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O felix Agrippina nobilis Romanorum Colonia Neue Studien zur Kölner Geschichte – Festschrift für Manfred Groten zum 60. Geburtstag herausgegeben von Andreas Rutz und Tobias Wulf unter redaktioneller Mitarbeit von Alexandra Vullo Eine gemeinsame Veröffentlichung des Kölnischen Geschichtsvereins e.V. und des Instituts für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn, Abteilung für Rheinische Landesgeschichte. sh Einleitung 149 Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln Mitgliederentwicklung, Sozialprofil und Mobilität der Ursulagesellschaft 1606–1791* von Andreas Rutz Der spezifische Anteil von Frauen am Konfessionalisierungsprozess ist in den vergangenen Jahren zunehmend in das Blickfeld der Frühneuzeitforschung gerückt.1 Nimmt man die Zahl der Einträge im jährlich erscheinenden Literaturbericht des Archivs für Reformationsgeschichte als Gradmesser,2 so dürfte allerdings weiterhin das Urteil Claudia Ulbrichs gelten, dass „die frauen- und geschlechterbezogene Reformationsforschung […] erst am Anfang ihrer Möglichkeiten“ steht.3 Entsprechendes lässt sich für den frühneuzeitlichen Katholizismus sagen, zumal die Zahl der einschlägigen Arbeiten hier noch geringer ausfällt.4 Einen Schwerpunkt bilden Untersuchungen zum weiblichen Ordens- und Kongregationswesen, das im Zuge der katho* 1 2 3 4 Der Aufsatz steht im Zusammenhang mit einem im Wintersemester 2004/05 am Institut für Europäische Geschichte Mainz, Abt. für Abendländische Religionsgeschichte, als Postdoc-Projekt begonnenen Forschungsvorhaben zum weiblichen Semireligiosentum in der Frühen Neuzeit. Vgl. in diesem Zusammenhang bereits Andreas R, Semireligiosentum und elementare Mädchenbildung. Zur Unterrichtstätigkeit von Devotessen im frühneuzeitlichen Köln, in: Alwin H / Hans-Ulrich M (Hrsg.), Elementarbildung und Berufsausbildung 1450-1750 (Beiträge zur Historischen Bildungsforschung 31), Köln/Weimar/Wien 2005, S. 247-264; Andreas R, Weibliches Bildungsmäzenatentum in der Frühen Neuzeit. Devotessen als Stifterinnen und Förderinnen des katholischen Schulwesens im Rheinland, in: Jonas F / Christian R (Hrsg.), Bildungsmäzenatentum. Privates Handeln – Bürgersinn – kulturelle Kompetenz seit der Frühen Neuzeit (Beiträge zur Historischen Bildungsforschung 33), Köln/Weimar/Wien 2007, S. 85-105. Vgl. bereits Wolfgang R, Gegenreformation als Modernisierung? Prolegomena zu einer Theorie des konfessionellen Zeitalters, in: Archiv für Reformationsgeschichte 68 (1977), S. 226-253, hier S. 240f. Die Kategorie ‚Gender‘ wurde hier erst 2004 eingeführt, jährlich wurden bislang ca. zehn Titel besprochen, was gemessen an der Gesamtzahl der im Literaturbericht vorgestellten Bücher und Aufsätze verschwindend gering ist; vgl. Archiv für Reformationsgeschichte. Literaturbericht 33-37 (2004-2008). Claudia U, Frauen in der Reformation, in: Nada B L (Hrsg.), Die Frühe Neuzeit in der Geschichtswissenschaft. Forschungstendenzen und Forschungserträge, Paderborn 1997, S. 163177, hier S. 177. Vgl. auch ., Literaturbericht Frauen- und Geschlechtergeschichte, Teil 1: Renaissance, Humanismus und Reformation, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 45 (1994), S. 108-120; Stefan E / Ute L-H, Reformation und konfessionelles Zeitalter (Kontroversen um die Geschichte), Darmstadt 2002, S. 92-99; Ruth A, Am Anfang eines langen Weges. Frauen und Geschlechterforschung in der Kirchengeschichte, in: Irene D (Hrsg.), Feministische Theologie und Gender-Forschung. Bilanz – Perspektiven – Akzente, Leipzig 2003, S. 67-96, hier S. 75-82. Vgl. Anne C, Aufbruch der Laien – Aufbruch der Frauen. Überlegungen zu einer Geschlechtergeschichte der Reformation und katholischen Reform, in: . (Hrsg.), „In Christo ist weder man noch weyb“. Frauen in der Zeit der Reformation und katholischen Reform (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 59), Münster 1999, S. 7-22, hier S. 20; E / LH, Reformation [wie Anm. 3], S. 98, 113. 150 Andreas Rutz lischen Reform eine merkliche Ausweitung und Differenzierung erfuhr. In diesem Kontext untersucht wurden bislang vor allem Verfassung, Spiritualität und Selbstverständnis verschiedener Frauengemeinschaften, ihr Konventsleben sowie ihr Wirken in Seelsorge, Krankenpflege und Schulwesen.5 Als Desiderat anzusprechen sind dagegen Studien, die die Mitglieder dieser Gemeinschaften genauer in den Blick nehmen und nach den Menschen hinter dem Konfessionalisierungsprozess fragen. Dies soll im Folgenden exemplarisch für die Kölner Ursulagesellschaft geschehen. Ausgehend von der Analyse der Mitgliederverzeichnisse werden die personelle Entwicklung der Gemeinschaft, deren Sozialprofil sowie die Mobilität ihrer Mitglieder analysiert. In einer weiteren Perspektive bilden derartige Untersuchungen die Grundlage zur Erforschung lokaler und regionaler ‚Frömmigkeitsnetzwerke‘, das heißt personaler Verflechtungen zwischen gesellschaftlichen Gruppen, die als Protagonisten und Träger von katholischer Reform und Konfessionalisierung vor Ort identifiziert werden können. Solche Verflechtungen ergaben sich im Wesentlichen durch Verwandtschaft, Freundschaft und geistliche Führung (Beichtväter), gegebenenfalls auch durch die gemeinsame Herkunft.6 Zu berücksichtigen sind hier neben den Welt- und Ordensgeistlichen insbesondere die Semireligiosen7 und die große Zahl bruderschaftlich organisierter Laien.8 Diese Gruppen praktizierten spezifisch katholische Formen 5 6 7 8 Vgl. den instruktiven Forschungsbericht von Gisela M, Die Reformation, das Konzil von Trient und die Folgen. Weibliche Orden zwischen Auflösung und Einschließung, in: C, Frauen [wie Anm. 4], S. 172-198; außerdem die einschlägigen Beiträge in Friedhelm J / Regina Elisabeth S (Hrsg.), Orden und Klöster im Zeitalter von Reformation und katholischer Reform 1500-1700 (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 65-67), Münster 2005-2007. Methodische Anregungen können aus der Erforschung frühneuzeitlicher Patronage- und Klientelverhältnisse bezogen werden. Mit Blick auf frühneuzeitliche Führungsgruppen bilden dabei Verwandtschaft, Freundschaft, Landsmannschaft und v.a. Patronage die entscheidenden Faktoren; vgl. Wolfgang R, Freunde und Kreaturen. „Verflechtung“ als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen. Römische Oligarchie um 1600 (Schriften der Philosophischen Fachbereiche der Universität Augsburg 14), München 1982; ., Freunde und Kreaturen. Historische Anthropologie von Patronage-Klientel-Beziehungen, in: Freiburger Universitätsblätter 139 (1998), S. 127-141; Nicole R, „Verflechtung“ – ein Blick zurück nach vorn, in: Peter B u.a. (Hrsg.), Historische Anstöße. Festschrift für Wolfgang Reinhard, Berlin 2002, S. 235-262, insb. S. 236-245. Vgl. als jüngere Fallbeispiele aus dem Bereich der Kloster- und Kirchengeschichte Gudrun G, Personengeschichtliche Verflechtungen. Annäherungen an die (Frauen)Klosterlandschaft Westfalen um 1500, in: Roman C / Heinz-Dieter H / Matthias W (Hrsg.), Klosterlandschaften. Methodisch-exemplarische Annäherungen (Mittelalter-Studien 16), München 2008, S. 87-99; Helmut R, Der Trierer Diözesanklerus im 19. Jahrhundert. Herkunft – Ausbildung – Identität (Rheinisches Archiv 151), Köln/Weimar/Wien 2006, insb. Bd. 1, S. 483-525, Bd. 2, S. 718-752, 980-1000; sowie für Köln im Spätmittelalter jetzt Kerstin S, Freunde und Verwandte. Soziale Beziehungen in einer spätmittelalterlichen Stadt (Campus Historische Studien 49), Frankfurt a. M. 2009. Anne C, Zwischen Kloster und Welt. Ursulinen und Jesuitinnen in der katholischen Reformbewegung des 16./17. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 142), Mainz 1991; ., Semireligiosentum und Laienspiritualität. Perspektiven jesuitischer Frauengemeinschaften in der Frühen Neuzeit, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 27 (2008) [im Druck]; Kaspar E, Vita regularis sine regula. Bedeutung, Rechtsstellung und Selbstverständnis des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Semireligiosentums, in: František Š (Hrsg.), Häresie und vorzeitige Reformation im Spätmittelalter (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 39), München 1998, S. 239-293. Vgl. für Köln und das Rheinland Bernhard S, Bruderschaften im Trierer Land. Ihre Geschichte und ihr Gottesdienst zwischen Tridentinum und Säkularisation (Trierer theologische Studien 48), Trier 1989; Klaus M (Hrsg.), Quellen zur Geschichte der Kölner Laienbruderschaften vom 12. Jahrhundert bis 1562/63 (PGRhGK 71), 2 Bde., Köln 1997; Joachim O, Religiöse Bruderschaften des 18. Jahrhunderts, in: Frank Günter Z (Hrsg.), Hirt und Herde. Religiosität und Frömmigkeit im Rheinland des 18. Jahrhunderts (Der Riss im Himmel. Clemens August und seine Epoche 5), Köln 2000, S. 59-94; Re- Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 151 der Spiritualität und Frömmigkeit.9 Ihre Mitglieder traten zudem als Wohltäter und Stifter auf und finanzierten damit die enorme Vielfalt religiöser Gemeinschaften und Institutionen der katholischen Gegenreformation und des Barock.10 Welche religiösen Gruppierungen die katholische Konfessionalisierung in der Reichsstadt Köln aktiv oder passiv unterstützten, ist bekannt.11 Unklar ist jedoch, aus welchen gesellschaftlichen Schichten und Kreisen sich diese Gemeinschaften rekrutierten, von wem sie unterstützt und gefördert wurden und wie sie untereinander nicht nur institutionell, sondern vor allem personell in Beziehung standen. Die Beantwortung dieser Fragen erschließt den Grad der Integration von Orden und Kongregationen im frühneuzeitlichen Köln und damit die konfessionelle Durchdringung der städtischen Gesellschaft.12 Die langfristige Entwicklung der bekka von M, Struktur und kollektiver Eigensinn. Kölner Laienbruderschaften im Zeitalter der Konfessionalisierung (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 209), Göttingen 2005; sowie zuletzt zusammenfassend Hansgeorg M, Das Erzbistum Köln im Zeitalter der Glaubenskämpfe 1515-1688 (Geschichte des Erzbistums Köln 3), Köln 2008, S. 719-733. 9 Vgl. für Köln und das Rheinland Uta S, Die Stadt als Kultraum. Prozessionen im Köln des 17. Jahrhunderts, in: Klaus Gereon B / Holger B / Achim P (Hrsg.), Kunstgeschichtliche Studien. Hugo Borger zum 70. Geburtstag, Weimar 1995, S. 108-136; M, Struktur [wie Anm. 8], passim; Bridget H, The Cult of the Virgin Mary in Early Modern Germany. Protestant and Catholic Piety 1500-1648, Cambridge u.a. 2007, S. 207-261; M, Erzbistum [wie Anm. 8], S. 733-761; Yuki I, Wallfahrtswesen in Köln vom Spätmittelalter bis zur Aufklärung (VKGV 46), Köln 2009 [im Druck]. 10 Systematische Forschungen fehlen weitgehend; vgl. vorerst Olwen H, The Widow’s Mite and other Strategies. Funding the Catholic Reformation, in: Transactions of the Royal Historical Society, 6. Serie, 8 (1998), S. 117-137; ., Altruism and reciprocity. The Early Jesuits and their Female Patrons, in: Renaissance Studies 15 (2001), S. 328-353; Anne C, Stifterinnen und Lehrerinnen. Der Anteil von Frauen am jesuitischen Bildungswesen, in: Rainer B (Hrsg.), Petrus Canisius SJ (1521-1597). Humanist und Europäer (Erudiri Sapientia. Studien zum Mittelalter und seiner Rezeptionsgeschichte 1), Berlin 2000, S. 206-224; Rebekka von M, Bruderschaften als Auftraggeber von Kunst und Architektur im süddeutsch-österreichischen Raum. Prolegomena zu einem neuen Forschungsfeld, in: Markwart H / Rolf K / Bernd R (Hrsg.), Himmel auf Erden oder Teufelsbauwurm? Wirtschaftliche und soziale Bedingungen des süddeutschen Klosterbarock (Irseer Schriften N.F. 1), Konstanz 2002, S. 119-140; R, Bildungsmäzenatentum [wie Anm. *]. Das spätmittelalterliche Stiftungswesen zugunsten kirchlicher Einrichtungen ist hingegen besser aufgearbeitet; vgl. für Köln und das Rheinland u.a. Gabriele S, Testamente des späten Mittelalters aus dem Mittelrheingebiet. Eine Untersuchung in rechts- und kulturgeschichtlicher Hinsicht (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 27), Mainz 1976; Brigitte K, Zur Ehre Gottes und zum Wohl der Familie. Kölner Testamente von Laien und Klerikern im Spätmittelalter (Kölner Schriften zur Geschichte und Kultur 22), Köln 1995; sowie mit Blick auf Kunststiftungen Wolfgang S, Bürgerschaft, Kirche und Kunst. Stiftungen an die Kölner Kartause (1450-1550), in: Werner S (Hrsg.), Die Kölner Kartause um 1500. Aufsatzband, Köln 1991, S. 390-425; Wolfgang S, Kölner Renaissancekultur im Spiegel der Aufzeichnungen des Hermann Weinsberg (1518-1597) (Veröffentlichungen des Kölnischen Stadtmuseums 8), Köln 1991; ., Stifter und Auftrageber im spätmittelalterlichen Köln (Veröffentlichungen des Kölnischen Stadtmuseums 11), Köln 1994; ., Netzwerk-Analysen. Der Bartholomäusmeister und das soziale Umfeld der Kölner Kartause, in: Rainer B / Roland K (Hrsg.), Genie ohne Namen. Der Meister des Bartholomäus-Altars, Köln 2001, S. 52-64. 11 Vgl. zusammenfassend Franz B, Die katholische Reform in der Stadt Köln, in: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 84 (1989), S. 120-159; ., Köln. Erzstift und Freie Reichsstadt, in: Anton S / Walter Z (Hrsg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500-1650, Bd. 3: Der Nordwesten (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 51), Münster 1991, S. 58-84; M, Erzbistum [wie Anm. 8]. 12 Erste Ansatzpunkte hierfür bietet M, Struktur [wie Anm. 8]. 152 Andreas Rutz Mitgliederzahlen von Bruderschaften und religiösen Gemeinschaften kann darüber hinaus als Indikator für den Erfolg oder Misserfolg katholischer Konfessionalisierung herangezogen werden.13 Die folgenden Ausführungen zu Mitgliederentwicklung, Sozialstruktur und Mobilität der Kölner Ursulagesellschaft stellen einen ersten Baustein zum Verständnis frühneuzeitlicher Frömmigkeitsnetzwerke in der größten Stadt des Reiches dar. 1. Die Kölner Ursulagesellschaft Die Kölner Ursulagesellschaft wurde 1606 von der Witwe Ida Schnabels und neun weiteren Frauen gegründet.14 Wie andere im Zuge der katholischen Reformbewegung seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gegründete Frauenvereinigungen15 arbeitete auch die Kölner Gemeinschaft von Beginn an eng mit den Jesuiten zusammen und bezog aus diesem geistigen Umfeld wichtige Impulse. Hierzu gehörte nicht zuletzt das Engagement der als ‚devotae virgines‘ oder ‚Devotessen‘ bezeichneten Frauen in Katechese und Mädchenbildung. Erstmals nachweisbar ist die katechetische Tätigkeit der Ursulagesellschaft 1622, drei Jahre später wurden den Frauen mehrere von den Jesuiten gegründete Mädchenschulen in der Stadt anvertraut. In der Folge weitete sich das Lehrengagement der Frauen immer weiter aus, und sie bildeten bis an das Ende des Alten Reiches eine wesentliche Stütze dieses Bildungssektors.16 In der Entwicklung der Ursulagesellschaft sind zwei Phasen voneinander zu unterscheiden, was auch für die Analyse der Mitgliederstruktur von Bedeutung ist: Die erste reichte bis 1646 und war von dem Versuch geprägt, eine von männlichen Autoritäten unabhängige religiöse Lebensform für Frauen in der welt nit weltlich17 zu etablieren. Das heißt, man strebte bewusst einen Status zwischen Kloster und Welt an, der die Frauen zwar nicht als Klostergemeinschaft von der Welt isolierte, sie zugleich aber der Welt der Laien enthob. Dieses neuartige, von dem einer traditionellen Bruderschaft abweichende Selbstverständnis zeigt sich in den verschiedenen Neufassungen der Regel der Gemeinschaft bis 1640.18 Charakteristisch war die keusche Lebensweise, an die sich die allein oder in kleinen informellen Gruppen in der Stadt lebenden Frauen mit einem Versprechen, seit 1640 mit einem (fakultativen) Gelübde banden. Darüber hinaus hatte sich schon 1620 durchgesetzt, dass die Oberin der Gesellschaft auf Lebenszeit gewählt und nicht, wie in Bruderschaften üblich, nach kurzer Amtszeit ersetzt wurde. Schließlich 13 14 15 16 17 18 Vgl. M, Struktur [wie Anm. 8], S. 44f. Vgl. zum Folgenden ausführlich C, Kloster [wie Anm. 7], S. 109-165; zusammenfassend ., Die Kölner Ursulagesellschaft und ihr „weltgeistlicher Stand“ – eine weibliche Lebensform im Katholizismus der Frühen Neuzeit, in: Wolfgang R / Heinz S (Hrsg.), Die katholische Konfessionalisierung (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 198), Gütersloh 1995, S. 271-295; Andreas R, Bildung – Konfession – Geschlecht. Religiöse Frauengemeinschaften und die katholische Mädchenbildung im Rheinland (16.