Katja Piesker (Hrsg.), Wirtschaft als Machtbasis, BYZAS 22 (2016) 133–154
Zur Produktion von ›Luxus‹.
Das frühbronzezeitliche Troia als Fallstudie
zum prähistorischen Goldschmieden und
Schmucksteinschleifen*
Magda PIENIĄŻEK
Zusammenfassung
Aus den frühbronzezeitlichen Schichten von Troia, hauptsächlich aus den Phasen
II Spät (ca. 2350–2250 v. Chr.) und III (ca. 2250–2200/2150 v. Chr.) stammen bekanntlich zahlreiche Objekte aus Edelmetall und Halbedelstein. Mehrere Forscher
haben darauf aufmerksam gemacht, dass viele der Goldfunde aus Schliemanns
Schätzen, aber auch einige aus den Siedlungsschichten, Halbprodukte sind, und
man daraus auf eine beachtliche Goldschmiedeproduktion in Troia schließen
kann. Im Gegensatz dazu wurden Gegenstände aus Stein, wie Bergkristall, Karneol,
Hämatite oder Jade, bisher kaum aus dieser Perspektive betrachtet. In diesem
Beitrag werden die Hinweise auf lokale Goldschmiede zusammengefasst und ergänzt sowie die Evidenz für das Schleifen von harten Steinsorten zum ersten Mal
dargelegt. Nicht nur komplizierte metallurgische Verfahren wie die Granulation
und das Aufbringen von Filigran mit Reaktionslot, sondern auch das Schleifen mit
dem Metallbohrer und Schleifmittel sind belegt.
I. Einführung
Das frühbronzezeitliche Troia bietet für eine Fallstudie zu prähistorischen Goldschmieden
und Schmucksteinschleifern hervorragende Voraussetzungen. Die Zahl der aussagekräftigen Funde, die verschiedene Schritte der chaîne opératoire illustrieren, ist bemerkenswert hoch. Sie umfassen das Rohmaterial, Gussformen und andere Geräte, Halb- und
fertige Produkte sowie beschädigte Gegenstände, die vermutlich zur Wiederverwendung
* Für die sprachliche Korrektur des Beitrages möchte mich herzlich bei Dr. Gebhard Bieg, Dr. Jürgen Seher und
Dr.-Ing. Katja Piesker bedanken.
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Magda Pieniążek
vorgesehen waren. Es ist anzunehmen, dass viele der Funde aus Werkstätten stammen. Darüber hinaus haben moderne naturwissenschaftliche und mikroskopische
Untersuchungen, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden, tiefere Einblicke in die
Produktionsprozesse gewährt.
Die Edelmetallfunde aus Troia fanden in der archäologischen Forschung bereits viel
Beachtung. Dieser Beitrag nimmt ausschließlich auf die Funde und Daten Bezug, welche den Produktionsprozess beleuchten. Die Hauptquelle bilden die Schmuckstücke
und andere Objekte aus den von Heinrich Schliemann gemachten Schatzfunden; sie
werden durch wichtige Siedlungsfunde aus den Grabungen von Schliemann, Wilhelm
Dörpfeld, Carl Blegen, Manfred Korfmann und Ernst Pernicka ergänzt. Nicht nur Barren,
Kettenglieder und halbfertige Ohrringe, sondern auch zahlreiche Ringe und Perlen stellen möglicherweise Halbprodukte bzw. Teile von Schmuckstücken und Textilien dar.
Im Vergleich zu den Goldfunden wurde den Objekten aus Halbedelstein in der Forschung
bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei war die Steinschleiferei, darunter die
Bearbeitung harter Schmucksteine, in Troia ebenfalls hoch entwickelt. Dies bezeugen diverse Objekte aus Bergkristall, Karneol, Jade, Hämatit und anderen Materialien. Auch hier
findet man viele Halbfabrikate wie Bergkristallbrocken oder halbfertige Karneolperlen
und Bergkristalllinsen sowie nur teilweise durchbohrte Dioritäxte, die eindeutig auf eine
lokale Produktion hinweisen1.
II. Goldschmieden
II. 1 Halbfabrikate
Ketten zählen zu den wichtigsten Schmuckobjekten aus Troia. An ihnen waren andere Gegenstände befestigt, z. B. Anhänger oder Blättchen. Vertikale Ketten waren durch
horizontale Ketten verbunden (Nr. 10–11. 13–16)2. Die vertikalen Ketten des »Großen
Diadems« aus Schatz A waren an eine lange horizontale Kette angehängt. Sie bestehen aus zusammengedrückten und umgebogenen Ringen, die ineinander verhakt sind
(Abb. 1). Es handelt sich um die älteste bekannte Technik zur Herstellung von Ketten
in der Goldschmiedekunst 3. Der Vorteil lag darin, dass die Ringe in einem unabhängigen Arbeitsgang hergestellt werden konnten. Bei den Vorarbeiten war das Schließen
der Ringe, das heißt das Zusammenlöten der Drahtenden, die schwierigste Aufgabe. Wie
dieses Lötverfahren genau funktionierte, war bis vor kurzem unklar. Erst 1997 konnte
Philip P. Betancourt wahrscheinlich machen, dass das Aufbringen der Granalien und des
1 Der vorliegende Beitrag ist als erster Einblick in eine Studie zur frühbronzezeitlichen Produktion von Schmuck
in der Ägäis und Westanatolien zu verstehen. Insbesondere der Austausch der Objekte aus Halbedelsteinen, ihre
Herstellung und Bedeutung ist ein Forschungsdesiderat. In der Zukunft soll das archäologische Material aus anderen Fundstellen ausführlich behandelt werden (Zu den wenigen Ausnahmen, wo das schon gemacht wurde, gehören die Schatzfunde aus Ägina-Kolonna, s. Reinhold 2008) und, darauf basierend, die Aspekte der Nutzung und
Produktion im synchronen und diachronen Vergleich analysiert werden.
2 Falls nicht anders angegeben, entsprechen die Nummern der Funde aus der Schätzen dem Katalog von Tolstikov –
Trejster 1996. Dieser Katalog ist der am weitesten bekannte, beinhaltet allerdings nur die Funde aus Moskau und
St. Petersburg. Ergänzend wird der vollständigere Katalog von Sazcı 2007 herangezogen.
3 Sog. »loop-in-loop«-Technik: Kuckenburg 1992, 213–216; Trejster 1996, 232.
Goldschmieden und Schmucksteinschleifen im frühbronzezeitlichen Troia
135
Abb. 2
Zusammengedrückte
Goldringe aus
Schatz D (Puschkin
Museum Moskau,
nach Tolstikov –
Trejster 1996,
Kat. Nr. 120).
Abb. 3
Goldringe aus Schatz J
(Puschkin Museum
Moskau, nach
Tolstikov – Trejster
1996, Kat. Nr. 162).
Abb. 1
Körbchenohrring aus Schatz J.
An den Körbchen befinden sich
kleinere und größere Ringe, die
zusammen mit den größeren
Granalien Rosetten bilden, unten
mittelgroße Ringe als Ösen für die
Befestigung der Ketten-Anhänger.
(Puschkin Museum Moskau,
nach Tolstikov – Trejster 1996,
Kat. Nr. 155).
Filigrans auf die troianischen Schmuckstücke mit Hilfe
eines Reaktionslots durchgeführt wurde. Dies wurde
endgültig durch Hermann Born und Ernst Pernicka
nachgewiesen4.
Halbprodukte zur Herstellung von Ketten wurden im
Schatz D von Troia gefunden (Abb. 2). Es handelt sich
um ca. 500 zusammengedrückte Goldringe, die mit
vier kleinen Goldperlen auf tordierten Kupferdraht aufgefädelt wurden. Schon Hubert
Schmidt hat beobachtet, dass die Ketten der Diademe aus solchen Drähten hergestellt
waren5. Sie wurden anscheinend in mindestens drei Schritten hergestellt: Zuerst wurden
die Ringe gemacht, dann zusammengedrückt, umgebogen und zu einer Kette zusammengefügt.
Möglicherweise waren die Goldringe aus Schatz J ebenfalls für eine Kette bestimmt
(Abb. 3). Sie sind ungefähr gleich groß (0,5–0,6 cm Dm), scheinen aber etwas massiver
zu sein als die Kettenglieder. Ähnliche Ringe wurden auch als Ösen für die Befestigung
der Anhänger der Körbchenohrringe (Nr. 16) oder als Ösen der Tutuli (Nr. 101) benutzt. Allerdings betrugen die Durchmesser der Ohrringösen ca. 0,2–0,3 cm und derjenige der Tutuliösen ca. 0,3–0,4 cm. Schließlich dienten kleine Ringe auch als Elemente
der Applikationen an verschiedenen Schmuckstücken, z. B. waren an einem der
Körbchenohrringe Ringe von 0,2 und 0,4 cm Dm in eine Rosette eingebaut (Abb. 1). Alle
diese potenziellen Verwendungsmöglichkeiten treffen auch für die zahlreichen flachen zylindrischen Goldperlen zu, die zum Repertoire der Schätze A und D gehören (Nr. 78–101.
