ZUM LETTISCHEN AUSDRUCKSSYSTEM
Bohumil VYKYPĚL
Universität Brno
RÉSUMÉ
: Le présent article est une
tentative de description du système
d’expression de la langue lettone (sur un
plan phonologique) selon les principes de
la théorie glossématique. Sur cette base,
des observations sont faites sur quelques
aspects de cete théorie en général et sur sa
relation à la phonologie.
ABSTRACT
MOTS-CLÉS
KEY WORDS
:
Baltique ;
Letton ;
Linguistique ; Phonologie ; Glossématique.
: In the present paper an attempt
is made to describe the Latvian expression
system (at phonological level) according to
glossematic principles. On this basis a few
observations are made concerning some
aspects of the glossematic theory in general
and its relationship to phonology.
: Baltic ; Latvian ; Linguistics ;
Phonology ; Glossematics.
DIE
BALTISCHEN Sprachen wurden immer überwiegend aus der historischen
oder historisch-vergleichenden Sicht untersucht, und erst in der neuesten Zeit
lässt sich ein deutlicher Zuwachs an Arbeiten beobachten, die sich mit dem
Litauischen oder dem Lettischen (leider jedoch weniger mit dem
Altpreußischen) vom synchronischen oder sprachtheoretischen Gesichtspunkt
aus befassen (vgl. auch Heberlein 1998). Allerdings gab es auch früher
Sprachwissenschaftler, die die baltischen Sprachen nicht als Objekt oder bloße
Quelle verschiedentlicher indogermanistischer Rekonstruktionen betrachteten,
sondern als Quelle von Beispielen für sprachtheoretische Ausführungen oder
als Objekt synchronischer Beschreibungen. Einen wichtigen Platz in dieser
« diskreten » Strömung in der Geschichte der Sprachwissenschaft nimmt der
Begründer der glossematischen Sprachtheorie, Louis Hjelmslev ein. Das
Interesse Hjelmslevs für die baltischen Sprachen und überhaupt für die
baltischen Völker ist bekannt 1. Der längste Text, in dem Hjelmslev in der
zweiten Hälfte der 30er Jahre seine Glossematik dem sprachwissenschaftlichen
__________
1. Vgl. Hjelmslev (1922 ; 1930 ; 1932 ; 1946 ; 1956), Palionis (1978), Gregersen (1991, I,
S. 174-177, 208-218), Rasmussen (1992, S. 3-4).
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Publikum darzulegen versuchte, wurde eben einem baltistischen Problem
gewidmet, und zwar der litauischen Prosodie (Hjelmslev 1936-1937). Das war
damals der ganze Anfang in der Entwicklung von Hjelmslevs Sprachtheorie.
Wir haben an einer anderen Stelle versucht, diese Theorie in ihrer endlichen
(bekanntlich jedoch fragmentaren) Form auf die Beschreibung des litauischen
Ausdruckssystems (oder — in der linguae communi der modernen
Sprachwissenschaft — der Phonologie) anzuwenden (Vykyp l 2003a). Der
Grund dafür war primär sozusagen intern sprachtheoretisch : Es war eine
Reaktion auf eine grundlegende morphonologische Beschreibung des
Litauischen (Hoskovec 2002), durch die sich eine gute Möglichkeit angeboten
hatte, die Morphonologie und die glossematische Beschreibung des
Ausdrucksplans zu vergleichen. Nun möchten wir zu unserer Beschreibung des
litauischen Ausdruckssystems noch einen Abriss des lettischen
Ausdruckssystems hinzufügen.
Zunächst sei allerdings an die bekannte Tatsache (wieder)erinnert, dass die
glossematische Theorie ein Fragment darstellt und in ihren allen Aspekten
nicht zu Ende geführt wurde. Damit hängt auch zusammen, dass es nur wenige
und zudem nicht problemlose Beschreibungen einzelner Sprachen vom
glossematischen Gesichtspunkt aus gibt. Trotzdem lässt sich vielleicht einiges
sagen 2.
1. Zwischen dem gesprochenen und dem geschriebenen Lettisch besteht keine
Eins-zu-Eins-Beziehung, und sie müssen daher als zwei unterschiedliche
Sprachen (Schemata) betrachtet werden. Im Folgenden wird das gesprochene
Lettisch unter dem Lettischen verstanden.
