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Work-Family-Balance im Topmanagement

2005, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie A&O

Zeitschrift für Arbeits- u. Organisationspsychologie (2005) 49 (N. F. 23) 4, 208 ± 219  Hogrefe Verlag, Göttingen 2005 Work-Family-Balance im Topmanagement Konflikt zwischen Arbeit und Familie als Mediator der Beziehung zwischen Stressoren und Befinden Nicola Jacobshagen, Fabienne T. Amstad, Norbert K. Semmer und Martin Kuster Zusammenfassung. Das Topmanagement ist eine eher selten untersuchte Population. In dieser Untersuchung wurden in Zusammenarbeit mit einem Schweizer Groûkonzern die Ausprägungen verschiedener Stressoren und Ressourcen in der Arbeit und deren Zusammenhänge mit Befindensparametern im Topmanagement (N = 143) analysiert. Der Konflikt Arbeit ± Familie war in dieser Population stark ausgeprägt und korrelierte erwartungsgemäû mit arbeitsbezogenen Stressoren (r = .23 bis .48). In hierarchischen Regressionsanalysen sagte er die drei Befindensparameter Irritation, psychosomatische Beschwerden und arbeitsbezogene Depressivität vorher, auch wenn Ressourcen (positive soziale Beziehungen und Handlungsspielraum) und arbeitsbezogene Stressoren (Überlastung, Arbeitsplatzunsicherheit und Anzahl der Arbeitsstunden) kontrolliert wurden. Mediationsanalysen zeigten, dass der Konflikt Arbeit ± Familie die Beziehungen zwischen den drei arbeitsbezogenen Stressoren und den drei Befindensbeeinträchtigungen fast immer mediierte. Schlüsselwörter: Stress, Topmanagement, Work-Life-Balance, Mediation Work-family balance at top management level: Work-family conflict as a mediator of the relationship between stressors and strain Abstract. Compared to other populations, top management is not investigated very often. The current study was conducted in close collaboration between the University of Berne and an internationally operating Swiss corporation. Different stressors and resources as well as their relationship with strain parameters among 143 top managers were analysed using an intranet-based questionnaire. Workfamily conflict was rather high and correlated with work-related stressors (r = .23 ± .48) as was expected. In hierarchical regression analyses, work-family conflict predicted the strain parameters irritation, psychosomatic complaints, and work-related depressive mood even when resources (positive social relationships, job control) and work-related stressors (overload, insecurity, and number of hours worked) were controlled for. Almost all existing relationships between stressors and strain were mediated by work-family conflict. Key words: Stress, top management, work-life balance, mediation Greenhaus und Beutell (1985) definieren Konflikte zwischen Lebensbereichen als ¹eine Form von Interrollenkonflikt, bei dem die Rollenanforderungen des Arbeitsund Familienbereichs in gewisser Hinsicht gegenseitig inkompatibel sind. Das bedeutet, dass die Partizipation in der Arbeits- (Familien-) Rolle durch die Partizipation in der Familien- (Arbeits-) Rolle schwieriger wirdª (S. 77; Übersetzung der Autoren). Konflikte zwischen Arbeits- und Privatleben werden nach ihrer Richtung unterschieden: Man spricht von einem Konflikt Arbeit ± Familie, wenn das Arbeitsleben das Familienleben negativ beeinflusst, und von einem Konflikt Familie ± Arbeit, wenn das Familienleben das Arbeitsleben negativ beeinflusst (Frone, 2003). Beide Arten von Konflikten zeigen beeinträchtigende Wirkungen auf mehreren Dimensionen. Der Konflikt Arbeit ± Familie zeigte in verschiedenen Studien Zusammenhänge mit arbeitsbezogenen Variablen wie Arbeitszufriedenheit (Kossek & Ozeki, 1998), Burnout (GranDOI: 10.1026/0932-4089.49.4.208 dey & Cropanzano, 1999), organisationalem Commitment (Netemeyer, Boles & McMurrian, 1996), Absentismus (Hammer, Bauer & Grandey, 2003), Arbeitsleistung (Aryee, 1992) und Turnover (Allen, 2001; Boyar, Maertz, Pearson & Keough, 2003), aber auch mit allgemeineren Indikatoren der Gesundheit, so etwa mit Depression (Frone, Russell & Cooper, 1992a; Netemeyer, Boles & McMurrian, 1996; Schieman, McBrier & Van Gundy, 2003), psychosomatischen Beschwerden (Kinnunen & Mauno, 1998), Substanz- und Alkoholmissbrauch (Frone, Russell, & Cooper, 1992b), arbeits- wie auch familienbezogenem Stresserleben (Grandey & Cropanzano, 1999; Parasuraman & Simmers, 2001) sowie geringerer Familien- und Ehezufriedenheit (Aryee, Field & Luk, 1999). Diese Ergebnisse konnten unter anderem mit Metaanalysen (Allen, Herst, Bruck & Sutton, 2000; Kossek & Ozeki, 1998) erhärtet werden. Im Hinblick auf die Ursachen des Konflikts zwischen Arbeit und Familie scheinen erwartungsgemäû bereichs- Work-Family-Balance im Topmanagement spezifische Auslöser die besten Prädiktoren zu sein, d. h. für den Konflikt Arbeit ± Familie sind dies Faktoren aus dem Arbeitsbereich und für den Konflikt Familie ± Arbeit Faktoren aus dem Familienbereich (für einen Überblick Eby, Casper, Lockwood, Bordeaux & Brinley, 2005). Zeit, die bereichsspezifisch investiert wird (Frone, Russell & Cooper, 1992a; Aryee, Field & Luk, 1999), bereichsspezifische psychische Involviertheit (Frone, Russell & Cooper, 1992a; Barnett & Baruch, 