117). Leider wurden sie noch nie genau beschrieben oder gezeichnet, abgebildet wurde
4 Born u. a. 2009; Born u. a. 2014c. Die Untersuchungen des Gehalts an Spurenelementen mit LA-ICP-MS
(Laserablations-Massenspektrometrie mit gekoppeltem Plasma) haben gezeigt, dass die Verbindung der Granalien
und Ösen mit dem Schmuckkörper mit Hilfe von Kupferverbindungen durch eine chemische Reaktion erfolgte.
Mit der gleichen Methode wurden dann wahrscheinlich auch die Golddrähte zu Ringen geschlossen.
5 Schmidt 1902, 238; Tolstikov – Trejster 1996, 108 sprechen von einer Kette mit »schleifenförmigen« Gliedern.
136
Magda Pieniążek
nur eine Seitenansicht6. Daher ist unklar,
ob es sich um kleine Ringe oder um diskusförmige Perlen handelt.
In den Schätzen A und D, wie auch im
von Carl Blegen gefundenen Schatz in
Raum 252 (Troia III, ca. 2250–2200/2150
v. Chr. 7 ) befanden sich tausende von
Abb. 4 Goldperlen aus Schatz A
glatten, drehradförmigen oder blumen(nach Tolstikov – Trejster 1996, Kat. Nr. 96–97
förmigen flachen Perlen (Abb. 4). Solche
Perlen könnte man sich viel besser flach
aufgenäht auf einem organischen Material (z. B. Textilien) als vertikal aufgereiht an einer Kette vorstellen. Dass kleine flache zylindrische Perlen aus Fayence, Glas, Stein oder
Metall auf Kleidern, Leichentüchern und anderen Textilien aufgenäht waren, ist öfter beobachtet worden8. Die minoischen und mykenischen Fresken zeigen Perlen verschiedener
Art, die auf Stirnbändern, an Säumen von Röcken oder an Gürteln befestigt waren 9. Die
Menge der in Troia gefundenen kleinen Perlen, ca. 8.700 in einem Doppelhenkelgefäß
aus Silber in Schatz A, hunderte aus Schatz D, 1.029 aus Blegens Schatz im Raum 252 und
hunderte weitere, die nie genau gezählt wurden, ist auf den ersten Blick beträchtlich10.
Allerdings darf man nicht vergessen, dass ein einziges Leichentuch aus der mykenischen
Nekropole in Dendra (Argolis) mit 40.000 kleinen Perlen verziert war11. Bei den geringeren Fundmengen könnte sich um den Dekor für kleinere Objekte, z. B. Stirnbänder,
handeln12. Im Doppelhenkelgefäß aus dem Schatzfund A befanden sich tatsächlich neben
dem Goldschmuck auch mineralisierte Einlagerungen eines Gewebes (wahrscheinlich aus
Flachs)13. Dieser Befund wurde so interpretiert, dass es sich um Reste von Stoff handelt,
in den der Schmuck zum Schutz gewickelt wurde14. Genauso gut könnte es sich jedoch
m. E. um Textilreste handeln, auf die ursprünglich kleine flache Perlen aufgenäht waren.
Eine ähnliche Bestimmung wurde für die 189 Perlen aus Raum 204 (Troia III, ca. 2250–
2200/2150 v. Chr.) von Elisabeth Barber vorgeschlagen15. Es handelt sich um verschiedene Perlentypen: glatte und granulierte ringförmige, bikonische, melonenförmige und
6 Tolstikov – Trejster 1996, Abb. S. 93.
7 Blegen datierte diesen Schatzfund in seine Phase IIg, was nach Unlüsoy 2011 dem späteren Abschnitt von Troia III
entspricht.
8 Özgüç 1966, 47 Taf. 27, 1–3; Hughes-Brock 1999, 282; Pieniążek – Kozal 2014, 188–189.
9 Younger 1992.
10 Sazcı 2007, 192. 227–229; Tolstikov – Trejster 1996, Kat. Nr. 118–119; Blegen u. a. 1950, 366–367.
11 Barber 1991, 171.
12 Aus dem Gräberfeld von Ur sind Stirnbänder bekannt, bei denen kleine Lapislazuli-Perlen auf einer Unterlage,
wohl einem Lederband, aufgenäht waren. Die Bänder waren zusätzlich mit kleinen Goldornamenten geschmückt:
Musche 1992, 74 Taf. 19: Typ 2. Die Zahl der Perlen wurde nicht angegeben, es muss sich aber um hunderte
handeln.
13 Born u. a. 2014b, 115–117 Abb. 16–19.
14 Völling 2014, 14.
15 Blegens Troia IIf. Blegen u a. 1950, 350–351; Barber 1991, 171–172; Hughes-Brock 1999, 282.
Goldschmieden und Schmucksteinschleifen im frühbronzezeitlichen Troia
137
Abb. 5 Große und kleine Goldperlen aus Schatz D
(Puschkin Museum Moskau, nach Tolstikov – Trejster
1996, Kat. Nr.117–118).
andere; einige davon waren sehr klein (Dm
0,2–0,3 mm, Dicke ca. 0,5 mm) 16. Sie lagen
auf einem verbrannten Fußboden in einem
Bereich, wo auch die Spuren eines Webstuhls
durch kleine Pfostenlochgruben und zahlreiche Webgewichte nachgewiesen wurden 17 .
Natürlich konnten die kleinen Goldringe auch
Abb. 6 Gussform für die Herstellung
einer anderen Dekoration dienen, aber die
der gerippten Lockenringe und
Fundumstände sprechen für eine Verwendung
Perlen mit breiter Öffnung
(nach Müller-Karpe 1994, Taf. 57, 10).
als Textilbesatz. Ein Beispiel für die Nutzung
der kleinen Perlen aus Fayence und Gold an
Textilien bildet Schatzfund M: in einer Tonpyxis befanden sich »sechs kleine ringförmige
Fayenceperlen und fünf Goldperlen, Teile einer verkohlten hölzernen Spindel mit einem
aufgewickelten leinenen oder wollenen Faden«18.
Darüber hinaus könnten einige der Perlen an Kettenanhängern aufgefädelt worden sein
oder als Nadelköpfe dienen19. Eine Gussform, die nur grob in das 3. Jt. v. Chr. datiert werden kann (Troia I oder II), enthält das Negativ einer solchen Perle (Abb. 6), deren relativ
breite Perforation (0,3 cm) darauf hindeutet, dass sie auf einen breiten Gegenstand aufgesteckt werden sollte. Solche Goldperlen wurden auch in den Schätzen Troias gefunden,
z. B. in Schatz D (Abb. 5)20, aber auch in Siedlungsschichten21.
16 Blegen u. a. 1951, 351 Abb. 357 Kat. Nr. 35-558–563.
17 Blegen u. a. 1950, 350: »several almost orderly rows of clay loom weights, where they had fallen and been parti-
ally baked when fire destroyed the house. Some had disintegrated in whole or in part, but 24 large and 18 small
were recovered«. Goldperlen lagen zerstreut in der gelben Erde direkt über den Webgewichten und unter dem
Lehmziegelschutt der Wände des Gebäudes.
18 Götze 1902, 340. Man kann sich vorstellen, dass die Besitzerin der Pyxis gerade dabei war, einen Faden zu spinnen,
und die elf Perlen darauf warteten, auf ein Band oder ähnliches aufgenäht zu werden.
19 Vgl. die Ohrringe aus Schatz A (Nr. 15 und 16). Dafür waren möglicherweise die 252 gerippten Perlen, die in
Blegens Schatz gefunden wurden, vorgesehen. Die relativ breite Tülle dieser Perlen ist eindeutig nicht für einen
Faden oder einen dünnen Draht bestimmt. Zu Perlen als Nadelköpfe s. Pieniążek – Kozal 2014.
20 Dm der Perlen: ca. 0,7 cm, Dm der Perforation: 0,3–0,4 cm; nur eine der Perlen ist anders, da sie aus zwei zusam-
mengelöteten Hälften besteht und eine deutlich schmalere Perforation zeigt.
21 Blegen u. a. 1950, 316 Abb. 357 Kat. Nr. 37-707.
138
Magda Pieniążek
Abb. 7
Mit Granulation
und Filigran
verzierter
Körbchenohrring,
die untere
Leiste zeigt
Löcher für die
Befestigung der
Ketten (Puschkin
Museum Moskau,
nach Tolstikov –
Trejster 1996,
Kat. Nr. 125).