1.1. Das Lettische hat sowohl analytische als auch synthetische Sätze (Lexeme
und Nexus) und Satzgruppen (Lexien und Nexien) : Es hat teilbare
Ausdruckseinheiten, die eine katalysierte Überkette (d.h. die in der Analyse
unmittelbar vorangehende Einheit) alleine bilden können, und hat extense
Ausdruckscharakteristiken (Modulation). Mit der Kategorie der extensen
Ausdruckscharakteristiken werden wir uns hier nicht näher befassen : Die
Beschreibung der lettischen Satzintonation in einer konsistenten und
methodologisch bewussten Form ist noch zu erwarten.
__________
2. Wir werden die glossematischen Termini nicht definieren (ein « glossematisches
Minimum » vorzutragen, wäre zwar vielleicht doch möglich, wenn auch schwierig,
erscheint uns jedoch hier wenig sinnvoll) und verweisen in diesem Punkt auf die
entsprechende Literatur (vgl. v.a. Hjelmslev 1973, S. 247-266 ; 1975). Das beste Buch
über Hjelmslevs Sprachtheorie wurde von Michael Rasmussen (1992) geschrieben ; es
hat leider einen für das allgemeinsprachwissenschaftliche Publikum wesentlichen
Nachteil, und zwar, dass es auf dänisch verfasst worden ist…
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Das Lettische hat auch analytische Silben (Syllabeme) und synthetische
Silben : Es hat sowohl Einheiten, die in katalysierter Form alleine eine
unkatalysierte Lexie im Ausdrucksplan bilden können, als auch intense
Ausdruckscharakteristiken (Akzente).
Es bestehen zwei Möglichkeiten der Beschreibung der Kategorie der
intensen Ausdruckscharakteristiken im Lettischen :
1° Die Kategorie wird in zwei Subkategorien geteilt : Die erste wird durch
die sog. Akzente gebildet, die zweite durch die sog. Intonationen. Die erste
Subkategorie wird von der zweiten selektiert (die zweite ist von der ersten
syntagmatisch dependent). Die Subkategorie der « Akzente » hat zwei Glieder,
die arbiträr « starker Akzent » (') und « schwacher Akzent » (°) genannt werden
können 3 ; die Subkategorie der Intonationen hat drei Glieder, die arbiträr
« gefallene Intonation » (`), « gedehnte Intonation » (~) und « gebrochene
Intonation » (^) genannt werden können. Das System ist das folgende (auf der
Dimension ‘steigend’ und negativ orientiert) :
α Α
°
'
←
β
Β γ
`
~
^
Die sog. Intonationen selektieren die sog. Akzente, da die Akzente alleine
(d.h. ohne Intonation) stehen dürfen (und zwar der Akzent ' in den Silben mit
einem sog. kurzen Vokal und ohne l, r, n, m), aber nicht umgekehrt. Der
« schwacher Akzent » (°) ist intensiv, da in Verbindung mit ihm die
Intonationen latent, d.h. synkretisiert und durch Null manifestiert werden. Das
System der « Intonationen » ist nach der Substanz (nach der phonischen
Manifestation)
strukturiert,
denn
es
bestehen
hier
keine
Synkretismendominanzen.
2° Die zweite erwähnte Möglichkeit ist, die Kategorie nicht zu teilen und
mit fünf Gliedern zu rechnen, die arbiträr als « starker Akzent » oder
« Gravis » ('), « schwacher Akzent » (°), « gefallene Intonation » (`),
« gedehnte Intonation » (~) und « gebrochene Intonation » (^) bezeichnet
werden können. Das System ist das folgende (auf der Dimension « steigend »
und negativ orientiert) :
__________
3. Dass der « Akzent » im Lettischen als Invariant registriert werden darf (trotz Hjelmslev,
1973, S. 189) oder « phonologisch distinktiv » ist, vgl. Sokols et al. (1959, S. 70),
Mathiassen (1997, S. 36-37).
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α Α
β
Β
γ
°
`
~
^
'
Der Grund gegen eine solche Verbindung der zwei Subkategorien, der im
Falle ihrer Entsprechungen im Litauischen angeführt werden kann, und zwar
die Tatsache, dass derart die syntagmatische Beziehung zwischen ihnen nicht
erfasst wird (vgl. Vykyp l 2003a, S. 162), gilt im Lettischen nicht unbedingt,
denn man braucht hier die Koexistenz der « Akzente » und der « Intonationen »
eigentlich gar nicht anzunehmen : Den Grund, weshalb diese Koexistenz im
Litauischen vorauszusetzten ist, stellt die Tatsache dar, dass der Synkretismus
der « Intonationen » in der Verbindung mit dem « schwachen Akzent »
auflösbar ist (d.h. dass ein Element der Kategorie der « Intonationen » in die
gegebene syntagmatische Beziehung eingeführt werden kann ; vgl. Hjelmslev
1973, S. 188, 204 ; Vykyp l 2003a, S. 161, 170). Im Lettischen ist dieser
Synkretismus jedoch nicht auflösbar, und man braucht daher auch nicht, mit
der Koexistenz der « Intonation » mit dem « schwachen Akzent » in einer Silbe
rechnen.
