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Traditio legis?
von Mikael Bøgh RASMUSSEN
Das traditio legis (dt. Gesetzesübergabe) genannte
Motiv nimmt einen wichtigen Platz in der Entwicklung
der christlichen Jkonographie ein, weil es eines der frü
hesten Beispiele einer zentral komponierten, frontal und
monumental konzipierten, allegorischen Ikonographie
darstellt, die in mancher weise Vorläufer der späteren
mittelalterlichen Bildformen wie maiestas domini und
praesentatio ist. Größtmögliche Klarheit im Verständnis
dieses Motivs ist daher höchst wünschenswert.
DIE IKONOGRAPHIE
Das grundlegende Schema der traditiolegisKom
positionen ist wie folgt: Kristus ist stehend und frontal
dargestellt, mit der rechten Hand in einer Geste entwe
der des Sieges oder des Sprechens erhoben, während er
in der linken eine Buchrolle hält, deren offenes Ende
das Ende des Buches er lose flattern läßt. Rechts
neben ihn sieht man Paulus, mit seiner typischen Phy
siognomie, zu ihm in einer acclamatio oder Redegeste
gewandt. An Christi linker Seite ist Petrus dargestellt,
auch er mit die für ihn typischen Gesichtszüge. Er eilt
seinem Herrn entgegen, in leichter Kniebeuge, das Pal
lium um beide Schultern hochgeschlagen, so daß es
Arme und oft auch Hände zudeckt. Den Zipfel des Pal
liums, der zwischen seinen Armen und Händen sich
ausspannt, hällt er unter das lose flatternde Ende der
Buchrolle Christi.
Diese DreierKomposition findet man auf insge
sammt 25 Sarkophagen oder Fragmenten von solchen~,
einer gravierten Grabplatte, vier Schreinen, zwei Kata
kombenmalereien, einem Apsismosaik, zwei Goldglä
sern, einem geschliffenen Glasteller und einem Bron
zeamulet, alle aus dem 4. und 5. Jahrh. In fast allen
Fällen ist das Motiv das einzige oder wenigstens das
zentrale Motiv auf dem Gegenstand, den es schmückt.
Nur in dem Kuppelmosaik im neapolitanischen Baptis
terium und in dem einen der beiden kleinen Seitenapsi
den von 5. Costanza in Rom tritt es als den anderen Pro
grammteilen ebenbürtiges Element auf.
In seiner oben beschriebenen elementarsten Form
trift man das Motiv nur selten, so z.B. auf dem Thessalo
nikischen Silberkästchen (Fig. 1), auf das ich später
—
zurtickicommen werde. Meistens sind die Darstellungen
viel komplekser (Fig. 23). Typisch steht der fast immer
bärtige Christus entweder auf einem Hügel oder Felsen,
oder auf Wolken über einem solchen. Die Hände Petri
sind fast immer mit dem Palliumszipfel zugedeckt. Die
Apostelfyrsten sind von Palmen flankiert. In derjenigen
hinter Paulus ist oft det Phönix zu sehen. Meist gesellen
sich Lämmer der Gruppe bei, nicht selten vier oder
zwölf. Diese können entweder als Fries arrangiert sein,
oder sich freier in die Komposition einfügen. Von Zeit
zu Zeit trifft man auf ein Lamm auf einem diminutiven
Hügel vor dem Christi, und in einigen Fällen ist dies
direkt durch ein Kreuz, oder sogar durch eine crux
monogrammatica, auf der Stirn als Agnus Dei ausge
zeichnet.2 Wo sich die Lämmer zu einem Fries arrangie
ren, kann dieser entweder in die Darstellung selbst ein
gehen, oder aber als selbstständiges Register unter
dieser verlaufen. Oft mußman eine allegorische Spiege
lung des Hauptmotivs hierin erwarten.3
—
ABGRENZUNG DER MONUMENTE
Der Versuch einer Untersuchung der Bedeutung
des traditio legis wird im Folgenden an zwei ausgewähl
ten Darstellungen vorgenommen, die sich funktionel
und kontextuel als atypisch auszeichnen. Erstens das sil
berne Kästchen, vielleicht oder wahrscheinlich Relik
vienschrein, das sich heute im archäologischen Museum
von Thessaloniki befindet. Und zweitens die berühmte
kleine Apsis auf der Querachse des Mausoleums 5. Cos
tanza in Rom, links vom Eingang aus gesehen (Fig. 4).
Dieser Ausgangspunkt ist gewählt, um dadurch die
Möglichkeit eines freien Blickes zu bewahren. Durch
die Masse der verschiedenartigen Sarkophage verfällt
man leicht zu einer Kompilation von typischen ikono
grafischen Elementen, die eine Art virtuelles Idealek
sempel ergeben, das das eigentliche Untersuchungsob
jekt wird, oder an welches man die wirklich
vorhandenden Darstellungen mißt.4 Die beiden obenge
nannten Beispiele können sich im Versuch einer Einkrei
sung der Hauptbotschaft und ihrer potentiellen Bedeu
tungsmöglichkeiten supplierend beiseite stehen, die sich
in verschiedenen Kontexten verschieden entfalten.
TRADITIO LEGIS?
5
Das thessalonikanische SilberKästchen repräsen
tiert die konzentriertest vorgefundene Darstellungs
weise, und mußdaher als Beispiel dafür stehen, daßdas
Motiv der sogenannten Gesetzesübergabe auch ohne die
typischen ikonographischen Paraphernalia wirken und
begreiflich sein konnte. In der Konzentration auf die
Dreiergruppe in dieser ihrer einfachsten Form mußes
möglich sein, den zentralen Bildinhalt dieser Gruppe zu
erfassen. Das kleine Apsismosaik in Rom, dagegen,
besitzt die meisten derjenigen ikonographischen Ele
mente, die sich typisch um die Dreiergruppe scharen,
und stellt somit ein Beispiel des Motivs in kompleksem
Kontext vor, wie es am häufigstem vorkommt. 5. Cos
tanza ist aber sowohl im Format als auch als ikonogra
phische Ganzheit atypisch, weil es sich um einen pro
grammatisch geschmückten Bau handelt und nicht um
einen Sarkophag. Wie sich zeigen wird, sind beide Bei
spiele in der Strukturierung ihrer Programme klar, wie
man dies nicht ganz von Sarkophagen erwarten kann
und lassen sich beide in einem allgemeinchristlichen,
heilsgeschichtlichen Zusammenhang interpretieren, der
nicht spezifisch todesbezogen oder apokalyptisch ist.
5. Costanza ist seit langem bekannt, beschrieben
und behandelt es zählt seit der Renässance zu den
beliebtesten altchristlichen Monumenten. Das Sil
berkästchen in Thessaloniki wurde erst 1966 gefunden
und vor allem erst mit der Publikation von Grabar und
Panayotidi 1975 in dieser Zeitschrift der breiteren west
lichen Forschungsgemeinde zugänglich gemacht. Zu
diesem Zeitpunkt, allerdings, war die große Debatte
über die Bedeutung des Motivs, die besonders in den
1960er Jahren vor sich ging, bereits am versiechen, und
somit ist es nicht als selbstständiges, sondern wohl eher
als sehr schönes und durch seine Provenienz kuriöses
Beispiel des traditio legis betrachtet worden. Hier wird
es als Ausgangspunkt genommen. Natürlich wird vieles
im folgenden dem Kenner der Diskussion als selbst
verständlich oder doch wenigstens bekannt vorkommen,
es ist nicht desto weniger die Absicht, mehr Klarheit in
dem Dschungel der Interpretationen zu schaffen und
durch stärkere Hervorhebung der zentralen Botschaft
das Verständnis des Motivs zu festigen.
—
—
DAS THESSALONIKANISCHE SILBERKÄSTCHEN
Das Silberkästchen im archäologischen Museum
zu Thessaloniki wurde 1966 bei der Anlage einer neuen
Straße bei Nea Herakleia, zwanzig Meter vom Meer bei
Chalkidiki, und somit nicht weit von Thessaloniki,
gefunden.5 Die griechische Provenienz ist für kein
anderes Beispiel eines traditio legis gesichert. Das
berühmte, aus Istrien stammende, PolaKästchen ist
sonst das östlichste Beispiel des Motivs.
Das Kästchen in getriebenem Silber mißt
100 x 124 x 97 mm (T x B x H). Es ist nach dem
Geschmack der theodosianischen Hofkunst gestaltet und
6
datiert sich somit um 390~410.6 Auf dem Deckel ist ein
ChiRho dargestellt, flankiert von Alfa und Omega, das
letztere in ihrer für die Spätantike typischen Minuskel
form. Entlang der Deckelkante läuft auf allen vier Seiten
eine einfache Weinranke. Die senkrechten Seiten des
Kästchens sind regelmässig und schön komponiert. Vor
der und Rückseite zeigen beide Dreiergruppen (traditio
legis und Die drei Jünglinge im Feuerofen), die Kurzsei
ten Einzelpersonen (Daniel in der Löwenkuhle, links.
Gesetzesempfang Moses‘auf dem Berge Sinai, rechts).
Die Vorderseite zeigt Christus zwischen Petrus und
Paulus. Die junge Gestalt des Heilands mit ihrem großen
Kopf und großen Händen ist in dynamischem Kontrap
posto wiedergegeben. Körper und Schritt richten sich
nach links, der Kopf nach rechts, dem erhobenen rechten
Arm mit der erhobenen Hand zu. Christus trägt lange
Tunika mit Pallium und ist langhaarig und bartlos. Die
Bartlosigkeit findet sich sonst nicht bei traditio legis
Darstellungen, die sonst der bei Entstehung des Motivs
um 36070 neuen Tendenz zu einem bärtigen Christus
folgen. Der konstantinische Christus ist oft bartlos. In
spät und nachkonstantinischer Zeit, allerdings, kommt
der bärtige Christustypus immer öfter vor, besonders in
den neu entstehender Bildthemen, wie christus magister
und eben traditio legis.7 Vieles deutet daraufhin, daßder
neue Christtypus den tradtionellen Philosophenporträts
entsprungen ist, was in Verbindung Christus als magister
ganz offenbar relevant ist. In dieser Funktion sieht man
ihn sowohl auf Sarkophagen, wie z.B. auf dem großen
5. AmbrogioSarkophag in Mailand, in der Katakom
benmalerei und in dem ältesten uns erhaltenem monu
mentalen Apsismosaik in 5. Pudenziana in Rom aus der
Zeit um 400. Es kann sich bei dem Bart aber auch um
ein Götterattribut handeln, die die Christusdarstellung
aus den heidnischen Darstellungen des Jupiter, Neptun
oder Aeskulap entnimmt. Wo man in konstantinischer
Zeit einen «apollinischen» Christus schuf, bevorzog die
neue Zeit einen «jovischen ».8
Es gibt Beispiele einer Anwendung beiden Typen
Seite an Seite. Im Baptisterium von Neapel, 5. Giovanni
in Fonte (um 400), zeigt der Bilderzyklus im Kuppelmo
saik, daß Christus in sämtlichen erhaltenen Teilen, in
denen er seine Wunder vollbringt, bartlos ist, nur nicht in
dem mit der traditio legis. Dies könnte man möglicher
weise damit erklären, daßder Bilderzyklus aus verschie
denen Vorlagen kompiliert sein könnte, die eine mit den
Wundertaten konstantinisch, die andere mit der traditio
legis neuer. Ein Argument hierfür läßt sich in 5. Sabina
in Rom finden, dessen Zedernholztüren aus den Jahren
um 440 gleichfalls zwei Christustypen aufweisen. Hier
ist der Christus in den Wunderszenen bartlos, wie in
Neapel, in den Passionsbildern aber bärtig. Da die Dars
tellung der Passion ebenfalls erst der spätkonstantini
schen Zeit entspringt, als der bärtige Christustypus vor
dringt, könnte hier wie in Neapel von einer Kompilation
aus älterer und neuerer ikonographischer Tradition die
Rede sein. Allerdings gibt es in 5. Sabina eine in dieser
wie in anderer Hinsicht problematische Szene, die einen
bartlosen Christus, vor eimim Hintergrund mit Palmen,
Fig. 1. Traditio legis. Vorderseite des thessalonikanischen Silbe rkästchens.
Nach Panayotidi & Grabar 1975.
zwischen zwei Männern zeigt. Das Bild ist u.a. als
EmmausSzene und als atypische traditio legis interpre
tiert worden9, was unmittelbar Wahrscheinlichkeit für
sich hat, da es sich bei den beiden Männern unmiß
verständlich um Petrus und Paulus handelt.‘° Das Argu
ment der beiden Traditionen kann hier keine Anwen
dung finden, da die Darstellung sowohl neu ist als auch
einen bartlosen Christus zeigt. Man mußhier wohl eine
andere Erklärung suchen, die sowohl Licht über S. Gio
vanni in Fonte, S. Sabina und das thessalonikanische
Kästchen werfen kann.
Ein Thema für sich im Bezug auf die Abbildung
Christi in der Kunst ist, welche Aspekte seiner vielfazet
tierten Person und Bedeutung betont werden.“ Es ist
sehr wahrscheinlich, daßder Unterschied zwischen der
bärtigen und der bartlosen Christusfigur in einer bewuß
ten Bedeutungsunterscheidung liegt. Jeremias beobach
tet in Verbindung mit den Türen von S. Sabina, daß
Christus während seines Erdenlebens vor der Passion
bartlos ist, während der Passion und nach der Auferste
hung bärtig, und wieder in seinem transformierten,
verklärten Zustand, während der Himmelfahrt und in der
oben besprochenen Szene, abermals bartlos ist, diesmal
aber in einer anderen weise als in den Darstellungen als
junger Mann. Nach Jeremias‘ Meinung, der ich mich
anschließe, sind in den letztgenannten Darstellungen
eines sich in einem überirdischen Zustand befindtlichem
Christus von idealisierten Darstellungen die Rede, die
die Bartlosigkeit als eines ihrer Kennzeichen hat.‘2 Die
ser charakteristische Zug in der Ikonographie, der mit
der des Christus des thessalonikanischen Kästchens übe
reinstimmt, und sich in keinem anderen Beispiel eines
traditio legis aufweisen läßt, könnte darauf hin deuten,
daß 5. Sabina von einer ikonographischen Tradition
beeinflußt ist, die sich wohl im östlichen Mittelmeer
raum suchen läßt.
Die Geste Christi ist ebenso wie seine Bartlosigkeit
nicht der gewöhnlichen traditio legisGeste gleich. Er
hebt zwar die Hand bis zur Kopfeshöhe, die Handfläche
ist aber nicht offen und nicht, wie in allen anderen Fäl
len, entweder dem Beschauer oder dem Himmel zuge
wandt. In diesem Falle zeigen Lang und Zeigefinger in
einer Sprechgeste nach oben. Das deutet daruaf hin, daß
Christus anscheinend entweder erklärt oder verkündet
und assoziert somit zu den Darstellungen des Christus
als magister, als Lehrer, wo die gleiche Geste angewandt
wird, wenn auch aus sitzender Stellung und nicht so
hoch gehoben. Die linke hält das zusammengerollte
Ende eines offenen Rotulus, dessen anderes Ende zwi
schen den vorgestreckten Armen Petri verschwindet.
Dies ist nicht wesentlich anders als die sonst ange
wandte llconographie.
Christus steht nicht, im Gegensatz zu allen anderen
bekannten Beispielen, auf oder über einem Hügel, Berg
oder Felsen, von welchem meist vier Ströme hervorquel
len (in einigen Fällen scheint es nur einer zu sein). Er
steht auf fast gleichem Niveau wie die Apostelfürsten,
barfüßig wie diese. Mit dem Sinn der theodosianischen
Kunst für subtil dargestellte Hierarchie ist er so viel
höher plaziert, daß es aussieht, als befinde er sich
zugleich auf ihrer Höhe, und sei doch selber höher. Er
macht das Zentrum der Komposition aus und zugleich
ihre vertikale Mittelachse, wäs ebenfalls seine Sonder
TRADITIO LEGIS?
7
Fig. 2. Traditio legis. Teil eines Marmorsarkophages. Arles, Musc~e lapidaire d‘art chrdtien.
stellung betont. Eben das Fehlen eines sonst so schein
bar zentralen Elements wie des Berges mit den Strömen
ist beim thessalonikanischen Kästchen bemerkenswert.
Es folgt daraus erstens, daßdieses Element nicht unbe
dingt nötig ist, um die Bedeutung des traditio legis zu
verstehen, zweitens, daß dieses Fehlen eine bewußte
Auslassung ist, die auch eine Auslassung einer oder
mehrerer bestimmter Bedeutungen ist. Das gleiche gilt
für das Fehlen der sonst fast immer auftretenden Pal
men, Lämmer und des Phönix. Viele Interpreten haben
sich dem traditio legis mit Ausgangspunkt in diesen Ele
menten genähert, was zu vielen und guten Resultaten
geführt hat‘3 die Gefahr dabei ist aber, daßes eben der
aus diesen Elementen bestehende Kontext ist, der inter
pretiert wird, und daßdas Motiv selbst am Ende als eine
Spiegelung des Kontextes verstanden wird. Das thessa
lonikanische Kästchen zeigt, daßes möglich ist und war,
die Dreiergruppe isoliert zu verstehen, ohne den typi
schen ikonographischen kontextuellen Elementen. Die
Hauptbotschaft ist in den drei Personen und ihren ver
bundenen Handlungen zu finden. Der thessalonikani
schen Darstellung nahe verwandt sind die auf dem soge
nannten Quirico und JulittaReliquar in Ravenna und,
etwas entfernter, auf dem Fragment eines Glastellers aus
Porto in den Vatikanmuseen.