Abb. 8 Lockenring mit angelöteten
Bossen (Puschkin Museum Moskau,
nach Tolstikov – Trejster 1996,
Kat. Nr. 58).
Unter den in den Schätzen gefundenen Ohrringen finden sich einige unfertige
Objekte. Einige Körbchenohrringe wurden ohne Anhänger gefunden, jedoch zeugen
die Perforationen auf der unteren Leiste davon, dass sie mit Kettenanhängern versehen
werden sollten (Abb. 7)22. Unter den gerippten Lockenringen befinden sich 26, die zusätzlich mit Bossen oder Rosetten verziert waren (letztere kamen aus Schatz J, Abb. 8)
und 63 ohne Bossen (Nr. 105–112)23. Es ist denkbar, dass mindestens einige der glatten
Ohrringe noch mit Bossen verziert werden sollten. Dafür spricht die Tatsache, dass sie mit
anderen Halbprodukten, z. B. Kettengliedern, in Schatz D vergesellschaftet waren. Solche
Lockenringe wurden wahrscheinlich in einer Gussform gegossen, wobei dekorative Bossen
nachträglich im Lotverfahren angebracht wurden. Eine Gussform für die Herstellung eines Ohrringes (wahrscheinlich mit fünf Rippen, Abb. 6) wurde von Schliemann in einer
frühbronzezeitlichen Schicht gefunden; ein besser erhaltenes Beispiel stammt aus der
Gegend von Izmir24. Die Objekte wurden zuerst als flache nadelartige Gegenstände gegossen, deren Schaft dann nachträglich umgebogen werden musste.
Außerdem sind in den Schatzfunden viele Stücke von Nieten und Fragmente von Golddraht
mit unterschiedlichen Durchmessern gefunden worden25. Darüber hinaus gehörten zu einigen Schätzen beschädigte Objekte. Im Schatz Ha fanden sich mehrere Fragmente von
Idol-Anhängern (Nr. 135–143), die einen beschädigten oder misslungenen Eindruck machen. Möglicherweise waren sie für eine Wiederverwendung bestimmt (kein einziges Idol
ist vollständig)26. Aus dem gleichen Schatz stammen außerdem mehrere kurze Ketten
22 z. B. zwei Ohrringe aus Schatz F (Tolstikov – Trejster 1996, Kat. Nr. 125–126).
23 s. auch Sazcı 2007, 182–186; Tolstikov – Trejster 1996, Kat. Nr. 105–112.
24 Müller-Karpe, 1994, 152 Taf. 57, 10; 60, 14; Nessel 2014, 232–234 Abb. 24–26.
25 Tolstikov – Trejster 1996, Kat. Nr. 242–244 (Schatz R); Sazcı 2007, 236 (Schatz E). Golddraht kam auch aus den
Siedlungsschichten, vgl. z. B. Blegen u. a. 1950, 316 Taf. 357 Kat. Nr. 37-708.
26 Trejster 1996, 199. Der Fundplatz und die Fundumstände von Schatz H, der nachträglich in Ha und Hb geteilt
wurde, sind unklar: Götze 1902, 335 Taf. 357–336.
Goldschmieden und Schmucksteinschleifen im frühbronzezeitlichen Troia
139
mit aufgefädelten kleinen ovalen Anhängern (Nr. 444–448); vermutlich handelt es sich
um fertige Kettenanhänger für die Körbchenohrringe. In Schatz F befanden sich zwei
Armbänder, beide verbogen und gerissen; das eine, im Puschkin-Museum in Moskau verwahrte Armband, ist in einem besseren Zustand (Nr. 123)27.
II. 2 Barren
In Troia wurden nicht nur mehrere Gussformen für Stabbarren 28, sondern auch ein
länglicher Barren aus Elektron gefunden (Abb. 9)29. Viele Negative zeigen dieselbe Form
wie der Elektronbarren, waren jedoch etwas kleiner. Insbesondere die Stäbe, die in einer
troianischen Gussform aus Ton mit
acht Negativen hergestellt wurden,
hätten sich als Halbprodukte für eine
Goldschmiede-Werkstatt geeignet, da
sie nur ca. 10 cm lang und 0,5 cm breit
sind30. Darüber hinaus sind aus Troia
auch Gussformen mit kürzeren ellipsoiden Negativen bekannt, auch diese
konnten u. a. für die Herstellung der
Goldbarren benutzt werden31.
Außer glatten Stabbarren befanden
sich in Schatz F auch sechzehn lange
rechteckige Barren (Nr. 128–13232).
Auf ihrer Oberfläche waren quer reAbb. 9 Gold- und Elektronbarren aus den
gelmäßige Einkerbungen angebracht;
Schatzfunden (Archiv des Troia-Projekts).
fünf solche Barren wurden in Schatz
F gefunden. Wahrscheinlich sind auf
diese Weise gleiche Einheiten markiert worden, die für die Produktion bestimmter kleiner Gegenstände aus Gold, vermutlich Schmuck, benötigt wurden33.
In Schatz A, E und F befanden sich weitere längliche Objekte (insgesamt fünf von ca.
5,0 cm Länge), deren Bestimmung umstritten ist34. Es handelt sich um durchlochte Stäbe
27 Sazcı 2007, 242–245.
28 Albrecht 1992, 319–323 Taf. 1–3; Müller-Karpe 1995, Taf. 15, 1. 3. 7; Nessel 2014, 239–241.
29 Müller-Karpe 1995, Abb. 90, 1.
30 Müller-Karpe 1994, 197 Taf. 15, 7.
31 Gussformen mit ellipsoiden Negativen wurden für die Herstellung der Goldbarren während der Spätbronzezeit in
Zentralmakedonien verwendet, was man mit Hilfe der chemischen Analysen einer Form aus Thessaloniki Toumba
nachweisen konnte (Vavelidis – Andreou 2008). Auch in Ada Tepe, einem bronzezeitlichen Goldbergbau in
den Ost-Rhodopen (Bulgarien), kamen Formen für die Herstellung von Barren dieser Art zu Tage (H. Popov –
K. Nikov, Ada Tepe in the Context of the Problematics of the Row Material Long-Distance Trade and the Eastern
Balkans. Aegean Intra-Regional Contacts in the Late Bronze Age, Vortrag während der EAA Tagung, Istanbul,
September 2014).
32 Bei Tolstikov – Trejster 1996 nur fünf Stück.
33 Trejster 1996, 2015, dort auch Diskussion anderer möglicher Bedeutungen dieser Objekte.
34 Sazcı 2007, 195. 233. 239.
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Magda Pieniążek
(Nr. 115), deren 18 bis 20 Löcher beim Guss ausgespart wurden35. Sie könnten als Trenner
von Perlenketten verwendet worden sein, ähnlich wie im Fall der spätbronzezeitlichen
Schieber aus Fayence, Glas oder Gold. Darauf aufbauend wurden die in Schatz A gefundenen Perlen als ein Kragen mit 20 Schnüren im Museum für Ur- und Frühgeschichte
in Berlin rekonstruiert, wobei die gelochten Stäbe die Schnüre getrennt halten36. Im
Königsgräberfeld von Ur hat man identische Stäbe gefunden, die in ein Perlenband aus
Lapislazuli und Karneol integriert waren37. Außerdem wurden kleinere Versionen dieser
Stäbe (vier Stück?) von ca. 2,9 cm Länge mit acht Löchern im »Großem Diadem« aus
Schatz A verwendet38. Sie haben längere seitliche Ketten stabilisiert. In Kültepe (Karum,
Schicht Ib, ca. 18. Jh. v. Chr.) wurde eine Gussform gefunden, die wahrscheinlich für die
Herstellung von Stäben mit sechs Perforationen gedient hat39. Es wurde vorgeschlagen,
dass es sich um Barren handelt, weil bei einem Exemplar aus Schatz E in Troia beide
Enden abgebrochen sind40. Dies klingt jedoch m. E. wenig überzeugend, möglicherweise
handelte es sich um einen Fehlguss.
Aus Troia sind zudem einige Gussformen mit ovalen Negativen bekannt (Abb. 9). Nach
Andreas Müller-Karpe konnten dort gegossene Barren für die Herstellung von Gefäßen
aus Gold oder Silber verwendet werden. Einige besaßen einen seitlichen Vorsprung41, so
dass Müller-Karpe an Formen für Rohlinge für Gefäße mit Henkeln dachte42. Bei dem
Vorsprung kann es sich jedoch auch um einen Gusskanal handeln. Ovale Barren mit und
ohne Vorsprung sind aus Schatz E bekannt: Zwei kleine und ein größerer sind eiförmig,
ein anderer sieht wie ein ovaler Barren mit breitem Gusskanal aus, der fünfte ist grob
rechteckig43. Aus Schatz A stammt ein größerer ovaler Barren (ca. 4,5 cm Dm) mit einer
vermutlich zufällig entstandenen Eintiefung auf einer Seite44. Außerdem sollen »several melted lumps« von Gold und Fragmente eines Barrens in Schatz F gefunden worden
sein45. Darüber hinaus beobachtete Schliemann an von ihm gefundenen Tiegeln Spuren
von Gold46.