Man kann allerdings folglich auch den « starken Akzent » oder « Gravis »
streichen : Der « starke Akzent », der alleine steht (in den Silben mit einem
sog. kurzen Vokal und ohne l, r, n, m), lässt sich als Varietät einer der
« Intonationen » betrachten. Die Kategorie hätte somit nur vier Glieder (die
« gefallene Intonation », die « gedehnte Intonation », die « gebrochene
Intonation » und den « schwachen Akzent »), wobei der « starke Akzent » oder
« Gravis » (arbiträr oder aufgrund seiner Manifestation) mit der « gedehnten
Intonation » identifiziert oder genauer in ein einziges Element reduziert wird.
Das System wäre das folgende (auf der Dimension « steigend » und negativ
orientiert) :
β Β
`
~
γ
Γ
^
°
Die phonologische Manifestation ist die folgende : die « gefallene
Intonation » (`) durch die Hervorhebung der ersten More ; die eine Varietät
(positionelle Variante) der « gedehnten Intonation » (~) durch die
Hervorhebung der zweiten More, die andere Varietät durch die Hervorhebung
der einzigen More einer Einmoresilbe ; die Variationen (« freie Varianten »)
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der « gebrochenen Intonation » (^) durch die Hervorhebung der beiden Moren
oder der Grenze der Moren ; der « schwacher Akzent » (°) durch die Absenz
der Hervorhebung (zur Beschreibung des lettischen Akzents und der
Intonationen durch das gegenseitige Verhältnis der Moren vgl. Trubetzkoy
1939, S. 189, 215 ; Hoskovec 2002, S. 282).
1.1.1. Anders scheinen sich die Sachen im heutigen Standardlettisch zu
verhalten. Hier gibt es zunächst nur zwei « Intonationen » (wie bekanntlich
übrigens in den meisten lettischen Dialekten) : die « gedehnte » (~) und die
« gefallene » (`) (vgl. Holst 2001, S. 59-61). Außerdem lässt sich hier ein
Grund anführen, weshalb es mit zwei koexistierenden (in der syntagmatischen
Beziehung
zueinander
stehenden)
Subkategorien
der
intensen
Ausdruckscharakteristiken zu rechnen ist : Die « gedehnte Intonation » (~) der
« betonten » Silbe kann nicht in der Silbe stehen, nach der eine Silbe mit einem
sog. langen Vokal oder mit einem Vokal und r, l, m, n folgt, und sie wird durch
die « gefallene Intonation » ersetzt (vgl. Holst 2001, S. 72-73, 104). Dies kann
in der Weise interpretiert werden, dass in der « folgenden » Silbe sich der
« schwache Akzent » (º) und Synkretismus von ~ und ` befinden, wobei dieser
Synkretismus den « Intonationswechsel » (~ ⇒ `) in der vorangehenden Silbe
hervorruft ; mit anderen Worten kann ~ in der Verbindung mit dem « starken
Akzent » (') nur auftreten, wenn in der folgenden Silbe º alleine steht. Folglich
lässt sich ' nicht streichen, und das System sieht folgendermaßen aus (auf der
Dimension « steigend » und positiv-negativ orientiert) :
α Α
°
'
α Α
←
~
`
oder :
α
α
Α
~
`
Α °
'
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(horizontal « steigend » und positiv-negativ orientiert ; vertikal « punktuell »
und negativ orientiert). (Das Element ~ ist deswegen intensiv, da es durch `
ersetzt werden kann.)
1.2. Die Ausdruckskonstituenten (-themative) bilden allgemein vier
Kategorien : die selektierten (Vokale), die selektierenden (Konsonanten),
diejenigen, die sowohl selektiert als auch selektierend sind (Sonanten), und
diejenigen, die weder selektiert noch selektierend sind. In die vierte Kategorie
gehören die Ausdruckselemente, die als Interjektionen dienen können, und man
könnte hier vielleicht auch die Fremdelemente eingliedern, falls diese zum
gegebenen Sprachbau gezählt werden dürfen (zum Letzten vgl. noch unten
1.2.3.).
