Fiktionale Rede
Christian Beyer (Erfurt)
1 Einleitung und Problemexposition
In der sprachanalytischen Philosophie wird die Funktionsweise verschiedener Aspekte unseres alltäglichen und wissenschaftlichen Diskurses untersucht, um philosophische Fragestellungen auf diesem Wege einer Beantwortung näher zu bringen. Dazu gehören nicht zuletzt Fragen der Ontologie, also Fragen des Typs: Was gibt es, und wie existiert das, was es gibt
welche Seinsart, welcher „ontologische Status“ kommt den verschiedenen
Gegenständen zu?
Wenn in diesem Zusammenhang von Gegenständen die Rede ist, dann
ist alles und nur das gemeint, worüber man buchstäblich wahre Aussagen
machen kann. Dazu gehören nicht nur Gegenstände im landläufigen Sinne
des Wortes, sprich: raumzeitlich positionierte Dinge, die man sinnlich
wahrnehmen kann. In den Zuständigkeitsbereich der Ontologie fällt beispielsweise auch die Frage, ob und, wenn ja, wie mythologische Gestalten,
literarische Figuren und andere Phantasiegeschöpfe existieren, die in fiktionalen Geschichten beheimatet sind; d.h. in Geschichten, die nicht ernsthaft als wahr hingestellt werden (vgl. Searle 1982, 82), sondern lediglich
im Rahmen eines literarischen Werkes erzählt werden, welches man insofern als fiktionales Werk bezeichnen kann.
Ich möchte mich der Ontologie solcher fiktionaler Gegenstände nähern, indem ich drei miteinander zusammenhängende Probleme der
(sprachanalytischen) Philosophie der Fiktion traktiere:
1. Wie funktioniert die Rede innerhalb fiktionaler Werke?
2. Wie funktioniert die Rede über fiktionale Gegenstände?
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3. Lässt sich die Bezugnahme auf fiktionale Gegenstände aus unserer
Rede eliminieren, oder gibt es solche Gegenstände tatsächlich?
Die dritte Frage betrifft unmittelbar die Ontologie fiktionaler Gegenstände;
sie gehört zur Kategorie der „Was gibt es?“-Fragen. Die Frage drängt sich
auf, wenn man bedenkt, dass Nichtexistenz geradezu ein Definitionsmerkmal fiktionaler Gegenstände zu sein scheint. Schließlich heißen diese Gegenstände deshalb „fiktional“, weil sie nicht in (der) Wirklichkeit existieren, sondern (bloß) in der Fiktion: etwa in Kafkas Erzählungen, in Conan
Doyles Detektivgeschichten oder in der griechischen Mythologie.
Wer diese Charakterisierung akzeptiert und ihren ersten Teil (dem zufolge fiktionale Gegenstände nicht wirklich existieren) wörtlich nimmt, der
vertritt einen Antirealismus in Bezug auf fiktionale Objekte: Er bestreitet
die Existenz solcher Entitäten. Wer hingegen aufgrund des zweiten Teils
der Charakterisierung (dem zufolge solche Gegenstände in der Fiktion
existieren) annimmt, dass es fiktionale Entitäten sehr wohl gibt, der vertritt
eine realistische Position.
Vorderhand haben die realistische und die antirealistische Auffassung
beide gleichermaßen etwas für sich. Betrachten wir unter diesem Gesichtspunkt einmal das folgende Zitat.
Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. [...] „Was ist mit mir geschehen?“ dachte er.
Es war kein Traum. Sein Zimmer, ein richtiges, nur etwas zu kleines Menschenzimmer, lag ruhig zwischen den vier wohlbekannten Wänden.
So beginnt Franz Kafkas phantastische Erzählung Die Verwandlung.
Mit Gregor Samsa schuf Kafka eine Identifikationsfigur für viele zeitgenössische Expressionisten beispielsweise für den Dichter Karl Brand, der
ein Jahr vor seinem Tuberkulosetod im Jahre 1917 die Geschichte Die
Rückverwandlung des Gregor Samsa schrieb. Hätte Kafka Die Verwandlung nicht geschrieben, so gäbe es diese Identifikationsfigur nicht, und Die
Rückverwandlung wäre niemals aus Brands Feder geflossen. Nun hat Kafka Die Verwandlung aber geschrieben, Brand schrieb daraufhin tatsächlich
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Die Rückverwandlung, und somit scheint es die fragliche Figur auch zu geben ganz wie der Realist behauptet:
(S1) Gregor Samsa existiert.
Werfen wir indes noch einmal einen Blick auf das Zitat. Eines Morgens, so lesen wir da, fand sich Gregor Samsa zu einem Ungeziefer verwandelt. Unvermittelt versetzt Kafka uns hier in eine unheimliche Situation. Es gibt freilich eine Möglichkeit, das Schaudern zu überwinden. Wir
sagen uns, jetzt ganz im Sinne des Antirealisten: Kein Mensch kann sich
wirklich in ein Ungeziefer verwandeln; dieser Gregor Samsa ist eine freie
Erfindung Kafkas:
(S2) Gregor Samsa existiert nicht.