35 Kaum denkbar, dass sie eingepunzt waren, wie Tolstikov – Trejster 1996, 115 vorgeschlagen haben.
36 Cobet 1991, Kat. Nr. 122.
37 Musche 1992, 88, Taf. 24, 1. 2.
38 Tolstikov – Trejster 1996, 39; Sazcı 2007, Abb. S. 171. Ein ähnliches Objekt ist aus Poliochni bekannt: Bernabò-
Brea 1976, 270 Taf. 250, 41.
39 Müller-Karpe 1994, 206 Taf. 37, 3.
40 Trejster 1996, 209. 214–215, dort weitere Literatur.
41 Müller-Karpe 1995, 143 Taf. 20, 7; 27, 2A; 28, 1D.
42 Die Metallgefäße der ägäischen Bronzezeit hatten fast immer separat gefertigte Henkel. In der Regel waren sie mit
Nieten am Gefäß befestigt, vgl. Davis 1972, so bei allen Gefäßen aus Mykene, Dendra, oder Vaphio. Die Becher
und Schalen der troianischen Schätze waren henkellos. Die wenigen Ausnahmen hatten angelötete (Sauciere
aus Gold: Trejster 1996, Abb. S. 35; Schnurösengefäß: Born u. a. 2014a, 46 Abb. 8–9) oder angenietete Henkel
(Doppelhenkelgefäß aus Silber: Völling 2014, 14 Abb. 3; Born u. a. 2014a, 47–49 Abb. 1–2).
43 Sazcı 2007, 232.
44 Sazcı 2007, 208.
45 Götze 1902, 334; Sazcı 2007, 239.
46 Schliemann 1881, 456–457, nach einem Bericht von Prof. W. Ch. Roberts; Müller-Karpe 1995, 45 Taf. 12, 5.
Goldschmieden und Schmucksteinschleifen im frühbronzezeitlichen Troia
141
In Schatz A wurden auch sechs zungenförmige Silberbarren in drei Größen gefunden47.
Ob solche Barren als Zahlungsmittel benutzt wurden, ist ungewiss, zumindest konnten sie
für die Herstellung von Silberschmuck dienen48.
II. 3 Produktion
Schmuck aus Gold wurde gegossen oder plastisch verformt und mit Hilfe der Treibtechnik,
aber auch durch Filigran und Granulation verziert. Mit Treibtechnik wurden vor allem die
Idolanhänger, Blattanhänger, Perlen mit Mittelrippe und wenige andere Schmuckbleche
gefertigt. Die Verzierungsmuster dieser Objekte waren im Vergleich zu denen, die im
Lötverfahren angebracht waren, einfach: Es handelte sich lediglich um mit einer stumpfen Nadel gepunzte Bossen in drei verschiedenen Größen. Auf einigen Idolen wurden
kleine Bereiche zusätzlich abgesetzt. Manchmal wurden größere Bossen mit kleinen eingetieften Punkten umgeben49.
Filigran und Granulation-Arbeiten zeigen eine viel größere Vielfalt. Außer Bossen und
Linien gibt es Kreise, Spiralen und Doppelspiralen. Rosetten verschiedener Art gehören
zu den häufigsten Motiven (Abb. 1). Das oben beschriebene Reaktionslot-Verfahren wurde
sehr häufig und mit großen Geschick, geradezu üppig angewendet. Es fällt auf, dass das
technologisch weniger anspruchsvolle Verfahren, die Treibtechnik, im frühbronzezeitlichen Troia auf einem deutlich niedrigeren handwerklichen Niveau entwickelt war als die
Löttechnik. Das deutet auf die Existenz von mindestens zwei verschiedenen Werkstätten.
Es handelte sich um eine von der Elite geförderte und abhängige Produktion 50. Diese
Werkstätten konnten während der Ausgrabungen nicht lokalisiert werden, ihre Existenz
ist jedoch unzweifelhaft.
III. Schmucksteinschleifen
III. 1 Bergkristall
Unter den frühbronzezeitlichen Gegenständen aus Halbedelstein sind die aus Bergkristall
am zahlreichsten. Es sind Fertigprodukte, Halbfabrikate und beschädigte Produkte, letztere waren wohl zur Wiederverwendung vorgesehen. Insgesamt handelt es sich um weit
über 100 Bergkristall-Objekte aus den Schatzfunden und aus den Siedlungsschichten.
Am häufigsten sind die sogenannten Linsen (Nr. 176–216. 222–223. 229–230). Von ursprünglich 48 dieser Objekte aus Schatz L sind noch 47 vorhanden, davon sind 42 sehr
47 Sazcı 2007, 162–163.
48 Müller-Karpe 1994, 137–143. Neben Gefäßen und Barren wurden in Troia auch einige kleine Schmuckstücke aus
Silber gefunden, wie z. B. die oben erwähne Scheiben, die an eine Karneolperle aus dem Schatzfund L angebracht
wurden, oder kleine Perlen und andere Gegenstände aus dem Schatzfund J und N (Nr. 164; 218; 233–238).
49 Eine getriebene Verzierung im Form einer Rosette ist nur von drei Scheiben aus Schatz Hb bekannt (nur eine
ist wohl noch erhalten, Nr. 149), die jedoch wahrscheinlich ins 2. Jt. v. Chr. zu datieren ist: Götze 1902, 335–336;
Schmidt 1902, 240 Kat. Nr. 6030. Es handelt sich um ein relativ flaches und großes Objekt (fast 10 cm Dm), das
mit Hilfe einer Punze mit breitem Kopf frei ausgetrieben wurde. Dies ist mit den Filigran-Rosetten von 2–4 mm
Durchmesser nicht zu vergleichen.
50 Müller-Karpe 1994, 44–45.
142
Magda Pieniążek
ähnlich, jedoch nicht identisch.
Ihre Unterseiten sind flach, die
Oberseiten konvex, wobei die Länge
zwischen 2,35 und 2,54 cm und
die Breite von 2,35 bis 2,51 cm variiert, die Höhe reicht von 0,62 bis
0,99 cm. Es gibt außerdem drei
anders geformte Objekte (Nr.
222–224), darunter zwei flache
Scheiben von 5,4 cm Durchmesser,
davon eine zentral gebohrt (Nr.
229–230)51. Bei etwa der Hälfte der
Linsen sind größere Schrammen
Abb. 10 Linsen aus Bergkristall
(Puschkin Museum Moskau, nach Tolstikov – Trejster
und Absplitterungen sichtbar, die
1996, a: Kat. Nr. 194; b: Nr. 195; c: Nr. 179; d: Nr. 192).
Mehrzahl der übrigen zeigt zumindest kleine Beschädigungen.
Damit ist der Anteil der defekten Linsen sehr hoch. Es ist schwer zu sagen, wie die
Beschädigungen der Linsen entstanden sind, nach einer Anmerkung von Schmidt kann
man davon ausgehen, dass sie in diesem Zustand gefunden wurden 52. Sie wurden nie
in detaillierten Beschreibungen, Zeichnungen oder Fotos publiziert, weswegen eine abschließende Beurteilung ihres Zustandes unmöglich ist. Bei manchen Exemplaren besteht jedoch m. E. der Verdacht, dass verschiedene Mängel und Unvollkommenheiten
der Linsen gar nicht (oder nicht nur) auf Beschädigungen durch Gebrauch zurückzuführen sind, sondern dass sie unvollendet blieben. Bei einigen Linsen befindet sich die
raue Oberfläche in leicht konkaven Bereichen, die für das Schleifen schwer zugänglich
waren (Nr. 183. 179, Abb. 10c). Bei anderen Linsen ist die Oberfläche geglättet, aber
noch uneben (vor allem Nr. 194, Abb. 10a, und Nr. 200, ähnlich auch Nr. 177. 185. 190.
198). Dagegen scheinen Nr. 182, 192 (Abb. 10d) oder 195 (Abb. 10b) fast vollkommen zu
sein. Eine genaue mikroskopische Untersuchung der Funde wäre notwendig, um diese
Beobachtungen zu bestätigen53.
