eine linke sozialistische Partei und der realen Kraft der Partei DIE LINKE stellt ihre Existenz infrage.
Im Weiteren werden zehn Herausforderungen skizziert, denen sich DIE LINKE bei ihrem Erneuerungsprozess stellen muss, will sie die Kluft zwischen dem realen Potenzial einer linkssozialistischen Kraft in Deutschland und der Umsetzung dieses Potenzials in Gestaltungsmacht schließen.
Mitglieder der Arbeitsgruppe:
Dagmar Enkelmann, Heinz Bierbaum, Michael Brie, Mario Candeias, Richard Detje, Sophie Dieckmann, Heinz Hillebrand, Moritz Warnke
Wir danken Lia Becker, Joachim Bischoff, Janis Ehling, Thomas Goes, Cornelia Hildebrandt, Horst Kahrs, Bernhard Müller, Rhonda Koch, Hendrik Sander, Gerd Siebecke, Harald Wolf und anderen für Hinweise und Anregungen.
Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) muss sich nach eigener Einschätzung aufgrund der stark gestiegenen Preise für Energie und Lebensmittel bereits jetzt finanziell stark einschränken, im Osten Deutschlands sind es sogar 58 Prozent. Rund 15 Prozent der Befragten sehen sich als von Armut betroffen, davon deutlich mehr im Osten (27 Prozent) als im Westen (12 Prozent) der Republik sowie mehr Frauen (17 Prozent) als Männer (13 Prozent).
Daraus erwächst eine im Vergleich zu früheren Befragungen höhere Zustimmung zu der politischen Forderung, hohe Vermögen sowie Krisen und Kriegsgewinne großer Konzerne stärker zu besteuern und mit diesen Zusatzeinnahmen insbesondere bessere staatliche Sozialleistungen zu finanzieren.
Fast drei Viertel der Befragten (73 Prozent) sprechen sich für die Einführung einer Vermögenssteuer aus (nur 26 Prozent sind dagegen).
85 Prozent aller Befragten befürworten die Einführung einer Übergewinnsteuer (nur 12 Prozent sind dagegen). Dieser Wert ist im Vergleich zu einer repräsentativen Umfrage im August 2022 noch einmal deutlich gestiegen. Damals antworteten 72 Prozent auf die Frage: «Was halten Sie von dem Vorschlag einer sogenannten Übergewinnsteuer, die Unternehmen, die von der Marktentwicklung in der gegenwärtigen Krise stark profitieren, stärker besteuert?», dass sie dafür seien, 21 Prozent sprachen sich dagegen aus.
Dem Vorhaben, mit zusätzlichen Kreditaufnahmen vonseiten des Staates höhere Sozialleistungen und Investitionen in Krankenhäuser, Schulen, bezahlbaren Wohnraum etc. zu ermöglichen, stimmten 52 Prozent der Befragten zu (44 Prozent sind dagegen).
Die Antworten auf die Frage, was mit zusätzlichen Steuermitteln finanziert werden sollte, zeigen folgende Prioritäten: An erster Stelle werden Investitionen in Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Schulen und Kitas sowie deren Ausstattung mit ausreichend Personal genannt (jeweils 99 Prozent Zustimmung). Auf dem zweiten Platz folgen bezahlbarer Wohnraum, mehr Sozialwohnungen sowie der Ausbau des öffentlichen Nah- und Regionalverkehrs (jeweils 94 Prozent Zustimmung). Auf dem dritten Platz findet sich vergünstigter Bezug von Energie zur Abdeckung des Grundbedarfs von Privathaushalten (89 Prozent Zustimmung), gefolgt vom schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien (87 Prozent Zustimmung).
Gefragt nach einer Priorisierung von maximal zwei Forderungen, differenziert sich das Bild deutlicher: Mit Abstand werden eine gute Personalausstattung und Investitionen in Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen (71 Prozent Zustimmung) sowie Schulen und Kitas (65 Prozent Zustimmung) als besonders wichtig betrachtet.
Dass die Daseinsvorsorge in Form der Bereitstellung von Krankenhäusern, der Wasser- oder Energieversorgung nicht von privaten Unternehmen übernommen werden soll, sondern eine Aufgabe der öffentlichen Hand ist, dem stimmen 85 Prozent aller Befragten zu. Nur 12 Prozent sind anderer Meinung.
- Potenzial der LINKEN noch immer bei 18 Prozent, also fast einem Fünftel der Wahlberechtigten. Das entspräche etwa 10,8 Millionen Wahlberechtigten, die sich vorstellen können, DIE LINKE zu wählen – und dies nicht nur in Städten und im urbanen Raum, sondern auch in kleineren Orten mit 5.000 bis 20.000 Einwohner*innen. Ihr höchstes Potenzial hat DIE LINKE weiter bei Personen mit niedrigem Einkommen: Leben sie in Haushalten mit einem Nettomonatseinkommen bis 1.500 Euro, sind es 22 Prozent, bei Haushalten mit einem Einkommen bis 2.500 Euro sind es 24 Prozent.
- Ausschlaggebend für eine mögliche Wahl der LINKEN sind die folgenden Zuschreibungen: das «hohe soziale Engagement» der Partei und ihr «Einsatz für soziale Gerechtigkeit» (31 %). Ein weiterer wichtiger Grund für die Wahl (mit einigem Abstand zum sozialen Engagement) sind «gute Konzepte». «Gute Politiker*innen» folgt erst auf Platz drei. DIE LINKE gilt also weiterhin als eine Partei der (sozialen) Praxis und wird für ihre spezifische programmatische Ausrichtung geschätzt.