1985; Carlson & Frone, 2003) oder bereichsspezifischer Stress können Arbeit-Familie-Konflikte auslösen (Greenhaus & Parasuraman, 2002; Fox & Dwyer, 1999). In Übereinstimmung mit der arbeitsbezogenen Stressforschung insgesamt (Sonnentag & Frese, 2003; Zapf & Semmer, 2004) konnte umgekehrt auch gezeigt werden, dass Ressourcen wie Handlungsspielraum mit weniger Konflikt Arbeit ± Familie im Zusammenhang stehen (Adams & Jex, 1999). Die berichteten Ergebnisse beruhen überwiegend auf Querschnittstudien. Eine Längsschnittstudie mit drei Messzeitpunkten (Demerouti, Bakker & Bulters, 2004) ergab, dass es angebracht wäre von einer Verlustspirale auszugehen. Das heiût, dass eine reziproke Beeinflussung von ungünstigen Arbeitsbedingungen, dem Konflikt Arbeit ± Familie und reduziertem Wohlbefinden besteht. In der Stressforschung wird der Konflikt Arbeit ± Familie auch als vermittelnde Variable (Mediator) zwischen Stressoren und Befinden untersucht (z. B. Aryee, Field & Luk, 1999; Demerouti, Bakker & Bulters, 2004; Frone, Russell & Cooper, 1992a; Geurts, Kompier, Roxburgh & Houtman, 2003; Geurts, Rutte & Peeters, 1999; Smith Major, Klein & Erhard, 2002). Das ist theoretisch plausibel, da die Ressourcen, die für die Bewältigung der Belastung in einem Bereich nötig sind, für den anderen Bereich nicht mehr zur Verfügung stehen; dadurch wird der Konflikt Arbeit ± Familie gefördert und die Belastung letztlich erhöht, so dass das Risiko, Stresssymptome zu entwickeln, steigt. Evidenz für Mediation ergab sich in einer ganzen Reihe von Studien. Geurts et al. (1999) konnten in einer Querschnittsstudie ein Modell bestätigen, in dem der Konflikt Arbeit ± Familie als Mediator zwischen vier Stressoren und verschiedenen Stresssymptomen fungierte. Die Stressoren waren a) Überstunden des/der Partners/in, b) eigene ungünstige Arbeitszeiten, c) quantitative Arbeitsbelastung und d) negative Abhängigkeit vom Vorgesetzten (gemeint ist ein problematisches Verhältnis zum Vorgesetzten). Als Stresssymptome wurden sowohl allgemeine (psychosomatische Beschwerden und Schlafstörungen) als auch arbeitsbezogene Indikatoren (emotionale Erschöpfung und Depersonalisation) erhoben. Analoge Ergebnisse wurden von Geurts et al. (2003) in vier verschiedenen Stichproben gefunden. Aryee und Kollegen (1999) fanden eine Mediation mit Lebenszufriedenheit als Befindensindikator und Amstad, Jacobshagen und Semmer (2004) konnten die vermittelnde Rolle der Beeinträchtigung des Familienle- 209 bens durch die Arbeit für den Zusammenhang zwischen quantitativer Arbeitsbelastung und Erschöpfung in zwei Stichproben bestätigen. Lediglich die Studie von Frone et al. (1992a) ergab keine vermittelnde Mediation für Depression als abhängige Variable. Insgesamt scheint der Effekt also recht stabil zu sein. Das Topmanagement ist eine vergleichsweise selten untersuchte Population. Manager müssen hohe Anforderungen bewältigen (Burke, 1998) und haben lange Arbeitszeiten (Brett & Stroh, 2003). Dennoch verfügen sie im Allgemeinen über eine gute psychische und physische Gesundheit (Burke, 2002; Hemingway, Nicholson, Stafford, Roberts & Marmot, 1997; Stansfeld, Fuhrer, Head, Ferrie & Shipley, 1997). Als Erklärungsansätze werden einerseits das hohe Ausmaû an Handlungsspielraum (Bernin & Theorell, 2001; Karasek & Theorell, 1990), andererseits Typ und Umfang sozialer Unterstützung herangezogen (Marmot, Ryff, Bumpass, Shipley & Marks, 1997; Marmot, Bosma, Hemingway, Brunner & Stansfeld, 1997; Stansfeld, Fuhrer, Head, Ferrie & Shipley, 1997). Diese beiden Ressourcen zeigen in vielen Studien direkte positive Effekte auf Befindensparameter (Frese & Semmer, 1991; Sonnentag & Frese, 2003; Zapf & Semmer, 2004). Dennoch werden auch unter Managern Stressreaktionen wie etwa Burnout gefunden (z. B. Dolan & Renaud, 1992). Es gibt Hinweise darauf, dass das Ausmaû an arbeitsbezogenem Stress auch unter Managern deutlich angestiegen ist (Marino, 1997). Beispielsweise berichteten 88 % der von Tillson (1997) befragten Manager über ein erhöhtes Ausmaû an Stress, und in der Studie von Cohen (1997) berichteten die meisten Manager, sie hätten Druck in diesem Ausmaû vorher noch nicht erlebt. Interessanterweise fand Daniels (1996), dass Manager dazu tendieren, die mit Stress assoziierten Risiken zu unterschätzen; dies obwohl laut Hobson und Beach (2000, S. 519) über 60% der von ihnen befragten Manager ¹above threshold of caseness on at least one measure of psychological healthª und fast 30 % in allen drei Bereichen (anxiety, depression und General Health Questionnaire) waren. Auch wenn solche Ergebnisse von den jeweils gesetzten Schwellenwerten abhängen und man über diese durchaus streiten kann1, zeigen solche Ergebnisse doch, dass Stresssymptome bei Managern ein ernst zu nehmendes Problem darstellen. Hypothesen Analog zu vielen Stressstudien gehen wir davon aus, dass auch bei Topmanagern arbeitsbezogene Stressoren positiv und Ressourcen negativ mit Befindensbeeinträchti1 Hobson und Beach verwenden etablierte Kriterien, die mit einem 50%-igen Risiko verbunden seien, eine ¹clinically important disturbanceª zu entwickeln (S. 519). 