1.2.1. Die Ausdruckskonstituenten, die sowohl selektiert als auch selektierend
sind, sind im Lettischen zwei : i und u. Ihre vokalischen Varietäten werden
durch die Phoneme / i / resp. / u / manifestiert, ihre konsonantischen Varietäten
durch / j / und / v / (oder eher / w /). Bei der Registrierung werden die jeweiligen
Varietäten in eine einzige Invariante im Lettischen sowohl aufgrund des
Substanz- als auch aufgrund des Zeichenaspekts des Sprachgebrauchs reduziert
(d.h. aufgrund ihrer phonologischen Nähe und aufgrund ihrer Positionen in
Zeichen ; zur zweiten Reduktion vgl. kāvu « ich schlug » vs. kaut « schlagen »,
tevi « dich » vs. tev « dir », tvert « nehmen » vs. turēt « halten », klaja « offen
(Gen. Sg. M.) » vs. klajš « offen (Nom. Sg. M.) », dzeja « Lyrik » vs. dzejnieks
« Dichter » u.ä.).
Das System der Sonanten sieht somit folgend aus (auf der Dimension
« vordere » und positiv orientiert) :
α Α
i
u
Das Element i wäre deshalb intensiv, da vor ihm k und g variieren (vgl. unten
2.1.). (Vgl. noch unten 1.2.3.1.1.)
1.2.2. Die selektierten Ausdruckskontituenten sind drei : a, e, ®.
Die übrigen Kandidaten auf Vokale lassen sich reduzieren. Die langen
Vokale können in Identitätsdiphtonge aufgelöst werden : ī ≡ ii, ū ≡ uu, ā ≡ aa,
ē ≡ ee, | ≡ ®® (es besteht keine Kommutation zwischen den langen Vokalen
und den entsprechenden Indentitätsdiphtongen ; dazu kommen auch
morphonologische Gründe, vgl. Hjelmslev 1973, S. 198-200 ; Vykyp l 2003a,
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S. 162-163, 167) 4. Die Größe ŏ kann als Signal für Fremdwörter und Variante
von a betrachtet werden ; die Größe ō lässt sich dann zu ŏŏ reduzieren.
Auch ® ließe sich eventuell reduzieren, und zwar in ea. Dies würde jedoch
die Komplikation in der Beschreibung sowohl des Zeichen- als auch des
Substanzaspekts des Sprachgebrauchs mit sich bringen : Die Silbe mit | würde
vier Vokale enthalten (eaea), und | würde vier Ausdruckselemente
manifestieren, was beides sonst nicht vorkommt.
Die Vokale bilden folgendes System (auf der Dimension « offen » und
positiv orientiert) :
β Β
Γ
e
a
®
® ist intensiv, da es in manchen Fällen in e impliziert wird. Unter Einschluss
von o sieht das System folgendermaßen aus (auf der Dimension « offen » und
positiv orientiert) :
β Β
γ
Γ
e
o
a
®
1.2.3. Auch die meisten Kanditaten auf Konsonanten lassen sich reduzieren.
Die « palatalen » Konsonanten lassen sich in eine Verbindung eines
nichtpalatalen Konsonanten mit j auflösen : ņ ≡ nj, ļ ≡ lj, š ≡ sj, ž ≡ zj, ķ ≡ kj,
g ≡ gj. Die sog. scharfen Affrikaten lassen sich in eine Verbindung von
« Explosive » und « Sibilante » auflösen : c ≡ ts, 3 ≡ dz. Entsprechend lassen
sich dann die sog. stumpfen Affrikaten auflösen : č ≡ tš ≡ tsj, 3Ù ≡ dž ≡ dzj. In
eine Verbindung mit j können auch einige Konsonantengruppen aufgelöst
__________
4. Wenn die langen Vokale als Identitätsdiphtongen interpretiert werden, lassen sich
weitere Zeichen anführen, aufgrund deren die Größen i und j sowie u und v in jeweils
ein einziges Element reduziert werden können : vgl. līt ≡ liit ‘regnen’ vs. lija ≡ liia « es
regnete », skūt ≡ skuut « ich rasiere » vs. skuvu ≡ skuuu « ich rasierte » u.ä. — Zu rein
phonologischen Gründen für die Interpretation der langen Vokale als Identitätsdiphtonge
vgl. Trubetzkoy (1939, S. 172).
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werden : šņ ≡ snj, žņ ≡ znj, šļ ≡ slj, žļ ≡ zlj, ļņ ≡ lnj, ļķ ≡ lkj, ļg ≡ lgj, ņķ ≡ nkj,
ņg ≡ ngj, šķ ≡ stj, zg ≡ zdj oder zgj.