- Maßnahmen zur Verringerung der Einkommens- und Vermögensungleichheit in Deutschland betrachten potenzielle Wähler*innen der LINKEN (quer durch alle Einkommens- und Altersklassen) auffällig häufig als eher wichtig oder sehr wichtig.
- Fast ebenso wichtig sind potenziellen Wähler*innen der LINKEN Maßnahmen zum Schutz des Klimas in Verbindung mit einem sozialen Ausgleich. Am stärksten werden solche sozial-ökologischen Forderungen erneut von Geringverdiener*innen mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von bis zu 1.500 Euro befürwortet. Es ist also nicht so, dass die sozial-ökologische Transformation eine Frage der urbanen Mittelschichten mit guten Einkommen (sog. Besserverdienende) wäre, sondern eine Klassenfrage, die von den Ärmsten auch als solche betrachtet wird. Debatten, Forderungen, Programmpunkte und Projekte, die die ökologische mit der sozialen Frage verbinden, können also potenziell mehr leisten, um Wähler*innen zu binden.
Eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent der potenziellen Wähler*innen der LINKEN wünscht sich demnach von der Partei, sie solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz als gleichrangige Herausforderungen behandeln (und dies unabhängig von der Größe ihres Wohnorts). Der Forderung, angesichts der ökologischen Krise der Klimapolitik einen Vorrang einzuräumen, stimmten nur 8 Prozent zu (mit 19 % sind es vor allem die 50- bis 59-Jährigen, die dies befürworten, sowie mit 21 % diejenigen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.500 Euro). 24 Prozent wünschen sich von der Partei, sie solle sich vor allem für soziale Reformen einsetzen. Es spricht also viel dafür, systematischer an der Entwicklung und Darstellung verbindender Positionen zu arbeiten. Maßnahmen gegen den Klimawandel werden stärker von denjenigen unterstützt, die Gewerkschaften angehören. Der Position, die Partei solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz gleichrangig voranbringen, also das Soziale und das Ökologische systematisch miteinander verbinden, stimmten Gewerkschaftsmitglieder mit 65 Prozent zu (gegenüber 60 % der Nicht-Mitglieder).
- Dass DIE LINKE für mehr Sozialismus eintreten soll, dem stimmen 54 Prozent der potenziellen Wähler*innen zu, und dies quer zu den Einkommensklassen. Vor allem Frauen unterstützen diese Ausrichtung mit 63 Prozent. Je jünger die Befragten sind, desto häufiger stimmen sie dieser Forderung zu (bei den U40: 71 %). Dass DIE LINKE stärker für eine Alternative zum Kapitalismus eintreten soll, dafür sprechen sich Gewerkschafter* innen mit 76 Prozent viel deutlicher aus als Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. Bei der Forderung nach mehr Sozialismus ist das Verhältnis 62 zu 53 Prozent.
Fazit: Es ist also durchaus ein stabiles Potenzial für eine sozial-ökologisch ausgerichtete linke Partei mit sozialistischer Perspektive vorhanden, entsprechende Konzepte und Kampagnen vorausgesetzt. Die Ausschöpfung dieses Potenzials gelingt bisher nicht. Damit dies möglich wird, müssen zunächst die parteiinternen Probleme gelöst und die harten internen Auseinandersetzungen befriedet werden. Nur so können Ausstrahlungskraft und Glaubwürdigkeit gemeinsam zurückgewonnen werden.
These 1: Wir leben in keiner offenen gesellschaftlichen Situation mehr. Die Entwicklungspfade sind umkämpft, aber viele Alternativen bereits verunmöglicht und Wege verschlossen.
Die Suche nach Alternativen zum Kapitalismus ist für mehr als ein Drittel der Bevölkerung wichtig. Trotzdem haben sich viele, die DIE LINKE in der Vergangenheit gewählt haben, von ihr abgewandt. DIE LINKE ist in wesentlichen Teilen der Gesellschaft kaum oder nicht präsent. In den zentralen Fragen der letzten Jahre (Migration, Klima, Corona) war DIE LINKE vielstimmig, uneindeutig und damit uninteressant für die Bürger*innen. Die Verluste bei Wahlen betreffen alle linken Wählergruppen. Je länger dies so ist, umso wahrscheinlicher wird ihr völliger Niedergang. Der Widerspruch zwischen dem vorhandenen Potenzial für eine linke sozialistische Partei und der realen Kraft der Partei DIE LINKE stellt ihre Existenz infrage.
Im Weiteren werden zehn Herausforderungen skizziert, denen sich DIE LINKE bei ihrem Erneuerungsprozess stellen muss, will sie die Kluft zwischen dem realen Potenzial einer linkssozialistischen Kraft in Deutschland und der Umsetzung dieses Potenzials in Gestaltungsmacht schließen.
