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Gesetzesübergabe) genannte Motiv nimmt einen wichtigen Platz in der Entwicklung der christlichen Jkonographie ein, weil es eines der frü hesten Beispiele einer zentral komponierten, frontal und monumental konzipierten, allegorischen Ikonographie darstellt, die in mancher weise Vorläufer der späteren mittelalterlichen Bildformen wie maiestas domini und praesentatio ist. Größtmögliche Klarheit im Verständnis dieses Motivs ist daher höchst wünschenswert. DIE IKONOGRAPHIE Das grundlegende Schema der traditio­legis­Kom positionen ist wie folgt: Kristus ist stehend und frontal dargestellt, mit der rechten Hand in einer Geste entwe der des Sieges oder des Sprechens erhoben, während er in der linken eine Buchrolle hält, deren offenes Ende das Ende des Buches er lose flattern läßt. Rechts neben ihn sieht man Paulus, mit seiner typischen Phy siognomie, zu ihm in einer acclamatio­ oder Redegeste gewandt. An Christi linker Seite ist Petrus dargestellt, auch er mit die für ihn typischen Gesichtszüge. Er eilt seinem Herrn entgegen, in leichter Kniebeuge, das Pal lium um beide Schultern hochgeschlagen, so daß es Arme und oft auch Hände zudeckt. Den Zipfel des Pal liums, der zwischen seinen Armen und Händen sich ausspannt, hällt er unter das lose flatternde Ende der Buchrolle Christi. Diese Dreier­Komposition findet man auf insge sammt 25 Sarkophagen oder Fragmenten von solchen~, einer gravierten Grabplatte, vier Schreinen, zwei Kata kombenmalereien, einem Apsismosaik, zwei Goldglä sern, einem geschliffenen Glasteller und einem Bron zeamulet, alle aus dem 4. und 5. Jahrh. In fast allen Fällen ist das Motiv das einzige oder wenigstens das zentrale Motiv auf dem Gegenstand, den es schmückt. Nur in dem Kuppelmosaik im neapolitanischen Baptis terium und in dem einen der beiden kleinen Seitenapsi den von 5. Costanza in Rom tritt es als den anderen Pro grammteilen ebenbürtiges Element auf. In seiner oben beschriebenen elementarsten Form trift man das Motiv nur selten, so z.B. auf dem Thessalo nikischen Silberkästchen (Fig. 1), auf das ich später — zurtickicommen werde. Meistens sind die Darstellungen viel komplekser (Fig. 2­3). Typisch steht der fast immer bärtige Christus entweder auf einem Hügel oder Felsen, oder auf Wolken über einem solchen. Die Hände Petri sind fast immer mit dem Palliumszipfel zugedeckt. Die Apostelfyrsten sind von Palmen flankiert. In derjenigen hinter Paulus ist oft det Phönix zu sehen. Meist gesellen sich Lämmer der Gruppe bei, nicht selten vier oder zwölf. Diese können entweder als Fries arrangiert sein, oder sich freier in die Komposition einfügen. Von Zeit zu Zeit trifft man auf ein Lamm auf einem diminutiven Hügel vor dem Christi, und in einigen Fällen ist dies direkt durch ein Kreuz, oder sogar durch eine crux monogrammatica, auf der Stirn als Agnus Dei ausge zeichnet.2 Wo sich die Lämmer zu einem Fries arrangie ren, kann dieser entweder in die Darstellung selbst ein gehen, oder aber als selbstständiges Register unter dieser verlaufen. Oft mußman eine allegorische Spiege lung des Hauptmotivs hierin erwarten.3 — ABGRENZUNG DER MONUMENTE Der Versuch einer Untersuchung der Bedeutung des traditio legis wird im Folgenden an zwei ausgewähl ten Darstellungen vorgenommen, die sich funktionel und kontextuel als atypisch auszeichnen. Erstens das sil berne Kästchen, vielleicht oder wahrscheinlich Relik vienschrein, das sich heute im archäologischen Museum von Thessaloniki befindet. Und zweitens die berühmte kleine Apsis auf der Querachse des Mausoleums 5. Cos tanza in Rom, links vom Eingang aus gesehen (Fig. 4). Dieser Ausgangspunkt ist gewählt, um dadurch die Möglichkeit eines freien Blickes zu bewahren. Durch die Masse der verschiedenartigen Sarkophage verfällt man leicht zu einer Kompilation von typischen ikono grafischen Elementen, die eine Art virtuelles Idealek sempel ergeben, das das eigentliche Untersuchungsob jekt wird, oder an welches man die wirklich vorhandenden Darstellungen mißt.4 Die beiden obenge nannten Beispiele können sich im Versuch einer Einkrei sung der Hauptbotschaft und ihrer potentiellen Bedeu tungsmöglichkeiten supplierend beiseite stehen, die sich in verschiedenen Kontexten verschieden entfalten. TRADITIO LEGIS? 5 Das thessalonikanische Silber­Kästchen repräsen tiert die konzentriertest vorgefundene Darstellungs weise, und mußdaher als Beispiel dafür stehen, daßdas Motiv der sogenannten Gesetzesübergabe auch ohne die typischen ikonographischen Paraphernalia wirken und begreiflich sein konnte. In der Konzentration auf die Dreiergruppe in dieser ihrer einfachsten Form mußes möglich sein, den zentralen Bildinhalt dieser Gruppe zu erfassen. Das kleine Apsismosaik in Rom, dagegen, besitzt die meisten derjenigen ikonographischen Ele mente, die sich typisch um die Dreiergruppe scharen, und stellt somit ein Beispiel des Motivs in kompleksem Kontext vor, wie es am häufigstem vorkommt. 5. Cos tanza ist aber sowohl im Format als auch als ikonogra phische Ganzheit atypisch, weil es sich um einen pro grammatisch geschmückten Bau handelt und nicht um einen Sarkophag. Wie sich zeigen wird, sind beide Bei spiele in der Strukturierung ihrer Programme klar, wie man dies nicht ganz von Sarkophagen erwarten kann und lassen sich beide in einem allgemeinchristlichen, heilsgeschichtlichen Zusammenhang interpretieren, der nicht spezifisch todesbezogen oder apokalyptisch ist. 5. Costanza ist seit langem bekannt, beschrieben und behandelt es zählt seit der Renässance zu den beliebtesten altchristlichen Monumenten. Das Sil berkästchen in Thessaloniki wurde erst 1966 gefunden und vor allem erst mit der Publikation von Grabar und Panayotidi 1975 in dieser Zeitschrift der breiteren west lichen Forschungsgemeinde zugänglich gemacht. Zu diesem Zeitpunkt, allerdings, war die große Debatte über die Bedeutung des Motivs, die besonders in den 1960er Jahren vor sich ging, bereits am versiechen, und somit ist es nicht als selbstständiges, sondern wohl eher als sehr schönes und durch seine Provenienz kuriöses Beispiel des traditio legis betrachtet worden. Hier wird es als Ausgangspunkt genommen. Natürlich wird vieles im folgenden dem Kenner der Diskussion als selbst verständlich oder doch wenigstens bekannt vorkommen, es ist nicht desto weniger die Absicht, mehr Klarheit in dem Dschungel der Interpretationen zu schaffen und durch stärkere Hervorhebung der zentralen Botschaft das Verständnis des Motivs zu festigen. — — DAS THESSALONIKANISCHE SILBER­KÄSTCHEN Das Silberkästchen im archäologischen Museum zu Thessaloniki wurde 1966 bei der Anlage einer neuen Straße bei Nea Herakleia, zwanzig Meter vom Meer bei Chalkidiki, und somit nicht weit von Thessaloniki, gefunden.5 Die griechische Provenienz ist für kein anderes Beispiel eines traditio legis gesichert. Das berühmte, aus Istrien stammende, Pola­Kästchen ist sonst das östlichste Beispiel des Motivs. Das Kästchen in getriebenem Silber mißt 100 x 124 x 97 mm (T x B x H). Es ist nach dem Geschmack der theodosianischen Hofkunst gestaltet und 6 datiert sich somit um 390~410.6 Auf dem Deckel ist ein Chi­Rho dargestellt, flankiert von Alfa und Omega, das letztere in ihrer für die Spätantike typischen Minuskel form. Entlang der Deckelkante läuft auf allen vier Seiten eine einfache Weinranke. Die senkrechten Seiten des Kästchens sind regelmässig und schön komponiert. Vor der­ und Rückseite zeigen beide Dreiergruppen (traditio legis und Die drei Jünglinge im Feuerofen), die Kurzsei ten Einzelpersonen (Daniel in der Löwenkuhle, links. Gesetzesempfang Moses‘auf dem Berge Sinai, rechts). Die Vorderseite zeigt Christus zwischen Petrus und Paulus. Die junge Gestalt des Heilands mit ihrem großen Kopf und großen Händen ist in dynamischem Kontrap posto wiedergegeben. Körper und Schritt richten sich nach links, der Kopf nach rechts, dem erhobenen rechten Arm mit der erhobenen Hand zu. Christus trägt lange Tunika mit Pallium und ist langhaarig und bartlos. Die Bartlosigkeit findet sich sonst nicht bei traditio legis Darstellungen, die sonst der bei Entstehung des Motivs um 360­70 neuen Tendenz zu einem bärtigen Christus folgen. Der konstantinische Christus ist oft bartlos. In spät­ und nachkonstantinischer Zeit, allerdings, kommt der bärtige Christustypus immer öfter vor, besonders in den neu entstehender Bildthemen, wie christus magister und eben traditio legis.7 Vieles deutet daraufhin, daßder neue Christtypus den tradtionellen Philosophenporträts entsprungen ist, was in Verbindung Christus als magister ganz offenbar relevant ist. In dieser Funktion sieht man ihn sowohl auf Sarkophagen, wie z.B. auf dem großen 5. Ambrogio­Sarkophag in Mailand, in der Katakom benmalerei und in dem ältesten uns erhaltenem monu mentalen Apsismosaik in 5. Pudenziana in Rom aus der Zeit um 400. Es kann sich bei dem Bart aber auch um ein Götterattribut handeln, die die Christusdarstellung aus den heidnischen Darstellungen des Jupiter, Neptun oder Aeskulap entnimmt. Wo man in konstantinischer Zeit einen «apollinischen» Christus schuf, bevorzog die neue Zeit einen «jovischen ».8 Es gibt Beispiele einer Anwendung beiden Typen Seite an Seite. Im Baptisterium von Neapel, 5. Giovanni in Fonte (um 400), zeigt der Bilderzyklus im Kuppelmo saik, daß Christus in sämtlichen erhaltenen Teilen, in denen er seine Wunder vollbringt, bartlos ist, nur nicht in dem mit der traditio legis. Dies könnte man möglicher weise damit erklären, daßder Bilderzyklus aus verschie denen Vorlagen kompiliert sein könnte, die eine mit den Wundertaten konstantinisch, die andere mit der traditio legis neuer. Ein Argument hierfür läßt sich in 5. Sabina in Rom finden, dessen Zedernholztüren aus den Jahren um 440 gleichfalls zwei Christustypen aufweisen. Hier ist der Christus in den Wunderszenen bartlos, wie in Neapel, in den Passionsbildern aber bärtig. Da die Dars tellung der Passion ebenfalls erst der spätkonstantini schen Zeit entspringt, als der bärtige Christustypus vor dringt, könnte hier wie in Neapel von einer Kompilation aus älterer und neuerer ikonographischer Tradition die Rede sein. Allerdings gibt es in 5. Sabina eine in dieser wie in anderer Hinsicht problematische Szene, die einen bartlosen Christus, vor eimim Hintergrund mit Palmen, Fig. 1. Traditio legis. Vorderseite des thessalonikanischen Silbe rkästchens. Nach Panayotidi & Grabar 1975. zwischen zwei Männern zeigt. Das Bild ist u.a. als Emmaus­Szene und als atypische traditio legis interpre tiert worden9, was unmittelbar Wahrscheinlichkeit für sich hat, da es sich bei den beiden Männern unmiß verständlich um Petrus und Paulus handelt.‘° Das Argu ment der beiden Traditionen kann hier keine Anwen dung finden, da die Darstellung sowohl neu ist als auch einen bartlosen Christus zeigt. Man mußhier wohl eine andere Erklärung suchen, die sowohl Licht über S. Gio vanni in Fonte, S. Sabina und das thessalonikanische Kästchen werfen kann. Ein Thema für sich im Bezug auf die Abbildung Christi in der Kunst ist, welche Aspekte seiner vielfazet tierten Person und Bedeutung betont werden.“ Es ist sehr wahrscheinlich, daßder Unterschied zwischen der bärtigen und der bartlosen Christusfigur in einer bewuß ten Bedeutungsunterscheidung liegt. Jeremias beobach tet in Verbindung mit den Türen von S. Sabina, daß Christus während seines Erdenlebens vor der Passion bartlos ist, während der Passion und nach der Auferste hung bärtig, und wieder in seinem transformierten, verklärten Zustand, während der Himmelfahrt und in der oben besprochenen Szene, abermals bartlos ist, diesmal aber in einer anderen weise als in den Darstellungen als junger Mann. Nach Jeremias‘ Meinung, der ich mich anschließe, sind in den letztgenannten Darstellungen eines sich in einem überirdischen Zustand befindtlichem Christus von idealisierten Darstellungen die Rede, die die Bartlosigkeit als eines ihrer Kennzeichen hat.‘2 Die ser charakteristische Zug in der Ikonographie, der mit der des Christus des thessalonikanischen Kästchens übe reinstimmt, und sich in keinem anderen Beispiel eines traditio legis aufweisen läßt, könnte darauf hin deuten, daß 5. Sabina von einer ikonographischen Tradition beeinflußt ist, die sich wohl im östlichen Mittelmeer raum suchen läßt. Die Geste Christi ist ebenso wie seine Bartlosigkeit nicht der gewöhnlichen traditio legis­Geste gleich. Er hebt zwar die Hand bis zur Kopfeshöhe, die Handfläche ist aber nicht offen und nicht, wie in allen anderen Fäl len, entweder dem Beschauer oder dem Himmel zuge wandt. In diesem Falle zeigen Lang­ und Zeigefinger in einer Sprechgeste nach oben. Das deutet daruaf hin, daß Christus anscheinend entweder erklärt oder verkündet und assoziert somit zu den Darstellungen des Christus als magister, als Lehrer, wo die gleiche Geste angewandt wird, wenn auch aus sitzender Stellung und nicht so hoch gehoben. Die linke hält das zusammengerollte Ende eines offenen Rotulus, dessen anderes Ende zwi schen den vorgestreckten Armen Petri verschwindet. Dies ist nicht wesentlich anders als die sonst ange wandte llconographie. Christus steht nicht, im Gegensatz zu allen anderen bekannten Beispielen, auf oder über einem Hügel, Berg oder Felsen, von welchem meist vier Ströme hervorquel len (in einigen Fällen scheint es nur einer zu sein). Er steht auf fast gleichem Niveau wie die Apostelfürsten, barfüßig wie diese. Mit dem Sinn der theodosianischen Kunst für subtil dargestellte Hierarchie ist er so viel höher plaziert, daß es aussieht, als befinde er sich zugleich auf ihrer Höhe, und sei doch selber höher. Er macht das Zentrum der Komposition aus und zugleich ihre vertikale Mittelachse, wäs ebenfalls seine Sonder­ TRADITIO LEGIS? 7 Fig. 2. Traditio legis. Teil eines Marmorsarkophages. Arles, Musc~e lapidaire d‘art chrdtien. stellung betont. Eben das Fehlen eines sonst so schein bar zentralen Elements wie des Berges mit den Strömen ist beim thessalonikanischen Kästchen bemerkenswert. Es folgt daraus erstens, daßdieses Element nicht unbe dingt nötig ist, um die Bedeutung des traditio legis zu verstehen, zweitens, daß dieses Fehlen eine bewußte Auslassung ist, die auch eine Auslassung einer oder mehrerer bestimmter Bedeutungen ist. Das gleiche gilt für das Fehlen der sonst fast immer auftretenden Pal men, Lämmer und des Phönix. Viele Interpreten haben sich dem traditio legis mit Ausgangspunkt in diesen Ele menten genähert, was zu vielen und guten Resultaten geführt hat‘3 die Gefahr dabei ist aber, daßes eben der aus diesen Elementen bestehende Kontext ist, der inter pretiert wird, und daßdas Motiv selbst am Ende als eine Spiegelung des Kontextes verstanden wird. Das thessa lonikanische Kästchen zeigt, daßes möglich ist und war, die Dreiergruppe isoliert zu verstehen, ohne den typi schen ikonographischen kontextuellen Elementen. Die Hauptbotschaft ist in den drei Personen und ihren ver bundenen Handlungen zu finden. Der thessalonikani schen Darstellung nahe verwandt sind die auf dem soge nannten Quirico und Julitta­Reliquar in Ravenna und, etwas entfernter, auf dem Fragment eines Glastellers aus Porto in den Vatikanmuseen. — DAS GESCHEHEN An Christi rechter Seite sieht man Paulus, Christus zugewandt. Seine Rechte erhebt er in Sprechgeste oder 8 accla,natio, in seiner Linken hält er eine geschlossene Buchrolle. Links neben Christus befindet sich Petrus, ebenfalls ihm zugewandt, in leichter Kniebeuge und mit den Armen unter dem herabfiatternden Rotulusende aus Christi Hand ausgestreckt. Sein Pallium ist über beide Schultern gelegt und deckt die Arme bis zu den Händen, die frei sind. Über die rechte Schulter trägt er einen Kreuzstab, der in einer crux monogrammatica endet. Das Geschehen ist unmittelbar schwer ablesbar. Traditio legis gibt keine bekannte Stelle aus dem Neuen Testa ment oder aus den Apokryphen wieder, was in Verbin dung mit dem Neuen Testament einleuchtend ist, denn nirgends wird von einem gleichzeitigen Zusammensein Christi, Petri und Pauli gesprochen. Petrus ist mit Chris tus vor und nach dem Tode und der Auferstehung zusammen, während Paulus ihm erst nach der Himmel fahrt begegnet, und zwar in der Vision vor Damaskus, da er umgekehrt wird (Apg 9, 3­7) und als er in den dritten Himmel entrückt wird (2 Kor 12, 1­4). In den bekannten Apokryphen findet man ebenfalls keine Vorlage für das Motiv. Das Motiv ist daher allem Anschein nach bildli cher Ausdruck einer Idee, eine Allegorie, die sich aber in der einen oder anderen Weise auf eine oder mehrere Schriftstellen zurückverfolgen lassen muß, da die früh­ christliche Kunst immer ihren Ausgangspunkt in der kanonisierten oder apokryphen Literatur hat. Seinen Namen verdankt das Motiv denjenigen Inschriften, die man auf einigen Darstellungen auf dem offenen Rotulus in Christi linker Hand sieht, der unmit telbar als von Petrus aufgefangen oder angenommen verstanden werden könnte. Im neapolitanischen Baptis terium lautet die Inschrift DOMINUS LEGEM DAT.‘4 In 5. Costanza ist sie allem Anschein nach fehlerhaft res Fig.3. Traditio legis. Goldglas. Toledo, Ohio, The Toledo Museum ofArt (n°67.12). tauriert als DOMINUS PACEM DAT, von einem in einem Zirkel eingeschriebenen Chi­Rho gefolgt.‘5 Auf dem Fresko in der Katakombe «ad decimum» in Grotta ferrata und auf dem Goldglas in Toledo, Ohio, liest sich DOMINUS LEGE DAT, auf dem Fragment eines geschliffenen Glastellers im Vatikan LEX DOMINI.‘6 Den Namen einer Gesetzesübergabe verdankt das Motiv also den Wortstämmen lex und dare, die gleich sam zu einem nicht verwunderlichen, aber vorschnellen, Verständnis von dem Geschehen zwischen Christus und Petrus geführt hat. Seit Saint­Laurent 1858 die Bezeich nung für das Motiv schöpfte, und bis Schumacher 1959 Birts Einwende von 1907 referierte und unterstützte, war die Diskussion über traditio legis eindeutig von dieser interpretierenclen Bezeichnung dominiert.“7 Das Verb, dat, hat auch dazu verleitet, die darges tellte Handlung als eine Spiegelung des kaiserlichen lar gitio, der Überreichung einer Gabe oder eines Privile giums, zu sehen, die man von der öffentlich­offiziellen Kunst her kennt, namentlich vom Konstantinsbogen in Rom aus dem Jahre 315, und vom Theodosius­Misso rium in Madrid von 388.18 Was Birt gegen die Auffas sung einer Gesetzesübergabe vorbringen konnte war, daßerstens eine Gabe, insbesondere nicht eine einiger maßen bedeutungsvolle Gabe, nicht mit der linken Hand überreicht werden kann es wiederspricht der antiken ikonographischen Tradition.‘9 Zweitens ist es nicht möglich, eine Schriftrolle in offenem Zustand, das Ende lose flatternd, mit einer Hand zu überreichen. Birt sah — vielmehr eine Ikonographie der unterbrochenen Lektüre dargestellt. Oft wird dieser typische Bestandteil des anti ken Buchvortrags so gezeigt, daßder Leser sowohl den gelesenen und wieder aufgerollten Teil, als auch den noch nicht ausgerollten und gelesenen Teil in die linke Hand nimmt, so daßdie Stelle, an der er angelangt ist, wie ein Bogen zwischen den beiden convoluti herabhängt.2° Hiermit war die Rechte frei zu gestikulie ren. Eng verwandt mit den traditio legis­Darstellungen auf Sarkophagen ist eine kleine Gruppe von Sarkopha gen, die Christus mit dem Gemmenkreuz, auf dem Berge zwischen den Aposteln stehend, zeigt.2‘ Diese Sarkophage zeigen genau die hier beschriebene Weise, in welcher die kurze, rhetorisch begründete, Abbrechung eines Vortrags dargestellt wird. Die gleiche Ikonogra phie, aber in anderem Kontext, sieht man auf dem Pro bianus­Diptychon in Berlin (SMPK) von ca.400, und auf dem Junius­Bassus­Sarkophag von 359 im Vatikani schen Tessoro. Birt versteht somit Petrus nicht als einen, der den Rotulus entgegennimmt, sondern als einen, der sie als Helfer daran hindert, durch Berührung des Erdbo dens profaniert zu werden.22 Styger schließt sich dem an, und meint, dies bedeute auch Petri Teilnahme an der Offenbarung Christi.23 Styger legt außerdem darauf Wert, daß die Inschriften keinen spezifizierten Dativ geben, womit er meint eine Bestätigung dafür zu finden, daßnicht (nur) Petrus, sondern die ganze gläubige Men schheit, das Gesetz geoffenbart bekommen hat, wodurch Petrus nur zum Repräsentanten der Gemeinde wird.24 TRADITIO LEGIS? 