-18. Jahrhundert) (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 210), Mainz 2006, S. 191-195. Joseph G, „Jesuitinnen“. Ein Beitrag zur Geschichte des weiblichen Ordenswesens von 1550-1650, in: Erwin I / Konrad R (Hrsg.), Reformata Reformanda. Festgabe für Hubert Jedin zum 17. Juni 1965 (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte. Supplementbd. 1), Bd. 2, Münster 1965, S. 70113; C, Kloster [wie Anm. 7], S. 64f., 107f. und passim; R, Bildung [wie Anm. 14], S. 189-191, 196f. R, Semireligiosentum [wie Anm. *]; ., Bildung [wie Anm. 14], S. 204-206. AEK, Pfarrarchiv Köln, St. Ursula, Best. Stift und Pfarrei St. Ursula, A II 10, S. 59. Vgl. zu den verschiedenen Fassungen der Regel C, Kloster [wie Anm. 7], S. 115-118, 137-169. Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 153 machten die Kölner Devotessen mit einer gemeinsamen Tracht ihre Zugehörigkeit zum geistlichen Stand deutlich. Laut Anne Conrad stellt dieses Konzept eine „originelle Mischform“ dar: „Sowohl aus den Satzungen der Marianischen Kongregationen als auch aus denen der Jesuiten werden eklektisch bestimmte Teile übernommen, so daß der Charakter einer relativ unverbindlichen semireligiosen Vereinigung, wie es die Marianischen Kongregationen waren, grundsätzlich erhalten bleibt, zusätzlich aber in enger Orientierung an den Jesuiten eine gewisse Ordensähnlichkeit – oder besser: eine Ähnlichkeit zum (Regular-)Klerus – erreicht wird, ohne jedoch den Status von eigentlichen ‚Religiosen‘ anzustreben.“19 Längerfristig konnten sich die Devotessen mit dieser autonomen Form weiblichen Semireligiosentums nicht durchsetzen. Das Kölner Generalvikariat und die Gesellschaft Jesu als die bestimmenden geistlichen Kräfte vor Ort erzwangen in den 1640er-Jahren eine Reform und leiteten damit die zweite Phase der Entwicklung der Ursulagesellschaft ein. Mit der im Auftrag des Generalvikariats konzipierten und vom Kölner Erzbischof Ferdinand von Bayern (1612– 1650) approbierten ‚reformierten‘ Regel wurde 1646 – gegen den Willen vieler Mitglieder der Gesellschaft – ein Neuanfang gemacht.20 Sie sah im Gegensatz zur ursprünglichen Konzeption die strikte Unterordnung der Frauen unter die Autorität und Kontrolle der Jesuiten und damit die Reintegration der Ursulagesellschaft in die herkömmlichen kirchlichen Strukturen vor. Die eigentliche Leitung der Gesellschaft wurde von dem als Beichtvater fungierenden Jesuitenpater übernommen und nicht mehr von der Oberin ausgeübt. Deren Amtszeit wurde dementsprechend auf ein Jahr, mit Wiederwahlen höchstens sechs Jahre begrenzt. Hervorgehoben wurde darüber hinaus der Bruderschaftscharakter der Gesellschaft, der künftig die Ablegung von Gelübden ausschloss. 2. Die Quellen: Mitgliederlisten und Amtsbuch Die Geschichte der Kölner Ursulagesellschaft ist von Anne Conrad in ihrer 1991 erschienenen Dissertation sowie einer Reihe nachfolgender Aufsätze vorbildlich aufgearbeitet und im Kontext von Konfessionalisierung und katholischer ‚Frauenbewegung‘ der Frühen Neuzeit untersucht worden.21 Meine von Manfred Groten betreute Dissertation zur frühneuzeitlichen MädchenC, Kloster [wie Anm. 7], S. 142. AEK, Pfarrarchiv Köln, St. Ursula, Best. Stift und Pfarrei St. Ursula, A II 45. Die Regel ist ansonsten nur in einem späteren, „in Verlegung gemelter Gesellschaft“ erschienenen Druck überliefert; Regulen / Statuten / und Satzungen der löblichen Gesellschaft der Heiligen Jungfrawen und Martyrinnen Ursulae. Für die andächtige GOttverlobte Jungfrawen und Wittiben / so selbiger Gesellschafft in St. Ursulae Kirchen binnen der Statt Cölln einverleibt seind / oder ins künfftig einverleibt werden, Köln 1674. Ein Exemplar findet sich im Klosterarchiv der Kölner Ursulinen in Hersel, AD 101; vgl. hierzu C, Kloster [wie Anm. 7], S. 111f. Das erhaltene Exemplar stammt von Anna Margaretha Oeppens, die laut Mitgliederverzeichnis am 02.07.1707 in die Ursulagesellschaft aufgenommen wurde. Neben ihrem Namen ist dieses Datum im Buchdeckel verzeichnet, was vermuten lässt, dass Oeppens das Regelbüchlein am Tag ihrer Aufnahme, vielleicht sogar bei der Zeremonie erhalten hat. 21 C, Kloster [wie Anm. 7]; ., Ursulagesellschaft [wie Anm. 14]; vgl. außerdem ., Hexen und Heilige in Köln. Zum Entstehungshorizont von Friedrich Spees Güldenem Tugend-Buch, in: Spee-Jahrbuch 3 (1996), S. 135-152; ., Das Konzil von Trient und die (unterbliebene) Modernisierung kirchlicher Frauenrollen, in: Romano P / Wolfgang R (Hrsg.), Das Konzil von Trient und die Moderne (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient 16), Berlin 2001, S. 325-341; Anne C, Die weiblichen ‚Devoten‘ als Instrumente der konfessionellen Erziehung in Frankreich und Deutschland, in: Heinz S / Marie-Antoinette G (Hrsg.), Im Spannungsfeld von Staat und 19 20 154 Andreas Rutz bildung im Rheinland ergänzt diese Arbeiten insofern, als sie eine detaillierte Untersuchung der Unterrichtstätigkeit der Devotessen in Köln und in der weiteren Region einschließt.22 Ein wesentliches Desiderat bleibt die Analyse der Mitgliederstruktur der Ursulagesellschaft. Conrad hat sich aus zweierlei Gründen nicht mit diesem Thema beschäftigt: Zum einen zielen ihre Untersuchungen vor allem auf kirchen- und ideengeschichtliche Zusammenhänge, etwa das jesuitisch geprägte Selbstverständnis der Ursulagesellschaft, den kirchenrechtlichen Status der Vereinigung und die entsprechenden Konflikte mit den geistlichen Obrigkeiten. Zum anderen fehlten ihr die entsprechenden Quellen. Die Autorin kann lediglich auf ein Verzeichnis der Mitglieder der Ursulagesellschaft verweisen, das von der Gründung im Jahre 1606 bis 1643, also bis in die Zeit der Auseinandersetzungen um den geistlichen Status der Frauen, reicht.23 Ich konnte darüber hinaus das nach 1646 angelegte Amtsbuch der Gesellschaft ausfindig machen, das die Mitglieder bis zum Ende des 18. Jahrhundert verzeichnet.24 Damit sind sämtliche Devotessen, die der Kölner Ursulagesellschaft über einen Zeitraum von fast 200 Jahren angehörten, namentlich bekannt. Insgesamt handelt es sich um mehr als 900 Frauen – eine Zahl, die die überragende Bedeutung dieser semireligiosen Gemeinschaft verdeutlicht. Das Mitgliederverzeichnis aus der ersten Phase der Gesellschaft ist in drei geringfügig voneinander abweichenden Versionen überliefert.25 Zwei davon finden sich in einem Konvolut von Aufzeichnungen, die vermutlich von einem Kölner Jesuiten stammen.26 Die hierin enthaltene Geschichte der Ursulagesellschaft bis zur Reform liegt, jeweils einschließlich des Mitgliederverzeichnisses, in einer knapperen deutschen (Histori und jahrgeschichten der ehrbaren und loblichen gesellschafft s. Ursulae zu Collen) und in einer längeren lateinischen Fassung vor.27 Die zweispaltigen Listen nennen zuerst die zehn Frauen, die sich endtlich underredend entschlossen, daß sie eine gesellschafft s. Ursulae und der XI tausendt jungff wolten in Gottes namen anfangen. Durch einen Strich abgetrennt folgen dann die Mitglieder, die zu diesen seindt algemach beygesellet.28 Für die zwischen 1606 und 1614 in die Gesellschaft eingetretenen Frauen werden lediglich die Namen sowie ihr Status (J = Jungfrau bzw. W = Witwe) angegeben. Erst ab Oktober 1614 wird regelmäßig auch das Datum des Eintritts verzeichnet. Mit einem Kreuz vor dem Namen sind die bis 1646 verstorbenen Frauen gekennzeichnet; ein genaues Todesdatum fehlt. Der Eintritt der letzten drei Frauen erfolgte am 28. September 1643. Umb diese zeit ist eine zerstörungh entstanden in der gesellschafft, und darum haben weiters sich keine angeben, damit sie auffgenommen würden.29 Neuaufnahmen erfolgten dann erst wieder nach der Reform. 22 23 24 25 26 27 28 29 Kirche. ‚Minderheiten‘ und ‚Erziehung‘ im deutsch-französischen Gesellschaftsvergleich 16.-18. Jahrhundert (Zeitschrift für Historische Forschung. Beiheft 31), Berlin 2003, S. 191-214. Verschiedene Quellen zur Frühgeschichte der Ursulagesellschaft aus Nuntiatur und Kurie liegen jetzt gedruckt vor bei Ursula D (Hrsg.), Mary Ward und ihre Gründung. Die Quellentexte bis 1645, Bd. 3 (Corpus Catholicorum. Werke katholischer Schriftsteller im Zeitalter der Glaubensspaltung 47), Münster 2007, S. 501f., Nr. 1500, S. 504, Nr. 1503, S. 504-506, Nr. 1504, S. 508f., Nr. 1507, S. 511-515, Nr. 1509. R, Bildung [wie Anm. 14]; vgl. ergänzend ., Semireligiosentum [wie Anm. *]; ., Bildungsmäzenatentum [wie Anm. *]. C, Kloster [wie Anm. 7], S. 110, 118, 128. R, Bildung [wie Anm. 14], S. 195, Anm. 443. HAStK, Best. 295 (Geistliche Abteilung), 222, fol. 1v-4r, 33r-34v; AEK, Pfarrarchiv Köln, St. Ursula, Best. Stift und Pfarrei St. Ursula, A II 45. C, Kloster [wie Anm. 7], S. 110f. HAStK, Best. 295 (Geistliche Abteilung), 222, fol. 1r-16v, 24r-40v. HAStK, Best. 295 (Geistliche Abteilung), 222, fol. 1r-v. HAStK, Best. 295 (Geistliche Abteilung), 222, fol. 3v. Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 155 Als Grundlage der Listen muss dem Verfasser der Geschichte der Ursulagesellschaft ein kontinuierlich geführtes Mitgliederbuch vorgelegen haben. Vermutlich sind beide Listen unmittelbar aus dem ursprünglichen Verzeichnis erarbeitet, die lateinische weicht gleichwohl häufiger in der Orthographie von der deutschen ab und enthält zudem zusätzliche Informationen zu den ausgeschlossenen Mitgliedern: 44 Namen sind mit dem Zusatz expuncta, exp., in einem Fall auch nomen expuncta versehen. Offenbar waren im ursprünglichen Verzeichnis die Namen von ausgeschlossenen Mitgliedern durchgestrichen worden. Dass sie nun wieder aufgeführt wurden, erklärt sich aus dem Versuch, für die Geschichte der Gesellschaft die Gesamtzahl der jährlichen Eintritte zu eruieren.30 In der ersten Liste werden diese Namen ebenfalls aufgeführt, aber nur neun gestrichen und damit als ausgeschlossen markiert. Hingegen werden sechs in der ersten Liste gestrichene Namen in der zweiten Liste nicht als ‚expuncta‘ angegeben. Der Grund für diese Abweichungen ist unklar. Die deutschsprachigen Histori und jahrgeschichten wurden in das nach der Reform angelegte und unten noch genauer vorzustellende Amtsbuch der Ursulagesellschaft übertragen.31 Das ebenfalls kopierte Mitgliederverzeichnis ist bis auf geringfügige orthographische Abweichungen und kleinere Fehler bei den Datumsangaben mit der oben beschriebenen deutschen Fassung identisch. Nicht mehr aufgenommen wurden allerdings die im Konzept durchgestrichenen Namen sowie die von zwei weiteren Frauen aus der Vorlage. Die übrigen in der lateinischen Fassung als ausgeschlossen markierten Devotessen werden im Amtsbuch ohne weitere Hinweise aufgeführt. Es handelt sich bei dieser Version also um eine bereinigte Fassung des Mitgliederverzeichnisses, die den größeren Teil der Ausschlüsse und damit die konfliktreiche Entwicklung der Gesellschaft vor 1646 nicht mehr erkennen lässt. Auch diese Abweichungen lassen sich bislang nicht schlüssig erklären. In keiner der drei Versionen verzeichnet sind die so genannten ‚Weltfrauen‘, die der Ursulagesellschaft in der Anfangsphase angehörten, nach der Einführung der so genannten ‚Regulae Schnabelianae‘ 1614 aber mit den Jungfrauen und Witwen in Konflikt gerieten.32 Die neuen Regeln forderten die Verpflichtung der Mitglieder zu einer jungfräulichen bzw. keuschen Lebensweise, was von den ‚Weltfrauen‘ nicht mitgetragen wurde. Vielmehr forderten diese, dass auch verheiratete und ledige Frauen Mitglieder der Ursulagesellschaft sein dürften. Diese Position wurde durch ein Schreiben Papst Pauls V. vom 10. Februar 1616 unterstützt. Gleichwohl distanzierten sich die geistlichen Jungfrauen und Witwen unter Führung von Ida Schnabels von den Weltfrauen und schlossen sie von Gottesdiensten, Andachten und Versammlungen und damit dem gemeinschaftlichen Leben der Ursulagesellschaft aus. Der Konflikt vertiefte sich, als die Ursulagesellschaft 1622 einen Ablassbrief erhielt, der an die Congregatio Virginum et Matronarum Sanctae Ursulae gerichtet war. Die geistlichen Frauen wollten die Erlangung des Ablasses zwar nicht in einer gemeinsamen Messe mit den Weltfrauen feiern, verlangten aber, dass diese sich an den Kosten für die künftige Erneuerung des Ablasses beteiligten. Der Streit wurde schließlich 1623 von dem Jesuitenpater Erasmus Geldorp gegen die Interessen der Weltfrauen entschieden. Die Mitgliedschaft in der Ursulagesellschaft war künftig ausschließlich Jungfrauen und Witwen vorbehalten. Dass die Weltfrauen in den Mitgliederlisten nicht auftauchen, ist aufgrund dieser Vorgeschichte nicht verwunderlich. In der Folge scheint unab30 31 32 Vgl. die entsprechende Übersicht in HAStK, Best. 295 (Geistliche Abteilung), 222, fol. 32v: Ante annum 1614 et ipso anno admissae sunt 58. Anno 1615 – 49. Anno 1616 – 11. usw. AEK, Pfarrarchiv Köln, St. Ursula, Best. Stift und Pfarrei St. Ursula, A II 45. Vgl. zum Folgenden ausführlich C, Kloster [wie Anm. 7], S. 118-120, 140. 