—
DAS GESCHEHEN
An Christi rechter Seite sieht man Paulus, Christus
zugewandt. Seine Rechte erhebt er in Sprechgeste oder
8
accla,natio, in seiner Linken hält er eine geschlossene
Buchrolle. Links neben Christus befindet sich Petrus,
ebenfalls ihm zugewandt, in leichter Kniebeuge und mit
den Armen unter dem herabfiatternden Rotulusende aus
Christi Hand ausgestreckt. Sein Pallium ist über beide
Schultern gelegt und deckt die Arme bis zu den Händen,
die frei sind. Über die rechte Schulter trägt er einen
Kreuzstab, der in einer crux monogrammatica endet.
Das Geschehen ist unmittelbar schwer ablesbar. Traditio
legis gibt keine bekannte Stelle aus dem Neuen Testa
ment oder aus den Apokryphen wieder, was in Verbin
dung mit dem Neuen Testament einleuchtend ist, denn
nirgends wird von einem gleichzeitigen Zusammensein
Christi, Petri und Pauli gesprochen. Petrus ist mit Chris
tus vor und nach dem Tode und der Auferstehung
zusammen, während Paulus ihm erst nach der Himmel
fahrt begegnet, und zwar in der Vision vor Damaskus, da
er umgekehrt wird (Apg 9, 37) und als er in den dritten
Himmel entrückt wird (2 Kor 12, 14). In den bekannten
Apokryphen findet man ebenfalls keine Vorlage für das
Motiv. Das Motiv ist daher allem Anschein nach bildli
cher Ausdruck einer Idee, eine Allegorie, die sich aber in
der einen oder anderen Weise auf eine oder mehrere
Schriftstellen zurückverfolgen lassen muß, da die früh
christliche Kunst immer ihren Ausgangspunkt in der
kanonisierten oder apokryphen Literatur hat.
Seinen Namen verdankt das Motiv denjenigen
Inschriften, die man auf einigen Darstellungen auf dem
offenen Rotulus in Christi linker Hand sieht, der unmit
telbar als von Petrus aufgefangen oder angenommen
verstanden werden könnte. Im neapolitanischen Baptis
terium lautet die Inschrift DOMINUS LEGEM DAT.‘4 In
5. Costanza ist sie allem Anschein nach fehlerhaft res
Fig.3. Traditio
legis. Goldglas.
Toledo, Ohio, The
Toledo Museum
ofArt (n°67.12).
tauriert als DOMINUS PACEM DAT, von einem in
einem Zirkel eingeschriebenen ChiRho gefolgt.‘5 Auf
dem Fresko in der Katakombe «ad decimum» in Grotta
ferrata und auf dem Goldglas in Toledo, Ohio, liest
sich DOMINUS LEGE DAT, auf dem Fragment eines
geschliffenen Glastellers im Vatikan LEX DOMINI.‘6
Den Namen einer Gesetzesübergabe verdankt das
Motiv also den Wortstämmen lex und dare, die gleich
sam zu einem nicht verwunderlichen, aber vorschnellen,
Verständnis von dem Geschehen zwischen Christus und
Petrus geführt hat. Seit SaintLaurent 1858 die Bezeich
nung für das Motiv schöpfte, und bis Schumacher 1959
Birts Einwende von 1907 referierte und unterstützte, war
die Diskussion über traditio legis eindeutig von dieser
interpretierenclen Bezeichnung dominiert.“7
Das Verb, dat, hat auch dazu verleitet, die darges
tellte Handlung als eine Spiegelung des kaiserlichen lar
gitio, der Überreichung einer Gabe oder eines Privile
giums, zu sehen, die man von der öffentlichoffiziellen
Kunst her kennt, namentlich vom Konstantinsbogen in
Rom aus dem Jahre 315, und vom TheodosiusMisso
rium in Madrid von 388.18 Was Birt gegen die Auffas
sung einer Gesetzesübergabe vorbringen konnte war,
daßerstens eine Gabe, insbesondere nicht eine einiger
maßen bedeutungsvolle Gabe, nicht mit der linken Hand
überreicht werden kann es wiederspricht der antiken
ikonographischen Tradition.‘9 Zweitens ist es nicht
möglich, eine Schriftrolle in offenem Zustand, das Ende
lose flatternd, mit einer Hand zu überreichen. Birt sah
—
vielmehr eine Ikonographie der unterbrochenen Lektüre
dargestellt. Oft wird dieser typische Bestandteil des anti
ken Buchvortrags so gezeigt, daßder Leser sowohl den
gelesenen und wieder aufgerollten Teil, als auch den
noch nicht ausgerollten und gelesenen Teil in die linke
Hand nimmt, so daßdie Stelle, an der er angelangt ist,
wie ein Bogen zwischen den beiden convoluti
herabhängt.2° Hiermit war die Rechte frei zu gestikulie
ren. Eng verwandt mit den traditio legisDarstellungen
auf Sarkophagen ist eine kleine Gruppe von Sarkopha
gen, die Christus mit dem Gemmenkreuz, auf dem
Berge zwischen den Aposteln stehend, zeigt.2‘ Diese
Sarkophage zeigen genau die hier beschriebene Weise,
in welcher die kurze, rhetorisch begründete, Abbrechung
eines Vortrags dargestellt wird. Die gleiche Ikonogra
phie, aber in anderem Kontext, sieht man auf dem Pro
bianusDiptychon in Berlin (SMPK) von ca.400, und auf
dem JuniusBassusSarkophag von 359 im Vatikani
schen Tessoro. Birt versteht somit Petrus nicht als einen,
der den Rotulus entgegennimmt, sondern als einen, der
sie als Helfer daran hindert, durch Berührung des Erdbo
dens profaniert zu werden.22 Styger schließt sich dem an,
und meint, dies bedeute auch Petri Teilnahme an der
Offenbarung Christi.23 Styger legt außerdem darauf
Wert, daß die Inschriften keinen spezifizierten Dativ
geben, womit er meint eine Bestätigung dafür zu finden,
daßnicht (nur) Petrus, sondern die ganze gläubige Men
schheit, das Gesetz geoffenbart bekommen hat, wodurch
Petrus nur zum Repräsentanten der Gemeinde wird.24
TRADITIO LEGIS?
9
Fig. 4. Traditio legis. Südliches Apsidiolemosaik in 5. Costanza, Rom. Foto des Verfassers.
Ein wichtiges Argument gegen eine Auffassung des
Geschehens als Übergabe oder Überreichung eines
Gegenstandes (sei dieser auch noch so stellvertretend
oder symbolisch), ebenfalls von Styger angeführt, findet
sich auf dem ConcordiusSarkophag in Arles, der dem
letzten Viertel des 4.Jahrh. angehört und somit gleich
zeitig wie der größte Teil der traditio legisSarkophage
ist.25 Der Sarkophag stellt Christus als magister zwi
schen seinen Aposteln und (namentlich gekennzeichne
ten) Evangelisten dar. Er sitzt zwischen ihnen mit einem
aufgeschlagenen Codex im Schoß, von dem er aufblickt
und, mit der rechten Hand in Sprechgeste erhoben,
erläutert. Das Codex trägt eine Inschrift, die Christus
selbst zugewandt ist, die also so zu verstehen ist, daß
Christus und nicht wir Leser des Codex ist. Die Inschrift
lautet DOMINUS LEGEM DAT und weißt damit einen
engen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den zwei
verschiedenen ikonographischen Programmen, christus
magister und traditio legis, auf. Die Inschrift und damit
auch die Handlung ist somit nicht als Überreichung zu
verstehen, sondern als Unterweisung, Verkündung oder
Erklärung, wobei die Inschrift in der juristisch gehalte
nen Sprache von einer Handlung der Gesetzgebung
spricht, die eben nicht in einer faktischen Gabe, sondern
in einer Erlassung gegeben wird. Statt «Gesetzesüber
gabe» müßte das Motiv also eigentlich «Gesetzeserlas
sung» oder, weil im christlichen Zusammenhang, besser
noch «Gesetzesverkündung» heißen. Eine Ende der
1970er in der Catacomba superiore di 5. Gennaro in
Neapel entdeckte Darstellung im Cubiculum A47, wahr
10
scheinlich von Anfang 6.Jahrh., bestätigt diese Auffas
sung der Inschrift. Christus ist thronend auf einer Sphä
renkugel dargestellt, von den inschriftlich identifizierten
Apostelfyrsten flankiert, die beide demütig, mit der offe
nen Handfläche vor der Brust, den Worten des Herrn
lauschen. Dieser macht mit der Rechten Sprechgeste,
während er mit der Linken eine offene Buchrolle hält,
die sich über sein Schoßausbreitet. Auf dem Schriftband
liest sich hier wieder: DOMINUS LEGEM DAT, und
wie in Arles stehen hier die Buchstaben für den Be
schauer auf dem Kopf, für Christus selbst aber lesbar.26
Die Interpretation der Handlung bei W. N. Schuma
cher, dessen zwei Artikel in der Römischen Quartals
schrift 1959 der Debatte über die Bedeutung des Motivs
schub verlieh, ist in diesen beiden Hinsichten mit denen
von Birt und Styger einig.27 Im Anschlußan Birt, der die
römische ikonographische Tradition als Hauptquelle für
das Verständnis der spätantiken Monumente verwen
dete, macht auch Schumacher geltend, daßdas traditio
legisMotiv auf einer allgemeinen offiziellen Ikonogra
phie baut, und zwar insbesondere der kaiserlichen. Der
Vergleich mit den wenigen uns überlieferten Beispielen
einer vergleichbaren Ikonographie gibt scheinbar ein
deutig zu erkennen, daß es sich im Verständnis des
4.Jahrhunderts unmöglich um eine Überreichung han
deln könnte, sondern notwendigerweise um eine
Verkündung. Bei den schon genannten Beispielen einer
offiziellen Überreichung oder Gabenverleihung ist der
Geber, in der offiziellen Ikonographie meist der Kaiser,
immer sitzend dargestellt (z.B. largitio des Konstantins
bogens oder Missorium des Theodosius). Traditio legis
zeigt aber den Geber, der damit kein Geber sein kann,
stehend. Bei den hier sonst nicht zu behandelnden raven
natischen Darstellungen mit der Überreichung einer
Buchrolle an Paulus, ist aber bezeichnenderweise Chris
tus sitzend dargestellt weil er hier ein Geber ist.
Bei einem anderen Motiv der offiziellen Ikonogra
phie, dem adlocutio, der feierlichen Ansprache einer
Versammlung (z.B. dem des Heerführers bei einem Felt
zug, wie er auf der Marcus AureliusSäule in Rom zu
sehen ist), findet Schumacher aber eben den stehenden
mit erhobenem, ausgestrecktem Arm und offener Hand
fläche, mit der Christus auf fast allen traditio legisBei
spielen gekennzeichnet ist.28 Es spricht also auch dieser
Vergleich mit der allgemeinrömischen Bildtradition für
eine Auffassung des Geschehens als Verkündigung,
nicht als Übergabe.29
—
WELCHE LEX?
Unumgänglich ist in Bezug auf die Interpretation
des traditio legis die Frage danach, um welches Gesetz
es sich denn eigentlich bei dem LEX DOMINI handelt.
Lex gehört nicht Überraschenderweise zu den ungemein
häufig vorkommenden Begriffen in der Bibel, und zwar
nicht nur im Alten, sondern auch im Neuen Testament.
Ebenso häufig findet man es bei den lateinischen Kir
chenvätern. Meist wird es als alttestamentliches Gesetz
Mose verstanden, und zwar im Gegensatz zum Evange
lium. Es gibt auch eine große Menge Stellen, an der von
einem anderem oder neuem Gesetz die Rede ist.
In Hebr 8, 810 zitiert Paulus den Propheten Jere
mias (Jer 31, 3134) wegen der Verheißung des neuen
Bundes:
Seht, es werden Tage kommen spricht
der Herr in denen ich mit dem Haus Israel und dem
Haus Juda einen neuen Bund schließen werde, nicht wie
der Bund war, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe
[...j. Das wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen
mit dem Haus Israel schließe
spricht der Herr: Ich
lege meine Gesetze in ihr Inneres hinein und schreibe sie
ihnen in ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein und sie werden
mein Volk sein.» Es ist diese Prophezeihung, die für
Paulus und die Evangelisten mit Christus in Erfüllung
gegangen ist. Bei Johannes (1, 17) heißt es beispiels
weise über das Gesetz Mose und seinem Nachfolger:
«Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die
Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus.»
Paulus ist derjenige, der am oftesten über die bei
den Gesetze spricht, die er das Gesetz und Christi
«...
—
‚
Auch die verhüllten Hände und die Kniebeuge Petri
sind nicht ausschließlich in Darstellungen einer ehr
furchtsvollen Entgegennahme oder Darbringung von
etwas nicht zu profanierendem zu verstehen. Sie kann
auch als Ausdruck der Ehrerbietung und Ehrfurcht an
sich gelten, wie z.B. die Szene aus den Langhausmosai
ken von S. Maria Maggiore in Rom zeigt, wo Joshua vor
Jericho den Engel trifft (Fig. 5)~30 Schumacher zufolge
müssen die zugedeckten Hände als Gegenstück zur
accla,natio des Paulus gesehen werden31, die man auch
als aufmerksames Lauschen und bereitwilliges Befolgen
eines Befehls verstehen kann, wie der Vergleich mit
einer anderen Szene in 5. Maria Maggiore, wo Moses
der Verheißung von MannaRegen lauscht, zeigt. 32
—
Fig. 5. Joshua trifft den Engel vor Jericho. Mosaik im Langhaus von S. Maria Maggiore, Rom. Nach H. Karpp (Hrsg.),
Die frühchristlichen Mosaiken in S. Maria Maggiore zu Rom, BadenBaden, 1966.
TRADITIO LEGIS?
11
Gesetz, oder das Gesetz und die Gnade, oder das frühere
Gebot und das Neue Gebot nennt: «Den Juden bin ich
ein Jude geworden, um Juden zu gewinnen; denen, die
unter dem Gesetz stehen, bin ich, obgleich ich nicht
unter dem Gesetz stehe, einer unter dem Gesetz gewor
den, um die zu gewinnen, die unter dem Gesetz stehen.
Den Gesetzlosen war ich so zu sagen ein Gesetzlosen
nicht als ein Gesetzloser vor Gott, sondern gebunden
an das Gesetz Christi um die Gesetzlosen zu gewin
nen.» (1 Kor 9, 2021). Das Gesetz Christi ist somit dem
Gesetze Gottes gleich, auch wenn es nicht das Gesetz
ist, welches das Gesetz Mose ist. «Jetzt aber sind wir
frei geworden von dem Gesetz, an das wir gebunden
waren, wir sind tod für das Gesetz und dienen in der
neuen Wirklichkeit des Geistes, nicht mehr in der alten
des Buchstabens.» (Röm 7, 6). Es gibt in diesen Paulus
Zitaten ein ausgeprägtes Bewußtsein darüber, daß das
Gesetz Mose mit Christus durch einen neuen Bund, einer
neuen Hoffnung, eines neuen Testaments, oder eines
neuen Gebotes, das man Gnade, Geist, Wahrheit, Evan
gelium oder Gesetz Christi nennen könnte, ersetzt wor
den ist. Dies Gesetz Christi steht aber nicht im Gegensatz
zu dem alten Gesetz. Christus selbst erklärt in der Berg
predigt: «Denkt nicht, daßich gekommen sei, um das
Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht
gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. [...j
Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der
kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht
alles geschehen ist. Wer aber nur eines von den kleinsten
Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt,
der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber
hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmel
reich.» (Mt 5, 1719). Christus ersetz somit nicht etwas
Altes mit etwas Neuem, sondern gibt dem Altem etwas
Neues, womit er es vervollkonminet und aus dem Altem
etwas Neues macht. Es gibt keinen Gegensatz zwischen
dem Gesetz, das durch Moses gegeben wurde, und der
Verkündung durch Christus. Das neue Gesetz ist eine
verklärte Verkündung des gleichen Inhalts wie in der
alten Offenbarung des Willen Gottes. Das neue Gesetz ist
verkündet in der Lehre Christi, und diese findet man im
Evangelium: «Wer meine Gebote hat, und sie hält, der
ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von mei
nem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben
und mich ihm offenbaren. » (Joh 14, 21).
