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L’Homme. Z. F. G. 21, 2 (2010) which high theology was transmitted to preaching which was in turn transmitted to popular devotion. Numerous other works of recent scholarship will be useful supplements and counterbalances to Bynum’s: in particular, Bettina Bildhauer’s “Medieval Blood” (Cardiff, 2006) and David Biale’s “Blood and Belief: The Circulation of a Symbol Between Christians and Jews” (Berkeley/Los Angeles, 2008) take into account the theological context but show, more effectively than Bynum, the mediation of this context in vernacular culture and everyday religion. However, “Wonderful Blood” is an enormously valuable contribution to the field and it is a potent example of how indepth scholarship can speak to a broad field. In Bynum’s subtitle, the “beyond” is the operative word, for the book extends far from Wilsnack and its precarious shrine, into the bloody imaginings of salvation and eternity which occupied the hearts and minds of medieval people. Anthony Bale, London Helga Satzinger, Differenz und Vererbung. Geschlechterordnungen in der Genetik und Hormonforschung 1890–1950, Köln/Weimar/Wien: Böhlau 2009, 484 S., 26 Abb. auf 16 Tafeln, EUR 49,90, ISBN 978-3-412-20339-9. Das Bild auf dem Buchumschlag fasziniert und irritiert zugleich: Eingerahmt von bambusartigen Stöcken wird ein Wesen mit einem hellhäutigen, weiblichen Kopf, der direkt auf Anzugshosen und Männerschuhen montiert ist, von einem anderen Mischwesen umarmt. Dessen grazile, nackte Beine scheinen einer Frau zu gehören, die Arme und der schwarze Kopf dagegen sind keinem Geschlecht zuordenbar. „Liebe im Busch“, 1925 von der Collagekünstlerin Hanna Höch kreiert, spielt mit Geschlechter- und „Rassen“mischungen, dem kategorialen Undefinierbaren und Dazwischen-Sein. Die Collage kann als ästhetische Antithese zu völkischen Stimmen der 1920er Jahre gelesen werden, die sich nicht nur für die Fixierung der sich in Auflösung befindlichen Geschlechterdichotomie stark machten, sondern auch strikte Rassentrennungen und -hierarchien einforderten. Dass solche Forderungen ebenso wie diejenigen nach einem Neuentwurf der Geschlechtspluralität mit zeitgenössischen Erkenntnissen aus der Biologie begründet wurden und ohne diesen naturwissenschaftlichen Bedeutungszusammenhang nicht adäquat erfasst werden können, zeigt – nebst vielem anderem – Helga Satzinger in ihrem neuen Buch „Differenz und Vererbung“. Im Zentrum der voluminösen Studie Satzingers, die als Wissenschaftshistorikerin am University College London lehrt, stehen die klassische Genetik und die frühe Hormonforschung. Wie Geschlechtsunterschiede entstehen und ob und durch welche Mechanismen sie vererbt werden, gehörte vom ausgehenden 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts besonders in Deutschland zu den zentralen Erkenntnisinteressen dieser biologischen Disziplinen. Satzingers Augenmerk gilt deshalb auch den in deutschen Forschungskontexten formulierten Vorstellungen von Vererbung und der Ausbildung geschlechtlicher Alterität. Brought to you by | UZH Hauptbibliothek / Zentralbibliothek Zürich  Rezensionen zum Themenschwerpunkt  Sie verschränkt geschlechter- und wissensgeschichtliche Perspektiven, indem sie zum einen danach fragt, welchen Einfluss soziale und symbolische Geschlechterordnungen auf die Art der biologischen Wissensproduktion und auf das Wissen selbst ausgeübt haben. Zum andern will Satzinger auch die Auswirkungen biologischer Theorien auf politische Debatten und Auseinandersetzungen der Zeit eruieren. Methodisch innovativ ist, dass sie nicht nur anhand naturwissenschaftlicher Texte die Spuren der herrschenden und gewünschten Geschlechterordnungen verfolgt, die Forschungsprobleme und Theorien der Vererbung und Geschlechtsdetermination strukturierten. In einer doppelten Such-bewegung analysiert Satzinger auch den Arbeitsstil und die Arbeitsorganisation des Labors und der dort tätigen Personen im Hinblick auf weibliche und männliche Zuständigkeiten und geschlechtliche Hierarchien. Damit gelingt ihr ein integrativer und mehrdimensionaler Zugriff auf die Geschichte der Genetik, der nicht nur den bedeutsamen Anteil von Frauen an der biologischen Forschung sichtbar macht, sondern auch aufzuzeigen vermag, dass bei der Genese des Wissens über Vererbung und Geschlechterdifferenz immer mehrere, teils paradoxe