156 Andreas Rutz hängig von der eigentlichen Ursulagesellschaft eine gleichnamige Weltfrauengemeinschaft existiert zu haben, über die aber bislang fast nichts bekannt ist: Immerhin erwähnen die ‚Litterae annuae‘ der Kölner Jesuiten, dass bei der Jubiläumsprozession im Jahre 1639 die jesuitischen Sodalitäten von den beiden weiblichen Ursulagesellschaften – Jungfrauen und Witwen einerseits und verheiratete Frauen andererseits – angeführt wurden.33 Die Devotessen der 1646 reformierten Ursulagesellschaft sind in einem Amtsbuch mit dem Titel Buch der geistlichen gesellschaft s. Ursula verzeichnet, das nach der Reform angelegt wurde.34 Es beinhaltet die für die Traditionsbildung der Gemeinschaft zentralen Texte, nämlich die bereits erwähnten Histori und jahrgeschichten mit der Mitgliederliste von 1606 bis 1643 sowie die ‚reformierte‘ Regel mit einem Ablassbrief Innozenz’ X. vom 25. September 1649. Hierauf folgen zwei Verzeichnisse, die die Neueintritte von Mitgliedern und die gelegentlichen Ausschlüsse aus der Gemeinschaft von 1646 bis 1791 sowie die Sterbefälle von 1648 bis 1782 wiedergeben. Das Datum auf dem Einband (17. September 1646) verweist auf das zweite Gründungsdatum der Gesellschaft, an dem der durch die reformierte Regel markierte Neubeginn mit einer Messe des Generalvikars feierlich in St. Ursula begangen wurde. Bereits am 29. August waren Ida Schnabels und die anderen Amtsinhaberinnen abgesetzt und eine neue Führungsspitze eingeführt worden.35 Wann genau mit der Anlage des Buches begonnen wurde, ist unklar. Zumindest das Mitgliederverzeichnis wurde erst in den 1660er-Jahren rückwirkend erstellt und ab dann kontinuierlich fortgeführt. Die einleitenden Sätze sind eine Rückschau: Anno 1646 den 20 Novembrij ist die sodalitet ernewert unnd confirmirt wordenn. Folgendts seindt die nahmen unndt zunahmen deren Gott verlobten jungferen und wittiben, welche nach reformierungh oder ernewerungh diser s. Ursula geselschafft in verschiedenen jahren sich in dieselbige inbegeben.36 Genannt wird dann der erste magistrat, so damahls ist angesetzt und erwehlt worden, mit der neuen Vorsteherin (Cecilia Lihts), zwei Beisitzerinnen (Anna Peils und Anna Grimholß), einer Sekretärin (Margaretha Arcken) – gemeint ist wohl die Prokuratorin – und einer Untersekretärin (Elisabeth Wackerbachs) sowie den sieben Ratgeberinnen (Gertrud Jordans, Mechtild Beutgens, Catharina Colinius, Gertrud Klaut, Catharina Widenfelß, Gertrud Backhoffen und Maria von den Heuffel).37 Hierauf folgen die Jungfrauen und Witwen, die am 20. November 1646 der Gesellschaft angehörten bzw. beitraten, und dann jeweils mit Datum fortlaufend die Neueintritte bis 1791. Es fällt auf, dass die Mitgliedschaft der ersten Frauen nicht bereits auf den 17. September, also auf das eigentliche Datum der Neubegründung, datiert ist. Offensichtlich hat es nach der feierlichen Messe am 17. September noch einen zweiten offiziellen Termin gegeben, bei dem 33 34 35 36 37 HAStK, Best. 223 (Jesuiten), A 9, fol. 367r, zit. nach S, Stadt [wie Anm. 9], S. 118. AEK, Pfarrarchiv Köln, St. Ursula, Best. Stift und Pfarrei St. Ursula, A II 45. C, Kloster [wie Anm. 7], S. 133f. AEK, Pfarrarchiv Köln, St. Ursula, Best. Stift und Pfarrei St. Ursula, A II 45; die folgenden Zitate ebd. Von den am 29. August mit der Leitung der Ursulagesellschaft betrauten 13 Frauen sind in dieser Gruppe nur sieben übrig geblieben (Lihts/Litth, Peils/Piels, Grimholß/Grimholtz, Arcken/Arcks, Wackerbachs, Jordans, Weidenfeldts/Widenfeltz); die übrigen sechs (Cordula Scheuffs, Elisabeth Ross, Margaretha Bertlings, Margaretha Gruben, Elisabeth Lieffgens, Catharina Kremers) scheinen im Zuge der Auseinandersetzungen der nächsten Wochen ausgeschieden zu sein und tauchen in der neuen Ursulagesellschaft mit Ausnahme von Kremers auch nicht mehr als einfache Mitglieder auf. Auf die Auseinandersetzungen verweist die ‚Histori‘, die auch die Namen der im August berufenen Frauen nennt, welche dannoch nicht alle sich haben qualificirt, sonder etliche auff so hellen willen der geistlichen obrigkeit ergerlich sich gewaigert; HAStK, Best. 295 (Geistliche Abteilung), 222, fol. 15v; vgl. auch C, Kloster [wie Anm. 7], S. 133 (mit Lesefehlern bei den Namen). Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 157 nicht die Reform der Ursulagesellschaft, sondern der persönliche Neubeginn jedes einzelnen Mitglieds gefeiert wurde. Der zeitliche Abstand zwischen den beiden Feiern entspricht den Grundsätzen für die Aufnahme neuer Mitglieder in der reformierten Regel: Darin wird festgelegt, dass die Kandidatinnen nach Überprüfung ihres Beitrittsgesuchs in nechster Versamblung mit ablesung ihrer Nahmen und Zunahmen von der Procuraterschen der Gantzen Gesellschafft vorgehalten werden / und darnach einen / zween / oder drey Monat / nach discretion der Vorsteherin probiert werden: in welcher Zeit sie am allerfleissigsten alle geistliche Ubungen dieser Gesellschafft sollen üben / und beywohnen: wan sie fleissig / bequem / und bestendig erfunden / sollen alsdann mit vorgehender general oder anderer gemeiner Beicht und Communion in der nechster Versamblung öffentlich vor dem Altar kniend das Gebettlein der Gesellschafft andächtiglich sprechendt / angenommen werden.38 Es ist demnach anzunehmen, dass der erste Teil der Aufnahmezeremonie am 17. September, die endgültige Aufnahme dann am 20. November stattfand. Bei der Verzeichnung der an diesem Tag aufgenommenen Mitglieder im Amtsbuch wurde nicht zwischen neuen Mitgliedern und solchen, die schon der ersten Ursulagesellschaft angehörten, unterschieden. Dies dürfte kein Zufall sein. Aufgrund der vorangegangenen Konflikte um Struktur und Status der Gesellschaft ist vielmehr zu vermuten, dass die von Seiten der Kirchenleitung durchgesetzte Reform den alten Mitgliedern einen formalen Neubeginn ihrer Mitgliedschaft und das entsprechende Aufnahmeritual abverlangte. Auf diese Weise dürfte geklärt worden sein, wer unter den veränderten Bedingungen noch zur Gesellschaft gehören wollte und sich den neuen Statuten unterordnete. Die reformierte Regel sah vor, dass neue Mitglieder nach der Aufnahme wan sie Schreibens erfahren […] mit eigner Hand ihre Nahmen / Zunahmen / Jahr / Monat / und Tag in das Buch der Gesellschafft / in beywesen der Vorsteherin und Beysitzerinnen / einschreiben sollten.39 Dies scheint allerdings in der Praxis nicht oder nur selten so gehandhabt worden zu sein. Denn die Eintragungen bis 1662 stammen von einer Hand und wurden vermutlich im Nachhinein vorgenommen. Danach variieren die Hände, doch ist es – bis auf wenige Ausnahmen – jeweils eine Schreiberin, vermutlich die Prokuratorin, die alle an einem Termin aufgenommenen Frauen verzeichnet und dann meist auch einige Jahre das Mitgliederverzeichnis weiterführt. Streckenweise sind die Angaben für mehrere Jahre in einem Zug nachgetragen worden. Vermutlich wurden separate Listen geführt und von Zeit zu Zeit in das Amtsbuch übertragen. Das Register unser abgestorbenen mittschwestern so nach reformierung von anno 1646 gottseligh im herren entschlaffen listet in chronologischer Reihenfolge die Sterbefälle von 1648 bis 1782 mit Datum, Status (Jungfrau oder Witwe) und Namen auf. Ein Vergleich mit dem Aufnahmeregister ergibt, dass die beiden Verzeichnisse von denselben Personen geführt wurden. Auch im Sterberegister wurde nicht jeder Eintrag separat vorgenommen, sondern jeweils Daten mehrerer Jahre eingetragen, sodass hier ebenfalls vorläufige Listen vorauszusetzen sind. 3. Mitgliederentwicklung Die genannten Quellen erlauben eine vollständige Rekonstruktion des Mitgliederbestands der Kölner Ursulagesellschaft für einen Zeitraum von fast 200 Jahren. Im Folgenden wird die Entwicklung der Mitgliederzahlen für die Zeit von 1606 bis 1643/46 und von 1646 bis 1791 38 39 Regulen / Statuten / und Satzungen [wie Anm. 20], S. 9. Regulen / Statuten / und Satzungen [wie Anm. 20], S. 9. 158 Andreas Rutz getrennt betrachtet, um den Bruch von 1646 mit Blick auf personelle Kontinuitäten und Diskontinuitäten analysieren zu können. Darüber hinaus ist die Datengrundlage für die zweite Phase der Gesellschaft vollständiger, sodass hier weiterreichende Analysen möglich sind.40 3.1 1606 bis 1643/46 Zwischen 1606 und 1643 traten 296 Frauen in die Ursulagesellschaft ein, davon waren 264 (89,2 Prozent) Jungfrauen und 31 (10,5 Prozent) Witwen.41 Eine Sonderstellung nimmt die am 24. September 1615 aufgenommene Johanna Helena von Staufen ein, die keiner der beiden Kategorien zugeordnet ist. Als Äbtissin des Kölner Ursulastifts, in dessen Kirche sich die Devotessen regelmäßig zu Andachten und Gottesdiensten zusammenfanden, kam ihr der Status eines Ehrenmitglieds zu.42 Hieraus entwickelte sich allerdings keine Tradition; spätere Äbtissinnen begegnen unter den Mitgliedern der Ursulagesellschaft nicht mehr. Ein Grund hierfür liegt sicherlich in der konfliktreichen Entwicklung der Gemeinschaft, deren gottesdienstliche Aktivitäten in St. Ursula nach der Reform vom Stiftskapitel genau kontrolliert und reglementiert wurden.43 Eine Mitgliedschaft von Kanonissen des Stifts ist zu keiner Zeit nachzuweisen. Aufgrund der ungenauen Buchführung in den Anfangsjahren der Gesellschaft sind Aussagen zu den zwischen 1606 und 1614 erfolgten Eintritten nur sehr pauschal möglich (Graphik 2). Gegründet wurde die Ursulagesellschaft von zehn Frauen, denen sich bis Herbst 1614 insgesamt 41 weitere anschlossen. Allein zwischen Oktober und Dezember 1614 folgten dann noch einmal sieben Frauen. Graphik 1 zeigt die jährlichen Eintritte von 1615 bis 1645. Es ist auffällig, dass 1615 mit 49 Eintritten ein absoluter Höhepunkt erreicht wurde. Damit traten der Ursulagesellschaft in einem Jahr etwa ebenso viele Frauen bei wie in den vergangenen acht Jahren seit der Gründung. Wie die vergleichsweise hohe Zahl von sieben neuen Mitgliedern in den vorausgehenden Monaten Oktober bis Dezember 1614 vermuten lässt, war dies allerdings keine völlig isolierte Spitze. Vielmehr ist zu anzunehmen, dass ein größerer Teil der 41 Eintritte zwischen 1606 und Herbst 1614 in den Jahren seit 1611/12 erfolgte. Denn zu dieser Zeit wurde die Ursulagesellschaft offiziell als Bruderschaft anerkannt, was ihr eine höhere Akzeptanz und damit auch weitere Mitglieder verschafft haben dürfte.44 Ein zweiter Konsolidierungsschritt wurde mit der Einführung der ‚Regulae Schnabelianae‘ am 7. Dezem40 Die folgenden Angaben basieren für die erste Phase auf HAStK, Best. 295 (Geistliche Abteilung), 222, fol. 1v-4r, 33r-34v, für die zweite auf AEK, Pfarrarchiv Köln, St. Ursula, Best. Stift und Pfarrei St. Ursula, A II 45. Für die technische Unterstützung bei der Datenaufbereitung und die Erstellung der Graphiken bin ich Eva Büthe M.A. (Bonn) zu großem Dank verpflichtet. 41 Eine der Frauen, Drütgen Hoetz, wird in einer Version des Mitgliederverzeichnisses als Jungfrau, in der anderen als Witwe verzeichnet. Da sie später im Amtsbuch der reformierten Ursulagesellschaft als Witwe geführt wird, ist sie hier diesen zugerechnet. 42 So auch C, Kloster [wie Anm. 7], S. 126. Der Karmeliter Segerus Pauli widmete der Äbtissin sogar das mit Blick auf die Ursulagesellschaft verfasste Andachtsbuch S. Ursulae Sampt ihrer Eilfftausent Jungfrawen Gesellschafft Geistlicher Lustgarten, Köln 1637. Zu von Staufen, die von 1607 bis 1638 als Äbtissin von St. Ursula amtierte, vgl. Gertrud W, Geschichte des Stiftes St. Ursula in Köln (VKGV 31), Köln 1971, S. 184; zu St. Ursula als Versammlungsort der Ursulagesellschaft vgl. ebd., S. 133f.; C, Kloster [wie Anm. 7], S. 114f., 117. 43 W, Geschichte [wie Anm. 42], S. 134. 44 Am 01.12.1611 erfolgte die päpstliche, am 30.01.1612 die bischöfliche Approbation; C, Kloster [wie Anm. 7], S. 114. Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 159 Graphik 1:1:Zahl Eintritte1615–1645 1615-1645 Graphik Zahlder der Eintritte 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1615 1617 1619 1621 1623 1625 1627 1629 1631 1633 1635 1637 1639 1641 1643 1645 ber 1614 erreicht, die sehr viel ausführlicher und detaillierter waren als die erste, vorläufige Regel.45 Die neuen Regeln, die die Lebensform der Devotessen deutlich von derjenigen weltlicher Frauen abgrenzten und damit laut Conrad „ein neues Bewußtsein von der Besonderheit und dem Wert der Mitgliedschaft in der Ursulagesellschaft“ spiegeln,46 führten ganz offensichtlich zu einer Eintrittswelle im folgenden Jahr. Die Zahl von 49 Eintritten im Jahre 1615 wurde in der Folgezeit zwar nicht wieder erreicht, insgesamt nahm die Gesellschaft zwischen 1616 und 1620 aber immerhin 72 Frauen auf, also durchschnittlich etwa 14 pro Jahr, und zwischen 1621 und 1625 noch 51, das heißt durchschnittlich etwa zehn Frauen pro Jahr. Danach sackte das Niveau auf jährlich weniger als fünf ab, nur gelegentlich traten sechs oder sieben Frauen pro Jahr ein. Insgesamt wurden von 1626 bis 1643 nur noch 60 neue Mitglieder aufgenommen. In den Jahren 1644 und 1645, also unmittelbar vor der Reform, sind keine Neuzugänge mehr verzeichnet. Damit zeichnet sich eine deutliche Periodisierung ab, die durch die Zusammenfassung der Eintritte in 10-Jahres-Schritten noch deutlicher wird (Graphik 2). Auf die Gründungs- und Konsolidierungsphase bis 1614, in der die Ursulagesellschaft vermutlich insbesondere nach der Anerkennung als Bruderschaft 1611/12 und sicher nach der Einführung der ‚Regulae Schnabelianae‘ 1614 eine erhebliche Vergrößerung ihrer Mitgliederzahl verbuchen konnte, folgte 1616 bis 1625 ein Jahrzehnt mit weiterhin hohen Zuwachsraten, wenngleich – wie wir oben gesehen haben – mit abnehmender Tendenz im zweiten Jahrfünft. Nach 1626 gingen die Eintritte erheblich zurück, im letzten Jahrzehnt waren sie nur geringfügig höher (33 statt 27). Insgesamt läuft der massive Rückgang der Mitgliederzahlen nach 1626 dem allgemeinen Trend der Mitgliederentwicklung von Kölner Bruderschaften entgegen47 und hängt ganz offensichtlich mit den Konflikten zusammen, die sich seit dieser 45 46 47 HAStK, Best. 295 (Geistliche Abteilung), 222, fol. 25r-v; vgl. C, Kloster [wie Anm. 7], S. 117f.; zur vorläufigen Regel ebd., S. 115-117. C, Kloster [wie Anm. 7], S. 118. M, Struktur [wie Anm. 8], S. 377-379. 160 Andreas Rutz Graphik 2: 2: Zahl Eintritte 1606-1645 Graphik Zahlder der Eintritte 1606–1645 140 120 100 80 60 40 20 0 1606-1615 1616-1625 1626-1635 1636-1645 Zeit innerhalb der Ursulagesellschaft sowie zwischen Devotessen und Kirchenleitung ergaben und schließlich 1646 zur Reform führten.48 Der oben erwähnte Streit mit den Weltfrauen schlägt sich in unserer Statistik nicht nieder, da diese Frauen in den vorliegenden Mitgliederlisten gar nicht mehr aufgeführt werden. Deutlich ablesbar sind allerdings die Konflikte um die Lebensform der Devotessen seit den späten 1620er-Jahren. Schnabels hatte sich zu dieser Zeit bemüht, eine eigene Tracht für die Devotessen einzuführen, war mit diesem Vorstoß aber beim Rektor des Jesuitenkollegs, Goswin Nickel, gescheitert.49 Da sich der Wunsch nach einer einheitlichen, geistlichen Kleidung nicht realisieren ließ, verlangte Schnabels, dass die Frauen die Blume an der Kapuze ihrer Heuke (Umhang), die als Statussymbol der Kölner Bürgerinnen galt, abschnitten, um sich auf diese Weise auch äußerlich von den weltlichen Frauen zu unterscheiden. Dies scheint sowohl in der Öffentlichkeit als auch unter den Frauen selbst Widerspruch erregt zu haben. Zumindest für die erst am 31. August 1626 eingetretene Barbara Feyst ist belegt, dass sie 1629 aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurde, weil sie sich weigerte, die Blume von ihrer Heuke zu schneiden. Insgesamt wurden zwischen 1606 und 1643 fünfzig Frauen aus der Ursulagesellschaft ausgeschlossen. Conrad geht davon aus, dass auch für den größeren Teil dieser Ausschlüsse die Streitigkeiten um die Kleidungsfrage ausschlaggebend waren.50 Die geistliche Lebensform der Devotessen führte aber nicht nur intern zu Spannungen, sondern setzte die Ursulagesellschaft auch erheblichem äußeren Druck aus. Nachdem der von Mary Ward gegründete Orden der Englischen Fräulein aufgrund seines für eine Frauengemeinschaft zu weit reichenden geistlichen Selbstverständnisses im Jahre 1628 durch Papst Ur- So auch C, Kloster [wie Anm. 7], S. 124, 128; M, Erzbistum [wie Anm. 8], S. 732. Vgl. zum Folgenden C, Kloster [wie Anm. 7], S. 121-123. Nickel war 1626-1631 und 1637-1639 Rektor, Schnabels Vorstoß kann also frühestens 1626 erfolgt sein. 50 C, Kloster [wie Anm. 7], S. 128. Vgl. auch ., Hexen [wie Anm. 21], S. 138, Anm. 8, wo es allerdings lediglich heißt, dass die Frauen „möglicherweise aufgrund interner Konflikte“ ausgeschlossen worden seien. 