Den Grund zu diesen Auflösungen stellt — ähnlich wie oben (1.2.2.) im
Falle der langen Vokale — die Absenz der Kommutation dar zwischen den
jeweiligen Größen und den Gruppen (komplexen Größen), in die diese
aufgelöst werden (zu diesem Grundsatz vgl. Hjelmslev 1943, S. 62f. ; 1973, S.
217). Einen weiteren Grund kann die Vereinfachung der morphonologischen
Alternationen darstellen, die allerdings nur teilweise ist (dazu vgl. unten 2.1.).
Die Größen f und x lassen sich als Signale für Fremdwörter und Varianten
betrachten : f schließt Synkretismus mit p ein, x mit k oder mit Null 5.
1.2.3.1.1. Im Falle der Elemente m, n, r, l stellt sich die Frage, ob sie zu den
Sonanten (1.2.1.) oder den Konsonanten einzugliedern sind, denn es wird
manchmal mit ihren sog. silbischen Varianten gerechnet (vgl. iesms « Spieß »,
putns « Vogel », katrs « jeder », katls « Kessel »). Es gibt im Grunde drei
Lösungen :
1º Die silbischen m, n, r, l werden als Manifestation der Verbindung von m,
n, r, l mit einen Synkretismus aller Vokale interpretiert. Dagegen spricht
jedoch, dass es nicht klar ist, unter welchen Bedingungen dieser Synkretismus
eingeschlossen würde (es lassen sich dafür kaum rein im Ausdrucksplan
wurzelnde Bedingungen finden).
2º Die silbischen m, n, r, l werden tatsächlich in die Kategorie der Sonanten
eingegliedert, und zwar als Subkategorie, die sich von der Subkategorie von u
und i dadurch unterscheidet, dass ihre Glieder sich ohne Vokal, u oder i nicht
__________
5. Es stellt sich natürlich eine allgemeine Frage, wie die sog. Fremdelemente zu bewerten
sind. Im Allgemein ist ihr Status im Rahmen der Theorie Hjelmslevs nicht ganz klar,
und zwar in zwei Hinsichten. Es ist nicht klar, wie sie festzustellen sind und ob sie zum
gegebenen Sprachbau gehören oder nicht. Jens Holt (1964, S. 12-13 ; 1967, S. 63)
spricht über einen Synkretismus zwischen Sprachen resp. ihren Teilen. Ein
Synkretismus zwischen zwei Größen besteht, wenn die Kommutationsbeziehung
zwischen diesen unter bestimmten Bedingungen suspendiert (aufgehoben) wird. Der
Synkretismus, mit dem man im Falle der sog. Fremdelementen zu tun hat, besteht
zwischen Elementen des einen Sprachbaus und Elementen des anderen Sprachbaus, und
dieser Synkretismus wird durch die Beseitigung des Konnotatums « eine bestimmte
Sprache » hervorgerufen. Im Falle der lettischen Konsonanten geht es um die Elemente
f, x und h der anderen Sprachen und die Elemente p und k und die Null des lettischen
Sprachbaus. Die Ergebnisse dieses Synkretismus sind als Varietäten (positionelle
Varianten) der entsprechenden einheimischen Elemente in einer Verbindung mit dem
Indikator der Fremdheit zu betrachten und werden durch die Phoneme / f / und / x /
manifestiert. Wenn dieser Indikator beseitigt wird, wird der Synkretismus durch die
entsprechenden einheimischen Elemente manifestiert — im Falle der lettischen
Konsonanten durch / p /, / k / und die Null. Die Frage, die bleibt, ist diejenige, ob also die
lettischen Größen f und x tatsächlich als Varianten zu interpretieren sind, d.h. immer in
der Verbindung mit dem erwähnten Indikator stehen.
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mit dem « starken Akzent » (') verbinden können, während dies bei der anderen
Subkategorie der Sonanten möglich ist.
3º Die silbischen m, n, r, l werden gar nicht interpretiert als selektiert, d.h.
als
Kern
eines
Ausdrucksyntagmas,
in
dem
eine
intense
Ausdruckscharakteristik enthalten ist ; d.h. m, n, r, l werden als Konsonanten
aufgefasst. Es gibt nämlich eigentlich keinen Grund anzunehmen, dass die
Ausdrucksthemen wie ms oder sms in iesms den « schwachen Akzent » (º)
enthalten. (Ähnlich Holst 2001, S. 48).