9 Fig. 4. Traditio legis. Südliches Apsidiolemosaik in 5. Costanza, Rom. Foto des Verfassers. Ein wichtiges Argument gegen eine Auffassung des Geschehens als Übergabe oder Überreichung eines Gegenstandes (sei dieser auch noch so stellvertretend oder symbolisch), ebenfalls von Styger angeführt, findet sich auf dem Concordius­Sarkophag in Arles, der dem letzten Viertel des 4.Jahrh. angehört und somit gleich zeitig wie der größte Teil der traditio legis­Sarkophage ist.25 Der Sarkophag stellt Christus als magister zwi schen seinen Aposteln und (namentlich gekennzeichne ten) Evangelisten dar. Er sitzt zwischen ihnen mit einem aufgeschlagenen Codex im Schoß, von dem er aufblickt und, mit der rechten Hand in Sprechgeste erhoben, erläutert. Das Codex trägt eine Inschrift, die Christus selbst zugewandt ist, die also so zu verstehen ist, daß Christus und nicht wir Leser des Codex ist. Die Inschrift lautet DOMINUS LEGEM DAT und weißt damit einen engen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den zwei verschiedenen ikonographischen Programmen, christus magister und traditio legis, auf. Die Inschrift und damit auch die Handlung ist somit nicht als Überreichung zu verstehen, sondern als Unterweisung, Verkündung oder Erklärung, wobei die Inschrift in der juristisch gehalte nen Sprache von einer Handlung der Gesetzgebung spricht, die eben nicht in einer faktischen Gabe, sondern in einer Erlassung gegeben wird. Statt «Gesetzesüber gabe» müßte das Motiv also eigentlich «Gesetzeserlas sung» oder, weil im christlichen Zusammenhang, besser noch «Gesetzesverkündung» heißen. Eine Ende der 1970er in der Catacomba superiore di 5. Gennaro in Neapel entdeckte Darstellung im Cubiculum A47, wahr­ 10 scheinlich von Anfang 6.Jahrh., bestätigt diese Auffas sung der Inschrift. Christus ist thronend auf einer Sphä renkugel dargestellt, von den inschriftlich identifizierten Apostelfyrsten flankiert, die beide demütig, mit der offe nen Handfläche vor der Brust, den Worten des Herrn lauschen. Dieser macht mit der Rechten Sprechgeste, während er mit der Linken eine offene Buchrolle hält, die sich über sein Schoßausbreitet. Auf dem Schriftband liest sich hier wieder: DOMINUS LEGEM DAT, und wie in Arles stehen hier die Buchstaben für den Be schauer auf dem Kopf, für Christus selbst aber lesbar.26 Die Interpretation der Handlung bei W. N. Schuma cher, dessen zwei Artikel in der Römischen Quartals­ schrift 1959 der Debatte über die Bedeutung des Motivs schub verlieh, ist in diesen beiden Hinsichten mit denen von Birt und Styger einig.27 Im Anschlußan Birt, der die römische ikonographische Tradition als Hauptquelle für das Verständnis der spätantiken Monumente verwen dete, macht auch Schumacher geltend, daßdas traditio legis­Motiv auf einer allgemeinen offiziellen Ikonogra phie baut, und zwar insbesondere der kaiserlichen. Der Vergleich mit den wenigen uns überlieferten Beispielen einer vergleichbaren Ikonographie gibt scheinbar ein deutig zu erkennen, daß es sich im Verständnis des 4.Jahrhunderts unmöglich um eine Überreichung han deln könnte, sondern notwendigerweise um eine Verkündung. Bei den schon genannten Beispielen einer offiziellen Überreichung oder Gabenverleihung ist der Geber, in der offiziellen Ikonographie meist der Kaiser, immer sitzend dargestellt (z.B. largitio des Konstantins bogens oder Missorium des Theodosius). Traditio legis zeigt aber den Geber, der damit kein Geber sein kann, stehend. Bei den hier sonst nicht zu behandelnden raven natischen Darstellungen mit der Überreichung einer Buchrolle an Paulus, ist aber bezeichnenderweise Chris tus sitzend dargestellt weil er hier ein Geber ist. Bei einem anderen Motiv der offiziellen Ikonogra phie, dem adlocutio, der feierlichen Ansprache einer Versammlung (z.B. dem des Heerführers bei einem Felt zug, wie er auf der Marcus Aurelius­Säule in Rom zu sehen ist), findet Schumacher aber eben den stehenden mit erhobenem, ausgestrecktem Arm und offener Hand fläche, mit der Christus auf fast allen traditio legis­Bei spielen gekennzeichnet ist.28 Es spricht also auch dieser Vergleich mit der allgemein­römischen Bildtradition für eine Auffassung des Geschehens als Verkündigung, nicht als Übergabe.29 — WELCHE LEX? Unumgänglich ist in Bezug auf die Interpretation des traditio legis die Frage danach, um welches Gesetz es sich denn eigentlich bei dem LEX DOMINI handelt. Lex gehört nicht Überraschenderweise zu den ungemein häufig vorkommenden Begriffen in der Bibel, und zwar nicht nur im Alten, sondern auch im Neuen Testament. Ebenso häufig findet man es bei den lateinischen Kir chenvätern. Meist wird es als alttestamentliches Gesetz Mose verstanden, und zwar im Gegensatz zum Evange lium. Es gibt auch eine große Menge Stellen, an der von einem anderem oder neuem Gesetz die Rede ist. In Hebr 8, 8­10 zitiert Paulus den Propheten Jere mias (Jer 31, 31­34) wegen der Verheißung des neuen Bundes: Seht, es werden Tage kommen spricht der Herr in denen ich mit dem Haus Israel und dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde, nicht wie der Bund war, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe [...j. Das wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe spricht der Herr: Ich lege meine Gesetze in ihr Inneres hinein und schreibe sie ihnen in ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein.» Es ist diese Prophezeihung, die für Paulus und die Evangelisten mit Christus in Erfüllung gegangen ist. Bei Johannes (1, 17) heißt es beispiels weise über das Gesetz Mose und seinem Nachfolger: «Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus.» Paulus ist derjenige, der am oftesten über die bei den Gesetze spricht, die er das Gesetz und Christi «... — ­‚ Auch die verhüllten Hände und die Kniebeuge Petri sind nicht ausschließlich in Darstellungen einer ehr furchtsvollen Entgegennahme oder Darbringung von etwas nicht zu profanierendem zu verstehen. Sie kann auch als Ausdruck der Ehrerbietung und Ehrfurcht an sich gelten, wie z.B. die Szene aus den Langhausmosai ken von S. Maria Maggiore in Rom zeigt, wo Joshua vor Jericho den Engel trifft (Fig. 5)~30 Schumacher zufolge müssen die zugedeckten Hände als Gegenstück zur accla,natio des Paulus gesehen werden31, die man auch als aufmerksames Lauschen und bereitwilliges Befolgen eines Befehls verstehen kann, wie der Vergleich mit einer anderen Szene in 5. Maria Maggiore, wo Moses der Verheißung von Manna­Regen lauscht, zeigt. 32 — Fig. 5. Joshua trifft den Engel vor Jericho. Mosaik im Langhaus von S. Maria Maggiore, Rom. Nach H. Karpp (Hrsg.), Die frühchristlichen Mosaiken in S. Maria Maggiore zu Rom, Baden­Baden, 1966. TRADITIO LEGIS? 11 Gesetz, oder das Gesetz und die Gnade, oder das frühere Gebot und das Neue Gebot nennt: «Den Juden bin ich ein Jude geworden, um Juden zu gewinnen; denen, die unter dem Gesetz stehen, bin ich, obgleich ich nicht unter dem Gesetz stehe, einer unter dem Gesetz gewor den, um die zu gewinnen, die unter dem Gesetz stehen. Den Gesetzlosen war ich so zu sagen ein Gesetzlosen nicht als ein Gesetzloser vor Gott, sondern gebunden an das Gesetz Christi um die Gesetzlosen zu gewin nen.» (1 Kor 9, 20­21). Das Gesetz Christi ist somit dem Gesetze Gottes gleich, auch wenn es nicht das Gesetz ist, welches das Gesetz Mose ist. «Jetzt aber sind wir frei geworden von dem Gesetz, an das wir gebunden waren, wir sind tod für das Gesetz und dienen in der neuen Wirklichkeit des Geistes, nicht mehr in der alten des Buchstabens.» (Röm 7, 6). Es gibt in diesen Paulus Zitaten ein ausgeprägtes Bewußtsein darüber, daß das Gesetz Mose mit Christus durch einen neuen Bund, einer neuen Hoffnung, eines neuen Testaments, oder eines neuen Gebotes, das man Gnade, Geist, Wahrheit, Evan gelium oder Gesetz Christi nennen könnte, ersetzt wor den ist. Dies Gesetz Christi steht aber nicht im Gegensatz zu dem alten Gesetz. Christus selbst erklärt in der Berg­ predigt: «Denkt nicht, daßich gekommen sei, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. [...j Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist. Wer aber nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmel reich.» (Mt 5, 17­19). Christus ersetz somit nicht etwas Altes mit etwas Neuem, sondern gibt dem Altem etwas Neues, womit er es vervollkonminet und aus dem Altem etwas Neues macht. Es gibt keinen Gegensatz zwischen dem Gesetz, das durch Moses gegeben wurde, und der Verkündung durch Christus. Das neue Gesetz ist eine verklärte Verkündung des gleichen Inhalts wie in der alten Offenbarung des Willen Gottes. Das neue Gesetz ist verkündet in der Lehre Christi, und diese findet man im Evangelium: «Wer meine Gebote hat, und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von mei nem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren. » (Joh 14, 21). Viele verschieden Schriftstellen sind in der Litera tur für die Verständnis der lex in der Zeit bis etwa 400 zitiert worden.33 Aus diesen geht hervor, daß, wie Pau lus, auch die Kirchenväter das Gesetz Christi als dem Evangelium gleich verstanden. Sehr deutlich ist dies bei Tertullianus, der schreibt: Lex proprie nostra, id est Evangelium.34 In der christlichen Heilsgeschichte, die schon vor der Erschaffung der Welt festgelegt war35, hat jedes Zeit alter sein Gesetz.36 In der Zeit ante legem, d.h. vor Moses, galt die ursprüngliche Ordnung, das antike Naturgesetz, das Gott am Anfang der Zeit so festgelegt hatte. Mit Moses bekam das Gottesvolk ein geschrie benes Gesetz, das erste Gleid einer Reihe von Offenba — ­‚ 12 rungen, die gewissermaßen die Schranken zwischen den Zeitaltem der Heilsgeschichte ausmachen. Die Zeit sub lege wurde mit Christus durch das Zeitalter sub gratia abgelößt. Wie aber aus den ober zitierten Stücken der Bergpredigt und der Verheißung des Heiligen Geistes hervorgeht, ist diese Zeit eben nicht ohne Gesetz. Die Heilsgeschichte ist in sofern kummulativ, daßsie eine Anhäufung von Offenbarungen des Willen Gottes sind, jede dem jeweiligen Stand der Menschheit angepasst, und doch sich ständig in Richtung einer Vervollkomm nung dieser nach dem Willen Gottes bewegend. Wenn Christus davon spricht, daßer das Gesetz vervollkomm net, bedeutet dies auch, daßer das Gesetz (Mose) erklärt oder seine tiefere Bedeutung offenbart. Da Christus nach dem Johannes­Evangelium und nach den Nizäani schen und Nizäa­Konstantinopolitanischen Glaubensbe kenntnissen von 325 und 381 mit Gottvater wesens gleich ist, Teil des dreifaltigen Gottes, ist er auch der gleiche Gott, der Moses auf dem Sinai die Gesetzesta feln gab, und auch der gleiche, der die ursprüngliche Weltordnung nach dem ursprünglichen Gesetz schuf, weil er als präexistenter Gott auch der Erschaffer der Welt war. Seine Wahl einer Offenbarung vor den Men schen in der Inkarnation geschah, um das neue Zeitalter sub gratia, das Zeitalter der Gnade, einzuleiten. Chris tus­Gott gab im Erdenleben seinem Willen deutlicheren Ausdruck, durch sein Beispiel mehr denn durch ein Gebot. Dieser Willen war natürlich nicht als Gegensatz zu dem von ihm selbst offenbartem Gesetz von Sinai zu verstehen, sondern erklärte dieses und eröffnete damit den Weg über den Buchstaben hinaus zur Wahrheit und zur Gnade. Dies neue Gesetz, das Paulus das Gesetz Christi nennt, ersetzt somit das Gesetz Mose als neue Offenbarung des göttlichen Willens, was auch auf das alte Gesetz zurückwirkt, das nicht länger nach dem Buchstaben verstanden werden muß, sondern nach der Lehre Christi. Deshalb kann Paulus sagen: «Jetzt aber sind wir frei geworden von dem Gesetz, an das wir gebunden waren, wir sind tot für das Gesetz und dienen in der neuen Wirklichkeit des Geistes, nicht mehr in der alten des Buchstabens. » (Röm 7, 6). In diesem Verhält nis zwischen dem alten und dem neuen Bund liegt das Argument für die Beibehaltung der alttestamentlichen Schriften als kanonisch, weil man in diesen die früheren Offenbarungen des göttlichen Willens findet, wie sie im Laufe der Heilsgeschichte ihren Niederschlag fanden. Damit erklärt sich auch die große Veneration für Moses bei den Kirchenvätern, auch wenn sein Gesetz seine Aktualität eingebüßt hat. ° Bischof Ambrosius von Milano, der während der Blüte des traditio legis zwischen 380/90 und 400/10 sein Wirken hatte, spricht ungeheuer oft über das Gesetz, sowohl das Alte wie das Neue. Ambrosius sieht das Alte Testament als ganzes als eine verschleierte Offenbarung des Willen Gottes, die sich im Lichte des Neuen Testa ments verstehen läßt. Er sieht lex domini als Gesetz Christi, und meint, Christus selbst sei das lex do,nini, weil er als das inkarnierte Wort Gottes der offenbarte Willen Gottes ist.38 Ambr~sius erklärt weiter die Worte Pauli: «Christus ist das Ende des Gesetzes» (Röm 10, 4) so, daßChristus die Erfüllung des Gesetzes ist, und das der Gläubige unter dem Gesetz leben muß, bis er zu Christus gelangt.39 Er hebt auch hervor, daßChritus das alte Gesetz gab, ebenso wie er das Neue im Evangelium gegeben hat, und das es erst durch das neue Gesetz möglich wurde, das Alte zu verstehen.40 Und er betont, wie u.a. auch Tertullianus, daßdas Gesetz für ihn das Evangelium ist, das Christus gab, und das es dieses Gesetz ist, und nicht das Gesetz Moses und der Prophe ten, das Ambrosius als dasjenige anerkennt, das ihm zu folgen gegeben ist: Quoniam tu legem posuisti mihi, Non per Moysen, non per Prophetas, sed ipse per Te, Jesu, legein posuisti mihi, hoc est Evangelium.41 Dies Gesetz ist in diesem Verständnis das Gesetz der Gnade, wie auch Augustinus schreibt: iubet per legem, dat per gratiam.42 Darstellung des Jüngsten Tags? Ein Kommen Christi leitet nämlich nicht nur das Zeitalter der Gnade ein, son dern auch das folgende und letzte heilsgeschichtlichen Zeitalter. Unmittelbar verleitet eine Betrachtung der uns überlieferten Darstellungen zu einer Auffasung der Szene als apokalyptisch, weil in vielen Beispielen apo kalyptische Elemente vorhanden sind, worauf ich in der Behandlung von 5. Costanza näher eingehen werde. Die Szene kann aber auch, meine ich, weniger auf ein spezi fisches Ereignis hinweisen als eine eher ahistorische und symbolische Darstellung des Zustands sein, der unter dem Gesetz der Gnade herrscht. Beim Eintreten in die christliche Gemeinde durch die Taufe wird das Gesetz und Gebot des Herrn den Neophyten eingeprägt. Als Teil des Gottesvolkes müs sen sie das Gesetz Gottes kennen. Diese Belehrung des Gesetzes bei der Taufe haben einige Gelehrte als Argu ment dafür gesehen, daßtraditio legis in Wirklichkeit eine Abspiegelung der Taufzeremonie traditio symboli sei.43 Eine solche Verbindung scheint mir bedenklich, weil sie auf der Assoziation zwischen einer alten Bezeichnung für ein Ritual und einer neuen Bezeich nung (Anno 1858) für ein Motiv baut, und mußdeshalb mit Vorsicht betrachtet werden. Immerhin ist aber bei der Taufe von einer ganz besonderen Relevanz des lex domini die Rede, da die Taufe als das Ereignis angese hen wird, bei dem das Gesetz in den Herzen der Men schen eingeschrieben wird (vgl. Jer 31, 33). Bei Gregor von Nazianz heißt es so zum Beispiel, daßder Neophyte bei der Taufe die neuen Gebote in seinem Herzen entge gennimmt, wie Moses die auf den Tafeln entgegen­ nahm.“ Augustin meint gleichlautend, daßbei der Tauf weihe ein automatisches Einschreiben des Gesetzes in die Herzen geschieht.45 Als Quelle für das Verständnis der zentralen Dreier­ gruppe des traditio legis hat Berger die Beschreibung des Paulus Silentiarius vom dem Altarvorhang in der justinianischen Hagia Sophia in Konstantinopel einbe zogen. Wenn auch diese Quelle etwas mehr als 100 Jahre jünger als das thessalonikanische Kästchen ist, scheinen mir die Aussagen von so allgemeinem Wert, daßman sie schon zur Beleuchtung eines zeitgleichen Verständnis­ sen der Ikonographie eines dem traditio legis offenbar nahe verwandtem Motivs anführen kann: « [...] Die Fin ger der Rechten/Hebt er empor, als verkünd‘ er das Wort der evigen Wahrheit./In der Linken das Buch, das da zeugt von den göttlichen Reden,/Jenes Buch, das berich tet, was nach dem rettenden Ratschluß/Ward von dem Herren vollbracht, so lang‘er auf Erden gewandelt./[. .1 Ihm zur Seite erblickst du die beiden Herolde des Her ren,/Paulus, den Mann, erfüllet von jeglicher göttlichen Weisheit,/Und den gewaltigen Hüter der Schlüssel der himmlischen Pforten,/Der, wie hienieden, dort oben zu binden und lösen die Macht hat/Jener trägt das Buch mit den reinen Sprüchen der Wahrheit,/Dieser auf golde nem Stabe das Zeichen des heiligen Kreuzes. ~~~j»“ Wenn neutestamentliche Personen, in diesem Falle Petrus und Paulus, somit in einer Handlung um die lex domini versammelt sind, so ist dies Gesetz das Gesetz Christi. Und dieses ist also die neue Offenbarung des Willen Gottes durch Christus, diejenigen Gebote, deren Überhaltung den Menschen die Liebe Christi und Gottes sichern, und damit auch das Heil. Da dominus legem dat, wie oben dargelegt, nicht bedeuten kann, daß eine eigentliche Überreichung stattfindet, aber in juridischen Bedeutung Gesetzgebung heißt, so mußdie Handlung im traditio legis in der Verkündung des Gesetzes Christi bestehen, d.h. die Verkündung oder Offenbarung des Willen Gottes mit den Menschen durch Christus. Es gibt noch ein Problem: Wann findet diese Gesetzgebung statt? Es ist offenbar von einem Zeit punkt nach der Auferstehung die Rede. Ist es aber die Belehrung der Apostel durch Christus während den Besuchen bei ihnen, die man sieht, oder ist es eher eine Hier scheint die Gruppe auf unserem Kästchen in den Hauptzügen beschrieben und erklärt. Was fehlt ist die offene Buchrolle und ihr Auffangen durch Petrus.47 Diese Züge lassen sich wohl aus der grundlegenden Komposition des Motivs erklären. Christus, der zwi schen Petrus und Paulus steht, verkündet mit seiner erhobenen rechten Hand die Worte der ewigen Wahrheit, die scheinbar auch Inhalt des Buches sind, das er in der Linken hält. Das Buch ist der Bericht über die Taten des Herrn auf der Erde, also das Evangelium. Christus ist somit Verkünder des Evangeliums oder der Wahrheit im und hinter dem Evangelium. Petrus und Paulus sind seine Herolde, und stehen ihm bei Seite. Sie vermitteln also seine Botschaft weiter an die Untertanen Christi, posaunieren es in die Welt. DIE APOSTELFÜRSTEN . Die beiden großen Apostel werden mit ihren jewei ligen Attributen beschrieben uhd dargestellt. Paulus ist TRADITIO LEGIS? 13 der göttlich Weise (durch seine geschlossene Buchrolle so ausgezeichnet), Petrus der mächtige Schlüsselhüter mit dem Kreuz über der Schulter. Die Funktionen der Apostel im Verhältnis zu Christus und Christi Verkün dung ist damit auch beschrieben. Paulus muß als der Interpret, Petrus als der Verwalter der Offenbarung, deren Herolde sie sind, verstanden werden. Weiter ist Petrus der Nachfolger Christi, da das Kreuz teils als Hinweis auf seinen eigenen Kreuztod zu verstehen ist, aber auch als Hinweis auf die Worte Christi: «Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach» (Mk 8, 34 & Mt 16, 24, sehr ähnlich Lk 9, 23, vgl. Lk 14, 27 u. auch Mt 10, 38). Petrus nimmt in dem traditio legis eine aktivere Rolle ein als die des Paulus, und gleichzeitig ist er in unmittelbarerem Kontakt mit ihm. Die aktive Rolle, meine ich, läßt Petrus als den dienenden Apostel darste hen, was eine Verbindung mit der evangelischen Hervor­ hebung seiner Person und seiner Führerposition im Verhältnis zu den Jüngern und später zu den Aposteln hat. Christus spricht dreimal zu seinen Jüngern über ihre Bestimmung zu Dienern, in dem er die Würde des Dieners hervorhebt. «Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.» (Mk 9, 35, vgl. auch Mk 10, 43­45, ähnlich Lk 22, 26). Petrus ist eben der Führer der Apostel, weil er bei der Übertragung der Schlüssel zum Himmelreich der Leiter und Grund­ felsen der Gemeinde wird, wie es bei der Stelle, die vor allem seine vorrangige Stellung begründet, heißt: « Ich aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.» (Mt 16, 18­19). Diese Schriftstelle folgt unmittelbar nach der Erkenntnis Petri, daßJesus Christus sei, der Sohn Gottes, und unmittelbar vor dem oben angeführten Zitat vom Kreuz. Der Petrus, der als Fundament der Kirche dienen soll, erhält seine Macht als Führer, weil er dient und sein Kreuz aufnimmt und Christus nachfolgt. Sein Auffangen und Unterstützen der Buchrolle und des geoffenbarten Wortes, werden im traditio legis­Motiv durch seine ikonographische Merk male die Taten des Dieners, in dem er als Nachfolger Christi und als Grundfelsen der Kirche das geoffenbarte Wort, iex domini, stützt und bewahrt. Man könnte ein wenden, was denn der Unterschied dazwischen sei, ob Petrus die Buchrolle nun empfing oder nur stützend auf fing, da er ja als Apostelführer und Leiter der christli chen Gemeinde ohnehin Repräsentant der Kirche und der Gläubigen sein würde. Ein Großteil der Aussage ist ohne Zweifel gleich. Allerdings ist eine Präzisierung wünschenswert, da eine Auffassung der Handlung als eigentliches Auffangen sehr leicht zu den vorschnellen Vorstellungen einer direkten Kopierung der kaiserlichen zeremonialen Ikonographie und zu einer falsch verstan denen Inszenierung der Einstiftung des Primates Petri in 14 kaiserlichen Formen führt, wie dies nicht selten bei der Behandlung des Motivs in der Literatur geschehen ist. Hiermit verlagert sich der Schwerpunkt auf das anschei nende Verhältnis zur kaiserlichen Ikonographie, und die damit verbundene Terminologie verleitet zu Fehlein schätzungen und zur Einseitigkeit. DAS PRIMAT PETRI Die Diskussion darüber, ob traditio legis als Dar stellung einer Einstiftung des Primates Petri zu verste hen sei, nimmt einen großen Teil der Literatur über das Motiv ein. Die Diskussion dreht sich auch darum, ob die christliche Kunst des 4.Jahrhunderts als politisch gewer tet werden kann oder nicht. Die sehr einflußreichen christlichen (was vielleicht nicht ganz ohne Bedeutung ist: katholischen) Archäologen der Jahrzehnte um die Jahrhundertwende, Garrucci, De Rossi und Wilpert haben sich für ein Verständnis des Motivs als Markie rung der Sonderstellung Petri ausgesprochen.48 Ihnen sind später Kollwitz, Wessel, Davis­Weyer, Congar, Giu liani und Franke gefolgt.49 Die Idee des Primates Petri, die sich schon in den Evangelien zeigt, wo er als Apostelführer und später als Leiter der Urgemeinde in Jerusalem (Gal 1, 18ff.) beschrieben wird, wird von der römischen Kirche in der Spätantike und im Mittelalter dazu ausgenutzt, eine Dominanz auf Gebieten der Dogmatik und des Kirchen­ rechts zu begründen. Das Primat des römischen Bischofs wird aus der angeblichen Einsetzung Clemens‘ durch Petrus, als dieser einen Nachfolger als Leiter der Gemeinde Roms suchte, abgeleitet. Petrus reicht die Aufgabe, das er selbst von Christus anvertraut worden ist, an einen von ihm selbst ausgewählten weiter, der danach stellvertretend Christi Nachfolger wird. So heißt es in der Papstchronik Liber Pontificalis, im Text über Clemens, der zwar aus dem 6. oder 7.Jahrhundert stammt, aber auf einer ältern Tradition baut50: Hic ex praecepto beati Petri suscepit ecclesia pontificatum gubernandi, sicut eifuerat a Domino Jesu Christo cathe dra tradita vel commissa; tamen in epistola quae ad Jacobum scripta est, qualiter ei a beato Petro comissa est ecclesia repperies.51 Rom lag im 4.Jahrhundert, und besonders in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, im Wettstreit mit den anderen Patriarchaten der Christenheit, Antiochia, Alexandria und Konstantinopel. Schwere dogmatische Streitigkeiten hatten seit der offiziellen Anerkennung der Kirche durch Konstantin dem Großen dem Verlan gen nach Zentralisierung der dogmatischen Beschlüsse Nachdruck verliehen. Die Einheit der Kirche und des Gottesvolkes war eine Illusion, und damit war auch das Christentum als solches bedroht. Obwohl Anklänge eines Machtstrebens der römischen Bischöfe sich schon im 3 .Jahrhundert bemerkbar machen, ist es erst nach der Ablösung des konstantinischen Kaiserhauses, daßRom sein Primat über die anderen Patriarchate vor allem zu promovieren beginnt.52 In der Argumentation werden vor allem die Anwesenheit und Martyrien von Petrus und Paulus in Rom angeführt, aber auch die von zahlrei chen anderen Heiligen. Pabst Damasus verfaßt in diesem Zusammenhang eine Reihe von Gedächtnisversen, die an den angeblichen Gräbern oder Memorien über die Märtyrer angebracht wurden. Bei dem Memorium für Petrus und Paulus bei 5. Sebastiano f.l.m., damals basi lica apostolorum, werden die Apostelfyrsten als römische Bürger bezeichnet, die sich durch ihr Marty rium in der Stadt diesen Status erworben hatten. Die Hauptapostel sind für Rom in Anspruch genommen und damit auch für die Rechtglaübigkeit der von ihnen einst gestifteten römischen Gemeinde: Hic habitasse prius sanctos cognoscere debes/No,nina quisque Petri pariter Paulique requiris/Discipulos oriens misit quod sponte fatemur/Sanguinis ob ineritum Christumque per astra secuti/Aetherios petiere Sinus regnaque piorum/Roma suos potius ineruit defendere cives/Haec Damasus ves tras referat nova sidera laudes.53 Während des Pontifikats Damasus‘ verkündet der Kaiser Theodosius der Große am 28.Februar 380 das Orthodoxie­Dekret, das der Spaltung der Kirche abhel fen soll. Hierin wird hervorgehoben, daßalle an dem Glauben, den Petrus an die Römer gab, und der jetzt von den Bischöfen Damasus von Rom und Peter von Alexan dria verfochten wurde, glauben sollten.54 Ein wirkliches Primat im westlichen Teil des Reiches gibt es aber erst unter Siricius, dem Nachfolger des Damasus, der unter Anrufung der römischen apostolischen Tradition Dekrete