Mitglieder der Arbeitsgruppe:
Dagmar Enkelmann, Heinz Bierbaum, Michael Brie, Mario Candeias, Richard Detje, Sophie Dieckmann, Heinz Hillebrand, Moritz Warnke
Potenzial der LINKEN noch immer bei 18 Prozent, also fast einem Fünftel der Wahlberechtigten. Das entspräche etwa 10,8 Millionen Wahlberechtigten, die sich vorstellen können, DIE LINKE zu wählen – und dies nicht nur in Städten und im urbanen Raum, sondern auch in kleineren Orten mit 5.000 bis 20.000 Einwohner*innen. Ihr höchstes Potenzial hat DIE LINKE weiter bei Personen mit niedrigem Einkommen: Leben sie in Haushalten mit einem Nettomonatseinkommen bis 1.500 Euro, sind es 22 Prozent, bei Haushalten mit einem Einkommen bis 2.500 Euro sind es 24 Prozent.
Ausschlaggebend für eine mögliche Wahl der LINKEN sind die folgenden Zuschreibungen: das «hohe soziale Engagement» der Partei und ihr «Einsatz für soziale Gerechtigkeit» (31 %). Ein weiterer wichtiger Grund für die Wahl (mit einigem Abstand zum sozialen Engagement) sind «gute Konzepte». «Gute Politiker*innen» folgt erst auf Platz drei. DIE LINKE gilt also weiterhin als eine Partei der (sozialen) Praxis und wird für ihre spezifische programmatische Ausrichtung geschätzt.
Maßnahmen zur Verringerung der Einkommens- und Vermögensungleichheit in Deutschland betrachten potenzielle Wähler*innen der LINKEN (quer durch alle Einkommens- und Altersklassen) auffällig häufig als eher wichtig oder sehr wichtig.
Fast ebenso wichtig sind potenziellen Wähler*innen der LINKEN Maßnahmen zum Schutz des Klimas in Verbindung mit einem sozialen Ausgleich. Am stärksten werden solche sozial-ökologischen Forderungen erneut von Geringverdiener*innen mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von bis zu 1.500 Euro befürwortet. Es ist also nicht so, dass die sozial-ökologische Transformation eine Frage der urbanen Mittelschichten mit guten Einkommen (sog. Besserverdienende) wäre, sondern eine Klassenfrage, die von den Ärmsten auch als solche betrachtet wird. Debatten, Forderungen, Programmpunkte und Projekte, die die ökologische mit der sozialen Frage verbinden, können also potenziell mehr leisten, um Wähler*innen zu binden.
Eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent der potenziellen Wähler*innen der LINKEN wünscht sich demnach von der Partei, sie solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz als gleichrangige Herausforderungen behandeln (und dies unabhängig von der Größe ihres Wohnorts). Der Forderung, angesichts der ökologischen Krise der Klimapolitik einen Vorrang einzuräumen, stimmten nur 8 Prozent zu (mit 19 % sind es vor allem die 50- bis 59-Jährigen, die dies befürworten, sowie mit 21 % diejenigen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.500 Euro). 24 Prozent wünschen sich von der Partei, sie solle sich vor allem für soziale Reformen einsetzen. Es spricht also viel dafür, systematischer an der Entwicklung und Darstellung verbindender Positionen zu arbeiten. Maßnahmen gegen den Klimawandel werden stärker von denjenigen unterstützt, die Gewerkschaften angehören. Der Position, die Partei solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz gleichrangig voranbringen, also das Soziale und das Ökologische systematisch miteinander verbinden, stimmten Gewerkschaftsmitglieder mit 65 Prozent zu (gegenüber 60 % der Nicht-Mitglieder).
Dass DIE LINKE für mehr Sozialismus eintreten soll, dem stimmen 54 Prozent der potenziellen Wähler*innen zu, und dies quer zu den Einkommensklassen. Vor allem Frauen unterstützen diese Ausrichtung mit 63 Prozent. Je jünger die Befragten sind, desto häufiger stimmen sie dieser Forderung zu (bei den U40: 71 %). Dass DIE LINKE stärker für eine Alternative zum Kapitalismus eintreten soll, dafür sprechen sich Gewerkschafter* innen mit 76 Prozent viel deutlicher aus als Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. Bei der Forderung nach mehr Sozialismus ist das Verhältnis 62 zu 53 Prozent.
Fazit: Es ist also durchaus ein stabiles Potenzial für eine sozial-ökologisch ausgerichtete linke Partei mit sozialistischer Perspektive vorhanden, entsprechende Konzepte und Kampagnen vorausgesetzt. Die Ausschöpfung dieses Potenzials gelingt bisher nicht. Damit dies möglich wird, müssen zunächst die parteiinternen Probleme gelöst und die harten internen Auseinandersetzungen befriedet werden. Nur so können Ausstrahlungskraft und Glaubwürdigkeit gemeinsam zurückgewonnen werden.
Seit einigen Jahren dreht sich die Debatte – angestoßen von einem Diskussionszusammenhang rund um Joachim Hirsch (2003) und das Frankfurter links-netz (2012) – verstärkt um die Bedeutung sozialer Infrastrukturen als Teil einer postneoliberalen Sozialpolitik. Der Ansatz stellt die sozialen Dienstleistungen in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Transformation.
Manchmal wiederum hatten linke Parteien kaum eine Wahl, als sich an der Regierung zu beteiligen: ob nun 1996 mit dem L’Ulivo-Bündnis zur Verhinderung einer zweiten Regierung Berlusconi in Italien oder zur Beendigung der korrupten CDU-Regierung in Berlin. Allerdings waren die Folgen für die Linke fatal. In Berlin entfremdete die rot-rote Koalition (2002 bis 2011) die Partei DIE LINKE auf Jahre von vielen Wähler*innen und sozialen Bewegungen, in Italien zerstörte und zersplitterte die Regierungsbeteiligung die Linke, die sich bis heute nicht davon erholt hat.