Viele verschieden Schriftstellen sind in der Litera
tur für die Verständnis der lex in der Zeit bis etwa 400
zitiert worden.33 Aus diesen geht hervor, daß, wie Pau
lus, auch die Kirchenväter das Gesetz Christi als dem
Evangelium gleich verstanden. Sehr deutlich ist dies bei
Tertullianus, der schreibt: Lex proprie nostra, id est
Evangelium.34
In der christlichen Heilsgeschichte, die schon vor
der Erschaffung der Welt festgelegt war35, hat jedes Zeit
alter sein Gesetz.36 In der Zeit ante legem, d.h. vor
Moses, galt die ursprüngliche Ordnung, das antike
Naturgesetz, das Gott am Anfang der Zeit so festgelegt
hatte. Mit Moses bekam das Gottesvolk ein geschrie
benes Gesetz, das erste Gleid einer Reihe von Offenba
—
‚
12
rungen, die gewissermaßen die Schranken zwischen den
Zeitaltem der Heilsgeschichte ausmachen. Die Zeit sub
lege wurde mit Christus durch das Zeitalter sub gratia
abgelößt. Wie aber aus den ober zitierten Stücken der
Bergpredigt und der Verheißung des Heiligen Geistes
hervorgeht, ist diese Zeit eben nicht ohne Gesetz. Die
Heilsgeschichte ist in sofern kummulativ, daßsie eine
Anhäufung von Offenbarungen des Willen Gottes sind,
jede dem jeweiligen Stand der Menschheit angepasst,
und doch sich ständig in Richtung einer Vervollkomm
nung dieser nach dem Willen Gottes bewegend. Wenn
Christus davon spricht, daßer das Gesetz vervollkomm
net, bedeutet dies auch, daßer das Gesetz (Mose) erklärt
oder seine tiefere Bedeutung offenbart. Da Christus
nach dem JohannesEvangelium und nach den Nizäani
schen und NizäaKonstantinopolitanischen Glaubensbe
kenntnissen von 325 und 381 mit Gottvater wesens
gleich ist, Teil des dreifaltigen Gottes, ist er auch der
gleiche Gott, der Moses auf dem Sinai die Gesetzesta
feln gab, und auch der gleiche, der die ursprüngliche
Weltordnung nach dem ursprünglichen Gesetz schuf,
weil er als präexistenter Gott auch der Erschaffer der
Welt war. Seine Wahl einer Offenbarung vor den Men
schen in der Inkarnation geschah, um das neue Zeitalter
sub gratia, das Zeitalter der Gnade, einzuleiten. Chris
tusGott gab im Erdenleben seinem Willen deutlicheren
Ausdruck, durch sein Beispiel mehr denn durch ein
Gebot. Dieser Willen war natürlich nicht als Gegensatz
zu dem von ihm selbst offenbartem Gesetz von Sinai zu
verstehen, sondern erklärte dieses und eröffnete damit
den Weg über den Buchstaben hinaus zur Wahrheit und
zur Gnade. Dies neue Gesetz, das Paulus das Gesetz
Christi nennt, ersetzt somit das Gesetz Mose als neue
Offenbarung des göttlichen Willens, was auch auf das
alte Gesetz zurückwirkt, das nicht länger nach dem
Buchstaben verstanden werden muß, sondern nach der
Lehre Christi. Deshalb kann Paulus sagen: «Jetzt aber
sind wir frei geworden von dem Gesetz, an das wir
gebunden waren, wir sind tot für das Gesetz und dienen
in der neuen Wirklichkeit des Geistes, nicht mehr in der
alten des Buchstabens. » (Röm 7, 6). In diesem Verhält
nis zwischen dem alten und dem neuen Bund liegt das
Argument für die Beibehaltung der alttestamentlichen
Schriften als kanonisch, weil man in diesen die früheren
Offenbarungen des göttlichen Willens findet, wie sie im
Laufe der Heilsgeschichte ihren Niederschlag fanden.
Damit erklärt sich auch die große Veneration für Moses
bei den Kirchenvätern, auch wenn sein Gesetz seine
Aktualität eingebüßt hat. °
Bischof Ambrosius von Milano, der während der
Blüte des traditio legis zwischen 380/90 und 400/10 sein
Wirken hatte, spricht ungeheuer oft über das Gesetz,
sowohl das Alte wie das Neue. Ambrosius sieht das Alte
Testament als ganzes als eine verschleierte Offenbarung
des Willen Gottes, die sich im Lichte des Neuen Testa
ments verstehen läßt. Er sieht lex domini als Gesetz
Christi, und meint, Christus selbst sei das lex do,nini,
weil er als das inkarnierte Wort Gottes der offenbarte
Willen Gottes ist.38 Ambr~sius erklärt weiter die Worte
Pauli: «Christus ist das Ende des Gesetzes» (Röm 10,
4) so, daßChristus die Erfüllung des Gesetzes ist, und
das der Gläubige unter dem Gesetz leben muß, bis er zu
Christus gelangt.39 Er hebt auch hervor, daßChritus das
alte Gesetz gab, ebenso wie er das Neue im Evangelium
gegeben hat, und das es erst durch das neue Gesetz
möglich wurde, das Alte zu verstehen.40 Und er betont,
wie u.a. auch Tertullianus, daßdas Gesetz für ihn das
Evangelium ist, das Christus gab, und das es dieses
Gesetz ist, und nicht das Gesetz Moses und der Prophe
ten, das Ambrosius als dasjenige anerkennt, das ihm zu
folgen gegeben ist: Quoniam tu legem posuisti mihi,
Non per Moysen, non per Prophetas, sed ipse per Te,
Jesu, legein posuisti mihi, hoc est Evangelium.41 Dies
Gesetz ist in diesem Verständnis das Gesetz der Gnade,
wie auch Augustinus schreibt: iubet per legem, dat per
gratiam.42
Darstellung des Jüngsten Tags? Ein Kommen Christi
leitet nämlich nicht nur das Zeitalter der Gnade ein, son
dern auch das folgende und letzte heilsgeschichtlichen
Zeitalter. Unmittelbar verleitet eine Betrachtung der uns
überlieferten Darstellungen zu einer Auffasung der
Szene als apokalyptisch, weil in vielen Beispielen apo
kalyptische Elemente vorhanden sind, worauf ich in der
Behandlung von 5. Costanza näher eingehen werde. Die
Szene kann aber auch, meine ich, weniger auf ein spezi
fisches Ereignis hinweisen als eine eher ahistorische und
symbolische Darstellung des Zustands sein, der unter
dem Gesetz der Gnade herrscht.
Beim Eintreten in die christliche Gemeinde durch
die Taufe wird das Gesetz und Gebot des Herrn den
Neophyten eingeprägt. Als Teil des Gottesvolkes müs
sen sie das Gesetz Gottes kennen. Diese Belehrung des
Gesetzes bei der Taufe haben einige Gelehrte als Argu
ment dafür gesehen, daßtraditio legis in Wirklichkeit
eine Abspiegelung der Taufzeremonie traditio symboli
sei.43 Eine solche Verbindung scheint mir bedenklich,
weil sie auf der Assoziation zwischen einer alten
Bezeichnung für ein Ritual und einer neuen Bezeich
nung (Anno 1858) für ein Motiv baut, und mußdeshalb
mit Vorsicht betrachtet werden. Immerhin ist aber bei
der Taufe von einer ganz besonderen Relevanz des lex
domini die Rede, da die Taufe als das Ereignis angese
hen wird, bei dem das Gesetz in den Herzen der Men
schen eingeschrieben wird (vgl. Jer 31, 33). Bei Gregor
von Nazianz heißt es so zum Beispiel, daßder Neophyte
bei der Taufe die neuen Gebote in seinem Herzen entge
gennimmt, wie Moses die auf den Tafeln entgegen
nahm.“ Augustin meint gleichlautend, daßbei der Tauf
weihe ein automatisches Einschreiben des Gesetzes in
die Herzen geschieht.45
Als Quelle für das Verständnis der zentralen Dreier
gruppe des traditio legis hat Berger die Beschreibung
des Paulus Silentiarius vom dem Altarvorhang in der
justinianischen Hagia Sophia in Konstantinopel einbe
zogen. Wenn auch diese Quelle etwas mehr als 100 Jahre
jünger als das thessalonikanische Kästchen ist, scheinen
mir die Aussagen von so allgemeinem Wert, daßman sie
schon zur Beleuchtung eines zeitgleichen Verständnis
sen der Ikonographie eines dem traditio legis offenbar
nahe verwandtem Motivs anführen kann: « [...] Die Fin
ger der Rechten/Hebt er empor, als verkünd‘ er das Wort
der evigen Wahrheit./In der Linken das Buch, das da
zeugt von den göttlichen Reden,/Jenes Buch, das berich
tet, was nach dem rettenden Ratschluß/Ward von dem
Herren vollbracht, so lang‘er auf Erden gewandelt./[. .1
Ihm zur Seite erblickst du die beiden Herolde des Her
ren,/Paulus, den Mann, erfüllet von jeglicher göttlichen
Weisheit,/Und den gewaltigen Hüter der Schlüssel der
himmlischen Pforten,/Der, wie hienieden, dort oben zu
binden und lösen die Macht hat/Jener trägt das Buch
mit den reinen Sprüchen der Wahrheit,/Dieser auf golde
nem Stabe das Zeichen des heiligen Kreuzes. ~~~j»“
Wenn neutestamentliche Personen, in diesem Falle
Petrus und Paulus, somit in einer Handlung um die lex
domini versammelt sind, so ist dies Gesetz das Gesetz
Christi. Und dieses ist also die neue Offenbarung des
Willen Gottes durch Christus, diejenigen Gebote, deren
Überhaltung den Menschen die Liebe Christi und Gottes
sichern, und damit auch das Heil. Da dominus legem dat,
wie oben dargelegt, nicht bedeuten kann, daß eine
eigentliche Überreichung stattfindet, aber in juridischen
Bedeutung Gesetzgebung heißt, so mußdie Handlung
im traditio legis in der Verkündung des Gesetzes Christi
bestehen, d.h. die Verkündung oder Offenbarung des
Willen Gottes mit den Menschen durch Christus.
Es gibt noch ein Problem: Wann findet diese
Gesetzgebung statt? Es ist offenbar von einem Zeit
punkt nach der Auferstehung die Rede. Ist es aber die
Belehrung der Apostel durch Christus während den
Besuchen bei ihnen, die man sieht, oder ist es eher eine
Hier scheint die Gruppe auf unserem Kästchen in
den Hauptzügen beschrieben und erklärt. Was fehlt ist
die offene Buchrolle und ihr Auffangen durch Petrus.47
Diese Züge lassen sich wohl aus der grundlegenden
Komposition des Motivs erklären. Christus, der zwi
schen Petrus und Paulus steht, verkündet mit seiner
erhobenen rechten Hand die Worte der ewigen Wahrheit,
die scheinbar auch Inhalt des Buches sind, das er in der
Linken hält. Das Buch ist der Bericht über die Taten des
Herrn auf der Erde, also das Evangelium. Christus ist
somit Verkünder des Evangeliums oder der Wahrheit im
und hinter dem Evangelium. Petrus und Paulus sind
seine Herolde, und stehen ihm bei Seite. Sie vermitteln
also seine Botschaft weiter an die Untertanen Christi,
posaunieren es in die Welt.
DIE APOSTELFÜRSTEN
.
Die beiden großen Apostel werden mit ihren jewei
ligen Attributen beschrieben uhd dargestellt. Paulus ist
TRADITIO LEGIS?
13
der göttlich Weise (durch seine geschlossene Buchrolle
so ausgezeichnet), Petrus der mächtige Schlüsselhüter
mit dem Kreuz über der Schulter. Die Funktionen der
Apostel im Verhältnis zu Christus und Christi Verkün
dung ist damit auch beschrieben. Paulus muß als der
Interpret, Petrus als der Verwalter der Offenbarung, deren
Herolde sie sind, verstanden werden. Weiter ist Petrus
der Nachfolger Christi, da das Kreuz teils als Hinweis
auf seinen eigenen Kreuztod zu verstehen ist, aber auch
als Hinweis auf die Worte Christi: «Wer mein Jünger
sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf
sich und folge mir nach» (Mk 8, 34 & Mt 16, 24, sehr
ähnlich Lk 9, 23, vgl. Lk 14, 27 u. auch Mt 10, 38).
Petrus nimmt in dem traditio legis eine aktivere
Rolle ein als die des Paulus, und gleichzeitig ist er in
unmittelbarerem Kontakt mit ihm. Die aktive Rolle,
meine ich, läßt Petrus als den dienenden Apostel darste
hen, was eine Verbindung mit der evangelischen Hervor
hebung seiner Person und seiner Führerposition im
Verhältnis zu den Jüngern und später zu den Aposteln
hat. Christus spricht dreimal zu seinen Jüngern über ihre
Bestimmung zu Dienern, in dem er die Würde des
Dieners hervorhebt. «Wer der Erste sein will, soll der
Letzte von allen und der Diener aller sein.» (Mk 9, 35,
vgl. auch Mk 10, 4345, ähnlich Lk 22, 26). Petrus ist
eben der Führer der Apostel, weil er bei der Übertragung
der Schlüssel zum Himmelreich der Leiter und Grund
felsen der Gemeinde wird, wie es bei der Stelle, die vor
allem seine vorrangige Stellung begründet, heißt: « Ich
aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen
werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der
Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir
die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf
Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden
sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im
Himmel gelöst sein.» (Mt 16, 1819). Diese Schriftstelle
folgt unmittelbar nach der Erkenntnis Petri, daßJesus
Christus sei, der Sohn Gottes, und unmittelbar vor dem
oben angeführten Zitat vom Kreuz. Der Petrus, der als
Fundament der Kirche dienen soll, erhält seine Macht
als Führer, weil er dient und sein Kreuz aufnimmt und
Christus nachfolgt. Sein Auffangen und Unterstützen
der Buchrolle und des geoffenbarten Wortes, werden im
traditio legisMotiv durch seine ikonographische Merk
male die Taten des Dieners, in dem er als Nachfolger
Christi und als Grundfelsen der Kirche das geoffenbarte
Wort, iex domini, stützt und bewahrt. Man könnte ein
wenden, was denn der Unterschied dazwischen sei, ob
Petrus die Buchrolle nun empfing oder nur stützend auf
fing, da er ja als Apostelführer und Leiter der christli
chen Gemeinde ohnehin Repräsentant der Kirche und
der Gläubigen sein würde. Ein Großteil der Aussage ist
ohne Zweifel gleich. Allerdings ist eine Präzisierung
wünschenswert, da eine Auffassung der Handlung als
eigentliches Auffangen sehr leicht zu den vorschnellen
Vorstellungen einer direkten Kopierung der kaiserlichen
zeremonialen Ikonographie und zu einer falsch verstan
denen Inszenierung der Einstiftung des Primates Petri in
14
kaiserlichen Formen führt, wie dies nicht selten bei der
Behandlung des Motivs in der Literatur geschehen ist.
Hiermit verlagert sich der Schwerpunkt auf das anschei
nende Verhältnis zur kaiserlichen Ikonographie, und die
damit verbundene Terminologie verleitet zu Fehlein
schätzungen und zur Einseitigkeit.
DAS PRIMAT PETRI
Die Diskussion darüber, ob traditio legis als Dar
stellung einer Einstiftung des Primates Petri zu verste
hen sei, nimmt einen großen Teil der Literatur über das
Motiv ein. Die Diskussion dreht sich auch darum, ob die
christliche Kunst des 4.Jahrhunderts als politisch gewer
tet werden kann oder nicht. Die sehr einflußreichen
christlichen (was vielleicht nicht ganz ohne Bedeutung
ist: katholischen) Archäologen der Jahrzehnte um die
Jahrhundertwende, Garrucci, De Rossi und Wilpert
haben sich für ein Verständnis des Motivs als Markie
rung der Sonderstellung Petri ausgesprochen.48 Ihnen
sind später Kollwitz, Wessel, DavisWeyer, Congar, Giu
liani und Franke gefolgt.49
Die Idee des Primates Petri, die sich schon in den
Evangelien zeigt, wo er als Apostelführer und später
als Leiter der Urgemeinde in Jerusalem (Gal 1, 18ff.)