Die Funktion der Linsen wird unterschiedlich beurteilt, zumeist wird angenommen, dass
sie zur Vergrößerung eingesetzt wurden54. Nach Donald Easton und Göksel Sazcı betrug
51 Sie sind auch plankonvex. Die durchbohrte Linse könnte nach Sines und Sakellarakis an einer Schnur getragen
und als Brennglas verwendet worden sein: Sines – Sakellarakis 1987, 193. Das ist möglich, es könnte sich aber auch
um eine tragbare Vergrößerungslinse handeln. Die nicht durchlochte flache Linse besitzt einen abgeschrägten
Rand. Easton 1995, 13, hat vorgeschlagen, dass sie ursprünglich in einen Rahmen eingefasst gewesen war und so
mit einem Griff oder Stab versehen worden sein könnte. Götze ist nicht sicher, ob diese flachen Linsen tatsächlich
zu den Schätzen gehören; m. E. ist ihre Zugehörigkeit sehr wahrscheinlich. In den Schachtgräbern von Mykene
(ein anderer potenzieller Herkunftsort dieser Funde) wurden zwar viele Gegenstände aus Bergkristall gefunden
(Perlen, Nadelköpfe, Einlagen) aber keine plankonvexen Linsen.
52 Schmidt 1902, 243: »Alle bestoßen und angesprungen, No. 6105, 6106 Bruchstücke«. Insofern handelt es sich
nicht um Schäden, die in Berlin während des Krieges oder beim Transport entstanden sein können.
53 Die Untersuchung der Funde ist im Rahmen eines geplanten Forschungsprojektes über die Halbedelsteine der
ägäischen Bronzezeit vorgesehen.
54 Trejster 1996, 224; Buchholz 2003, 611–612. Ich danke G. Bieg für diesen Literaturhinweis.
Goldschmieden und Schmucksteinschleifen im frühbronzezeitlichen Troia
143
die Vergrößerung mindestens das Zweifache55. George Sines und Yannis A. Sakellarakis
haben demonstriert, dass plankonvexe Linsen in der Antike von Siegel-Graveuren benutzt
wurden56. Die Goldschmiede von Troia konnten sie für die Filigran- und GranulationsArbeit einsetzen. Leider ist die Vergrößerungsfunktion der troianischen Exemplare bislang nicht eindeutig belegt57.
Aus Schatz L stammen außerdem sechs Knäufe aus Bergkristall, die einander sehr ähneln, jedoch nicht identisch sind. Ihre Höhe variiert zwischen 4,35 und 5,95 cm; der
Durchmesser der relativ kleinen, pilzförmigen Köpfe liegt zwischen 4,6 und 5,8 cm58.
Sie besitzen ein ca. 1,7 cm breites Schäftungsloch und zwei 0,4 cm breite horizontale
Durchbohrungen im Schaft, die zur Befestigung an einem Dolchgriff oder einem anderen Gegenstand dienten. Die Bohrungen wurden mit einem Hohlbohrer aus Kupfer oder
Bronze hergestellt, dessen Schneide ca. 0,2 cm dick war59. Die Arbeit wurde mit Hilfe
eines Schleifmittels durchgeführt60. Die Profilzeichnung zeigt die Bohrrille am Ende des
Bohrkanals; die raue Oberfläche, dort wo der Kern abgebrochen wurde, ist deutlich erkennbar. Ähnlich wie im Fall der Linsen sind die Knäufe mehr oder weniger beschädigt:
ein Knauf zeigt geringfügige Absplitterungen und Kratzer (Nr. 174), zwei sind in mehrere Teile zerbrochen (Nr. 172 und 170), die restlichen drei weisen größere Schrammen
und Absplitterungen auf. Die Schäfte von Nr. 172 und 170 könnten während der
Durchbohrung gebrochen sein, die fertig polierte Oberfläche weist jedoch darauf hin,
dass dies eher bei der Nutzung geschah. Das Bohren der Kanäle ist der kritischste Teil
bei der Fertigung von Steinobjekten, bei dem am häufigsten Beschädigungen entstehen.
Deshalb ist das Schleifen der Oberfläche in der Regel der letzte Arbeitsschritt. Auch dies
kann, wie im Fall der Linsen, nur durch eine noch ausstehende genaue Inspektion der
Funde geklärt werden.
Weitere Objekte aus Bergkristall sind aus Siedlungsschichten bekannt. Während der
Grabungen von Schliemann und Blegen kamen zwei sehr interessante Gegenstände
zu Tage. In einem Kontext von Troia III (ca. 2250–2200/2150 v. Chr. 61) wurde ein
Löwenkopf (Abb. 11) mit einem langen zylinderförmigen Hals (L 4,3 am, Dm des Halses
2,4 cm) gefunden. Es kann sich um ein Zepter oder einen Knauf handeln62. In jedem
Fall würde man ein Schäftungsloch im Hals erwarten, das jedoch nicht vorhanden ist 63.
55 Easton 1995, 13; Sazcı 2007, 276–277.
56 Sines – Sakellarakis 1987.
57 Nur einige Linsen sind heute tatsächlich transparent (einige sind verschmutzt, z. B. mit Spuren von Bronze
oder Kupfer, einige, wie oben dargelegt, nicht fertig oder beschädigt). Am verzerrten Abbild der Zettel mit der
Inventarnummer, die in der Regel auf der Unterseite der Linsen befestigt sind, konnte man tatsächlich erkennen,
dass die Linsen ca. zweifach vergrößern (Abb. 10b. d).
58 Tolstikov –Trejster 1996, Kat Nr. 170–175.
59 Götze 1902, 338, Abb. 353.
60 Zur Technik des Bohrens der Halbedelsteine in der bronzezeitlichen Ägäis s. Evely 1993, 146–206; zuletzt Ludvik
u. a. 2015.
61 Blegens Troia IIg.
62 Blegen u. a 1950, 326 Abb. 359, Kat. Nr. 36-14.
63 Da Bergkristall durchsichtig ist, sieht man auf dem Foto, dass tatsächlich kein Schäftungsloch vorhanden ist: Sazcı
2007, Abb. S. 324.
144
Magda Pieniążek
Abb. 12
Löwenkopfknauf
aus Bergkristall
(nach Schliemann
1874,
Taf. 133, Kat. Nr.
2639).
Abb. 11
Löwenkopf aus
Bergkristall (nach Blegen
1950, Taf. 359, Kat. Nr. 36-14).
Ein vergleichbares Objekt hat Schliemann im Bereich seiner II. Ansiedlung gefunden
(L 4,5 cm, Dm des Halses 2,2 cm). Hier handelt es sich um einen Knauf (nach Schmidt ein
»Stabgriff«), weil der Nacken eine größere vertikale Einbohrung (1,1 cm tief und 1,0 cm
breit) aufweist sowie ein (oder mehrere) kleineres horizontales Stiftloch. Die publizierte
Zeichnung ist uneindeutig64 und das Foto von schlechter Qualität (Abb. 12)65, aber man
kann feststellen, dass seine Größe mit Blegens Löwenkopf fast identisch ist. Sie unterschieden sich in der Ausführung der Details (z. B. Augen, Schnauze); es dürfte sich dennoch
um Objekte gleicher Funktion handeln. Man darf daher mit großer Wahrscheinlichkeit
annehmen, dass der von Blegen gefundene Gegenstand ein unfertiger Knauf
gewesen ist.
Blegen hat in einer Grube vor dem großen Megaron IIA (Troia II Spät, ca. 2350–2250
v. Chr.) einen Anhänger aus Bergkristall gefunden66. Die ellipsoide Gestalt mit einer
Bohrung an einem der Enden erinnert an die oben beschrieben Linsen; mit 4,0 cm Länge
und 2,5 cm Durchmesser ist der Anhänger jedoch größer als die meisten und kleiner als
die zwei überdimensionalen Linsen (Nr. 222–223). Darüber hinaus erwähnt Schliemann
noch eine Kristallplatte aus Bergkristall mit vier Löchern67.
Zuletzt soll mit eindeutigen Halbprodukten aus Bergkristall, darunter Brocken, Splitter
wie auch teilweise bearbeiteten Stücken, eine weitere für die Frage der Produktion wichtige Fundgruppe besprochen werden. In Troia wurde vor allem in frühbronzezeitlichen
Schichten eine große Anzahl entdeckt, die jedoch weder genau aufgenommen noch
registriert wurden, so dass die ursprüngliche Fundmenge unklar bleibt 68. Eindeutige
Bearbeitungsspuren zeigt ein Brocken aus Bergkristall, der mit dem oben erwähnten linsenförmigen Anhänger in einer Grube im Hof des Megarons IIA gefunden wurde69. Bearbeitet war auch ein Fragment, das aus einer Schicht der gleichen Periode in
64 Schliemann 1881, 477 Kat Nr. 547.
65 Schmidt 1902, 289 Kat. Nr. 7879.
66 Blegen u. a. 1950, 281–282 Taf. 359 Kat. Nr. 36–298.
67 Schliemann 1881, 480–481.
68 Schliemann 1881, 480: »mehrere unpolierte Hexagone«; Schmidt 1902, 293 Nr. 7979–7982: »4 Stücke Bergkristall«,
Größe: 4,2 x 2,2 cm2; Blegen u. a. 1950, 44: Fragmente des Bergkristalls »left at Troy«.