48 49 Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 161 ban VIII. verboten worden waren,51 wurden die Nuntien aufgefordert, Nachforschungen über die Verbreitung von diesen und anderen ‚Jesuitinnen‘ anzustellen.52 Der Kölner Nuntius Pier Luigi Carafa meldete 1629 nach Rom, dass außer den Englischen Fräulein in Köln, Trier und Lüttich keine Jesuitinnen in seinem Bezirk tätig seien. Die Ursulagesellschaft scheint in diesem Zusammenhang also nicht aufgefallen zu sein. Gleichwohl ist der Einbruch der Eintrittszahlen in der zweiten Hälfte der 1620er-Jahre überdeutlich und sicherlich im Zusammenhang mit dem Aufhebungsverfahren der Englischen Fräulein und der damit einhergehenden Verunsicherung hinsichtlich der Zukunft jesuitischer Frauengemeinschaften zu sehen.53 In das Visier der römischen Behörden geriet die Kölner Ursulagesellschaft erst 1638 im Zusammenhang mit erneuten Nachforschungen über die Englischen Fräulein. Mary Ward hatte mittlerweile den Versuch unternommen, in der Erzdiözese Köln neue Niederlassungen ihres verbotenen Ordens zu gründen. Im Zuge seiner diesbezüglichen Nachforschungen wurde der Kölner Nuntius Martino Alfieri auch auf die Ursulagesellschaft aufmerksam, hatte aber Schwierigkeiten, Informationen über deren Organisation und Verfassung zu erhalten. Offensichtlich traten die Frauen nach außen nur noch sehr vorsichtig auf, was sich freilich auch negativ auf die Anwerbung neuer Mitglieder ausgewirkt haben könnte. Alfieri berichtete zweimal über die Ursulagesellschaft nach Rom und schilderte sie „als typisch jesuitische, aber nicht sonderlich aufsehenerregende semireligiose Vereinigung“.54 Weitere Maßnahmen blieben daraufhin zunächst aus, was der Ursulagesellschaft eine Atempause verschaffte: Von den 60 zwischen 1626 bis 1643 eingetretenen Frauen wurde die Hälfte nach 1638 aufgenommen, es deutete sich also nach einer längeren Phase des Rückgangs und der Stagnation wieder eine mögliche Renaissance der Vereinigung an. Allerdings wurde schon 1642 das Ende der Devotessengemeinschaft in der bisherigen Form eingeläutet.55 Seit August dieses Jahres griff der Kölner Generalvikar massiv in deren innere Verhältnisse ein. 1643 fand eine Visitation der Ursulagesellschaft statt, bei der die schriftlichen Unterlagen gesichtet und erhebliche Fehler und Mängel festgestellt wurden. Ein erster Entwurf einer neuen Regel wurde der Generaloberin im März 1645 zugestellt und am 19. Juni desselben Jahres von Schnabels und ihren Anhängerinnen abgelehnt.56 Die Auseinandersetzung endete, wie oben bereits erwähnt, 1646 mit der Absetzung von Schnabels und der anderen Amtsinhaberinnen, der Einsetzung eines neuen Magistrats und der Einführung einer neuen Regel. Aus den vorhandenen Daten lässt sich lediglich die Zahl der Eintritte, nicht aber der Wandel der Mitgliederzahlen ablesen. Zwar wissen wir, dass von den insgesamt 296 Frauen, die zwischen 1606 und 1643 der Ursulagesellschaft beitraten, 126 zwischenzeitlich verstarben und 51 52 53 54 55 56 Vgl. ausführlich Joseph G, Maria Wards Institut vor römischen Kongregationen (1616-1630) (Miscellanea Historiae Pontificiae 27), Rom 1966; Henriette P, Mary Ward. Ihre Persönlichkeit und ihr Institut, Innsbruck/Wien 1991. Vgl. zum Folgenden C, Kloster [wie Anm. 7], S. 123-125. Vgl. zu den Konsequenzen des Aufhebungsverfahrens für andere Frauengemeinschaften G, Jesuitinnen [wie Anm. 15], S. 90f. C, Kloster [wie Anm. 7], S. 125. Die Berichte sind gedruckt bei D, Ward [wie Anm. 21], S. 501f., Nr. 1500, S. 504-506, Nr. 1504. Vgl. zum Folgenden C, Kloster [wie Anm. 7], S. 128-134. Von den 15 namentlich bekannten Unterzeichnerinnen des Ablehnungsschreibens traten drei in die reformierte Ursulagesellschaft ein (Margaretha Hartmans, Elisabeth Wackerbachs, Christina Rodenkirchen), Wackerbachs wurde sogar Untersekretärin; HAStK, Best. 295 (Geistliche Abteilung), 222, fol. 13r; vgl. auch C, Kloster [wie Anm. 7], S. 131, Anm. 161 (mit Lesefehlern bei den Namen). 162 Andreas Rutz 50 (16,9 Prozent) aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden, kennen aber nicht den jeweils genauen Zeitpunkt.57 1643 hatte die Gemeinschaft 120 Mitglieder.58 3.2 1646 bis 1791 Die Reform von 1646 bedeutete konzeptionell und organisatorisch eine einschneidende Zäsur in der Geschichte der Ursulagesellschaft.59 Personell hingegen war der Übergang von einer erstaunlichen Kontinuität geprägt. Immerhin traten 54, also knapp die Hälfte (45 Prozent) der genannten 120 Frauen in die neue Ursulagesellschaft über.60 Die übrigen waren offensichtlich nicht bereit, unter den veränderten Bedingungen der reformierten Regel in der Gesellschaft zu verbleiben. Vermutlich war einigen Frauen auch die neuerliche Mitgliedschaft verwehrt worden. Neben 53 Altmitgliedern wurden am 20. November 1646 lediglich elf weitere Frauen in die neue Ursulagesellschaft aufgenommen. Knappe zwei Wochen später, am 3. Dezember 1646, traten noch einmal 31 Neu- und ein weiteres Altmitglied ein. Die neue Ursulagesellschaft bestand damit zu immerhin 56,3 Prozent aus Frauen, die bereits vor der Reform beigetreten waren. Auch das schon im November eingesetzte neue Führungsgremium setzte sich bis auf zwei der sieben Ratgeberinnen aus Altmitgliedern zusammen. Die eigentlichen Führungspositionen (Vorsteherin, Beisitzerinnen, Sekretärin und Untersekretärin) übernahmen zudem Frauen, die bereits seit Jahrzehnten Mitglied gewesen waren: Die jüngste von ihnen war 1629 eingetreten, drei zwischen 1617 und 1620 und die neue Vorsteherin Cecilia Lihts bereits vor 1614. Zu Ratgeberinnen wurden hingegen eher jüngere Frauen berufen: Neben den zwei Neumitgliedern waren zwei von ihnen erst seit vier bzw. fünf Jahren Mitglied, zwei weitere seit zwölf Jahren. Eine Devotesse gehörte der Ursulagesellschaft bereits vor 1614 an. Zwischen 1646 und 1791 traten – die Gründungsgruppe eingeschlossen – 674 Frauen in die Ursulagesellschaft ein. Hinzuzurechnen sind zwölf Frauen, die zwar im Sterberegister, nicht aber im Verzeichnis der Eintritte genannt werden. Im Gegensatz zur ersten Ursulagesellschaft, in der immerhin gut 10 Prozent der Mitglieder Witwen waren, stellten diese nach 57 Eine Ausnahme bildet die oben erwähnte Barbara Feyst. Für Maria Grontzfelts/Grunesfelts, die am 27.05.1615 der Gesellschaft beigetreten war, ist belegt, dass sie vor 1630 ausgeschlossen wurde. Zu diesem Zeitpunkt geriet sie unter Hexereiverdacht und wurde in diesem Zusammenhang auch auf den Ausschluss angesprochen: Gefg ob sie nit auß der geselschaft verwiesen und warumb? Ant: Eß hette ihr beichts vatter Roist sie auß der geselschaft St Ursule genomen auß vrsachen, weil andere vnnutze wesch muler [geschwätzige Mäuler] ihro hinder rucklich nachgeredt alß sollte sie eine boesen cram [eine Fehlgeburt], vnd mit verscheidenen so geist alß weltlichen persohnen zu thuen vnd zu schaffen gehabt haben, welch geschwetz durch die lange Catharin, welche andere mher aufgewickel und zu solchem schwetzen angeritzet, verursacht und außgegoßen; zit. nach Wolfgang H / Jürgen M (Bearb.), Kölner Hexenverhöre aus dem 17. Jahrhundert (MittStAK 74), Köln 1992, S. 141. Ihr Verhörprotokoll liefert verschiedene Hinweise auf die Lebensweise der Devotessen; ebd., S. 139-146; vgl. auch ebd., S. 151, 153. 58 In den verschiedenen Versionen des Mitgliederverzeichnisses werden 117 Frauen als verstorben markiert, sechs ausschließlich in der deutschen Fassung, drei ausschließlich in der lateinischen. Eine Frau ist in der ersten Liste als verstorben, in der zweiten als ausgeschlossen verzeichnet. Erheblich abweichende Zahlen finden sich bei C, Kloster [wie Anm. 7], S. 128: 297 Eintritte, 114 Todesfälle, 65 Ausschlüsse, Mitgliederstand 1643: 118. 59 Vgl. hierzu ausführlich C, Kloster [wie Anm. 7], S. 128-134. 60 Die Parteiungen innerhalb der Ursulagesellschaft für und gegen Ida Schnabels, von denen Nuntius Alfieri 1638 berichtet, finden hier ihren zahlenmäßigen Ausdruck; vgl. C, Kloster [wie Anm. 7], S. 128, Anm. 142. Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 163 1646 mit lediglich sechs Frauen (0,9 Prozent) eine verschwindende Minderheit dar.61 Ganz offensichtlich handelte es sich zudem um ein kurzfristiges Übergangsphänomen, denn drei der Witwen stammten noch aus der ersten Ursulagesellschaft, zwei wurden 1646 Mitglied und die letzte Witwe trat bereits 1656 ein. Nachdem spätestens 1623 die Weltfrauen aus der Gesellschaft verdrängt worden waren, war nun aus der Gemeinschaft frommer Jungfrauen und Witwen eine reine Vereinigung von Jungfrauen geworden. Inwieweit diese Entwicklung bei der Reform intendiert war, ist unklar. Die reformierte Regel spricht davon, dass alle so in diese Gesellschafft wöllen auffgenommen werden / sollen sein Gott verlobte Jungfrawen / oder Wittiben, hält also an der Ursulagesellschaft als Gemeinschaft von Jungfrauen und Witwen fest. Lediglich die Vorsteherin solle allzeit / so viel möglich und geschehen kan / ein Jungfraw sein.62 Da die abgesetzte Oberin Ida Schnabels Witwe war, ist dieser Passus als Vorsichtsmaßnahme der Reformer vor einem zu großen Einfluss der vielleicht als schwieriger lenkbar eingestuften Witwen zu interpretieren. In dieser Perspektive könnte die zügige Verdrängung der Witwen aus der reformierten Gesellschaft durchaus im Kalkül von Jesuiten und Generalvikariat gelegen haben. Ein weiterer Unterschied zur ersten Ursulagesellschaft ist die geringe Zahl der Ausschlüsse. Während im Zuge der Auseinandersetzungen um die Lebensform der Devotessen vor 1646 fast 17 Prozent der Mitglieder aus der Gemeinschaft entlassen worden waren, waren es bis Ende des 18. Jahrhunderts lediglich 1,3 Prozent. Drei Frauen wurden in den 1720er-Jahren ausgeschlossen, weitere sechs zu einem unbekannten Zeitpunkt. Da sie aber erst im späten 17. bzw. im Laufe des 18. Jahrhunderts eingetreten waren,63 scheint es nach der Reform mehrere Jahrzehnte keine internen Schwierigkeiten und Streitigkeiten gegeben zu haben. In dieser Hinsicht waren die Einführung der reformierten Regel und die damit einhergehende stärkere geistliche Kontrolle durch die Jesuiten sowie die Ausgrenzung von gut der Hälfte der Mitglieder der ursprünglichen Ursulagesellschaft also durchaus erfolgreich. Dieses Ergebnis widerspricht den Ausführungen von Conrad, die darauf hinweist, dass die Streitigkeiten um die Kleiderfrage auch nach 1646 nicht aufgehört hätten: „Die vom Erzbischof approbierte ‚reformierte‘ Regel scheint sich zwar durchgesetzt zu haben, die Konflikte waren aber nicht ausgestanden. Sowohl die Ursulagesellschaft als auch die Kölner Jesuiten waren nach wie vor in zwei Parteien gespalten, und immer noch war der Zankapfel die Kleidung, die ‚Heukenfeder‘ als Symbol der anderen, ‚geistlichen‘ – und eigentlich jesuitischen! – Lebensweise.“64 Die Quellen geben für diese Annahme nicht genügend Anhaltspunkte. Zwar scheint es ein ‚Rückzugsgefecht‘ Ida Schnabels’ und ihres Umkreises gegeben zu haben. Sie beschwerten sich wohl noch kurz vor der Reform beim Generaloberen der Gesellschaft Jesu über die Parteinahme der Kölner Jesuiten und bewirkten tatsächlich, dass der Generalobere dem Provinzial am 12. Januar 1647 befahl, den Kölner Jesuiten eine Einmischung in dieser Sache zu verbieten.65 Freilich kam diese Anweisung zu spät, denn die Reform war zu diesem Zeitpunkt längst umgesetzt. In der Folge sind dann allerdings keinerlei Streitigkeiten belegt, wie nicht nur die bis ins 18. Jahrhundert fehlenden Ausschlüsse aus der neuen Ursulagesellschaft beweisen. Selbst Schnabels machte ihren Frieden mit den Kölner Jesuiten und hinterließ 61 Eine weitere Frau wird beim Eintritt als Jungfrau, im Sterbeverzeichnis als Witwe bezeichnet. 62 Regulen / Statuten / und Satzungen [wie Anm. 20], S. 7, 33. 63 1682, 1690, 1695, 1726, 1743, 1759. 64 C, Kloster [wie Anm. 7], S. 134. 65 Bernhard D, Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge, 4 Bde., Freiburg/München/Regensburg 1907-1928, hier Bd. 2.2, S. 88. 164 35 Andreas Rutz Graphik 3: Zahl der Eintritte 1646-1791 (ohne Gründungsgruppe) Graphik 3: Zahl der Eintritte 1646–1791 (ohne Gründungsgruppe) 30 25 20 15 10 5 0 1646 1652 1658 1664 1670 1676 1682 1688 1694 1700 1706 1712 1718 1724 1730 1736 1742 1748 1754 1760 1766 1772 1778 1784 1790 ihnen in ihrem bislang unbeachtet gebliebenen Testament vom 31. Januar 1650 mit 3000 Rtlr. einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens.66 Erst im späteren 17. Jahrhundert gab es dann noch einmal einen Streit um die Kleiderfrage, der allerdings nicht als Fortsetzung der Streitigkeiten in der ersten Jahrhunderthälfte interpretiert werden kann.67 Vielmehr modernisierten einige Devotessen um 1670 lediglich ihre Tracht und trugen nicht mehr den in der reformierten Regel vorgeschriebenen Stil.68 Dies führte zu langwierigen Diskussionen innerhalb der Ursulagesellschaft und vor allem unter ihren jesuitischen Beichtvätern, die allerdings im Gegensatz zu den früheren Auseinandersetzungen um die Heukenfeder nicht grundsätzlich die Lebensform oder das geistliche Selbstverständnis der Frauen, sondern eher Äußerlichkeiten betrafen. In seinem Befehl von 1692 betreffend die Beibehaltung der alten Tracht aus der Zeit der Reform betonte der Generalobere der Gesellschaft Jesu, Tirso Gonzales de Santella, dass diese sich stärker als die neue von der üblichen Welttracht unterscheide, bescheidener und einfacher sei und sich daher für ein frommes Leben besser eigne. Die wenigen Devotessen, die die neue Tracht angenommen hätten, solle man mit Liebe und Entschiedenheit zur alten zurückführen, was allerdings bis 1700 nicht vollständig gelungen war. Kommen wir zurück zur Entwicklung der Mitgliederzahlen. Graphik 3 zeigt die Zahl der Eintritte in die Ursulagesellschaft von 1646 bis 1791 unter Ausschluss der Gründungsgruppe, also der 64 am 20. November 1646 eingetretenen Frauen. Das Diagramm setzt mit den 32 Devotessen ein, die der Ursulagesellschaft nur zwei Wochen später, am 3. Dezember 1646, beitraten. Trotz jährlicher Schwankungen zeigt sich hier die hohe Anziehungskraft, die die 66 67 68 HAStK, Best. 110 (Testamente), D 292; vgl. hierzu unten Kap. 4. Vgl. dagegen C, Kloster [wie Anm. 7], S. 135f. Die Frauen sollten in der ganzen Kleidung allen Überfluß / Hoffart / und was darzu dienen und dessen ein Anzeigung geben könte / vermeiden. Soll derowegen das Kleid nicht auß Sammet / Seiden / oder dergleichen / sonder von schwarzer feiner Materi sein: sol auch nicht verblümet / gebörtet / oder mit Spitzen außgemacht; sondern fein ehrbar / ehrlich / und schlecht sein. In summa an dem gantzen Kleidt soll nichts newes / ungewöhnliches / oder ärgerliches / sonder alles schlecht und einfältig / nach dieses Lands Sitten / Zeits Gebrauch und Gewonheit / accommodiret sein; Regulen / Statuten / und Satzungen [wie Anm. 20], S. 10. Vgl. zum Folgenden D, Geschichte [wie Anm. 65], Bd. 3, S. 632-636. Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 165 Ursulagesellschaft lange Zeit auf Frauen in Köln ausübte. Dabei sind gewisse Konjunkturen auszumachen: Auf die zwei Jahrzehnte nach der Neugründung (1646–1665), in denen jährlich zwischen fünf und zehn, häufig aber auch mehr neue Mitglieder aufgenommen wurden, folgte bis Ende der 1680er-Jahre ein gewisser Abschwung. Die Zahl der Neuzugänge sank in dieser Zeit häufig unter fünf, mehrere Jahre trat keine Frau ein, als Höchstwert wurden dagegen nur zweimal neun Eintritte erreicht. Die zwei Jahrzehnte um 1700 stellten dann wieder eine deutliche Phase hoher Attraktivität der Gesellschaft dar. Wie in der Zeit nach der Gründung traten jährlich meist fünf bis zehn, regelmäßig aber auch mehr Frauen ein. Nach 1710 gingen die Eintrittszahlen erneut stark zurück, erreichten dann in den Jahren um 1720 noch ein letztes Mal höhere Werte, um schließlich ab Mitte der 1720er-Jahre dauerhaft zurückzugehen. Zwischen 1725 und 1791 wurden nur drei Mal mehr als fünf Frauen aufgenommen (1728: 7; 1738: 9; 1759: 6), ansonsten liegen die Zahlen unter fünf, spätestens ab der Mitte des Jahrhunderts immer häufiger unter drei. Die Jahre, in denen keine Frau der Ursulagesellschaft beitrat, wurden nach 1730 immer häufiger. Spätestens in den 1770er-Jahren brach die Zahl der Eintritte endgültig ein. Dass in diesem Zusammenhang auch die Aufhebung des Jesuitenordens (1773) eine Rolle spielte, kann nur vermutet werden.69 Immerhin überlebte die Ursulagesellschaft auch ohne den Beistand der Patres und konnte bis 1791 sogar noch sechs neue Mitglieder verzeichnen. Die nachgezeichnete Entwicklung wird noch deutlicher, wenn man die Werte in 10-Jahresschritten zusammenfasst. Die folgende Graphik zeigt, dass sich die Zahl der Eintritte zwischen 1666 und 1725 trotz des Rückgangs gegenüber den zwei sehr erfolgreichen Jahrzehnten nach der Neugründung und trotz aller Schwankungen dauerhaft auf relativ hohem Niveau bewegte. Pro Jahrzehnt wurden in diesen 70 Jahren zwischen 44 und 63 Frauen Mitglied der Ursulagesellschaft. Erst nach 1725 sackte die Zahl der Eintritte unter 30, nach 1745 unter 20 Frauen pro Jahrzehnt, der endgültige Niedergang in den letzten zwei Jahrzehnten ist überdeutlich. Graphik 4: Zahl der Eintritte 1646-1791 (ohne Gründungsgruppe) 120 100 80 60 40 20 0 5 5 5 5 5 5 1 5 5 5 5 5 5 5 5 65 76 66 77 67 78 79 68 69 70 71 72 73 74 75 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 -1 56 46 56 66 66 76 76 86 86 96 06 16 26 36 46 6 6 7 6 7 6 7 6 6 7 7 7 7 7 7 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 69 Zur Aufhebung des Kölner Kollegs vgl. D, Geschichte [wie Anm. 65], Bd. 4.1, S. 34f.; Siegfried S, Das Gymnasium Tricoronatum unter der Regentschaft der Kölner Jesuiten, in: Heinz F (Hrsg.), Die Anfänge der Gesellschaft Jesu und das erste Jesuitenkolleg in Köln (Libelli Rhenani 17), S. 71186, hier S. 169-172. 166 250 Andreas Rutz Graphik 5: Entwicklung der Mitgliederzahlen 1646-1791 Graphik 5: Entwicklung der Mitgliederzahlen 1646–1791 wahrscheinliche Anzahl der Mitglieder 200 150 100 Anzahl der Mitglieder, deren Eintritts- und Todes- / Austrittsdatum bekannt ist 50 Ja h 16 r 50 16 55 16 60 16 65 16 70 16 75 16 80 16 85 16 90 16 95 17 00 17 05 17 10 17 15 17 20 17 25 17 30 17 35 17 40 17 45 17 50 17 55 17 60 17 65 17 70 17 75 17 80 17 85 17 90 0 Neben den Eintritten lässt sich für die neue Ursulagesellschaft auch die Zahl der Mitglieder pro Jahr ermitteln. Wie bereits erwähnt, hatte die Gemeinschaft über einen Zeitraum von knapp 150 Jahren 686 Mitglieder. Graphik 5 verdeutlicht die Entwicklung der Mitgliederzahlen von 1646 bis 1791. Die untere Kurve zeigt die Entwicklung der Mitgliederzahlen unter Ausschluss derjenigen Frauen, deren Eintritts- oder Todesdatum unbekannt ist. Insbesondere für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ist dieser Graph allerdings irreführend, da viele Mitglieder das Ende der Ursulagesellschaft überlebten und dementsprechend nicht mehr als verstorben in das Sterberegister eingetragen wurden. Deshalb wurde eine zweite Kurve erstellt, die auch diejenigen Frauen integriert, deren genaue Mitgliedschaftsdauer nicht bekannt ist. Für diese wurde eine Mitgliedschaft von jeweils 31 Jahren als Berechnungsgrundlage angenommen, was der durchschnittlichen Mitgliedsdauer aller Frauen entspricht, deren Eintritts- und Austritts- bzw. Todesdatum bekannt ist.70 Die obere Kurve zeigt somit nicht die tatsächliche, sondern lediglich die wahrscheinliche Entwicklung der Mitgliederzahlen. Die Graphik bestätigt eindrucksvoll den Erfolg der Devotessengemeinschaft nach der Reform. 1646 traten 95 Frauen in die neue Ursulagesellschaft ein, im Laufe von zwei Jahrzehnten verdoppelte sich nach Ausweis der oberen Kurve, die auch im Folgenden als Datengrundlage dient, die Mitgliederzahl (1665: 190). 1666 wurde mit 192 Mitgliedern ein vorläufiger Höchststand erreicht. Nach den ersten zwei erfolgreichen Jahrzehnten sank die Zahl der Mitglieder bis in die späten 1680er-Jahre (1689: 151). In den folgenden zwei Jahrzehnten stiegen die Mitgliederzahlen wieder an und erreichten im frühen 18. Jahrhundert erneut Werte über 180 (1704: 182; 1710: 181; 1711: 180; 1712: 180). Dieser Aufwärtstrend wurde durch einen plötzlichen Abschwung für einige Jahre unterbrochen. Zwischen 1715 und 1719 sackten die Werte weit unter 170 (1717: 161), um dann ebenso plötzlich das frühere Niveau wieder zu erreichen und sogar zu übertreffen. 1722 und 1724 wurde mit 194 und 195 der höchste Mitgliederstand in der Geschichte der Ursulagesellschaft erreicht.71 Angesichts des kontinuierlichen Mitgliederschwunds in den folgenden Jahrzehnten ist die Zeit zwischen 1666 und 1724, also den beiden Spitzenjahren, trotz aller Schwankungen als eine Phase hoher und vergleichsweise konstanter Mitgliederzahlen zu bewerten. In der Regel gehörten der Ursulagesellschaft in dieser Zeit zwischen 160 und 185 Frauen an, lediglich Ende der 1680er-Jahre sanken die Werte 70 71 Vgl. unten Kap. 4. Interessanterweise erreichte auch die Kölner Bürger-Sodalität ihren höchsten Mitgliederstand in dieser Zeit (1723: 915); M, Struktur [wie Anm. 8], S. 196. Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 167 leicht unter 160 (1687: 158; 1688: 154; 1689: 151; 1690: 153). Nach dem Höchststand von 1724 dauerte es noch 15 Jahre bis die Mitgliederzahlen wieder unter dieses Niveau fielen (1739: 158). Der weitere Abschwung verlief kontinuierlich: 1754 bestand die Vereinigung noch aus 102 Devotessen, 1774 waren es 50 und als 1791 die letzte ‚Jungfrau‘ beitrat, hatte die Ursulagesellschaft nur noch 18 Mitglieder. Die Entwicklung der Mitgliederzahlen dokumentiert den großen Erfolg der Ursulagesellschaft und lässt eine breite Verankerung der Devotessen in der Kölner Bevölkerung vermuten. Dabei zeigen sich in der langfristigen Mitgliederentwicklung gewisse ‚Frömmigkeitskonjunkturen‘. Der enorme Aufschwung in den beiden Jahrzehnten nach der Neugründung zeugt von der Attraktivität des von der Ursulagesellschaft angebotenen Lebensmodells für Frauen, lässt sich möglicherweise aber auch auf die Situation nach dem Dreißigjährigen Krieg und die Durchsetzung der katholischen Konfessionalisierung in der Stadt zurückführen.72 Für die Schwankungen zwischen 1660 und 1725 fehlt bislang noch eine plausible Erklärung.73 Allerdings dürfen sie auch nicht überbewertet werden, denn immerhin bewegten sich die Mitgliederzahlen in dieser Zeit kontinuierlich auf recht hohem Niveau. Dass die Gesellschaft noch bis Ende der 1730er-Jahre mehr als 160 Mitglieder zählte, deutet darauf hin, dass die frühneuzeitliche Konfessionalisierung, als deren genuines Produkt die jesuitisch geprägte Ursulagesellschaft angesehen werden kann, kein auf die Jahrzehnte um 1600 begrenztes Phänomen war, sondern bis weit in das Jahrhundert der Aufklärung hinein wirkte.74 Der deutliche Rückgang der Mitgliederzahlen wie der Neueintritte seit dem zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts deckt sich mit Untersuchungen zur Säkularisierung der stadtkölnischen Gesellschaft im Laufe des 18. Jahrhunderts.75 72 Die Literatur zur katholischen Konfessionalisierung in der Reichsstadt beschränkt sich auf das 16. und die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts; vgl. etwa B, Reform [wie Anm. 11]; ., Köln [wie Anm. 11]; knappe Hinweis zur konfessionellen Situation nach 1648 bei Leo S, Die religiöse und wirtschaftliche Entwicklung des Protestantismus in Köln während des 17. Jahrhunderts, in: AHVN 85 (1908), S. 1-42, hier S. 4-16; August F, Der Wiederaufbau des kirchlichen Lebens im Erzbistum Köln unter Ferdinand von Bayern, Erzbischof von Köln 1612-1650 (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 69-71), Münster 1941, S. 339-341; Rudolf L / Dieter K, Die vier heimlichen Gemeinden Kölns, in: Ursula S (Bearb.), Protokolle der hochdeutsch-reformierten Gemeinde in Köln von 1599-1794, Bd. 4 (Inventare nichtstaatlicher Archive 33), Köln/Bonn 1990, S. 11-31, hier S. 16-19; Hans-Wolfgang B, „Über den haubtspunctum der verfluchtten Autonomia“. Die Stadt Köln in den Religionsverhandlungen des Westfälischen Friedenskongresses und des Nürnberger Exekutionstages, in: RhVjbll 69 (2005), S. 212-241, hier S. 240f. 73 Möglicherweise lassen sich die zwischenzeitlich geringen Eintrittszahlen mit Krisenereignissen der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verbinden: In den beiden Jahren nach der Pestwelle von 1665/66 traten insgesamt nur drei Frauen der Ursulagesellschaft bei, nach dem Gülich-Aufstand (1683-1686) gab es 1686/87 keine Eintritte. Parallele Entwicklungen lassen sich bei einzelnen Kölner Bruderschaften nachweisen. Der Befund ist allerdings nicht eindeutig, da viele andere gerade um diese Zeit einen Beitrittsboom erlebten; M, Struktur [wie Anm. 8], S. 196, 201, 287, 290, 377-379, 382. 74 Diesen längerfristigen Prozess der Durchsetzung und Internalisierung von Glaubensnormen analysiert exemplarisch Thomas P. B, Konfessionalisierung in Kurköln. Untersuchungen zur Durchsetzung der katholischen Reform in den Dekanaten Ahrgau und Bonn anhand von Visitationsprotokollen 1583-1761 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn 43), Bonn 1989. 75 Rudolf S, Glaube und Religion in der Säkularisierung. Die katholische Stadt – Köln, Aachen, Münster – 1700-1840 (Ancien Régime, Aufklärung und Revolution 28), München 1995. Der Niedergang lässt sich auch bei den Laienbruderschaften feststellen, überdeutlich ist der Mitgliederschwund etwa bei der Ursulabruderschaft; M, Struktur [wie Anm. 8], S. 280. 168 Andreas Rutz Auch wenn die Mitgliederzahlen im Laufe des 18. Jahrhunderts stark abnahmen, scheint die Ursulagesellschaft weiterhin aktiv und im geistlichen Leben der Stadt sichtbar gewesen zu sein. 1790 erwähnt Joseph Gregor Lang in seiner Reise auf dem Rhein unter den 2.500 Geistlichen in Köln auch die ansehnliche Zahl der Krankenwärterinnen, Devotessen oder sogenannten Quaesolae.76 Am 15. August 1791 trat Maria Christina Kemmerlings als letztes Mitglied der Ursulagesellschaft bei. Noch 1798, also in französischer Zeit, wurden zehn von 19 Kölner Pfarrschulen für Mädchen von Devotessen gehalten, hinzu kamen drei von fünf Armen- bzw. Sonntagsschulen und eine von zwölf Privatschulen für Mädchen.77 Ob die Ursulagesellschaft in dieser Zeit noch Versammlungen und gemeinsame Messen veranstaltete, ist unklar; über eine förmliche Auflösung der Gemeinschaft ist nichts bekannt.78 4. Altersstruktur und Sozialprofil Über das Alter der Devotessen liegen keine Daten vor. Für einen größeren Teil der Mitglieder der neuen Ursulagesellschaft (1646–1791) kennen wir jedoch die Dauer ihrer Mitgliedschaft und können somit indirekt auf die Altersstruktur schließen. Die folgende Graphik zeigt die Dauer der Mitgliedschaft in 10-Jahres-Schritten. Graphik 6: Dauer der Graphik 6: Dauer derMitgliedschaft Mitgliedschaft 120 100 80 60 40 20 0 1-10 11-20 21-30 31-40 41-50 51-60 61-70 Jahre Joseph Gregor L, Reise auf dem Rhein. Vom Siebengebirge bis Düsseldorf, hrsg. v. Willy Leson, Köln 1976, S. 65; in der Erstausgabe Koblenz 1790, S. 252. Eine zweite Auflage erschien 1805. 77 R, Bildung [wie Anm. 14], S. 206, 298f. 78 Zur französischen Zeit in Köln vgl. Klaus M, Köln von der französischen zur preußischen Herrschaft. 1794-1815 (Geschichte der Stadt Köln 8), Köln 2005; zur Säkularisation geistlicher Institutionen Georg M / Joachim O / Wolfgang R (Hrsg.), Klosterkultur und Säkularisation im Rheinland, Essen 2002. 76 Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 169 Es ist auffällig, dass ein erheblicher Teil der Frauen 30 und mehr Jahre Mitglied der Ursulagesellschaft war. 45 Devotessen gehörten ihr 51 bis 60 Jahre an, 14 sogar 61 bis 70 Jahre. Die durchschnittliche Dauer der Mitgliedschaft betrug 31 Jahre. Diese Zahlen deuten einerseits auf eine vergleichsweise hohe Lebenserwartung, was sich vermutlich auf den sozialen Stand sowie die Kinderlosigkeit der Frauen zurückführen lässt.79 Andererseits ist davon auszugehen, dass die Devotessen bereits in jungen Jahren in die Ursulagesellschaft eintraten und ihr Leben Mitglied blieben.80 Tatsächlich sah die reformierte Regel vor, dass die aufzunehmenden Frauen eines bestendigen Alters seyn [sollen] / und keine under zwanzig Jahren angenommen werden. Auch müssten sie einen starcken Vorsatz haben / in dieser S. Vrsula Gesellschafft zu verbleiben / und nach diesen Regulen und Statuten […] allzeit zu leben.81 Die Identifizierung der einzelnen Mitglieder der Ursulagesellschaft und deren Einordnung in das Kölner Bürgertum auf der Basis der ihr bekannten Mitgliederliste für die Jahre 1606 bis 1643 hat Conrad bereits vor längerer Zeit gefordert.82 Die Auffindung des Mitgliederverzeichnisses für die Jahre 1646 bis 1791 und die sich hieraus ergebende Verfügbarkeit von insgesamt über 900 Namen böte die Möglichkeit, das von Conrad angedachte Projekt auf einer vollständigen Datenbasis und in breiter zeitlicher Perspektive umzusetzen. Ziel wäre die Erstellung eines Sozialprofils der Ursulagesellschaft, das heißt eine Verortung der einzelnen Mitglieder im sozio-ökonomischen Gefüge der reichsstädtischen Gesellschaft. Systematisch auszuwerten wären zunächst jene Quellenbestände, die durch gedruckte Findbücher mit Namensregistern erschlossen sind und auf diese Weise Zugriff auf Einzelpersonen bieten. Hierzu zählen vor allem die Testamente83 und Zivilprozesse84 im Historischen Archiv der Stadt Köln sowie die Generalvikariatsprotokolle85 im Historischen Archiv der Erzdiözese Köln. Die Protokolle des Rates der Stadt Köln sind lediglich bis 1550 ediert,86 für die uns interessierende Zeit wären mit Hilfe der zeitgenössischen Indizes allenfalls Stichproben möglich.87 Eine zentrale Quelle stellen hingegen die Jahresberichte der Kölner Jesuiten dar. Sie verzeichnen auch Wohltäterinnen und Stifterinnen, zu denen die Mitglieder der Ursulagesellschaft häufig gehörten, sind 79 80 81 82 83 84 85 86 87 Josef E, Art. ‚Hohes Alter‘, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 5, Stuttgart/Weimar 2007, Sp. 607-613, hier Sp. 608. Vgl. auch den Klassiker von Peter B, Geschichte des Alters. 16.-18. Jahrhundert (Studien zur Geschichte des Alltags 7.1), Münster 1987. So trat etwa Maria Grontzfelts/Grunesfelts 1615 mit 22 Jahren in die Gesellschaft ein; H/M, Hexenverhöre [wie Anm. 57], S. 139. Regulen / Statuten / und Satzungen [wie Anm. 20], S. 7f. C, Hexen [wie Anm. 21], S. 138, Anm. 8. Vgl. für Köln Wilhelm B (Bearb.), Verzeichnis der Kölner Testamente des 13.-18. Jahrhunderts (MittStAK 44), Köln 1953. Neben dem hier verzeichneten Best. 110 (Testamente) findet sich eine größere Anzahl von Testamenten in Best. 223 (Jesuiten). Hier wäre die Mitgliedschaft zahlreicher als ‚Jungfern‘ o.ä. bezeichneter Testatorinnen in der Ursulagesellschaft zu überprüfen. Hermann K / Erich K (Bearb.), Die Kölner Zivilprozesse 1364-1700, in: MittStAK 38 (1926), S. 1-91; Arnold G (Bearb.), Die Kölner Zivilprozesse 1701-1750, in: ebd. 43 (1935), S. 5-190; . (Bearb.), Die Kölner Zivilprozesse 1751-1797, in: ebd. 46 (1962), S. 7-77. Hermann D / Johannes S / Johannes V (Bearb.), Die Kölner Generalvikariatsprotokolle als personengeschichtliche Quelle, 12 Bde. (Veröffentlichungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde N.F. 3, 4, 6, 9, 12, 23, 59, 65, 95, 114, 147, 157, 187, 240), Köln 1970-2008. Manfred G / Manfred H (Bearb.), Beschlüsse des Rates der Stadt Köln 1320-1550, 6 Bde. (PGRhGK 65), Düsseldorf 1989-2003. HAStK, Best. 10 (Ratsprotokolle). 