Geschlechterordnungen mit im Spiel waren. Der Transfer der naturwissenschaftlichen Konzepte in sozialpolitische Felder und Debatten sollte dabei vielfältige und durchaus folgenschwere Effekte zeitigen. Das Grundgerüst des Buches bilden drei Mikrostudien. Sie kreisen um die Erkundung von Chromosomen, Genen und der Geschlechtshormone sowie die für die vererbungsbiologische Erforschung zentralen ProtagonistInnen und Arbeitszusammenhänge. Das erste Kapitel widmet sich dem Würzburger Zoologen Theodor Boveri, der 1904 eine Chromosomentheorie der Vererbung formulierte. In seinen zytologischen Studien mit Spulwürmern charakterisierte Boveri die „Kernkörperchen“ der Keimzellen – die Chromosomen – als für die Bestimmung essentieller Merkmale eines Individuums zentrale Zellbestandteile, die über Generationen hinweg unverändert und konstant erhalten blieben. Überzeugend legt Satzinger dar, wie Boveri bei der Ausführung und Konzeption seiner biologischen Experimente ebenso wie bei der Diskussion der Resultate zwar sehr eng und paritätisch mit seiner Ehefrau, der amerikanischen Biologin Marcella O’Grady, zusammenarbeitete und beide wesentlich dazu beitrugen, Promotionen von Frauen zu fördern und Würzburg als Knotenpunkt für das naturwissenschaftliche Frauenstudium zu etablieren. Auf der Ebene des Wissens jedoch machte sich eine andere Geschlechterordnung bemerkbar. Obwohl Befruchtungsstudien die Vermutung nahegelegt hatten, dass der Eizelle des weiblichen Organismus mit ihrem Zytoplasma und ihren Chromosomen materiell eine größere Bedeutung zukam als der Samenzelle, postulierte Boveri vererbungsbiologisch eine Gleichheit von männlichem und weiblichem Beitrag. Es lag ihm daran, die generative Nützlichkeit und Notwendigkeit des Mannes aufrechtzuerhalten und die ‚Gefahr‘ eines umfassenderen mütterlichen Anteils bei der Vererbung zu bannen. Deshalb betonte er die Chromosomen gegenüber dem Zellplasma und deutete sie als von Vater und Mutter ebenbürtig beigesteuerte Träger der Vererbung. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden neue Modelle der Vererbung formuliert. Sie verlagerten die Erbfaktoren in die Gene. Folgerichtig führt Satzinger als Hauptfigur des Brought to you by | UZH Hauptbibliothek / Zentralbibliothek Zürich L’Homme. Z. F. G. 21, 2 (2010) zweiten Kapitels einen zeitgenössisch führenden Genetiker ein: Richard Goldschmidt. Er formulierte in seiner Abteilung am Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) für Biologie – ein von hochqualifizierter weiblicher Mitarbeit geprägter Forschungszusammenhang mit internationaler Ausstrahlung – ein politisch höchst brisantes Genmodell. Auf der Basis von Kreuzungsexperimenten mit Schmetterlingen postulierte Goldschmidt, Gene seien instabile, in ihrer Menge variable und auf den Chromosomen nicht konstant dingfest zu machende Substanzen. Ihre Funktion erlangten sie erst im Rahmen des gesamten Genoms eines Organismus, wobei sie nicht immer und überall dieselben Merkmale bewirkten. Bei der Ausbildung von Geschlechterdifferenzen integrierte Goldschmidt embryologische Konzepte, die von der bisexuellen Potenz der Organismen ausgingen, in seine genetischen Überlegungen mit ein. Gene für Männlichkeit und Weiblichkeit würden nur gemeinsam und in spezifischen Mischungsverhältnissen das Geschlecht eines Organismus bewirken, wobei kontinuierliche Übergänge zwischen männlichen, weiblichen und intersexuellen Organismen möglich seien. Jedes Geschlecht war damit ein Gemisch beider Geschlechter, Männlichkeit und Weiblichkeit bestimmende Erbfaktoren kamen in ein und demselben Organismus vor. Die Rezeption im politischen Diskurs war, wie Satzinger nachweist, äußerst paradox. Mit dem Plädoyer für die genetische Herstellbarkeit „sexueller Zwischenstufen“ versprach Goldschmidts Theorie, Homosexualität und uneindeutige Geschlechtsidentitäten zu entkriminalisieren und entpathologisieren. Das völkische Lager freilich instrumentalisierte seine Konzepte, um die Auflösung der Geschlechtsidentitäten – symbolisiert etwa in der „Neuen Frau“ Weimars – als Gefährdung zu deklarieren und sie auf „Entartung“ bzw. „Rassemischungen“ zurückzuführen. Möglich wurde dies ausgerechnet durch das experimentelle Setting Goldschmidts: Er hatte intersexuelle Tierorganismen durch die Kreuzung von Populationen unterschiedlicher geographischer Regionen erhalten. So war es ein