Die zweite Lösung ist vielleicht vom Gesichtspunkt der Beschreibung des
Substanzaspekts des Sprachgebrauchs aus einfacher als die dritte : Wenn man
m, n, r, l in die Kategorie der Sonanten eingliedert, wird die Beschreibung der
Manifestation der « Intonationen » einfacher, denn es reicht zu kontatieren,
dass die Intonationen sich an den Vokalen oder Sonanten manifestieren,
während im Falle der Eingliederung von m, n, r, l in die Kategorie der
Konsonanten sich die Intonationen an den Vokalen, Sonanten und einigen
Konsonanten manifestiert hätten.
Vom operativen Gesichtspunkt aus kann die rhythmische Analyse über die
Eingliederung von m, n, r, l entscheiden. Der Rhythmus (das Metrum) schreibt
die Silben als Einheiten des Ausdrucksplans vor, und der Sprachgebrauch setzt
in diese Einheiten diejenigen Elemente ein, die ihm der Sprachbau einzusetzen
ermöglicht. Diese Elemente sind die intensen Ausdruckscharakteristiken und
die Ausdruckskonstituenten. Unter diesen Konstituenten muss immer
wenigstens ein Element aus der Kategorie der Vokale oder derjenigen der
Sonanten sein. Man geht davon aus, dass die Anzahl der Silben im zu
analysierenden Text (in der Kette) bekannt ist, und man muss darin auch die
entsprechende Anzahl der Elemente wenigtens einer der beiden erwähnten
Kategorien finden. In einigen Ketten stellt man fest, dass die Anzahl der
Elemente, die die operative Definition des Vokals erfüllen, hinsichtlich der
Anzahl der Silben ungenügend ist, aber zugleich die benötigte Anzahl durch
die Elemente m, n, r oder l ergänzt werden kann. In anderen Ketten ist die
Anzahl der Vokalen dagegen genügend, und zudem sind auch die Elemente m,
n, r oder l darin enthalten. Wenn man beide Typen von Ketten findet, lässt sich
sagen, dass m, n, r und l in die Kategorie der Sonanten gehören.
Die übrigen Elemente bilden das folgende System (horizontal « vordere » ;
vertikal « stimmlos » ; beides positiv orientiert) :
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α
Α
β
Β
γ
Γ
p
k
t
s
b
g
d
z
Die Konsonanten t und d sind intensiv (auf der Dimension « vordere »), da sie
im s vor t in der homosyllabischen Verbindung impliziert werden. Die
Konsonaten s und z sind Γ, wodurch auch seine Manifestation durch frikative
Phoneme erklärt werden kann, während die anderen Elemente dieser Kategorie
durch Verschlussphoneme manifestiert werden.
Unter Einschluss von f und x würde das System folgendermaßen aussehen
(auf denselben Dimensionen, wobei allerdings x nicht stimmhaft manifestiert
wird und f nur potentiell Γ2 ist) :
α
Α
β
Β
γ
Γ
Γ2
p
k
t
s
f
b
g
d
z
x
Die stimmhaften Konsonanten ließen sich indessen in Verbindungen der
entsprechenden stimmlosen mit x auflösen und vor einem anderen stimmhaften
als Varianten des entsprechenden stimmlosen Konsonanten betrachten. Die
sog. Neutralisation der Stimmhaftigkeitskorrelation (vor einem stimmlosen
Konsonanten) wäre als Manifestation der Latenz von x zu betrachten. Das
System wäre dann das folgende (auf der Dimension « vordere » und positiv
orientiert) :
β
Β
γ
Γ
Γ2
p
k
t
s
x
(Das Element x ist Γ2 wegen seiner vorderen und hinteren Varianten, d. h. x
und ç.)
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Gegen diese Reduktion kann allerdings derselbe Einwand erhoben werden
wie gegen die Reduktion der litauischen ė und o in ee und ŏŏ (vgl. Vykyp l
2003a, S. 163) : Diese Reduktion würde eine Komplikation dahingehend mit
sich bringen, das x alleine nur in Fremdwörtern enthalten ist, während es als
Teil von Konsonantengruppen auch einheimische Zeichen bildet. Man müsste
auch f in das System einschließen (horizontal « vordere » und positiv
orientiert ; vertikal « Verschluss » und negativ orientiert) :
α
Α
β
Β
γ
f
x
s
p
k
t
2. Diesem Abriss des lettischen Ausdruckssystems fügen wir nun noch einige
allgemeine Bemerkungen.