Nun scheint es allerdings, als seien wir bei einem Widerspruch angelangt:
(S3) Gregor Samsa existiert nicht, und Gregor Samsa existiert.
Offenbar ein klassisches Paradox, das unseren konfligierenden realistischen beziehungsweise antirealistischen Intuitionen geschuldet ist. Um dieses Paradox auflösen zu können, müssen wir die dritte – die ontologische –
Frage beantworten, die ich eingangs aufgeworfen habe: Lässt sich die Bezugnahme auf fiktionale Gegenstände aus unserer Rede eliminieren?
Ein Realist wird diese Frage negativ beantworten. Man stößt in der
neueren Forschungsliteratur auf mindestens drei Spielarten des Realismus.
In all diesen Versionen wird behauptet, dass den fiktionalen Gegenständen
eine eigentümliche Seinsart zukommt.
(i) Die so genannten Meinongianer vertreten (im Anschluss an Alexius Meinong) die Auffassung, dass es diese Gegenstände zwar gibt, dass sie
aber nicht wirklich existieren was auch immer das genau heißen mag.
Ein ontologischer Unterschied zwischen real existierenden und fiktionalen
Entitäten ist jedenfalls aus meinongianischer Sicht der: dass fiktionale Gegenstände nicht vollständig bestimmt sind. Sherlock Holmes z.B. ist zwar
ein Mensch, aber anders als bei realen Menschen ist es unbestimmt, ob er
Blutgruppe A hat oder nicht; und zwar deshalb, weil Arthur Conan Doyle
der Autor von Sherlock Holmes sich über die Blutgruppe seines Protagonisten ausgeschwiegen hat (vgl. Parsons 1975, 80).
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Nun ist das Prädikat „hat Blutgruppe A“ anders als etwa das Prädikat „ist ein Glatzkopf “ keineswegs vage, sondern exakt definiert. Der
Meinongianer ist demnach gezwungen, selbst für Eigenschaften, die durch
nicht-vage Prädikate ausgedrückt werden, den Satz vom ausgeschlossenen
Dritten aufzugeben (also das logische Gesetz, dem zufolge jede Eigenschaft einem Gegenstand entweder zukommt oder nicht zukommt). Es wäre gut, wenn wir der philosophischen Probleme, die fiktionale Werke aufwerfen, mit weniger drastischen Maßnahmen Herr werden könnten.
(ii) Die so genannten Fregeaner betrachten fiktionale Gegenstände
demgegenüber (inspiriert durch die Semantik Gottlob Freges) als vollständig bestimmte „Individualbegriffe“, nämlich als Bedeutungen (Sinne) fiktionaler Eigennamen wie z.B. „Sherlock Holmes“ (vgl. Parsons 1987, 52ff.).
Dieser Vorschlag hat u.a. mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass
manche Personen in einer Geschichte unter verschiedenen Namen ein Doppelleben führen (man denke an Dr. Jekyll und Mr. Hyde): Um sicherzustellen, dass wir es beiderseits mit derselben fiktionalen Person zu tun haben,
müsste der Fregeaner diesen Namen ein und denselben Individualbegriff
zuordnen, was aber der fregeschen Theorie komplett widerspricht (vgl.
ebd., 58f.).
Schließlich wären noch (iii) die literaturtheoretischen Platonisten zu
nennen (deren Hauptvertreter Peter van Inwagen ist): Sie fassen fiktionale
Gegenstände als theoretische Entitäten der Literaturkritik auf, d.h. als abstrakte Gegenstände, über die man ausschließlich im theoretischen Vokabular der Literaturwissenschaft etwas Wahres sagen kann (vgl. Inwagen
1977, 302f.).
Auch diese Position erscheint mir nicht sehr attraktiv. Nehmen wir die
Aussagen (S1) und (S2): Eine dieser beiden Aussagen ist (buchstäblich)
wahr, aber sind die Aussagen in literaturtheoretischem Vokabular formuliert? Ich glaube: nein.
Wenden wir uns nach diesen wenig aussichtsreichen Versuchen, den
Realismus auszubuchstabieren, der antirealistischen Sichtweise zu. Ein
Antirealist wird die Frage, ob sich unsere Rede über fiktionale Gegenstände eliminieren lässt, mit „Ja“ beantworten. Im Hintergrund steht dabei der
folgende Gedanke.
Gregor Samsa, Sherlock Holmes, Pegasus und Konsorten verdanken
ihre Existenz in der Fiktion und ihre charakteristischen Eigenschaften ein-
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zig und allein dem Umstand, dass es dergleichen wie Autoren gibt, die fiktionale Werke produzieren und in irgendeiner Form in Umlauf bringen.
Diese fiktionalen Werke enthalten Gregor-Samsa-, Sherlock-Holmes- oder
Pegasus-Beschreibungen. Alles, was sich scheinbar wahrheitsgemäß über
diese Figuren aussagen lässt, müsste sich daher unter Bezugnahme auf ihre
Beschreibungen innerhalb fiktionaler Werke ausdrücken lassen. Die gesuchten Paraphrasen handeln nicht mehr von fiktionalen Charakteren, sondern von real existierenden fiktionalen Werken. Diese Paraphrasen sind
dann nicht nur scheinbar, sondern wirklich wahr.