Es gibt jedoch auch Beispiele für eine gelungene Zusammenarbeit aus jüngerer Zeit, darunter Portugal mit einem Tolerierungsmodell auf Vertragsgrundlage (vgl. Candeias 2017). Auch mit der zweiten Regierungsbeteiligung der LINKEN in Berlin sind einige positive Erfahrungen verbunden. Auch wenn das Berliner Beispiel nicht überstrapaziert werden darf, zeigt sich hier grundsätzlich, dass es geht, dass die gesellschaftliche und die Parteilinke in der Lage sind, zu lernen und durch eine effektive Arbeitsteilung gemeinsam Erfolge zu erringen.
Die Suche nach Alternativen zum Kapitalismus ist für mehr als ein Drittel der Bevölkerung wichtig. Trotzdem haben sich viele, die DIE LINKE in der Vergangenheit gewählt haben, von ihr abgewandt. DIE LINKE ist in wesentlichen Teilen der Gesellschaft kaum oder nicht präsent. In den zentralen Fragen der letzten Jahre (Migration, Klima, Corona) war DIE LINKE vielstimmig, uneindeutig und damit uninteressant für die Bürger*innen. Die Verluste bei Wahlen betreffen alle linken Wählergruppen. Je länger dies so ist, umso wahrscheinlicher wird ihr völliger Niedergang. Der Widerspruch zwischen dem vorhandenen Potenzial für eine linke sozialistische Partei und der realen Kraft der Partei DIE LINKE stellt ihre Existenz infrage.
Im Weiteren werden zehn Herausforderungen skizziert, denen sich DIE LINKE bei ihrem Erneuerungsprozess stellen muss, will sie die Kluft zwischen dem realen Potenzial einer linkssozialistischen Kraft in Deutschland und der Umsetzung dieses Potenzials in Gestaltungsmacht schließen.
Mitglieder der Arbeitsgruppe:
Dagmar Enkelmann, Heinz Bierbaum, Michael Brie, Mario Candeias, Richard Detje, Sophie Dieckmann, Heinz Hillebrand, Moritz Warnke
Wir danken Lia Becker, Joachim Bischoff, Janis Ehling, Thomas Goes, Cornelia Hildebrandt, Horst Kahrs, Bernhard Müller, Rhonda Koch, Hendrik Sander, Gerd Siebecke, Harald Wolf und anderen für Hinweise und Anregungen.
Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) muss sich nach eigener Einschätzung aufgrund der stark gestiegenen Preise für Energie und Lebensmittel bereits jetzt finanziell stark einschränken, im Osten Deutschlands sind es sogar 58 Prozent. Rund 15 Prozent der Befragten sehen sich als von Armut betroffen, davon deutlich mehr im Osten (27 Prozent) als im Westen (12 Prozent) der Republik sowie mehr Frauen (17 Prozent) als Männer (13 Prozent).
Daraus erwächst eine im Vergleich zu früheren Befragungen höhere Zustimmung zu der politischen Forderung, hohe Vermögen sowie Krisen und Kriegsgewinne großer Konzerne stärker zu besteuern und mit diesen Zusatzeinnahmen insbesondere bessere staatliche Sozialleistungen zu finanzieren.
Fast drei Viertel der Befragten (73 Prozent) sprechen sich für die Einführung einer Vermögenssteuer aus (nur 26 Prozent sind dagegen).
85 Prozent aller Befragten befürworten die Einführung einer Übergewinnsteuer (nur 12 Prozent sind dagegen). Dieser Wert ist im Vergleich zu einer repräsentativen Umfrage im August 2022 noch einmal deutlich gestiegen. Damals antworteten 72 Prozent auf die Frage: «Was halten Sie von dem Vorschlag einer sogenannten Übergewinnsteuer, die Unternehmen, die von der Marktentwicklung in der gegenwärtigen Krise stark profitieren, stärker besteuert?», dass sie dafür seien, 21 Prozent sprachen sich dagegen aus.
Dem Vorhaben, mit zusätzlichen Kreditaufnahmen vonseiten des Staates höhere Sozialleistungen und Investitionen in Krankenhäuser, Schulen, bezahlbaren Wohnraum etc. zu ermöglichen, stimmten 52 Prozent der Befragten zu (44 Prozent sind dagegen).
Die Antworten auf die Frage, was mit zusätzlichen Steuermitteln finanziert werden sollte, zeigen folgende Prioritäten: An erster Stelle werden Investitionen in Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Schulen und Kitas sowie deren Ausstattung mit ausreichend Personal genannt (jeweils 99 Prozent Zustimmung). Auf dem zweiten Platz folgen bezahlbarer Wohnraum, mehr Sozialwohnungen sowie der Ausbau des öffentlichen Nah- und Regionalverkehrs (jeweils 94 Prozent Zustimmung). Auf dem dritten Platz findet sich vergünstigter Bezug von Energie zur Abdeckung des Grundbedarfs von Privathaushalten (89 Prozent Zustimmung), gefolgt vom schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien (87 Prozent Zustimmung).