210 Nicola Jacobshagen, Fabienne T. Amstad, Norbert K. Semmer und Martin Kuster gungen zusammenhängen (Hypothese 1). Bezüglich des Konflikts Arbeit ± Familie erwarten wir, dass er (a) mit arbeitsbezogenen Stressoren und Ressourcen und (b) mit Befindensbeeinträchtigungen assoziiert ist (Hypothese 2). Schlieûlich nehmen wir an, dass der Konflikt Arbeit ± Familie die Beziehungen zwischen Stressoren und Befindensbeeinträchtigungen mediiert (Hypothese 3). Methode Stichprobe und Durchführung Die Daten der vorliegenden Studie wurden im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit einem international tätigen, schweizerischen Groûkonzern erhoben. Die Topmanager des Unternehmens konnten über einen Link ein computergeneriertes Passwort anfordern, welches dann an ihre E-Mail-Adresse gesandt wurde. Mithilfe des Passwortes erhielten sie auf dem unternehmensinternen Intranet Zugang zum Fragebogen und konnten die Fragen beantworten, wobei sie das Ausfüllen bei Bedarf unterbrechen und später fortsetzen konnten. Die Befragung wurde auf Englisch durchgeführt, da dies die offizielle Sprache im Unternehmen ist. Die Daten wurden anonym in einer Datenbank gespeichert und an das Forscherteam weitergeleitet; das Unternehmen erhält keine personenbezogenen Ergebnisse. Die Probanden erhielten unmittelbar nach dem Ausfüllen des Fragebogens über programmierte Feedbackschlaufen Rückmeldungen zu ihren Werten. Dabei wurden ihre Ergebnisse mit denen von Managern aus dem eigenen Unternehmen sowie Resultaten ähnlicher Studien verglichen. Von den 143 teilnehmenden Personen waren 131 Männer (91.8 %) und 12 Frauen, das mittlere Alter betrug 47.59 Jahre (SD = 6.94). Weitere demografische Angaben liegen nicht vor, da sie in Verbindung mit Alter und Geschlecht eine relativ leichte Identifizierung von Personen ermöglicht hätten, so dass Bedenken hinsichtlich der Wahrung der Anonymität bestanden. gen Likert-Skala mit den Ausprägungen 1 (= strongly disagree) bis 6 (= strongly agree). Die Items für mangelnde Kontrolle und ungünstige Arbeitsbeziehungen wurden rekodiert, so dass hohe Werte Ressourcen (Handlungsspielraum und positive soziale Beziehungen) ausdrücken. Psychosomatische Beschwerden wurden mit der Subskala Physiologisches Befinden aus dem ASSET mit sechs Items erhoben. Gefragt wurde nach Symptomen (z. B. Schlafschwierigkeiten, Muskelschmerzen, Appetitlosigkeit) in den vergangenen drei Monaten; das Antwortformat war vierstufig (1 = never) bis (4 = often). Der Konflikt Arbeit ± Familie wurde, wie bei Gutek, Searle und Klepa (1991), mit vier Items von Kopelman, Greenhaus und Connolly (1983) erhoben, die die Beeinträchtigung des Familienlebens durch die Arbeit messen (z. B.: ¹My family/friends dislike how often I am preoccupied with my work while I am at homeª). Das Antwortformat war fünfstufig (1 = strongly disagree bis 5 = strongly agree). Die Anzahl der Arbeitsstunden pro Woche wurden nach Gutek et al. (1991) mit einem Item mit offenem Antwortformat erfragt: ¹How many hours per week do you spend on paid work activities?ª Die Skala Irritation (Mohr, 1986; 1991) enthält 8 Items und misst gereizte Reaktionen und die Unfähigkeit, nach der Arbeit abzuschalten (z. B. ¹Even at home I often think of my problems at workª). Das Antwortformat war siebenstufig (1 = strongly disagree bis 7 = strongly agree). Die Skala weist gute psychometrische Kennwerte auf (Mohr, Müller & Rigotti, 2005; Mohr, Rigotti & Müller, 2005; Müller, Mohr & Rigotti, 2004). Als Indikator für arbeitsbezogene Depressivität wurde die Subskala Depression-Enthusiasm von Warr (1990) verwendet. Die Probanden gaben an, wie oft ihre Arbeit in den letzten Wochen zu folgenden Gefühlen geführt hat: elend, deprimiert, optimistisch, enthusiastisch, bedrückt, fröhlich. Das Antwortformat reichte von 1 (= never) bis 5 (= all of the time). Die Items sind so kodiert, dass höhere Skalenwerte schlechteres Befinden bedeuten. Messverfahren Ergebnisse Fünf der verwendeten Messinstrumente stammten aus dem ASSET (Cooper & Cartwright, 2001), einem organisationalen Screening-Tool, das einerseits Indikatoren des Befindens, andererseits verschiedene Stressoren am Arbeitsplatz misst: Überlastung (Beispiel: ¹I am given unmanageable workloadª) und Arbeitsplatzunsicherheit (¹My job is insecureª) sowie mangelnder Handlungsspielraum (¹I have little control over many aspects of my jobª) wurden mit je vier Items erhoben, ungünstige Arbeitsbeziehungen mit acht Items (z. B. ¹I do not receive the support from others [boss/colleagues] that I would likeª). Das Antwortformat bestand aus einer sechsstufi- Skalenkennwerte und Interkorrelationen In Tabelle 1 sind die Mittelwerte, Standardabweichungen, Interkorrelationen und Reliabilitäten der verwendeten Skalen ersichtlich. Die Reliabilitäten waren zufriedenstellend bis sehr gut, lediglich für Arbeitsplatzunsicherheit lag die interne Konsistenz (Cronbachs Alpha) mit .64 eher tief; allerdings muss man berücksichtigen, dass die Skala nur vier Items enthält (s. dazu Cortina, 1993). Die Anzahl der Arbeitsstunden lag mit einem Mittelwert von fast 60 Stunden pro Woche sehr hoch und auch im Vergleich mit ähnlichen Stichproben im oberen Work-Family-Balance im Topmanagement .025 Bereich (vergleichbare Zahlen lagen bei Hobson & Beach, 2000, bei 56.4 Stunden, bei Gutek et al., 1991, bei 51.6 Stunden, bei Brett & Stroh, 2003, 56.4 Stunden für männliche und 51.5 für weibliche Manager). Auch die Ressourcen positive soziale Beziehungen und Handlungsspielraum erreichten erwartungsgemäû hohe Werte. Ebenfalls zu vermuten war, dass das Alter in dieser Stichprobe eher hoch ist. Anmerkungen. N = 142 ± 143; in der Diagonalen sind in Klammern die Alpha-Koeffizienten nach Cronbach angegeben; ² p < .10, * p < .05, ** p < .01, *** p < .001. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Anzahl Arbeitsstunden 59.68 Arbeitsplatzunsicherheit 2.84 Überlastung 2.85 Positive Soziale Beziehungen 3.81 Handlungsspielraum 3.60 Konflikt Arbeit ± Familie 3.36 Depressivität 2.32 Irritation 3.45 Psychosomatische Beschwerden 1.91 Alter 47.59 Geschlecht 8.15 1.02 1.00 0.81 0.92 1.01 0.61 1.21 0.62 6.94 ±.038 .223** ±.080 ±.054 .354*** .084 264** .248** ±.191 .074 (.64) .338*** (.75) ±.401*** ±.462*** (.83) ±.392*** ±.595*** .678*** (.75) .232** .484*** ±.338*** ±.304*** (.84) .218** .280** ±.501*** ±.458*** .332*** .290*** .338*** ±.407*** ±.300*** .521*** .155² .334*** ±.344** ±.296*** .429*** ±.093 ±.126 .1 13 .035 ±.069 ±.063 .204* ±.048 ±.196* .067 (.81) .452*** .361*** .012 .043 (.86) .537*** (.75) -.021 ±.104 .059 .1 1 1 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 SD M Variable Tabelle 1. Mittelwerte, Standardabweichungen, Interkorrelationen und interne Konsistenzen der untersuchten Variabeln 211 Die Ausprägung des Konflikts Arbeit ± Familie war bei den Topmanagern vergleichbar mit Junior Managern desselben Unternehmens und mit anderen ManagementStichproben (z. B. mittleres und unteres Management bei Aryee, Field & Luk, 1999). Die Werte für Irritation waren im Topmanagement im Vergleich mit den 15 Studien zu Irritation, von denen Mohr, Rigotti & Müller (2005) berichten, recht hoch (Mittelwerte von 2.63 ± 3.43). Psychosomatische Beschwerden waren im Vergleich ähnlich ausgeprägt (Cooper & Cartwright, 2001), und auch die Ausprägung der arbeitsbezogenen Depressivität war vergleichbar mit anderen Stichproben (vgl. Mullarkey, Wall, Warr, Cleeg & Stride, 1999). Alle drei arbeitsbezogenen Stressoren korrelierten signifikant positiv mit den beiden Befindensbeeinträchtigungen Irritation und psychosomatische Beschwerden, zwei auch mit arbeitsbezogener Depressivität. Die beiden Ressourcen positive soziale Beziehungen und Handlungsspielraum korrelieren hoch miteinander und hoch signifikant negativ mit den drei Befindensbeeinträchtigungen. Hypothese 1 wurde somit im Hinblick auf bivariate Beziehungen bestätigt. Hierarchische Regressionsanalysen Die Befindensvariablen wurden mittels hierarchischer Regressionsanalysen auf die Stressoren (Schritt 1), die Ressourcen (Schritt 2) und den Konflikt Arbeit ± Familie (Schritt 3) regrediert. Multikollinearitätsüberprüfungen nach Field (2000) ergaben unbedenkliche Werte (Toleranz-Werte alle > .60 in den Analysen). Eine zusätzliche Kontrolle von Alter und Geschlecht ergab in keinem Fall einen signifikanten Beitrag dieser Variablen, und die Ergebnisse für die anderen Variablen waren praktisch identisch. Alter und Geschlecht sind daher in den im Folgenden dargestellten Modellen nicht enthalten. Wie die Tabellen 2, 3 und 4 zeigen, waren alle drei Stressoren im ersten Schritt signifikante Prädiktoren für Irritation, zwei der drei (Überlastung und Anzahl der Arbeitssunden) auch für psychosomatische Beschwerden und eine (Überlastung) für Depressivität. Positive soziale Beziehungen waren ein signifikanter Prädiktor im zweiten Schritt bei allen drei Befindensparametern. Der Koeffizient für Handlungsspielraum war nur für Depressivität signifikant und blieb es ± gemeinsam mit positiven sozialen Beziehungen ± über alle Schritte. In den multi- 212 Nicola Jacobshagen, Fabienne T. Amstad, Norbert K. Semmer und Martin Kuster Tabelle 2. Hierarchische Regressionsanalysen mit Irritation als abhängiger Variable Prädiktoren Überlastung Unsicherheit Anzahl Arbeitsstunden AV: Irritation 1. Schritt B SEB b 2. Schritt B SEB b 3. Schritt B SEB b R2 DR2 .291 .234 .032 .242** .200* .218** .187 .158 .032 .1 17 .098 .01 1 .155 .134 .214** .018 .125 .017 .1 16 .092 .01 1 .015 .107 .1 13 .200 .200*** ±.423 .154 ±.286** ±.338 .145 ±.228* .056 .147 .043 .026 .138 .020 .251 .051* .451 .101 .379*** .348 .101 .097 .012 Soziale Beziehungen Handlungsspielraum Konflikt Arbeit ± Familie .097*** Anmerkungen. N = 142, * p < .05, ** p < .01, *** p < .001. variaten Analysen erfährt Hypothese 1 somit eine partielle Bestätigung. Der Konflikt Arbeit ± Familie klärte im dritten Schritt zusätzlich 10 % Varianz bei Irritation, 5 % bei psychosomatischen Beschwerden und 3% bei arbeitsbezogener Depressivität auf. Wir betrachten Hypothese 2 damit als bestätigt. In der Stressforschung wird kontrovers diskutiert, ob negative Affektivität (bzw. Neurotizismus) in den Analysen kontrolliert werden sollte oder nicht (Spector, Zapf, Chen & Frese, 2000; s. a. Zapf & Semmer, 2004). In unseren Analysen sind in den Schritten 1 ± 3 bereits eine ganze Reihe von Variablen enthalten, für die eine Überlappung mit negativer Affektivität vermutet werden kann (wie Spector et al., 2000, zeigen, gilt