erstellen kann, die im ganzen Westen Gültigkeit haben. Der Nachfolger Siricius‘ kann sogar ein römisches Vikariat in Thessalonki einrichten, um in die ser östlichsten der westlichen Kirchenprovinzen die Überhaltung der Orthodoxie nach römischem Muster zu überwachen.55 Der Zeitpunkt der Erreichung einer römi schen Primatsstellung paßt also gut mit dem der Entste hung und Ausbreitung des traditio legis zusammen, was ein Argument für eine glaubenspolitische Absicht mit dem Motiv sein kann, aber ganz unabhängig von einer Überreichnung einer Gesetzes­Buchrolle. Der Kontext, in dem das Motiv auftritt, scheint mir allerdings nicht eine politische Steuerung wahrscheinlich zu machen, da die meisten Beispiele ganz privaten Charakters sind, und nicht der offiziellen oder öffentlichen kirchlichen Kunst angehören. Obwohl die römischen Bischöfe Petrus und Paulus als Wahrheitszeugen für den kirchlichen Status und den Primat der römischen Kirche angeführt werden, ist meiner Ansicht nach damit nicht die wesentliche Bedeutung des Motivs getroffen. Diese scheint mir viel mehr in dem Glaubensbekenntnis zu liegen, die das Motiv ausdrückt und die für den privaten Christen, im Blick auf die Evigkeit, vielmehr denn auf die aktuelle Situation, in dieser Hinsicht von weit größerer Bedeu tung gewesen sein muß. KAISER UND CHRISTUS Es ist in diesem Jahrhundert viel über das nahe Verhältnis zwischen Kaiserikonographie und Christus­ darstellung geschrieben worden, und zwar oft so, daß man den Eindruck bekommen könnte, die Kirche hätte in der Wahl ihrer Ikonographie sich so nah wie möglich an die Kaiserikongraphie angelehnt, quasi um die Auto rität und Göttlichkeit des Kaisers auf Christus zu überführen.56 Teil dieser Annahme läßt sich daraus her leiten, daßdie Forschung sich sehr stark auf die Person Konstantins des Großen bezogen hat, auf seine Großzü gigen Stiftungen für die Kirche, und auf seinem Theolo gen Eusebius von Caesarea, der mehrmals Parallelen zwischen dem Kaiser und Christus (und zwichen dem Kaiser und Paulus) beschreibt. Es ist jedoch nicht nach gewiesen, nicht einmal meines Erachtens wahrschein lich, daßeine solch nahe Verbindung von Kaiser und Christus als allgemeines Phänomen in der Kirche des 4.Jahrhunderts vorhanden gewesen ist. Konstantins Verhältnis zur Kirche, und Eusebius‘ Auslegung dieses Verhältnisses, ist ein Sonderfall. Nach dem Tode Kon stantins sieht das Verhältnis zwischen besonders der römischen Kirche und dem Kaiser ganz anders aus, oft eher als Gegensatz und als Kampf zwischen Orthodoxie und Arianismus. Eusebius vertritt keineswegs die vorherrschende Meinung in der Kirche, erst recht nicht die in der Orthodoxen. Es ist zwar offenbar, daßChristus in Darstellungen von der zweiten Hälfte des 4.Jahrhunderts und bis ins Hohe Mittelalter als Herrscher mit dazu passender Klei dung und Umgebung gezeigt wird, genau wie auch die Apostel in der Ikonographie und in den offiziellen Dokumenten der römischen Kirche mit Insignien und Titulaturen versehen sind, die dem zivilen offiziellen Sprachgebrauch entnommen sind.57 Nur sind diese nicht als spezifisch kaiserlich zu verstehen, sondern eben als herrscherlich. Man mußdaher vorsichtig damit sein, in einer solchen herrscherlichen christlichen Kunst ein politisches Zeichen zu sehen, oder davon auszugehen, daßsich die christliche Kunst aus Legitimazionsgründen der kaiserlichen anglich. Dies scheint mir zu geschehen, wenn Schumacher dafür argumentiert, unser Motif sei besonders relevant in der Peterskirche, wo er wie viele andere eine Darstellung vermutet, und in 5. Costanza, weil beide kaiserliche Gründungen des konstantinischen Hauses waren: «Die Ausdrucksformen der imperial höfischen Kunst standen also beiden [Apsidenaus schmückungen dieser Kirchen] gleichermaßen zur Verfügung. » 58 Die Darstellung Christi als Herrscher hat meines Erachtens nichts mit dem Kaiser zu tun, sondern mit christlichen Auffassung Christi als des höchsten Herrn, sowohl hier als auch im Jenseits, dessen Volk die Gemeinde ist. Christus selbst spricht vor Pilatus: «Du sagst es, ich bin ein König» (Joh 18, 37), aber: «Mein Königtum ist nicht von dieser Welt» (Joh 18, 36). Chris tus ist nicht auf die Konkurrenz mit dem Kaiser verwie sen, denn er ist über dem Irdischen erhaben und braucht TRADITIO LEGIS? 15 keine äußeren Zeichen seiner Autorität um sich zu legitimieren. Er herscht im Jenseits und im Kommenden, sein Reich auf Erden ist die Kirche, sein Volk ist das Volk Gottes und sein Sieg wird bei seiner Wiederkehr kommen. Der herrschende Christus in der Apsis der 5. Puden ziana, z.B., ist der himmlische Herrscher in seinem Reich, mit den Aposteln an der Seite, wie es ihnen verhießen worden ist: «Wenn die Welt neu geschaffen wird, und der Menschensohn sich auf den Thron der Herrlichkeit setzt, werdet ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.» (Mt 19, 28). Daßdie Apostel um Chris tus sitzen und nicht, wie das kaiserliche Hofzeremoniel bot, stehen, ist ein Zeichen dafür, daß dies Reich ein anderes ist die Ikonographie liegt dichter an der Philo sophenversammlung als an dem Hofzeremoniel, und läßt sich Motivhistorisch bis in die ältere Katakombenmalerei verfolgen.59 Christus ist Herrscher und Lehrer in einem. — Die früher erwähnte gewollte Parallele zu einer Kaiserlichen largitio zeigt sich im Bezug auf das traditio legis als unhaltbares Argument, nicht nur für Deutung der Handlung als Überreichung, sondern auch für eine Herleitung aus der Kaiserikonographie. Der Sarkophag Lat.174 galt lange als einer der wichtigsten Zeugen für die Entwicklung des traditio legis aus der Kaiserikono graphie, weil hier ein sitzender Christus die offene Buchrolle hält, und damit die Nähe zum kaiserlichen Zeremoniel bemerkenswerter erscheint. Die Geschichte des traditio legis würde somit in dem Typus einer Dreiergruppe, wie man sie auf dem Junius Bassus­Sar kophag sieht, ihren Ausgangspunkt nehmen, dann über eine Übergangsphase, die einzig durch den Lat.174 belegt sei, sich zum traditio legis umformen. Nun ist aber der Lat.174 problematisch. Davis­Weyer hat wahr scheinlich gemacht, daßer eine Kompilation aus Ele menten des Junius­Bassus­Typs und des traditio legis Typs sein könnte60, und Wessel meint sogar nach genauer technischer und ikonographischer Untersu chung nachweisen zu können, daßdieser Sarkophag, der seit dem frühen 17.Jahrhundert dokumentiert ist und somit provenienzmässig unproblematisch erscheint, ein pseudo­altchristlicher Sarkophag ist, um 1600 herge stellt und möglicherweise mit Originalfragmenten als Vorbild für Teile seiner Ikonographie, während eben der Junius­Bassus­Sarkophag, der 1595 gefunden wurde, für den Rest der Rekonstruktion die wichtigste Inspira tion gab.6‘ Hiermit ist noch ein Argument für die Verbin dung zwischen der kaiserlichen Ikonographie, besonders der largitio, sehr verunsichert worden. Auch wenn man in dem traditio legis nicht eine Überreichung hat, ist die Betonung der apostolischen Tradition doch eindeutig wichtig für das Verständnis des Motivs. Petrus und Paulus sind nicht nur die Hauptapos tel der Christenheit, sondern auch die Apostel Roms, und sie werden dargestellt in direktem Kontakt mit Christus, ihm huldigend und seine Verkündigung entge gennehmend. 16 DIE APOSTELFYRSTEN ~is REPRÄSENTATIONEN Der Großteil der Literatur über das traditio legis Motiv hat sich weit ausgiebiger über insbesondere Petrus, aber auch Paulus, ausgelassen, als über Christus, der ja doch die zentrale Gestalt der ganzen Darstellung ist, von dem alles andere ausgeht. Petrus und Paulus sind seine Helfer und Herolde, müssen aber doch wohl im Verhältnis zu Christus als von relativ geringerer Bedeu tung für die zentrale Botschaft angesehen werden. Nicht desto weniger sind den Aposteln eine Fülle von Bedeu tungen zugelegt worden, die man mit in Betracht ziehen muß, um den möglichen Assoziationen eines damaligen Betrachters, und damit auch einen Teil des Bedeutungs potentials des Motivs, näher zu kommen. Die christliche Ikonographie Roms ist besonders zur Zeit Konstantins des Großen von der Gestalt Petri dominiert. Er ist der erste Apostel, der ikonographisch individuelle Züge entwickelt, und er tritt in der ersten Hälfte des 4.Jahrhunderts auf einem sehr großen Teil der bekannten Sarkophage und anderen Bildträgern auf. Dies zeigt über jeden Zweifel erhoben und mit aller Deutlichkeit seinen besonderen Status als wichtigster Heiliger in Rom und in den römisch beeinflußten Pro vinzen zu diesem Zeitpunkt. Gegen die Mitte des Jahr hunderts beginnt auch Paulus individuelle Züge anzu nehmen und tritt als ebenbürtiger Partner Petri auf. Seine Popularität zu diesem Zeitpunkt mag etwas mit dem raschen Anwachsen des Christentums zu tun haben ein Anwachsen, das das Verlangen nach einem Intel lektuellen an der Seite des Fischers Petrus verstärkt haben könnte, um den gebildeten und konservativen Schichten der heidnischen Bevölkerung ansprechen zu können, die in ihm einen christlichen Philosophen sehen konnten, der den heidnischen, die so sehr verehrt wur den, ersetzen oder ergänzen konnte. Paulus, selbst römi scher Bürger, spricht und argumentiert in seinen Briefen für ein Publikum mit griechisch­römischem kulturellem Hintergrund, und ist deswegen für die gebildeten Römer leichter verständlich und akzeptierbar. Petrus ist als ein facher Mann und als in den Evangelien zeitweilig etwas einfältiger und voll von Fehlern für seinesgleichen an­ sprechend.62 Die Apostel können sich somit gegenseitig supplieren und haben die Möglichkeit, der ganzen römi schen Bevölkerung anzusprechen. Nicht weniger bedeu tend ist aber auch, daßPaulus in einer Zeit der dogmati schen Streitigkeiten um die Person Christi als apostolischer Interpret und Lehrer eine dogmatische Autorität besaß, die ihm niemand streitig machen konnte, und auf der die orthodoxe Tradition der Kirche in Rom sich stützte, weil er als einen der Gründer der römischen Gemeinde galt. Oft werden Petrus und Paulus als Personifikationen der beiden Teile der Kirche, der ecclesia ex circumsis sione und der ecclesia ex gentibus, der Judenkirche und der Heidenkirche, verstanden.63 Dies leitet sich aus Gal 2, 7­8 ab, worin es heißt: «[Die Mitglieder der Gemeinde Jerusalems] sahen, daßmir das Evangelium — für die Unbeschnittenen anvertraut ist wie dem Petrus für die Beschnittenen denn Gott, der Petrus die Kraft zum Aposteldienst unter den Beschnittenen gegeben hat, gab sie mir zum Dienst unter den Heiden.» Der Gedan ken der zwei Teile der Kirche ist wichtig für die Univer salität, weil sich in ihr begründet, daßdie christliche Botschaft nicht nur dem alten Gottesvolk Israel vorbe halten ist, sondern dem neuen Gottesvolk, das aus der gesammten Menschheit besteht, sofern sie das Evange lium entgegennimmt und Teil der Gemeinde wird: «Es gibt nicht Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Arme und Reiche, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid «einer» in Jesus Christus.» (Gal 3, 29). Niko lasch verzeichnet eine Reihe von Kirchenväterkommen taren zu dem Galaterbrief, dem Epheserbrief und der Apostelgeschichte, wo diese Themen behandelt werden. Die Kommentare geben alle einen Einblick in die Funk tion der Apostel als Repräsentanten für Kernbegriffe der Kirche und des Glaubens, und gerade weil die den Apos telfyrsten zugelegten Bedeutungen sich gegenseitig komplementieren, wird die Universalität der Kirche, für die sie beide stehen, zu Ausdruck gebracht. Der sogenannte Ambrosiaster, der im Rom der Zeit Damasus‘ schreibt (366­384), sieht Petrus priviligiert als Grundleger der Kirche überhaupt, währende Paulus es als Grundleger der Heidenkirche ist.M Es ist im Frieden zwischen den beiden Fraktionen der Menschheit, daß Christus und seine Kirche einen neuen Weltfrieden und eine neue Ordnung schafft. Wenn im traditio legis Städte oder evt. nur kleine Hütten auftreten, aus denen Läm merprozessionen einem gemeinsamen Ziel zustreben, so meint Nikolasch darin ein Sinnbild für die Zusammen bringung in der Kirche jener, denen früher das Reich Gottes verhießen war, mit jenen, die durch das alte Gesetz davon ausgeschlossen waren.65 Ambrosiaster gebraucht sogar selber den Ausdruck dans legem dafür, daß die Feindschaft zwischen Juden und Heiden in Christus aufgehoben wird.66 Maximus von Turin legt die Funktion der beiden Apostel so aus, daßPetrus erwählt ist, den Juden Christi Gnade zu bringen, während Paulus den Heiden die göttliche Weisheit bringt.67 Petrus wurde darüber hinaus als Garant der Unerschütterlichkeit der Kirche angesehen, weil er der Felsen ist, auf dem sie baut, während Paulus der Gelehrte und Weise ist.68 Eine Besonderheit des traditio legis, die verwun dert, ist die Plazierung der Apostel. Viele Forscher haben darüber gestutzt, daßPetrus an der linken Seite Christi steht, und nicht an der priviligierten rechten Seite, auf der er in fast allen anderen Darstellungen der Dreier­ gruppe Christus­Petrus­Paulus steht. Dies ist natürlich besonders problematisch für diejenigen, die für eine Übertragung an Petrus argumentieren, was eine beson dere Priviligierung Petri bedeuten müßte. Ein Grund für diese Verteilung der Apostel kann in der Tatsache zu fin den sein, daß Christus sich mit beiden Händen etwas vornimmt. Da Christus die rechte Hand erhoben hat, mußPetrus, wenn er sich auf der Seite der Buchrolle befinden soll, notwendiger Weise die Linke einnehmen. Es ist allerdings nicht nur bei dem traditio legis der Fall, — daß die Aposteln sich so verteilen und scheint damit nicht nur von der Notwendigkeit der Handlung bestimmt zu sein. Bei Darstellungen des christus magister oder des Christus als siegender Heiland (in einigen Fällen durch sein mit Siegeskranz bekränztes Kreuz symboli siert) kommt es ebenfalls vor, daßPetrus links ange bracht ist.69 Wenn er auch aus dem lO.Jahrhundert ist, mag es doch nicht ganz abwegig sein in Anbetracht des Feh lens früherer Quellen über die Plazierung der Aposteln in der Ikonographie die Meinung des ravennatischen Bischofs Petrus Damianus anzuführen70. In seiner Schrift De picturis principium apostolorum wundert er sich darüber, warum in Rom und Umgebung Petrus oft an der linken Seite Christi abgebildet ist, wo er doch den Evangelien zufolge der Erste unter den Aposteln sei.71 Die ganze verschnörkelte Erklärung Damianus‘ sei hier nicht wiedererzählt. Ein wichtiges Argument liegt für Damianus darin, von wo Paulus seine Offenbarung der göttlichen Wahrheit hat: Paulus ad coelum tertium ascendit, ubi etiam arcana verba, quae homninibus loqui non licet, audivit.72 Die Entrückung Paulus in den dritten Himmel ist der Grund, daßdie Belehrung, die er erhal ten hat, höher ist als die der anderen Apostel, da seine Belehrung durch Christus stattfand, als Christus selbst nicht mehr bei den Menschen weilte, sondern bei Gott. Die Weisheit, die er durch dieser in Gottesnähe vernom menen Lehre, die auf Erden nicht gelehrt werden könne, besitzt, gießt selbst Petrus einen besonderen Respekt für ihm ein: Unde de ipse primus apostolorum Petrus ejus admiratur sapientiam, dicens: « Charissimusfrater nos ter Paulus, secundumn datamn sibi sapientiam scripsit vobis; sicut et in omnibus epistolis, loquens in eis de bis, in quibus sunt quaedanz dmfficilia intellectu, quae indocti et instabiles depravant. » ~ Paulus ist also der Weise, der vernommen hat, was niemand sonst vernehmen könnte, und seine Einsicht ist dermaßen groß, daßsie schwer zu begreifen ist. Er ist direkter Zeuge der Herrlichkeit des Herrn, und als solcher über andere erhaben. Damianus betont, daßPetrus immer als Repräsen tant der vita activa darsteht, und daßdies passend zu einer Plazierung auf der linken Seite Christi sei.74 Paulus mußdaher als Repräsentant für die vita contemplativa gelten, wenn dies auch nicht direkt von Damianus for muliert wird, und kann mit dieser höheren Lebensweise mit recht Beschlag auf die rechte Seite nehmen. Nicht zuletzt ist Paulus für Damianus ein universeller Apostel, der nicht wie die anderen, darunter Petrus, seinen eige nen Sitz, seine eigene cathedra, hat. Wie Christus hält er sich nicht an eine einzelne Gemeinde, aber ist für sie alle da. Deshalb ist Paulus auch nicht Bischof einer bes timmten Stadt, sed omnibus praesidet. a Petrus Damia nus kann daher zusammenfassen: Non igitur sine causa B. Paulus dextrumn in picturis obtinet latus, dum id non modo deposcat propensior fructuum cumulus, sed et figuralis intelligentiae sacramentum.76 Es ist sehr wohl möglich, daßeine Begründung wie diese, die sich auf wichtigen Schriftstellen bezieht, der Grund dafür ist, — — TRADITIO LEGIS? 17 daß Petrus und Paulus in dieser unmittelbar überra schenden Weise im traditio legis plaziert sind. DAS PROGRAMM DES THESSALONIKANISCHEN KÄSTCHENS Die vier anderen Bildseiten des Silberkästchens konstituieren im Zusammenhang mit dem traditio legis auf der Vorderseite ein Programm, indem sie zwar nicht einen Zyklus ausmachen, der einen Zeitlichen Ablauf hat, sondern kann auch durch die Beziehungen zwischen den~ einzelnen Bildern entstehen Referencen, die durch die Organisation der Bilder untereinander geleitet werden. Das Chrismon des Deckels, das zwischen Alfa und Omega steht, mußsich als Hinweis auf Christus und sei ner Worte verstehen: «Ich bin das Alpha und das Omega, spricht Gott, der Herr der ist und der war und der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung.» (Offb 1, 8, vgl. Offb 21, 6 und 22, 13). Hiermit wird in der Kombination des Namen Christi und Gottes dem Herrn einer Orthodoxie Ausdruck gegeben im Verhältnis zu der Wesensgleichheit Christi mit dem Vater, die beim Konzil von Nizäa 325 festgelegt wurde. Entlang der Kante des Deckels läuft auf allen vier Seiten eine ein fache Weinranke, was wahrscheinlich im Hinblick auf das Jesus­Wort «Ich bin der Weinstock, ihre seid die Reben» (Joh 15, 5) zu verstehen ist, als Gleichnis für das gegenseitige Verhältnis von Zusammenhörigkeit und Abhängigkeit zwischen Christus und Kirche. Die rechte Schmalseite, auf der Seite Petri, zeigt Moses, der die Gesetzestafeln auf dem Sinai entgegen­ nimmt (Fig. 6). Er ist im Profil nach rechts gezeigt, in leichter Kniebeuge, und mit den palliumverhüllten Hän den nach vorn und nach oben gerichtet, der Hand Gottes entgegen, die von oben hervorkommt, eine geschlossene Buchrolle. Hier sind Kniebeuge und verhüllte Hände als Indikation der ehrfurchtsvollen Entgegennahme von etwas, in diesem Falle also des Gesetzes, gezeigt. Daß das Gesetz hier als geschlossene Buchrolle in einer rech ten Hand gezeigt wird, bestätigt die Annahme Birts, daß eine ÜbelTeichung einer Buchrolle so vor sich gehen müsse.77 Da in diesem Falle außerdem bei der Sinais zene verhüllte Hände gezeigt werden, bei dem traditio legis daneben aber nicht, ist ein Unterschied der Hand lungen markiert, der ebenfalls in diese Richtung weist. Die Rückseite zeigt die drei Freunde, die während des babylonischen Exils von dem Tode im Feuerofen geret tet wurden, zu dem sie auf Grund ihrer Verweigerung der Abgötterei und ihrer Treue zu Gott verurteilt worden waren.78 Sie sind alle als Oranten dargestellt, mit kurzer Tunika, Beinkleidern und phrygischer Mütze.79 Auf der linken Schmalseite sieht man Daniel in der Löwenkuhle, in gleicher Weise dargestellt.8° Auch Daniel wurde durch seine Treue zu Gott von einem qualvollen Tode geret tet.8‘ Alle drei alttestamentliche Bilder sind seit der — 18 Frühzeit der christlichen Kunst bekannt, und ihre große Popularität durch sehr viele Beispiele in der Katakom benmalerei und der Sarkophagskulptur belegt.82 Die Bildseiten des Kästchens sind so organisiert, daßdie beiden primären Bilder, die Vorderseite und der Deckel, symbolische Christusdarstellungen sind, die eine figurativ, die andere anikonisch, während die drei sekundären Bildflächen, die beiden Schmalseiten und die Rückseite, die gewissermaßen nach vorn und nach oben stützen, alttestamentliche, historische Darstellun gen zeigen, die typologisch für Christus und für die Erreichungs des Heils durch Christus zu verstehen sind, oder die die Treue gegen das Gebot Gottes repräsentie ren. Wie aus dem Abschnitt über die iex hervorging, ist die Kupplung zwischen Christus und Moses als Stifter des bzw. neuen und alten Bundes er prominentes Thema sowohl im Neuen Testament als auch bei den Kirchenvä tern. Die Verbindung ist vielschichtig, da Christus sowohl der Nachfolger Mose ist, in dem er das neue Gesetz gibt, und zugleich schon auf dem Sinai als obers ter Gesetzgeber zugegen. Moses ist aber nicht nur einer der alttestamentlichen Typen Christi, sondern als Führer der alttestamentlichen Gemeinde auch Typus für die Apostel, insbesondere für Petrus 83 Diese Verbindung tritt mit besonderer Deutlichkeit im konstantinischen Sarkophagbestand hervor, wo sich die apokryphe Dars tellung des Quellwunders Petri sehr häufig findet.84 In dieser Darstellung ist die Parallele zu Moses ganz ein deutig, in dem Petrus mit einem Stab aus einer Felsen­ wand in seinem Gefängnis eine Quelle hervorspringen läßt, genau wie Moses es in der Wüste auf dem Weg zum Heiligen Land tat. Während Moses dem Volke Israel zu trinken gibt, verrichtet Petrus an die durch sein Wunder gläubig gewordenen Wächter die Taufe.85 Formell gesehen spiegeln die Darstellungen Mose und Petri auf dem Kästchen einander und zwar über die Kante, die sie voneinander trennt. Der einzige Unter schied ist, daßMoses seine Hände weiter emporreckt, und daßdiese verhüllt sind, was den Unterschied zwi schen ihren Handlungen markiert, ehrfurchtvolle Entge gennahme versus ehrfurchtvoller Unterstützung. Das Pallium, das in beiden Darstellungen den ganzen Körper und die Arme bedeckt, die identische, wenn auch spie gelverkehrte Beinstellung und die Plazierung der beiden Darstellungen auf zwei sich berührenden Seiten läßt die Annahme zu, daßin diesem formalen Aufbau eine auch B edeutungsmässige Verbindung zwischen den beiden Führern der alt­ und neutestamentlichen Gemeinden beabsichtigt war. Die Annahme verstärkt sich dadurch, daßsogar ihre Frisuren sich sehr ähneln, aber bei keinen der anderen Figuren auf dem Kästchen zu finden ist. Bärte und Gesicht lassen sich leider nicht vergleichen, da sie bei Moses nicht meht vorhanden sind. Die Assoziation zwischen Moses und Peter ist auch in der Schrift naheliegend, weil Petrus nach dem Gebot Christi die Schafe Christi hüten soll, nämlich seine Gemeinde, wobei durch den Psalm 77, 21 auf Moses hingewiesen wird: « Du führtest dein Volk wie eine Fig. 6. Gesetcesemnpfang Moses auf dein Sinai. Rechte Schmalseite des thessalonikanischen Silberkästchens. Nach Panayotidi & Grabar 1975. Herde durch die Hand von Moses und Aaron.» (Ps 77, 21). Wie Moses von Gott den Auftrag erhielt, der Führer des Exodus aus Ägypten zu sein, so gab nach Matt 16, 19 Christus an Petrus den Auftrag, nach seiner Himmel fahrt die Gemeinde zu führen. Bei den Kirchenvätern ist die Kupplung ebenfalls deutlich. Tertullian spricht von Moses als den Protoapostel86, Cyprianus sieht ihn als Bischof. 