beschrieben wird, wird von der römischen Kirche in der
Spätantike und im Mittelalter dazu ausgenutzt, eine
Dominanz auf Gebieten der Dogmatik und des Kirchen
rechts zu begründen. Das Primat des römischen
Bischofs wird aus der angeblichen Einsetzung Clemens‘
durch Petrus, als dieser einen Nachfolger als Leiter der
Gemeinde Roms suchte, abgeleitet. Petrus reicht die
Aufgabe, das er selbst von Christus anvertraut worden
ist, an einen von ihm selbst ausgewählten weiter, der
danach stellvertretend Christi Nachfolger wird. So heißt
es in der Papstchronik Liber Pontificalis, im Text über
Clemens, der zwar aus dem 6. oder 7.Jahrhundert
stammt, aber auf einer ältern Tradition baut50: Hic ex
praecepto beati Petri suscepit ecclesia pontificatum
gubernandi, sicut eifuerat a Domino Jesu Christo cathe
dra tradita vel commissa; tamen in epistola quae ad
Jacobum scripta est, qualiter ei a beato Petro comissa
est ecclesia repperies.51
Rom lag im 4.Jahrhundert, und besonders in der
zweiten Hälfte des Jahrhunderts, im Wettstreit mit den
anderen Patriarchaten der Christenheit, Antiochia,
Alexandria und Konstantinopel. Schwere dogmatische
Streitigkeiten hatten seit der offiziellen Anerkennung
der Kirche durch Konstantin dem Großen dem Verlan
gen nach Zentralisierung der dogmatischen Beschlüsse
Nachdruck verliehen. Die Einheit der Kirche und des
Gottesvolkes war eine Illusion, und damit war auch das
Christentum als solches bedroht. Obwohl Anklänge
eines Machtstrebens der römischen Bischöfe sich schon
im 3 .Jahrhundert bemerkbar machen, ist es erst nach der
Ablösung des konstantinischen Kaiserhauses, daßRom
sein Primat über die anderen Patriarchate vor allem zu
promovieren beginnt.52 In der Argumentation werden
vor allem die Anwesenheit und Martyrien von Petrus
und Paulus in Rom angeführt, aber auch die von zahlrei
chen anderen Heiligen. Pabst Damasus verfaßt in diesem
Zusammenhang eine Reihe von Gedächtnisversen, die
an den angeblichen Gräbern oder Memorien über die
Märtyrer angebracht wurden. Bei dem Memorium für
Petrus und Paulus bei 5. Sebastiano f.l.m., damals basi
lica apostolorum, werden die Apostelfyrsten als
römische Bürger bezeichnet, die sich durch ihr Marty
rium in der Stadt diesen Status erworben hatten. Die
Hauptapostel sind für Rom in Anspruch genommen und
damit auch für die Rechtglaübigkeit der von ihnen einst
gestifteten römischen Gemeinde: Hic habitasse prius
sanctos cognoscere debes/No,nina quisque Petri pariter
Paulique requiris/Discipulos oriens misit quod sponte
fatemur/Sanguinis ob ineritum Christumque per astra
secuti/Aetherios petiere Sinus regnaque piorum/Roma
suos potius ineruit defendere cives/Haec Damasus ves
tras referat nova sidera laudes.53
Während des Pontifikats Damasus‘ verkündet der
Kaiser Theodosius der Große am 28.Februar 380 das
OrthodoxieDekret, das der Spaltung der Kirche abhel
fen soll. Hierin wird hervorgehoben, daßalle an dem
Glauben, den Petrus an die Römer gab, und der jetzt von
den Bischöfen Damasus von Rom und Peter von Alexan
dria verfochten wurde, glauben sollten.54 Ein wirkliches
Primat im westlichen Teil des Reiches gibt es aber erst
unter Siricius, dem Nachfolger des Damasus, der unter
Anrufung der römischen apostolischen Tradition
Dekrete erstellen kann, die im ganzen Westen Gültigkeit
haben. Der Nachfolger Siricius‘ kann sogar ein
römisches Vikariat in Thessalonki einrichten, um in die
ser östlichsten der westlichen Kirchenprovinzen die
Überhaltung der Orthodoxie nach römischem Muster zu
überwachen.55 Der Zeitpunkt der Erreichung einer römi
schen Primatsstellung paßt also gut mit dem der Entste
hung und Ausbreitung des traditio legis zusammen, was
ein Argument für eine glaubenspolitische Absicht mit
dem Motiv sein kann, aber ganz unabhängig von einer
Überreichnung einer GesetzesBuchrolle. Der Kontext,
in dem das Motiv auftritt, scheint mir allerdings nicht
eine politische Steuerung wahrscheinlich zu machen, da
die meisten Beispiele ganz privaten Charakters sind, und
nicht der offiziellen oder öffentlichen kirchlichen Kunst
angehören. Obwohl die römischen Bischöfe Petrus und
Paulus als Wahrheitszeugen für den kirchlichen Status
und den Primat der römischen Kirche angeführt werden,
ist meiner Ansicht nach damit nicht die wesentliche
Bedeutung des Motivs getroffen. Diese scheint mir viel
mehr in dem Glaubensbekenntnis zu liegen, die das
Motiv ausdrückt und die für den privaten Christen, im
Blick auf die Evigkeit, vielmehr denn auf die aktuelle
Situation, in dieser Hinsicht von weit größerer Bedeu
tung gewesen sein muß.
KAISER UND CHRISTUS
Es ist in diesem Jahrhundert viel über das nahe
Verhältnis zwischen Kaiserikonographie und Christus
darstellung geschrieben worden, und zwar oft so, daß
man den Eindruck bekommen könnte, die Kirche hätte
in der Wahl ihrer Ikonographie sich so nah wie möglich
an die Kaiserikongraphie angelehnt, quasi um die Auto
rität und Göttlichkeit des Kaisers auf Christus zu
überführen.56 Teil dieser Annahme läßt sich daraus her
leiten, daßdie Forschung sich sehr stark auf die Person
Konstantins des Großen bezogen hat, auf seine Großzü
gigen Stiftungen für die Kirche, und auf seinem Theolo
gen Eusebius von Caesarea, der mehrmals Parallelen
zwischen dem Kaiser und Christus (und zwichen dem
Kaiser und Paulus) beschreibt. Es ist jedoch nicht nach
gewiesen, nicht einmal meines Erachtens wahrschein
lich, daßeine solch nahe Verbindung von Kaiser und
Christus als allgemeines Phänomen in der Kirche des
4.Jahrhunderts vorhanden gewesen ist. Konstantins
Verhältnis zur Kirche, und Eusebius‘ Auslegung dieses
Verhältnisses, ist ein Sonderfall. Nach dem Tode Kon
stantins sieht das Verhältnis zwischen besonders der
römischen Kirche und dem Kaiser ganz anders aus, oft
eher als Gegensatz und als Kampf zwischen Orthodoxie
und Arianismus. Eusebius vertritt keineswegs die
vorherrschende Meinung in der Kirche, erst recht nicht
die in der Orthodoxen.
Es ist zwar offenbar, daßChristus in Darstellungen
von der zweiten Hälfte des 4.Jahrhunderts und bis ins
Hohe Mittelalter als Herrscher mit dazu passender Klei
dung und Umgebung gezeigt wird, genau wie auch die
Apostel in der Ikonographie und in den offiziellen
Dokumenten der römischen Kirche mit Insignien und
Titulaturen versehen sind, die dem zivilen offiziellen
Sprachgebrauch entnommen sind.57 Nur sind diese nicht
als spezifisch kaiserlich zu verstehen, sondern eben als
herrscherlich. Man mußdaher vorsichtig damit sein, in
einer solchen herrscherlichen christlichen Kunst ein
politisches Zeichen zu sehen, oder davon auszugehen,
daßsich die christliche Kunst aus Legitimazionsgründen
der kaiserlichen anglich. Dies scheint mir zu geschehen,
wenn Schumacher dafür argumentiert, unser Motif sei
besonders relevant in der Peterskirche, wo er wie viele
andere eine Darstellung vermutet, und in 5. Costanza,
weil beide kaiserliche Gründungen des konstantinischen
Hauses waren: «Die Ausdrucksformen der imperial
höfischen Kunst standen also beiden [Apsidenaus
schmückungen dieser Kirchen] gleichermaßen zur
Verfügung. » 58 Die Darstellung Christi als Herrscher hat
meines Erachtens nichts mit dem Kaiser zu tun, sondern
mit christlichen Auffassung Christi als des höchsten
Herrn, sowohl hier als auch im Jenseits, dessen Volk die
Gemeinde ist. Christus selbst spricht vor Pilatus: «Du
sagst es, ich bin ein König» (Joh 18, 37), aber: «Mein
Königtum ist nicht von dieser Welt» (Joh 18, 36). Chris
tus ist nicht auf die Konkurrenz mit dem Kaiser verwie
sen, denn er ist über dem Irdischen erhaben und braucht
TRADITIO LEGIS?
15
keine äußeren Zeichen seiner Autorität um sich zu
legitimieren. Er herscht im Jenseits und im Kommenden,
sein Reich auf Erden ist die Kirche, sein Volk ist das Volk
Gottes und sein Sieg wird bei seiner Wiederkehr kommen.
Der herrschende Christus in der Apsis der 5. Puden
ziana, z.B., ist der himmlische Herrscher in seinem
Reich, mit den Aposteln an der Seite, wie es ihnen
verhießen worden ist: «Wenn die Welt neu geschaffen
wird, und der Menschensohn sich auf den Thron der
Herrlichkeit setzt, werdet ihr, die ihr mir nachgefolgt
seid, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme
Israels richten.» (Mt 19, 28). Daßdie Apostel um Chris
tus sitzen und nicht, wie das kaiserliche Hofzeremoniel
bot, stehen, ist ein Zeichen dafür, daß dies Reich ein
anderes ist die Ikonographie liegt dichter an der Philo
sophenversammlung als an dem Hofzeremoniel, und läßt
sich Motivhistorisch bis in die ältere Katakombenmalerei
verfolgen.59 Christus ist Herrscher und Lehrer in einem.
—
Die früher erwähnte gewollte Parallele zu einer
Kaiserlichen largitio zeigt sich im Bezug auf das traditio
legis als unhaltbares Argument, nicht nur für Deutung
der Handlung als Überreichung, sondern auch für eine
Herleitung aus der Kaiserikonographie. Der Sarkophag
Lat.174 galt lange als einer der wichtigsten Zeugen für
die Entwicklung des traditio legis aus der Kaiserikono
graphie, weil hier ein sitzender Christus die offene
Buchrolle hält, und damit die Nähe zum kaiserlichen
Zeremoniel bemerkenswerter erscheint. Die Geschichte
des traditio legis würde somit in dem Typus einer
Dreiergruppe, wie man sie auf dem Junius BassusSar
kophag sieht, ihren Ausgangspunkt nehmen, dann über
eine Übergangsphase, die einzig durch den Lat.174
belegt sei, sich zum traditio legis umformen. Nun ist
aber der Lat.174 problematisch. DavisWeyer hat wahr
scheinlich gemacht, daßer eine Kompilation aus Ele
menten des JuniusBassusTyps und des traditio legis
Typs sein könnte60, und Wessel meint sogar nach
genauer technischer und ikonographischer Untersu
chung nachweisen zu können, daßdieser Sarkophag, der
seit dem frühen 17.Jahrhundert dokumentiert ist und
somit provenienzmässig unproblematisch erscheint, ein
pseudoaltchristlicher Sarkophag ist, um 1600 herge
stellt und möglicherweise mit Originalfragmenten als
Vorbild für Teile seiner Ikonographie, während eben der
JuniusBassusSarkophag, der 1595 gefunden wurde,
für den Rest der Rekonstruktion die wichtigste Inspira
tion gab.6‘ Hiermit ist noch ein Argument für die Verbin
dung zwischen der kaiserlichen Ikonographie, besonders
der largitio, sehr verunsichert worden.
Auch wenn man in dem traditio legis nicht eine
Überreichung hat, ist die Betonung der apostolischen
Tradition doch eindeutig wichtig für das Verständnis des
Motivs. Petrus und Paulus sind nicht nur die Hauptapos
tel der Christenheit, sondern auch die Apostel Roms,
und sie werden dargestellt in direktem Kontakt mit
Christus, ihm huldigend und seine Verkündigung entge
gennehmend.
16
DIE APOSTELFYRSTEN ~is REPRÄSENTATIONEN
Der Großteil der Literatur über das traditio legis
Motiv hat sich weit ausgiebiger über insbesondere
Petrus, aber auch Paulus, ausgelassen, als über Christus,
der ja doch die zentrale Gestalt der ganzen Darstellung
ist, von dem alles andere ausgeht. Petrus und Paulus sind
seine Helfer und Herolde, müssen aber doch wohl im
Verhältnis zu Christus als von relativ geringerer Bedeu
tung für die zentrale Botschaft angesehen werden. Nicht
desto weniger sind den Aposteln eine Fülle von Bedeu
tungen zugelegt worden, die man mit in Betracht ziehen
muß, um den möglichen Assoziationen eines damaligen
Betrachters, und damit auch einen Teil des Bedeutungs
potentials des Motivs, näher zu kommen.
Die christliche Ikonographie Roms ist besonders
zur Zeit Konstantins des Großen von der Gestalt Petri
dominiert. Er ist der erste Apostel, der ikonographisch
individuelle Züge entwickelt, und er tritt in der ersten
Hälfte des 4.Jahrhunderts auf einem sehr großen Teil der
bekannten Sarkophage und anderen Bildträgern auf.
Dies zeigt über jeden Zweifel erhoben und mit aller
Deutlichkeit seinen besonderen Status als wichtigster
Heiliger in Rom und in den römisch beeinflußten Pro
vinzen zu diesem Zeitpunkt. Gegen die Mitte des Jahr
hunderts beginnt auch Paulus individuelle Züge anzu
nehmen und tritt als ebenbürtiger Partner Petri auf.
Seine Popularität zu diesem Zeitpunkt mag etwas mit
dem raschen Anwachsen des Christentums zu tun haben
ein Anwachsen, das das Verlangen nach einem Intel
lektuellen an der Seite des Fischers Petrus verstärkt
haben könnte, um den gebildeten und konservativen
Schichten der heidnischen Bevölkerung ansprechen zu
können, die in ihm einen christlichen Philosophen sehen
konnten, der den heidnischen, die so sehr verehrt wur
den, ersetzen oder ergänzen konnte. Paulus, selbst römi
scher Bürger, spricht und argumentiert in seinen Briefen
für ein Publikum mit griechischrömischem kulturellem
Hintergrund, und ist deswegen für die gebildeten Römer
leichter verständlich und akzeptierbar. Petrus ist als ein
facher Mann und als in den Evangelien zeitweilig etwas
einfältiger und voll von Fehlern für seinesgleichen an
sprechend.62 Die Apostel können sich somit gegenseitig
supplieren und haben die Möglichkeit, der ganzen römi
schen Bevölkerung anzusprechen. Nicht weniger bedeu
tend ist aber auch, daßPaulus in einer Zeit der dogmati
schen Streitigkeiten um die Person Christi als
apostolischer Interpret und Lehrer eine dogmatische
Autorität besaß, die ihm niemand streitig machen
konnte, und auf der die orthodoxe Tradition der Kirche
in Rom sich stützte, weil er als einen der Gründer der
römischen Gemeinde galt.
Oft werden Petrus und Paulus als Personifikationen
der beiden Teile der Kirche, der ecclesia ex circumsis
sione und der ecclesia ex gentibus, der Judenkirche und
der Heidenkirche, verstanden.63 Dies leitet sich aus Gal
2, 78 ab, worin es heißt: «[Die Mitglieder der
Gemeinde Jerusalems] sahen, daßmir das Evangelium
—
für die Unbeschnittenen anvertraut ist wie dem Petrus
für die Beschnittenen denn Gott, der Petrus die Kraft
zum Aposteldienst unter den Beschnittenen gegeben hat,
gab sie mir zum Dienst unter den Heiden.» Der Gedan
ken der zwei Teile der Kirche ist wichtig für die Univer
salität, weil sich in ihr begründet, daßdie christliche
Botschaft nicht nur dem alten Gottesvolk Israel vorbe
halten ist, sondern dem neuen Gottesvolk, das aus der
gesammten Menschheit besteht, sofern sie das Evange
lium entgegennimmt und Teil der Gemeinde wird: «Es
gibt nicht Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie,
nicht Arme und Reiche, nicht Mann und Frau; denn ihr
alle seid «einer» in Jesus Christus.» (Gal 3, 29). Niko
lasch verzeichnet eine Reihe von Kirchenväterkommen
taren zu dem Galaterbrief, dem Epheserbrief und der
Apostelgeschichte, wo diese Themen behandelt werden.
Die Kommentare geben alle einen Einblick in die Funk
tion der Apostel als Repräsentanten für Kernbegriffe der
Kirche und des Glaubens, und gerade weil die den Apos
telfyrsten zugelegten Bedeutungen sich gegenseitig
komplementieren, wird die Universalität der Kirche, für
die sie beide stehen, zu Ausdruck gebracht.
Der sogenannte Ambrosiaster, der im Rom der Zeit
Damasus‘ schreibt (366384), sieht Petrus priviligiert als
Grundleger der Kirche überhaupt, währende Paulus es
als Grundleger der Heidenkirche ist.M Es ist im Frieden
zwischen den beiden Fraktionen der Menschheit, daß
Christus und seine Kirche einen neuen Weltfrieden und
eine neue Ordnung schafft. Wenn im traditio legis Städte
oder evt. nur kleine Hütten auftreten, aus denen Läm
merprozessionen einem gemeinsamen Ziel zustreben, so
meint Nikolasch darin ein Sinnbild für die Zusammen
bringung in der Kirche jener, denen früher das Reich
Gottes verhießen war, mit jenen, die durch das alte
Gesetz davon ausgeschlossen waren.65 Ambrosiaster
gebraucht sogar selber den Ausdruck dans legem dafür,
daß die Feindschaft zwischen Juden und Heiden in
Christus aufgehoben wird.66 Maximus von Turin legt die
Funktion der beiden Apostel so aus, daßPetrus erwählt
ist, den Juden Christi Gnade zu bringen, während Paulus
den Heiden die göttliche Weisheit bringt.67 Petrus wurde
darüber hinaus als Garant der Unerschütterlichkeit der
Kirche angesehen, weil er der Felsen ist, auf dem sie
baut, während Paulus der Gelehrte und Weise ist.68
Eine Besonderheit des traditio legis, die verwun
dert, ist die Plazierung der Apostel. Viele Forscher haben
darüber gestutzt, daßPetrus an der linken Seite Christi
steht, und nicht an der priviligierten rechten Seite, auf
der er in fast allen anderen Darstellungen der Dreier
gruppe ChristusPetrusPaulus steht. Dies ist natürlich
besonders problematisch für diejenigen, die für eine
Übertragung an Petrus argumentieren, was eine beson
dere Priviligierung Petri bedeuten müßte. Ein Grund für
diese Verteilung der Apostel kann in der Tatsache zu fin
den sein, daß Christus sich mit beiden Händen etwas
vornimmt. Da Christus die rechte Hand erhoben hat,
mußPetrus, wenn er sich auf der Seite der Buchrolle
befinden soll, notwendiger Weise die Linke einnehmen.
