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Eine eisenzeitliche Siedlung bei Paderborn-Wewer

2015

An der Barkhauser Straße in Paderborn untersuchte die Firma Goldschmidt Archäologie & Denkmalpflege in knapp zwei Monaten einen 7200 m2 großen Ausschnitt einer eisenzeitlichen Siedlung. Der Bereich südlich eines Grabens war bereits durch eine großflächige Abziegelung gestört und enthielt keine archäologisch relevanten Befunde mehr. Insgesamt wurden 209 Befunde und 30 jüngere Störungen dokumentiert (Abb. 1). Dabei handelt es sich um 172 Pfostenlöcher, 35 Gruben, ein Grubenhaus und einen Brunnen. Quellenkritisch ist anzumerken, dass bei der knappen Grabungszeit kein durchgängiger Flächenputz erfolgte und sich damit die Rekonstruktion der Gebäude anhand der nur teilweise dokumentierten Pfostenlöcher erschwert. Zudem erlauben die wenigen geborgenen Funde häufig keine präzisere Datierung der Befunde. Einige Befunde gehören allgemein der jüngeren Eisenzeit an. Zwei Gruben datieren in deren älteren Abschnitt. Ein Grubenhaus wurde erst im fortgeschrittenen 1. Jahrhundert n. Chr. angelegt. Demnach handelt es sich um zwei zeitlich getrennte Siedlungsphasen. Ebenso wie im nördlich anschließenden Areal der Grabung Saatental kann auch hier von einem Hiatus der Besiedlung ausgegangen werden. Eine präzise Datierung innerhalb des Zeitraums von der jüngeren Eisenzeit bis zur frühen Kaiserzeit und damit eine Zuordnung zu einer der beiden Siedlungsphasen ist bei der Mehrzahl der Befunde anhand der spärlichen Funde nicht möglich; auch kommen keine eindeutig in die Phasen Latène C oder D datierbaren Gruben vor. Trotz dieser Einschränkung lassen sich auf dem Areal zwei getrennte Hofareale voneinander abgrenzen und einige Hausgrundrisse rekonstruieren. Im Nordostteil der untersuchten Fläche konnte ein eindeutiges, Nord-Süd-ausgerichtetes Pfostengebäude (Gebäude 1) von 6,50 m Länge und knapp 3 m Breite erfasst werden. Insgesamt sieben von ursprünglich acht Pfostenlöchern wurden erfasst. Die Pfosten haben einen regelmäßigen Abstand zueinander von jeweils 1,80 m bis 2,30 m. Insgesamt acht VierPfosten-Speicher lassen sich auf der östlichen Hofstelle rekonstruieren. Zwei davon sind zweiphasig, ein dritter zeigt zumindest eine Teilerneuerung. Die Speicher sind zwischen 2,00 m x 1,70 m und 4,40 m x 3,60 m groß. Außer einer Grube und der Pfostengrube eines Speichers mit Keramik der jüngeren Eisenzeit lassen sich diese Pfostenlöcher nur allgemein in die jüngere Eisenzeit bzw. in die frühe römische Kaiserzeit datieren. Die hohe Anzahl an Vier-Pfosten-Speichern und das gänzliche Fehlen von Kegelstumpfgruben deuten auf ein verändertes Verhalten beim Lagern des Getreides im Laufe der jüngeren Eisenzeit hin. Das Fehlen dieser Gruben ist auch bei der großflächigen Siedlungsgrabung Saatental zu bemerken, zu der das hier vorliegende Areal eine südliche Fortsetzung darstellt. Auch dort gab es keine Befunde ab Latène C mehr. Kegelstumpfgruben kommen dagegen auf dem Gebiet der späteren Paderborner Altstadt in den Gehöften des 1. Jahrhunderts v. Chr. regelhaft vor, wobei sich insgesamt abzeichnet, dass sie in Ostwestfalen-Lippe ausschließlich für die Zeit Latène C und D1 belegt sind. Die Ausdehnung dieses östlichen eisenzeitlichen Hofareals betrug gut 1200 m2, wobei die Ostgrenze im Grabungsareal nicht erfasst wurde. Am östlichen Rand des Hofes lag ein Brunnen (Befund 216), der anhand der Keramik auch nur grob der Eisenzeit zugeordnet werden kann. Der runde Brunnenschacht maß 1,50 m im Durchmesser und reichte bei einer Tiefe von 1,38 m bis in den anstehenden Kies. Nur wenige Befunde dieser Hofstelle können genauer datiert werden. Ein Befund (Grube 1), der sich etwas weiter nördlich außerhalb des Grabungsareals befand, wurde bei einer baubegleitenden Nachuntersuchung ausgegraben. Die Grube kann noch dem östlichen Hofareal zugerechnet werden und enthielt Keramik (Schalen mit Fingertupfen am