Gefragt nach einer Priorisierung von maximal zwei Forderungen, differenziert sich das Bild deutlicher: Mit Abstand werden eine gute Personalausstattung und Investitionen in Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen (71 Prozent Zustimmung) sowie Schulen und Kitas (65 Prozent Zustimmung) als besonders wichtig betrachtet.
Dass die Daseinsvorsorge in Form der Bereitstellung von Krankenhäusern, der Wasser- oder Energieversorgung nicht von privaten Unternehmen übernommen werden soll, sondern eine Aufgabe der öffentlichen Hand ist, dem stimmen 85 Prozent aller Befragten zu. Nur 12 Prozent sind anderer Meinung.
- Potenzial der LINKEN noch immer bei 18 Prozent, also fast einem Fünftel der Wahlberechtigten. Das entspräche etwa 10,8 Millionen Wahlberechtigten, die sich vorstellen können, DIE LINKE zu wählen – und dies nicht nur in Städten und im urbanen Raum, sondern auch in kleineren Orten mit 5.000 bis 20.000 Einwohner*innen. Ihr höchstes Potenzial hat DIE LINKE weiter bei Personen mit niedrigem Einkommen: Leben sie in Haushalten mit einem Nettomonatseinkommen bis 1.500 Euro, sind es 22 Prozent, bei Haushalten mit einem Einkommen bis 2.500 Euro sind es 24 Prozent.
- Ausschlaggebend für eine mögliche Wahl der LINKEN sind die folgenden Zuschreibungen: das «hohe soziale Engagement» der Partei und ihr «Einsatz für soziale Gerechtigkeit» (31 %). Ein weiterer wichtiger Grund für die Wahl (mit einigem Abstand zum sozialen Engagement) sind «gute Konzepte». «Gute Politiker*innen» folgt erst auf Platz drei. DIE LINKE gilt also weiterhin als eine Partei der (sozialen) Praxis und wird für ihre spezifische programmatische Ausrichtung geschätzt.
- Maßnahmen zur Verringerung der Einkommens- und Vermögensungleichheit in Deutschland betrachten potenzielle Wähler*innen der LINKEN (quer durch alle Einkommens- und Altersklassen) auffällig häufig als eher wichtig oder sehr wichtig.
- Fast ebenso wichtig sind potenziellen Wähler*innen der LINKEN Maßnahmen zum Schutz des Klimas in Verbindung mit einem sozialen Ausgleich. Am stärksten werden solche sozial-ökologischen Forderungen erneut von Geringverdiener*innen mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von bis zu 1.500 Euro befürwortet. Es ist also nicht so, dass die sozial-ökologische Transformation eine Frage der urbanen Mittelschichten mit guten Einkommen (sog. Besserverdienende) wäre, sondern eine Klassenfrage, die von den Ärmsten auch als solche betrachtet wird. Debatten, Forderungen, Programmpunkte und Projekte, die die ökologische mit der sozialen Frage verbinden, können also potenziell mehr leisten, um Wähler*innen zu binden.
Eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent der potenziellen Wähler*innen der LINKEN wünscht sich demnach von der Partei, sie solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz als gleichrangige Herausforderungen behandeln (und dies unabhängig von der Größe ihres Wohnorts). Der Forderung, angesichts der ökologischen Krise der Klimapolitik einen Vorrang einzuräumen, stimmten nur 8 Prozent zu (mit 19 % sind es vor allem die 50- bis 59-Jährigen, die dies befürworten, sowie mit 21 % diejenigen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.500 Euro). 24 Prozent wünschen sich von der Partei, sie solle sich vor allem für soziale Reformen einsetzen. Es spricht also viel dafür, systematischer an der Entwicklung und Darstellung verbindender Positionen zu arbeiten. Maßnahmen gegen den Klimawandel werden stärker von denjenigen unterstützt, die Gewerkschaften angehören. Der Position, die Partei solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz gleichrangig voranbringen, also das Soziale und das Ökologische systematisch miteinander verbinden, stimmten Gewerkschaftsmitglieder mit 65 Prozent zu (gegenüber 60 % der Nicht-Mitglieder).
- Dass DIE LINKE für mehr Sozialismus eintreten soll, dem stimmen 54 Prozent der potenziellen Wähler*innen zu, und dies quer zu den Einkommensklassen. Vor allem Frauen unterstützen diese Ausrichtung mit 63 Prozent. Je jünger die Befragten sind, desto häufiger stimmen sie dieser Forderung zu (bei den U40: 71 %). Dass DIE LINKE stärker für eine Alternative zum Kapitalismus eintreten soll, dafür sprechen sich Gewerkschafter* innen mit 76 Prozent viel deutlicher aus als Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. Bei der Forderung nach mehr Sozialismus ist das Verhältnis 62 zu 53 Prozent.
Fazit: Es ist also durchaus ein stabiles Potenzial für eine sozial-ökologisch ausgerichtete linke Partei mit sozialistischer Perspektive vorhanden, entsprechende Konzepte und Kampagnen vorausgesetzt. Die Ausschöpfung dieses Potenzials gelingt bisher nicht. Damit dies möglich wird, müssen zunächst die parteiinternen Probleme gelöst und die harten internen Auseinandersetzungen befriedet werden. Nur so können Ausstrahlungskraft und Glaubwürdigkeit gemeinsam zurückgewonnen werden.
These 1: Wir leben in keiner offenen gesellschaftlichen Situation mehr. Die Entwicklungspfade sind umkämpft, aber viele Alternativen bereits verunmöglicht und Wege verschlossen.