87Athanasius stellt im Kampf gegen den Aria nismus Petrus und Paulus als die Verfechter des Glau bens dar und vergleicht sie mit Moses und David. Ambrosius, Hieronymus und Augustin vergleichen ebenfalls die großen Führer des Gottesvolkes in ver schiedener Weise88, und das gleiche tun Eutropius von Gallizien89, Orosius9° und Paulinus.9‘ Maximinus erzählt davon, wie das Gottesvolk mit dem Schiff des Moses reiste um in das des Petrus umzusteigen.92 Isaak von Antiochia erklärt, daßdie Kirche auf Petrus baut, wie das Tabernakel auf Moses.93 In der Kunst wie in der Theolo gie spielt Moses also eine wichtige Rolle als Typus für sowohl Christus als Petrus und für die Apostel. Auch in dem Kontext der traditio legis­Darstellun gen tritt Moses auf dem Sinai öfters auf.94 Endlich scheint eine Moses­Darstellung aus TalTagona in Spa nien den Zusammenhang zwischen der Gesetzgebung auf dem Sinai und Christus zu Unterstreichen, indem auf der Tafel, die Moses aus den Wolken empfängt, ein Chrismon zu sehen ist.9~ Das Gesetz ist Christi Gesetz und Christus selbst ist sogar das Gesetz, das Wort des HelTn, der Logos.96 Wenn Moses auf dem thessalonikanischen Sil berkästchen in einer so unmittelbaren und sogar beton ten Nähe zum traditio legis steht, ist dies nicht nur wegen eines Interesses für die Typologie und eines Zusammenhanges und Planes in der Heilsgeschichte, sondern auch um bestimmte Aspekte des traditio legis hervorzuheben, die als Schlüssel zum Verständnis des Motivs in diesem Zusammenhang gelten können und die Interpretation in bestimmte Wege leiten kann, um den Umfang des Bedeutungspotentials und der vielen mögli chen und wagen Bedeutungen einzugrenzen und zu prä zisieren, damit die Botschaft dem glaübigen Betrachter leichter verständlich wird. Die Themen, die hier anges chlagen werden, sind schon oben erklärt: Der Wille Gottes wurde auf dem Sinai verkündet, wie er nochmals mit dem Kommen Christi verkündet wurde. Wie der Wille Gottes durch Moses, der ihn durch direkte Beleh rung Gottes kannte, an die Gemeinde weiterverkündet wurde, so wird er von den Aposteln weiterverkündet, die ihn von Christus selbst verkündet bekommen haben. Moses war der Führer des alten Gottesvolkes, der Israe liten, und Petrus ist der Führer des neuen Gottesvolkes, der Gemeinde Christi. Interessant ist in diesem Zusam menhang die Formulierung der Parallele zwischen dem Gesetz von Sinai und dem Christi durch Ambrosiaster: Ipsa die et in monte Sina legem dedit per famnulumn suunm Moysen, ut sicut agnus figura passionis fuit in sacra mnento paschae, ita et legis datio euangelicae praedica tionis, quia eodem die, id est pentecostes, lex data est, quo et Spiritus Sanctus decidit in discipulos, ut auctori tatemn caperet ac scirent euangelicumn ins praedicare.97 Es wird hier also die Gesetzesverkündung von Sinai mit der Eingießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten vergli chen, und beide werden Gesetzgebung genannt, wohl weil eben durch den Heiligen Geist die Gesetze Gottes in die Herzen eingeschrieben werden. Wie Moses das Gesetz des Herrn empfing um es an das Gottesvolk zu TRADITIO LEGIS? 19 verkünden, so empfingen die Jünger Christi es, um es dem neuen Gottesvolk zu predigen. Wenn Paulus in Verbindung mit Moses nicht so deutlich hervorgehoben wird wie Petrus, kommt das wohl vor allem von seiner Sonderstellung, da er sich außerhalb der Evangelien befindet und nicht so eindeu tig wie Petrus als Führer dargestellt ist. Er ist aber imme rhin zusammen mit Petrus Führer des Gottesvolkes, wie er es selbst im Galaterbrief beschreibt. Der Grund für sein Vorhandensein auf dem traditio legis wie auf ande ren Dartellungen Christi zwischen den Apostelfyrsten, liegt hierin. Sein Vorhandensein markiert einen wichti gen Aspekt des neuen Gottesvolkes, der es vom alten Gottesvolk unterscheidet, und der durch die Verknüp fung des traditio legis mit der Sinaiszene besonders her vortritt. Als Apostel der Heiden zeigt seine Person, daß das Gottesvolk jetzt, in Erfüllung der alttestamentlichen Prophezeihungen, nicht länger nur die Kinder Abra hams, Isaaks und Jacobs umfaßt, sondern (potentiell) die ganze Menschheit. Mit dem Gesetz Christi in der Verkündung seiner Lehre ist ein neues Zeitalter der Heilsgeschichte eingeleitet, wie Moses das Zeitalter sub lege einleitete. Was Moses verhüllte, enthüllt sich mit Christus. Einen formalen Zusammenhang ähnlich dem zwi schen Petrus und Moses gibt es auch auf den anderen zwei aufrechten Seiten des Kästchens, die die Bilder der drei Freunde im Feuerofen bzw. Daniel in der Löwen kuhle zeigen. Das Verhältnis ist inhaltlich jedoch nicht als typologisch zu sehen, da beide Darstellungen eine Geschichte aus dem Buche Daniel wiedergeben. Daniel war Typus entweder derjenigen, die verfolgt und von Gott erhöht worden waren, die Märtyrer und Bekenner98, oder als Präfiguration der Auferstehung Christi99 beides Funktionen, die er mit den drei Freunden im Feuerofen teilt. Das Bild Daniels kann auch Bild des Triurnfes Christi sein, seiner Macht über die Feind&°°, oder der Macht des Gebets.t0‘ Die drei Freunde im Feue rofen werden von einer Person gerettet, die «aussieht wie ein Göttersohn» 102, was als Hinweis auf Christus gesehen werden darf. Sie sind daher Bild der Errettung vom Tode und von der Auferstehung durch den Glauben an Christus und durch sein Eingreifen.103 Sowohl Daniel als auch die drei Jünglinge sind sehr häufig auf Sarko phagen dargestellt, nach der Mitte des 4.Jahrhunderts meist auf dem Deckel oder auf den Schmalseiten. Die drei alttestamentlichen Bilder haben also teils die Funktion eines Hinweises auf die Typologie teils Petri und der Apostel überhaupt und damit auch für den neuen Bund, teils als Beispiele der Gewißheit des Gläu bigen auf Beistand und Erlösung durch Gott und Chris tus, so lange nicht vom Glauben gewichen wird. Das Gesetz oder das Gebot Gottes ist gewissermaßen in allen drei Bildern zugegen, das eine Mal ausdrücklich als Gabe des Himmels manifestiert, die beiden anderen in der Form der Belohnung für die Überhaltung der Gebote Gottes durch alle Qualen. In dieser Weise hat auch die Erlösung ihren Platz in allen drei Darstellungen, zwei Mal ganz konkret, aber auch in der Sinaiszene, denn die — 20 Erlösung durch Treue an Gottes Gebot hat das Gesetz als VolTaussetzung. Es ist auffallend, daßGott in allen Darstellungen als derjenige vorhanden ist, der handelt und bewirkt, daß es aber nur in dem traditio legis ist, daßman ihn sieht und daßer gesehen wird. DaßGott erst mit dem Erschei nen Christi den Menschen sichtbar wurde, hängt natür lich mit der erst mit Christus geschehenen Inkarnation Gottes zusammen. Aber eben darin liegt eine besondere Pointe auch im Verhältnis zwischen den alten und dem neuen Gesetz. Während Gott in den alttestamentlichen Szenen nur implizit vorhanden ist und nur in der Sinais zene mit der Gesetzgebung sich als Hand aus einer Wolke zeigt, so ist er in dem traditio legis sichtbar geworden geoffenbart in seiner Inkarnierten Form. Während Moses, der Erwählte Gottes im alten Bund, trotz seiner priviligierten Stellung, die ihm die Nähe zu Gott erlaubt, in fast allen Darstellungen seines Gesetzes­ empfangs weg oder nach unten sieht, so ist das Verhält nis zwischen Gott und Mensch im neuen Bund weniger restriktiv, denn Gott ist hier auch Mensch. Petrus und Paulus schauen freimütig, wenn auch ehrerbietend, zu dem inkarnierten Gott auf, der sich für sie und für uns in einer Gestalt enthüllt, die den Menschen begreiflich und aushaltbar ist. Im neuen Bund enthüllt Gott, was er den Menschen bisher verhüllt hatte, auch sich selbst und sein Wort, das Christus ist (Joh 1, 1). Traditio legis auf der Vorderseite des Kästchens bekommt im Zusammenhang mit Gesammtprogramm vorerst die Funktion der Markierung des neuen Zu standes der Gnade, die Resultat des Opfers Christi ist und dessen Gesetz der geoffenbarte Willen des Herrn ist. Man sieht in dieser Darstellung die Vervollkomnung des Gesetzes durch Christus, die Erklärung und den Zusam menhang, die Offenbarung der Wahrheiten in den alten Begebenheiten. Das Gebot Christi und der Lohn für seine Befolgung sieht man auf der Rückseite und auf den Schmalseiten wie Daniel und die drei Jünglinge durch die Befolgung der Gebote vom Sinai erlöst wur den, so kommt der Gläubige durch die Befolgung der Gebote Christi vom Sion, in welchen die lex doinini sich offenbart, und durch den Glauben an ihn, zum Heil. Das Chrismon zwischen Alfa und Omega auf dem Deckel erklärt die Allmacht Christi, und verbindet die alttesta mentlichen Szenen mit dem traditio legis, indem es betont, daßChristus Gott war und ist und bleibt und daß es daher sein gleicher ewiger Heilsplan ist, von dem sowohl der alte wie der neue Bund Teil sind. Während die drei sekundären Bildflächen das Alte darstellen, daß nach vorn zeigt, zeigt die Vorderseite das Neue, das den Zusammenhang erklärt, und der Deckel sammelt alles in dem großen und ewigen Plan, der die Menschheit zum Gottesreich im himmlischen Jerusalem führen wird. Die Darstellung Christi zwischen Petrus und Paulus (und evt. auch der anderen Apostel) zeigt den Ursprung des neuen Bundes und der wahren Lehre in Christus und ihre Vermittlung durch die Apostel. Der Weg zum Heil geht durch die Befolgung der Lehre Cristi‘°4, die der Gemeinde durch ihre Grundleger, die Apostel, vermittelt — — — wurde. Was damit zum Ausdruck kommt ist die aposto lische Tradition der Kirche, die ihren Ausgangspunkt in der direkten Belehrung der Apostel durch Christus nimmt, und daher auf die Worte Gottes baut, und somit unangreifbar als wahr und gültig autorisiert ist. Petrus wird als der erwählte Jünger und Apostel Christi beson ders hervorgehoben und als Grundfelsen der Kirche und Hirt der Gemeinde dargestellt, während Paulus, der seine priviligierte Offenbarung erst nach der Himmel fahrt erhielt, als der Lehrer und Züchtiger, als der er in seinen Briefen erscheint, darsteht. Die Apostelfyrsten können daher als wichtigste Repräsentanten und Garan ten der apostolischen Tradition gelten. Der Gläubige kann sich unter Berufung auf ihre Lehre sicher sein, den Weg des rechten Glaubens zu folgen, der der sichere Weg zur Gnade und zur Erlösung ist. In Rom und in Verbindung mit Rom hat das Motiv eine besonders starke Bedeutungskraft, wie sich aus der Promovierung der römischen petrinisch­paulinischen Tradition seit dem 4.Jahrhundert ergibt. In Rom hatten die Apostelfürsten nicht nur ihre letzte Ruhe gefunden, sondern auch ihr letztes Wirken und ihr Maryrium (am gleichen Tage, den 29.Juni) als Zeugen Christi. Die Häu figkeit der Motive mit Petrus und Paulus hängt unzwei felhaft mit der Hervorhebung der römischen apostoli schen Tradition als der sichere Weg zur Erlösung zusammen. Das traditio legis­Motiv unterstreicht die Wahrheit dieser Lehre dadurch, daßbeide Apostelfürs ten als ergebene Zeugen bei der Verkündung und Offen barung des neuen Gebots anwesend gezeigt werden. Das thessalonikanische Kästchen zeigt an, daß Gott und Christus die seinen kennt und ihnen beisteht, heute wie zuvor. DaßChristus Gott ist und das er ewig ist, wird durch den Deckel wie durch einer Art Siegel bezeugt: Es ist immer der gleiche Gott, der für die seinigen einsteht und der den Menschen jetzt mit Christus die Erlösung durch den Glauben verspricht. SIGNIFIKANZ DER THESSALONIKANISCHEN PROVENIENZ? Es ist auffallend und interessant, daßunser Käst chen, die das einzige Beispiel einer Darstellung des tra ditio legis im Osten ist, so nahe bei Thessaloniki gefun den wurde, die um die Zeit, aus der das Kästchen stammt, ein Vikariat des römischen Bischofs erhielt)°5 Es ist naheliegend anzunehmen, daßes eine Verbindung zwischen dem Kästchen und der Anwesenheit der Repräsentation des gerade als Hochburg der Orthodoxie anerkannten Roms an dieser Stelle gibt. Die Funktion des Kästchens ist zwar nicht doku mentiert, da es außerhalb eines kirchlichen Kontextes gefunden wurde. Es darf aber mit großer Wahrschein lichkeit als Reliquar gelten. Über den Inhalt kann man jedoch nur mutmaßen, da nichts davon erhalten blieb. Da aber dieses nicht das einzige Reliquar mit einer Dar­ stellung des traditio legis ist (das Elfenbeinkästchen aus Pola und das sogenannte Quirico­ und Julitta­Reliquar in Ravenna sind die anderen Beispiele), und da das Pola Kästchen eine Verbindung mit der Petersbasilika in Rom hat, was sich aus der Darstellung des Memoriums der Basilika auf der Rückseite des Kästchens ergibt, könnte die Hervorhebung des traditio legis auf dem Deckel des Pola­Kästchens wie auf der Vorderseite des Thessaloni kanischen Kästchens vielleicht eine Verbindung zu eventuellen Relikvien Petri oder beider Apostelfyrsten in ihrem Innem haben. Dies mußzwar als pure Hypo these gelten, hat aber doch einige Wahrscheinlichkeit für sich. Im Falle Thessalonikis könnte man sich somit vors tellen, daßder römische Bischof seiner neuen Vertretung Relikvien aus dem einen, oder aus zwei oder allen drei Apostelfyrtstenmemorien in Rom schickte, um die Ver tretung der apostolischen Tradition zu markieren, und die Einwirkung, vielleicht nicht zuletzt die politische, im «Feindesland» zu stärken. Bei solchen eventuellen Relikvien könnte es sich vielleicht um brandea gehan delt haben, die im Falle der Petrus­ und Paulusgräber in Rom meist Stoffstreifen waren, die auf die irdischen Reste der Aposteln durch eine Öffnung zum Grabe nie dergesenkt wurden, und dort durch die Berührung mit dem heiligen Gebein ihre Kraft annahm. Der Grabfrie den war zu diesem Zeitpunkt immer noch heilig, so daß eine direkte Entfernung echter Relikvien einer Schän dung gleichkam die Lösung für den Bedarf an Reli quien, der Ende des 4.Jahrhunderts anstieg‘°6, konnte aber eben durch brandea herbeigebracht sein. Das Käst chen könnte in Thessaloniki, die scheinbar eine der füh renden Silberschmieden im östlichen Reich barg, für die Relikvien hergestellt worden sein.‘07 Wie es an die Straßensseite bei Chalkidiki gelangt ist, darüber kann man nur weiter mutmaßen. Es könnte auf dem Weg nach Rom sein, um seinen kostbaren Inhalt entgegenzuneh men, und auf dem Weg durch Unfall oder Überfall verlo ren gegangen sein. Aber wie gesagt, das letzte sind reine Spekulationen, denen nur die Phantasie zu Grunde lie gen. Wir wissen ungeheuer wenig über den frühen Gebrauch von Reliquien. — DIE DARSTELLUNG IN DER 5. COSTANZA IN ROM Ein Beispiel eines traditio legis, das als einzig bewahrte Apsisdarstellung des Motivs eine Sonderstel lung einnimmt, ist in der links vom Eingang gelegenen Apsidiole in dem heute als Kirche funkzionierenden Rundbau 5. Costanza bei 5. Agnese fuori le mura auf der Via Nomentana bei Rom. Der Bau, der als eines der schönsten und besterhaltendsten Beispiele der Architek tur des 4.Jahrhunderts gelten darf, war ursprünglich mit einer großen Coemeterialbasilika verbunden, dessen monumentale Ruine sich immer noch in der Landschaft erhebt. Eine überlieferte Inschrift aus dem Gebiet der Basilika spricht von Constantina als die Gründerin der TRADITIO LEGIS? 21 Basilika zur Ehre Christi.‘08 Dies wird in ihrer passio in den acta sanctorum des 7.Jahrhunderts bestätigt: Constantina interea patrem et fratres rogat, ut basilica S. Agnetis construeretu,; et sibi hic mausoleum collocari preacipit.‘°9 Man weiß, daßdiese Tochter Konstantins des Großen nach ihrem Tode in Bithynien 354 nach Rom geführt wurde um nahe am Grabe der heiligen Agnes an der Via Nomentana begraben zu werden. Ihre Schwester Helena fand 360 an gleicher Stelle ihre letzte Ruhe. S. Costanza ist nach allgemeiner Auffassung und nach aller Wahrscheinlichkeit das Mausoleum der Constan tina.“° In dem Bau befand sich früher der eine der riesi gen Porphyr­Sarkophage, die sich heute in den Vatikani schen Museen befinden, und dieser mußals derjenige der Constantina angesehen werden. Die ursprüngliche Platzierung des Sarkophags ist unbekannt, er befand sich aber seit spätestens dem l5.Jahrhundert in der großen Niche dem Eingang gegenüber.“ Das Todesjahr Constantinas hat lange als Ausgangspunkt der Datierung des Baus gegolten, der somit einen terminus ante quem um 354 haben sollte.“2 Die ursprüngliche Ausstattung des Baus ist nur für einen kleinen Teil bewahrt. Dies ist hauptsächlich den umfassenden Restaurierungen und Verbesserungen des wegen eines bacchischen Motivs im Bodenmosaik als Bacchus­Tempel angesehen Baus zu ~ Die wahrscheinlich erste und eindeutig zerstärendste Res taurierung fand unter dem Kardinal Veralli im Jahre 1620 statt, als er die teilweise Zerstörten und heidnisch anmutenden Kuppelmosaikken mitsamt den Marmorin krustationen des Tambours niederreißen ließ, das Bodenmosaik entfernte und in den noch danach vorhan denen Mosaikfeldern im Umgang und in den zwei Apsi diolen rechts und links vom Eingang mit Gips ausbes serte, der als Tessera­Nachahmung geritz und danach bemalt wurde.“4 Die noch vorhandenen Mosaiken ste hen heute stark und zum Teil sehr fehlerhaft restauriert da. Da 5. Costanza ein Rundbau ist, haben mehrere Forscher angenommen, es handle sich dabei um das ver mutete Baptisterium von S. Agnese, das man sich wegen einer Erwähnung von Taufliandlungen bei 5. Agnese im Liber Pontijicalis vorstellte, von dem es aber sonst heute keine Spur gibt.“5 Die Annahme eines Baptisteriums schien durch De Rossis Ausgrabungen unter dem Boden des Baus 1888 bestätigt. Er meinte hier zu finden, wovon der Mosaikrestaurator Kibel schon 1848 berich tet hatte, nämlich ein viereckiges marmornes Becken mit Rohranlage und Stufen. De Rossi veröffentlichte seine Funde“6, und seine Konklusion, daßder Bau Bap tisterium gewesen war, wurde der Autorität De Rossis wegen allgemein akzeptiert, wenn auch sein Kollege Armellini, der die Ausgrabung gesehen hatte, wenig spä ter die Möglichkeit eines Baptisteriums auf der Grund lage der faktischen Funde zurückwies.‘ ‚~ Ferrua veröf fentlichte 1977 Auszüge aus dem Tagebuch des Canonikus bei 5. Costanza, Ubaldo Giordano, das wäh rend der Ausgrabungsperiode geführt worden war. Die 22 Aufzeichnungen hier bestätigen, was Armellini schrieb, in dem nichts anderes gefunden wurde, als die Reste eines alten Ofens und einige Stufen, die unter den Fun damenten der Säulen des Umgangs endeten und daher älter als der Bau sein müßten. Es gab also kein Indiz für ein Baptisterium an diesem Platze, sondern einen Beweis dagegen.“8 Da ein Großteil des Gebietes um die alte 5. Agnes­Coemeterialbasilika heute von späteren Bauten verdeckt ist, unter anderem von dem Ablöserbau aus dem 7.Jahrhundert und von dem anschließenden Kloster, mögen die Reste des vermuteten Baptisterium sich sehr wohl unter einem dieser Gebäude befinden, falls es nicht mit dem Abtragen des Hügels in Verbin dung mit der Vorbereitung für den Ablöserbau ganz ver schwunden ist oder überhaupt nie existiert hat. Die Taufe bei 5. Agnese wird im Liber Pontificalis nur in Verbindung mit einem Schisma erwähnt, wo ein Pabst oder Gegenpabst die Taufe nicht im Lateranbaptisterium abhalten konnte, sich aber einen alternativen Bischofs­ sitz in 5. Agnese schuf.“9 Es scheint mir, daßein perma nenter Baptisterienbau in diesem Zusammenhang weder besonders wahrscheinlich noch wünschenswert ist, da niemand eine Beibehaltung eines Schismas wünschte oder als permanent ansah. Ob von einem Baptisterium oder nicht die Rede ist, hat natürlich für die Interpreta tion der bildlichen Ausstattung große Bedeutung. Die Mausoleumsfunktion ist im Gegensatz zur Baptisterien funktion sehr wahrscheinlich für S. Costanza anzuneh men. Man kann also als vergleichbarer Kontext die Tau fliturgie ausschließen und die Sarkophage und Katakombenmalerei einbeziehen. Die Datierung des Baus und der Ausstattung scheint nicht so einfach, wie die schriftliche Quellenlage sie darstehen läßt. Es ist nämlich die Frage, ob es der jet zige Bau ist, der die durch die Quellen hervorgehende Datierung trägt, die zweifellos für die große Basilika gelten darf, oder nicht eher ein Vorgängerbau. Bei den neuen Ausgrabungen, die unter der Leitung von David Stanley auf dem Übergang zwischen 5. Costanza und der mit ihr verbundenen Coemeterialbasilika stattgefun den haben, konnte man feststellen, daß die jetzige S. Costanza nicht gemeinsame Fundamente mit der großen Basilika hatte.‘2° Das hatte dagegen ein die darunterligende Schicht angehöriger Bau, der kleiner und allem Anschein nach von kleeförmigem Grundriss war. Eine solche Trikonch findet man auch bei dem der großen 5. Agnese­Basilika nähest verwandten Bau, der großen Basilika bei S. Lorenzo fuori le mura, und bei dem ältesten Bau des Typus, 5. Sebastiano, beiderorts ebenfalls an der linken Langseite, nahe am Eingang. ~ Alles scheint darauf hinzudeuten, daß die heute bekannte 5. Costanza einen anderen Bau abgelöst hat, der gleichzeitig mit der großen Coemeterialbasilika war, und daßdaher der tenninus ante quem 354 nicht gilt. Man mußsich im Anschlußhieran Fragen, wo das Quelenmässig dokumentierte Begräbnis der Constantina stattfand ob es im Vorgängerbau war, oder ob es nicht auch in der großen Basilika geschehen sein könnte. Es gibt in der großen Basilika, wie in den anderen konstan — tinischen Coemeterialbasiliken, Anzeichen dafür, daßim Schiff und in den Seitenschiffen Begräbnisse stattgefun den haben. In der großen Basilika bei S. Agnese befindet sich mitten im Schiff eine basilkaförmige Struktur von etwa 15 m länge, zu der sich in den anderen Coemete rialbasiliken keine Parallele finden läßt, und die bisher nicht erklärt worden ist. Es wäre möglich, daß diese Struktur die erste Grabstätte der Kirchengründerin Constantina sei, nahe an der Stifterinschrift gelegen, und daßdie kaiserliche Dame bei einer späteren Gelegenheit in das neugebaute Mausoläum übergesiedelt wurde, das wir heute unter dem Namen S. Costanza kennen.‘22 In diesem Falle herrscht jedoch immer noch Unklarheit, was den Vorgängerbau mit kleeblattförmigen Grundriss betrifft. Und man mußsich fragen, wie dies gegebenen falls mit dem Grabfrieden in Übereinstimmung gebracht werden konnte. Egal wie kann es keinen Zweifel geben, daßder heutige Bau immer noch dem 4.Jahrhundert angehört, daßdie Datierung weiter bis in das Ende des Jahrhun derts geschoben werden muß, und endlich, daß von einem Baptisterium nicht die Rede ist, sehr wahrschein lich aber von einem Mausoleum. Die Mosaikken des Umgangs sind auf Grund der stilistischen Merkmale der Putti, die die Weinerntesze nen bevölkern, als spätkonstantinisch vermutet worden. Spätkonstantinische Merkmale lassen sich jedoch in der Kunst mindestens bis um 370 finden. Bei einem Neubau innerhalb einiger Jahrzehnte nach der Vollendung der Basilika ist eine so ausgeformte und in diesem Stilkon zept arbeitende Ausstattung also nicht unmöglich. Die Ausstattungen der beiden Apsidiolen sind so mißrestau riert, da es schwer gefallen ist, eine stilistische Analyse und Einordnung vorzunehmen, nicht zuletzt weil erst neulich eine wirklich gründliche technische Untersu chung vorgenommen wurde, die angezeigt hat, was ori ginal und was später ersetzt worden ist. In einigen frühe ren Beschreibungen der Mosaikausstattung der 5. Costanza sind die beiden Apsidiolen sogar ganz aus gelassen, wahrscheinlich wegen ihrer so problemati schen Restaurierung. Oft sind sie auch als spätere Zufü gungen zum ursprünglichen Programm gesehen worden, die daher nicht als «original» gelten konnten und sich somit dem Interesse etwas entzogen.