Daniela Bohde und Mechthild Fend: Weder Haut noch Fleisch – Das Inkarnat in der Kunstgeschichte,, 2007
Buonamico hat einen Freskenzyklus fast vollendet, der allen gut gefällt -nur das Inkarnat der Fig... more Buonamico hat einen Freskenzyklus fast vollendet, der allen gut gefällt -nur das Inkarnat der Figuren ist zu bleich. Nach Vasari erklärt der Maler den Nonnen, »um diesen Mangel zu beheben, könne man nichts anderes tun, als die Farben mit einem guten Vernaccia-Wein anzurühren. Denn würde man damit die Wangen und das andere Fleisch der Figuren berühren, würden sie rot und sehr lebendig gefärbt«. Buonamico weiß nämlich, dass die Äbtissin einen sehr guten Vernaccia für die Messfeier zurückhält. Die leichtgläubigen Nonnen lassen sich von den Argumenten des Malers überzeugen, so dass er während der ganzen Arbeitszeit besten Vernaccia trinken kann. Den Figuren verleiht er selbstverständlich mit normalen Farben ein frischeres und farbigeres Aussehen. 1 Vasari nimmt hier nicht nur eine der vielen Anekdoten über den schlagfertigen Buonamico Buffalmacco auf, die Boccaccio und Sacchetti in ihren Novellensammlungen überliefert haben, um die Gewitztheit des Malers herauszustellen. Mit dem Dialog zwischen Maler und Nonnen thematisiert er auch die Haut-und Fleischdarstellung in der Kunst der Renaissance und deren Anspruch, lebendige Körper so getreu nachzuahmen, dass Kunst und Natur kaum noch zu unterscheiden sind: Zentrales Motiv von Buffalmaccos Scherz ist der Realitätscharakter des gemalten Fleisches. Auch wenn den Nonnen klar ist, dass es den gemalten Figuren an Farbe fehlt, so glauben sie doch, dass ihnen der Wein die Wangen rot färben wird, ganz wie lebendigen Menschen. Des Weiteren ist aufschlussreich, welche Begriffe Vasari hier wählt. Er spricht Daniela Bohde »Le tinte delle carni« Zur Begrifflichkeit für Haut und Fleisch in italienischen Kunsttraktaten des 15. bis 17. Jahrhunderts
Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft, 2011
Dass die Physiognomik eine große Bedeutung für die Porträtmalerei hatte, ist bekannt. Weniger bek... more Dass die Physiognomik eine große Bedeutung für die Porträtmalerei hatte, ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass sie auch die Methodik der Kunstgeschichte und anderer visueller Wissenschaften prägte. Vice versa haben kunsthistorische Deutungsverfahren die Physiognomik beeinflusst – sei es die Physiognomik Lavaters oder jüngere Varianten wie die Charakterologie oder die Rassenkunde. Die Interdependenz von physiognomischen und kunsthistorischen Methoden zeigt sich besonders deutlich am Stilbegriff. Winckelmann entwickelte seine Vorstellung vom Stil als Ausdruck des Geistes eines Volkes im Rückgriff auf die Physiognomik. Den kunsthistorischen Stilbegriff adaptierten wiederum Lavater und spätere Physiognomen. Diese Verflechtungen kennzeichnen die Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts, vor allem aber der 1920er, 30er und 40er Jahre, als es einerseits ein allgemeines Interesse an der Physiognomik als einer der Sprache überlegenen visuellen Hermeneutik gab und als andererseits rassenphysiogn...
Daniela Bohde und Mechthild Fend: Weder Haut noch Fleisch – Das Inkarnat in der Kunstgeschichte,, 2007
Buonamico hat einen Freskenzyklus fast vollendet, der allen gut gefällt -nur das Inkarnat der Fig... more Buonamico hat einen Freskenzyklus fast vollendet, der allen gut gefällt -nur das Inkarnat der Figuren ist zu bleich. Nach Vasari erklärt der Maler den Nonnen, »um diesen Mangel zu beheben, könne man nichts anderes tun, als die Farben mit einem guten Vernaccia-Wein anzurühren. Denn würde man damit die Wangen und das andere Fleisch der Figuren berühren, würden sie rot und sehr lebendig gefärbt«. Buonamico weiß nämlich, dass die Äbtissin einen sehr guten Vernaccia für die Messfeier zurückhält. Die leichtgläubigen Nonnen lassen sich von den Argumenten des Malers überzeugen, so dass er während der ganzen Arbeitszeit besten Vernaccia trinken kann. Den Figuren verleiht er selbstverständlich mit normalen Farben ein frischeres und farbigeres Aussehen. 1 Vasari nimmt hier nicht nur eine der vielen Anekdoten über den schlagfertigen Buonamico Buffalmacco auf, die Boccaccio und Sacchetti in ihren Novellensammlungen überliefert haben, um die Gewitztheit des Malers herauszustellen. Mit dem Dialog zwischen Maler und Nonnen thematisiert er auch die Haut-und Fleischdarstellung in der Kunst der Renaissance und deren Anspruch, lebendige Körper so getreu nachzuahmen, dass Kunst und Natur kaum noch zu unterscheiden sind: Zentrales Motiv von Buffalmaccos Scherz ist der Realitätscharakter des gemalten Fleisches. Auch wenn den Nonnen klar ist, dass es den gemalten Figuren an Farbe fehlt, so glauben sie doch, dass ihnen der Wein die Wangen rot färben wird, ganz wie lebendigen Menschen. Des Weiteren ist aufschlussreich, welche Begriffe Vasari hier wählt. Er spricht Daniela Bohde »Le tinte delle carni« Zur Begrifflichkeit für Haut und Fleisch in italienischen Kunsttraktaten des 15. bis 17. Jahrhunderts
Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft, 2011
Dass die Physiognomik eine große Bedeutung für die Porträtmalerei hatte, ist bekannt. Weniger bek... more Dass die Physiognomik eine große Bedeutung für die Porträtmalerei hatte, ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass sie auch die Methodik der Kunstgeschichte und anderer visueller Wissenschaften prägte. Vice versa haben kunsthistorische Deutungsverfahren die Physiognomik beeinflusst – sei es die Physiognomik Lavaters oder jüngere Varianten wie die Charakterologie oder die Rassenkunde. Die Interdependenz von physiognomischen und kunsthistorischen Methoden zeigt sich besonders deutlich am Stilbegriff. Winckelmann entwickelte seine Vorstellung vom Stil als Ausdruck des Geistes eines Volkes im Rückgriff auf die Physiognomik. Den kunsthistorischen Stilbegriff adaptierten wiederum Lavater und spätere Physiognomen. Diese Verflechtungen kennzeichnen die Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts, vor allem aber der 1920er, 30er und 40er Jahre, als es einerseits ein allgemeines Interesse an der Physiognomik als einer der Sprache überlegenen visuellen Hermeneutik gab und als andererseits rassenphysiogn...
Session im Rahmen des XXXVI. Deutschen Kunsthistorikertags
gemeinsam mit Prof. Daniela Bohde, Un... more Session im Rahmen des XXXVI. Deutschen Kunsthistorikertags
gemeinsam mit Prof. Daniela Bohde, Universität Stuttgart
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Universität Stuttgart, 2022
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