Die Suche nach Alternativen zum Kapitalismus ist für mehr als ein Drittel der Bevölkerung wichtig. Trotzdem haben sich viele, die DIE LINKE in der Vergangenheit gewählt haben, von ihr abgewandt. DIE LINKE ist in wesentlichen Teilen der Gesellschaft kaum oder nicht präsent. In den zentralen Fragen der letzten Jahre (Migration, Klima, Corona) war DIE LINKE vielstimmig, uneindeutig und damit uninteressant für die Bürger*innen. Die Verluste bei Wahlen betreffen alle linken Wählergruppen. Je länger dies so ist, umso wahrscheinlicher wird ihr völliger Niedergang. Der Widerspruch zwischen dem vorhandenen Potenzial für eine linke sozialistische Partei und der realen Kraft der Partei DIE LINKE stellt ihre Existenz infrage.
Im Weiteren werden zehn Herausforderungen skizziert, denen sich DIE LINKE bei ihrem Erneuerungsprozess stellen muss, will sie die Kluft zwischen dem realen Potenzial einer linkssozialistischen Kraft in Deutschland und der Umsetzung dieses Potenzials in Gestaltungsmacht schließen.
Mitglieder der Arbeitsgruppe:
Dagmar Enkelmann, Heinz Bierbaum, Michael Brie, Mario Candeias, Richard Detje, Sophie Dieckmann, Heinz Hillebrand, Moritz Warnke
Potenzial der LINKEN noch immer bei 18 Prozent, also fast einem Fünftel der Wahlberechtigten. Das entspräche etwa 10,8 Millionen Wahlberechtigten, die sich vorstellen können, DIE LINKE zu wählen – und dies nicht nur in Städten und im urbanen Raum, sondern auch in kleineren Orten mit 5.000 bis 20.000 Einwohner*innen. Ihr höchstes Potenzial hat DIE LINKE weiter bei Personen mit niedrigem Einkommen: Leben sie in Haushalten mit einem Nettomonatseinkommen bis 1.500 Euro, sind es 22 Prozent, bei Haushalten mit einem Einkommen bis 2.500 Euro sind es 24 Prozent.
Ausschlaggebend für eine mögliche Wahl der LINKEN sind die folgenden Zuschreibungen: das «hohe soziale Engagement» der Partei und ihr «Einsatz für soziale Gerechtigkeit» (31 %). Ein weiterer wichtiger Grund für die Wahl (mit einigem Abstand zum sozialen Engagement) sind «gute Konzepte». «Gute Politiker*innen» folgt erst auf Platz drei. DIE LINKE gilt also weiterhin als eine Partei der (sozialen) Praxis und wird für ihre spezifische programmatische Ausrichtung geschätzt.
Maßnahmen zur Verringerung der Einkommens- und Vermögensungleichheit in Deutschland betrachten potenzielle Wähler*innen der LINKEN (quer durch alle Einkommens- und Altersklassen) auffällig häufig als eher wichtig oder sehr wichtig.
Fast ebenso wichtig sind potenziellen Wähler*innen der LINKEN Maßnahmen zum Schutz des Klimas in Verbindung mit einem sozialen Ausgleich. Am stärksten werden solche sozial-ökologischen Forderungen erneut von Geringverdiener*innen mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von bis zu 1.500 Euro befürwortet. Es ist also nicht so, dass die sozial-ökologische Transformation eine Frage der urbanen Mittelschichten mit guten Einkommen (sog. Besserverdienende) wäre, sondern eine Klassenfrage, die von den Ärmsten auch als solche betrachtet wird. Debatten, Forderungen, Programmpunkte und Projekte, die die ökologische mit der sozialen Frage verbinden, können also potenziell mehr leisten, um Wähler*innen zu binden.
Eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent der potenziellen Wähler*innen der LINKEN wünscht sich demnach von der Partei, sie solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz als gleichrangige Herausforderungen behandeln (und dies unabhängig von der Größe ihres Wohnorts). Der Forderung, angesichts der ökologischen Krise der Klimapolitik einen Vorrang einzuräumen, stimmten nur 8 Prozent zu (mit 19 % sind es vor allem die 50- bis 59-Jährigen, die dies befürworten, sowie mit 21 % diejenigen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.500 Euro). 24 Prozent wünschen sich von der Partei, sie solle sich vor allem für soziale Reformen einsetzen. Es spricht also viel dafür, systematischer an der Entwicklung und Darstellung verbindender Positionen zu arbeiten. Maßnahmen gegen den Klimawandel werden stärker von denjenigen unterstützt, die Gewerkschaften angehören. Der Position, die Partei solle Beschäftigung bzw. gute Arbeit und Klimaschutz gleichrangig voranbringen, also das Soziale und das Ökologische systematisch miteinander verbinden, stimmten Gewerkschaftsmitglieder mit 65 Prozent zu (gegenüber 60 % der Nicht-Mitglieder).
Dass DIE LINKE für mehr Sozialismus eintreten soll, dem stimmen 54 Prozent der potenziellen Wähler*innen zu, und dies quer zu den Einkommensklassen. Vor allem Frauen unterstützen diese Ausrichtung mit 63 Prozent. Je jünger die Befragten sind, desto häufiger stimmen sie dieser Forderung zu (bei den U40: 71 %). Dass DIE LINKE stärker für eine Alternative zum Kapitalismus eintreten soll, dafür sprechen sich Gewerkschafter* innen mit 76 Prozent viel deutlicher aus als Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. Bei der Forderung nach mehr Sozialismus ist das Verhältnis 62 zu 53 Prozent.