Rand, senkrechte Kumpfränder und Standbodengefäße mit breitem sich kreuzendem Ritzdekor) des älteren Abschnittes der jüngeren Eisenzeit (Abb. 2). Ebenfalls in diesen Zeitraum fällt die Grube 198. Zu den Keramikformen aus der Verfüllung gehören ein Standbodengefäß mit 45 AUSGRABUNGEN UND FUNDE Sven Spiong Kreis Paderborn, Regierungsbezirk Detmold Archäologie in Westfalen-Lippe 2012 Eisenzeit Eine eisenzeitliche Siedlung bei Paderborn-Wewer Archäologie in Westfalen-Lippe 2012 AUSGRABUNGEN UND FUNDE 46 breitem sich kreuzendem Ritzdekor, ein nach außen biegender Rand sowie ein flaches Gefäß mit deutlichem Schulterumbruch und nach außen biegender Randlippe. Diese Funde lassen sich hauptsächlich mit Keramik aus Befunden der Stufe Latène B vergleichen. Für die östliche Hofstelle kann somit ein Datierungsansatz etwa ins 4./3. Jahrhundert v. Chr. vorgeschlagen werden. Die westliche Hofstelle lässt sich anhand mehrerer Grubenbefunde der jüngeren vorrömischen Eisenzeit zuordnen, wenn auch konkretere Datierungen für einzelne Gruben nicht möglich sind. Auch hier fehlen eindeutige Belege für Kegelstumpfgruben. In einem Profil wurde zwar ein Befund erfasst, der von der Ausgräberin als eine Kegelstumpfgrube gedeutet wurde (Befund 99). Im Planum ist allerdings kein runder Grundriss zu erkennen und es fehlt zudem ausreichend datierbares Fundmaterial. Von einem Vier-Pfosten-Speicher waren nur drei Pfosten, von drei Sechs-Pfosten-Speichern jeweils nur noch vier Pfosten erhalten. Unter Vorbehalt lässt sich ein 5,20 m langes und knapp 3 m breites Gebäude (Gebäude 2) rekonstruieren. Es liegt am östlichen Rand der Hofstelle und war wie das Gebäude der östlichen Hofstelle Nord-Süd-ausgerichtet, allerdings mit einer leichten Abweichung nach Nordosten. 47 AUSGRABUNGEN UND FUNDE Abb. 2 Keramik der Grube 1 der Nachuntersuchung und des Befundes 198, (Zeichnung: LWL-Archäologie für Westfalen/I. Patkina, O. Heilmann). Archäologie in Westfalen-Lippe 2012 Abb. 1 (linke Seite) Grabungsplan mit datierbaren Befunden und Rekonstruktionsvorschlägen (Grafik: Goldschmidt Archäologie & Denkmalpflege; Überarbeitung: LWL-Archäologie für Westfalen/S. Spiong, O. Heilmann). AUSGRABUNGEN UND FUNDE Unter den Grubenbefunden fällt eine Grube (78) mit ihrer regelmäßig rechteckigen Form auf (Abb. 3, 4). Dieser Befund hat eine ebene Sohle und senkrechte Wände. Er ist 0,16 m tief, 3,80 m lang und 2,20 m breit. An den Schmalseiten befindet sich jeweils mittig ein Pfostenloch von 0,30 m bzw. 0,40 m Tiefe und 0,20 m bzw. 0,35 m Durchmesser. Es handelt sich bei dem Befund um ein einfaches, kleines Grubenhaus. Dieses einzige Grubenhaus der Grabung beinhaltete eindeutig jüngere Keramik (Abb. 5). Unregelmäßig angeordnete dreieckige Einstichornamente, unterrandständige Ösenhenkel, schräg ausgestellte Kumpfränder, nach außen biegende Kumpfränder, innen verdickte und schräg abgestrichene Kumpfränder, innen verdickte Schalenränder (teilweise mit Fingertupfenverzierung) und einziehende RänAbb. 3 Grubenhaus 78 des 1. Jahrhunderts n. Chr. im Planum (Foto: Goldschmidt Archäologie & Denkmalpflege/S. Grohmann-Troll). Archäologie in Westfalen-Lippe 2012 Abb. 4 Grubenhaus 78 des 1. Jahrhunderts n. Chr. im Profil (Foto: Goldschmidt Archäologie & Denkmalpflege/S. Grohmann-Troll). 48 der mit außen leistenartig abgesetztem Randabschluss datieren den Befund in die frühe bzw. ältere Kaiserzeit. Da verdickt facettierte Ränder fehlen, ergibt sich eine Datierung ins fortgeschrittene 1. Jahrhundert n. Chr. Die meisten Befunde der westlichen Hofstelle sind – soweit bestimmbar – sonst eher der jüngeren Eisenzeit zuzurechnen und gehören damit wahrscheinlich wie der östliche Hof der älteren Siedlungsphase an. Völlig unklar bleibt leider die Datierung eines Ost-West-verlaufenden Grabens (19), der südlich der westlichen Hofstelle liegt. Auf dem Gebiet der Paderborner Altstadt kennen wir zwar zwei Hofgräben der jüngeren vorrömischen Eisenzeit, ob dieser