dies insbesondere für soziale Aspekte, die auch in unseren Modellen kontrolliert sind). Eine zusätzliche Kontrolle negativer Affektivität enthält daher die Gefahr der Überkontrolle, indem inhaltliche Varianz auspartialisiert wird. Wir haben daher auf diese Kontrolle verzichtet. Wenn man dennoch in den Modellen zur Vorhersage von Irritation bzw. psychosomatischen Beschwerden Depressivität (ein häufig verwendeter Indikator für negative Affektivität) zusätzlich als vierten Schritt in die Regression aufnimmt, dann wird der Koeffizient für Depressivität erwartungsgemäû signifikant. Der Konflikt Arbeit ± Familie blieb jedoch in beiden Fällen signifikant (Irritation: b = .327, p £ .002; Psychosomatische Beschwerden: b = .245, p £ .008). Der Konflikt Arbeit ± Familie überstand also sogar diesen strengen ± aus unserer Sicht sogar zu strengen ± Test und erwies sich als robuster Prädiktor für das Befinden. Mediationsanalysen Bereits die in den Tabellen 2, 3 und 4 dargestellten Ergebnisse enthalten Hinweise auf eine mediierende Funktion des Konflikts Arbeit ± Familie, denn die Stressoren sind im ersten Schritt meist signifikant, im letzten ausnahmslos nicht. Die erste Voraussetzung für eine Mediation nach Baron und Kenny (1986), nämlich die Vorhersage des Kriteriums durch den Prädiktor, scheint somit meist gegeben, die dritte (Reduktion der Vorhersage des Kriteriums durch den Prädiktor, wenn der Mediator ebenfalls kontrolliert ist) ebenfalls. Zu prüfen war noch die Vorhersage des Mediators durch den Prädiktor, und schlieûlich war mit dem Sobel-Test zu prüfen, ob die indirekte Prädiktion signifikant ist (es wurde die Goodman-Formel I verwendet; vgl. Preacher & Leonardelli, 2003). Die Ergebnisse der entsprechenden Regressionsanalysen sind in den Abbildungen 1 ± 3 dargestellt. Der Konflikt Arbeit ± Familie mediierte die Zusammenhänge zwischen allen drei Stressoren und psychosomatischen Beschwerden vollständig. Im Hinblick auf Irritation ergab sich eine vollständige Mediation für Überlastung und Anzahl der Arbeitsstunden, eine partielle Mediation für Arbeitsplatzunsicherheit. Desweiteren mediierte der Konflikt Arbeit ± Familie den Zusammenhang zwischen Arbeitsplatzunsicherheit und Depressivität sowie Überlastung und Depressivität partiell. Die Anzahl der Arbeitsstunden war kein signifikanter Prädiktor für Depressivität. Somit war eine der Bedingungen für eine Mediation nicht erfüllt. Hypothese 3 wurde somit überwiegend bestätigt. Kontrolliert man Alter und Geschlecht bei diesen Analysen, bleiben alle Effekte erhalten. Kontrolliert man zusätzlich noch in den Analysen mit Irritation und psychosomatische Beschwerden Depressivität als Indikator für emotionale Instabilität, wurde lediglich ein Effekt nicht mehr signifikant: Arbeitsplatzunsicherheit zeigte keinen direkten Effekt mehr auf psychosomatische Beschwerden. Eine alternative Überlegung im Hinblick auf Irritation wäre, dass Arbeitsbelastung unmittelbar die Irritati- 213 Work-Family-Balance im Topmanagement Tabelle 3. Hierarchische Regressionsanalysen mit psychosomatischen Beschwerden als abhängiger Variable Prädiktoren Überlastung Unsicherheit Anzahl Arbeitsstunden AV: Psychosomatische Beschwerden 1. Schritt 2. Schritt b B SEB B SEB .175 .035 .014 .054 .051 .006 b 3. Schritt B SEB b .281** .1 10 .057 ±.005 .188* .014 .063 .053 .006 .178² ±.008 .189* .046 ±.017 .009 .064 .051 .006 .073 ±.028 .1 14 ±.169 .083 ±.221* ±.136 .081 ±.178² ±.023 .079 ±.034 ±.035 .076 ±.052 .173 .056 Soziale Beziehungen Handlungsspielraum Konflikt Arbeit ± Familie .282** R2 DR2 .152 .152*** .193 .041* .246 .054** Anmerkungen. N = 142, ² p < .10, * p < .05, ** p < .01, *** p < .001. Tabelle 4. Hierarchische Regressionsanalysen mit arbeitsbezogener Depressivität als abhängiger Variable Prädiktoren Überlastung Unsicherheit Anzahl Arbeitsstunden AV: Depressivität 1. Schritt B SEB b .148 .075 .003 .055 .052 .006 2. Schritt B SEB b 3. Schritt B SEB b R2 DR2 .242** ±.012 .125 ±.008 .035 .004 .058 .049 .006 ±.020 ±.014 .048 ±.058 ±.017 .000 .061 .048 .006 ±.094 ±.029 ±.006 ±.255 .077 ±.339** ±.232 .076 ±.308** ±.162 .073 ±.246* ±.170 .072 ±.259* .278 .178*** .122 .053 .202* .306 .028* Soziale Beziehungen Handlungsspielraum Konflikt Arbeit ± Familie .100 .100** Anmerkungen. N = 142, * p < .05, ** p < .01, *** p < .001. on erhöhe, welche dann über irritiertes (und irritierendes) Verhalten in der Familie zu Konflikten zwischen Arbeit und Familie führe2. Die Mediatorvariable wäre dann Irritation. Ein Test dieser Modellvorstellung ergab, dass die Beziehung zwischen Stressor und dem Konflikt Arbeit ± Familie in zwei von drei Fällen durch Irritation partiell, in einem Fall vollständig mediiert wurde. So sank der Koeffizient für die Anzahl der Arbeitsstunden von b = .354 auf b = .232, für Überlastung von b = .484 auf b = .348 und für Arbeitsplatzunsicherheit von b = .232 auf b = .089. Der Koeffizient für Irritation war in allen drei Fällen signifikant (b = .461, b = .403, 2 weis. Wir danken einer/einem anonymen Reviewer(in) für diesen Hin- b = .495), ebenso der Sobel-Test. Es ergaben sich also Hinweise auf eine Mediation dieser Art, allerdings etwas schwächer als auf die ursprünglich postulierte. Diskussion