Fazit: Es ist also durchaus ein stabiles Potenzial für eine sozial-ökologisch ausgerichtete linke Partei mit sozialistischer Perspektive vorhanden, entsprechende Konzepte und Kampagnen vorausgesetzt. Die Ausschöpfung dieses Potenzials gelingt bisher nicht. Damit dies möglich wird, müssen zunächst die parteiinternen Probleme gelöst und die harten internen Auseinandersetzungen befriedet werden. Nur so können Ausstrahlungskraft und Glaubwürdigkeit gemeinsam zurückgewonnen werden.
Seit einigen Jahren dreht sich die Debatte – angestoßen von einem Diskussionszusammenhang rund um Joachim Hirsch (2003) und das Frankfurter links-netz (2012) – verstärkt um die Bedeutung sozialer Infrastrukturen als Teil einer postneoliberalen Sozialpolitik. Der Ansatz stellt die sozialen Dienstleistungen in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Transformation.
Manchmal wiederum hatten linke Parteien kaum eine Wahl, als sich an der Regierung zu beteiligen: ob nun 1996 mit dem L’Ulivo-Bündnis zur Verhinderung einer zweiten Regierung Berlusconi in Italien oder zur Beendigung der korrupten CDU-Regierung in Berlin. Allerdings waren die Folgen für die Linke fatal. In Berlin entfremdete die rot-rote Koalition (2002 bis 2011) die Partei DIE LINKE auf Jahre von vielen Wähler*innen und sozialen Bewegungen, in Italien zerstörte und zersplitterte die Regierungsbeteiligung die Linke, die sich bis heute nicht davon erholt hat.
Es gibt jedoch auch Beispiele für eine gelungene Zusammenarbeit aus jüngerer Zeit, darunter Portugal mit einem Tolerierungsmodell auf Vertragsgrundlage (vgl. Candeias 2017). Auch mit der zweiten Regierungsbeteiligung der LINKEN in Berlin sind einige positive Erfahrungen verbunden. Auch wenn das Berliner Beispiel nicht überstrapaziert werden darf, zeigt sich hier grundsätzlich, dass es geht, dass die gesellschaftliche und die Parteilinke in der Lage sind, zu lernen und durch eine effektive Arbeitsteilung gemeinsam Erfolge zu erringen.
Die Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 hat die Analyse bestätigt. Der Neoliberalismus gerät an seine Grenzen, und der Staat muss den Kapitalismus retten. Ökonomische, ökologische, soziale und politische Krise verdichten sich zur organischen Krise. Nun wird um »postneoliberale« Projekte gerungen, z.B. um einen Green New Deal. Zum Inhalt: Krise des Fordismus? Postfordismus? Längst passé! Unter neoliberaler Hegemonie hat sich transnational eine neue Produktions- und Lebensweise etabliert. Neoliberale Ideologieproduktion fungiert dabei als organisierendes Element einer krisenhaften Transformation gesellschaftlicher Verhältnisse. Der geschichtliche Block des Neoliberalismus kann sich trotz seiner antisozialen Politik auf aktive und passive Zustimmung stützen, weil er Interessen subordinierter Gruppen aufnimmt, ihre Ziele allerdings verrückt. Seine schmalere gesellschaftliche Basis und geringere Kohärenz verleiht zugleich dem Zwang größere Bedeutung, macht Krieg und Gewalt notwendig, um Krisen zu bändigen. Die Bearbeitung gesellschaftlicher Widersprüche erfolgt dabei durch die Reartikulation des herrschenden Projektes vom konservativ-liberalen über den sozialdemokratischen zum autoritären Neoliberalismus. Doch letztlich produziert die Verdichtung von Widersprüchen Risse in der hegemonialen Apparatur, die Andeutungen eines »Postneoliberalismus« sichtbar werden lassen. Für einen embryonalen anti-hegemonialen Block ist die Analyse der Bedingungen neoliberaler Hegemonie daher unverzichtbar. Vor diesem Hintergrund wird mit Marx und Gramsci die Regulationstheorie kritisch reformuliert, denn die geschichtlichen Prozesse erfordern eine Neubestimmung der theoretischen Begrifflichkeiten – nicht vor der Folie des Alten, sondern ausgehend von der eigenen Qualität und Dynamik des Neuen.
Thoroughgoing and radical alternatives (system change) are increasingly being called for—and more often. Young people are beginning to connect the future to a socialist vision, especially in the US and in Great Britain. Socialism is even being fought over again in Germany, where there is a strong anti-communist tradition. What does a SOCIALISM FOR FUTURE, a socio-ecological revolution, a green socialism look like? How does it connect the various desires of the many? What does a policy that creates hope and brings real change look like? What is to be done and where do we begin? Socialism should first of all be obvious, self-evident, a matter of course... but it is also about producing exemplary, concrete social conflicts while lampooning the propertied classes' whine when little is taken from them. And moreover, there are a good many ideas and proposals: The Green New Deal put forward by Alexandria Ocasio-Cortez and Bernie Sanders being the most prominent. The neoliberal mantra "There is no Alternative" was turned into its opposite: There is no longer an alternative to radical transformation. Or according to Véronica Gago: socialism means taking care of the future.