69 Blegen u. a. 1950, 282: »Probably raw material just beginning to be worked. The facets already cut suggest that the
piece was to become a pommel.«; m. E. war die Herstellung eines anderen Produktes geplant, für einen Knauf war
der Bergkristall zu klein (3,4 x 2,3 cm2).
Goldschmieden und Schmucksteinschleifen im frühbronzezeitlichen Troia
145
Abb. 13
Bergkristallbrocken aus
Troia III-Schicht (G6.753,
Archiv des Troia-Projekts).
Abb. 14
Bergkristall-Objekt aus
dem Megaron in Quadrat
G6 (G6.1055, Archiv des
Troia-Projekts).
Quadrat F3/4 kam70, wie auch ein Bruchstück aus einer Mauer von Troia III71. Die neuen Grabungen brachten sechs mehr oder weniger bearbeitete Bergkristall-Fragmente ans
Tageslicht, die Hälfte davon aus frühbronzezeitlichen Kontexten (Abb. 13). Besonders
interessant erscheint ein zylinderförmiges Objekt mit abgeschliffenen Kanten von ca.
5 x 2 cm2, das sich gut zur Herstellung einer größere Linse oder eines Knaufes geeignet
hätte (Abb. 14). Es wurde auf einem verbrannten Fußboden in einem Troia III-zeitlichem
Megaron zusammen mit anderen wertvollen Gegenständen gefunden72. Das Gebäude
hatte sehr wahrscheinlich eine kultische Funktion.
III. 2 Karneol
Vom selben Megaron stammt eine kleine bikonische Karneolperle mit einem sehr dünnen Bohrkanal (Abb. 15). Sie befand sich in einem Gefäß, das am Fuß des Altars aus
Lehmziegeln lag und das ursprünglich wohl auf dem Altar stand. Untersuchungen
der Silikonabdrücke der Perle mit einem Elektronenmikroskop durch Jonathan Mark
Kenoyer und Geoffrey Ludvik in Wisconsin/Madison haben gezeigt, dass es sich um
ein Halbprodukt handelt73. Die Perle ist facettiert, die zwölf Facetten sind jedoch asymmetrisch, zudem sind vor allem im Bereich der Durchbohrung kleine unregelmäßige
Absplitterungen sichtbar. Die Facetten bilden keine beabsichtigte Verzierung, sondern
zeigen eine Etappe der Bearbeitung. Es ist offensichtlich, dass die Perle noch geschliffen
und poliert werden sollte74. Das Material, das hier benutzt wurde, ist opaker und dunkelroter Karneol, der in der Literatur manchmal als »Sard« bezeichnet wird. Alle anderen
frühbronzezeitlichen Karneolperlen aus Troia bestehen aus transluzentem und orangefarbenem Stein.
Ein interessanter Gegenstand aus Karneol wurde in einem Kontext gefunden, der sich
leider wenig genau von der Mitte des 3. Jts. bis zum ersten Viertel des 2. Jts. v. Chr.
(Troia II bis VI Früh) datieren lässt 75. Es handelt sich um das Fragment einer langen
70 Blegen u. a. 1950, 299.
71 Blegen u. a. 1951, 69, Kat. Nr. 34-528.
72 Sazcı 2001, 386, Abb. 430, hier noch ältere Datierung: Ende der Periode II Spät. Das Material wurde als Bergkristall
definiert, es kann sich aber eventuell auch um Kalzit/Alabaster handeln.
73 Ludvik u. a. 2015.
74 Sie soll ungefähr so aussehen wie die kürzere bikonische Perle aus Schatz E (Abb. 16: links).
75 Ludvik u. a. 2014, 150–151 Abb. 84; Ludvik u. a. 2015.
146
Magda Pieniążek
Abb. 15 Unfertige Perle aus Karneol
aus dem Megaron in Quadrat G6
(G6. 1062, Archiv des Troia-Projekts).
Abb. 16 Karneolperlen aus Schatz E
(Puschkin Museum Moskau, nach Tolstikov – Trejster
1996, Kat. Nr.111).
bikonischen Perle mit sehr dünnen Wänden und breitem Bohrkanal. Untersuchungen
im Elektonenmikroskop haben gezeigt, dass sie in der Technik der Harappa-Kultur hergestellt wurde. Sie kam irgendwann im Laufe der Troia-Periode II oder III vom Indus-Tal
oder aus Mesopotamien nach Troia.
Im Schatz E (Nr. 121–122, Abb. 16) und L (Nr. 218–221) wurden insgesamt elf
Karneolperlen gefunden. Es handelt sich um zwei lange bikonische, eine lange zylindrische und kürzere bikonische Perlen. Eine bikonische Perle ist zusätzlich mit zwei silbernen Scheiben versehen. Anhand der publizierten Dokumentation kann man feststellen,
dass die länglichen Perlen eine sehr breite Durchbohrung und dünne Wände aufweisen, was ein Charakterzug der Harappa-Perlen ist. Diese These muss mit Hilfe weiterer
Untersuchungen überprüft werden.
III. 3 Jade
Ein weiterer Halbedelstein, der in frühbronzezeitlichen Kontexten Troias auftaucht, ist
Jade. Sie kommt am häufigsten in zwei Varianten vor, als
Nephrit und Jadeit. Die Unterscheidung zwischen diesen zwei Mineralen ist ohne genaue Untersuchungen
schwierig, weshalb hier der Oberbegriff »Jade« verwendet wird. Die bekanntesten Objekte aus diesem
Stein sind zweifelsohne die drei Äxte aus Schatz L (Nr.
166–168)76. Das Vorhandensein von nur minimalen
Beschädigungen und Absplitterungen spricht dafür,
dass sie wenig oder gar nicht genutzt wurden77. Wie
Easton beobachtete, ist die zentrale Verzierung durch
kleine Bossen im Fall der zwei Äxte nicht ganz fertig
geworden (Abb. 17)78. Das wird deutlich, wenn man
Abb. 17 Verzierung der Axt aus Jade
die Axt Nr. 166 mit Nr. 167 vergleicht: Die Bossen von
Nr. 167 (Puschkin Museum Moskau,
Nr. 167 sind viel niedriger und zylinderförmig statt
nach Tolstikov – Trejster 1996,
Kat. Nr. 167).
76 Nach Tolstikov –Trejster 1996, 149–151 zwei aus »Nephroid?« und eine aus »Jadeit?«.
77 Trejster 1996, 220: »praktisch nicht in Gebrauch«.
78 Easton 1995, 13; anders Trejster 1996, 220.
Goldschmieden und Schmucksteinschleifen im frühbronzezeitlichen Troia
147
halbsphärisch. Reste des Steinblocks sind zwischen den Bossen stellenweise nicht ausgebohrt worden. Abgesehen von diesen feinen Unterschieden sind beide Äxte fast identisch
und wurden mit Sicherheit in einer Werkstatt hergestellt.
Jade wurde in Troia häufig für die Herstellung von Äxten und Beilen benutzt79, nur sind
die Exemplare aus den Schätzen besonders groß, elegant und reich verziert. Andere
Objekte aus diesem Material sind selten, eine der wenigen Ausnahmen sind kleine
Perlen80, ein Gewicht in Form eine Ente81 sowie eine mögliche Einlage aus Troia III82.
III. 4 Lapislazuli, Aragonit, Hämatit und Diorit
Aus Schatz L stammt auch die bekannte Axt aus Lapislazuli 83. Wie schon mehrmals beobachtet, ist sie die einzige Axt, die auch tatsächlich Nutzungsspuren zeigt, da sogar ein
Stück der Schneide abgebrochen ist84. Sie war wahrscheinlich schon bei der Deponierung
beschädigt. Es ist unklar, ob andere Objekte aus Lapislazuli in Troia vorhanden waren; während der Grabungen von Manfred Korfmann und Ernst Pernicka wurde kein
Lapislazuli in bronzezeitlichen Schichten gefunden85.
Aus dem Bereich von Megaron A kommen zwei »Eier aus Aragonit« (Abb. 18)86. Aus
Hämatit waren einige Äxte hergestellt87, aus Hämatit und Magnetit bikonische Gewichte88,
aus Gabbro Äxte89, aus Diorit Äxte und auch einige andere seltene Gegenstände90. Zwei
von Schliemann gefundene Objekte sind unklarer Funktion: eine Art rosettenförmiges
Zepter (?, Abb. 20)91, und eine Art Anhänger (Abb. 18)92, beides aus seiner »III. Stadt«.