2.1. Eine der wichtigsten Eigenschaften der glossematischen Theorie stellt
bekanntlich der Grundsatz dar, dass die Beschreibung sich nicht nach der
Empirie im gewöhnlichen Sinne des Wortes richten soll, sondern nach dem
Empirieprinzip, das lautet : Die Beschreibung soll widerspruchsfrei
(konsistent), exhaustiv und möglichst einfach sein. Dies ist auch verständlich:
Die glossematische Beschreibung will den Sprachbau (langue) erfassen,
während die Empirie im gewöhlichen Sinne im Falle der Sprache dem
Sprachgebrauch (parole) gleicht, der die Manifestation des Sprachbaus
darstellt und den Sprachbau voraussetzt. Die Glossematik kann daher nicht auf
dem Korrespondenzprinzip der Wahrheit (d.h. auf der Empirie im gewöhlichen
Sinne) aufbauen, sondern sie muss den Kohärenzprinzip der Wahrheit (d.h. das
Empirieprizip) befolgen. Nichtsdestoweniger muss der Sprachgebrauch auch
im Rahmen der glossematischen Beschreibung einer einzelnen Sprache
berücksichtigt werden. Diese Notwendigkeit der Berücksichtigung resultiert im
Grunde aus zwei Tatsachen. Erstens kann man den Sprachbau nur durch den
Sprachgebrauch erkennen, was einen außertheoretischen Grund darstellt.
Zweitens muss die Beschreibung des Sprachbaus so gestaltet werden, dass der
Übergang von dieser Beschreibung zu derjenigen des Sprachgebrauchs nicht
kompliziert wird. Dies lässt sich als innertheoretischer Grund betrachten, denn
die Einfachheit bildet einen Teil des Empirieprinzips. Hjelmslev hat die
Einfachheit der Beschreibung vornehmlich als Einfachheit des resultierenden
Elementeninventars aufgefasst, d.h. er wollte, dass die Anzahl der Elemente
möglichst klein ist. Die Reduktion einer komplexen Größe in zwei bereits als
Invarianten registrierten Größen kann jedoch eine Komplikation in
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Kombinationsregeln der Elemente oder in ihren Manifestationsregeln mit sich
bringen (wie wir es bereits oben § 1.2.2. gestreift haben) 6.
Instruktives Beispiel für die Komplikation in der Beschreibung des
Zeichenaspekts des Sprachgebrauchs (d.h. in der Morphonologie oder der
formalen Morphologie der Zeichen), die die zu große Reduktion der Anzahl
von Elementen mit sich bringen kann, bietet eben das Lettische an. Oben
(1.2.3.) haben wir einige konsonantische Größen in eine Verbindung anderer
Größen mit j aufgelöst. Damit werden die morphonologischen Alternationen n
~ ņ ≡ nj, l ~ ļ ≡ lj, s ~ š ≡ sj, z ~ ž ≡ zj, c ≡ ts ~ č ≡ tsj, 3 ≡ dz ~ 3Ù ≡ dž ≡ dzj, st ~
sķ ≡ stj und die weiteren, die konsonantische Gruppen betreffen, mit den
morphonologischen Alternationen p ~ pj, b ~ bj, m ~ mj, v ~ vj identifiziert :
Beides lässt sich somit aus der Sicht der formalen Morphologie der Zeichen
interpretieren als bloße Anfügung einer mit j beginnenden Endung (oder eines
Suffixes) zum unveränderten Stamm. Es bleiben jedoch vier Alternationen, die
in dieser Weise nicht identifiziert werden können : t ~ š ≡ sj, d ~ ž ≡ zj, k ~ c ≡
ts, g ~ 3 ≡ dz ; in diesem Falle muss mit einer Endung (oder einem Suffix)
gerechnet werden, die eine Veränderung des Stamms hervoruft. Mit den oben
vorausgesetzten Reduktionen der Anzahl von Konsonanten kommt man also zu
einer Komplikation in der Beschreibung des Zeichenaspekts des
Sprachgebrauchs : Die morphonologische, auf der Phonologie aufbauende
Beschreibung konstatiert eine einzige Endung mit der Fähigkeit, den Stamm in
einer bestimmten Weise zu verändern, während die glossematische
Beschreibung mit drei Endungen rechnen muss — einer, die den Stamm
verändert und mit j beginnt (t ~ š ≡ sj; d ~ ž ≡ zj), einer zweiten, die den Stamm
verändert, aber nicht mit j beginnt (k ~ c ≡ ts,
g ~ ≡ dz), und schließlich
einer dritten, die den Stamm unverändert lässt und mit j beginnt (die übrigen
Alternationen).