Mir leuchtet diese Überlegung ein. Ich will mich daher im Folgenden
auf die Seite des Antirealisten schlagen. Zu diesem Zweck möchte ich an
eine Strategie anknüpfen, mit deren Hilfe sprachanalytische Philosophen,
darunter David Lewis und (hierzulande) Wolfgang Künne, die Funktionsweise verschiedener Aspekte metafiktionaler Rede erläutert haben.
Unter „metafiktionaler Rede“ verstehe ich die behauptende Rede über
fiktionale Gegenstände. Wer z.B. den ontologischen Sachverhalt konstatiert, dass Sherlock Holmes ein fiktionaler Detektiv ist, der redet metafiktional. Dasselbe gilt für einen Conan-Doyle-Leser, der die vergleichsweise
banale Feststellung trifft, dass Holmes in der Baker Street wohnte. Doch
auch wer die ganz und gar nicht banale Interpretationshypothese verficht,
dass Holmes und Watson ein erotisches Verhältnis hatten, stellt eine metafiktionale Behauptung auf.
Die metafiktionale Rede bildet eine Unterklasse der fiktionalen Rede.
Zur Kategorie der fiktionalen Rede gehören außerdem die intrafiktionale
und die interfiktionale Rede. Wenn es im Mythos heißt, das Flügelross Pegasus sei dem Rumpf der Medusa entsprungen, dann ist diese Rede intrafiktional: Es wird in der griechischen Mythologie etwas Bestimmtes über
Pegasus gesagt. Interfiktional sind Beschreibungen innerhalb eines fiktionalen Werkes, die dessen Figuren zu Charakteren aus anderen Fiktionen in
Beziehung setzen wie das z.B. in Die Rückverwandlung des Gregor Samsa geschieht.
Lewis und Künne paraphrasieren metafiktionale Aussagen nun vermittels so genannter narrativer Operatoren. Dabei handelt es sich um Ausdrücke wie den folgenden:
„Der griechischen Mythologie zufolge“
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Der Terminus „narrativer Operator“ (vgl. Künne 1983, 313) erscheint mir
freilich nicht ganz glücklich gewählt. Immerhin besitzen ja auch historiographische Werke wie Der Peleponesische Krieg von Thukydides oder Sebastian Haffners Preußen ohne Legende narrativen Charakter: Es werden
historische Ereignisse erzählerisch dargestellt. Aber die Behauptung, dass
solche Werke der Literaturgattung „Fiktion“ zuzurechnen sind, stellt gelinde gesagt eine riskante Hypothese dar (vgl. Zipfel 2001, 171-179). Ich
ziehe daher die in dieser Beziehung neutralere Bezeichnung „fiktionaler
Operator“ vor.
Mit Hilfe eines fiktionalen Operators kann man aus einer intra- oder
interfiktionalen Beschreibung einen explizit metafiktionalen Aussagesatz
generieren; es handelt sich demnach um einen satzbildenden Satzoperator.
So wird beispielsweise die Beschreibung „Holmes hatte einen furchtbaren
Verdacht“ in einen Behauptungssatz des folgenden Typs überführt: „Derund-der Sherlock-Holmes-Geschichte zufolge hatte Holmes einen furchtbaren Verdacht.“
Die Analyse metafiktionaler Rede mit Hilfe fiktionaler Operatoren liefert nicht nur eine Antwort auf die im engeren Sinne sprachphilosophische
Frage 2 („Wie funktioniert die Rede über fiktionale Gegenstände?“). Sie
bietet überdies auch die Möglichkeit, die antirealistische Antwort auf die
ontologische Frage 3 in einer Art und Weise zu begründen, die uns instand
setzt, das Paradox (S3) (und seinesgleichen) auf befriedigende Weise aufzulösen. Dazu ist allerdings ein vertieftes Verständnis der Bedeutung fiktionaler Operatoren erforderlich.
Doch ehe wir uns der metafiktionalen Rede zuwenden können, müssen wir die Verwendungsweise sprachlicher Ausdrücke innerhalb fiktionaler Werke klären, d.h. wir müssen Frage 1 beantworten.
2 Intra- und interfiktionale Rede
Zunächst benötigen wir Klarheit darüber, wer eigentlich als (der) Sprecher
intra- und interfiktionaler Rede zu gelten hat. Unstrittig ist, wer fiktionale
Werke produziert: natürlich der oder die Autoren des jeweiligen Werkes.
Aber können wir dem Autor die Sätze seines Werkes auch in den Mund legen?
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Nehmen wir den Autor von Sherlock Holmes. Er scheint die Abenteuer seines Helden nicht selber zu erzählen; das tut vielmehr der Ich-Erzähler
Dr. Watson, also ein von Conan Doyle erfundener fiktionaler Charakter.