170 Andreas Rutz allerdings nicht durch Register erschlossen.88 Die in der Kölner Jesuitenkirche begrabenen Wohltäterinnen sind im Nekrolog des Jesuitenkollegs verzeichnet, auch hierunter finden sich zahlreiche Devotessen.89 Heranzuziehen wären gegebenenfalls auch das Kölner Neubürgerverzeichnis,90 Bürgermeister- und Ratsherrenlisten,91 die Universitätsmatrikel92 sowie Arbeiten zur Prosopographie des kurfürstlichen Hochgerichts in Köln.93 Die Zuordnung der Frauen zu den Familien der hier genannten männlichen Personen dürfte allerdings auch bei Namensübereinstimmung nicht immer einwandfrei möglich sein. Nach dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln am 3. März 2009 steht eine Realisierung des skizzierten Projekts allerdings mehr als in Frage. Im Vorfeld der Katastrophe konnte zumindest ein Teil des Bestands 110 (Testamente) eingesehen werden, auf den ich mich für diesen Aufsatz konzentrieren wollte.94 Aufgrund der noch nicht vollständig abgeschlossenen Quellendurchsicht ist eine statistische Auswertung für unsere Fragestellung nun nicht mehr möglich. Der Abgleich der Mitgliederlisten mit dem Bestandsverzeichnis lässt immerhin die Aussage zu, dass von den 927 Frauen, die zwischen 1606 und 1791 der Ursulagesellschaft angehörten, 113 (12,2 Prozent) ein oder mehrere im bearbeiteten Fonds enthaltene Testamente hinterlassen haben.95 Bei der Differenzierung von alter und neuer Ursulagesellschaft sind kaum Unterschiede festzustellen. Während von den Mitgliedern der ersten Ursulagesellschaft 9,1 Prozent (27) der Mitglieder ein Testament hinterließen, waren es in der reformierten Gesellschaft 13,7 Prozent (94).96 Im Folgenden sollen ausgewählte Frauen und ihre Testamente exemplarisch vorgestellt werden, um einen Eindruck vom finanziellen Hintergrund und dem 88 89 90 91 92 93 94 95 96 HAStK, Best. 223 (Jesuiten), A 9 (Litterae annuae collegii Coloniensis S.J., 1552-1660); ebd., A 642-656 (Litterae annuae provinciae S.J. Rheni inferioris, 1680-1772). Zu Devotessen, die für das Tricoronatum stifteten, vgl. R, Bildungsmäzenatentum [wie Anm. *], S. 95-99. HAStK, Best. 223 (Jesuiten), A 25. Nach freundlicher Auskunft von Yvonne Bergerfurth M.A. (Bonn/Köln) werden die meisten der aufgeführten Frauen als ‚devotae virgines‘ bezeichnet. Hugo S / Gerd M / Joachim D (Bearb.), Kölner Neubürger 1356-1798, 4 Bde. (MittStAK 61-64), Köln 1975-1983. Wolfgang H, Zur Rekonstruktion und Edition der Kölner Bürgermeisterliste bis zum Ende des Ancien Régime, in: RhVjbll 36 (1972), S. 89-183; Herbert M. S, Ratsherrenverzeichnis von Köln zu reichsstädtischer Zeit von 1396-1796 (Veröffentlichungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde N.F. 19), Köln 1982; Joachim D, Die Kölner Bürgermeister in der Frühen Neuzeit. Profil einer Gruppe von Berufspolitikern, in: Georg M / Gerd S (Hrsg.), Köln als Kommunikationszentrum. Studien zur frühneuzeitlichen Stadtgeschichte (Der Riss im Himmel. Clemens August und seine Epoche 4), Köln 1999, S. 365-402. Hermann K (Bearb.), Die Matrikel der Universität Köln, 7 Bde. (PGRhGK 8), Bonn 1919-1931, Düsseldorf 1981. Wolfgang H / Peter Arnold H, Vom Geburtsstand zur regionalen Juristenelite. Greven und Schöffen des kurfürstlichen Hochgerichts in Köln von 1448 bis 1798, in: RhVjbll 62 (1998), S. 59-160. Aufgrund ihrer Bedeutung für das Grundbuchwesen der Stadt wurden die Testamente bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit dem Kölner Schöffenschrein zur Aufbewahrung übergeben. Die Urkunden dieses Fonds bilden somit eine einheitliche Gruppe in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung; B, Verzeichnis [wie Anm. 83], S. I. Zum rechtlichen Hintergrund vgl. ausführlich Günter A, Das Testamentsrecht der Stadt Köln im Mittelalter (VKGV 8), Köln 1932. Ausführliche statistische Analysen des Bestands finden sich bei S, Glaube [wie Anm. 75], insb. S. 179-269; August-Wilhelm E, Vom Eigennutz zum Gemeinnutz. Gemeine, fromme und milde Legate von Lübecker und Kölner Bürgern des 17. Jahrhunderts im Spiegel ihrer Testamente (Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck B/45), Lübeck 2007. Für die Hilfe bei der Recherche danke ich Andreas Popescu (Bonn). Acht Testatorinnen gehörten der Ursulagesellschaft auch nach der Reform an; sie werden bei dieser Berechnung im Gegensatz zur oben genannten Gesamtzahl doppelt gezählt. Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 171 Testierverhalten der Devotessen zu gewinnen und hieraus Rückschlüsse auf die Sozialstruktur der Ursulagesellschaft zu ziehen.97 Spektakulär ist der bereits erwähnte Fund des Testaments der Gründerin der Gesellschaft, Ida Dulmans, genannt Schnabels, vom 31. Januar 1650.98 Sie war die Witwe von Johann Schnabels, nach Auskunft des Testaments ein Kölner Bürger und Weinhändler. Sein Todesdatum geht aus der Urkunde nicht hervor, er muss allerdings vor 1606 gestorben sein, da Ida Schnabels die Ursulagesellschaft als Witwe gegründet hat. Im Bericht des Nuntius Alfieri heißt es, sie habe vorher in Aachen gelebt und sei erst 1602 auf der Flucht vor der Pest nach Köln gekommen.99 Erstaunlich ist, dass Schnabels laut Testament zwei Söhne hatte: Wenzeslaus und Theodor müssen zum Zeitpunkt der Gründung der Ursulagesellschaft noch Kleinkinder gewesen sein, es sei denn, es handelte sich um Kinder ihres Mannes aus einer früheren Ehe. Sie waren zum Zeitpunkt der Testamentsabfassung bereits verstorben, ihr Erbteil an die Mutter gefallen. Das von Schnabels zu vererbende Vermögen war erheblich, und sie gab es im Wesentlichen an die Gesellschaft Jesu und an ihre Verwandten: Ihre Brüder und Schwestern erhielten das elterliche Haus nebst Zinshäusern in Köln, verschiedene Neffen bekamen die Einkünfte aus Häusern und Ländereien in Deutz, ihre Behausung in der Linckgasse ging an eine der Töchter ihrer verstorbenen Schwester, die Mobilien teilte Schnabels zwischen den Kindern dieser Nichte und deren Schwester, Anna Schnabels, auf. Letztere erhielt laut Testament auch noch eine Leibzucht aus einem Kapital von 800 Rtlr. Weitere, in Marienforst liegende 100 Rtlr. gingen an Neffen und Nichten. Bei den Zuwendungen für die Jesuiten fällt auf, dass Schnabels nicht nur an das Kölner Kolleg stiftete, dem sie sich offensichtlich trotz aller Streitigkeiten um die Ursulagesellschaft eng verbunden fühlte (insg. 3000 Rtlr.). Vielmehr hinterließ sie einer ganzen Reihe von Jesuitenniederlassungen im Rheinland mittlere und größere Kapitalien: Koblenz (800 Königstaler, 600 Rtlr.), Trier (1600 Rtlr.), Düren (500 Rtlr.) und Münstereifel (500 Rtlr.). Bonn und erneut Düren erhielten je zur Hälfte ein beim Rat der Stadt Köln stehendes Kapital von 1000 Rtlr. unter der Bedingung, dass Schnabels’ Nichte, die viell ehr und tugendreiche jungfer Anna Schnabels, Zeit ihres Lebens von diesem Kapital leibzuchtigh genießen, deßwegen auch biß zu ihrem absterben zu die rhentverschreibung in händen haben und behalten solle.100 Dem Jesuitenkolleg in Neuss vermachte Schnabels ihre vier holtz bewäldt auff dem Hörder busch. Kleinere Zuwendungen erhielten schließlich verschiedene geistliche Institutionen in Köln: die Pfarrkirche St. Maria Ablass (100 Rtlr.), in deren Pfarrbezirk das Ursulastift lag, sowie die in unmittelbarer Nähe des Stifts befindlichen Konvente Mommersloch (St. Apollonia) (3 Goldgulden sowie 300 Rtlr. für Messen) und Zur Busse (St. Maria Magdalena) (300 Rtlr. für Zur Sozialstruktur frühneuzeitlicher Bruderschaften vgl. S, Bruderschaften [wie Anm. 8], S. 229253; O, Bruderschaften [wie Anm. 8], S. 78-80; Joachim O, Frömmigkeit im Zeitalter der Säkularisation. Bruderschaften in Köln und im Rheinland, in: M/O/R, Klosterkultur [wie Anm. 78], S. 184f. 98 HAStK, Best. 110 (Testamente), D 292. 99 D, Ward [wie Anm. 21], S. 512; vgl. C, Kloster [wie Anm. 7], S. 113. Erstaunlicherweise findet sich eine Ida Schnabels in den Neubürgerlisten, allerdings erst am 08.05.1645. Da am selben Tag eine Gertrud Dulmans den Bürgereid leistete, dürfte es sich tatsächlich um die Gründerin der Ursulagesellschaft handeln; S/M/D, Neubürger (wie Anm. 90), Bd. 2, S. 52, Nr. 118f. Dass sich Schnabels als Witwe eines Kölner Bürgers überhaupt in die Neubürgerlisten eintragen ließ, könnte damit zusammenhängen, dass sie über Grundbesitz in Köln verfügte und diesen vererben wollte. Für diesen erläuternden Hinweis danke ich Jochen Hermel M.A. (Bonn). 100 HAStK, Best. 110 (Testamente), D 292; die folgenden Zitate ebd. 97 172 Andreas Rutz Messen), außerdem Hausarme und Armenklöster, darunter Discalzeaten und Discalzeatinnen (je 300 Rtlr.). Die Ursulinen jungferen hieselbst, also die Devotessen der Ursulagesellschaft, wofern sie alhir verpleiben werden, sonsten zu st. Ursulen alhir, erhielten für eine wöchentliche Messe zu Ehren der hl. Ursula 300 Rtlr. Diese wie auch die Messen in den Konventen Mommersloch und zur Busse sollten möglichst von Verwandten der Testatorin gehalten werden. Insgesamt weist das Testament von Ida Schnabels Merkmale auf, die sich auch in den Testamenten vieler anderer Devotessen wieder finden: Zunächst fällt der Vermögensumfang auf, den Schnabels wie auch andere Mitglieder der Ursulagesellschaft zu vererben hatten und der von Immobilien über Renten und Kapitalien bis hin zu Wertgegenständen wie Mobiliar, Kunsthandwerk, Gemälden und Büchern reichte.101 Schnabels Testament sticht hier aufgrund der Höhe des vererbten Vermögens heraus,102 aber auch andere Devotessen hinterließen beträchtliche Summen und Besitztümer, die Rückschlüsse auf den sozialen Hintergrund und die Finanzierung des geistlichen Lebens dieser Frauen zulassen.103 Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Beobachtung, die August-Wilhelm Eßmann in seiner Untersuchung der Kölner Testamente des 17. Jahrhunderts gemacht hat: Die Berufsgruppen der Bürgermeister und Ratsherren sowie der Akademiker testierten mit 56 Prozent am häufigsten, gefolgt von Handwerkern und Dienstleistungsberufen mit 40 Prozent. Dieser Unterschied ist nicht sonderlich verwunderlich, da mit steigendem Vermögen die Notwendigkeit größer wird, ein Testament zu verfassen. Interessant ist allerdings, dass die weniger vermögenden Handwerker und die in Dienstleistungsberufen tätigen vor allem ihre Nachkommenschaft begünstigten.104 Die Devotessen-Testamente bestätigen diesen Eindruck: Gerade Frauen mit kleineren Vermögen vererbten vor allem an ihre Verwandten und gaben nur geringe Summen an geistliche Institutionen wie die Gesellschaft Jesu und andere Orden.105 Es ist anzunehmen, dass ein erheblicher Teil dieser Frauen aus Familien stammte, die der von Eßmann untersuchten Gruppe der Handwerker und Dienstleistungsberufe zuzuordnen sind. Wir können damit in der Ursulagesellschaft drei soziale Gruppen unterscheiden: 1) wohlhabende Frauen, die über Immobilien und teilweise erhebliche Vermögen verfügten; 2) Frauen mit geringerem Besitz aus Handwerkerkreisen und in Dienstleistungsberufen tätigen Familien; und schließlich 3) die große Gruppe der Frauen, die mangels Vermögen keine Testamente hinterließen. Nach Ausweis der Testamente 101 Elisabeth Ross vermachte ihrem Oheim in ihrem Testament vom 30.08.1622 ein Kruzifix aus Ebenholz mit einem etwa ein Pfund schweren Bildwerk aus Silber; HAStK, Best. 110 (Testamente), R 411. Johanna Heuters hinterließ in ihrem Testament vom 08.05.1696 ein controfeij ihrer churfürstlichen gnaden zu Trier Caroli Caspari sowie ein dabeij stehende schildereijen Christi ahm creutz; ebd., H 619. Im Testament von Anna Koetten vom 05.09.1622 werden ein buch von der mortification, ein buch der spiegell der jungfernschafft und weitere geistliche schriften genannt; ebd., K 701. Ähnliches erbauliches Schrifttum ist bei den Münsteraner Anhängerinnen der Jesuiten nachweisbar; Ronnie Po-Chia H, Gesellschaft und Religion in Münster 1535-1618 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster N.F. 13), Münster 1989, S. 87. 102 Auf ihr Vermögen verweist auch Nuntius Alfieri 1538: Vive del proprio in stato Vedovile, et è molto ricca del Patrimonio; D, Ward [wie Anm. 21], S. 513. 103 Vgl. etwa die Testamente von Margaretha Bertlings vom 16.05.1666 und Josina von der Linden vom 07.03.1633, die jeweils mehrere tausend Reichstaler vererbten; HAStK, Best. 110 (Testamente), B 377; ebd., L 245. 104 E, Eigennutz [wie Anm. 94], S. 205f. 105 Vgl. etwa das Testament von Catharina von Hardenrahtt vom 01.06.1622; HAStK, Best. 110 (Testamente), H 195. Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 173 dürfte letztere fast 90 Prozent der Devotessen umfasst haben.106 Eine Unterscheidung der sozialen Gruppen wurde weder im Mitgliederverzeichnis noch im gemeinschaftlichen Leben der Gesellschaft vorgenommen.107 Da die Gesellschaft keine ‚vita communis‘ pflegte und ihre dezentral lebenden Mitglieder nicht versorgte, musste der Lebensunterhalt der Devotessen im Wesentlichen aus privaten Mitteln bestritten werden. Die überlieferten Testamente zeigen, dass zumindest ein Teil der Frauen den entsprechenden finanziellen Hintergrund hatte, um sich dieses Leben auch ohne zusätzliche Arbeit leisten zu können. Diese Frauen scheinen darüber hinaus für andere Devotessen gesorgt zu haben, indem sie sie in das eigene Haus aufnahmen oder ihnen testamentarisch Leibrenten und andere Vermögenswerte vermachten, um ihr zukünftiges Leben in diesem Stand zu finanzieren. Mit der großzügigen testamentarischen Berücksichtigung ihrer Nichte Anna liefert das Testament von Schnabels hierfür ein Beispiel. Anna Schnabels war der Ursulagesellschaft bereits in der Gründungsphase (zwischen 1606 und 1614) beigetreten. Ob sie bei ihrer Tante gewohnt hat, ist unbekannt, es wäre aber denkbar. Immerhin muss sie mit Ida Schnabels so eng verbunden gewesen sein, dass sie 1646 nicht mehr in die neue Ursulagesellschaft aufgenommen wurde oder dies selbst ablehnte. Schnabels sorgte testamentarisch dafür, dass ihre Nichte nach ihrem Tod finanziell unabhängig war und weiterhin ein semireligioses Leben führen konnte, auch und vielleicht gerade weil sie nicht mehr Mitglied der Ursulagesellschaft war. Eine noch weiterreichende Vorsorge für ihre weiblichen Verwandten traf Catharina Weidenfeldts, eine Schwester des Jesuiten und Regens des Tricoronatum Winand Weidenfelts.108 In ihrem Testament vom 4. April 1658 verfügte sie, dass ihre bei ihr wohnende Nichte Catharina die Halbscheid aus dem Wallershof erhalten solle, um ihr im Stand der Jungfernschaft nachzufolgen.109 Auch die jüngere Catharina sollte wiederum eine ihrer Nichten bei sich aufnehmen und das Erbe bei ihrem Tod an sie weitergeben. Weidenfeldts’ Idee war offenbar, dass immer eine ältere Devotesse mit einer jüngeren Verwandten zusammen leben und sie als Nachwuchs rekrutieren sollte. Die jüngere Catharina wurde allerdings nicht Mitglied der Ursulagesellschaft. Stattdessen traten 1663 bzw. 1670 zwei andere Weidenfeldts, nämlich Margaretha110 und Odilia,111 in die Devotessengemeinschaft ein. Die ältere Catharina Weidenfeldts verfasste am 13. Juni 1676 ein neues Testament, in dem sie diese beiden Nichten als Universalerben einsetzte. Nach Catharinas Tod sollten sie das Erbe an keine andere als diejenige, so im jungfern devotessenstand leben und gott dienen werden, weitergeben.112 Diese Form der ‚Dynastiebildung‘ scheint längerfristig funktioniert zu haben: Margaretha verstarb 1699, das Erbe fiel damit an Odilia, die in ihrem Testament vom 30. März 1722 im Sinne ihrer Tante verfügte, dass das 106 Im Zusammenhang mit dem oben geschilderten Kleiderstreit verwies der Jesuitengeneral Gonzalez 1692 darauf, dass die neue, elegante Tracht sich für arme Familien nicht gezieme, „aus denen ja viele Jungfrauen zu diesem Stande übergehen“; D, Geschichte [wie Anm. 65], S. 635. 