Es ist allerdings nicht nur bei dem traditio legis der Fall,
—
daß die Aposteln sich so verteilen und scheint damit
nicht nur von der Notwendigkeit der Handlung bestimmt
zu sein. Bei Darstellungen des christus magister oder
des Christus als siegender Heiland (in einigen Fällen
durch sein mit Siegeskranz bekränztes Kreuz symboli
siert) kommt es ebenfalls vor, daßPetrus links ange
bracht ist.69
Wenn er auch aus dem lO.Jahrhundert ist, mag es
doch nicht ganz abwegig sein in Anbetracht des Feh
lens früherer Quellen über die Plazierung der Aposteln
in der Ikonographie die Meinung des ravennatischen
Bischofs Petrus Damianus anzuführen70. In seiner
Schrift De picturis principium apostolorum wundert er
sich darüber, warum in Rom und Umgebung Petrus oft
an der linken Seite Christi abgebildet ist, wo er doch den
Evangelien zufolge der Erste unter den Aposteln sei.71
Die ganze verschnörkelte Erklärung Damianus‘ sei hier
nicht wiedererzählt. Ein wichtiges Argument liegt für
Damianus darin, von wo Paulus seine Offenbarung der
göttlichen Wahrheit hat: Paulus ad coelum tertium
ascendit, ubi etiam arcana verba, quae homninibus loqui
non licet, audivit.72 Die Entrückung Paulus in den dritten
Himmel ist der Grund, daßdie Belehrung, die er erhal
ten hat, höher ist als die der anderen Apostel, da seine
Belehrung durch Christus stattfand, als Christus selbst
nicht mehr bei den Menschen weilte, sondern bei Gott.
Die Weisheit, die er durch dieser in Gottesnähe vernom
menen Lehre, die auf Erden nicht gelehrt werden könne,
besitzt, gießt selbst Petrus einen besonderen Respekt für
ihm ein: Unde de ipse primus apostolorum Petrus ejus
admiratur sapientiam, dicens: « Charissimusfrater nos
ter Paulus, secundumn datamn sibi sapientiam scripsit
vobis; sicut et in omnibus epistolis, loquens in eis de bis,
in quibus sunt quaedanz dmfficilia intellectu, quae indocti
et instabiles depravant. » ~ Paulus ist also der Weise, der
vernommen hat, was niemand sonst vernehmen könnte,
und seine Einsicht ist dermaßen groß, daßsie schwer zu
begreifen ist. Er ist direkter Zeuge der Herrlichkeit des
Herrn, und als solcher über andere erhaben.
Damianus betont, daßPetrus immer als Repräsen
tant der vita activa darsteht, und daßdies passend zu
einer Plazierung auf der linken Seite Christi sei.74 Paulus
mußdaher als Repräsentant für die vita contemplativa
gelten, wenn dies auch nicht direkt von Damianus for
muliert wird, und kann mit dieser höheren Lebensweise
mit recht Beschlag auf die rechte Seite nehmen. Nicht
zuletzt ist Paulus für Damianus ein universeller Apostel,
der nicht wie die anderen, darunter Petrus, seinen eige
nen Sitz, seine eigene cathedra, hat. Wie Christus hält er
sich nicht an eine einzelne Gemeinde, aber ist für sie alle
da. Deshalb ist Paulus auch nicht Bischof einer bes
timmten Stadt, sed omnibus praesidet. a Petrus Damia
nus kann daher zusammenfassen: Non igitur sine causa
B. Paulus dextrumn in picturis obtinet latus, dum id non
modo deposcat propensior fructuum cumulus, sed et
figuralis intelligentiae sacramentum.76 Es ist sehr wohl
möglich, daßeine Begründung wie diese, die sich auf
wichtigen Schriftstellen bezieht, der Grund dafür ist,
—
—
TRADITIO LEGIS?
17
daß Petrus und Paulus in dieser unmittelbar überra
schenden Weise im traditio legis plaziert sind.
DAS PROGRAMM DES THESSALONIKANISCHEN
KÄSTCHENS
Die vier anderen Bildseiten des Silberkästchens
konstituieren im Zusammenhang mit dem traditio legis
auf der Vorderseite ein Programm, indem sie zwar nicht
einen Zyklus ausmachen, der einen Zeitlichen Ablauf
hat, sondern kann auch durch die Beziehungen zwischen
den~ einzelnen Bildern entstehen
Referencen, die
durch die Organisation der Bilder untereinander geleitet
werden.
Das Chrismon des Deckels, das zwischen Alfa und
Omega steht, mußsich als Hinweis auf Christus und sei
ner Worte verstehen: «Ich bin das Alpha und das
Omega, spricht Gott, der Herr der ist und der war und
der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung.»
(Offb 1, 8, vgl. Offb 21, 6 und 22, 13). Hiermit wird in
der Kombination des Namen Christi und Gottes dem
Herrn einer Orthodoxie Ausdruck gegeben im Verhältnis
zu der Wesensgleichheit Christi mit dem Vater, die beim
Konzil von Nizäa 325 festgelegt wurde. Entlang der
Kante des Deckels läuft auf allen vier Seiten eine ein
fache Weinranke, was wahrscheinlich im Hinblick auf
das JesusWort «Ich bin der Weinstock, ihre seid die
Reben» (Joh 15, 5) zu verstehen ist, als Gleichnis für
das gegenseitige Verhältnis von Zusammenhörigkeit und
Abhängigkeit zwischen Christus und Kirche.
Die rechte Schmalseite, auf der Seite Petri, zeigt
Moses, der die Gesetzestafeln auf dem Sinai entgegen
nimmt (Fig. 6). Er ist im Profil nach rechts gezeigt, in
leichter Kniebeuge, und mit den palliumverhüllten Hän
den nach vorn und nach oben gerichtet, der Hand Gottes
entgegen, die von oben hervorkommt, eine geschlossene
Buchrolle. Hier sind Kniebeuge und verhüllte Hände als
Indikation der ehrfurchtsvollen Entgegennahme von
etwas, in diesem Falle also des Gesetzes, gezeigt. Daß
das Gesetz hier als geschlossene Buchrolle in einer rech
ten Hand gezeigt wird, bestätigt die Annahme Birts, daß
eine ÜbelTeichung einer Buchrolle so vor sich gehen
müsse.77 Da in diesem Falle außerdem bei der Sinais
zene verhüllte Hände gezeigt werden, bei dem traditio
legis daneben aber nicht, ist ein Unterschied der Hand
lungen markiert, der ebenfalls in diese Richtung weist.
Die Rückseite zeigt die drei Freunde, die während des
babylonischen Exils von dem Tode im Feuerofen geret
tet wurden, zu dem sie auf Grund ihrer Verweigerung
der Abgötterei und ihrer Treue zu Gott verurteilt worden
waren.78 Sie sind alle als Oranten dargestellt, mit kurzer
Tunika, Beinkleidern und phrygischer Mütze.79 Auf der
linken Schmalseite sieht man Daniel in der Löwenkuhle,
in gleicher Weise dargestellt.8° Auch Daniel wurde durch
seine Treue zu Gott von einem qualvollen Tode geret
tet.8‘ Alle drei alttestamentliche Bilder sind seit der
—
18
Frühzeit der christlichen Kunst bekannt, und ihre große
Popularität durch sehr viele Beispiele in der Katakom
benmalerei und der Sarkophagskulptur belegt.82
Die Bildseiten des Kästchens sind so organisiert,
daßdie beiden primären Bilder, die Vorderseite und der
Deckel, symbolische Christusdarstellungen sind, die
eine figurativ, die andere anikonisch, während die drei
sekundären Bildflächen, die beiden Schmalseiten und
die Rückseite, die gewissermaßen nach vorn und nach
oben stützen, alttestamentliche, historische Darstellun
gen zeigen, die typologisch für Christus und für die
Erreichungs des Heils durch Christus zu verstehen sind,
oder die die Treue gegen das Gebot Gottes repräsentie
ren.
Wie aus dem Abschnitt über die iex hervorging, ist
die Kupplung zwischen Christus und Moses als Stifter
des bzw. neuen und alten Bundes er prominentes Thema
sowohl im Neuen Testament als auch bei den Kirchenvä
tern. Die Verbindung ist vielschichtig, da Christus
sowohl der Nachfolger Mose ist, in dem er das neue
Gesetz gibt, und zugleich schon auf dem Sinai als obers
ter Gesetzgeber zugegen. Moses ist aber nicht nur einer
der alttestamentlichen Typen Christi, sondern als Führer
der alttestamentlichen Gemeinde auch Typus für die
Apostel, insbesondere für Petrus 83 Diese Verbindung
tritt mit besonderer Deutlichkeit im konstantinischen
Sarkophagbestand hervor, wo sich die apokryphe Dars
tellung des Quellwunders Petri sehr häufig findet.84 In
dieser Darstellung ist die Parallele zu Moses ganz ein
deutig, in dem Petrus mit einem Stab aus einer Felsen
wand in seinem Gefängnis eine Quelle hervorspringen
läßt, genau wie Moses es in der Wüste auf dem Weg zum
Heiligen Land tat. Während Moses dem Volke Israel zu
trinken gibt, verrichtet Petrus an die durch sein Wunder
gläubig gewordenen Wächter die Taufe.85
Formell gesehen spiegeln die Darstellungen Mose
und Petri auf dem Kästchen einander und zwar über die
Kante, die sie voneinander trennt. Der einzige Unter
schied ist, daßMoses seine Hände weiter emporreckt,
und daßdiese verhüllt sind, was den Unterschied zwi
schen ihren Handlungen markiert, ehrfurchtvolle Entge
gennahme versus ehrfurchtvoller Unterstützung. Das
Pallium, das in beiden Darstellungen den ganzen Körper
und die Arme bedeckt, die identische, wenn auch spie
gelverkehrte Beinstellung und die Plazierung der beiden
Darstellungen auf zwei sich berührenden Seiten läßt die
Annahme zu, daßin diesem formalen Aufbau eine auch
B edeutungsmässige Verbindung zwischen den beiden
Führern der alt und neutestamentlichen Gemeinden
beabsichtigt war. Die Annahme verstärkt sich dadurch,
daßsogar ihre Frisuren sich sehr ähneln, aber bei keinen
der anderen Figuren auf dem Kästchen zu finden ist.
Bärte und Gesicht lassen sich leider nicht vergleichen,
da sie bei Moses nicht meht vorhanden sind.
Die Assoziation zwischen Moses und Peter ist auch
in der Schrift naheliegend, weil Petrus nach dem Gebot
Christi die Schafe Christi hüten soll, nämlich seine
Gemeinde, wobei durch den Psalm 77, 21 auf Moses
hingewiesen wird: « Du führtest dein Volk wie eine
Fig. 6. Gesetcesemnpfang Moses auf dein Sinai. Rechte Schmalseite des
thessalonikanischen Silberkästchens. Nach Panayotidi & Grabar 1975.
Herde durch die Hand von Moses und Aaron.» (Ps 77,
21). Wie Moses von Gott den Auftrag erhielt, der Führer
des Exodus aus Ägypten zu sein, so gab nach Matt 16,
19 Christus an Petrus den Auftrag, nach seiner Himmel
fahrt die Gemeinde zu führen. Bei den Kirchenvätern ist
die Kupplung ebenfalls deutlich. Tertullian spricht von
Moses als den Protoapostel86, Cyprianus sieht ihn als
Bischof. 87Athanasius stellt im Kampf gegen den Aria
nismus Petrus und Paulus als die Verfechter des Glau
bens dar und vergleicht sie mit Moses und David.
Ambrosius, Hieronymus und Augustin vergleichen
ebenfalls die großen Führer des Gottesvolkes in ver
schiedener Weise88, und das gleiche tun Eutropius von
Gallizien89, Orosius9° und Paulinus.9‘ Maximinus erzählt
davon, wie das Gottesvolk mit dem Schiff des Moses
reiste um in das des Petrus umzusteigen.92 Isaak von
Antiochia erklärt, daßdie Kirche auf Petrus baut, wie das
Tabernakel auf Moses.93 In der Kunst wie in der Theolo
gie spielt Moses also eine wichtige Rolle als Typus für
sowohl Christus als Petrus und für die Apostel.
Auch in dem Kontext der traditio legisDarstellun
gen tritt Moses auf dem Sinai öfters auf.94 Endlich
scheint eine MosesDarstellung aus TalTagona in Spa
nien den Zusammenhang zwischen der Gesetzgebung
auf dem Sinai und Christus zu Unterstreichen, indem auf
der Tafel, die Moses aus den Wolken empfängt, ein
Chrismon zu sehen ist.9~ Das Gesetz ist Christi Gesetz
und Christus selbst ist sogar das Gesetz, das Wort des
HelTn, der Logos.96
Wenn Moses auf dem thessalonikanischen Sil
berkästchen in einer so unmittelbaren und sogar beton
ten Nähe zum traditio legis steht, ist dies nicht nur
wegen eines Interesses für die Typologie und eines
Zusammenhanges und Planes in der Heilsgeschichte,
sondern auch um bestimmte Aspekte des traditio legis
hervorzuheben, die als Schlüssel zum Verständnis des
Motivs in diesem Zusammenhang gelten können und die
Interpretation in bestimmte Wege leiten kann, um den
Umfang des Bedeutungspotentials und der vielen mögli
chen und wagen Bedeutungen einzugrenzen und zu prä
zisieren, damit die Botschaft dem glaübigen Betrachter
leichter verständlich wird. Die Themen, die hier anges
chlagen werden, sind schon oben erklärt: Der Wille
Gottes wurde auf dem Sinai verkündet, wie er nochmals
mit dem Kommen Christi verkündet wurde. Wie der
Wille Gottes durch Moses, der ihn durch direkte Beleh
rung Gottes kannte, an die Gemeinde weiterverkündet
wurde, so wird er von den Aposteln weiterverkündet, die
ihn von Christus selbst verkündet bekommen haben.
Moses war der Führer des alten Gottesvolkes, der Israe
liten, und Petrus ist der Führer des neuen Gottesvolkes,
der Gemeinde Christi. Interessant ist in diesem Zusam
menhang die Formulierung der Parallele zwischen dem
Gesetz von Sinai und dem Christi durch Ambrosiaster:
Ipsa die et in monte Sina legem dedit per famnulumn suunm
Moysen, ut sicut agnus figura passionis fuit in sacra
mnento paschae, ita et legis datio euangelicae praedica
tionis, quia eodem die, id est pentecostes, lex data est,
quo et Spiritus Sanctus decidit in discipulos, ut auctori
tatemn caperet ac scirent euangelicumn ins praedicare.97
Es wird hier also die Gesetzesverkündung von Sinai mit
der Eingießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten vergli
chen, und beide werden Gesetzgebung genannt, wohl
weil eben durch den Heiligen Geist die Gesetze Gottes
in die Herzen eingeschrieben werden. Wie Moses das
Gesetz des Herrn empfing um es an das Gottesvolk zu
TRADITIO LEGIS?
19
verkünden, so empfingen die Jünger Christi es, um es
dem neuen Gottesvolk zu predigen.
Wenn Paulus in Verbindung mit Moses nicht so
deutlich hervorgehoben wird wie Petrus, kommt das
wohl vor allem von seiner Sonderstellung, da er sich
außerhalb der Evangelien befindet und nicht so eindeu
tig wie Petrus als Führer dargestellt ist. Er ist aber imme
rhin zusammen mit Petrus Führer des Gottesvolkes, wie
er es selbst im Galaterbrief beschreibt. Der Grund für
sein Vorhandensein auf dem traditio legis wie auf ande
ren Dartellungen Christi zwischen den Apostelfyrsten,
liegt hierin. Sein Vorhandensein markiert einen wichti
gen Aspekt des neuen Gottesvolkes, der es vom alten
Gottesvolk unterscheidet, und der durch die Verknüp
fung des traditio legis mit der Sinaiszene besonders her
vortritt. Als Apostel der Heiden zeigt seine Person, daß
das Gottesvolk jetzt, in Erfüllung der alttestamentlichen
Prophezeihungen, nicht länger nur die Kinder Abra
hams, Isaaks und Jacobs umfaßt, sondern (potentiell) die
ganze Menschheit. Mit dem Gesetz Christi in der
Verkündung seiner Lehre ist ein neues Zeitalter der
Heilsgeschichte eingeleitet, wie Moses das Zeitalter sub
lege einleitete. Was Moses verhüllte, enthüllt sich mit
Christus.