Doch selbst bei fiktionalen Erzählungen in der dritten Person ist es geboten, den Autor nicht als Erzähler der Geschichte zu betrachten. Denn der
Erzähler stellt die von ihm beschriebenen Begebenheiten als wahr hin. Der
Autor tut das nicht. Er gibt lediglich in der Manier eines Schauspielers, d.h.
ohne sein Publikum täuschen zu wollen, vor, der Erzähler einer Geschichte
zu sein, die sich tatsächlich zugetragen hat (vgl. Lewis 1983, 266; Searle
1982, 86f.). Der kompetente Leser weiß dies, und der Autor will, dass der
Leser es weiß.
Der Autor kann also sehr wohl als Sprecher fiktionaler Rede gelten,
aber er gibt ohne den Leser täuschen zu wollen lediglich vor, der Erzähler zu sein, sprich: einen ernsthaften Bericht über reale Geschehnisse zu
geben. Er tut bloß so, als ob er etwas behaupte. Unter Umständen gibt der
Autor dabei zugleich vor, jemand anders zu sein etwa Watson –; und
zwar abermals ohne Täuschungsabsicht.
Eine analoge Unterscheidung kann man auf der Rezipientenseite treffen. Der Rezipient eines fiktionalen Werkes ist niemand anderes als der
Leser (respektive Hörer) der vom Autor produzierten fiktionalen Rede. Soweit er sich auf die erzählte Geschichte und damit gewissermaßen auf die
Spielregeln des Autors einlässt, nimmt der Leser vorübergehend im
Modus des „Als-ob“ die Einstellung des Adressaten eines Tatsachenberichts ein. Der Unterscheidung Autor/Erzähler entspricht demnach auf der
Rezipientenseite diejenige zwischen Leser und Adressat (vgl. Zipfel 2001,
248). Das dieser Doppelstruktur zugrunde liegende mimetische „Spiel“
zwischen Autor und Leser wird in der neueren Forschungsliteratur auch als
make-belief bezeichnet (vgl. Walton 1990, 67ff. u.ö.).
Wenn nun der Sprecher intra- beziehungsweise interfiktionaler Rede
keine Behauptungen trifft, sondern nur so tut, als ob, und der kompetente
Leser dies auch weiß, dann scheint diese Rede eine eigene Sorte sprachlicher Handlungen zu markieren, die man als das Aufstellen von Quasi-Behauptungen bezeichnen könnte (vgl. Künne 1983, 292). Gegen diese nahe
liegende Betrachtungsweise hat jedoch John Searle den folgenden Einwand
erhoben:
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[W]enn [...] die Sätze in einem fiktionalen Text verwendet würden, um ganz andere Sprechakte zu vollziehen, als sie sich aus ihrer wörtlichen Bedeutung ergeben, dann müßten sie eine andere
Bedeutung haben. Daher ist jeder, der behaupten will, Fiktion
enthalte ganz andere [Sprechakte] als Nicht-Fiktion, zu der Ansicht gezwungen, daß Wörter in fiktionalen Texten nicht ihre normale Bedeutung haben. Diese Auffassung ist zumindest prima facie unmöglich, denn träfe sie zu, könnte niemand einen fiktionalen Text verstehen, ohne neue Bedeutungen für all die Wörter
und anderen Elemente zu lernen, die in dem fiktionalen Text enthalten sind [...]. (Searle 1982, 86)
Ich finde diesen Einwand nicht überzeugend. Searle argumentiert,
dass etwaige Sprechhandlungen der ins Auge gefassten Sorte, also QuasiBehauptungen, „ganz andere Sprechakte“ mit ganz anderen Bedeutungen
wären als ernsthafte Behauptungen. Quasi-Behauptungen sind aber meines Erachtens, was ihre Bedeutung anbelangt, parasitär gegenüber den
(echten) Behauptungen, die durch sie imitiert werden (contra Rorty 1983,
73f.). Wenn z.B. Conan Doyle quasi-behauptet, Holmes habe in der Baker
Street gewohnt, dann gilt: Wäre das, was Doyle auf diese Weise vorgibt,
tatsächlich der Fall, dann würde er eine Behauptung des Inhalts aufstellen,
dass Holmes in der Baker Street gewohnt hat. Die Bedeutung der QuasiBehauptung steht also in denkbar enger Beziehung zur Bedeutung der entsprechenden Behauptung. Searles Prämisse „Wenn Quasi-Behauptungen
eine eigene Sorte sprachlicher Handlungen bilden würden, so hätten sie
ganz andere Bedeutungen als Behauptungen“ ist somit verkehrt. Sein Argument widerlegt daher mitnichten die hier vertretene These, dass QuasiBehauptungen (den Behauptungen freilich verwandte) sprachliche Handlungen sui generis darstellen.
Wie viele andere Handlungen auch, sind Quasi-Behauptungen ihrerseits aus Teil-Handlungen zusammengesetzt. Wenn der Verfasser der Verwandlung quasi-behauptet, Gregor Samsa habe sich in ein Ungeziefer verwandelt, dann enthält diese Sprechhandlung den folgenden Teil-Akt: Der
Verfasser gibt vor, und zwar ohne Täuschungsabsicht, dass er auf einen
gewissen Gregor Samsa Bezug nimmt, um etwas über ihn zu berichten.