leichtes, auch beim Menschen „Rassemischungen“ für den Verlust einer binären Geschlechterordnung verantwortlich zu machen. Mit dem Aufdecken der Verwobenheit von genetischen Theorien, Experimentalanordnungen, rassischen Überlegenheitsansprüchen und Antifeminismus in der Weimarer Republik leistet Satzinger Pionierarbeit, blieben die politisch-wissenschaftlichen Interferenzen in den bisherigen Studien zu Goldschmidt doch bislang unberücksichtigt. Das letzte Kapitel befasst sich mit der biochemischen Hormonforschung, die um 1930 neue Deutungsmacht über die Geschlechtsdetermination und -differenz beanspruchte. Während Goldschmidts Abteilung am KWI für Biologie spätestens 1935 zerschlagen und er selbst zur Emigration gezwungen wurde, profitierte der Steroidforscher Adolf Butenandt, reaktionärer Modernist und Anhänger völkischen Gedankenguts, von den neuen politischen Verhältnissen. Er wurde 1936 Direktor des KWI für Biochemie. Allerdings verfügte Butenandt schon vorher dank Kooperationen mit der chemischen Industrie über ausgedehnte finanzielle, technologische und personelle Ressourcen. Sein Hormonkonzept war klar von einer von ihm favorisierten diskonti- Brought to you by | UZH Hauptbibliothek / Zentralbibliothek Zürich  Rezensionen zum Themenschwerpunkt nuierlichen binären Geschlechterordnung strukturiert. Hormone wurden nach Herkunft aus „weiblichen“ und „männlichen“ Organismen geschieden, sie waren nicht ineinander umwandelbar und hatten eindeutig „weibliche“ oder „männliche“ Wirkungen. Als im Labor widersprüchliche Befunde auftauchten, hielt Butenandt gleichwohl an seinem Hormonkonzept fest. Wie Satzinger in einer differenzierten Analyse aufzuzeigen vermag, war bei dieser Beharrungstendenz ein komplexes Bündel von Faktoren im Spiel. Stabilisierend wirkten nebst dem Ausblenden embryologischer Konzepte und Butenandts politisch motivierter Ablehnung der Geschlechtergleichstellung vor allem die gewählten Verfahren im Labor. Diese waren durch die disziplinäre Grenzziehung und Hierarchisierung von Chemie und Physiologie geprägt, die sich wiederum in streng hierarchischen Arbeitsverhältnissen spiegelten: Männliche Chemiker synthetisierten die wirkmächtigen Substanzen („Wirkstoffe“), während die ihnen lediglich zuarbeitenden (weiblichen) Laborassistentinnen für die physiologischen Tests zuständig waren, die nur die Stärke der Wirkung, nicht aber die komplexe Funktionsweise der Hormone im Tier ermittelten. Ergänzt werden die drei in sich abgeschlossenen Fallstudien durch eine Reihe von Abbildungen. Sie zeigen Theodor und Marcella Boveri, Richard Goldschmidt und Hans Butenandt zusammen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Vorlesungsräumen, Privatwohnungen, Labors und Instituten. An diesen Orten, in diesen Räumen arbeiteten sie, in ihnen kommunizierten, handelten und lebten sie. Raumstrukturen selbst sind nun aber niemals geschlechtsneutral oder unabhängig von sozialen Ordnungen. Eine Analyse der geschlechtsspezifischen Raumnutzungen, der Zuweisung von Positionen und körperlichen Platzierungen von Männern und Frauen in den räumlich-technischen Arrangements der Instituts-, Labor- und Wohnräume hätte der Untersuchung sozial hergestellter Geschlechterordnungen in der Arbeitsorganisation womöglich zusätzliche Tiefenschärfe zu verleihen vermocht. Denn zweifellos wurden auch durch die auf die Arbeitsorganisation einwirkenden verräumlichten Geschlechterverhältnisse Macht-/Wissensstrukturen und -asymmetrien aufrechterhalten und verfestigt. Das Buch ist durchgängig gut zu lesen, wenngleich vereinzelt biologische Fachtermini nicht erläutert werden und für LaiInnen schwer verständlich sind. Auch die bisweilen allzu skrupulöse Aufarbeitung und Auflistung der verschiedenen Arbeitsgruppen beeinträchtigt den Lesefluss hie und da. Das jedoch sind kleinste Kritikpunkte, die den Wert der Studie nicht zu schmälern vermögen. Helga Satzinger legt mit „Differenz und Vererbung“ eine eindrucksvolle Geschichte der Genetik und Hormonforschung vor. Das Buch ist geschlechter- und wissensgeschichtlich innovativ, argumentiert ebenso stringent wie überzeugend und reflektiert den politisch-kulturellen Kontext konsequent mit. Möge es Ansporn für viele weitere Studien am Knotenpunkt von Geschlechter- und Wissensgeschichte sein! Silvia Berger, Zürich  Brought to you by | UZH Hauptbibliothek / Zentralbibliothek Zürich