Graben zeitlich aber überhaupt zur Siedlung passt, lässt sich mangels Funde nicht mehr klären. Summary Between the excavations Saatental in the north and K 37 in the south, parts of a settlement consisting of two separate farmsteads were uncovered on Barkhauser Straße on the western periphery of the City of Paderborn. Based on the pottery, the vast majority of the features, which belonged to two dwellings and 15 storehouses, could be dated approximately to the 4th/3rd centuries BC. A pit dwelling with two posts dated from the advanced 1st century AD. Samenvatting Aan de Barkhauser Straße, aan de westelijke stadsrand van Paderborn werd, tussen de opgravingen Saatental aan de noordkant en de K 37 aan de zuidkant, een deel van een nederzetting met twee afzonderlijke boerderijarealen opgegraven. Het aardewerk dateert het overgrote deel van de sporen, met twee huisplattegronden en 15 spiekers, in de 4e tot 3e eeuw v. Chr. Een hutkom met twee paalsporen behoort al tot de gevorderde 1e eeuw na Chr. 49 AUSGRABUNGEN UND FUNDE Archäologie in Westfalen-Lippe 2012 Abb. 5 Keramik aus dem Grubenhaus 78 (Zeichnung: LWL-Archäologie für Westfalen/I. Patkina, O. Heilmann). AUSGRABUNGEN UND FUNDE Literatur Manuel Zeiler Eisenzeit Klaus Günter, Schmiedesiedlung der älteren Römischen Kaiserzeit bei Warburg-Daseburg (Münster 1990). – Daniel Bérenger, Zur Chronologie der Vorrömischen Eisenzeit und Römischen Kaiserzeit in Nordost-Westfalen. Bodenaltertümer Westfalens 38 (Mainz 2000). – Georg Eggenstein, Das Siedlungswesen der jüngeren vorrömischen Eisenzeit und der frühen römischen Kaiserzeit im Lippebereich. Bodenaltertümer Westfalens 40 (Mainz 2003). – Bernhard Sicherl, Anmerkungen zu den Kegelstumpfgruben der Eisenzeit. In: Beate Herring/Elke Treude/Michael Zelle (Hrsg.), Römer und Germanen in OstwestfalenLippe. Untersuchungen zu kulturhistorischen Entwicklungen von der Mittellatènezeit bis zur jüngeren römischen Kaiserzeit 1 (Oldenburg 2011) 133 –159. Eine neue eisenzeitliche Höhenbefestigung in Westfalen – der Weilenscheid bei Lennestadt Kreis Olpe, Regierungsbezirk Arnsberg Höhenbefestigungen mit heute noch sichtbaren Wällen sind häufige und prominente Bodendenkmäler des deutschen Mittelgebirgsraumes. Allerdings sind die meisten von ihnen kaum ausreichend archäologisch untersucht, teilweise ist sogar ihre zeitliche Einordnung gänzlich spekulativ. Angesichts der Bedeutung dieser Anlagen für die Siedlungsarchäologie, die Höhenbefestigungen zumeist als Wirtschaftsund Kultzentren interpretiert, ist dieser Forschungsstand problematisch. Umso erfreulicher ist es daher, wenn eine bislang undatierte Höhenbefestigung durch Neufunde endlich zeitlich eingeordnet werden kann. bildet mit ihnen einen von Südwesten nach Nordosten streichenden Höhenzug (Abb. 2). Die exponierte Lage des Weilenscheids erlaubt eine weite Fernsicht bis zur Hohen Bracht bei Lennestadt-Altenhundem im Südosten und zur Höhenbefestigung Borghausen (LennestadtGrevenbrück) im Nordwesten. Die Bergkuppe des Weilenscheids ist von zwei konzentrisch verlaufenden Terrassen umgeben (Abb. 2), eine dritte befindet sich weiter östlich am Bergkamm. Die Breite der Terrassierungen schwankt zwischen 2 m und 7 m und die Höhe der Terrassenkante über der Geländeoberkante zwischen 0,4 m und 1,2 m. Ins- Dies gelang kürzlich für den Weilenscheid, ein ca. 300 m x 150 m großes Bodendenkmal auf einer Bergkuppe mit steilen Bergflanken und Höhen von 440 m bis 481 m ü. NN bei Lennestadt-Elspe und -Grevenbrück (Abb. 1). Die Kuppe überragt die umliegenden Erhebungen und gesamt umfassen die Terrassen eine Fläche von ca. 4,2 ha, allerdings ist der Großteil aufgrund der Steilheit des Geländes für Siedlungsaktivitäten kaum nutzbar. Zudem finden sich periodisch schüttende Quellen erst außerhalb der Terrassen. Archäologie in Westfalen-Lippe 2012 Abb. 1 Der Weilenscheid von Westen (Mitte im Hintergrund) (Foto: LWLArchäologie für Westfalen/H. Menne). 50