Einen formalen Zusammenhang ähnlich dem zwi
schen Petrus und Moses gibt es auch auf den anderen
zwei aufrechten Seiten des Kästchens, die die Bilder der
drei Freunde im Feuerofen bzw. Daniel in der Löwen
kuhle zeigen. Das Verhältnis ist inhaltlich jedoch nicht
als typologisch zu sehen, da beide Darstellungen eine
Geschichte aus dem Buche Daniel wiedergeben. Daniel
war Typus entweder derjenigen, die verfolgt und von
Gott erhöht worden waren, die Märtyrer und Bekenner98,
oder als Präfiguration der Auferstehung Christi99
beides Funktionen, die er mit den drei Freunden im
Feuerofen teilt. Das Bild Daniels kann auch Bild des
Triurnfes Christi sein, seiner Macht über die Feind&°°,
oder der Macht des Gebets.t0‘ Die drei Freunde im Feue
rofen werden von einer Person gerettet, die «aussieht
wie ein Göttersohn» 102, was als Hinweis auf Christus
gesehen werden darf. Sie sind daher Bild der Errettung
vom Tode und von der Auferstehung durch den Glauben
an Christus und durch sein Eingreifen.103 Sowohl Daniel
als auch die drei Jünglinge sind sehr häufig auf Sarko
phagen dargestellt, nach der Mitte des 4.Jahrhunderts
meist auf dem Deckel oder auf den Schmalseiten.
Die drei alttestamentlichen Bilder haben also teils
die Funktion eines Hinweises auf die Typologie teils
Petri und der Apostel überhaupt und damit auch für den
neuen Bund, teils als Beispiele der Gewißheit des Gläu
bigen auf Beistand und Erlösung durch Gott und Chris
tus, so lange nicht vom Glauben gewichen wird. Das
Gesetz oder das Gebot Gottes ist gewissermaßen in allen
drei Bildern zugegen, das eine Mal ausdrücklich als
Gabe des Himmels manifestiert, die beiden anderen in
der Form der Belohnung für die Überhaltung der Gebote
Gottes durch alle Qualen. In dieser Weise hat auch die
Erlösung ihren Platz in allen drei Darstellungen, zwei
Mal ganz konkret, aber auch in der Sinaiszene, denn die
—
20
Erlösung durch Treue an Gottes Gebot hat das Gesetz als
VolTaussetzung.
Es ist auffallend, daßGott in allen Darstellungen
als derjenige vorhanden ist, der handelt und bewirkt, daß
es aber nur in dem traditio legis ist, daßman ihn sieht
und daßer gesehen wird. DaßGott erst mit dem Erschei
nen Christi den Menschen sichtbar wurde, hängt natür
lich mit der erst mit Christus geschehenen Inkarnation
Gottes zusammen. Aber eben darin liegt eine besondere
Pointe auch im Verhältnis zwischen den alten und dem
neuen Gesetz. Während Gott in den alttestamentlichen
Szenen nur implizit vorhanden ist und nur in der Sinais
zene mit der Gesetzgebung sich als Hand aus einer
Wolke zeigt, so ist er in dem traditio legis sichtbar
geworden geoffenbart in seiner Inkarnierten Form.
Während Moses, der Erwählte Gottes im alten Bund,
trotz seiner priviligierten Stellung, die ihm die Nähe zu
Gott erlaubt, in fast allen Darstellungen seines Gesetzes
empfangs weg oder nach unten sieht, so ist das Verhält
nis zwischen Gott und Mensch im neuen Bund weniger
restriktiv, denn Gott ist hier auch Mensch. Petrus und
Paulus schauen freimütig, wenn auch ehrerbietend, zu
dem inkarnierten Gott auf, der sich für sie und für uns in
einer Gestalt enthüllt, die den Menschen begreiflich und
aushaltbar ist. Im neuen Bund enthüllt Gott, was er den
Menschen bisher verhüllt hatte, auch sich selbst und sein
Wort, das Christus ist (Joh 1, 1).
Traditio legis auf der Vorderseite des Kästchens
bekommt im Zusammenhang mit Gesammtprogramm
vorerst die Funktion der Markierung des neuen Zu
standes der Gnade, die Resultat des Opfers Christi ist
und dessen Gesetz der geoffenbarte Willen des Herrn ist.
Man sieht in dieser Darstellung die Vervollkomnung des
Gesetzes durch Christus, die Erklärung und den Zusam
menhang, die Offenbarung der Wahrheiten in den alten
Begebenheiten. Das Gebot Christi und der Lohn für
seine Befolgung sieht man auf der Rückseite und auf
den Schmalseiten wie Daniel und die drei Jünglinge
durch die Befolgung der Gebote vom Sinai erlöst wur
den, so kommt der Gläubige durch die Befolgung der
Gebote Christi vom Sion, in welchen die lex doinini sich
offenbart, und durch den Glauben an ihn, zum Heil. Das
Chrismon zwischen Alfa und Omega auf dem Deckel
erklärt die Allmacht Christi, und verbindet die alttesta
mentlichen Szenen mit dem traditio legis, indem es
betont, daßChristus Gott war und ist und bleibt und daß
es daher sein gleicher ewiger Heilsplan ist, von dem
sowohl der alte wie der neue Bund Teil sind. Während
die drei sekundären Bildflächen das Alte darstellen, daß
nach vorn zeigt, zeigt die Vorderseite das Neue, das den
Zusammenhang erklärt, und der Deckel sammelt alles in
dem großen und ewigen Plan, der die Menschheit zum
Gottesreich im himmlischen Jerusalem führen wird.
Die Darstellung Christi zwischen Petrus und Paulus
(und evt. auch der anderen Apostel) zeigt den Ursprung
des neuen Bundes und der wahren Lehre in Christus und
ihre Vermittlung durch die Apostel. Der Weg zum Heil
geht durch die Befolgung der Lehre Cristi‘°4, die der
Gemeinde durch ihre Grundleger, die Apostel, vermittelt
—
—
—
wurde. Was damit zum Ausdruck kommt ist die aposto
lische Tradition der Kirche, die ihren Ausgangspunkt in
der direkten Belehrung der Apostel durch Christus
nimmt, und daher auf die Worte Gottes baut, und somit
unangreifbar als wahr und gültig autorisiert ist. Petrus
wird als der erwählte Jünger und Apostel Christi beson
ders hervorgehoben und als Grundfelsen der Kirche und
Hirt der Gemeinde dargestellt, während Paulus, der
seine priviligierte Offenbarung erst nach der Himmel
fahrt erhielt, als der Lehrer und Züchtiger, als der er in
seinen Briefen erscheint, darsteht. Die Apostelfyrsten
können daher als wichtigste Repräsentanten und Garan
ten der apostolischen Tradition gelten. Der Gläubige
kann sich unter Berufung auf ihre Lehre sicher sein, den
Weg des rechten Glaubens zu folgen, der der sichere
Weg zur Gnade und zur Erlösung ist.
In Rom und in Verbindung mit Rom hat das Motiv
eine besonders starke Bedeutungskraft, wie sich aus der
Promovierung der römischen petrinischpaulinischen
Tradition seit dem 4.Jahrhundert ergibt. In Rom hatten
die Apostelfürsten nicht nur ihre letzte Ruhe gefunden,
sondern auch ihr letztes Wirken und ihr Maryrium (am
gleichen Tage, den 29.Juni) als Zeugen Christi. Die Häu
figkeit der Motive mit Petrus und Paulus hängt unzwei
felhaft mit der Hervorhebung der römischen apostoli
schen Tradition als der sichere Weg zur Erlösung
zusammen. Das traditio legisMotiv unterstreicht die
Wahrheit dieser Lehre dadurch, daßbeide Apostelfürs
ten als ergebene Zeugen bei der Verkündung und Offen
barung des neuen Gebots anwesend gezeigt werden. Das
thessalonikanische Kästchen zeigt an, daß Gott und
Christus die seinen kennt und ihnen beisteht, heute wie
zuvor. DaßChristus Gott ist und das er ewig ist, wird
durch den Deckel wie durch einer Art Siegel bezeugt: Es
ist immer der gleiche Gott, der für die seinigen einsteht
und der den Menschen jetzt mit Christus die Erlösung
durch den Glauben verspricht.
SIGNIFIKANZ DER THESSALONIKANISCHEN
PROVENIENZ?
Es ist auffallend und interessant, daßunser Käst
chen, die das einzige Beispiel einer Darstellung des tra
ditio legis im Osten ist, so nahe bei Thessaloniki gefun
den wurde, die um die Zeit, aus der das Kästchen
stammt, ein Vikariat des römischen Bischofs erhielt)°5
Es ist naheliegend anzunehmen, daßes eine Verbindung
zwischen dem Kästchen und der Anwesenheit der
Repräsentation des gerade als Hochburg der Orthodoxie
anerkannten Roms an dieser Stelle gibt.
Die Funktion des Kästchens ist zwar nicht doku
mentiert, da es außerhalb eines kirchlichen Kontextes
gefunden wurde. Es darf aber mit großer Wahrschein
lichkeit als Reliquar gelten. Über den Inhalt kann man
jedoch nur mutmaßen, da nichts davon erhalten blieb.
Da aber dieses nicht das einzige Reliquar mit einer Dar
stellung des traditio legis ist (das Elfenbeinkästchen aus
Pola und das sogenannte Quirico und JulittaReliquar
in Ravenna sind die anderen Beispiele), und da das Pola
Kästchen eine Verbindung mit der Petersbasilika in Rom
hat, was sich aus der Darstellung des Memoriums der
Basilika auf der Rückseite des Kästchens ergibt, könnte
die Hervorhebung des traditio legis auf dem Deckel des
PolaKästchens wie auf der Vorderseite des Thessaloni
kanischen Kästchens vielleicht eine Verbindung zu
eventuellen Relikvien Petri oder beider Apostelfyrsten
in ihrem Innem haben. Dies mußzwar als pure Hypo
these gelten, hat aber doch einige Wahrscheinlichkeit für
sich. Im Falle Thessalonikis könnte man sich somit vors
tellen, daßder römische Bischof seiner neuen Vertretung
Relikvien aus dem einen, oder aus zwei oder allen drei
Apostelfyrtstenmemorien in Rom schickte, um die Ver
tretung der apostolischen Tradition zu markieren, und
die Einwirkung, vielleicht nicht zuletzt die politische,
im «Feindesland» zu stärken. Bei solchen eventuellen
Relikvien könnte es sich vielleicht um brandea gehan
delt haben, die im Falle der Petrus und Paulusgräber in
Rom meist Stoffstreifen waren, die auf die irdischen
Reste der Aposteln durch eine Öffnung zum Grabe nie
dergesenkt wurden, und dort durch die Berührung mit
dem heiligen Gebein ihre Kraft annahm. Der Grabfrie
den war zu diesem Zeitpunkt immer noch heilig, so daß
eine direkte Entfernung echter Relikvien einer Schän
dung gleichkam die Lösung für den Bedarf an Reli
quien, der Ende des 4.Jahrhunderts anstieg‘°6, konnte
aber eben durch brandea herbeigebracht sein. Das Käst
chen könnte in Thessaloniki, die scheinbar eine der füh
renden Silberschmieden im östlichen Reich barg, für die
Relikvien hergestellt worden sein.‘07 Wie es an die
Straßensseite bei Chalkidiki gelangt ist, darüber kann
man nur weiter mutmaßen. Es könnte auf dem Weg nach
Rom sein, um seinen kostbaren Inhalt entgegenzuneh
men, und auf dem Weg durch Unfall oder Überfall verlo
ren gegangen sein. Aber wie gesagt, das letzte sind reine
Spekulationen, denen nur die Phantasie zu Grunde lie
gen. Wir wissen ungeheuer wenig über den frühen
Gebrauch von Reliquien.
—
DIE DARSTELLUNG IN DER 5. COSTANZA IN ROM
Ein Beispiel eines traditio legis, das als einzig
bewahrte Apsisdarstellung des Motivs eine Sonderstel
lung einnimmt, ist in der links vom Eingang gelegenen
Apsidiole in dem heute als Kirche funkzionierenden
Rundbau 5. Costanza bei 5. Agnese fuori le mura auf der
Via Nomentana bei Rom. Der Bau, der als eines der
schönsten und besterhaltendsten Beispiele der Architek
tur des 4.Jahrhunderts gelten darf, war ursprünglich mit
einer großen Coemeterialbasilika verbunden, dessen
monumentale Ruine sich immer noch in der Landschaft
erhebt. Eine überlieferte Inschrift aus dem Gebiet der
Basilika spricht von Constantina als die Gründerin der
TRADITIO LEGIS?
21
Basilika zur Ehre Christi.‘08 Dies wird in ihrer passio in
den acta sanctorum des 7.Jahrhunderts bestätigt:
Constantina interea patrem et fratres rogat, ut basilica
S. Agnetis construeretu,; et sibi hic mausoleum collocari
preacipit.‘°9 Man weiß, daßdiese Tochter Konstantins
des Großen nach ihrem Tode in Bithynien 354 nach Rom
geführt wurde um nahe am Grabe der heiligen Agnes an
der Via Nomentana begraben zu werden. Ihre Schwester
Helena fand 360 an gleicher Stelle ihre letzte Ruhe.
S. Costanza ist nach allgemeiner Auffassung und nach
aller Wahrscheinlichkeit das Mausoleum der Constan
tina.“° In dem Bau befand sich früher der eine der riesi
gen PorphyrSarkophage, die sich heute in den Vatikani
schen Museen befinden, und dieser mußals derjenige
der Constantina angesehen werden. Die ursprüngliche
Platzierung des Sarkophags ist unbekannt, er befand
sich aber seit spätestens dem l5.Jahrhundert in der
großen Niche dem Eingang gegenüber.“ Das Todesjahr
Constantinas hat lange als Ausgangspunkt der Datierung
des Baus gegolten, der somit einen terminus ante quem
um 354 haben sollte.“2
Die ursprüngliche Ausstattung des Baus ist nur für
einen kleinen Teil bewahrt. Dies ist hauptsächlich den
umfassenden Restaurierungen und Verbesserungen des
wegen eines bacchischen Motivs im Bodenmosaik als
BacchusTempel angesehen Baus zu ~ Die
wahrscheinlich erste und eindeutig zerstärendste Res
taurierung fand unter dem Kardinal Veralli im Jahre
1620 statt, als er die teilweise Zerstörten und heidnisch
anmutenden Kuppelmosaikken mitsamt den Marmorin
krustationen des Tambours niederreißen ließ, das
Bodenmosaik entfernte und in den noch danach vorhan
denen Mosaikfeldern im Umgang und in den zwei Apsi
diolen rechts und links vom Eingang mit Gips ausbes
serte, der als TesseraNachahmung geritz und danach
bemalt wurde.“4 Die noch vorhandenen Mosaiken ste
hen heute stark und zum Teil sehr fehlerhaft restauriert
da.
Da 5. Costanza ein Rundbau ist, haben mehrere
Forscher angenommen, es handle sich dabei um das ver
mutete Baptisterium von S. Agnese, das man sich wegen
einer Erwähnung von Taufliandlungen bei 5. Agnese im
Liber Pontijicalis vorstellte, von dem es aber sonst heute
keine Spur gibt.“5 Die Annahme eines Baptisteriums
schien durch De Rossis Ausgrabungen unter dem Boden
des Baus 1888 bestätigt. Er meinte hier zu finden,
wovon der Mosaikrestaurator Kibel schon 1848 berich
tet hatte, nämlich ein viereckiges marmornes Becken
mit Rohranlage und Stufen. De Rossi veröffentlichte
seine Funde“6, und seine Konklusion, daßder Bau Bap
tisterium gewesen war, wurde der Autorität De Rossis
wegen allgemein akzeptiert, wenn auch sein Kollege
Armellini, der die Ausgrabung gesehen hatte, wenig spä
ter die Möglichkeit eines Baptisteriums auf der Grund
lage der faktischen Funde zurückwies.‘ ‚~ Ferrua veröf
fentlichte 1977 Auszüge aus dem Tagebuch des
Canonikus bei 5. Costanza, Ubaldo Giordano, das wäh
rend der Ausgrabungsperiode geführt worden war. Die
22
Aufzeichnungen hier bestätigen, was Armellini schrieb,
in dem nichts anderes gefunden wurde, als die Reste
eines alten Ofens und einige Stufen, die unter den Fun
damenten der Säulen des Umgangs endeten und daher
älter als der Bau sein müßten. Es gab also kein Indiz für
ein Baptisterium an diesem Platze, sondern einen
Beweis dagegen.“8 Da ein Großteil des Gebietes um die
alte 5. AgnesCoemeterialbasilika heute von späteren
Bauten verdeckt ist, unter anderem von dem Ablöserbau
aus dem 7.Jahrhundert und von dem anschließenden
Kloster, mögen die Reste des vermuteten Baptisterium
sich sehr wohl unter einem dieser Gebäude befinden,
falls es nicht mit dem Abtragen des Hügels in Verbin
dung mit der Vorbereitung für den Ablöserbau ganz ver
schwunden ist oder überhaupt nie existiert hat. Die
Taufe bei 5. Agnese wird im Liber Pontificalis nur in
Verbindung mit einem Schisma erwähnt, wo ein Pabst
oder Gegenpabst die Taufe nicht im Lateranbaptisterium
abhalten konnte, sich aber einen alternativen Bischofs
sitz in 5. Agnese schuf.“9 Es scheint mir, daßein perma
nenter Baptisterienbau in diesem Zusammenhang weder
besonders wahrscheinlich noch wünschenswert ist, da
niemand eine Beibehaltung eines Schismas wünschte
oder als permanent ansah. Ob von einem Baptisterium
oder nicht die Rede ist, hat natürlich für die Interpreta
tion der bildlichen Ausstattung große Bedeutung. Die
Mausoleumsfunktion ist im Gegensatz zur Baptisterien
funktion sehr wahrscheinlich für S. Costanza anzuneh
men. Man kann also als vergleichbarer Kontext die Tau
fliturgie ausschließen und die Sarkophage und
Katakombenmalerei einbeziehen.