107 Dies war in zeitgenössischen Bruderschaften zum Teil erheblich anders; O, Bruderschaften [wie Anm. 8], S. 79f. 108 Karl H. B, Stifter und Stiftung Weidenfelts, Schunck und Meuser mit Nachkommenschaftstafeln (Veröffentlichungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde 128; Stiftungen des Kölner Gymnasialund Stiftungsfonds 3), Köln 2000, S. 62*. Vgl. zum Folgenden auch ebd., S. 53*-65*; R, Bildungsmäzenatentum [wie Anm. *], S. 98f. 109 HAStK, Best. 110 (Testamente), W 140. 110 Mitglied der Ursulagesellschaft 1663-1699. 111 Mitglied der Ursulagesellschaft 1670-1733. 112 HAStK, Best. 110 (Testamente), W 141. 174 Andreas Rutz Vermögen an die nächste Generation, nämlich ihre Nichten Odilia113 und Anna Elisabeth Weidenfeldts114 sowie an Anna Gertrud Schulten115 fallen sollte. Die drei Frauen gehörten der Ursulagesellschaft bereits seit 1704 bzw. 1714 an. Nach ihrem Tod sollte das Erbe wiederum an Devotessen aus der Verwandtschaft fallen. Und tatsächlich trat 1745 eine Weidenfeldts, Maria Margaretha, der Devotessengemeinschaft bei und setzte die Tradition fort.116 Es ist anzunehmen, dass die Frauen über mehrere Generationen im Haus von Catharina Weidenfeldts, wie diese es testamentarisch festgelegt hatte, eine Schule betrieben, worin die junge tochter in allen heijlsamen lehrstücken unterrichtet und erzogen werden mögen.117 Auch Anna Ambstenrath118 setzte in ihrem Testament vom 2. April 1689 ihre Nichte Anna Catharina Butgen119 unter der Bedingung als Universalerbin ein, dass sie ihr im standt der gottverlobten weltgeistlichen jungfer nachfolgen solle, was diese auch tat.120 Ihre Schule hinterließ Ambstenrath allerdings mehreren Frauen, mit denen sie zusammengearbeitet hatte: Die drei Jungfern Anna Gertrud, Anna und Catharina Thonet121 sollten ihr Haus in der Breitestraße bekommen, in dem sie zusammen schull und kosthauß gehalten hätten. Dies sollten die Schwestern nach dem Tod der Testatorin weiterhin und nunmehr als Vorsteherinnen tun. Außerdem erhielten sie alle Mobilien, die Ambstenrath zusammen mit zwei weiteren Schuljungfern, Anna Margaretha Gaßwaldt122 und Anna Königshoven,123 auß der gemeinen cassa der schullen und kosthauß angeschafft hatte, sowie die Mobilien, die als Geschenk in die Schule gekommen seien. Darüber hinaus vermachte die Testatorin den Thonets auch ihre persönliche Habe, nach deren Tod sollte sie an das Schul- und Kosthaus in der Breitestraße fallen. Als Begründung für die Übertragung des Hauses wird angeführt, dass die Schwestern sich in größerem Maßstab an der Finanzierung von Schulden und Einrichtung beteiligt hätten. 1710 stiftete die Devotesse Anna Thonet das Haus zu einer ewigen schullen, die von jesuitessen gehalten werden sollte.124 Wie schon an anderer Stelle ausführlicher diskutiert, war dieses Bildungsmäzenatentum sei- 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 Mitglied der Ursulagesellschaft 1704-1746. Mitglied der Ursulagesellschaft 1704-1741. Mitglied der Ursulagesellschaft 1714-1766. Mitglied der Ursulagesellschaft 1745-Ende. HAStK, Best. 110 (Testamente), W 141. Neben den Weidenfeldts gibt es verschiedene andere Familien, die mit mehreren Frauen in der Ursulagesellschaft vertreten waren. Auch wenn die Verwandtschaftsverhältnisse nicht immer eindeutig zu klären sind, ist auffällig, dass häufiger Frauen mit gleichem Namen an demselben Tag oder im Abstand von einigen Jahren der Ursulagesellschaft beitraten. Mitglied der Ursulagesellschaft 1654-1704. Mitglied der Ursulagesellschaft 1694-1732. Ihr Testament in HAStK, Best. 110 (Testamente), B 1181, vom 28.07.1717 konnte leider nicht mehr eingesehen werden. HAStK, Best. 110 (Testamente), A 161. Als Mitglied der Ursulagesellschaft ist 1673-1690 nur eine Anna Elisabeth Ton(n)ets belegt. Nicht als Mitglied der Ursulagesellschaft belegt. Mitglied der Ursulagesellschaft 1664-1714; in einem früheren Testament von Ambstenrath vom 20.04.1673 ist sie noch als Universalerbin eingesetzt; HAStK, Best. 110 (Testamente), A 160. Joseph K, Das Mädchenschulwesen in den Ländern am Rhein im 17. und 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Geschichte der Erziehung und des Unterrichts 22 (1932), S. 1-35, hier S. 16f. Die hier zitierte Akte HAStK, Best. 223 (Jesuiten), A 756, fehlte laut Findbuch schon vor Einsturz des Archivs. Gleiches gilt für die Akte HAStK, Best. 295 (Geistliche Abteilung), 65, in der sich die Schulregeln der Schule der Geschwister Thonet, Vorschriften zur Erteilung des Schreib- und Sprechunterrichts und die Hausordnung der Kostschule befanden. Zumindest Teile dieser Akten waren kurz vor dem Einsturz in HAStK, Best. 150 (Universität), „ungeordnet“, Karton 4, wieder aufgetaucht. Ich danke Yvonne Bergerfurth M.A. (Bonn/ Köln) und Dr. Manfred Huiskes (Köln) für diesen Hinweis. Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 175 tens der Devotessen durchaus verbreitet und trug zum Ausbau und der zunehmenden Differenzierung des katholischen Schulwesens bei.125 Die Beispiele zeigen unterschiedliche Finanzierungsmodelle des semireligiosen Lebens in Köln. Gemeinsam ist ihnen das private Engagement einzelner Frauen, die mit der Stiftung von Immobilien, Leibrenten und Kapitalien Vorsorge für einzelne Verwandte, künftige Generationen innerhalb der eigenen Familien oder Gruppen von Devotessen trafen. Wie das Beispiel der Anna Ambstenrath und der Geschwister Thonet zeigt, investierten Devotessen ihr Vermögen auch in gemeinsame Projekte und versuchten, die geschaffenen Strukturen durch gegenseitige Begünstigung in ihren Testamenten längerfristig zu sichern. Auf diese Weise bildete sich in Köln ein Netzwerk von semireligiosen Wohngemeinschaften und Devotessenschulen, die einerseits den Lebensunterhalt einzelner Frauen unabhängig von ihrem finanziellen Hintergrund gewährleisteten und andererseits der Ursulagesellschaft institutionelle Orte der Vergemeinschaftung gaben. Im Gegensatz zu den meist parochial oder lokal organisierten Bruderschaften erstreckte sich dieses Netzwerk über die gesamte Stadt.126 In ihrer privat finanzierten, dezentralen und der Kontrolle kirchlicher Autoritäten entzogenen Organisation sowie der Einbindung in die Pfarreien durch Mitwirkung in Katechese und Schule spiegelten die Wohngemeinschaften das Ideal der Devotessen, in der welt nit weltlich zu leben.127 Berücksichtigt man diese Struktur der Kölner Devotessenvereinigung, ist es nicht verwunderlich, dass in den Testamenten kaum Legate für die Ursulagesellschaft selbst begegnen. Die in der Regel von 1640 enthaltene Bestimmung, dass jede Frau nicht nur bei ihrem Eintritt eine Spende entrichten, sondern der Gemeinschaft auch bei ihrem Tod aus guter schwesterlicher affection und neigung etwas vermachen solle, wurde nicht immer beachtet.128 Letztlich war der Finanzbedarf der Ursulagesellschaft im Vergleich mit klösterlich lebenden Gemeinschaften ja auch gering. Geld wurde im Wesentlichen für die gemeinsamen Gottesdienstaktivitäten benötigt.129 Dem finanziellen Bedarf entsprechend hinterließen die Devotessen der Ursulagesellschaft gelegentlich Messfundationen, häufiger aber kleinere Geldbeträge von wenigen Reichstalern.130 Gegenüber den Stiftungen für andere geistliche Institutionen fielen diese freilich kaum ins Gewicht. Eine so breite regionale Streuung der Legate für geistliche Institutionen wie im Testament von Ida Schnabels findet sich in keinem anderen der gesichteten Testamente.131 In der Regel setzten die Devotessen mehrere Kölner Einrichtungen als Erben ein. An vorderster Stelle 125 R, Bildungsmäzenatentum [wie Anm. *]. Vgl. über die dort genannten Beispiele hinaus u.a. HAStK, Best. 110 (Testamente), B 1152; ebd., K 701; ebd., L 224; ebd., L 225; ebd., L 320/1; ebd., R 411. 126 „Die Mitglieder von Bruderschaften in der Großstadt Köln wohnten im Gebiet einer Pfarrei oder bestenfalls eines Stadtviertels; die topographische Segregation wurde also eher betont“; M, Erzbistum [wie Anm. 8], S. 721. 127 AEK, Pfarrarchiv Köln, St. Ursula, Best. Stift und Pfarrei St. Ursula, A II 10, S. 59. 128 AEK, Pfarrarchiv Köln, St. Ursula, Best. Stift und Pfarrei St. Ursula, A II 10, S. 75. 129 Vgl. hierzu C, Kloster [wie Anm. 7], S. 115, 117, 148-150, 152, 164-168f.; Regulen / Statuten / und Satzungen [wie Anm. 20], S. 14-21. 130 Vgl. u.a. HAStK, Best. 110 (Testamente), A 160; ebd., B 377; ebd., B 673; ebd., B 1152; ebd., H 195; ebd., K 701; ebd., L 224; ebd., L 225. Auch die Bruderschaften wurden in den Kölner Testamenten des 17. Jahrhunderts nur mit vergleichsweise geringen Legaten bedacht; E, Eigennutz [wie Anm. 94], S. 242f., 250. 131 Im Testament von Margaretha Arcks vom 15.10.1653 werden die Jesuitenkollegs in Bonn, Neuss und Köln bedacht; HAStK, Best. 110 (Testamente), A 194. Zur Begünstigung auswärtiger Klöster in Kölner Testamenten des 17. Jahrhunderts vgl. E, Eigennutz [wie Anm. 94], S. 240. 176 Andreas Rutz stand hier meist das Kölner Jesuitenkolleg, das nicht selten auch als Universalerbe fungierte. Beliebt waren auch Kapuziner, Predigerherren und Discalzeaten.132 Darüber hinaus wurde für eine Vielzahl kleinerer Frauenkonvente sowie gelegentlich auch für Pfarrkirchen testiert. In diesem Zusammenhang sind auch Geldbeträge zur Verteilung an die Hausarmen zu nennen. Die verschiedenen Zuwendungen lassen sich nicht im Einzelnen auf personelle Netzwerke zurückführen, wenngleich diese in vielen Fällen sicher entscheidend waren. Stiftungen an die Jesuiten sind natürlich mit den engen Beziehungen der Devotessen zur Gesellschaft Jesu und die Beichtvaterschaft der Patres zu erklären. Pfarrkirchen wurden entsprechend dem jeweiligen Wohnort bedacht oder wenn eine Devotesse dort in Katechese und Schule tätig war, also eine persönliche Beziehung zu der Pfarrei hatte. Die in den Testamenten berücksichtigten Frauenkonvente sind meist kleinere Drittordensklöster. So vermachte etwa Margaretha Bürvenich in ihrem Testament vom 24. September 1638 folgenden Konventen kleinere Kapitalien: Klosterjungfern zu St. Vincent auf der Burgmauer (50 Rtlr.), Kloster Bethlehem in der Büchse auf dem Eigelstein (50 Rtlr.), Kapuzinessen im oberen Lämbgen auf der Breitestr. (25 Rtlr.), Klarissen in der Glockengasse (25 Rtlr.).133 Es ist durchaus anzunehmen, dass die Devotessen mit diesen nicht in strenger Klausur lebenden Frauen in freund- oder verwandtschaftlicher Beziehung standen. Gelegentlich wird auch auf männliche Verwandte hingewiesen, die eine geistliche Karriere eingeschlagen hatten und nun im Testament besonders begünstigt werden.134 Insgesamt deuten die Testamente auf ein recht vielfältiges Sozialprofil der Ursulagesellschaft. Neben den wohlhabenden Devotessen, die Immobilien und größere Vermögen besaßen, gab es Frauen mit mittleren und kleinen Rücklagen, aus denen sie ihren Lebensunterhalt bestritten. Diesen beiden Gruppen steht der überwiegende Teil der Devotessen gegenüber, die aufgrund fehlenden Besitzes keine Testamente hinterlassen haben. Dass sie alle von der Unterstützung ihrer wohlhabenden Mitschwestern gelebt haben, ist unwahrscheinlich. Sie wurden vermutlich entweder von ihren Familien versorgt oder mussten arbeiteten.135 Zumindest ein Teil profitierte allerdings von den Hausgemeinschaften und Schulgründungen, Erbschaften von Leibrenten und Kapitalien, gegebenenfalls auch von speziellen Legaten für bedürftige Mitglieder.136 132 Jesuiten, Kapuziner und Discalzeaten waren auch in der Gesamtheit der Kölner Testamente des 17. Jahrhunderts die Hauptnutznießer; E, Eigennutz [wie Anm. 94], S. 236. 133 HAStK, Best. 110 (Testamente), B 1152. 134 Vgl. u.a. HAStK, Best. 110 (Testamente), B 105; ebd., B 377; ebd., G 534; ebd., H 195. Elisabeth Bonniers verband in ihrem Testament vom 25.09.1710 die Vererbung von 1000 Rtlr. an ihren Vetter Franz Conrad Wittgenstein sogar mit der Auflage, er müsse den geistlichen Stand annehmen; ebd., B 672. In ihrem neuerlichen Testament vom 17.06.1713 heißt es dann, der Vetter habe mittlerweile den geistlichen Stand angenommen und bekäme die 1000 Rtlr.; ebd., B 673. 135 Am weitesten verbreitet war sicherlich die Arbeit als Lehrerin; R, Semireligiosentum [wie Anm. *]; vgl. außerdem Herbert M. S, Einwohnerverzeichnis von Köln aus dem Jahre 1715 (Veröffentlichungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde N.F. 17), Köln 1981, S. 40, 69, 134, 144, 149. Das Einwohnerverzeichnis nennt darüber hinaus eine Devotesse, die Rosenkräntze und andere Kleinigkeiten feil hat; eine andere zapft Wein; ebd., S. 21, 108. 136 Elisabeth Lith vermachte der Ursulagesellschaft in ihrem Testament vom 25.08.1629 200 Rtlr. für bedürftige Mitglieder; HAStK, Best. 110 (Testamente), L 320/1; Maria und Elisabeth Lieffkens bestimmten in ihrem Testament vom 22.01.1642, das nach unser beider absterben allsolchen zweien töchtern, so zum ersten in unsern herrn patrum der societet Jhesu kirchen unseren standt annhemen und ihre glöbten der ewigen jungfrawschafft thun werden, dafern sie deßen bedürfftig, iedwederer funffzig kölnische daler erhalten sollten; ebd., L 225. Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 177 5. Mobilität Nach bisherigem Kenntnisstand sind die jesuitisch geprägten Devotessen ein auf den Nordwesten des Alten Reiches (Niederlande, Rheinland, Westfalen) begrenztes Phänomen mit Parallelen in Frankreich und Italien.137 Die Verbindungen einzelner Frauen und der verschiedenen Gruppierungen untereinander sind allerdings noch nicht genauer untersucht, was nicht zuletzt auf die schwierige Quellenlage zurückzuführen ist.138 Mitgliederverzeichnisse, wie sie für die Kölner Ursulagesellschaft vorliegen, sind meines Wissens für keine andere Devotessengemeinschaft überliefert, sodass personelle Überschneidungen und Beziehungen nicht seriell überprüft werden können. Nachweisbar ist allerdings, dass in Neuss und Emmerich 1618 bzw. 1625 Ursulagesellschaften nach Kölner Vorbild gegründet wurden. Für Emmerich wissen wir, dass die Initiative von einer der dortigen Devotessen ausging und die neue Sodalität der zu Coln hernacher einverleibt und vereinigt werden sollte.139 Auch in Aachen (1623), Trier (1630) und Xanten (1729) lassen sich entsprechende Vereinigungen nachweisen, deren Abhängigkeit zu Köln allerdings nicht gesichert ist.140 Die wenigen namentlich bekannten Devotessen der genannten Gemeinschaften waren nicht Mitglied der Kölner Ursulagesellschaft. Neben den institutionellen Verflechtungen lässt sich auch für einzelne Devotessen im Rheinland nachweisen, dass sie aus Köln stammten und Mitglied der dortigen Ursulagesellschaft waren. Bemerkenswert ist der Fall der Margaretha Hartmans, die am 30. Juni 1620 in die Gesellschaft aufgenommen wurde und laut Sterbeverzeichnis am 5. Januar 1675 verstarb. Im Jahre 1650 trat sie in das von Margaretha Lynnerie in Münstereifel gestiftete Haus ‚Zum Salvator‘ ein; zu diesem Zeitpunkt hatte sie schon ein Gelübde abgelegt, worauf eigens verwiesen wird.141 Hiermit muss das in Köln bei der Aufnahme in die Ursulagesellschaft abgegebene Keuschheitsgelübde gemeint sein, das auch Lynnerie in ihren Satzungen vorgesehen hatte.142 Mit Hartmans ist erstmals eine personelle Beziehung zwischen der Kölner Ursulagesellschaft und der in Münstereifel 1622 zusammengetretenen Gemeinschaft belegt. Dies ist umso 137 Andreas R, Der Primat der Religion. Zur Entstehung und Entwicklung separater Mädchenschulen in den katholischen Territorien des Reiches im 17. Jahrhundert, in: Hans-Ulrich M / Juliane J / Jean-Luc L C (Hrsg.), Säkularisierung vor der Aufklärung? Bildung, Kirche und Religion 1500-1700 (Beiträge zur Historischen Bildungsforschung 35), Köln/Weimar/Wien 2008, S. 275-288, hier S. 281. Zu Frankreich und Italien vgl. vorerst G, Jesuitinnen [wie Anm. 15]; Maurice de V, ‚Kwezels‘ en ‚Zusters‘. De geestelijke dochters in de Zuidelijke Nederlanden. 