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Man könnte diesen mimetischen Akt als Quasi-Bezugnahme bezeichnen
(vgl. Künne 1983, 293f.).
Damit ergibt sich folgendes Bild. Wenn in der Verwandlung oder der
Rückverwandlung steht, dass Gregor Samsa sich in ein Ungeziefer verwandelt hat, so kann man diese Beschreibung als Quasi-Behauptung des Autors ansehen, die den Leser gewissermaßen dazu auffordert, sich vorübergehend in die Rolle des Adressaten eines Tatsachenberichts zu versetzen.
In diese Quasi-Behauptung geht eine Quasi-Bezugnahme auf eine Person
namens Gregor Samsa ein, an die der Leser sozusagen im „Offline“-Modus
im Modus des „Als-ob“ denken soll. Und analog für sonstige intra- beziehungsweise interfiktionale Beschreibungen.
Soviel zur Frage 1 nach der Funktionsweise der Rede innerhalb fiktionaler Werke. Nun zur Frage 2: Wie funktioniert die Rede über fiktionale
Gegenstände?
3 Metafiktionale Rede
Drei Beispiele metafiktionaler Rede haben wir bereits kennen gelernt: die
ontologischen Behauptungen (S1) bis (S3). Hier ist ein weiteres Exempel
aus dieser Kategorie:
(S4) Gregor Samsa ist ein fiktionaler Handlungsreisender.
Während es sich bei (S1) bis (S3) um Antworten auf die Frage „Was gibt
es?“ handelt, haben wir es bei (S4) mit einem möglichen Kandidaten zur
Beantwortung der Frage „Wie existiert das, was es gibt?“ zu tun.
Nicht alle metafiktionalen Aussagen sind in einem dieser beiden Sinne
ontologische Behauptungen. Betrachten wir z.B. die folgenden Sätze, die
zumindest in einer Lesart ebenfalls von einer literarischen Figur namens
Gregor Samsa zu handeln scheinen:
(S5) Gregor Samsa war Reisender.
(S6) Gregor Samsa war vor seiner Verwandlung in ein riesiges Ungeziefer 1,75 m groß.
(S7) Gregor Samsa hat weniger Selbstmitleid als Hans Castorp.
(S8) Karl Brand musste genauso schwer leiden wie Gregor Samsa.
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(S9) Gregor Samsas Verwandlung in ein Ungeziefer symbolisiert
das zerstörte Selbstwertgefühl der Kriegsheimkehrer nach dem
Ersten Weltkrieg.
(S10) Gregor Samsa wurde nach dem Ersten Weltkrieg zu einer Identifikationsfigur vieler europäischer Expressionisten.
Der Satz (S5) stammt aus dem ersten Kapitel von Die Verwandlung.
Gerade weil das so ist, hat dieser Satz jedoch auch eine metafiktionale Lesart, in der man mit ihm etwas Wahres über den Inhalt (den Erzählgehalt)
dieses Werkes behaupten kann. Mit dem Satz (S6) hingegen sagt man nicht
die Wahrheit, da Kafkas Erzähler sich in keiner Weise über die Körpergröße seines Protagonisten äußert. Gleichwohl gehört die Behauptung (S6)
zum selben Typus metafiktionaler Rede wie (S5), weil in beiden Fällen inhaltliche Angaben zu einem bestimmten fiktionalen Werk gemacht werden. Ich nenne Aussagen dieses Typs unifiktionale Metaaussagen.
Um (S7) einen Wahrheitswert zuschreiben zu können, muss man dagegen intrafiktionale Beschreibungen aus mehreren Werken miteinander
vergleichen: Hans Castorp taucht ja nirgends in Kafkas Verwandlung auf,
sondern ist der Protagonist von Thomas Manns Roman Der Zauberberg.
Mit (S7) kann man daher (wie ich sagen möchte) eine multifiktionale Metaaussage machen.
Mit (S8) und (S9) verlassen wir thematisch teilweise den Bereich des
Fiktionalen. Um die Frage nach der Wahrheit oder Falschheit von (S8) zu
entscheiden, muss man die Beschreibung des Schicksals von Gregor Samsa
in Die Verwandlung mit dem finalen Lebensabschnitt des Autors der Rückverwandlung vergleichen. Nun mag man dabei zwar auf irgendwelche
Karl-Brand-Beschreibungen angewiesen sein. Aber dann ist nicht lediglich
der Inhalt dieser Beschreibungen für die Wahrheit von (S8) entscheidend,
sondern vielmehr deren Übereinstimmung mit dem realen Leben eines Autors. Um den Wahrheitswert von (S9) zu ermitteln, muss man die Beschreibungen innerhalb des fiktionalen Werkes im Sinne figurativer Rede (z.B.
als Metapher) auffassen und herausfinden, welche Aspekte der Wirklichkeit der Autor auf diese Weise zu beleuchten vermag (beziehungsweise
welche er zu beleuchten intendiert). Man könnte solche Aussagen wie (S8)
und (S9), in denen Fiktion und Realität miteinander verglichen werden, als
transfiktionale Metaaussagen titulieren.