With contributions from: With contribution by Étienne Balibar, Mario Candeias, Alex Demirović, Verónica Gago, Sarah Leonard and Ingar Solty
Grundsätzliche Alternativen oder Systemwechsel werden gefordert, immer öfter. Gerade in den USA und Großbritannien wird das von Jüngeren wieder mit der Frage nach einem sozialistischen Projekt verbunden. Und auch in Deutschland wird wieder darüber gestritten. Wie kann ein Socialism for Future, eine sozial-ökologische Revolution, ein grüner Sozialismus aussehen und die Sehnsüchte der Vielen bündeln? Wie sieht eine Politik aus, die Hoffnung macht und Veränderungen bewirkt? Was tun und wo anfangen?
Sozialismus wäre erst einmal das Selbstverständliche …, aber es geht auch darum, gezielt beispielgebende, konkrete gesellschaftliche Konflikte zu produzieren und den Jammer der Besitzendenklasse zu verhöhnen, wenn ihnen mal ein wenig genommen wird. Und mehr natürlich – Ansätze gibt es zahlreiche, der prominenteste der jüngsten Vorschläge ist sicher der Green New Deal von Alexandria Ocasio-Cortez und Bernie Sanders. Das neoliberale Mantra «There is No Alternative» hat sich in sein Gegenteil verkehrt. Zu einer radikalen Veränderung gibt es keine Alternative mehr, oder in Anlehnung an Verónica Gago: Sozialismus heißt für die Zukunft sorgen.
MIT BEITRÄGEN VON: Bernie Sanders, Sarah Leonard, Johanna Bozuwa, Verónica Gago, Étienne Balibar, Ingar Solty, Alex Demirović, Mario Candeias
HERAUSGEBER/ INNEN, Mario Candeias, Barbara Fried, Hannah Schurian
Spivak rekurriert dabei auf das «gefährliche Supplement»: Für sie bringt Marx «das Unberechenbare ins Spiel, denn wir alle müssen auf alle Zeiten über das Gegebene hinausblicken, in eine nicht enthüllbare Zukunft des Gebrauchs – ‹Poesie aus der Zukunft›», wie es Marx nannte. Zugleich unterminiert Marx dabei die Geschichtsschreibung, auch seine eigenen, etwa «durch die Erfahrung und das Studium gescheiterter Revolutionen». So versteht Spivak ihre «marxistischen Arbeiten».
Diese Verunsicherung bietet die Grundlage für subjektive Bewältigungsstrategien, die in Zeiten von Prekarisierung, Deklassierung und Entsolidarisierung bei mangelnder Erfahrung solidarischer Praxen von rechts ein Angebot zur Erhaltung und Erweiterung eigener, res- triktiver Handlungsfähigkeit und reaktionä- rer Selbstermächtigung erhalten. Auf dersel- ben Grundlage lässt sich aber auch von links anknüpfen, da bei vielen kein geschlossenes Weltbild vorherrscht, sondern ein bizarres All- tagsbewusstsein, bei dem ganz gegensätzli- che Impulse nebeneinanderstehen. Zwar ist es schwieriger, die Einzelnen für solidarische Praxen zurückzugewinnen, wenn sie sich in ein radikal rechtes Projekt selbst eingeschrie- ben haben, welches gerade versucht, den bizarren Alltagsverstand in eine kohärente rechte Weltauffassung und rassistische Le- bensweise auszuarbeiten. Dennoch wissen viele, dass auch die AfD ihre alltäglichen Pro- bleme nicht wirklich lösen wird, verspüren ein Unbehagen mit den Rechten. Wie also von links anschließen an die Unsicherheit? Wie erreichen wir jene gesellschaftlichen (Teil-)Grup- pen, die sich von der Linken ab- und der radi- kalen Rechten zugewandt haben? Aber auch jene, die keineswegs rechte Einstellungen ver- treten, sich aber von «der Politik» verabschie- det haben? Und wie kann ein Ansatz subjekt- wissenschaftlicher Handlungsforschung in Verbindung mit einer organisierenden Praxis dabei helfen?
How could critique of the current state of democracy and social inequality be articulated differently? Could left-wing politics by making »class experiences« once again their subject demarcate a clearer difference from ruling elites? Could this help forming a »connecting antagonism« (Candeias) from different perspectives?
The answer cannot lie in going ›back‹ to old conceptions of »class struggle«! Collective effort is required to map out a »new class politics« that does not posit identity politics and the social question as antagonistic to each other, but rather overthrows all the relations under which so many suffer. Herein lies a chance to both sharpen emancipatory struggles in terms of class politics and draw the line against their selective integration within neoliberalism, as well as to read feminism, ecology, and anti-racism as integral aspects of »ques- tions of class«, thus (finally) placing them at the center of a left project.
How can various parts of the class be connected? How can we read precarious labor in traditionally female vocations as a question of both gender relations and class relations? And how can racism be recognized as a form through which one part of the class is pitted against others? Creating solidarity is complicated, but more urgent than ever!
The LuXemburg Magazine has worked on some of these questions. The present brochure assembles a selection of texts on the topic.
with: Bernd Riexinger, Anne Steckner, Barbara Fried, Alex Demirović, Volker Woltersdorf, Markus Wissen, Bernd Röttger