und Schlussfolgerungen Unsere Studie befasste sich mit einer Population, die nicht sehr häufig an solchen Untersuchungen teilnimmt: dem Topmanagement. An den Ergebnissen fiel zunächst rein deskriptiv auf, dass die Führungskräfte lange Arbeitszeiten haben. Dies war zu erwarten, jedoch lagen die Werte auch im Vergleich mit anderen Untersuchungen eher hoch. Die anderen Stressfaktoren waren geringer ausgeprägt, allerdings war das Niveau der Arbeits- 214 Nicola Jacobshagen, Fabienne T. Amstad, Norbert K. Semmer und Martin Kuster Konflikt Arbeit – Familie .48*** Konflikt Arbeit – Familie Konflikt Arbeit – Familie .52*** .23** .35*** Irritation Unsicherheit .11 Überlastung .52*** .52*** .18* .34*** .29*** Irritation .09 Anzahl Stunden Irritation .26** Anmerkungen. Angegeben sind die standardisierten β-Koeffizienten. Der Koeffizient oberhalb/unterhalb des horizontalen Pfeils bezieht sich auf das Gewicht der unabhängigen Variablen mit/ohne Kontrolle des Konflikts Arbeit – Familie; Sobel-Test (Goodman-I-Equation): Überlastung z = 4.29***, Unsicherheit z = 2.59**, Anzahl Stunden z = 3.58***; N = 142-143, *p < .05, **p < .01, ***p < .001. Abbildung 1. Darstellung der potenziellen Mediatorbeziehungen für die abhängige Variable Irritation. Konflikt Arbeit – Familie .48*** .43*** Konflikt Arbeit – Familie Konflikt Arbeit – Familie .23** .35*** .17 Überlastung .43*** .43*** .06 .33*** psychosom. Beschwerden Unsicherheit .16† .11 psychosom. Anzahl Beschwerden Stunden .25** psychosom. Beschwerden Anmerkungen. Angegeben sind die standardisierten β-Koeffizienten. Der Koeffizient oberhalb/unterhalb des horizontalen Pfeils bezieht sich auf das Gewicht der unabhängigen Variablen mit/ohne Kontrolle des Konflikts Arbeit – Familie; Sobel-Test (Goodman-I-Equation): Überlastung z = 3.43***, Unsicherheit z = 2.48*, Anzahl Stunden z = 3.20**; N = 142-143, †p < .10, *p < .05, **p < .01, ***p < .001. Abbildung 2. Darstellung der potenziellen Mediatorbeziehungen für die abhängige Variable psychosomatische Beschwerden. Konflikt Arbeit – Familie .48*** .33*** Konflikt Arbeit – Familie .23** .16† Überlastung .28** .33*** .15† Depressivität Unsicherheit .22** Depressivität Anmerkungen. Angegeben sind die standardisierten β-Koeffizienten. Der Koeffizient oberhalb/unterhalb des horizontalen Pfeils bezieht sich auf das Gewicht der unabhängigen Variablen mit/ohne Kontrolle des Konflikts Arbeit – Familie; Sobel-Test (Goodman-I-Equation): Überlastung z = 2.57*, Unsicherheit z = 2.20*; N = 142143, †p < .10, *p < .05, **p < .01, ***p < .001. Abbildung 3. Darstellung der potenziellen Mediatorbeziehungen für die abhängige Variable Depressivität. platzunsicherheit ± in der einschlägigen Forschung als wichtiger Stressfaktor gut belegt (Mohr, 1997, 2000) ± mit einem Wert von knapp unter 3 doch auffällig. Ressourcen (Handlungsspielraum, positive soziale Beziehungen) zeigten hohe Werte. Insoweit bestätigte sich ein Bild von Spitzenkräften, die viel und hart arbeiten und zugleich über gute Ressourcen verfügen. Der Konflikt Arbeit ± Familie lag etwa im Rahmen vergleichbarer Studien und leicht höher als in vielen anderen Populationen. Die Zusammenhänge zwischen Stressoren und dem Befinden entsprachen weitgehend den Erwartungen. Eine lange Arbeitswoche ging mit erhöhter Irritation und mehr psychosomatischen Beschwerden einher, und diese Zusammenhänge blieben in der multiplen Regressionsanalyse erhalten, wenn die jeweils anderen Stressoren sowie die Ressourcen kontrolliert wurden. Das ist insofern besonders hervorzuheben, als die Angabe der wöchentlichen Arbeitsstunden, obschon per Selbstbericht Work-Family-Balance im Topmanagement erhoben, vermutlich weniger mit affektiven Variablen konfundiert ist, so dass dieses Ergebnis einen weiteren Hinweis darauf gibt, dass die gefundenen Zusammenhänge nicht einfach auf negative Affektivität zurückgeführt werden können. Erst wenn der Konflikt Arbeit ± Familie aufgenommen wird, sinken die Koeffizienten für die Anzahl der Arbeitsstunden auf ein Niveau, das statistisch nicht mehr signifikant ist; dies war nach der Mediationshypothese (Hypothese 3) erwartet worden. Mit Depressivität hing die Anzahl der Arbeitsstunden hingegen nicht zusammen. Subjektiv empfundene Überlastung zeigte bivariat ein ähnliches Muster; hier ergab sich im ersten Schritt auch ein signifikanter Koeffizient für die Vorhersage aller Befindensvariablen. Im zweiten Schritt zeigte sich jedoch nicht mehr viel, lediglich mit Irritation als abhängiger Variable ergab sich noch ein tendenziell signifikanter Koeffizient. ¾hnliches gilt für Arbeitsplatzunsicherheit: Auch hier ergab sich unter Kontrolle der beiden anderen Stressoren eine signifikante Vorhersage nur für Irritation, und auch dieser Effekt verschwand, sobald man die Ressourcen hinzunahm. Auch positive soziale Beziehungen und Handlungsspielraum zeigten bivariat die erwarteten Beziehungen. Für Irritation und psychosomatische Beschwerden blieben in den Regressionsmodellen nur die Koeffizienten für soziale Beziehungen signifikant. Dass nicht beide signifikant wurden, ist schon aufgrund ihrer hohen Interkorrelation zu erwarten. Zudem korrelierte Handlungsspielraum hoch mit Arbeitsüberlastung. Dass