‘23 Der Versuch Matthiaes, die Restaurierungen zu durchschauen und Originales von Restaurierte zu trennen, erwies sich 1987 mit der Veröffentlichung der gründlicheren Untersu chung Stanleys als nicht entsprechend.‘24 Der Stil in den originalen Teilen der Apsidiolen scheint recht verschieden zu sein von dem der Mosaik ken des Umgangs, was aber nicht unbedingt eine andere oder wesentlich andere Datierung bedeuten muß, da im 4.Jahrhundert mehrere Stilformen öfters neben einander auftreten. Mit Ausgangspunkt in den bewahrten Origi nalresten neige ich dazu, mich Michels alten Datierung Anfang des 5.Jahrhunderts anzuschließen‘25, da mich viele stilistische Merkmale und auch technische Wirk mittel an S. Pudenziana erinnern. Das gilt z.B. die lok kere, etwas zerstreute, Weise der Modellierung mit den Tesserae, und auch die goldene Kleidung Christi. Beide diese Züge stimmer übrigens auch mit 5. Giovanni in Fonte in Neapel überein, das wie 5. Pudenziana aus dem frühen 5.Jahrhundert stammt. Eine solche Datierung würde natürlich auch gut zu einer im Verhältnis zur Coe meterialbasilika späterer Baufase passen.‘26 Endlich ließe sich die Weise der Tessera­Anordnung auch mit den Mosaiken des sogenannten Mausoleums der Galla Placidia und des Orthodoxen Baptisteriums in Ravenna, beide Monumente aus dem zweiten Drittel des 5.Jahr­ hunderts, vergleichen. Im «Mausoleum» gibt es eine Paulusdarstellung im Profil gegen rechts, die mir wegen der merkwürdigen Profilzeichnung dem Paulus auf dem traditio legis in S. Costanza recht ähnlich scheint. Dies ist eine der einzig möglichen Figurstilvergleiche, die man mit Ausgangspunkt in den Apsidiolen vornehmen kann. DIE TRADITIO LEGIS DER SÜDLICHEN AP5IDI0LE Das traditio legis­Motiv in der südlichen, links vom Eingang gelegenen Apsidiole (Fig. 4), ist viel komplexer gestaltet als das auf dem thessalonikanischen Kästchen, und enthält die mehrzahl der sonst in Verbindung mit dem Motiv vorkommenden ikonographischen Details. Die Darstellung entspricht darum die Mehrzahl der bekannten traditio legis­Darstellungen. Christus steht erhöht über einen Hügel. Die tech nische Analyse Stanleys hat ergeben, daß Christus ursprünglich auf Wolken über dem Hügel schwebte, was sich von der mehrzahl der Sarkophag­Darstellungen abhebt, in dem Christus eher auf dem Hügel selber steht.‘27 Von der Christusfigur ist nur wenig original, aber es sind genügend Fragmente an solchen Stellen bewahrt, die es möglich machen, fast alle Details der Figur zu rekonstruieren. Seine Tunika und Pallium sind golden mit blauen Clavi‘28, was seinem Aussehen in San Giovanni in Fonte entspricht. Seine rechte Hand ist bewahrt und seine Geste war die der erhobenen Rechten mit offener Handfläche dem Beschauer zugewandt, was einer triumphalen Abwandlung der adlocutio, der Zu­ sprache, gleichkommt. In seiner Linken hält er eine Rotulus, von der etwa 90% restauriert ist, und die schon 1594, als Ugonio sie beschrieb, so zerstört war, daßdie Inschrift schwer les bar war.‘29 Ugonio meinte die fragmentarischen Wörter C‘LINUS DEM DAE lesen zu können. Hundert Jahre spä ter, in der Illustration der Apsidiole bei Ciampini 1693, sieht man denn die Inschrift, die auch heute auf der Buchrolle zu lesen ist: DOMINUS PACEM DAT. Diese Inschrift ist sehr diskutiert worden im Hinblick auf die Originalität. Es scheint jedoch ohne Zweifel, daß­sie der Zeit zwischen 1594 und 1693 entstammt, nach aller Wahrscheinlichkeit stammt sie also von der Restaurie rung unter Kardinal Veralli 1620.‘~° Schon 1858 machte Garrucci darauf aufmerksam, daßdie Inschrift ursprün glich DOMINUS LEGEM DAT geheißen haben TRADITIO LEGIS? 23 mußte131, trotzdem sind bis in die 1960er hinein wieder holt Zweifel daran laut geworden.‘32 Die technische Analyse Stanleys zeigt nun, daßdie originale Inschrift wie erwarten war nicht beweisbar dominus pacem dat, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrschein lichkeit do,ninus legem dat. 133 Auf dem Himmel um Christus sieht man farbige Wolken, ähnlich denen, auf die er auf dem monumenta len Apsismosaik von SS. Cosma e Damiano aus den 52Oern voranschreitet. Sie sollen auch i S. Costanza vielleicht illudieren, daßChristus auf Wolken herange schritten kommt, was dann ein apokalyptisches Motiv wäre, und zwar nach Matt 26, 64 und Apok 10, 1­2. Es kann sich darüber hinaus auch um eine Assoziation zum Berge Sinai handeln, wo sich der Herr dem Moses im Wolkenschleier zeigte. Da Augustin schreibt, das Alte Testament sei das Neue verschleiert, und das Neue Tes tament sei das Alte entschleiert‘34, könnte man sich im Unterschied zwischen dem Herrn in den Wolken und dem Herrn auf oder vor oder über den Wolken eine bild liche Markierung des Unterschiedes zwischen der alten und der neuen Offenbarung vorstellen, zwischen der verschleierten und der entschleierten Offenbarung. Dem wiederspricht allerdings ein Blick auf die gegenüberlie gende Apsidiole, die eben die Sinaiszene zeigt, aber ganz und gar unverschleiert. Vom Hügel oder Felsen, über dem sich Christus befindet, strömen heute sichtbar drei Ströme. Sowohl die Verteilung der Restaurierten Flächen auf dem Mosaik und der Vergleich mit dem Sar kophagmaterial machen deutlich, da es sich ursprün glich um vier Ströme gehandelt haben muß. Petrus und Paulus befinden sich auf je ihrer Seite des Hügels in einer grünen Landschaft. Paulus, die meisterhaltendste Figur, blickt zu Christus auf und macht acclainatio. Petrus ist in Kniebeuge dargestellt, mit den Armen und Händen ganz vom Pallium verhüllt. In seiner Linken, dem Beschauer entgegen, trägt er, was als Rest eines Kreuzstabes verstanden werden muß. Hinter sowohl Petrus wie Paulus sieht man eine Palme, und am Fuße dieser einen kleinen Bau, der wie eine Mischung aus Hütte und Turm aussieht (die Mauern sind gequadert). Zwischen den Aposteln und dem Hügel stehen links wie rechts zwei Schafe oder Lämmer. Dem Mosaik sehr nahe verwandt sind die Darstellungen in der Katakombe ad decinzum in Grottaferrata, auf der Grabplatte in Anagni, auf dem Deckel des Elfenbeinkästchens aus Pola und auf einem Goldglas der Vatikanischen Biblio thek. Der Hügel, über dem Christus steht, und von dem die vier Ströme strömen, wird oft als «Paradiesberg» beschrieben, und die Ströme in Verbindung damit als «Paradiesströme» oder « Paradiesflüsse ~ Das Motiv des Hügels mit den Strömen sieht einfach aus, ist aber in Wirklichkeit komplex und vieldeutig, verweist auf eine Reihe von Stellen in der Schrift, um diese dann in einem zusammengesetzten Symbol zu kombinieren, das als das Resultat theologischer Reflexion und Exegese verstan den werden muß. Die Assoziationen zu dem Bericht der Genesis von den vier Flüssen, die dem Paradies ents — 24 — pringen, springt einem sofort in den Sinn. Die Flüsse werden in Gen 2, 10­14 genannt: «Ein Strom entspringt in Eden, der den Garten bewässert; dort teilt er sich und wird zu vier Hauptflüssen. Der eine heißt Pischon; er ist es, der das ganze Land Hawila umfließt wo es Gold gibt. [...] Der zweite Strom heit Gihon; er ist es, der das ganze Land Kunsch umfließt. Der dritte Strom heißt Tigris; er ist es, der östlich von Assur vorbeifließt. Der vierte Strom ist der Eufrat. » Auf einem Teil der traditio legis­Darstellungen sieht man nicht nur Christus, son dern auch ein Lamm, das sich durch ein Chrismon auf der Stirn als allegorische Christusdarstellung bemerkbar macht. Dieses Lamm auf dem Berge, von dem die vier Ströme springen, sieht man auch in der Apsis in SS. Cosma e Damiano in Rom, wo die Ströme sogar mit ihren biblischen Namen versehen sind: GEON FYSON TIGRIS EVFRATA.‘36 Daß das Motiv somit auf die genannte Bibelstelle anspielt, mußman auch schon für Zeit kurz vor 400 annehmen. Das erste mal, daßdas Berg­Strom­Motiv in Ver bindung mit einem dem traditio legis verwandtem Motiv auftritt, ist in der Katakombe SS. Marcellino e Pietro in Rom)37 Der thronende Christus sitzt zwischen Petrus und Paulus über dem Lamm auf dem Berge mit den vier Strömen. Nebenbei stehen vier weißgekleidete Märtyrer, die dem Geschehen huldigen. Das Bild scheint eine ziemlich genaue Wiedergabe von Offb 7, 13­17 zu sein: «Da fragte mich einer der Ältesten: Wer sind diese, die weiße Gewänder tragen, und woher sind sie gekommen? {...] Es sind die, die aus der groß en Bedrängnis kom men; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weißgemacht. Deshalb stehen sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm bei Tag und Nacht in sei nem Tempel; und der, der auf dem Thron sitzt, wird sein Zelt über sie aufschlagen. Sie werden keinen Hunger und keinen Durst mehr leiden, und weder Sonnenglut noch irgendeine sengende Hitze wird auf ihnen lasten. Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Was ser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen.» Die Märtyrer werden vor dem Thron Gottes dargestellt. Zwischen ihnen das Lamm, und in Verbindung damit die vier Ströme oder Quellen, die als aus einem einzigen entsprungen verstanden wer den können, dem Quell des Paradieses nach Gen 2, 10. Eine deutliche Übereinstimmung zwischen den Flüssen im Bild und denen der Offenbarung Johannis wird durch Vergleich mit Offb 22, 1 deutlich: «Und er zeigte mir einen Strom, das Wasser des Lebens, klar wie Kristall; er geht vom Thron Gottes und des Lammes aus.» Selbst wo die vier Ströme des Hügels aus einer so deutlich apokalyptisch inspirierten Vision gelöst sind, müssen die grundlegenden Assoziationen zwischen den paradiesischen Strömen der Genesis und der Apoka lypse intakt bleiben. Die vielen Zusammenhänge, in welchen das Motiv hiernach auftritt, scheint dies zu bestätigen. F~vrier zitiert in seiner Untersuchung der vier Ströme eine Reihe vön wichtigen Quellen zum Verständnis des Motivs bei den Kirchenvätern. Cypria nus sieht die Flüsse als Symbole für die Evangelien und für die Gabe der Taufe. 138 Für Ambrosius und Augustin bezeichnen sie die vier Haupttugenden und dadurch die göttliche Weisheit)39 Prudentius sieht die obengenannte Gleichheit der Flüsse aus der Genesis und des Quells der Apokalypse.‘4° Im Ecclesiasticus 24, 35­37 werden die Flüsse direkt mit dem «Buch des Lebens» von Moses verknüpft, was mit neutestamentlichen Augen als Bestä tigung ihrer Symbolisierung der Evangelien gelten muß.14‘ Die vier Flüsse, die in die Welt fließen, aber der gleichen Quelle entspringen, sind daher Sinnbild der Verkündung des Evangeliums, der frohen Botschaft über den neuen Bund, die aus Christus hervorgeht, und die durch die Apostelmission und den Evangelien an alle Welt verbreitet wird: Fontis designat Salvator iurefigu derts ungeheuer häufig angewandt, nicht zuletzt wäh rend der karolingischen und hochmittelalterlichen «Revivals» der altchristlichen Ikonographie. Mit Paulinus von Nola, einem Ort nicht weit von Rom, im südlichsten Teil der Verbreitungszone des tra ditio legis, findet man einen Theologen, der sich direkt mit Ikonographie beschäftigt, indem er zwei Kirchen, in Nola und in Fundi, bauen und nach seinem Programm ausschmücken läßt. In einem Brief an den neapolitani schen Bischof Severus beschreibt Paulinus die Bilder­ welt seiner neuen Kirche in Nola, in der mehrere der Motive aus dem traditio legis in 5. Costanza beschrieben und erklärt werden. Der Breif ist interessant, weil er eine der einzigen Quellen aus der Zeit um 400 ist, die ein ikonographisches Programm sowohl beschreibt als auch erklärt. Ein Auszug lautet: Regnum et triuinphum pur— ram/De quo quadrifluis decurrunt flumina rivis./Qua tuor itt quondam nascentis origine seacli/Limpida per latumfluxeruntflumina mundum./[. . .1 /Sic doctrina Dei fluxit dc fonte quaterno/Arida divinis irrorans corda scatebris. 142 pura et palma indicant./Petrain superstat ipse petra ecclesiae,/De qua sonori quattuor fontes meant,/Evan gelistae viva Christi flumina.‘~‘ Hier findet die Natur­ Der Berg oder Felsen ist an sich nicht nur der typische Gottheitsort und Offenbarungsort wovon die Gesetzgebung auf dem Sinai und die Verklärung auf dem Tabor biblische Beispiele sind aber auch selbst Symbol für Christus, indem er als der Fels verstanden werden kann, von dem Moses nach Gottes Gebot mit seinem Stab die Quelle zur Erlabung des Volkes Israel in der Wüste hervorbrachte und dieser Felsen ist nach Paulus als Christus selbst zu verstehen. 143 Der Felsen mit der Quelle in der Wüste ist auch deshalb ein Symbol für Christus, weil das Schlagen des Felsens durch Moses mit der Handlung des Longinus vergleichbar ist, der beim Tode Christi ihn mit der Lanze die Seite öffnete, aus der Wasser und Blut als Symbole für Taufe und Eucharistie flossen, die nach dem Opfer Christi die Rei nigung und Opferung der Opferhandlung symbolisch wiederholen. Der Fels ist weiterhin Golgotha, wo die Erlösungstat Christi ihre Vollendung durch seinen sieg reichen Opfertod am Kreuze fand. Es ist von Golgotha aus, daßdas Evangelium in die Welt strömen kann. Und durch den Tod Christi wird sein Todesbaum zum Baum des Lebens, und die Stelle seines Todes wird zur Stelle des Baums des Lebens, was heißt: Zum Paradies, warum die vermischte Symbolik der Ströme als Quell des Lebens, als weltumspannende Paradiesflüsse mit gemeinsamen Quell und als Verkündung des Evange liums in allen Richtungen der Welt wieder hervorgeru fen wird. Es gibt in 5. Sebastiano einen Sarkophag mit dem Siegeskreuz (als solches durch einen Kranz mar kiert) erhöht auf einem Hügel, auf welchem es schwer zu entziffern ist, ob die vier Ströme nun dargestellt sind oder nicht, und der von Petrus und Paulus flankiert ist, Petrus links vom Hügel angebracht. Wenn der Hügel die vier Ströme zeigte, so ist dies eine genaue Verbildli chung des oben erläuterten (Rep.224). Auf diese Weise ist der Felsen oder Hügel mit den vier Strömen ein starkes Bild mit vielen Bedeutungen, die sich gegensei tig beeinflussen. Es wird nach dem Ende des 4.Jahrhun­ — — — symbolik von 5. Costanza in den Worten der Zeit eine Erklärung. Christus ist der Grundfels der Kirche, und der Fels, über den er steht, ist Symbol für ihn selbst. Er selbst er der Ursprung der Verkündung und damit des Evangeliums. Die Palmen, die die Komposition flankie ren, weisen auf den Triumph hin, der der Triumph der Auferstehung oder des Wiederkommens sein muß.‘45 Die Flüsse sind die Verkündung des Evangeliums. Die Lämmer, die sich um den Hügel scharen, worü ber Christus steht, sind ebenfalls in ihrer Bedeutung vielschichtig. Ein Lamm allein steht gerne für das Lamm der Apokalypse, das das Gotteslamm des Johan nesevangeliums ist, also Christus selbst, das Opferlamm. Das Lamm weißt auf Christus hin und auf den neuen Bund durch seinen Opfertod, der gleichzeitig seine Versöhnung von Gott und Mensch und sein Sieg über den Tod ist)46 Als solches ist das Lamm auch Symbol des Sakraments der Eucharistie, bei welcher der Opfer­ tod Christi wieder vollbracht wird. Das Symbol ents tammt der alttestamentlichen Prophezeiung vom leiden den Diener Gottes, der die Sündenlast der Menschen trägt‘47 und vom Gebot Mose (Ex 12) über die Schlach tung des Paschalammes, das als Vorausahnung der Erlö sung durch das Blut des Lammes und des daraus folgen den Sieges gesehen werden kann (vgl. Ex 12, 13).148 Wenn das Lamm sich nun meistens auf den Hügel mit den vier Strömen befindet, so ist dies mit den oben erlaüterten Bedeutungen zu erklären. Das Kreuz als Sie gestrophäe des Opferlammes, wie man es auf den Pas sionssarkophagen sieht, ist lediglich durch das Lamm selbst abgelöst. Wenn mehrere Lämmer zugleich vorhanden sind, symbolisieren sie gerne die Apostel oder die Gemeinde als ganzes, die Petrus nach der Him melfahrt hüten soll‘49, also das neue Gottesvolk‘50, das die zwölf Stämme Israels ablöst.‘5‘ Weiterhin wird das Lamm als Bild des Gläubigen allgemein verstanden, denn wie Gerke erwieß, finden sich in den Zwickeln des Junius­Bassus­Sarkophages eine ganze Reihe kleiner Lämmerallegorien, in welchen die Lämmer für Moses, für Johannes dem Täufer und flir Christus stehen.‘52 TRADITIO LEGIS? 25 Die hüttenartigen Gebäude unter den Palmen, die fast ganz von den Restauratoren neu geschaffen sind, können möglicherweise als die Stadtarchitekturen ver standen werden, die von dieser Zeit an in Apsidenkom positionen und anderen Bildformen aufzutreten begin nen. Oft machen die Lämmer zwei Prozessionen aus, die von je ihrer Stadtarchitektur dem Berg oder Felsen in der Mitte, auf dem das Lamm Gottes steht, zustreben. Die Zwölfzahl um den einen Versammelt entspricht sowohl dem Apostelkollegium und den zwölf Stämmen Israels. In einigen Fällen, allerdings, sind die Prozessio nen kürzer, wie im Falle S. Costanzas, wo sich insge sammt nur vier Lämmer auf den Felsen zu bewegen, oder man sieht statt der Prozessionen nur locker um die zentrale Figur versammelte Lämmer. Möglicherweise ist in diesen Fällen von einer allgemeineren Bedeutung als die, die den zwölf Lämmern anhaftet, die Rede, obwohl man sich schon vorstellen muß, daßdie Vierzahl auf die Evangelien hinweisen könnte‘53, oder auf die vier Him melsrichtungen, aus denen die Gläubigen kommen. Da die Architekturstücke, aus denen die Lämmerprozessio nen kommen, in einigen Darstellungen mit den Namen von Jerusalem und Bethlehem versehen ~ ist die allgemeine Haltung, daß man die Gläubigen aus den Juden und den Heiden sich um das Lamm scharen sieht, womit die alte Grenze zwischen Juden und Nichtjuden im neuen Gottesvolk aufgehoben ist.‘5> Man sieht auch die Versammlung der Lämmer um das Lamm auf dem Felsen mit den Strömen direkt unter einem traditio legis dargestellt. Eine solche Darstellung in zwei Registern kann als zwei sich supplierenden Darstellungen mit vergleichbarem Inhalt verstanden werden. Gerke meint im Lämmerfries eine allegorische Spiegelung der direkten Darstellung Christi mit einem Gefolge zu sehen)56 Der Lämmerfries zeigt die Gläubi gen, als Gemeinde hier oder jenseits verstanden, als Apostel oder Evangelisten (je nach Anzahl) um das Lamm, das Opferlamm und ehrwürdig siegender He1T in einem ist. Der allegorische Fries unterstreicht Teile der Bedeutungen des figurativen Motivs und enthält gene relle Aussagen, die verschiedene figurative Darstellung Christi und seiner Gemeinde in der gemeinsamen Bot schaft verknüpft, daßdie Gemeinde sich um den durch sein Opfer siegreichen Erlöser, der der Quell des Lebens und der Grundfels der Gemeinde ist, versammelt. Auf einer ganzen Reihe von traditio legis­Darstel lungen gibt es Lämmerfriese, und es scheint sogar, wie erwähnt, daß diese zuerst in Verbindung mit traditio legis auftreten. Die Vergleichspunkte zwischen dem Friesmotiv und traditio legis sind auch mehr als zu ande ren Christusdarstellungen, weil das Lamm­Hügel­ Ströme­Motiv als integrierter Teil beider Motive dar­ steht. Das Lamm­Hügel­Ströme­Motiv findet sich auch auf Darstellungen des siegreichen Christus mit dem Gemmenkreuz und besonders mit dem christus magister am Ende des 4.Jahrhunderts. Wenn die allegorische Spiegelung des zentralen figurativen Motivs die gleiche für alle diese drei darstellungen sein kann, so deutet das 26 darauf hin, daß ein Großteil der zentralen Botschaft gleich oder nahe verwandt sein muß. Auf dem S. Ambrogio­Sarkophag in Milano ist dies besonders deutlich, da man auf Vorder­ und Rückseite ein unterstes Register mit bzw. Lamm auf Hügel und Lamm auf Hügel mit Lämmerfries hat, während man im Hauptre gister bzw. christus magister zwischen den Aposteln vor oder im Himmlische Jerusalem und traditio legis zwi schen den Aposteln vor gleichem Hintergrund hat. Die Gleichheit des untersten Registers scheint die teilwiese Identifikation der zwei Hauptmotive, die auch durch den gleichartigen Hintergrund und figurativen Kontext anklingt, zu verstärken.‘57 In den Psalmen werden die Lamm­ und Hügel­ Motive in einer Weise angewendet, die dies nochmals zu bestätigen scheinen: « Jauchzt vor dem Herrn, alle Län der der Erde! Dient dem HelTn mit Freude! Kommt vor sein Antlitz mit Jubel! Erkennt: Der Herr allein ist Gott. Er hat uns geschaffen, wir sind sein Eigentum, sein Volk und die Herde seiner Weide.» (Ps 100, 1­3). Hier sieht man die Versammlung der Herde, der Lämmer, vor dem Antlitz Gottes, wie es geschieht, wenn die Lämmer oder Schafe sich um Christus oder dem Lamm scharen. An einer anderen Stelle wird auch erklärt, wer sich um den Hügel schart: «Wer darf hinaufziehn zum Berg des Herrn, wer darf stehn an seiner heiligen Stätte? Der reine Hände hat und ein lauteres Herz, der nicht betrügt und keinen Meineid schwört. Er wird Segen empfangen vom Hen­n, und Heil von Gott, seinem Helfer» (Ps 24, 3­5). In diesen beiden Zitaten können die Christen als neues Gottesvolk ihre Hoffnung auf eine Aufnahme in der Gemeinde im Jenseits reflektiert sehen, der Ver sammlung vor dem Antlitz Gottes, die der gerechte Lohn von Seiten des erlösenden Gottes ist. Die Versammlung der Lämmer um den Hügel mit dem Erlöser kann somit als Verbildlichung u.a. dieser beiden Stellen gelten. Wisskirchen und Heid meinen spezifischer die Darstellung als Illustration der Prophezeiungen Jesajas‘ und Mikas über die Versammlung der Völker um den Zionsberg sehen zu können.