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Für die Wahrheit oder Falschheit von Behauptungen wie (S10)
schließlich ist der konkrete Inhalt fiktionaler Werke weitgehend irrelevant.
Man könnte sie aus offensichtlichen Gründen als wirkungsgeschichtliche Metaaussagen bezeichnen.
4 Zur Analyse metafiktionaler Aussagen
Die folgende Überlegung spricht meines Erachtens dafür, metafiktionale
Aussagen mit Hilfe fiktionaler Operatoren zu analysieren.
Wenn wir nicht-metafiktionale Behauptungen aufstellen wollen, sehen
wir uns oft gezwungen, dies deutlich zu machen, indem wir den Ausdruck
„in Wirklichkeit“ (oder ein Synonym) verwenden. (Beispiel: „In Wirklichkeit kann sich niemand in ein Ungeziefer verwandeln.“) Dieser Umstand
deutet darauf hin, dass metafiktionale Äußerungen oftmals elliptisch sind:
dass sie also ihren inhaltlichen Bezug aufs Fiktionale unterschlagen (der
geäußerte Satz ist nicht explizit metafiktional), so dass sie leicht mit nichtmetafiktionalen Behauptungen verwechselt werden können (vgl. Künne
1983, 321). Das scheint z.B. für die unifiktionale Metaaussage zu gelten,
die man mit dem Satz (S5) machen kann. Dieser Satz fungiert dann je
nach Hintergrundwissen des Sprechers als elliptische Variante eines der
folgenden drei Sätze:
Kafkas Verwandlung zufolge war Gregor Samsa Reisender.
Einer fiktionalen Erzählung von Kafka zufolge war Gregor Samsa
Reisender.
Einer fiktionalen Erzählung zufolge war Gregor Samsa Reisender.
Der Einfachheit halber halte ich mich im Folgenden an Paraphrasen des
ersten Typs, wobei ich die Bezeichnung des einschlägigen fiktionalen Werkes durch den (bei Bedarf indizierten) Buchstaben „F“ abkürze. (S5) wird
also (fürs Erste) folgendermaßen paraphrasiert:
(S5cccc)
F zufolge war Gregor Samsa Reisender.
Lewis (1983, 263) schlägt vor, sämtliche unifiktionalen Metaaussagen
nach diesem Muster zu analysieren. Künne geht noch ein paar Schritte wei-
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ter, indem er dieses Analyseverfahren auch auf multifiktionale und (einige)
transfiktionale Metaaussagen anwendet.
Anders als Lewis lässt Künne den fiktionalen Operator selbst allerdings unanalysiert. Er macht lediglich darauf aufmerksam, dass es sich dabei um einen intensionalen Operator handelt. Es ist mit anderen Worten
nicht legitim, aus einem Satz wie (S5cccc), der durch einen fiktionalen Operator eingeleitet wird, den Schluss zu ziehen, dass es wirklich jemanden
gibt, für den einer fiktionalen Erzählung zufolge das-und-das gilt beispielsweise, dass er Reisender war. Dieser Befund ist natürlich Wasser auf
die Mühlen des Antirealisten.
Lewis (1983, 262) betrachtet fiktionale Operatoren ebenfalls als intensional. In der einfachsten Form, die Lewis’ Grundidee reflektiert (auf die
ich mich der Übersichtlichkeit halber beschränke), lässt sich (S5) seiner
Analyse zufolge durch ein kontrafaktisches Konditional paraphrasieren, also durch einen Satz der Form „Wenn A wirklich der Fall wäre, dann wäre
auch B der Fall“ (vgl. ebd.):
(S5ccc) Wären die Behauptungen des Erzählers in F wahre Berichte
über das reale Weltgeschehen, dann wäre Gregor Samsa Reisender gewesen.
Der Vordersatz dieses Konditionals betrifft die (fiktiven) Tatsachenberichte des Erzählers. Diese Tatsachenberichte sind zwar in F wahr, aber nicht
in (der) Wirklichkeit; es sind keine wahren Berichte über das tatsächliche
Weltgeschehen.
Durch die Form des kontrafaktischen Konditionals wird indes unser
Verständnis der metafiktionalen Rede in unserem faktischen Hintergrundwissen verankert: Wer eine kontrafaktische Annahme macht, tut dies ja immer auf der Folie eines Systems von Überzeugungen über die Wirklichkeit,
die unverändert bleiben.
Das in (S5ccc) Gesagte lässt sich auch kürzer formulieren (vgl. Husserl
1979, 317):
(S5cc) Wäre das in F Erzählte wahr, dann wäre Gregor Samsa Reisender gewesen.
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Von etwaigen Schlampigkeiten seitens des Autors oder absichtlich in die
Erzählung eingebauten Unstimmigkeiten, die dazu führen, dass das in F
Erzählte unmöglich wahr sein kann, sehe ich hier bewusst ab. (Solche intrafiktionalen Inkonsistenzen würden (S5cc) automatisch trivialisieren; vgl.
Lewis 1983, 269f.) Um stimmige metafiktionale Behauptungen (der Sorten
(S1) bis (S9)) aufstellen zu können, muss man derlei Inkonsistenzen ohnehin beseitigen (beziehungsweise ignorieren).