Die Datierung des Baus und der Ausstattung
scheint nicht so einfach, wie die schriftliche Quellenlage
sie darstehen läßt. Es ist nämlich die Frage, ob es der jet
zige Bau ist, der die durch die Quellen hervorgehende
Datierung trägt, die zweifellos für die große Basilika
gelten darf, oder nicht eher ein Vorgängerbau. Bei den
neuen Ausgrabungen, die unter der Leitung von David
Stanley auf dem Übergang zwischen 5. Costanza und
der mit ihr verbundenen Coemeterialbasilika stattgefun
den haben, konnte man feststellen, daß die jetzige
S. Costanza nicht gemeinsame Fundamente mit der
großen Basilika hatte.‘2° Das hatte dagegen ein die
darunterligende Schicht angehöriger Bau, der kleiner
und allem Anschein nach von kleeförmigem Grundriss
war. Eine solche Trikonch findet man auch bei dem der
großen 5. AgneseBasilika nähest verwandten Bau, der
großen Basilika bei S. Lorenzo fuori le mura, und bei
dem ältesten Bau des Typus, 5. Sebastiano, beiderorts
ebenfalls an der linken Langseite, nahe am Eingang. ~
Alles scheint darauf hinzudeuten, daß die heute
bekannte 5. Costanza einen anderen Bau abgelöst hat,
der gleichzeitig mit der großen Coemeterialbasilika war,
und daßdaher der tenninus ante quem 354 nicht gilt.
Man mußsich im Anschlußhieran Fragen, wo das
Quelenmässig dokumentierte Begräbnis der Constantina
stattfand ob es im Vorgängerbau war, oder ob es nicht
auch in der großen Basilika geschehen sein könnte. Es
gibt in der großen Basilika, wie in den anderen konstan
—
tinischen Coemeterialbasiliken, Anzeichen dafür, daßim
Schiff und in den Seitenschiffen Begräbnisse stattgefun
den haben. In der großen Basilika bei S. Agnese befindet
sich mitten im Schiff eine basilkaförmige Struktur von
etwa 15 m länge, zu der sich in den anderen Coemete
rialbasiliken keine Parallele finden läßt, und die bisher
nicht erklärt worden ist. Es wäre möglich, daß diese
Struktur die erste Grabstätte der Kirchengründerin
Constantina sei, nahe an der Stifterinschrift gelegen, und
daßdie kaiserliche Dame bei einer späteren Gelegenheit
in das neugebaute Mausoläum übergesiedelt wurde, das
wir heute unter dem Namen S. Costanza kennen.‘22 In
diesem Falle herrscht jedoch immer noch Unklarheit,
was den Vorgängerbau mit kleeblattförmigen Grundriss
betrifft. Und man mußsich fragen, wie dies gegebenen
falls mit dem Grabfrieden in Übereinstimmung gebracht
werden konnte.
Egal wie kann es keinen Zweifel geben, daßder
heutige Bau immer noch dem 4.Jahrhundert angehört,
daßdie Datierung weiter bis in das Ende des Jahrhun
derts geschoben werden muß, und endlich, daß von
einem Baptisterium nicht die Rede ist, sehr wahrschein
lich aber von einem Mausoleum.
Die Mosaikken des Umgangs sind auf Grund der
stilistischen Merkmale der Putti, die die Weinerntesze
nen bevölkern, als spätkonstantinisch vermutet worden.
Spätkonstantinische Merkmale lassen sich jedoch in der
Kunst mindestens bis um 370 finden. Bei einem Neubau
innerhalb einiger Jahrzehnte nach der Vollendung der
Basilika ist eine so ausgeformte und in diesem Stilkon
zept arbeitende Ausstattung also nicht unmöglich. Die
Ausstattungen der beiden Apsidiolen sind so mißrestau
riert, da es schwer gefallen ist, eine stilistische Analyse
und Einordnung vorzunehmen, nicht zuletzt weil erst
neulich eine wirklich gründliche technische Untersu
chung vorgenommen wurde, die angezeigt hat, was ori
ginal und was später ersetzt worden ist. In einigen frühe
ren Beschreibungen der Mosaikausstattung der
5. Costanza sind die beiden Apsidiolen sogar ganz aus
gelassen, wahrscheinlich wegen ihrer so problemati
schen Restaurierung. Oft sind sie auch als spätere Zufü
gungen zum ursprünglichen Programm gesehen worden,
die daher nicht als «original» gelten konnten und sich
somit dem Interesse etwas entzogen.‘23 Der Versuch
Matthiaes, die Restaurierungen zu durchschauen und
Originales von Restaurierte zu trennen, erwies sich 1987
mit der Veröffentlichung der gründlicheren Untersu
chung Stanleys als nicht entsprechend.‘24
Der Stil in den originalen Teilen der Apsidiolen
scheint recht verschieden zu sein von dem der Mosaik
ken des Umgangs, was aber nicht unbedingt eine andere
oder wesentlich andere Datierung bedeuten muß, da im
4.Jahrhundert mehrere Stilformen öfters neben einander
auftreten. Mit Ausgangspunkt in den bewahrten Origi
nalresten neige ich dazu, mich Michels alten Datierung
Anfang des 5.Jahrhunderts anzuschließen‘25, da mich
viele stilistische Merkmale und auch technische Wirk
mittel an S. Pudenziana erinnern. Das gilt z.B. die lok
kere, etwas zerstreute, Weise der Modellierung mit den
Tesserae, und auch die goldene Kleidung Christi. Beide
diese Züge stimmer übrigens auch mit 5. Giovanni in
Fonte in Neapel überein, das wie 5. Pudenziana aus dem
frühen 5.Jahrhundert stammt. Eine solche Datierung
würde natürlich auch gut zu einer im Verhältnis zur Coe
meterialbasilika späterer Baufase passen.‘26 Endlich
ließe sich die Weise der TesseraAnordnung auch mit
den Mosaiken des sogenannten Mausoleums der Galla
Placidia und des Orthodoxen Baptisteriums in Ravenna,
beide Monumente aus dem zweiten Drittel des 5.Jahr
hunderts, vergleichen. Im «Mausoleum» gibt es eine
Paulusdarstellung im Profil gegen rechts, die mir wegen
der merkwürdigen Profilzeichnung dem Paulus auf dem
traditio legis in S. Costanza recht ähnlich scheint. Dies
ist eine der einzig möglichen Figurstilvergleiche, die man
mit Ausgangspunkt in den Apsidiolen vornehmen kann.
DIE TRADITIO LEGIS DER SÜDLICHEN AP5IDI0LE
Das traditio legisMotiv in der südlichen, links vom
Eingang gelegenen Apsidiole (Fig. 4), ist viel komplexer
gestaltet als das auf dem thessalonikanischen Kästchen,
und enthält die mehrzahl der sonst in Verbindung mit
dem Motiv vorkommenden ikonographischen Details.
Die Darstellung entspricht darum die Mehrzahl der
bekannten traditio legisDarstellungen.
Christus steht erhöht über einen Hügel. Die tech
nische Analyse Stanleys hat ergeben, daß Christus
ursprünglich auf Wolken über dem Hügel schwebte, was
sich von der mehrzahl der SarkophagDarstellungen
abhebt, in dem Christus eher auf dem Hügel selber
steht.‘27 Von der Christusfigur ist nur wenig original,
aber es sind genügend Fragmente an solchen Stellen
bewahrt, die es möglich machen, fast alle Details der
Figur zu rekonstruieren. Seine Tunika und Pallium sind
golden mit blauen Clavi‘28, was seinem Aussehen in San
Giovanni in Fonte entspricht. Seine rechte Hand ist
bewahrt und seine Geste war die der erhobenen Rechten
mit offener Handfläche dem Beschauer zugewandt, was
einer triumphalen Abwandlung der adlocutio, der Zu
sprache, gleichkommt.
In seiner Linken hält er eine Rotulus, von der etwa
90% restauriert ist, und die schon 1594, als Ugonio sie
beschrieb, so zerstört war, daßdie Inschrift schwer les
bar war.‘29 Ugonio meinte die fragmentarischen Wörter
C‘LINUS DEM DAE lesen zu können. Hundert Jahre spä
ter, in der Illustration der Apsidiole bei Ciampini 1693,
sieht man denn die Inschrift, die auch heute auf der
Buchrolle zu lesen ist: DOMINUS PACEM DAT. Diese
Inschrift ist sehr diskutiert worden im Hinblick auf die
Originalität. Es scheint jedoch ohne Zweifel, daßsie der
Zeit zwischen 1594 und 1693 entstammt, nach aller
Wahrscheinlichkeit stammt sie also von der Restaurie
rung unter Kardinal Veralli 1620.‘~° Schon 1858 machte
Garrucci darauf aufmerksam, daßdie Inschrift ursprün
glich DOMINUS LEGEM DAT geheißen haben
TRADITIO LEGIS?
23
mußte131, trotzdem sind bis in die 1960er hinein wieder
holt Zweifel daran laut geworden.‘32 Die technische
Analyse Stanleys zeigt nun, daßdie originale Inschrift
wie erwarten war nicht beweisbar dominus pacem
dat, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrschein
lichkeit do,ninus legem dat. 133
Auf dem Himmel um Christus sieht man farbige
Wolken, ähnlich denen, auf die er auf dem monumenta
len Apsismosaik von SS. Cosma e Damiano aus den
52Oern voranschreitet. Sie sollen auch i S. Costanza
vielleicht illudieren, daßChristus auf Wolken herange
schritten kommt, was dann ein apokalyptisches Motiv
wäre, und zwar nach Matt 26, 64 und Apok 10, 12. Es
kann sich darüber hinaus auch um eine Assoziation zum
Berge Sinai handeln, wo sich der Herr dem Moses im
Wolkenschleier zeigte. Da Augustin schreibt, das Alte
Testament sei das Neue verschleiert, und das Neue Tes
tament sei das Alte entschleiert‘34, könnte man sich im
Unterschied zwischen dem Herrn in den Wolken und
dem Herrn auf oder vor oder über den Wolken eine bild
liche Markierung des Unterschiedes zwischen der alten
und der neuen Offenbarung vorstellen, zwischen der
verschleierten und der entschleierten Offenbarung. Dem
wiederspricht allerdings ein Blick auf die gegenüberlie
gende Apsidiole, die eben die Sinaiszene zeigt, aber
ganz und gar unverschleiert. Vom Hügel oder Felsen,
über dem sich Christus befindet, strömen heute sichtbar
drei Ströme. Sowohl die Verteilung der Restaurierten
Flächen auf dem Mosaik und der Vergleich mit dem Sar
kophagmaterial machen deutlich, da es sich ursprün
glich um vier Ströme gehandelt haben muß. Petrus und
Paulus befinden sich auf je ihrer Seite des Hügels in
einer grünen Landschaft. Paulus, die meisterhaltendste
Figur, blickt zu Christus auf und macht acclainatio.
Petrus ist in Kniebeuge dargestellt, mit den Armen und
Händen ganz vom Pallium verhüllt. In seiner Linken,
dem Beschauer entgegen, trägt er, was als Rest eines
Kreuzstabes verstanden werden muß. Hinter sowohl
Petrus wie Paulus sieht man eine Palme, und am Fuße
dieser einen kleinen Bau, der wie eine Mischung aus
Hütte und Turm aussieht (die Mauern sind gequadert).
Zwischen den Aposteln und dem Hügel stehen links wie
rechts zwei Schafe oder Lämmer. Dem Mosaik sehr
nahe verwandt sind die Darstellungen in der Katakombe
ad decinzum in Grottaferrata, auf der Grabplatte in
Anagni, auf dem Deckel des Elfenbeinkästchens aus
Pola und auf einem Goldglas der Vatikanischen Biblio
thek.
Der Hügel, über dem Christus steht, und von dem
die vier Ströme strömen, wird oft als «Paradiesberg»
beschrieben, und die Ströme in Verbindung damit als
«Paradiesströme» oder « Paradiesflüsse ~ Das Motiv
des Hügels mit den Strömen sieht einfach aus, ist aber in
Wirklichkeit komplex und vieldeutig, verweist auf eine
Reihe von Stellen in der Schrift, um diese dann in einem
zusammengesetzten Symbol zu kombinieren, das als das
Resultat theologischer Reflexion und Exegese verstan
den werden muß. Die Assoziationen zu dem Bericht der
Genesis von den vier Flüssen, die dem Paradies ents
—
24
—
pringen, springt einem sofort in den Sinn. Die Flüsse
werden in Gen 2, 1014 genannt: «Ein Strom entspringt
in Eden, der den Garten bewässert; dort teilt er sich und
wird zu vier Hauptflüssen. Der eine heißt Pischon; er ist
es, der das ganze Land Hawila umfließt wo es Gold gibt.
[...] Der zweite Strom heit Gihon; er ist es, der das
ganze Land Kunsch umfließt. Der dritte Strom heißt
Tigris; er ist es, der östlich von Assur vorbeifließt. Der
vierte Strom ist der Eufrat. » Auf einem Teil der traditio
legisDarstellungen sieht man nicht nur Christus, son
dern auch ein Lamm, das sich durch ein Chrismon auf
der Stirn als allegorische Christusdarstellung bemerkbar
macht. Dieses Lamm auf dem Berge, von dem die vier
Ströme springen, sieht man auch in der Apsis in SS.
Cosma e Damiano in Rom, wo die Ströme sogar mit
ihren biblischen Namen versehen sind: GEON FYSON
TIGRIS EVFRATA.‘36 Daß das Motiv somit auf die
genannte Bibelstelle anspielt, mußman auch schon für
Zeit kurz vor 400 annehmen.
Das erste mal, daßdas BergStromMotiv in Ver
bindung mit einem dem traditio legis verwandtem Motiv
auftritt, ist in der Katakombe SS. Marcellino e Pietro in
Rom)37 Der thronende Christus sitzt zwischen Petrus
und Paulus über dem Lamm auf dem Berge mit den vier
Strömen. Nebenbei stehen vier weißgekleidete Märtyrer,
die dem Geschehen huldigen. Das Bild scheint eine
ziemlich genaue Wiedergabe von Offb 7, 1317 zu sein:
«Da fragte mich einer der Ältesten: Wer sind diese, die
weiße Gewänder tragen, und woher sind sie gekommen?
{...] Es sind die, die aus der groß
en Bedrängnis kom
men; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut
des Lammes weißgemacht. Deshalb stehen sie vor dem
Thron Gottes und dienen ihm bei Tag und Nacht in sei
nem Tempel; und der, der auf dem Thron sitzt, wird sein
Zelt über sie aufschlagen. Sie werden keinen Hunger
und keinen Durst mehr leiden, und weder Sonnenglut
noch irgendeine sengende Hitze wird auf ihnen lasten.
Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie
weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Was
ser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von
ihren Augen abwischen.» Die Märtyrer werden vor dem
Thron Gottes dargestellt. Zwischen ihnen das Lamm,
und in Verbindung damit die vier Ströme oder Quellen,
die als aus einem einzigen entsprungen verstanden wer
den können, dem Quell des Paradieses nach Gen 2, 10.
Eine deutliche Übereinstimmung zwischen den Flüssen
im Bild und denen der Offenbarung Johannis wird durch
Vergleich mit Offb 22, 1 deutlich: «Und er zeigte mir
einen Strom, das Wasser des Lebens, klar wie Kristall;
er geht vom Thron Gottes und des Lammes aus.»
Selbst wo die vier Ströme des Hügels aus einer so
deutlich apokalyptisch inspirierten Vision gelöst sind,
müssen die grundlegenden Assoziationen zwischen den
paradiesischen Strömen der Genesis und der Apoka
lypse intakt bleiben. Die vielen Zusammenhänge, in
welchen das Motiv hiernach auftritt, scheint dies zu
bestätigen. F~vrier zitiert in seiner Untersuchung der
vier Ströme eine Reihe vön wichtigen Quellen zum
Verständnis des Motivs bei den Kirchenvätern. Cypria
nus sieht die Flüsse als Symbole für die Evangelien und
für die Gabe der Taufe. 138 Für Ambrosius und Augustin
bezeichnen sie die vier Haupttugenden und dadurch die
göttliche Weisheit)39 Prudentius sieht die obengenannte
Gleichheit der Flüsse aus der Genesis und des Quells der
Apokalypse.‘4° Im Ecclesiasticus 24, 3537 werden die
Flüsse direkt mit dem «Buch des Lebens» von Moses
verknüpft, was mit neutestamentlichen Augen als Bestä
tigung ihrer Symbolisierung der Evangelien gelten
muß.14‘ Die vier Flüsse, die in die Welt fließen, aber der
gleichen Quelle entspringen, sind daher Sinnbild der
Verkündung des Evangeliums, der frohen Botschaft über
den neuen Bund, die aus Christus hervorgeht, und die
durch die Apostelmission und den Evangelien an alle
Welt verbreitet wird: Fontis designat Salvator iurefigu
derts ungeheuer häufig angewandt, nicht zuletzt wäh
rend der karolingischen und hochmittelalterlichen
«Revivals» der altchristlichen Ikonographie.