‘58 Die Städte oder Hütten sollen ihrer Meinung nach nicht als Bilder entgegenge richteter Traditionen verstanden werden, dagegen als bloßsymmetrisches Kornpositionsmittel mit der mögli chen Hinsicht die verschiedenen Richtungen, aus wel chen die Völker zum Platz der Offenbarung strömen sol len. Sie zitieren Eusebius von Caesarea als ungefär gleichzeitige Quelle für das Verständnis dieser Schrift­ stellen, und in seinem Kommentar werden sie mit einer für unser Motiv relevanten Umschreibung zitier: «In den letzten Tagen wird der Berg des Herrn sichtbar sein und das Haus Gottes auf den Bergeshöhen. Und er wird über die Hügel erhöht werden. Und alle die Völker wer den zu ihm kommen. Und viele Völker werden hingehen und sagen: «Kommt und laßt uns zum Berg des HelTn aufgehen und ins aus des Gottes Jakobs! «Und er wird uns seinen Weg bekannt machen und wir werden auf ihm gehen. Denn aus Zion wird das Gesetz hervorgehen und das Wort des Herrn aus Jerusalem.» ~ die Läm merprozession als solche eingeht, oder wo auch nur Lämmer sich um den Berg scharen, scheint es im Anschlußan diese Prophezeihungen, besonders in ihrer eusebianischen Formulierung, daßdas Bedeutungsspek trum des traditio legis mit apokalyptischen Elementen erweitert wird, da man die Szene dann als in den letzten Tagen vorgehend vestehen kann, als Christus sich erhöht über dem Berge Zion zeigt, wozu das neue Gottesvolk strömen wird, und von wo die neue Ordnung oder das neue Gesetz ausgehen wird, das die Welt verändern soll Es wird an die esajanische Vision von der Einstiftung des neuen Bundes angeknüpft, es wird aber durch die Kombination mit dem Zeitpunkt, «in den letzten Tagen »‚ mit der apokalyptischen Vision vom Kommen des ewigen Gottesreiches am Zeitenende verbunden. Während die Darstellung des thessalonikanischen Kästchens also ganz ohne Zeitindikator war, scheint in dem traditio legis von 5. Costanza direkter auf alt­ und neutestamentliche Prophezeiungen des Kommens eines neuen Zeitalters hingewiesen zu werden, und damit größeres Gewicht auf die Wiederkunft Christi am Zeitenende, als auf seiner Erlösertat und Auferstehung, zu liegen. Nichts desto weniger kommt mir die Szene immer noch merkwürdig unhistorisch vor, weil man trotz der Hinweise auf die letzten Tage keine Darstellung einer Handlung hat, die eindeutig die Wiederkunft Christi wiedergibt, aber eine Kombination von Merkma len des Zustandes nach der Auferstehung und dessen des endlichen Kommens des Gottesreiches am Jüngsten Tag. Ich meine, daßdies sich dadurch erklären läßt, daßdas Gottesreich eigentlich sowohl vor als nach dem eingent lichen « historischen» Jüngsten Tag, der mit der Wieder kunft Christi erwartet wird, existiert. Durch die Verkün dung und die Erlösertat Christi steht das Gottesreich denen offen, die glauben, und das Himmlische Jerusa lem ist somit gewissermaßen schon in der Kirche eta bliert, im Anwesen des Heiligen Geistes. Das Reich, über das sich Christus König nennt, existiert sowohl im Hiesigen als im Jenseits, in der Kirche als im konkreten Gottesreich, das der gläubigen Menschheit erwartet. Die Kirche ist Christi Braut auch bevor die Vermählung stattfinden kann und soll. Der Heilszustand, für den das traditio legis­Motiv ein Ausdruck zu sein scheint, ist in dieser Weise nach seiner Etablierung gewissermaßen ein ahistorischer Zustand, auch wenn er zwei Phasen hat oder in zweifacher Weise zu Ausdruck kommt, sowohl der hiesiegen geistige als auch der kommende konkrete. Traditio legis mit apokalyptisch geprägtem Kontext, wie man ihn in S. Costanza findet, ist daher teils Ausdruck einer abstrakten Vorstellung der Erlösung als Zustand, der sich im Glauben gründet, teils einer konkreten Vor stellung der Manifastierung des evigen Heils bei der Wiederkunft Christi. Das Motiv bringt eine ganze Reihe von selbst komplexen und vielfach unpräzisen Bildern des Gläubigen, der Kirche, Christi und der Erlösung ins Spiel, und beschwört dadurch ein kompliziertes Bild herauf, das Assoziationen zu vielen verschiedenen Bibelstellen und Zusammenhängen hervorruft, die sich zusammen als Bild der Erlösung durch den Glauben an Christus, hier und jenseits, erweisen. MOSES AUF DEM SINAI Die Apsidiole rechts vom Eingang, also gegen Nord, zeigt Gott/Christus in purpurner Tunika mit Pal lium, in einer Palmenlandschaft auf der Sphärenkugel sitzend (Fig. 7). Die Darstellung, die wie ihr Gegenstück stark (fehl)restauriert ist, erinnert in diesem Zug an die des etwa 150 Jahre jüngeren Apsismosaiks von 5. Vitale in Ravenna. Mit seiner Rechten reicht Gott etwas einer Person entgegen, die ihm, in weißer Tunika mit Pallium bekleidet, mit vorgestreckten und verhüllten Armen und Händen von seiner rechten Seite entgegeneilt. Die Res taurierung macht es schwer zu erkennen, um welchen Gegenstand oder welche Gegenstände es geht. Es scheint aber, daßin diesem Falle die Ikonographie der Überreichung angewandt ist, und man kann so davon ausgehen, daßeine solche vorgeht. Die Ikonographie der Darstellung hat im frühchristlichen Material keine Ent sprechung, und verlangt daher einige Aufmerksamkeit. Zu den Gegenständen der Übertragung kann es zwei Alternativen geben: Entweder Christus, der Petrus die Schlüssel überträgt (Matt 16, 18), oder Gott, der Moses die Tafeln des Gesetzes gibt.‘6° Endlich meinte Schuma cher, daßdas Motiv als eine sehr mißverstandene Res taurierung einer Darstellung sein könnte, ähnlich der mit einem thronenden Christus zwischen den Apostelfürs ten, die bis 1592 sich in der Apsis von Alt­Skt. Peter befand, und die aus der Zeit Innozenz III. stammte.‘6‘ Wie aus der Analyse der originalen Teile des Mosaiks von Stanley hervorgeht, mußeines der Hauptargumente für diese letzte Auslegung zurückgewiesen werden, nämlich daßChristus ursprünglich frontal in einer sym metrischen Komposition dargestellt sein sollte, indem gerade die wichtigen Elemente, wie die linke Hüfte und das linke Knie Christi, ebeso wie seine beiden Füße, im Originalzustand erhalten sind, und diese können nur so verstanden werden, daßChristus ein wenig nach rechts gedreht sitzt, und also ein assymetrisches Sitzmotiv auf weist. Die technische Analyse ergab auch, daßdrei paral lele Reihen von Tesserae, zwei von dunkelblauen, eine von hellblauen, die aus der Hand des Gott/Christus her vorgehen, ebenfalls original sind. Eine Nahaufnahme dieses Details scheint mir ein überzeugendes Indizium dafür zu sein, daßdas Übertragene nicht die Schlüssel sein können, sondern etwas flaches, was also dann die Gesetzestafeln heißen muß, evt. in der Form eines Dip tychon, wie in den meisten Darstellungen der Zeit. Wenn deshalb auch kein Berg zu sehen ist, wie es bei der Sinaiszene oft der Fall ist (wo Moses evt. auch nur auf einen Stein tritt), und wie es auch in der Darstellung auf dem thessalonikanischen Kästchen der Fall war, scheint es sich doch um die Etablierung des alten Bundes zu handeln.‘62 Daß Moses nach der Beschreibung Ugonios aus dem Jahre 1594 ursprünglich bärtig gewesen sein soll, was ebenfalls bei der Sinai­Ikonographie nicht üblich ist, könnte gegen eine solche Identifikation der Ikono TRADITIO LEGIS? 27 Fig. 7. Gesetcesen,pfang Moses auf dein Sinai. Nördliches Apsidiolenmosaik in S. Costan~a, Rom. Foto des Veifassers. graphie sprechen. Es gibt aber eine ganze Anzahl von Beispielen eines bärtigen Sinai­Moses aus dem 4. und frühen 5.Jahrhundert, wofür z.B. die Darstellungen auf Lipsanothek von Brescia und auf den Türen von 5. Sabina und wahrscheinlich auch des thessalonikani schen Kästchens angeführt werden können.‘63 Endlich trägt die Moses­Figur Sandalen, was eigentlich nicht mit dem Gebot Gottes an Moses über einstimmt, sein Schuhzeug vor dem brennenden Dor nenbusch auszuziehen, da er auf heiligem Grund sich befände (Ex 3, 5), eine Darstellung, die sich häufig in der Katakombenmalerei wiederfindet. Es gibt aber einen Sarkophag, auf dem Moses auf dem Sinai mit Sandalen gezeigt ist, was natürlich bedeutet, daßeine derartige Darstellung durchaus möglich ist. ‘~ Geht man wieder zu 5. Vitale, 150 Jahre später, so sieht man sowohl die Lösung der Sandalen vor dem brennenden Dornenbusch als auch die Gesetzesübergabe auf dem Sinai mit einem Sandaltragenden Moses.‘65 Vieles spricht dafür, daßdas Mosaik ursprünglich eher Moses als Peter zeigte. In die ser Verbindung ist es interessant, daß Gott nicht wie üblich zwar vorhanden ist, aber sich in Wo[ken verhüllt, sondern daßer sich sehen läßt. Moses sieht jedoch eher nach unten als zu ihm auf, was wieder für eine Moses Darstellung spricht. In der Gegenüberstellung der Apsidiolen in 5. Cos tanza scheint also gewissermaßen eine Parallele zur Organisation des thessalonikanischen Kästchens, wo traditio legis und Sinaiszene sich über eine Ecke fast spiegelverkehrt gegenüberstanden. Eine Spiegelung von Moses und Petrus ist auch in 5. Costanza durchgeführt, da beide Figuren sich auf der Seite ihrer Apsidiole befin 28 den, die am weitesten vom Eingang entfernt liegt, und die man daher auch zuert vom Eingang her sieht. Auf dieser Weise stehen sie sich im Raum direkt gegenüber (fast) als Spiegelungen. Die Thematik, die damit ange schlagen ist, scheint mir ebenfalls vergleichbar der des thessalonikanischen Kästchens: Die Offenbarung Gottes bei der Einstiftung des alten Bundes gegenüber dem traditio legis hebt traditio legis hervor als die Dar stellung des neuen Bundes und der Verbindung zwi schen dem alten und dem neuen Bunde, zwischen dem alten und dem neuen Gottesvolk und ihren Führern. Der triumphale Aspekt des traditio legis betont, im Gegen satz zum herrscherlichen der Sinaiszene, den neuen Bund als einen Sieges­ und Jubel­Zustand, begründet in dem neuen Gebot und dem Sieg über den Tod. Der HeIT als Herrscher steht dem Herrn als Erlöser gegenüber. Der Gott des Gesetzes steht dem der Gnade gegenüber. Gott Vater sitzt dem inkarnierten Gott gegenüber. Aber gleichzeitig wird bei der Gegenüberstellung der beiden Darstellungen, und bei der Anwendung der Christus­ gestalt in beiden Gotesdarstellungen, auch klar, daßes sich um ein und denselben Gott handelt, um das gleiche Gebot, aber auf zwei verschieden Stufen das gleiche Motiv, das oben in Verbindung mit der christlichen lex und mit dem Thessalonikanschen Kästchen erläutert. — DIE APSIDIOLEN IM KONTEXT Die beiden Apsidiolen sind Teil eines größeren Pro gramms, von dem nur sehr spärliche Reste erhalten sind. Als Gegenübergestellte Darstellungen in einem Rund bau sind sie gewissermaßen Antipole, Teile eines Zyklus und doch entgegengesetzt. Dies unterstreicht das oben angeführte Verständnis von ihnen als altes und neues und doch eines. Sie sind Teil des Gesammtprogramms des Raumes, dessen restliche Mosaikausstattung urspün glich die zwölf kleinen Nichen des Ungangs, der kleine Turm und die große viereckige Niche darunter, dem Ein gang gegenüber, und endlich die große Kuppel umfaßte. Eine detailgetreue Rekonstruktion des Programms ist leider heute nicht möglich. Wichtige Teile und Motive sind jedoch bekannt durch Zeichnungen des Francesco de Hollanda aus der Mitte des 16.Jahrhunderts, und durch die Beschreibungen in der Hypnerotomachia Fall fiu des Francesco Colonna (1499) und des Ugonio (1594), die alle aus der Zeit vor der großen Restaurie rung/Zerstörung von 1620 stammen.‘66 Die Motive der Kuppel, die als Felder in einer über aus reichen Groteskendekoration eingetzt waren, waren allem Anschein nach alttestamentlich und scheinen sich um Opferung und ElTettung aus der Not zu handeln. Stern identifizierte Susanna und die Ältesten, die Opfe rungen Kains und Abels, die Opferung Elias‘ auf dem Karmel, Tobias mit dem Fisch, möglicherweise Lot und die Engel, und das Quellwunder Mose.‘67 Frutaz ver gleicht die Thematik mit derjenigen, die in den Kata komben und auf Sarkophagen mit den Geschichten von Jonas, von Daniel in der Löwenkuhle, von den drei Jünglingen im Feuerofen und von Noah in der Arche ausgedrückt wird. Es scheint also, daßhier von einem erweiterten Zyklus der Erlösungs­ und Glaubenstypolo gien die Rede ist, der auf dem thessalonikanischen Käst chen zwei der Bildflächen vorenthalten war. Was sich in den zwölf kleinen Nichen befand, weiß man nicht. Die Zwölfzahl macht es naheliegend, die Apostel anzunehmen, was aber rein hypothetisch sein muß. Was man aber weißist, daßin dem Türmchen eine allegorischen Darstellung fand, die wahrscheinlich die Hochzeit zu Kanaa vorstellen sollte.‘68 Aus Ugonios Beschreibung geht weiter hervor, daßsich auf der West­ wand des Türmchens ein Mosaik befand, daßdem der Apsis von 5. Pudenziana ähnlich war, also mit einem thronenden Christus von Aposteln umgeben. Über dieser waren Äste und Kandelaber zu sehen. Auf der Nordseite des Türmchens befanden sich einige sitzende Personen, die wahrscheinlich eine Fortsetzung der Darstellung auf der Westwand waren. In den Ecken der Westwand gab es endlich zwei Frauen in weißen Gewändern.‘69 Es han delte sich im Tu~•rchen also um eine Darstellung des christus magister, die wie oben erwähnt ein Motiv mit naher Verwandtschaft zum traditio legis ist.‘7° Nach einer kleinen Skizze im Manuskript Ugonios waren unter der christus magister­Darstellung nicht nur das Lamm auf dem Hügel zu sehen, sondern außerdem meh rere Lämmer, was einen mehr oder weniger ausgebilde ten Lämmerfries vermuten läßt. Genauer läßt sich das Gesammtprogramrn nicht rekonstruieren, aber es läßt doch einen generellen Eindruck der Hauptelemente zu. Traditio legis in 5. Costanza ist somit ein traditio legis, — — das über die alttestamentlichen Bilder des Kuppels für Glaubensbekenntnis und Erlösung sowohl mit einer Sinai­ als mit einer christus magister­Darstellung zusammengestellt ist, entsprechend dem, was man auf dem 5. Ambrogio­Sarkophag i Milano sieht, wo christus magister zwischen den Aposteln die Vorderseite schmückt, traditio legis die Rückseite und Moses auf dem Berge Sinai die eine der Schmalseiten. Die christus magister­Darstellung hebt, ebenso wie die Sinai­Darstellung, einen bestimmten Aspekt des tra ditio legis hervor und spielt mit sowohl dieser als der Sinaiszene zusammen in einer Betonung der neuen Lehre oder der neuen Belehrung, die das Christentum als Ablösung der Lehre und Belehrung, die Gott dem jüdischen Volk gab, ausmacht, und die durch Christus verkündet und durch seine Auferstehung und der Aus gießung des Heiligen Geistes bestätigt und befestigt wurde. Obwohl christus magister in der in 5. Puden ziana und auf dem 5. Ambrogio­Sarkophag bekannten Version mehr eine Darstellung eines Zustandes denn einer Handlung ist, ist der endzeitliche Aspekt deutlicher als bei traditio legis, u.a. weil deutlicher auf Motive aus den Apokalypsen in den Evangelien und in der Offenba rung Johannis angespielt wird. Christus zeigt sich mit seinen Aposteln, die ihren Platz auf Thronen bei seiner Seite eingenommen haben, wie ihnen verhießen worden war. Das Lamm vor dem Thron scheint auf die Offenba rung Johannis hinzuweisen und ihrer Beschreibung des Himmlischen Hofes am Ende der Zeit. Man kann daher möglicherweise die Darstellungen der drei Hauptapsi den in 5. Costanza so verstehen, daßsie sich gegenseitig ansprechen und beleuchten, so daßman in dem zykli schen Umgang des Baus die drei letzten Zeitalter des großen Heilsplanes verbunden sieht, sub lege, sub gratia und endlich die Wiederherstellung der Harmonie zwi schen Gott und Menschheit im Himmlischen Jerusalem.‘7‘ — — ZUSAMMENFASSUNG Bei der Bewegung von dem einfachen zu dem kom plexen traditio legis­Typus, der hier mit den Beispielen des thessalonikanischen Kästchens und der Sydapsidiole von 5. Costanza vorgenomen wurde, habe ich versucht mich vom zentralen und übergeordneten zum supplie renden und erweiternden Bedeutungsrepertoire, das das Motiv bietet, zu bewegen. Die Absicht war, das Zentrale als solches darstehen zu lassen, ohne das «periphäre» auszulassen, das wo es auftritt nämlich nicht per iphär ist, sondern integrierter Teil der Aussage ist. Ein Resultat meiner Untersuchung ist, daßich die heute noch verbreitete Vorstellung einer Übertragung oder Übernahme von etwas entgegengehen muß. Was gezeigt ist, ist eine Verkündigungsszene mit Parallelen zur christus magister­Darstellung. Die Anwesenheit der Apostelfyrsten bei Christus und ihre verschiedenen, aber — — TRADITIO LEGIS? 29 einander supplierenden Charaktere und Bedeutungen, hat zwar für Rom, wo sie die wichtigsten Heiligen waren und sind und wo ihr Kult vor allem zu Hause ist, beson dere Relevanz. Sie sind aber auch universelle Garanten für den rechten Glauben, der auf die direkte Offenba rung Christi zurückzuführen ist, und als solche ist ihre Bedeutung nicht ausgesprochen oder gar ausschließlich römisch, aber universal für den orthodoxen Glauben. Die Darstellung ist sowohl Verkündung und Bild des neuen Zustandes der Gnade, der durch Christus eingelei tet wurde, und der durch durch die Kirche und ihre Gründer, die Aposteln, vermittelt wird, und die sowohl hier als im Jenseits existiert, sowohl historisch in der irdischen Gemeinde als ewig in der himmlischen. Während das thessalonikanische Kästchen nicht die sonst meist für die Darstellung des traditio legis typi schen, spezifizierenden Elemente enthält, die auf das Opfer Christi, der Auferstehung, den Triumph und die Wiederkunft am Ende der Zeiten deutlich hinweisen, und die dadurch den letzten Teil der Heilsgeschichte, von der Inkarnation des Herrn bis zum Ende der Zeiten, bezeichnet, enthält die Darstellung in 5. Costanza eben diese Elemente. Wenn in 5. Costanza, wie in den meis ten anderen traditio legis­Darstellungen, dies so sehr gewichtet wird, kann das mit dem funerären Kontext zusammenhängen, in welchem das Mausoläum, ebenso wie die Sarkophage, die Grabplatte und die Katakom benmalereien, engehen. Themen wie die Auferstehung (und das Opfer als VolTaussetztung dafür) und das Ende der Zeiten ist in diesem Kontext viel naheliegender als bei einem (wahrscheinlichen) Reliquar. Sowohl im thessalonikanischen Kästchen als in 5. Costanza sieht man eine Parallele zwischen dieser Darstellung des Gnadenzustands und der mit dem Emp fang der Gesetzestafeln auf dem Sinai gezogen. Diese kontrastreiche Gegenüberstellung hebt teils die Konti nuität der Heilsgeschichte hervor, teils aber auch das Neue am neuen Zustand. In beiden Fällen wird das Gesetz Gottes als Voraussetzung der Erlösung hervorge hoben, und sowohl der Ursprung des Gesetzes als seine Verkünder sind prominent vorhanden, wodurch die Parallelen zwischen Moses und Christus, bzw. den Aposteln, ausgeprägte Relevanz verliehen wird. Auf dem thessalonikanischen Kästchen wie in S. Costanza ist das traditio legis­Motiv Teil eines Gesammtpro gramms, das die Heilsgeschichte wiederspiegelt und auf die irdische wie die kommende und doch ewige himm lische Gemeinde als Ort der Gnade und der Erlösung hinweist. Dem Gebot Gottes zu folgen heißt Teil seiner Herde sein — ein Lamm unter dem Schutz des guten Hirten — jetzt wie vorher und im Kommenden. Diese Gebote sind in Christus offenbart und durch Petrus und Paulus vermittelt und erklärt, deren Lehre durch Gott Christus selbst autorisiert ist und die der Weg des Men schen zum Heil ist. Wo die Lehre Petri und Pauli befolgt wird, dort herrscht das Gesetz Gottes, das Christus als der Weg, die Wahrheit und das Leben geoffenbarte, und dort ist Gnade und Erlösung zu hause. Hierdurch wurde das Motiv in seiner Zeit wichtig, weil es Relevanz für Menschen hatte, die leben und sterben mußten, und die in einer Zeit voll verschiedener Antworten dazu, welcher für sie der richtige Weg zu folgen sei, und was Gott ihnen geboten hat, klare und starke Aussagen über den rechten Weg zur Wahrheit und zum Leben brauchten. Anmerkungen Bibliographische Anmerkung: CETEDOC steht für die Daten bank CETEDOC, die unter anderem das Corpus christiano ruin, Series latina und die Sacra Biblia, Vulgata editionis enthält. Die Zitate der Heiligen Schrift sind wiedergegeben aus Die Bibel. Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung, Herder, Freiburg, Basel, Wien 1980. 3.Folge, 12, 1961, wo so sich die Suche nach dem Urmotiv entwickelt, von dem man mehr oder weniger erwarten muß, daßes die eigentliche Intention am reinsten vermittelt. Obwohl ich sehr wohl meine, daßman von einem zentralen Bildinhalt oder einer Hauptbotschaft sprechen kann, ist der Gedanke an der größeren Echtheit einer ersten Idee nicht haltbar. 1. Hierbei sind solche ausgelassen, die wegen ihres zu frag mentarischen Zustandes als zu unsicher erscheinen, solche, die der ravennatischen Gruppe der sogenannten traditio legis an Paulus angehören, weil ich der Ansicht bin, sie haben außer der Namensgleichheit keinen Zusammenhang mit dem hier behandelten Motiv, und außerdem wahrscheinliche Repliken des Barock, wenn sie auch möglichweise nach Originalfrag menten geschaffen sind. 5. Erstmals in nichtgriechischer Literatur publiziert bei H. Buschhausen, Die spätantiken Metallscrinia und frühchrist lichen Reliquare. 1.Teil: Katalog (Wiener Byzantinische Stu dien, Bd. IX), Wien 1971, B 12, abgb.: B 43­44, B 63­66. Ausführlich behandelt in M. Panayotidi u. A. Grabar, «Un reh quaire paI6ochr~tien r&emment d~couvert präs de Thessalo nique», Cahiers archäologiques 24, 1975. Später u.a. bespro chen von B. Kiilerich, Late Fourth ~entury Classicism in the Plastic Arts. Studies in the so­called Theodosian renaissance (Odense University Classical Studies 18), Odense 1993, 182f. 2. Dies sieht man z.B. auf dem Sarkophag Gregors V in den Grotte Vaticane (WS 39, 1), auf dem S. Sebastiano­Sarkophag (WS 149) und in fragmentierter Form auf dem S. Maximin Sarkophag (WS 39, 2) und auf dem S. Paolo fuori le mura­Sar kophag (WS 17, 1). 3. F. Gerke, «Der Ursprung der Lämmerallegorien in der alt­ christlichen Plastik», Zeitschrift für die neutestamentliche Wis senschaft und die Kunde der älteren Kirche 33/2­3, 1934, 174. 4. So z.B. in C. Davis­Weyer, «Das Traditio­Legis­Bild und seine Nachfolge», Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 30 6. Panayotidi u. Grabar, op. cit.; Kiilerich, op. cit., 184 datiert es in die 3 80er oder 390er. Der Vergleich mit den großen Köp fen des Probus­Diptychons in Aosta (406) meine ich doch, den Datierungsrahmen bis nach 400 strecken zu können. 7. J. Kollwitz, Das Christusbild der frühchristlichen Kunst, Lexikon der christlichen Ikonographie. Erster Band: Allge meine Ikonographie A­Ezechiel (E. Kirschbaum, Hrsg.), Frei burg im Breisgau 1968. 8. Vgl. hierfür T. F. Mathews, The Clash of Gods. A Reinter pretation ofEarly christian Art, Princeton (New Jersey) 1993, 103ff. 9. 0. Wulff, Die altchristliche Kunst von ihren Anfängen bis zur Mitte des ersten Jahrtausends (Altchristliche und byzanti nische Kunst 1), Berlin­Neu Babelsberg 1914, 139. 10. G. Jeremias, Die Holztür der Basilika S. Sabina in Rom (Bilderhefte des deutschen archäologischen Instituts Rom VII), Tübingen 1980, 77ff. Ein Argument gegen eine traditio legis­Darstellung ist, daß Petrus nicht links, sondern rechts neben Christus steht, was sonst nie vorkommt. Jeremias, op. cit., 80 bringt die wahrscheinlich beste Interpretation der Szene, in dem sie annimmt, es könne sich um eine Darstellung von Christi Beschreibung seiner selbst als Brot des Lebens sein (Joh 6, 32ff.), aber ins Jenseits versetzt, wo die Apostel Teil am Brot des Lebens haben und, Lk 22, 29f. zufolge, es mit Christus zusammen genießen. 17. Teilweise wurde dadurch sogar, in der Nachfolge von Duchesne, Origines du culte chrätien, p. 291 einen Zusam menhang zum traditio syinboli der Taufzeremonie angenom men, was z.T. durch die Narnensgleichheit zustande kam. 18. Der erste, der diesen Vergleich anführt, ist G. B. de Rossi, «Delle irnagine sacre effigiate sui piatti trovati in PortofUten sili cristiani scoperti a Porto/Di due singolari monurnenti, nei quali Cristo dii il volume a s. Paolo», Bulletino diArcheologia Cristiana, serie 1, anno VI, Rorna 1868. Spätere Beispiele sind u.A. A. Grabar, L‘einpereur dans l‘art byzantin, Paris 1936, Reprint London 1971, 200f., der auch diese beiden Beispiele als Vergleich anführt. 