Unter Voraussetzung, dass ķ und g Varietäten von k und g vor i und e in
einer homosyllabischen Verbindung darstellen 7 und vor a, u und i (bzw. ŏ) in
eine Verbindung von k resp. g mit der vokalischen Variante von i aufgelöst
werden, ließen sich diese Probleme teilweise mit einer alternativen
Interpretation der betreffenden Größen lösen : Die Größen š, ž, c und 3 ließen
sich in den einen Fällen in sj, zj, ts und dz auflösen, in den anderen dagegen in
tj, dj, kj und gj (d.h. s ~ š ≡ sj vs. t ~ š ≡ tj; z ~ ž ≡ zj vs. d ~ ž ≡ dj ; c ≡ ts ~ č ≡
tš ≡ tsj vs. k ~ c ≡ kj ; 3 ≡ dz ~ 3Ù ≡ dž ≡ dzj vs. g ~ 3 ≡ gj). Man hätte hier somit
mit einer Synonymie zwischen der Form und der Substanz im Ausdrucksplan
zu tun, d.h. mit der Tatsache, dass eine und dieselbe Entität der
__________
6. Vgl. zum Gesagten Vykyp l (2003a, S. 172 ; 2003b, S. 79-81 ; 2004, § 2).
7. Vgl. zaķi ≡ za / ki « Hasen » vs. saki ≡ sak / i « du sagst ». Die Manifestation von k und g
in der homosyllabischen Verbindung mit i und e durch / k / resp, / g / stellt ein Signal für
Fremdwörter dar (vgl. Sokols et al. 1959, S. 62).
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ZUM LETTISCHEN AUSDRUCKSSYSTEM
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Ausdruckssubstanz (hier die Phoneme / š /, / ž /, / c / und / 3 /) in verschiedenen
syntagmatischen Beziehungen verschiedene Elemente der Ausdrucksform
manifestiert 8. Offensichtlich würde jedoch diese alternative Lösung wiederum
eine Komplikation in Manifestationsregeln mit sich bringen — eben dadurch,
dass dieselben Elemente in verschiedenen Verbindungen verschieden
manifestiert werden.
Was k und g angeht, so würde diese Lösung zudem auch eine weitere
Komplikation in der Beschreibung der formalen Morphologie der Zeichen mit
sich bringen : Bei den Verben, die in der 2. Person Singular Präsens die
Nullendung resp. im Reflexiv -ies haben, die die Alternation von k und g
hervorrufen, müsste man statt einer einzigen mit zwei Endungen rechnen, -ø
und -j resp. im Reflexiv -ies und -jies (vgl. metu « ich werfe », met « du
wirfst » vs. nāku ≡ naaku « ich komme », nāc ≡ naakj « du kommst »). Ebenso
wären zwei Endungen statt einer bei den Wörtern wie zaķis und brālis
vorauszusetzen : vgl. Nominativ Plural zaķi ≡ zakji « Hasen » vs. brāļi ≡
braalji « Brüder ».
2.2. Ein kurzer Schluss kann ähnlich wie früher sein (Vykyp l 2004, § 2). Für
denjenigen, der sowohl mit der « subtantiellen » Phonologie als auch mit der
streng glossematischen Beschreibung des Ausdrucksplans unzufrieden ist,
bieten sich zwei Alternativen : Die eine besteht darin daß alle Aspekte der
Einfachheit berücksichtigt werden 9, die andere in der syntagmatischen
(morphonologischen) Klassifizierung des phonologischen Systems. Die zweite
Alternative ist dabei noch umsomehr spannender, dass sie mit der
Untersuchung der phonologischen Theorie von Vilém Mathesius verbunden
werden kann, bekanntlich einer ungerecht fast vergessenen alternativen
Richtung im Rahmen der klassischen Prager Phonologie.
reçu juin 2004
adresse de l’auteur :
Ústav pro jazyk český AV ČR
etymologické odd lení
Veverí 97
CZ-60200 Brno
email : vykypel@iach.cz
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8. Allgemein hierzu vgl. Hjelmslev (1959, S. 80 ; 1973, S. 198, 231).
9. Diesen Grundsatz findet man auch im phonologischen Meisterwerk von Josef Vachek
zum Tschechischen : Die möglichen Komplikationen der Elementenmanifestation und kombination haben beispielsweise die Auflösung der langen Vokale in
Identitätsdiphtonge bei gleichzeitiger Identifizierung von j und i verhindert, denn eine
Ausdrucksform wie jí « er / sie / es isst » oder « ihr (Dativ) » würde zu / iii/ (vgl. Vachek,
1968, S. 44).
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