17de en 18de eeuw (Verhandelingen van de Koninklijke Academie voor Wetenschappen, Letteren en Schone Kunsten van Beligië. Klasse der Letteren 56, 152), Brüssel 1994, S. 11-13, 83f.; C, Devoten [wie Anm. 21]. 138 In einem Bericht des Nuntius Martino Alfieri an Kardinal Francesco Barberini vom 17.04.1639, heißt es auf die Frage nach auswärtigen Briefkontakten der Generaloberin Ida Schnabels: Non hà corrispondenza, nè vi sono Giesuitesse nella Superiore, mà si bene nell’Inferiore in più Città, dove sono li Giesuiti; D, Ward [wie Anm. 21], S. 513. 139 HAStK, Best. 295 (Geistliche Abteilung), 222, fol. 55r. 140 Vgl. R, Bildung [wie Anm. 14], S. 196f. 141 Salesius E, Die Ursulinen von St. Salvator, Trier 1913, S. 155. Zum Salvatorhaus vgl. zusammenfassend Andreas R, Art. ‚Bad Münstereifel – Haus Zum Salvator‘, in: Manfred G u.a. (Hrsg.), Nordrheinisches Klosterbuch. Lexikon der Stifte und Klöster bis 1815 (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 36), Bd. 1, Siegburg 2009 [im Druck]. 142 R, Bildung [wie Anm. 14], S. 213. 178 Andreas Rutz interessanter als Lynnerie in ihrem Testament von 1621 unter anderem die Kölner Ursulagesellschaft als Vorbild für ihre Gemeinschaft zitiert.143 Um die tatsächliche Ausstrahlung und Verflechtung der Kölner Ursulagesellschaft zu analysieren, wären freilich intensivere Recherchen in den kommunalen Archiven notwendig, die im Rahmen dieses Beitrags nicht zu leisten sind.144 Vollständigkeit ist dabei aufgrund der disparaten Quellenlage kaum zu erreichen. Vielmehr ginge es um weitere exemplarische Nachweise von Mitgliedern der Kölner Ursulagesellschaft in verschiedenen Orten der Erzdiözese Köln und die Erörterung der Hintergründe der hieran abzulesenden Mobilität semireligioser Frauen. Zumindest in der Frühzeit wurde eine derartige Mobilität von der Ursulagesellschaft insofern unterstützt, als die Regel von 1640 vorsah, dass wan eine persohn vorhin zu Cölln wonhafftig alda in die gesellschaft auffgenommen, hernacher ihr wohnung auß der statt anders wohin versetzen würde, kan sie gleichwoll in der gesellschaft verbleiben, so lang die regell so viel muglich am sulchen orth von sulcher persohn gehalten wirdt. Immer wenn sie nach Köln käme, sollte sie an den Versammlungen der Gesellschaft teilnehmen oder wenigstens jährlich eine Spende entrichten, damit beijderseitz erinnerung geschee, daß ein sulches glid an seinem leib noch gehör und gedenke.145 Nach der Reform fehlen entsprechende Bestimmungen in der Regel. Gleichwohl wurde die Ausbreitung der Devotessen nachweislich von den Jesuiten unterstützt und gefördert: 1664 beriefen die Koblenzer Jesuiten einige Devotissen oder gottverlobte weltliche Jungfrauen aus Köln als Lehrerinnen an die von ihnen eingerichtete Mädchenschule.146 1742 berichten die ‚Litterae annuae‘ des Kölner Kollegs, dass die Jesuiten sich ständig bemühten, die Devotessen auch in anderen Teilen der Kölner Erzdiözese einzubürgern.147 Genaueres wissen wir über Anna Catharina Kauffmanns, die am 5. Juni 1710 in die Ursulagesellschaft eintrat. Sie war um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Steele (Stift Essen) als Lehrerin der öffentlichen Mädchenschule tätig und erteilte dort später Privatunterricht. Nach eigener Aussage hatte sie bereits in Köln als Lehrerin gearbeitet und wie alle zu der zeit gegenwärtig gewesenen hoch ehrwürdigen herren patres Societatis Jesu bezeugen werden, diese function mit solchem ruhm, ehr und ersprißlichen fortgang vertretten, dass sie von Cöllen auf Essen und so fort weiter nach Steele zur öffentlichen Magisterinnen befördert worden sei.148 Dass Kauffmanns die Kölner Jesuiten als Referenz angibt, verweist auf die engen Beziehungen zwischen den Patres und den Frauen der Ursulagesellschaft, lässt aber auch vermuten, dass die Jesuiten in ihre ‚Beförderung‘ nach Essen und Steele involviert waren. Im Sterberegister der Ursulagesellschaft ist Kauffmanns Name allerdings nicht mehr verzeichnet, was zeigt, dass längerfristig kein regelmäßiger Kontakt zwischen den Kölner Devotessen und ihren Schwestern in anderen Städten bestand. Gelegentlich finden sich in den Mitgliederverzeichnissen auch Hinweise auf den umgekehrten Fall, dass also Devotessen aus rheinischen und westfälischen Städten nach Köln kamen und dort in die Ursulagesellschaft eintraten: So wurde 1640 eine Devotesse aus Paderborn 143 R, Bildung [wie Anm. 14], S. 214. 144 Die Verbreitung der Devotessen im Rheinland ist erst ansatzweise systematisch erforscht. In meiner Dissertation sind die Belege für die im Schuldienst tätigen Frauen zusammengetragen; R, Bildung [wie Anm. 14], S. 197-211. 145 AEK, Pfarrarchiv Köln, St. Ursula, Best. Stift und Pfarrei St. Ursula, A II 10, S. 75f. 146 Andreas S, Die Jesuiten und die Anfänge des Mädchenschulwesens in Koblenz, in: Pastor Bonus. Zeitschrift für kirchliche Wissenschaft und Geschichte 38 (1927), S. 39-46, hier S. 42. 147 Andreas S, Die Volkskatechese der Jesuiten in der Stadt Köln (1586-1773), in: AHVN 114 (1929), S. 34-86, hier S. 80. 148 Zu ihrer Tätigkeit in Steele vgl. ausführlich R, Bildung [wie Anm. 14], S. 1-4, das Zitat S. 3. Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 179 Mitglied149 und am 2. November 1752 zwei Frauen aus Rees.150 Auffällig sind aber vor allem die Beziehungen der Kölner Ursulagesellschaft nach Münster in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Am 3. Mai 1722 wurden acht junfferen aus Münster in das Amtsbuch eingetragen,151 kurz darauf (1723/24) starben zwei Kölner Devotessen in Münster, die bereits 1684 bzw. 1689 in die Ursulagesellschaft eingetreten waren.152 Am 17. Januar 1728 wurden noch einmal zwei Münsteranerinnen in die Kölner Gesellschaft aufgenommen.153 Eine davon war Maria Elisabeth Clute, der am 14. Mai 1734 eine Verwandte, Anna Gertrud Bernardina Clute, folgte. Schon am 26. Oktober kam eine weitere Frau aus Münster,154 am 26. Januar 1736 noch einmal vier155 und dann mit erheblichem zeitlichen Abstand am 27. Januar 1752 die letzte.156 Wer diese Frauen waren und wie sie von der Kölner Ursulagesellschaft erfahren hatten, ist nicht bekannt. Zu vermuten ist freilich, dass die Jesuiten hier Vermittlungsarbeit geleistet und den Kontakt hergestellt haben. In den ‚Litterae annuae‘ des Münsteraner Kollegs begegnen zahlreiche Frauen, die die Gesellschaft Jesu finanziell unterstützten und ihnen testamentarisch ihre Vermögen vermachten. Viele von ihnen hatten sich zu einem keuschen Leben verpflichtet und pflegten eine intensive, an den jesuitischen Exerzitien orientierte Frömmigkeit.157 Es ist zu vermuten, dass diese Devotessen der 1625 gegründeten Sodalitas Sanctae Ursulae Martyris sive Virginum Deo devotarum angehörten, über deren Verfassung und Geschichte allerdings nichts Genaueres bekannt ist.158 In diesem jesuitischen Umfeld ist aller Wahrscheinlichkeit nach zumindest ein Teil der Münsteraner Mitglieder der Kölner Ursulagesellschaft zu verorten. Aus einem anderen geistlichen Umfeld stammten die sechs Frauen, die 1734 und 1736 aus Münster kamen. Für sie wird im Mitgliederverzeichnis spezifiziert, dass sie auß dem gotteßhauß Hoffringe stammten.159 Dieser Hinweis ist insofern interessant, als sich damit eine Verbindung der in das frühneuzeitlich-jesuitische Semireligiosentum einzuordnenden Kölner Devotessen 149 Margaretha Gro/uben. 150 Anna Margaretha Baumans, Johanna Hoffmans. 151 Anna Maria Bra/uckman(s), Maria Franziska Lipper, Maria Alexandrina Lipper(s), Sybilla Lohans, Anna Catharina Lordeman, Elisabeth Lordeman(s), Maria Elisbeth Charlotte Pirtorius, Clara Schwick. 152 Gertrud Heß(e)ling(h), Gertrud Schweck. 153 Maria Elisabeth Clute, Anna Gertrud Rib(b)ers. 154 Catharina Bernardina Hamm. 155 Anna Christina Detten, Maria Elisabeth Detten, Hennerinna Barbara von Groothvelt, Clara Christina Höher/Hoeter. Die beiden erstgenannten waren Schwestern des Münsteraner Domvikars Adolf Heinrich Detten; Wilhelm K, Das Domstift St. Paulus zu Münster, Bd. 3 (Germania Sacra N.F. 17), Berlin/New York 1989, S. 386. 156 Maria Anna Gertrud Aloysia Dyckhoff. 157 H, Gesellschaft [wie Anm. 101], S. 87f. Namentlich erwähnt werden verschiedene Devotessen in den Gesamtschatzungsregistern der Stadt; vgl. die Editionen von Helmut L (Hrsg.), Münsters Bevölkerung um 1685 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster N.F. 6), Münster 1972, S. 182, s.v. Devotesse; ., Bevölkerung und Topographie Münsters um 1770 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster N.F. 10), Münster 1980, passim. Wie in Köln lebten die Devotessen über die Stadt verteilt entweder allein oder in ihren Familien bzw. mit anderen Frauen zusammen. Neben der Tätigkeit als Lehrerin werden in den Schatzungsregistern auch Näherin oder Tagelöhnerin als Berufe genannt. Nach Mechthild S, Die Stadt Münster um 1770. Eine räumlich-statistische Darstellung der Bevölkerung, Sozialgruppen und Gebäude (Siedlung und Landschaft in Westfalen. Landeskundliche Karten und Hefte 18), Münster 1989, S. 124, 253, 336, Beilage 4, beläuft sich die Zahl der Devotessen im Schatzungsregister von 1770 auf 77, allerdings zählt sie hierzu auch die weiblichen Angehörigen der Dritten Orden. 158 M, Die Marianischen Sodalitäten Münsters. Ihr Werden und Wirken (1590-1773), in: Münsterisches Pastoral-Blatt 50 (1912), S. 97-101, 113-118, hier S. 98f. 159 AEK, Pfarrarchiv Köln, St. Ursula, Best. Stift und Pfarrei St. Ursula, A II 45. 180 Andreas Rutz zu einer bereits seit dem Mittelalter bestehenden Gemeinschaft ergibt, die zudem im Gegensatz zur Ursulagesellschaft eine ‚vita communis‘ pflegte.160 Hofringe war ein erstmals 1322 erwähnter Beginenkonvent, der bis in das frühe 19. Jahrhundert existierte. Laut Ronnie Po-Chia Hsia zählte Hofringe zu den „geringeren“ Beginenhäusern, „in denen weniger Familien aus Ratskreisen vertreten waren.“161 Im Gegensatz zu den meisten anderen Beginen- oder ‚suster‘Häusern nahmen die Frauen des Konvents im 15. und 16. Jahrhundert keine Drittordensregel an, sondern lebten nach ihren eigenen Statuten.162 Noch 1809 werden sie dementsprechend als Damen geistlichen Standes bezeichnet, die ohne klösterliche Klausur als Beguinen oder sogenannte Kloppen zusammenleben.163 Der semireligiose Status und die damit einhergehende fehlende Einbindung in die kirchlichen Strukturen dürfte es den Frauen überhaupt erst ermöglicht haben, nach Köln in die Ursulagesellschaft zu wechseln, wenngleich über die Motive für diesen Schritt nur spekuliert werden kann. Zu denken wäre an interne Streitigkeiten oder auch freund- oder verwandtschaftliche Beziehungen zu Frauen, die bereits zuvor nach Köln gegangen waren. Auffällig ist, dass lediglich sechs der 17 Frauen aus Münster im Sterbeverzeichnis der Ursulagesellschaft eingetragen sind.164 Möglicherweise waren sie zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Münster zurückgekehrt, ohne offiziell die Ursulagesellschaft verlassen zu haben. 6. Schlussbetrachtung Die Trägergruppen der katholischen Reform in der Reichsstadt Köln sind hinreichend bekannt. Anliegen dieses Beitrags war es, auf der Ebene der Mitglieder dieser Gruppen zu fragen, wer eigentlich die Konfessionalisierung der alten Kirche unterstützte und wie diese Personen untereinander in Beziehung standen. Mit dem Begriff ‚Frömmigkeitsnetzwerk‘ wurde einleitend eine diesbezügliche Forschungsperspektive für die künftige Auseinandersetzung mit religiösen (Frauen-)Gemeinschaften formuliert, deren Erkenntnismöglichkeiten wie auch methodische Schwierigkeiten im empirischen Teil des Aufsatzes anhand der Kölner Ursulagesellschaft aufgezeigt wurden. Im Gegensatz zu vielen anderen Frauengemeinschaften liegen für die Ursulagesellschaft Mitgliederverzeichnisse vor, die eine Rekonstruktion des Personalbestands sowie der Mitgliederentwicklung über einen Zeitraum von fast 200 Jahren ermöglichen. Damit verfügen wir nicht nur über eine verlässliche Grundlage für die prosopographische Analyse, sondern können auch detaillierte Aussagen über die Attraktivität der Gesellschaft im 160 Karl Z, Die Beginen in Münster. Anfänge, Frühzeit und Ausgang des münsterischen Beginentums, in: Westfälische Zeitschrift 91 (1935), S. 1-149, hier S. 75-80, 144-146; Wilhelm K, Art. ‚Beginenhaus Hofringe‘, in: Karl H (Hrsg.), Westfälisches Klosterbuch. Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 44; Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Religionsgeschichte 2), Bd. 2, Münster 1994, S. 132-134. Nicht zu verwechseln ist ‚Hofringe‘ in der Pfarrei Überwasser mit dem Konvent ‚Ringe‘ in St. Ludgeri. 161 H, Gesellschaft [wie Anm. 101], S. 42. 162 Eine Fassung der Statuten aus dem 15. Jahrhundert ist abgedruckt bei Z, Beginen [wie Anm. 160], S. 79f. 163 Bericht der Aufhebungskommission an die General-Domänen-Direktion zu Düsseldorf vom 18.09.1809; zit. nach Z, Beginen [wie Anm. 160], S. 145. 164 Anna Maria Bra/uckman(s), Maria Elisabeth Clute, Clara Christina Höher/Hoeter, Maria Alexandrina Lipper(s), Elisabeth Lordeman(s), Anna Gertrud Rib(b)ers. Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln 181 Zeitverlauf machen. Vergleichende Untersuchungen zu anderen religiösen Gemeinschaften könnten künftig die Aussagen zu ‚Frömmigkeitskonjunkturen‘ im frühneuzeitlichen Köln und zum Erfolg der katholischen Konfessionalisierung in der Reichsstadt weiter differenzieren. Die Identifizierung einzelner Personen durch Abgleich mit anderen Quellenbeständen bedeutet freilich einen sehr hohen Zeitaufwand, wobei der Ertrag zunächst ungewiss ist. Die exemplarische Auswertung des Bestands 110 (Testamente) des Kölner Stadtarchivs hat jedoch gezeigt, dass diese Vorgehensweise durchaus erfolgreich sein kann und interessante Ergebnisse sowohl für die Frömmigkeitsnetzwerke im frühneuzeitlichen Köln als auch für die Erforschung der Ursulagesellschaft selbst erbringt. Hingewiesen sei hier noch einmal auf die Erkenntnisse zur Sozialstruktur der Kölner Devotessen, zu ihrer Lebensweise, zu Verwandtschaftsverhältnissen und zur Finanzierung des semireligiosen Lebens in der Reichsstadt. Betont sei darüber hinaus die Bedeutung der Devotessen als Wohltäterinnen – nicht nur der Jesuiten, sondern auch anderer reformorientierter Orden wie auch zahlreicher kleinerer Frauenkonvente. Die exemplarisch ausgewerteten Legate zeigen, dass die Frauen nicht einzelne Institutionen unterstützten, sondern meist eine ganze Reihe von Einrichtungen, denen sie über Beichtväter, Pfarrer, Verwandte oder Freundinnen im Sinne eines Frömmigkeitsnetzwerkes verbunden waren. Mit Blick auf die Mobilität der Kölner Devotessen konnten vielfältige Verbindungen der Ursulagesellschaft und ihrer Mitglieder innerhalb des rheinisch-westfälischen Raums nachgewiesen werden, die auf der Grundlage weiterer Lokal- und Regionalstudien zu vertiefen wären. Besonders aufschlussreich ist der Nachweis der Beziehungen zur Stiftung der Margaretha Lynnerie in Münstereifel und zum Beginenkonvent Hofringe in Münster. Hier werden die personellen Verflechtungen von Gruppen erkennbar, die bislang getrennt nebeneinander betrachtet wurden. Die Erforschung der Devotessen in Westfalen ist freilich ein Desiderat, das dringend mit vergleichendem Blick auf die Entwicklungen im Rheinland zu schließen wäre. Die Beobachtungen zu Mitgliederentwicklung, Sozialstruktur und Mobilität der Kölner Ursulagesellschaft bieten dafür wie auch für die weitere Untersuchung der Devotessen im Rheinland eine entscheidende Grundlage.