19. T. Birt, Die Buchrolle in der Kunst. Archäologisch­anti quarische Untersuchungen zum cmtiken Buchwesen, Leipzig 1907 — Repr. Hildesheim/N.Y. 1976, 323. 20. Birt op. cit., 185. 21. Z.B. der Sarkophag des Probius Petronius Anicius, der allem Anschein nach dem Mausoläum der Anicier entstammen muß, das an die Apsis von Alt­St. Peter um 400 angebaut wurde. 11. H. Grimouard de Saint­Laurent, «Art chrdtien primitif. Le Christ triomphant et le don de Dieu. Etude sur une sdrie de nombreux monuments des premiers si~cles», Revue dc l‘art chr~tien II, 1858, zitiert die Huldigung Christi von Pabst Darna sus (366­84), die in der Vielzahl der Nahmen für den Erlöser zeigen, wie vielfältig und vieldeutig die Bedutungen Christi sind: Spes, via, vita, salus, ratio, sapientia, lu,nen,/Judex, porte, gigas, ‚ex, geinma, propheta, sacerdos,/Messias, Zeboot, Rabbi, sponsus, inediatoi;/Virga, columna, manus, petra, fihius Emmanuelque,/Vinea, pastol; ovis, pax, raclix, vitis, oliva,/Fons, paries, agnus, vitulus, leo, propitiatot;/Verbum, homo, rete, lapis, Do,nus, oinnis christus Jesus. 23. P. Styger, « Neue Untersuchungen über die altchristlichen Petrusdarstellungen», Römische Quartaisch ruft flur christliche Altertumskunde und für Kirchengeschichte XXVII, 1913, 67. Styger meint nicht (65), daßBirt eine ordentliche Alternative zur Auslegung des Motivs als Ubergabe bringt, ist aber darin mit ihm einig, daßeine solche nicht vorkommt. 12. Jeremias, op. cit., 77f. 24. Styger, op. cit., 66. 13. Z. B. bei R. Wisskirchen u. 5. Heid, Der «Prototyp des Lämmerfrieses in Alt­St. Peter. Ikonographie und Ikonologie», in: E. Dassrnann (red.), Tesserae. Festschrift für Josnf Enge­ mann. (Jahrbuch für Antike und Christentum. Ergänzungsband 18), Münster 1991, die mit diesem Ausgangspunkt eine wich tige Quelle zum Verständnis des Motivs anführen, wo dieses Element auftritt (siehe später). 25. WS 34, 3. Styger, op. cit., 66f. Dieser Sarkophag wurde schon 1858 von Garrucci für die korrekte Rekonsruktion der Inschrift in 5. Costanza herangezogen. 14. Dies ist in einer Linie für sich von einer Reihe unlesbarer Zeichen nachgefolgt, die R. Garrucci, Storia dell‘arte cris tiana uuei primi otto secoli delta chiesa IV. Musaici cimiteriali e non cimiteriali, Prato 1876, als Neapolitanische Ausgabe des Halleluja, in welcher die letzte Silbe viermal wiederholt wer den müsse, interpretiert — was mir jedoch ein Beispiel ausge sprochener Uberinterpretation unlesbarer Zeichen scheint. 15. P. Vallin, «Dominus Pacem Dat. Apropos du mausolde de Constantina ä Rome», Recherches dc science religieuses 5 1, 1963, und F. Nikolasch, «Zur Deutung der « Dominus­legern dat »­Szene», Römische Quartalschrift für christliche Alter tumskunde und Kirchen geschichte 64, 1969, meinen nicht, daß die Inschrift 5. Costanzas DOMINUS PACEM DAT fehlrestau riert ist und bauen ihre Interpretationen des Motivs darauf. Nikolasch meint sogar die fragmentarische Inschrift des Vati kanischen Goldglases,... INUS, in dieser Weise rekonstruieren zu müssen, da die beiden Kompositionen sich so sehr ähneln. 16. Auf dem Ende der 1970er entdeckten Fresko des Cubicu lum A47 der Catacomba superiore di 5. Gennaro i Neapel sitzt Christus mit einer offenen Schritrolle im Schoß, auf der DOMINUS LEGEM DAT zu lesen ist (siehe später). Auf dem zerstörten Formosus­Fresko de 9.Jahrhunderts, das uns in einer Zeichnung der Vatikanischen Bibliothek überliefert ist (Vat. lat.7849, fol.5r), wird sowohl Petrus als Paulus eine Rolle gereicht. Nur die Inschrift auf der Rolle Pauli ist teilwiese sichtbar: DNS [...] DT Auf dem Concordius­Sarkophag in Arles sieht man Christus als Lehrer zwischen den Aposteln, auf einen Stuhl mit hoher Rückenlehne sitzend und ein offenes Codex in der Hand haltend, aus dem er spricht. Auf den Seiten steht: DOMINUS LEGEM DAT. Endlich findet sich die Inschrift auf der schififörmigen Ollampe in Florenz, die auf dem Coelio in Rom gefunden wurde, und dessen Besatzung aus zwei Männern besteht, wahrscheinlich Petrus und Paulus. Die Inschrift auf einer Tafel auf dem Mast lautet: DOMINUS LEGEM DAT VALERIO SEVERIO EUTROPI VIVAS. 22. Birt op. cit., 323. 26. N. Ciavollino, «L‘iconographia Petrina nell‘arte paleo cristiana a Napoli», campania Sacra 21, 1990. 27. W. N. Schumacher, «Dominus legem dat», Römische Quartalschr(ft für christliche Altertumskunde und Kirchen ges chichte 54, 1959, p. 3ff. (hiernach Schumacher, DLD). 28. Schumacher, DLD, 3. 29. Schumacher, DLD, 7. Anderereits behauptet W. N. Schu macher, « Eine römische Apsiskomposition>~, Römische Quar talschrift für christliche Altertuinskunde und Kirchenge— schichte 54, 1959, 142f. (hiernach Schmacher, Apsiskomp.), daßdie Stellung, in der die Figur neben Christus in der Nord apsidiole von 5. Costanza sich befindet, nämlich in halber Kniebeuge mit verhüllten Händen, (nur) zwei Bewegungen möglich macht: Uberbringung oder Entgegennahme. Ver gleicht man jedoch die Himmelfahrtsszene des Rabbula Codex, findet hier keines von Beiden statt, doch Petrus steht eben in der gleichen Stellung, in der man ihn auf den thessalo nikanischen Kästchen findet, nur ein wenig aufgerichtet, um dem Herrn besser nachschauen zu können. A. Baumstark, « Eine syrische « traditio legis» und ihre Parallelen», Oriens Christianus, III, 1903, 18 If. meint, der syrische Mönch Rab bula habe im Jahre 586 die Elemente Petrus, Paulus und Chris tus aus einer traditio legis­Darstellung kopiert und sie in einer neuen Komposition verteilt, während er die jeweiligen Merk male der Personen aus dem traditio legis­Motiv beibehalten habe. Deutlich ist von einer ehrfurchtsvollen Handlungsweise angesichts des göttlichen Geschehens die Rede. Ein auffal lendes Detail der Himmelfahrt des Rabbula, das sich auf den Türen von 5. Sabina wiederfindet, ist, daßChristus auf dem Weg zum Himmel in seiner Linken eine offene Buchrolle hält, während er die Rechte erhebt, genau wie bei traditio legis. Auferstehung und Himmelfahrt gleiten Bedeutungsmässig in einander über, wie z.B. die Elfenbeinplatte mit den Frauen am Grabe und der Himmelfahrt im Bayrischen Nationalmuseum in München zeigt. H. L. Kessler, « Scenes from the Acts of the Apostles on Some Early Christian Ivories »‚ Gesta, Vol. XVIIL‘l, 1979, 110, hat diese nichtkanonische Chronologie auf dem Elfenbein mit außerbiblisdhen Traditionen erklärt, die TRADITIO LEGIS? 31 mit dem sog. Petrus­Evangelium und mit verschiedenen patris tischen Quellen, in denen die Aufertehung als direkt aus dem Grabe geschehend beschrieben wird, ihren schriftlichen Nie derschlag findet. Diese Vermischung der laut Apg. 1, 9­11 mit vierzig Tagen Abstand voneinander gelegenen Ereignisse könnte auch für traditio legis interessant sein, weil sich darin eine Auffassung der Auferstehung und/oder Himmelfahrt als Offenbarung des göttlichen Willens zu liegen verbirgt, in dem Christus sein Buch denjenigen eröffnet, die Zeugen des Geschehens sind. 30. Jos 5, 13­15. 31. Schumacher, DLD, 7. 32. Schumacher, ibidein. Ein Elfenbeinrelief des 10.Jahrhun­ derts aus der Berliner Staatsbibliothek (A. Goldschmidt, Die Elfenbeinskulpturen. Bd.2. Aus eier Zeit der karolingischen und sächsischen Kaise,; Berlin 1918, Taf. VI, 15), möglicher weise aus Mailand, darf als eine späte Bestätigung dieser Tra dition noch herangezogen werden. Christus reicht dem rechts neben ihn stehenden Petrus die Schlüssel, während er in der linken, zur Seite Pauli, eine offene Buchrolle mit det Inschrift DOM1NUS LEIEM DAT SAULUS hält. Beide Apostel sind in der gleichen Stellung dargestellt, mit verhüllten Händen und Armen. Petrus steht rechts, um die Schlüssel empfangen zu können, während Paulus die offene Schriftrolle eben nur auffängt. Allerdings ist hier von einer ungewöhnlichen Aus gabe des Motivs der mittelalterlichen Einsetzung der beiden Apostelfürsten in ihren «Amtern» die Rede, da Paulus in die sem Falle nicht eine geschlossene Buchrolle als Zeichen seiner durch göttliche Offenbarung erlangte Weisheit empfängt, son dern eben durch die offene Buchrolle die Offenbarung selbst empfängt. 33. Einige, die das Motiv mit Kaiser Konstantin dem Großen oder mit seinen Söhnen verbinden, zitieren Eusebius von Cae sarea, weil er dem Kaiserhause nahestand — das Verständnis der lex als Grundlage des christlichen Lebens ist aber allge meingut. 34. Monog.8 (PL 2, 939), zitiert nach Y. M.­J. Congar, «Le thöme du «don de la loi» dans l‘art paläochrätien», Nouvelle Revue thdologique 94, 1962, 930. 35. Vgl. Eph 3, 8­9. 36. Hiervon in A. Schubert, Augustins lex­aeterna­Lehre nach Inhalt und Quellen (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters. Texte und Untersuchungen. Band XXIV, Heft 2), Münster i.W. 1924, und V. Hahn, Das wahre Gesetz. Eine Untersuchung derAi~ffassung des Ambrosius von Mailand vorn Verhältnis der beiden Testainente (Münsterische Beiträge zur Theologie, 33), Münster 1969. 37. Der konstantinopolitanische Bischof Petros Chrysologos spricht so in einer Predigt über Mose und die Wunder, die durch ihn für das Gottesvolk geschahen: [...] petrarn percutit, ut de recenti uulnerefrigida sitientibus detfluenta; prirnus dat terris legein caeli, scribit uitae normarn, figit terminos discipii nae. Collectio sermonum Cl.227 + M, SL 24, sermo 43, 39. (nach CETEDOC). Auch aus diesem Zitat geht wieder hervor, daß die Formulierung dat... legem Ausdruck der Gesetzes­ verkündung und nicht der konkreten Uberreichung ist. 38. Hahn, op. cit., 298. 39. Hahn, op. cit., 410. Der lateinische Text lautet zweideutig: finis eniln legis C‘hristus (Vulgata nach C‘ETEDOC), wobei .finis ja sowohl Ende als Ziel bedeuten kann. 40. Hahn, ibidem. 41. Expositio in Psalrn.118, serrno 13, 21. Zitiert nach P. Borella, «La traditio legis nell‘archeologia e liturgia ambro siana», AMBROSIUS. Organo del V congresso eucharistico diocesano e delle celebrazioni per l‘anno mariano XXXIII, 1954, 78. Daßder Weg von Gesetz des Herrn geleitet werden solle, geht auch aus Prosper Aquitanus, Expositio psalmorum C­C‘L, Cl.0524, psalinus 118, 3 hervor: Via uero iion est, nisi lex domini. Nach CETEDOC. 32 42. Augustinus Hipponensis — Epistulae Cl. 0262, epist.157, vol. 44, par.2, pag.455, 14. Nach CETEDOC. 43. Daßdas Gesetz für die Christen Bedeutung hatte, geht u.a. aus den Schriftstellen hervor, die die Neofyten vor der Taufe anhörten und selber sprachen. Am Tage vor der Taufzeremo nie, die zu Ostern stattfand, war das Antiphon die erste Strophe von Psalm 77 : Attendite, populus meus/legem meam ;/inclinate auruin vestram/in verba oris mei. («Lauschet, mein Volk, mei ner Lehre [meines Gesetzes], beugt eure Ohren den Worten meines Mundes.») Nach Borella, op. cii‘., 75f. Borella meint, wie vor ihm Duchesne, Origines du cnlte chrätien und R. Michel, Die Mosaiken von Santa Costanza in Rom, Leipzig 1911, und nach ihm Congar, op. cit., J. ­L. Maier, Le baptistüre de Naples et ses MosaYques. Etude historique et iconogra phique (Paradosis. Etudes de littörature et de thäologie anciennes, XIX), Fribourg 1964; A. Giuliani, «11 primato di 5. Pietro nell‘iconografia paleocristiana (sec. II­VI) »‚ Miscel lanea Francescana 65, 1965; Ciavollino, op. cit., daßhier ein Zusammenhang zwischen der Taufliturgie und dem traditio iegis­Motiv besteht. 44. Orat. 40, 45. Efter Maier, op. cit., 114. 45. Maier, op. cit., 115. 46. J. Strzygowski, Orient oder Rom. Beiträge zur Geschichte der spätantikeii und frühchristlichen Kunst, Leipzig 1901, lOOf. 47. Man kann nicht davon ausgehen, daßhier ein eigentliches traditio legis­Motiv beschrieben ist, sondern wohl eher ein Motiv ähnlich dem auf dem Exuperantius­Sarkophag im Dom von Ravenna. 48. R. Garrucci, Vetri ornati difigure in oro trovati nei cimi teri dei cristiani primitivi di Roma, Rom 1858, 83ff R. Gar rucci, Storia dell‘arte cristiana nei p1~imi otto secoii deila chiesa IV. Musaici cimiteriah e tion cimiteriali, Prato 1876, 1 if.; De Rossi, op. cit., 39ff.; J. Wilpert, Die römischen Mosaiken und Malereien der kirchlichen Bauten vorn IV­XIII. Jahrhundert, Freiburg i. Br. 1916, 237f. 49. J. Kollwitz, « Christus als Lehrer und die Gesetzesüber gabe an Petrus »‚ Römische Quartalschriftfiir christliche Alter tumskunde und Kirchengeschichte XLIV, 1936; K. Wes sel, « Der siebennischige Sarkophag in den Grotten von St. Peter», Pantheon XXVII, 1969; Davis­Weyer, op. cit.; Giu liani, op. cit.; P. Franke, « Traditio Legis und Petrusprimat. Eine Entgegnung auf Franz Nikolasch »‚ Vigiliae Christianae 26, 1972. 50. R. Davis, The Book of Pontiffs (Liber Pontificalis). The Ancient Biographies of the First ninety Roman Bishops to AD 715 (Translated Texts for Historians Latin Series V), Liverpool 1989, ii ff. 51. L. Duchesne (ed.), Le LiberPontificalis, 123. t. 1er, Paris 1886, 52. Vgl. ausführlicher hierzu K. Wessel, « Das Haupt der Kirche. Zur Deutung ausgewählter frühchristlicher Bildwerke »‚Archäologischer Anzeige,: Beiblatt zum Jahrbuch des Archäologischen Instituts 65/66, 1950­5 1. Das Konzil in Sardica 342 beschließt, um den Apostel Petrus zu ehren, daß der römische Bischof eine oberste Gerichtsstellung im Verhält nis zu den kirchlichen Gerichtshandlungen im Westen haben soll. Pabst Damasus (366­384) nennt als erster den römischen Bischofssitz sedes apostolica. Beim kaiserlichen Orthodoxiee dikt von 380, von den Kaisern Gratian, Valentinian og Theodo sius erlassen, wird der römische Bischof (Damasus) als der Erhalter des rechten Glaubens anerkannt, dies nochmals in der Position Petri als Gründer der römischen Gemeinde. Vgl. hierfür auch J. Martin, Spätantike und Völkerwanderung (Oldenburg Grundriß der Geschichte, Band 4), 3.rev. udg., München 1995, 133. 53. Zitiert nach A. Ferrua, Damnasus und die römischen Mär ryrer (Anno damasi saeculari XVI), Cittä del Vaticano 1986, 29. 54. Siehe hierüber Martin, op. cit., 133. 55. Martin, op. cit., 133. 56. Siehe z.B. Grabar, op. cit., 1936, der im 3.Teil, «L‘art impdrial et l‘art crötien», eine Unzahl von Gleichheiten zwischen der imperialen und der christlichen Kunst auf zeichnet und findet, daßdie christliche die kaiserliche wie derspiegelt. 57. C. Pietri, Roma C‘hristiana. Recherches sur 1‘1~glise de Rome, SOn organisation, sa politique, son iddologie de Miii tiade ?i Sixte 111(311­440), Rom 1976, 1413ff. 58. Schumacher, Apsiskomp., 148. 59. Für die Abweisung eines Interesses in einer Zusammen stellung von Christus und Kaiser, vgl. z.B. G. Hellemo, Adven tus Domini. Escatological Thought in 4th­century Apses and Catcheses (Supplements to Vigiliae Christianae), Leiden 1989. 60. Davis­Weyer, op. cit., 9. 61. Wessel, op. cit., 1969, p. 120ff. dell‘antichitä cristiana pubblicata per cura del Pontificio isti tuto di archeologia cristiana), 1­111 Rom 1929­36, WS 42, 3; 43, 3; 43, 4; 45, 4; 106, 2; 188, 2; 252; 253, 3; 253, 5; Fig. 204; Fig. 222. Malerei in der SS. Marcellino e Pietro Katakombe. Malerei in der Sala 1 in der Via Latina­Kata kombe. Das Apsismosaik von 5. Pudenziana. SS. Cosma & Damiano. In einigen der Fälle, wo Petrus und Paulus sich gegenüberstehen, aber nicht Christus selbst flankieren, ist diese rechts­links­Verteilung ebenfalls vorhanden, z.B. im sog. Mausoläum der Galla Placidia in Ravenna, wo sie ein Fenster flankieren, oder in den zwei Baptisterien Ravennas, wo sie in dem einen Falle einander direkt gegenüberstehen (orthodoxes Bapt.), während sie in dem anderen die hetoimasia flankieren (arianisches Bapt.). Beispiele, wo Petrus rechts neben Christus steht: Wilpert, op. cit., 1929­36. WS 11,4; 18,5; 20,5; 34, 1; 34,2;35,l;37,5;38,2;43,5;146,1;l92,6;238,6;238, 7; 239, 2; 240, 2; 243, 1; J. Wilpert, Die Malereien der Kata koniben Roms, Freiburg i. Br. 1903, Tafel 155, 205. Außerdem in dem Apsismosaik von S. Aquilino in Mailand, auf dem Apsisbogen der 5. Maria Maggiores, wo die Apostel abermals die hetoimasia umstehen, auf dem Triumphbogen von 5. Lorenzo f.l.m., und in dem zerstörten Apsismosaik von 5. Andrea in Catabarbara in Rom (4.Jahrh.). 62. Siehe hierüber näheres in Huskinson, Concordia Aposto loruin. C‘hristian Propaganda at Rome in the ourth and F~fth ~‘enturies. A Study in Early f‘hristian Iconography and Icono logy. (BAR International Series 148), Oxford 1982. 70. Ich danke Herrn Professor Herbert L. Kessler, Baltimore, für den Hinweis auf diese Stelle. 63. Nikolasch, op. cit. trarn; cuin juxta vulgarein senseum hoc rerum ordo deposcat, ut Petrus, qui senatus apostolici princeps est, dextruin Domini latus; Paulus vero, qui junior est, sinistrum jure possideat? S. Petri Damiani, « De picturis principium apostoloruin. Caput primwn »‚ in: Opera Omnia, t. 2, Patrologia Latina (Migne, 64. Ambrosiaster, In Gal. 2, 7­10. Vgl. Nikolasch, op. cit. 65. Dies interpretiert Nikolasch, op. cit., als eine der zentralen Aussagen des traditio legis­Motivs. Es drückt für ihn die überströmende Freude der Römer über ihre Teilhabe am Heil aus, trotz ihrer heidnischen Herkunft. Er legt damit großes Gewicht auf die Bedeutung Pauli für das Motiv. Er meint, das gleiche sei der Fall für die Darstellung auf dem Apsisbogen (heute Triumphbogen) der 5. Maria Maggiore, wo Petrus und Paulus die hetoimasia flankieren, und über den Städten Jerusa lem bzw. Bethiehem angebracht sind, aus dessen Toren Läm mer strömen. Das Gottesvolk der Inschrift des Apsisbogens, XYSTVS EPISCOPVS PLEBI DEI, meint er in den Lämmern aus den Städten und in den Aposteln ausgedrückt, in dem er diese als Repräsentanten der beiden Kirche sieht. Er meint sogar zu sehen zu, daßbeide ein der Gemeinde zugewandtes offenes Buch tragen, dessen Buchstaben bei Petrus kantig und blokartig sind, bei Paulus aber in zusammenfließenden Linien stehen. Er meint hierin, wie De Bruyne, Rivista di archeologia cristiana 13, 1936, 239­69, stilisierte hebräische und grie chische Schriftzeichen zu sehen, die die Ursprünge der beiden Kirchen markieren sollten. Dies ist aber nicht der Fall, da das Buch Pauli nicht dem Beschauer entgegen geöffnet ist, son dern in Leseposition gehalten wird, den Einband also der Gemeinde entgegen. Die Zeichen im Buch Petri, das der Gemeinde offen vorgehalten wird, mußman daher einfach als unspezifizierte Schriftzeichen sehen. In den beiden Büchern kann aber eine Markierung der Unterschiede der beiden Apos tel liegen, in dem der eine sich als Verkünder zeigt, dem Text der Gemeinde zugewandt, der andere als Interpret darsteht, der selbst dem Text zugewandt ist, der an sich der Gemeinde ver schlossen bleibt. 71. Cur videlicet in imaginibus pictura rum per universas adjacentes Romte provincias, Petrus qui primus est, ad sinis ed.), CXLV, Paris 1853, sp.S93. 72. Damianus, op. cit., sp.S91. 73. Daniamus, op. cit., sp.S93. 74. Damianus, ibidem. 75. Damianus, op. cit., sp.S94. 76. Damianus, ibidein. 77. Birt, op. cit., 323; Styger, op. cit., 65. 78. Dan 3, 91­92. 79. Dan 3, 88. 80. Er wird in die Löwenkuhle geworfen, weil er seinen Gott trotz des Verbotes dagegen anbetet. Vgl. Dan 6. 81. Dan6,23 68. Maximus von Turms Homilia 72 und Sermo 66. Pseudo Augustinus ‘Sermo 201 und 202. Vgl. Nikolasch, op. cit. 82. Beispiele für Darstellungen von Daniel in der Löwen kuhle: Wilpert, op. cit., 1929­36, WS 4, 3; 65, 5; 86, 3; 91; 96; 103,4; 121,3; 128,2; 136,4; 150,2; 157,1; 157,2; 164,5; 166,4; 177,4; 179,2; 187,3; 187, 12; 190, 10; 191, 6; 191, 10; 194,7; 195,4; 202,2; 206,6; 208,3; 208,4; 208, 5; 208, 6; 208, 7; 208, 8; 208, 9; 208, 10; 214, 1; 215, 6; 218, 1; 218, 2; 249, 11; 282, 1; 293, 1; 293, 5; 293, 6; Fig. 124; Fig. 138; Fig. 157; Fig. 188. Wilpert, op. cit., 1903, TafelS;25;62;73;89; 103(4x); 104; 106; 107; 114; 118; 131;166;l69(2x);l97;200;212;219;232;234(2x);240. Insgesammt 72 Darstellungen in der Verzeichnissen Wilperts. Ist außerdem auf dem sog. 5. Quirico und Julitta­Reliquar im Museo Archivescovile in Ravenna dargestellt. Beispiele aus Wilpert mit den drei Freunden im Feuerofen: Wilpert, op. cit., 1929­36, WS 129,2; 135,1; 162,1,170,1; 170,2; 170,3; 170,4; 174,10; 175,6; 176,2; 178,2; 180,2; 181,1; 181,2; 181,3; 181,4; 181,5; 187,1; 190,2; 190,9; 192,1; 192,7; 192,8; 193,3,201, 1,201,2;201,3;201,4;202, 1;202,4; 206, 4; 206, 5; 289, 3. Wilpert, op. cit., 1903, Tafel 13; 54; 62;78; 114; 137; 140; 169; 172; 196; 240. Insgesammt44 Darstellungen in den Verzeichnissen Wilperts. 69. Einige Beispiele solcher Szenen des 4., aber auch des 5. und 6.Jahrhunderts, wo Petrus links, Paulus rechts von Chris tus steht: G. Wilpert, 1 sarcofagi cristiani antichi (Monumenti 83. Tertullian, Adi~ Marcionem, IV~ 24 (PL 2, 450); Clemens Alexandrinus, Paedagogus III 12 (PG 8, 674); Origenes, Contra Celsum II 2 64 (GCS Origi 185s); Hieronymus, Epist. 66. «Denn er ist unser Friede. Er vereinigt die beiden Teile (Juden und Heiden) und rißdurch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder. Er hob das Gesetz samt seinen Geboten und Forderungen auf, um die zwei in seiner Person zu dem einem neuen Menschen zu machen. Er stiftete Frieden und versöhnte die beiden durch das Kreuz mit Gott in einem einzigen Leib. Er hat in seiner Person die Feindschaft getötet.» (Eph 2, 14­17). 67. Homilia 73. PL 57, 407. Vgl. Nikolasch, op. cit. TRADITIO LEGIS? 33 22, 19 (PL 22, 406); Eusebius, De,nonstr~ evang. IX (PG 22, 698ss). Im Mittelalter ist Moses mit Petrus verbunden, wo Apostel und Propheten zusammengestellt sind, und er selbst steht als Typus für das alttestamentliche Gesetz. Rusticus Hel pidius (t533) stellt der Gesetzesübergabe auf dem Sinai die Bergpredigt gegenüber, vgl. J. v. Schlosser, Quellenbuch zur Kunstgeschichte des abendländischen Mittelalters, Wien 1896, 34ff. Die Entgegennahme der Gesetzestafeln des Moses kann im Mittelalter mit Pfingsten, der Kreuzigung und mit der Ungläubigkeit des Thomas zusammengestellt sein, nach Lexi kon der christlichen Ikonographie. Allgemeine Ikonographie (Bd. 1­TV) (udg. E. Kirschbaum et. al.) Freiburg i. Br. 1968­72, III, Sp.294f. (hiernach LCI). 84. Das Quellwunder Petri ist häufig auf Sarkophagen zu fin den, in der Katakombenmalerei ist es haüfiger das des Moses. 85. Für meines Erachtens unbegründete Zweifel daran, ob die apokryphe Geschichte hier dargestellt sei, vgl. E. Stommel, Beiträge zur Ikonographie der konstantinischen Sarkophag plastik (Theophaneia. Beiträge zur Religions­ und Kirchenge schichte des Altertums 10), Bonn 1954. 86. Adv. Marc. 4, 24. Nach Pietri, op. cit., 318. 87. Ep.69, 8f. Nach Pietri, ibide,n. 88. Ambroius: Exp. sec. Lucain 1, 42; Dc Interpel. Job 1, 9, 30; Exp. Ps. 118,5, 6; De Fide 5, 19, 235; Ep.29, 11. Hieroni mus: In Ezech. 4, 13, 4. Augustinus: C‘ontr. Faustum 22, 70; Sermo 352, 4. Nach Pietri, op. cit., 1439. 89. Epist de vera circumcisione. Nach Pietri, ibidem. 90. Orosius, 7, 27, 3­4. Nach Pietri, ibidem. 91. Carmen 26, 370ff. Nach Pietri, ibidem. 92. Serm.49, 2.Nach Pietri, ibidem. 93. Vgl. Pietri, ibidem. 94. Dies gilt besonders die Stadttorsarkophage und auch 5. Costanza. 95. Hierauf macht Wilpert, op. cit. 1929­36, III, 61 aufmerk sam. 96. Vgl. Joh 1, 1­3. 