In (S5cc) steckt noch eine Existenzannahme, die wir explizit machen
müssen, wenn wir die Bezugnahme auf fiktionale Objekte aus unserer Rede eliminieren wollen:
(S5c) Es gibt ein fiktionales Werk, nämlich F, für das gilt: Wäre das
in F Erzählte wahr, dann wäre Gregor Samsa Reisender gewesen.
Auch (S1) bis (S4) und (S6) bis (S10) lassen sich nach dem Muster von
(S5c) analysieren:
(S1c) Es gibt ein fiktionales Werk, nämlich F, für das gilt: Wäre das
in F Erzählte wahr, dann würde Gregor Samsa existieren.
(S2c) = (S2)
(S3c) Gregor Samsa existiert nicht, und es gibt ein fiktionales Werk,
nämlich F, für das gilt: Wäre das in F Erzählte wahr, dann würde Gregor Samsa existieren.
Diese Aussage impliziert nicht, dass Gregor Samsa wirklich existiert. Damit wäre das Paradox (S3) im Sinne des Antirealisten aufgelöst: In (S3c)
wird nur noch die Existenz eines fiktionalen Werkes behauptet, das GregorSamsa-Beschreibungen enthält.
(S4c) Gregor Samsa existiert nicht, und es gibt ein fiktionales Werk,
nämlich F, für das gilt: Wäre das in F Erzählte wahr, dann wäre
Gregor Samsa ein Handlungsreisender (gewesen).
(S6c) Es gibt ein fiktionales Werk, nämlich F, für das gilt: Wäre das
in F Erzählte wahr, dann wäre Gregor Samsa vor seiner Verwandlung in ein riesiges Ungeziefer 1,75 m groß gewesen.
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Letztere Behauptung ist schlicht falsch; der Erzähler in F berichtet nichts,
aus dem hervorginge, dass Samsa 1,75 m groß war. Wir brauchen also angesichts einer Aussage wie (S6) nicht dem Beispiel der Meinongianer zu
folgen und kurzerhand den Satz vom ausgeschlossenen Dritten über Bord
gehen zu lassen.
(S7c) Es gibt zwei fiktionale Werke, nämlich F und Fc, sowie zwei
Intensitätsgrade I und Ic, für die gilt: (i) I ist kleiner als Ic; und
(ii) wäre das in F Erzählte wahr, dann wäre I die Intensität von
Gregor Samsas Selbstmitleid; und (iii) wäre das in Fc Erzählte
wahr, dann wäre Ic die Intensität von Hans Castorps Selbstmitleid.
(S8c) Es gibt ein fiktionales Werk, nämlich F, einen Intensitätsgrad I
und einen Intensitätsgrad Ic, für die gilt: (i) I ist mit Ic identisch;
und (ii) I ist die Intensität von Karl Brands erlittenem Leid; und
(iii) wäre das in F Erzählte wahr, dann wäre Ic die Intensität
von Gregor Samsas erlittenem Leid.
Bei Aussagen wie (S9) und (S10) stößt die Analyse metafiktionaler
Behauptungen mittels fiktionaler Operatoren freilich an gewisse natürliche
Grenzen. Zum einen gehen anspruchsvolle Interpretationshypothesen wie
(S9) thematisch weit über den bloßen Erzählgehalt des betreffenden Werkes hinaus. Sie sind daher wohl nur im Rahmen einer literaturwissenschaftlichen Hermeneutik vollständig analysierbar. Zum anderen sind (wie
schon erwähnt) die Wahrheitsbedingungen wirkungsgeschichtlicher Metaaussagen wie (S10) weitgehend unabhängig vom jeweiligen Erzählgehalt.
Für Aussagen wie (S9) und (S10) hat denn auch weder Lewis noch Künne
eine Paraphrase im Angebot.
Spätestens jetzt macht es sich bezahlt, dass wir analytisch etwas tiefer
in die Struktur des fiktionalen Operators eingedrungen sind. Ich habe zwar
jeweils nur eine partielle Analyse von (S9) und (S10) anzubieten, die dringend einer literaturhermeneutischen Vervollständigung bedarf. Meine Paraphrasevorschläge verdeutlichen aber immerhin, dass die Rede über fiktionale Charaktere auch in solchen Fällen prinzipiell entbehrlich ist und
das ist der philosophisch interessante Punkt, auf den es mir ankommt:
Fiktionale Rede
(S9c)
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Es gibt ein fiktionales Werk, nämlich F, für das gilt: (i) Wäre
das in F Erzählte wahr, dann hätte Gregor Samsa sich in ein
Ungeziefer verwandelt; und (ii) der in (i) beschriebene Aspekt
des in F Erzählten symbolisiert das zerstörte Selbstwertgefühl
der Kriegsheimkehrer nach dem Ersten Weltkrieg.