Mindestens eine Diorit-Axt aus Megaron A war unfertig, da sie von beiden Seiten nicht
durchgehend gebohrt ist (Abb. 19)93, was für eine lokale Produktion spricht94.
79 Schliemann 1996, 220 berichtet über 13 Äxte und Beile aus Jadeit und Nephrit; vgl. Götze 1902, 41 Abb. 254.
80 Blegen u. a. 1950, 104 (Troia I Früh, Anfang des 3. Jts. v. Chr.). Im Laufe der neuen Ausgrabungen wurden weitere
gefunden.
81 Sazcı 2007, 331.
82 Blegen u. a. 1951, 94 Abb. 49 Nr. 37–442.
83 Der Stein, aus dem diese Axt gemacht ist, wird manchmal als Lasurit bezeichnet. Lasurit ist ein Bestandteil von
Lapislazuli. Spezielle geologische Untersuchungen wären notwendig, um die terminologischen Unklarheiten zu
beseitigen, jedoch geht aus den Fotos ziemlich eindeutig hervor, dass die Axt aus Troia nicht aus purem Lasurit
gefertigt wurde. Daher möchte ich bei der Bezeichnung Lapislazuli bleiben.
84 Götze 1902, 375; Easton 1995, 13.
85 Ein Fragment stammt aus einem römischen Fundkontext (Mündliche Mitteilung J. Zöldföldi, 2008.). Häufig
findet man jedoch Informationen über »blaue« oder »bläuliche« Steine in den älteren Publikationen. Dabei kann
es sich um Lapislazuli aber auch um anderes Material, z. B. Steatit, handeln. Blegen erwähnt eine Perle von »lapislazuli?« aus einer Troia IId-Schicht: Blegen u. a. 1950, 297 Kat. Nr. 37-30).
86 Schliemann 1884, 127–128 Abb. 46.
87 Schliemann 1881, 277.
88 Schliemann 1881, 487–488: »Schleudergeschosse«.
89 Schliemann 1881, 438 Abb. 488.
90 Fast alle diese Gegenstände liegen bei 6 bis 7 auf der Mohsschen Härteskala, nur Aragonit ist weicher.
91 Nach Schliemann 1881, 379–380 Abb. 224–225 könnte es ein »Idol« gewesen sind.
92 Schliemann 1881, 480 Abb. 557.
93 Schliemann 1884, 119 Abb. 48.
94 Für andere halbfertige Steinäxte, s. z. B. Götze 1902, 373–377 und Schmidt 1902, 271–275.
148
Magda Pieniążek
Abb. 18
»Ei« aus Aragonit
und Anhänger
aus Diorit (nach
Schliemann 1881,
Abb. 556–557).
Abb. 21 Knauf aus »Eisenmineral«
(a: Puschkin Museum Moskau, nach Tolstikov – Trejster
1996, Kat. Nr. 226; b: nach Götze 1902, Abb. 356).
Abb. 19
Axt aus Diorit
(nach Schliemann
1884, Abb. 48).
Abb. 22
Keulenkopf aus
Puddingsstone
(D20. 226, Archiv des
Troia-Projekts).
Besondere Aufmerksamkeit verdient noch
der merkwürdige Knauf aus Hämatit, bzw.
»Eisenmineral« aus Schatz L (Nr. 226, Abb. 21a–
b) 95, Größe: 5,6 x 3,6 cm 2. Der Brocken wurde
grob geformt, bis zur Hälfte gebohrt und auch
von der Seite der Durchbohrung grob abgerunAbb. 20 Zepter (?) aus Diorit (nach
det. Die gegenüberliegende Oberfläche ist rau und
Schliemann 1881, Abb. 224–225).
rissig. Entweder zeigt er diese Form, weil er sich
im Produktionsprozess befand und die andere Hälfte im nächsten Schritt bearbeitet werden sollte, oder ein Teil des Brockens ist während der Bearbeitung, z. B. während des
Bohrvorgangs, abgebrochen96. Hämatit liegt bei 5,5 bis 6,5 auf der Mohsschen Härteskala,
ist also etwas weicher als Bergkristall (7 auf der Härteskala). Ein ähnlicher Gegenstand
kam während der neuen Grabungen in Troia zu Tage: ein Keulenkopf aus Puddingstone
(Abb. 22), der u. a. aus Magnetit besteht97. Er wurde in einer hellenistischen Schicht gefunden, es muss sich aber um einen prähistorischen Gegenstand handeln98.
Zum Schluss sei noch auf eine andere Fundgruppe hingewiesen: »walzenförmige Schleudergeschosse« aus Hämatit, Diorit und anderen Gesteinsorten, die in
95 Götze 1902, 339. 367.
96 Der Knauf war ursprünglich vollständig; er wurde in Berlin im Rahmen naturwissenschaftlicher Analysen in der
Mitte geschnitten: Schmidt 1902, 244 Kat. Nr. 6116a–b. Nach Götze sollen sich ursprünglich zwei solche Knäufe in
Schatz L befunden haben: Götze 1902, 339.
97 Eine Überprüfung meinerseits hat ergeben, dass es tatsächlich magnetisch war.
98 Momigliano erwähnt ein ähnliches Objekt aus Iasos: Momigliano 2009, 128 Abb. 8.
Goldschmieden und Schmucksteinschleifen im frühbronzezeitlichen Troia
149
frühbronzezeitlichen Schichten gefunden wurden99. Es könnte sich um Bohrkerne der
Hohlbohrer handeln, die bei der Produktion der Äxte, Hämmer, Zepter, Knäufe oder
ähnlicher Gegenstände anfielen. Einige waren von 2,9–5,2 cm lang und 1,5–2 cm breit100,
bei den als »Gewichten« registrierten 40 Stück101 befinden sich auch größere und kleinere. Zum Vergleich: ein Bohrkern, der im Laufe der Herstellung der Äxte aus Jade und
Lapislazuli entstehen würde, wäre ca. 5,5 cm lang und 3,0 cm breit, im Fall der Herstellung
des Knaufes aus dem »Eisenmineral« läge der Wert bei ca. 3 x 3 cm2 102.
IV. Abschließende Bemerkungen
Die erläuterten Funde zeigen, dass Troia II und III nicht nur ein bedeutendes Zentrum
des Goldschmiedens, sondern auch des Steinschleifens gewesen ist. Dafür spricht die
Präsenz von Barren, Gussformen, Halbprodukten und beschädigten Produkten. Letztere
wurden offensichtlich aufbewahrt, um wiederverwendet zu werden.
Der Goldschmuck aus Troia zeigt viele Parallelen zu Funden aus der näheren Umgebung:
Poliochni (Ohrringe, Anhänger, Ketten)103, dem Bereich von Izmir (Lockenringe)104,
aber auch zu weiter entfernten Gebieten in Anatolien und weiter östlich105. Im Gegensatz
dazu finden sie relativ wenige Parallelen in der Südägäis. Frühhelladische und frühminoische Ornamente wurden in einem anderen Stil hergestellt und waren in der Regel in
Treibtechnik verziert, Granulation und Filigran sind selten belegt106.
Anhand des Materials lassen sich einige Beobachtungen zur Produktion in Troia machen. Wie von vielen Forschern inzwischen überzeugend dargelegt wurde, haben die
Schmuckstücke (Ohrringe, Lockenringe) aus Anatolien und der Nordägäis viel gemeinsam, es sind aber auch fast immer feine stilistische oder technologische Unterschiede
festzustellen107. Dies spricht für eine lokale Produktion und gegen die Einfuhr aus einem Zentrum wie etwa Troia. Allerdings handelte es sich um keine standardisierte
Massenproduktion. Zwar konnten identische oder nahezu identische Grundformen in
einer Gussform oder aus zusammengelöteten einfachen Golddrähten hergestellt werden,
z. B. die Körper der Körbchenohrringe, die Verzierung der Oberfläche wurde jedoch sehr
individuell herausgearbeitet. Besonders das Reaktionslot-Verfahren gab dem Goldschmied
99 Schmidt 1902, 270 Kat. Nr. 6856–6901.
100 Schmidt 1902, Kat. Nr. 6856–6859.
101 Schmidt 1902, Kat. Nr. 6860–6890.
102 Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang ein »walzenförmiges Gewicht aus einem kupferhaltigen Mineral«:
Schmidt 1902, Nr. 6891, 3,4 cm lang und 1,7 cm breit, wahrscheinlich aus Kupferglanz (Chalkosin). Leider ist es
nicht abgebildet. Wenn es sich tatsächlich um einen Zylinder aus Chalkosin handelt, dann könnte dies bedeuten,
dass in Troia in der Frühbronzezeit nicht nur Eisenmineral, sondern auch Kupfermineral als Stein bearbeitet
wurde.