sich im Zweifel die positiven sozialen Beziehungen durchsetzen, steht im Einklang mit einer Reihe von Ergebnissen, wonach den sozialen Aspekten ein besonders hoher Stellenwert im Zusammenhang mit Stress zukommt (Beehr, Drexler & Faulkner, 1997; Dormann, Zapf & Isic, 2002; Frone, 2000; Grebner, Semmer, Lo Faso, Gut & Kälin, 2003; Schonfeld, 1992; Zapf, Seifert, Schmutte, Mertini & Holz, 2001). Umso bemerkenswerter war, dass beide Ressourcen auch im Endmodell signifikant zur Vorhersage von Depressivität beitrugen. Hier zeigt sich ein Muster, das sich in der einschlägigen Forschung insgesamt abzeichnet: Stressfaktoren hängen eher mit klassischen Stresssymptomen zusammen, die im Circumplex der Emotionen mit hohem negativen Arousal verbunden sind ± in unserer Studie also Irritation und psychosomatische Beschwerden ± Ressourcen hingegen eher mit Befindensvariablen, bei denen der evaluative Aspekt im Vordergrund steht, nicht hohes Arousal ± was hier für Depressivität gilt (s. dazu Zapf & Semmer, 2004). Der Konflikt Arbeit ± Familie erwies sich erwartungsgemäû nicht nur als Prädiktor für alle drei Befindensvariablen, sondern auch als Mediator der Beziehung zwischen den Stressoren und den Befindensvariablen; lediglich für den Zusammenhang zwischen der Anzahl der Arbeitsstunden und Depressivität konnte sich keine Me- 215 diation ergeben, da er bereits bivariat nicht signifikant war. Auch wenn die hier gezeigten Querschnittdaten nichts über Kausaleffekte aussagen, stehen diese Ergebnisse doch im Einklang mit einem Modell, nach dem Arbeitsbelastungen zu Konflikten zwischen Arbeit und Familie führen, welche ihrerseits das Befinden beeinträchtigen. Ein solches Modell legen auch die Ergebnisse von Demerouti et al. (2004) nahe, die auf Längsschnittdaten beruhen. Sie deuten auf eine negative Spirale hin, in der Arbeitsbelastung (work pressure) den Konflikt Arbeit ± Familie wie auch Erschöpfung verstärkt, diese beiden Variablen ihrerseits die Arbeitsbelastung voraussagen und sich untereinander ebenfalls verstärken. Interessant ist in diesem Zusammenhang das Ergebnis, dass Irritation zweimal partiell und einmal vollständig als Mediator zwischen Stressor und Konflikt Arbeit ± Familie fungierte. Man könnte das so interpretieren, dass die beiden Variablen konzeptionell sehr nahe ± und somit redundant ± sind. Dafür spricht, dass die Skala Irritation u. a. Items enthält, die das Hineintragen von Arbeitsstress in das Privatleben thematisieren. Dagegen sprechen jedoch zwei Ergebnisse: Zum einen ist die Korrelation zwischen beiden Variablen mit r = .52 zwar deutlich, aber keineswegs so hoch, dass man eine mangelnde Trennbarkeit der beiden Konstrukte annehmen müsste (s. Tabelle 1). Zum anderen ist Irritation in zwei von drei Fällen partiell, es bleibt also noch ein signifikanter Zusammenhang zwischen Stressor und Konflikt Arbeit ± Familie. Wir interpretieren diese Ergebnisse daher nicht als im Widerspruch zur Mediatorfunktion des Konflikts Arbeit ± Familie stehend, sondern als Hinweis auf die beschriebene negative Spirale: Der Konflikt Arbeit ± Familie erhöht die Irritation, diese wiederum verstärkt den Konflikt. Zugleich ist die Mediatorfunktion des Konflikts Arbeit ± Familie etwas stärker als die der Irritation. Soweit also unsere Ergebnisse ± die ja auf einem Querschnittdesign beruhen ± darüber überhaupt Aussagen erlauben, sprechen sie für einen deutlichen Mediatoreffekt des Konflikts Arbeit ± Familie und einen etwas schwächeren Rückkoppelungseffekt des Befindens auf diesen Konflikt. Das Postulat Kasls (1992), dass das Hineinwirken von Stressoren aus einem Lebensbereich in einen anderen eine wichtige Bedingung dafür sei, dass Stress langfristige Folgen zeigt, erfährt durch solche Ergebnisse Unterstützung. Wichtig wäre für zukünftige Studien, diese Ergebnisse, die sich nur auf die Intensität des Konflikts Arbeit ± Familie beziehen, im Hinblick auf spezifische Konfliktformen zu differenzieren. Im Hinblick auf praktische Implikationen liegt es zunächst nahe, die Arbeitsbelastung zu reduzieren. Dies wird sich angesichts der vielfältigen Aufgaben und der hohen Verantwortung hoher Führungskräfte sicher nur in Grenzen erreichen lassen, und zumindest temporäre Spitzenbelastungen werden wohl unvermeidbar bleiben. Andererseits verweisen Ergebnisse wie die hier vorliegenden auf die Kosten der hohen Belastung. Diese sind 216 Nicola Jacobshagen, Fabienne T. Amstad, Norbert K. Semmer und Martin Kuster gegebenenfalls für das Individuum sowie ± wie die Daten nahe legen ± für dessen Familie gravierend. Aber auch für die Organisation entstehen Kosten. Nicht zuletzt verweist die Skala Irritation auf gereizte Reaktionen, die auch im Arbeitsumfeld der Beteiligten zum Tragen kommen dürften und das soziale Klima beeinträchtigen können. Hinzu kommt, dass ständige Arbeitsüberlastung in vielen Fällen auch die Effizienz des Arbeitshandelns beeinträchtigen kann (Meijman & Mulder, 1998; Zapf & Semmer, 2004) ± wobei nicht zuletzt die Entwicklung eines Schlafdefizits eine Rolle spielen dürfte (van Dongen, Maislin, Mullington & Dinges, 2003) ± so dass die Vermeidung von Überbelastung auch im Sinne der Effizienz angezeigt ist. Aber auch die