97. Liber Quaest. Vet. et Novi Test. 95, 2. Nach Congar, op. cit., 931. 98. Vgl. Joh 1, 1­3 99. Constitutiones apost. (Funk Ap Cost 1 255466); Hippoly tos, Dan.­kommentar 2, 28 & 3, 31 (GCS Hippol 1, 94180). Nach LCI 1, Sp.469. 100. Origenes, Contra Celsum VII 57 (PG 11, 1501). Nach LCI 1, Sp.469. 101. Origenes 13 (PG 11, 456); Hippolytos, Dan. ­kommentar 2, 29 (GCS Hippol 1, 176). Nach LCI 1, Sp.469. 102. Dan4,25. 103. Nach LCI II, Sp.464ff. 104. Wie Christus spricht: « Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.» (Joh 14, 6); «Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hin durchgeht, wird er selig werden.» (Joh 10, 9). 105. Martin, op. cit., 133. 106. In der Beschreibung Egerias von der Karfreitagsliturgie in Jernsalem am Ende des 4.Jahrhunderts erzählt sie davon, daß bei dem dabei üblichen Küssen des Kreuzes Christi Wachen zugegen sind, um zu verhindern, daßdie Reliquie bes chädigt werde, wie dies einmal geschah, als ein Gläubiger ein Stück davon beim Küssen abbis! Dies zeugt vom starken Ver langen nach Relikvien. Die einzig mögliche Weise, eine Relik 34 vie von einem Grab zu bekommen, ohne den Grabfrieden zu schänden, ist durch das Substitut der brandea. Wenn uns also auch keine Berichte von brandea in Reliquarien überliefert sind, scheint mir die Möglichkeit doch naheliegend, wenn auch hypothetisch. 107. Das Missorium des Theodosius des Großen zu seinen Dezennalien 388 wurde allem Anschein nach in Thessaloniki hergestellt, was von einer höfischen oder wenigstens den theo dosianisch­höfischen Stil handhabenden Werkstatt spricht, auch wenn dies nie bewiesen worden ist. 108. Die Inschrift, die laut H. Stern, «Les mosalques de l‘bglise de Sainte­Constance ii Rome», Dumbarton Oaks Papers 12, 1958, 162 aus mehreren Manuskripten bekannt ist, lautet: Constantina deum venerans C‘hristumque clicata/omni— bus impensis devota mente paratis/numine divino inultuin Christoque iuvante/sacravit templum victricis virginis Agnes. Nach A. P. Frutaz, II coinplesso monumentale di Sant‘Agenese, 3.ed. Rom 1976, der De Rossi, Inscriptiones christianae Urbis Ro,‘nae, septilno saeculo anteriores VIII, nr. 20752 zitiert. 109. Stern, op. cit., 161. Zitat hierher. 110. Ammianus Marcellinus, der wichtigste gleichzeitige His toriker, beschreibt, wie auch Constantinas Schwester Helena, die Frau Kaiser Julians, begraben wurde, wo Constantina lag, an der Via Nomentana. Rerum gestarum lib. XIV, 1 § 2, 7 § 4, 9 § 3, 11 §~ 6, 22 für Constantina. XXI, 1 § 5 für Helena. Nach Frutaz, op. cit., 200, Anm.5. Der Pilgerführer aus dem 7. Jahr hundert, Dc locis sanctis Marryruin, beschreibt ebenfalls die Stelle neben der Agnesbasilika als den Ort, wo Constantina, Tochter Konstantins, begraben liegt. Hierzu vgl. Frutaz, op. cit., 107. 111. Dies geht aus einer Zeichnung im sog. Codex Escuria lensis hervor, wiedergegeben in Frutaz, op. cit., 109, Fig. 12. 112. Für eine Übersicht über die Forschung und Diskussion über den Bau und seine Stifter, vgl. Stern, op. cit., 160ff. 113. Vgl. Frutaz, op. cit., fig. 71. Nach Frutaz, op. cit., 176, 133f. gibt es einige Ungewissheit darüber, wieweit es faktisch ein solches Bodenmosaik hier gab, weil die Quellen in ihren Beschreibungen sehr unterschiedlich sind. Aber Bosio z.B. bezieht sich in seiner Roma Sotterannea von 1632 auf eine Tradition, nach der das Mausoläum als ursprünglicher Bac chustempel galt (vgl. Frutaz, op. cit., 11 lf.). 114. Frutaz, op. cit., 113; D. J. Stanley, « The Apse Mosaics at Santa Costanza. Observations on Restorations and Antique Mosaics »‚ Mitteilungen des Deutsche Archaeologischen Insti tuts, Roe,nische Abteilung 94, 1987, 30. Der Kardinal ließeine Inschrift über den Eingang anbringen, die lautet: Fabritius. 5. R.E. Card. Verallus/templum. divae. Constantinae. ruinis/propinquzn. restauravit. et. ornavit/anno Dni. M. D.C.XX 115. So z.B. Garrucci og De Rossi, auf die Stern, op. cit., 164 hinweist. Michel, op. cit., 46, meinte, der Bau war auf einem Zeitpunkt vom Mausoläum in ein Baptisterium umgewandelt worden. Stern, op. cit., 164ff. äußert Zweifel darüber, ob die Baptisteriumfunktion ursprünglich war, meint aber, die schrift lichen Quellen deuten auf diese Funktion hin. 116. Der Bericht wurde veröffentlicht in Musaici cristiani e saggi delle chiese di Roma anteriori al secolo XV Roma 1873­ 1899, fasc.2, tvv. 11­1V. Vgl. hierzu A. Ferrua, «Sul battistero di 5. Costanza», Vetera Christianorum 14, 1977, 283. 117. Dies geschah in Le chiese di Roina dal secolo IV al XIX (Rom 1891), p. 860. Vgl. hierzu: Fnitaz, op. cit., 106­7; Fer rua, op. cit. 1977, 290. 118. Ausführliche Auszüge aus dem Tagebuch und der Beschreibung des Handlungsablaufes in Ferrua, op. cit., 1977; Frutaz, op. cit., ist ebenfalls mit dieser Quelle bekannt und kommt zu der gleichen Konklusionen wie Ferrua. 119. Das erste Mal, da von einer solchen alternativen Tauf handlung bei 5. Agnese berichtet wird, ist unter Liberius (352­ 366), der sich drei Jahre lang bei S. Agnese auffiielt. Das nächste Mal ist unter Bonifazius, der 419 die Ostertaufe hier verrichtet. Duchesne, op. cit., 208 & 227. Todi/Perugia 1991, Fig. 12, 33. 137. P. ­A. F~vrier, «Les quatre fleuves du Paradis »‚ Rivista di archeologia cristiana 32, 1956, 181ff. 120. D. Stanley, «An Excavation at Santa Costanza», Arte medievale II serie 7/2, 1993. 138. Fdvrier, op. cit., 194. 121. Stanley, op. cit., 1993. 139. F~vrier, op. cit., 195, 122. Ich referiere hier einige der losen Gedanken, die mir David Stanley bei einem zufälligen Treffen im juli 1994 auf den Resten der Struktur in der Mitte der Basilika mitteilte. 140. Fbvrier, ibidem. 123. Das markanteste Beispiel für die Auslassung der Apsi diolen aus der Behandlung des Mosaikschmuckes ist Stern, op. cit., der meint, der Zustand und die zweifelhafte Datierung, sowie die formel von den Mosaikken des Umgangs und der Kuppel verschiedenen Züge, eine Auslassung aus seiner Untersuchung berechtigt. Vgl. hierzu auch Stanley, op. cit., 1987, 29. 124. Stanley, op. cit., 1987, 34ff. 125. Michel, op. cit., 42. Michel, der zu jenen gehört, die mei nen, 5. Costanza sei ein Baptisterium gewesen, meint, die Apsidiolenmosaikken entstammten der Umwandlung des Baus dazu, und daß sie im Verhältnis zur Taufliturgie verstanden werden müssen. 126. Davis­Weyer, op. cit., datiert die Mosaikken auf wahr scheinlich vor 370, was die traditio legis­Darstellung der Sydapsidiole zum frühest erhaltenen Beispiel machen würde. Das gleiche gilt für Schumachers Datierung (Schumacher Apsiskomp., 148) auf 350­360, die er auf den Untersuchungen Deichmanns und Sterns baut (Schumacher ibideni, Anm. 47f.). Ihm, op. cit., bezeichnet die Mosaikken als spätkonstantinisch und zitiert De Rossi, Wilpert, Leclercq, Gerke, Kollwitz og Zaloziecky für diese Daterung, während Michel, Toesca, Wes sel og Cecchelli eine Entstehung um das Ende des 4. der den Anfang des 5.Jehrhunderts annehmen. 127. Stanley, op. cit., 1987, 38. Es sind zwei Wolken zwischen Christus und dem Berg vorhanden. 128. Stanley, ibidem. 129. Stanley, op. cit., 1987, 32. 130. Stanley, ibidem. 131. Garrucci, op. cit., 1858. 132. Vgl. Vallin, op. cit.; Nikolasch, op. cit. 133. Stanley, op. cit., 1987, 32 & 38. 134. Quid enim quod dicitur Testamentum Veteris, nisi occul tatio novi? Et quid est aliud quod dicitur Novum, nisi Vetersi revelatio? De civit. Dei 16, 26. Nach L. Gotfredsen u. H.­J. Frederiksen, Troens billedei Romansk kunst i Danmark, Heming 1988, 22, Anm. 5. 135. Auf dem Goldglas im Vatikan ist das Wasser mit fünf «Beulen» widergegeben und IORDANES bezeichnet, wie auch der Flußim Vordergrund im Mosaik von SS. Cosma e Damiano. Kristus ist also als von jenseits des Jordan auf Wol ken kommend dargestellt, was der Vision Ezekiels am Flusse Kebar entspricht (Ez 1, 4­28). Dies knüpft an die Apokalypse an, da Ezekiel in der Offenbarung Johannis paraphrasiert ist, aber auch an die Auferstehung, was deutlich aus der Auferste hungsszene des Rabbula­Codex hervorgeht, wo viele der Züge der Ezekielschen Vision eingehen (z.B. die vieläugigen Wesen und die Räder in den Rädern). Andeutungen von Zusam menhängen quer durch die in der Bibel beschriebenen histori schen Zusammenhänge sind hier abermals offensichtlich. Auf dem Goldglas in Toledo (Ohio) ist die gleiche Weise des Wie dergabe des Wassers unter den Wolken angewandt, wenn auch hier keine Inschrift zur Identifikation des Wassers vorhanden ist. 136. Vgl. z.B. V. Tiberia, Ii restauro del mosaico della Basi lica dei Santi Cosma e Damiano a Roma (Arte e restauro 7) 141. Fdvrier, op. cit., 196. 142. 5. Aldhelm, Poema de Ans B. M. et XII Apostolis dedica tis, XI. Zitiert nach Garrucci, op. cit., 1858. 143. 1 Kor 10, 2­4: «Alle aßen dieselbe gottgeschenkte Speise, und alle tranken den gleichen gottgeschenkten Trank; denn sie tranken aus dem lebensspendenden Felsen, der mit ihnen zog. Und dieser Fels war Christus.» 144. Paulinus Nolae, Ep. XXXII Ad Severuin, XXIX, 286. Zitiert nach Fdvrier, ibidem. § 10, CSEL 145. Auf einigen traditio Iegis­Darstellungen findet sich in der Palme hinter Paulus ein Vogel Phönix, der eben das Aufers tehungsaspekt unterstreicht, weil sein Lebenszyklus sich mit jedem Weltzeitalter erneuert. Am Ende eines Alters geht er in Flammen auf, um am Morgen des neuen Alters aus der eigenen Asche aufzuerstehen. Lactantius, der eine lange Huldigung des Phönix als Allegorie Christi geschrieben hat, betont außerdem die Namensgleichheit zwischen der Dattelpalme phoenix und des mystischen Vogels: Huc ubi per saltus silva remota Iatet./Tum legit aärio sublimein vertice palmam/Quae gratum Phoenix ex ave nomen habet,/Et quam nulla nocens aniinans perrumpere possit,/Lubricus aut serpens aut avis nulla rapax. Zitiert nach Lactantii Carmen de Phoenice (Adolphus Martini ed., Lüneburg 1825), v.68. 146. Paulinus von Nola schreibt ebenfalls in Verbindung mit der Apsis in Nola: Sanctam fatebur crux et agnus victimam (« Das Kreuz und das Lamm zeugen von ihm als den heiligen Geopferten») Paulinus Nolae, Ep. XXXII Ad Severum, § 10, CSEL XXIX, 286. Zitiert nach Fbvrier, ibidem. Eigene Uber setzung nach C. Davis­Weyer, Sources and Documents. Early Medieval Art 300­1150 (Medieval Academy Reprints from Teaching, 17), Toronto 1986, 20. Später im gleichen Brief heißt es: « Gott selbst, unser Vorgänger in Kreuz und Kranz, Christus, steht im himmlischen Haine des blühenden Para dieses unter dem blutroten Kreuz, in der Form eines weißen Lammes, als Lamm weil Er als unschuldiges Opfer einem ungerechten Tode übergeben worden war.» Eigene Uberset zung nach Davis­Weyer, op. cit., 1986, 23. 147. «Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir hat ten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg. Doch der lud auf ihn die Schuld von uns allen. Er wurde miß­ handelt und niedergedrückt, aber er tat seinen Mund nicht auf. Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf angesichts seiner Scherer, so tat auch er seinen Mund nicht auf.» (Jes 53, 5­7). (Dies ist ein Teil des Textes, den der Apostel Philip dem ethiopischen Höfling vorliest, was zu sei ner Umkehrung führt, Apg 8, 32­39.) Tertullian, Adv. Jud. 13, 21f. (Corp. Christ. ser lat. 2, 1388) und auch Firmicus Mater nus (2.Hälfte 4.Jahrh.), Dc errore profanarum religionuin 27, 4f. (CSEL 121, 19­29) gebrauchen dies in Zusammenhang mit einem anderen Typus des Kreuztodes Christi, der Opferung Isaak (Gen 22). Vgl. F. Nikolasch, Das Lamm als ~hristuss)‘in bol in den Schriften der Väter (Wiener Beiträge zur Theologie III), Wien 1963, 28f. 1 Mos 22 als Typos des Kreuztodes Christi wird von den Kirchenvätern oft angesprochen, und der Widder, den Abraham auf des Engels Gebot statt Issak opferte, ist Typos des Lammes, das Christus ist. Sehr deutlich dies bei Johannes Chrysostomos, z.B. Hom.47 in Gen 22 (PG 54, 432f) und Hoin 25 in Hebr 11 (PG 63, 174) oder bei Augustin, z.B. Dc civit. Dci 16, 32 (Corp. Christ. sei: lat., 48, 537) oder Contr. Faust. 12, 25 (PL 42, 267), endlich Paulinus von Nola, epist. 29, 9, (CSEL 29, 256). Vgl. Nikolasch, op. cit., 1963, 33ff. TRADITIO LEGIS? 35 148. Nikolasch, op. cit., 1963, 22. 149. Vgl. das Gespräch zwischen Christus und Petrus bei der dritten Offenbarung des Herrn nach der Auferstehung, beim See Tiberias, Joh.21, 15: «Simon, Sohn des Johannes [.1: Wiede meine Lämmer » etc. 150. Joh 10, 14­16: «Ich bin der gute Hirt. Ich kenne die Mei nen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe. Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie mußich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten.» Hierin wird an die messianische Hoffnung in Ez 37, 23­24 angeknüpft: «[...] Ich befreie sie von aller Sünde, die sie in ihrer Untreue begangen haben, und ich mache sie rein. Mein Knecht David wird ihr König sein, und sie werden alle einen einzigen Hirten haben. Sie [...J meine Gesetze achten und sie erfüllen.» 151. Origenes, Komment. in Jeremias PG 13, 596 gebraucht die Lämmer als Bild des Volkes Israel. Vgl. Sal 77, 21. 152. Gerke, op. cit., 1934, 165. 153. Dies tut Michel, op. cit., 39. 154. Dies gilt z.B. dem Goldglas im Vatikan, wo die Städte zwar HIERUSALE und BECLE bezeichnet sind, was aber deut licherweise eine fehlerhafte Schreibweise ist. Das Glas ist besonders interessant, weil man statt der vier Ströme am Fuße dessen, was gewöhnlicherweise als Berg verstanden wird, nur den einen sieht, der parallel zur Bildfläche läuft und der JOR DANES bezeichnet ist, wie dies auch später in SS. Cosma e Damiano der Fall ist. Vergleicht man das Goldglas näher mit dieser Apsisdarstellung, bemerkt man jedoch, daßdies jener auch auf anderer Weise sehr gleicht. Der FlußJordan scheidet uns von der Vision Christi, der — bei genauerem Hinschauen — nicht auf einem Berg steht, sondern auf Wolken, wie in 5. Costanza und in SS. Cosma e Damiano. Er kommt als Mor gensonne aus dem Osten, von jenseits des Jordan, wie er es über seine Wiederkunft verhießen hatte, z.B. in Matt 26, 64: «Von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen.» 155. Vgl. Joh 10, 14­16. Bei Paulus sieht man diesen Gedan ken über das Abbauen der alten Grenze noch deutlicher, z.B. in Eph. 2, 17­19: «Er kam und verkündete den Frieden: euch, den Fernen, uns, den Nahen. Durch ihn haben wir beide in dem einen Geist Zugang zum Vater. Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes.» 156. Gerke, op. cit., 1934, 174. Er nennt als Beispiel einer sol chen Darstellung den 5. Ambrogio­Sarkophag in Mailand. 157. In der Apsis 5. Pudenzianas gab es die gleiche Spiege lung zwischen christus magister und dem Lamm, wie aus einer Zeichnung des 16.Jahrhunderts hervorgeht, die das später zerstörte, damals aber noch teilwiese sichtbare Register unter den Füßen Christi zeigt. In derselben Apsis tritt außerdem eine Allegorie auf, die etwas weniger elaboriert aus der Beschrei nung Paulinus von Nolas seines Apsisprogramms für die Kirche in Fundi bekannt ist. Auf der senkrechten Mittelachse sieht man Kreuz, herrscherlicher Christus, Heilig­Geist­Taube und Opferlamm übereinander plaziert, während die obersten Teile der Darstellung fehlen. Könnte man den Scheitelpunkt der Apsis mit einer Hand Gottes rekonstruieren, evt. gar mit dem Siegeskranz, würde man die Darstellung der Dreifaltig keit im Sinne Paulinus vor sich haben, in die Quere erweitert mit einer Wiedergabe des himmlischen Hofstaates. 158. Jes 2, 2­3: «Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge: er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker. Viele Nationen machen sich auf den Weg; sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeigt uns seine Wege, auf seinen Pfaden wol len wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort. «Wird von Micha 4, 1­2 zitiert. Wiss 36 kirchen & Heid, op. cit., 150 legen diese Stelle als die Ver sammlung der Heidenvölker um Christus aus, wobei sie die Juden ausschließen — obwohl aber die «Völker» (gentes) wohl als Heiden verstanden werden sollen, scheint die Prophe tie mir doch immernoch die Juden zu beinhalten. Vgl. Hebr. 12, 22­23: «Ihr seid vielmehr zum Berg Zion hingetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zu Tausenden von Engeln, zu einer festlichen Versammlung und zur Gemeinschaft der Erstgeborenen, die im Himmel verzeich net sind...» 159. Eusebius, Ed. proph. 4, 1 (PG 22, 1l93D), zitiert nach WisskirchenlHeid 1991, 159. 160. Für eine Moses­Darstellung, wie Saint­Laurent 1858 vorschlug, argumentiert auch Garrucci, op. cit., 1858, 30ff. und Garrucci, op. cit., 1876, 147ff., De Rossi, op. cit., 1868, 60, Baumstark, op. cit., 1903, 178 og in neuerer Zeit auch Congar, op. cit., Grabar, op. cit., 1966 und Pietri, op. cit. Für eine Schlüsselübergabe, die E. Müntz, Etudes sur 1 ‘histoire de la peinture et de l‘iconographie chrftiennes (Bibliothäque internationale de l‘art), Paris 1886, zu sehen meinte, siehe u.a. auch J. Wilpert, Die römischen Mosaiken und Malereien der kirchlichen Bauten vom IV­XIII. Jahrhundert, Freiburg i. Br. 1916, 293; Kollwitz, op. cit., 1936, 63, Ihm, op. cit., 129, hvor Wilperts Meinung als die allgemein Akzeptierte angegeben wird, was auch durch Schumacher, Apsiskonzp., 139 bestätigt wird. 161. Schumacher, Apsiskoinp., 138ff. 162. Mit Hinblick darauf, ob Moses während seiner Entge gennahme des Gesetzes auf etwas tritt, ist dies bei weitem nicht immer der Fall, wenn es auch das häufigste zu sein scheint. Bei Wilpert, op. cii‘., 1929­36, sieht man insgesammt 14 Beispiele darauf, daßer auf etwas tritt: WS 14, 1, 14, 3; 74, 5,82,2;92,2; 128,2,150,2; 177,3; 189,2; 195.4;205, 1; 212, 2; 218, 2; 292, 1. Es gibt dagegen acht Beispiele dafür, daßer nicht auf etwas tritt, nämlich WS 91; 97,3; 129,2; 197, 5; 198, 3; 205, 3 und Fig. 177 (hierunter einige wenige Fälle, wo Unsicherheit herrschen muß, da der unterste Teil der Dar stellung fehlt). Ob er in 5. Costanza auf etwas tritt oder nicht, kann daher nicht Argument für oder gegen eine Moses­Dar stellung sein. 163. Für die Beschreibung Ugonios vgl. Stern, op. cit. Ein bärtiger Moses findet sich auf folgenden Sarkophagen in Wil pert, op. cit., 1929­36: WS 82, 2, 128, 2; 177, 3; 197, 5; 198, 3; 205,5,212,2; 218, 1; 218,2, und auf Fig. 177 (insgesammt 10 Beispiele). Im Verzeichnis Wilperts habe ich nur 11 Bei spiele eines unbärtigen Moses finden können (WS 14, 1; 74, 5; 91; 92, 2; 97, 3; 129, 2; 150, 2; 189, 2; 205,; 205, 3; 292, 1), und außerdem einige mit fehlenden Kopf, wo die Frage natürlich unbeantwortet bleiben muß. Schumacher, Apsiskomp., 142 erwähnt erst gar nicht die Möglichkeit eines Mose in seiner Behandlung der Figur, erklärt dagegen: «Als gesichert dürfen wir annehmen, daß[...j sich ihm von links ein weißhaariger Apostel näherte.» 164. Wilpert, op. cit., 1929­36, WS 128, 2. 165. Dies sei mit einem gewissen Vorbehalt vor einer Restau ration der Füße des Moses genannt, von der ich nichts weiß. 166. Frutaz, op. cit., 111 nennt alle wichtigen Quellen über 5. Costanza von der Renaissance bis 1976. Stern, op. cit., untersucht das ganze Material und rekonstruiert auf dessen Grundlage einen Großteil der alten Ausstattung. 167. Stern, op. cit., 169ff. 168. Stern, op. cii‘., 209. Diese Szene befand sich hoch oben im Turm auf der südlichen Wand, wie aus der Zeichnung in Berlin, Kunstbibliothek, mv. 4151, folio 73 recto, hervorgeht, die bei Stern, op. cit., Fig. 47­48 abgebildet ist. Ein Lamm mit Glorie, von Fässern umgeben, vor einer Architektur. 169. Da ich nicht Gelegenheit hatte, das Original in Ferrara zu studieren, und da ich konstatieren mußte, daßdie Herausgabe durch Müntz aus den römischen Bibliotheken gestohlen wor den war, mußich mich bedauerlicherweise an die Referate hai­ ten, die z.B. Stern, op. cit., und M. ­L. Thhrel, Les Symboles de 1‘« Ecclesia » dans la crdation iconographique de 1 ‘art chrd den du itt au vt sk≥cle, Roma 1973, geben. Die Zeichnungen Ugonios sind so locker skizziert, daßsie als Grundlage einer pr~zisen Rekonstruktion nichts taugen. 170. Wie die beiden weißgekleideten Frauen verstanden wer den müssen ist es nicht möglich zu erschließen, da man sie nur aus der generellen Beschreibung kennt. Sie könnten als Reprä sentanten der ecclesia ex gentibus und der ecclesia ex circum cisione gelten, wie man sie auf der Westwand der unter Sixtus III (432­440) erbauten und ausgestatteten 5. Sabina auf dem Aventin personifiziert sieht. Sie könnten auch als die beiden «Inhaber» des Mausoläums, Constantina und Helena, verstan den werden, oder aber als Heilige, die mit Relevanz für den Ort wohl St. Agnes und ihre Schwester St. Emeritiana sein müß ten. Zwei Frauen sieht man auch auf dem Apsismoasik von 5. Pudenziana mit den Aposteln zusammen, und diese werden oft eben als Repräsentanten der beiden Kirchen gesehen. Aber eben in 5. Pudenziana, die nicht nur Kirche der Pudentiana selbst, sondern auch ihrer Schwester Praxetis, ist, ist der Gedanke an die Abbildung der zwei heilige Schwestern in der Apsis nicht abwegig, was dadurch unterstrichen scheint, da sie sich hinter den Aposteln befinden und Kränze tragen, was typische Merkmale der später häufige praesentatio­Szenen sind, wo Heilige von den Aposteln Christus vorgeführt werden, dem sie ihre Siegeskränze entgegentragen, weil er derjenige ist, der ihnen den Sieg über den Tod geschenkt hat. In der naheligenden Kirche 5. Prassede, die Kirche der Praxedis, sind in dem karolingischen Apsismosaik eben diese beiden Schwestern dargestellt. Wenn die hypothese stimmen sollte, daßin 5. Costanza die beiden weißgekleidetetn Frauengestal ten die heiligen Schwestern Agnes und Emeritiana darstellten, könnte dies ein Hinweis daruaf sein, daßdas Mausoleum nicht nur als solches für die beiden kaiserlichen Frauen bestimmt war, sondern vielleicht auch eine kultische Funktion im Verhältnis zu den beiden heiligen Schwestern hatte, deren Grä ber nahe bei in den Katakomben zu finden sind, und von denen man vielleicht eine Art von Reliquien (brandea?) ins Mau soläum gebracht hatte, um ihnen ohne Grabschändung eine Art monumentales Memorium verschaffen konnte, das mehr als nur eine Kirche zu ihren Ehren war. Wenn dies am Ende des 4.Jahrhunderts geschah, was die Datierung des Baus andeuten könnte, würde das gut mit der Ausbreitung des Relikvienkults stimmen, die zu diesem Zeitpunkt erstmals Ausbreitung findet. Dies mußvor dem evt. Auftauchen weiterer Indizien als reine Spekaulation gelten. 171. Unter dem christus magister­Motiv, in dem Apsisbogen, der sich dort befindet, sieht man noch heute die Reste eines Chrismon auf Sternengrund, was bedeutungsmässig als Paral lele zum Chrismon auf dem Deckel des thessalonikanischen Kästchens gelten kann, aber gleichzeitig auch als das Zeichen des Menschensohnes am Himmel und daher als der Menschen­ sohn, Christus, selbst, da nicht nur von einem Zeichen die Rede ist, das für ihn steht, und nicht nur sein Kreuz, sondern sein Monogramm, und damit er selbst. TRADITIO LEGIS? 37