(S10c) Es gibt ein fiktionales Werk, nämlich F, für das gilt: (i) Wäre
das in F Erzählte wahr, dann würde Gregor Samsa existieren;
und (ii) mit dem, was in F über Gregor Samsa erzählt wird
(was auch immer es ist), haben sich viele europäische Expressionisten identifiziert.1
Fazit: Nicht nur ontologische, sondern auch unifiktionale, multifiktionale, transfiktionale und wirkungsgeschichtliche Metaaussagen lassen sich
1
Van Inwagen (1977, 302ff.) behauptet, dass Aussagen wie die folgenden entschieden für die Annahme der Existenz literarischer Figuren sprechen:
(S11) In Thomas Manns Romanen gibt es Figuren, die (dort) detaillierter beschrieben werden als irgendeine Figur aus Kafkas Erzählungen.
(S12) Für jede Figur aus Kafkas Erzählungen gilt: Es gibt in Thomas Manns Romanen eine Figur, die (dort) detaillierter beschrieben wird als sie.
Ein Antirealist in Bezug auf fiktionale Charaktere kann (S11) und (S12) jedoch (so
lautet meine Hypothese) im Rekurs auf die relevante Beschreibungsdichte paraphrasieren, also die Anzahl der Eigenschaften, für die gilt: Wäre das im einschlägigen
fiktionalen Werk Erzählte wahr, dann würden diese Eigenschaften von einer bestimmten (unter solchen kontrafaktischen Umständen existenten) Person exemplifiziert, über die der jeweilige Erzähler berichtet. Meine (tentativen) Paraphrasevorschläge lauten:
(S11c) Es gibt ein fiktionales Werk F und eine Beschreibungsdichte B, für die gilt:
F ist ein von Thomas Mann verfasster Roman; und wäre das in F Erzählte
wahr, dann würde eine Person mit B Eigenschaften existieren; und für jedes
fiktionale Werk Fc gilt: Wenn Fc eine von Kafka verfasste Erzählung ist,
dann gilt: Wäre das in Fc Erzählte wahr, dann hätte jede Person, über die in
Fc berichtet wird, weniger als B Eigenschaften.
(S12c) Es gibt eine Beschreibungsdichte B, so dass für jedes fiktionale Werk Fc
gilt: Wenn Fc eine von Kafka verfasste Erzählung ist, dann gilt: Wäre das in
Fc Erzählte wahr, dann hätte jede Person, über die in Fc berichtet wird, weniger als B Eigenschaften; und es gibt ein fiktionales Werk F, für das gilt: F
ist ein von Thomas Mann verfasster Roman, und wäre das in F Erzählte
wahr, dann würde eine Person mit B Eigenschaften existieren.
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Christian Beyer
so paraphrasieren, dass ihr vermeintlicher Bezug auf fiktionale Gegenstände sich als bloßer Schein entpuppt. Wir können die Frage 3 nach der Existenz fiktionaler Gegenstände daher getrost im Sinne des Antirealisten beantworten: Nein, solche Gegenstände gibt es nicht.
Eine wichtige Klarstellung zum Schluss. Die hier vorgeschlagene
Version des Antirealismus besitzt keinerlei naturalistische Implikationen.
Die Bezugnahme auf fiktionale Gegenstände wird zwar zugunsten der Rede über fiktionale Werke eliminiert in ähnlicher Weise, wie etwa eliminative Materialisten sich das für Aussagen über mentale Phänomene vorstellen. Im Gegensatz zu den vom eliminativen Materialismus bevorzugten
neurophysiologischen Prozessen sind fiktionale Werke aber ersichtlich
geistig-kulturelle Produkte und als solche integraler Bestandteil unserer
alltäglichen Lebenswelt.2
Literatur
Husserl, E. 1979: „Intentionale Gegenstände (I)“, in: Husserliana: Edmund Husserl
Gesammelte Werke 22, Den Haag, 303-338.
Inwagen, P. van 1977: „Creatures of Fiction“, in: American Philosophical Quarterly
14, 299-308.
Künne, W. 1983: Abstrakte Gegenstände. Semantik und Ontologie, Frankfurt/M.
Lewis, D. 1983: „Truth in Fiction“, in: Philosophical Papers I, Oxford, 261-280.
Parsons, T. 1975: „A Meinongian Analysis of Fictional Objects“, in: Grazer Philosophische Studien 1, 73-86.
Parsons, T. 1987: „Fiktion: Frege vs. Meinong“, in: Zeitschrift für Semiotik 9, 51-66.
Rorty, R. 1983: „Is there a Problem about Fictional Discourse?“, in: D. Henrich & W.
Iser (Hrsg.), Funktionen des Fiktiven, München, 67-93.
Searle, J. R. 1982: „Der logische Status fiktionalen Diskurses“, in: Ausdruck und Bedeutung, Frankfurt/M., 80-97.
Walton, K. 1990: Mimesis as Make-Belief, Cambridge/Mass.
Zipfel, F. 2001: Fiktion, Fiktivität, Fiktionalität, Berlin.
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Dieser Beitrag ist die schriftliche Fassung der Öffentlichen Probevorlesung, die ich
am 21. Januar 2004 an der Philosophischen Fakultät der Universität Erfurt gehalten
habe. Für zahlreiche Anmerkungen (von denen im vorliegenden Rahmen nur wenige berücksichtigt werden konnten) danke ich Wolfgang Huemer.