103 Bernabò-Brea 1976.
104 Müller-Karpe 1994, 223 Abb. 60. 14.
105 Bass 1970; Branigan 1974; Özgüç – Temizer 1993; Rahmstorf 2006, dort weitere Literatur.
106 Mit Ausnahme der Scheibenperlen: Branigan 1974, 93–95; Reinholdt 2008.
107 Bass 1970; Musche 1992; Trejster 1996; Sazcı 2007; Colburn 2012. Ich stimme mit Trejster überein, dass man die
Schmuckstücke aus Troia nicht als »Importe« aus Mesopotamien bezeichnen sollte: Trejster 1996, 231–232.
150
Magda Pieniążek
die Möglichkeit, immer wieder neue Motive in Granulation und Filigran zu erzeugen. Wir
müssen deshalb zwischen feinen Unterschieden, die innerhalb eines Produktionszentrums
erklärbar sind, und groben Unterschieden in Stil, Technologie oder Repertoire, die auf
verschiedene Herstellungszentren hindeuten, differenzieren. Kleine Unterschiede sind zu
erkennen, wenn zwei Mitarbeiter derselben Werkstatt (z. B. Meister und Schüler) eigene
Projekte realisieren, oder auch wenn zwei Werkstätten in einem Zentrum tätig sind. Auch
ein zeitlicher Abstand von mehreren Jahren mag ein Grund sein. Es ist außerdem anzunehmen, dass sich in den Schatzfunden Troias ›Erbstücke‹ verstecken, die zur Reparatur
vorgesehen waren, und so mit jüngeren Gegenständen gemeinsam deponiert wurden108.
Ein Vergleich von Schmuck aus Troia und aus dem Schatz der Periode giallo in Poliochni109
soll dies veranschaulichen. Es besteht m. E. keine Notwendigkeit, dass alle Schmuckstücke
aus Troia und Poliochni aus einer Werkstatt stammen 110. So sind z. B. die gerippten
Lockenringe und Körbchenöhrringe aus Poliochni mit denen aus Troia (Nr. 15–16) fast
identisch und generell den troianischen verwandt111. Allerdings sind keine halbmondförmigen Ohrringe aus Poliochni bekannt und aus Troia keine Mohnohrringe 112. Auch
die Verzierung einer Nadel aus Poliochni in Form zweier antithetischer Vierfüßler ist in
einem nichttroianischen Stil gefertigt worden113. Sofern ist es sehr wahrscheinlich, dass
nicht nur Troia, sondern auch Poliochni eine beachtliche Goldschmuckproduktion besaß und auch das komplizierte Verfahren des Reaktionslots dort bekannt war. Im Schatz
von Poliochni wurden sogar einige Halbprodukte gefunden: zahlreiche kleine Ringe, die
sich für die Herstellung von Ketten sehr gut geeignet hätten, allerdings waren sie nicht
nur aus Gold, sondern auch aus Silber114. Aus Gold bestanden beispielsweise die kleinen
zylindrischen Ringe, die mit den Ösen der Tutuli identisch sind 115. Es ist denkbar, dass
beide Zentren durch diplomatische Verbindungen in Kontakt standen, so dass Schmuck
als Geschenk (Mitgift oder ähnliches) aber auch Handwerker und Technologien ausgetauscht wurden.
Was die Funde aus Stein betrifft, beinhaltete Schatzfund L aus Troia fertige unbenutzte
Objekte, einige beschädigte Objekte und wahrscheinlich auch Halbprodukte. Vermutlich
stammten sie, ähnlich wie die Goldfunde, aus einer Werkstatt. Nach der Lage des
Schatzes könnte sich diese Werkstatt während der Periode Troia III irgendwo im Osten
der Zitadelle befunden haben, während die Goldschmiede-Werkstatt (oder Werkstätten)
offensichtlich im Westen tätig war116. Viele Funde aus den Siedlungsschichten sprechen
108 Darauf kann auch eine stilistische Analyse hinweisen, s. Makkay 1992; Easton 2014, 82.
109 Ungefähr gleichzeitig mit Troia II Spät, III bis Anfang von IV (ca. 2350–2100 v. Chr.).
110 Anders Trejster 1996, 199 und Kouka 2002, 110–111. 115.
111 Trejster 1996, 201–202; Bernabò-Brea 1976, Taf. 241–242. 251 b.
112 In Poliochni wurden fünf solche Ohrringe im Schatz gefunden: Bernabò-Brea 1976, Taf. 245. Aus Troia stammt
lediglich ein weit entfernt verwandtes Objekt, ein »lockenförmiger Ohrring«: Sazcı 2007, 234.
113 Bernabò-Brea 1976, Taf. 211.
114 Bernabò-Brea 1976, Taf. 238, 26–27.
115 Bernabò-Brea 1976, Taf. 252, 5: Ring und 12: Tutulus.
116 Zur Lage und Datierung der Schätze s. Ünlüsoy 2011.
Goldschmieden und Schmucksteinschleifen im frühbronzezeitlichen Troia
151
für eine intensive Bearbeitung der Steine, darunter harte Steine wie Diorit, Hämatit,
Bergkristall und sogar Karneol. Ob Troia ein Zentrum der Steinschleiferei von besonderer Bedeutung gewesen ist, ist schwer zu sagen, da Halbedelsteinfunde der Frühbronzezeit
weder in der Ägäis noch in Anatolien genauer untersucht wurden. Perlen aus Bergkristall
und Karneol wurden an mehreren Orten entdeckt, es handelt sich aber fast ausschließlich
um Grabfunde117. Deshalb ist bislang ungeklärt, wie weit es sich bei diesen Orten um lokale Herstellungszentren handeln könnte118.
Prächtiger Schmuck aus Gold und anderen wertvollen Materialien erscheint im Bereich
der Harappa-Kultur, in Ur und Troia gleichzeitig mit wichtigen gesellschaftlichen
Veränderungen, die sich u. a. in der Architektur widerspiegeln 119. Es ist denkbar, dass
die Schmuckstücke aus Schatz A, vor allem die Golddiademe, den Status von regalia hatten und Angehörigen der lokalen Elite gehört haben, analog zum Schmuck der Königin
Puabi aus Ur120. Die Äxte aus Jade und Lapislazuli sind als Zepter, d. h. als Symbole der
Macht, zu interpretieren. Andere Gegenstände waren Luxus-Güter verschiedener Art
oder Objekte, die mit anspruchsvollen Produktionsprozessen zusammenhingen (wie die
Linsen). Sie beweisen, dass nicht nur exotische Gegenstände, sondern auch raffinierte
Technologien bis zum Rand der Ägäisch-Anatolischen Welt gelangten.
117 In Westanatolien wurden Einzelstücke von Perlen aus Karneol und Bergkristall gefunden, z. B. in einem
Kindergrab von Demircihüyük-Sarıket (jeweils zwei kleine Perlen: Seeher 2000, 64 Taf. 19, 13). Zur weiteren
anatolischen Fundstellen s. Ludvik u. a. 2015, 2–3. In der Ägäis sind einige Karneolperlen aus dem Gräberfeld
von Zyguries in der Korinthia bekannt: Blegen 1928, 43–55. Auf Kreta kommen viele Perlen vom Gräberfeld
auf Mochlos in der Mirabello Bucht: 353 Perlen aus Grab VI (Effinger 1996, 258–259: M 14c–e), Perlen aus
Karneol, Amethyst und »Chalcedon« sollen sich in Grab XIX befunden haben, allerdings ist die Identifizierung
des Materials zweifelhaft, vgl. Branigan 1991, 100; Effinger 1996, 264: M 32b; 32c; 33d. Es ist schwierig, anhand
der alten Fotos zu entscheiden (Seager 1912, Abb. 41, Nr. 19.14), aber einige Perlen könnten auch jünger als die
Frühbronzezeit sein.
118 Zu den Ausnahmen gehören 21 Karneolperlen aus einem Schatz in Ägina-Kolonna, s. Reinholdt 2008. Eine
davon ist mit dem sog. geätzten Muster verziert, was für eine Herkunft aus dem Indus-Tal spricht. Zwei Karneolperlen, eine möglicherweise aus Bergkristall und eine Scheibe aus Bergkristall, wurden in Dhaskalio auf Keros
gefunden: Haas-Lebegyev – Renfrew 2013, 622–625 Abb. 31, 20–21; 31, 24–25. Die Autoren haben vermutet,
dass es sich im Fall der Scheibe um eine Einlage handelt, es könnte aber auch eine halbfertige Perle sein. Eine
systematische Studie der frühbronzezeitlichen Siedlungsfunde, wo auch Halbfabrikate wie Bergkristallbrocken
aufgenommen werden, wäre notwendig, um Aussagen zur lokalen Halbedelsteinschleiferei der Ägäis treffen zu
können.
119 Zuletzt Colburn 2012, 374.
120 Völling u. a. 2012, 534.
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