Barrieren, die einer Reduktion der Arbeitsbelastung entgegenstehen, sind kritisch zu hinterfragen. Lange Arbeitszeiten und fast unendliche Belastbarkeit gehören auch zum Mythos der Führungskraft. Es gilt also auch, eine Kultur zu entwickeln, in der die Grenzen der eigenen Belastbarkeit thematisiert werden können, ohne dass dies als Zeichen von mangelnder Kompetenz, mangelndem Engagement oder mangelnder Belastbarkeit ausgelegt wird. Auch weitere Interventionsmaûnahmen wie flexible Arbeitszeiten (Nord, Fox, Phoenix & Viano, 2002) oder Telearbeit (Riley & McCloskey, 1997) könnten positive Auswirkungen auf den wahrgenommenen Konflikt zwischen Arbeit und Familie haben (wobei bei Telearbeit allerdings auf die Vermeidung möglicher Nebenwirkungen wie sozialer Isolation und unzureichender sozialer Unterstützung zu achten wäre). Mehr empirische Studien zu Interventionsmaûnahmen in diesem Bereich sind dringend nötig. Die von uns vermutete und von Demerouti et al. (2004) auch empirisch belegte Negativspirale legt aber nahe, dass eine Reduktion der Arbeitsbelastung möglicherweise nicht ausreicht. Soweit bereits Auswirkungen auf das Familienleben bzw. das individuelle Befinden vorhanden sind, könnten diese sich verselbständigen, wenn sie lange genug anhalten (s. dazu Frese & Zapf, 1988). So könnte sich das familiäre Klima dauerhaft verschlechtern, (vernachlässigte) Freunde könnten sich zurückziehen u. ä. Zusätzliche Interventionen, die auf das Individuum, ggf. unter Einbezug seiner privaten Umgebung abzielen, wären daher ebenfalls sinnvoll. Angesichts der guten Erfolgsbilanz personbezogener Stressmanagement-Trainings (Bamberg & Busch, 1996; Semmer & Zapf, 2004) erscheint ein solches Vorgehen durchaus viel versprechend; es sollte allerdings neben der üblichen Konzentration auf Coping und Entspannung durchaus auch auf die Veränderung der eigenen Lebens- und Arbeitsbedingungen abzielen, was beispielsweise in einem Ansatz nach Meichenbaum (2003) durchaus möglich ist (s. Semmer & Zapf, 2004). Die vorliegende Untersuchung beruht ausschlieûlich auf Fragebogendaten. Dies wirft die Frage auf, inwieweit die ermittelten Zusammenhänge nicht eher gemeinsame Methodenvarianz widerspiegeln als inhaltliche Varianz. Für die bivariaten Zusammenhänge lieûe sich in der Tat eine Erklärung auf der Basis gemeinsamer Methodenvarianz nicht ausschlieûen. Anders verhält es sich jedoch mit den multivariaten Auswertungen. Sofern die Effekte nur auf gemeinsame Methodenvarianz zurückzuführen sind, dürfte keiner der Prädiktoren noch eigenständig Varianz aufklären, wenn die anderen kontrolliert sind, da die Methodenvarianz allen Prädiktoren gemeinsam ist. Wenn aber im ersten Schritt zwei oder drei von drei Prädiktoren jeweils signifikant werden und wenn im letzten Schritt, in dem fünf per Fragebogen erhobene Prädiktoren in das Modell eingehen, der Konflikt Arbeit ± Familie jedes Mal einen eigenständigen Beitrag zur Varianzaufklärung leistet, dann ist das mit geteilter Methodenvarianz nicht mehr gut erklärbar. Ein verwandtes Argument könnte die geteilte Varianz inhaltlich definieren, nämlich über negative Affektivität bzw. Neurotizismus (Watson, Pennebaker & Folger, 1987; Spector, Zapf, Chen & Frese, 2000). Auch hier gilt jedoch, dass die Modelle jeweils mehrere Variablen enthalten, für die das Argument der Konfundierung mit negativer Affektivität gelten würde; zudem konnten wir zeigen, dass der Konflikt Arbeit ± Familie Irritation und psychosomatische Beschwerden selbst dann noch voraussagt, wenn man Depressivität ± als Indikator für negative Affektivität ± kontrolliert. Insgesamt ist es somit aus unserer Sicht unwahrscheinlich, dass sich die Effekte durch geteilte Methodenvarianz oder negative Affektivität erklären lassen (s. dazu auch Semmer, Grebner & Elfering, 2004). Natürlich hat die vorliegende Studie aufgrund ihres Querschnittcharakters nur begrenzte Aussagekraft. Längsschnittstudien sind in diesem Bereich dringend erforderlich. Zudem fehlen Angaben zum Familienstand, der für das Thema Arbeit ± Familie natürlich nicht unerheblich ist und einen Moderator für manche der hier berichteten Zusammenhänge darstellen könnte. Im Kontext der Stressforschung insgesamt (Sonnentag & Frese, 2003; Zapf & Semmer, 2004) sowie der einschlägigen Forschung zum Thema Work-Life-Balance (Demerouti, Bakker & Bulters, 2004) liegt jedoch der Schluss nahe, dass auch bei Topmanagern arbeitsbezogene Stressfaktoren, nicht zuletzt im Hinblick auf Überlastung, trotz gut ausgeprägter Ressourcen eine mangelnde Balance zwischen Arbeit und Familie begünstigen können, die ihrerseits das Befinden beeinträchtigt. Literatur Adams, G. A. & Jex, S. M. (1999). Relationships between time management, control, work-family conflict, and strain. Journal of Occupational Health Psychology, 4, 72 ± 77. Allen, T. D. (2001). Family-supportive work environments: The role of organizational perceptions. Journal of Vocational Behavior, 58, 414 ± 435. Work-Family-Balance im Topmanagement Allen, T. D., Herst, D. E. L., Bruck, C. S. & Sutton, M. (2000). Consequences associated with work-to-family conflict: A review and agenda for future research. 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