Mit Paulinus von Nola, einem Ort nicht weit von
Rom, im südlichsten Teil der Verbreitungszone des tra
ditio legis, findet man einen Theologen, der sich direkt
mit Ikonographie beschäftigt, indem er zwei Kirchen, in
Nola und in Fundi, bauen und nach seinem Programm
ausschmücken läßt. In einem Brief an den neapolitani
schen Bischof Severus beschreibt Paulinus die Bilder
welt seiner neuen Kirche in Nola, in der mehrere der
Motive aus dem traditio legis in 5. Costanza beschrieben
und erklärt werden. Der Breif ist interessant, weil er eine
der einzigen Quellen aus der Zeit um 400 ist, die ein
ikonographisches Programm sowohl beschreibt als auch
erklärt. Ein Auszug lautet: Regnum et triuinphum pur—
ram/De quo quadrifluis decurrunt flumina rivis./Qua
tuor itt quondam nascentis origine seacli/Limpida per
latumfluxeruntflumina mundum./[. . .1 /Sic doctrina Dei
fluxit dc fonte quaterno/Arida divinis irrorans corda
scatebris. 142
pura et palma indicant./Petrain superstat ipse petra
ecclesiae,/De qua sonori quattuor fontes meant,/Evan
gelistae viva Christi flumina.‘~‘ Hier findet die Natur
Der Berg oder Felsen ist an sich nicht nur der
typische Gottheitsort und Offenbarungsort wovon die
Gesetzgebung auf dem Sinai und die Verklärung auf
dem Tabor biblische Beispiele sind aber auch selbst
Symbol für Christus, indem er als der Fels verstanden
werden kann, von dem Moses nach Gottes Gebot mit
seinem Stab die Quelle zur Erlabung des Volkes Israel in
der Wüste hervorbrachte und dieser Felsen ist nach
Paulus als Christus selbst zu verstehen. 143 Der Felsen mit
der Quelle in der Wüste ist auch deshalb ein Symbol für
Christus, weil das Schlagen des Felsens durch Moses
mit der Handlung des Longinus vergleichbar ist, der
beim Tode Christi ihn mit der Lanze die Seite öffnete,
aus der Wasser und Blut als Symbole für Taufe und
Eucharistie flossen, die nach dem Opfer Christi die Rei
nigung und Opferung der Opferhandlung symbolisch
wiederholen. Der Fels ist weiterhin Golgotha, wo die
Erlösungstat Christi ihre Vollendung durch seinen sieg
reichen Opfertod am Kreuze fand. Es ist von Golgotha
aus, daßdas Evangelium in die Welt strömen kann. Und
durch den Tod Christi wird sein Todesbaum zum Baum
des Lebens, und die Stelle seines Todes wird zur Stelle
des Baums des Lebens, was heißt: Zum Paradies,
warum die vermischte Symbolik der Ströme als Quell
des Lebens, als weltumspannende Paradiesflüsse mit
gemeinsamen Quell und als Verkündung des Evange
liums in allen Richtungen der Welt wieder hervorgeru
fen wird. Es gibt in 5. Sebastiano einen Sarkophag mit
dem Siegeskreuz (als solches durch einen Kranz mar
kiert) erhöht auf einem Hügel, auf welchem es schwer
zu entziffern ist, ob die vier Ströme nun dargestellt sind
oder nicht, und der von Petrus und Paulus flankiert ist,
Petrus links vom Hügel angebracht. Wenn der Hügel die
vier Ströme zeigte, so ist dies eine genaue Verbildli
chung des oben erläuterten (Rep.224). Auf diese Weise
ist der Felsen oder Hügel mit den vier Strömen ein
starkes Bild mit vielen Bedeutungen, die sich gegensei
tig beeinflussen. Es wird nach dem Ende des 4.Jahrhun
—
—
—
symbolik von 5. Costanza in den Worten der Zeit eine
Erklärung. Christus ist der Grundfels der Kirche, und
der Fels, über den er steht, ist Symbol für ihn selbst. Er
selbst er der Ursprung der Verkündung und damit des
Evangeliums. Die Palmen, die die Komposition flankie
ren, weisen auf den Triumph hin, der der Triumph der
Auferstehung oder des Wiederkommens sein muß.‘45
Die Flüsse sind die Verkündung des Evangeliums.
Die Lämmer, die sich um den Hügel scharen, worü
ber Christus steht, sind ebenfalls in ihrer Bedeutung
vielschichtig. Ein Lamm allein steht gerne für das
Lamm der Apokalypse, das das Gotteslamm des Johan
nesevangeliums ist, also Christus selbst, das Opferlamm.
Das Lamm weißt auf Christus hin und auf den neuen
Bund durch seinen Opfertod, der gleichzeitig seine
Versöhnung von Gott und Mensch und sein Sieg über
den Tod ist)46 Als solches ist das Lamm auch Symbol
des Sakraments der Eucharistie, bei welcher der Opfer
tod Christi wieder vollbracht wird. Das Symbol ents
tammt der alttestamentlichen Prophezeiung vom leiden
den Diener Gottes, der die Sündenlast der Menschen
trägt‘47 und vom Gebot Mose (Ex 12) über die Schlach
tung des Paschalammes, das als Vorausahnung der Erlö
sung durch das Blut des Lammes und des daraus folgen
den Sieges gesehen werden kann (vgl. Ex 12, 13).148
Wenn das Lamm sich nun meistens auf den Hügel mit
den vier Strömen befindet, so ist dies mit den oben
erlaüterten Bedeutungen zu erklären. Das Kreuz als Sie
gestrophäe des Opferlammes, wie man es auf den Pas
sionssarkophagen sieht, ist lediglich durch das Lamm
selbst abgelöst. Wenn mehrere Lämmer zugleich
vorhanden sind, symbolisieren sie gerne die Apostel
oder die Gemeinde als ganzes, die Petrus nach der Him
melfahrt hüten soll‘49, also das neue Gottesvolk‘50, das
die zwölf Stämme Israels ablöst.‘5‘ Weiterhin wird das
Lamm als Bild des Gläubigen allgemein verstanden,
denn wie Gerke erwieß, finden sich in den Zwickeln des
JuniusBassusSarkophages eine ganze Reihe kleiner
Lämmerallegorien, in welchen die Lämmer für Moses,
für Johannes dem Täufer und flir Christus stehen.‘52
TRADITIO LEGIS?
25
Die hüttenartigen Gebäude unter den Palmen, die
fast ganz von den Restauratoren neu geschaffen sind,
können möglicherweise als die Stadtarchitekturen ver
standen werden, die von dieser Zeit an in Apsidenkom
positionen und anderen Bildformen aufzutreten begin
nen.
Oft machen die Lämmer zwei Prozessionen aus,
die von je ihrer Stadtarchitektur dem Berg oder Felsen in
der Mitte, auf dem das Lamm Gottes steht, zustreben.
Die Zwölfzahl um den einen Versammelt entspricht
sowohl dem Apostelkollegium und den zwölf Stämmen
Israels. In einigen Fällen, allerdings, sind die Prozessio
nen kürzer, wie im Falle S. Costanzas, wo sich insge
sammt nur vier Lämmer auf den Felsen zu bewegen,
oder man sieht statt der Prozessionen nur locker um die
zentrale Figur versammelte Lämmer. Möglicherweise ist
in diesen Fällen von einer allgemeineren Bedeutung als
die, die den zwölf Lämmern anhaftet, die Rede, obwohl
man sich schon vorstellen muß, daßdie Vierzahl auf die
Evangelien hinweisen könnte‘53, oder auf die vier Him
melsrichtungen, aus denen die Gläubigen kommen. Da
die Architekturstücke, aus denen die Lämmerprozessio
nen kommen, in einigen Darstellungen mit den Namen
von Jerusalem und Bethlehem versehen ~ ist die
allgemeine Haltung, daß man die Gläubigen aus den
Juden und den Heiden sich um das Lamm scharen sieht,
womit die alte Grenze zwischen Juden und Nichtjuden
im neuen Gottesvolk aufgehoben ist.‘5>
Man sieht auch die Versammlung der Lämmer um
das Lamm auf dem Felsen mit den Strömen direkt unter
einem traditio legis dargestellt. Eine solche Darstellung
in zwei Registern kann als zwei sich supplierenden
Darstellungen mit vergleichbarem Inhalt verstanden
werden. Gerke meint im Lämmerfries eine allegorische
Spiegelung der direkten Darstellung Christi mit einem
Gefolge zu sehen)56 Der Lämmerfries zeigt die Gläubi
gen, als Gemeinde hier oder jenseits verstanden, als
Apostel oder Evangelisten (je nach Anzahl) um das
Lamm, das Opferlamm und ehrwürdig siegender He1T in
einem ist. Der allegorische Fries unterstreicht Teile der
Bedeutungen des figurativen Motivs und enthält gene
relle Aussagen, die verschiedene figurative Darstellung
Christi und seiner Gemeinde in der gemeinsamen Bot
schaft verknüpft, daßdie Gemeinde sich um den durch
sein Opfer siegreichen Erlöser, der der Quell des Lebens
und der Grundfels der Gemeinde ist, versammelt.
Auf einer ganzen Reihe von traditio legisDarstel
lungen gibt es Lämmerfriese, und es scheint sogar, wie
erwähnt, daß diese zuerst in Verbindung mit traditio
legis auftreten. Die Vergleichspunkte zwischen dem
Friesmotiv und traditio legis sind auch mehr als zu ande
ren Christusdarstellungen, weil das LammHügel
StrömeMotiv als integrierter Teil beider Motive dar
steht. Das LammHügelStrömeMotiv findet sich auch
auf Darstellungen des siegreichen Christus mit dem
Gemmenkreuz und besonders mit dem christus magister
am Ende des 4.Jahrhunderts. Wenn die allegorische
Spiegelung des zentralen figurativen Motivs die gleiche
für alle diese drei darstellungen sein kann, so deutet das
26
darauf hin, daß ein Großteil der zentralen Botschaft
gleich oder nahe verwandt sein muß. Auf dem
S. AmbrogioSarkophag in Milano ist dies besonders
deutlich, da man auf Vorder und Rückseite ein unterstes
Register mit bzw. Lamm auf Hügel und Lamm auf
Hügel mit Lämmerfries hat, während man im Hauptre
gister bzw. christus magister zwischen den Aposteln vor
oder im Himmlische Jerusalem und traditio legis zwi
schen den Aposteln vor gleichem Hintergrund hat. Die
Gleichheit des untersten Registers scheint die teilwiese
Identifikation der zwei Hauptmotive, die auch durch
den gleichartigen Hintergrund und figurativen Kontext
anklingt, zu verstärken.‘57
In den Psalmen werden die Lamm und Hügel
Motive in einer Weise angewendet, die dies nochmals zu
bestätigen scheinen: « Jauchzt vor dem Herrn, alle Län
der der Erde! Dient dem HelTn mit Freude! Kommt vor
sein Antlitz mit Jubel! Erkennt: Der Herr allein ist Gott.
Er hat uns geschaffen, wir sind sein Eigentum, sein Volk
und die Herde seiner Weide.» (Ps 100, 13). Hier sieht
man die Versammlung der Herde, der Lämmer, vor dem
Antlitz Gottes, wie es geschieht, wenn die Lämmer oder
Schafe sich um Christus oder dem Lamm scharen. An
einer anderen Stelle wird auch erklärt, wer sich um den
Hügel schart: «Wer darf hinaufziehn zum Berg des
Herrn, wer darf stehn an seiner heiligen Stätte? Der
reine Hände hat und ein lauteres Herz, der nicht betrügt
und keinen Meineid schwört. Er wird Segen empfangen
vom Henn, und Heil von Gott, seinem Helfer» (Ps 24,
35). In diesen beiden Zitaten können die Christen als
neues Gottesvolk ihre Hoffnung auf eine Aufnahme in
der Gemeinde im Jenseits reflektiert sehen, der Ver
sammlung vor dem Antlitz Gottes, die der gerechte Lohn
von Seiten des erlösenden Gottes ist. Die Versammlung
der Lämmer um den Hügel mit dem Erlöser kann somit
als Verbildlichung u.a. dieser beiden Stellen gelten.
Wisskirchen und Heid meinen spezifischer die
Darstellung als Illustration der Prophezeiungen Jesajas‘
und Mikas über die Versammlung der Völker um den
Zionsberg sehen zu können.‘58 Die Städte oder Hütten
sollen ihrer Meinung nach nicht als Bilder entgegenge
richteter Traditionen verstanden werden, dagegen als
bloßsymmetrisches Kornpositionsmittel mit der mögli
chen Hinsicht die verschiedenen Richtungen, aus wel
chen die Völker zum Platz der Offenbarung strömen sol
len. Sie zitieren Eusebius von Caesarea als ungefär
gleichzeitige Quelle für das Verständnis dieser Schrift
stellen, und in seinem Kommentar werden sie mit einer
für unser Motiv relevanten Umschreibung zitier: «In
den letzten Tagen wird der Berg des Herrn sichtbar sein
und das Haus Gottes auf den Bergeshöhen. Und er wird
über die Hügel erhöht werden. Und alle die Völker wer
den zu ihm kommen. Und viele Völker werden hingehen
und sagen: «Kommt und laßt uns zum Berg des HelTn
aufgehen und ins aus des Gottes Jakobs! «Und er wird
uns seinen Weg bekannt machen und wir werden auf
ihm gehen. Denn aus Zion wird das Gesetz hervorgehen
und das Wort des Herrn aus Jerusalem.» ~
die Läm
merprozession als solche eingeht, oder wo auch nur
Lämmer sich um den Berg scharen, scheint es im
Anschlußan diese Prophezeihungen, besonders in ihrer
eusebianischen Formulierung, daßdas Bedeutungsspek
trum des traditio legis mit apokalyptischen Elementen
erweitert wird, da man die Szene dann als in den letzten
Tagen vorgehend vestehen kann, als Christus sich erhöht
über dem Berge Zion zeigt, wozu das neue Gottesvolk
strömen wird, und von wo die neue Ordnung oder das
neue Gesetz ausgehen wird, das die Welt verändern soll
Es wird an die esajanische Vision von der Einstiftung
des neuen Bundes angeknüpft, es wird aber durch die
Kombination mit dem Zeitpunkt, «in den letzten
Tagen »‚ mit der apokalyptischen Vision vom Kommen
des ewigen Gottesreiches am Zeitenende verbunden.
Während die Darstellung des thessalonikanischen
Kästchens also ganz ohne Zeitindikator war, scheint in
dem traditio legis von 5. Costanza direkter auf alt und
neutestamentliche Prophezeiungen des Kommens eines
neuen Zeitalters hingewiesen zu werden, und damit
größeres Gewicht auf die Wiederkunft Christi am
Zeitenende, als auf seiner Erlösertat und Auferstehung,
zu liegen. Nichts desto weniger kommt mir die Szene
immer noch merkwürdig unhistorisch vor, weil man
trotz der Hinweise auf die letzten Tage keine Darstellung
einer Handlung hat, die eindeutig die Wiederkunft
Christi wiedergibt, aber eine Kombination von Merkma
len des Zustandes nach der Auferstehung und dessen des
endlichen Kommens des Gottesreiches am Jüngsten Tag.
Ich meine, daßdies sich dadurch erklären läßt, daßdas
Gottesreich eigentlich sowohl vor als nach dem eingent
lichen « historischen» Jüngsten Tag, der mit der Wieder
kunft Christi erwartet wird, existiert. Durch die Verkün
dung und die Erlösertat Christi steht das Gottesreich
denen offen, die glauben, und das Himmlische Jerusa
lem ist somit gewissermaßen schon in der Kirche eta
bliert, im Anwesen des Heiligen Geistes. Das Reich,
über das sich Christus König nennt, existiert sowohl im
Hiesigen als im Jenseits, in der Kirche als im konkreten
Gottesreich, das der gläubigen Menschheit erwartet. Die
Kirche ist Christi Braut auch bevor die Vermählung
stattfinden kann und soll. Der Heilszustand, für den das
traditio legisMotiv ein Ausdruck zu sein scheint, ist in
dieser Weise nach seiner Etablierung gewissermaßen ein
ahistorischer Zustand, auch wenn er zwei Phasen hat
oder in zweifacher Weise zu Ausdruck kommt, sowohl
der hiesiegen geistige als auch der kommende konkrete.
Traditio legis mit apokalyptisch geprägtem Kontext, wie
man ihn in S. Costanza findet, ist daher teils Ausdruck
einer abstrakten Vorstellung der Erlösung als Zustand,
der sich im Glauben gründet, teils einer konkreten Vor
stellung der Manifastierung des evigen Heils bei der
Wiederkunft Christi. Das Motiv bringt eine ganze Reihe
von selbst komplexen und vielfach unpräzisen Bildern
des Gläubigen, der Kirche, Christi und der Erlösung ins
Spiel, und beschwört dadurch ein kompliziertes Bild
herauf, das Assoziationen zu vielen verschiedenen
Bibelstellen und Zusammenhängen hervorruft, die sich
zusammen als Bild der Erlösung durch den Glauben an
Christus, hier und jenseits, erweisen.
MOSES AUF DEM SINAI
Die Apsidiole rechts vom Eingang, also gegen
Nord, zeigt Gott/Christus in purpurner Tunika mit Pal
lium, in einer Palmenlandschaft auf der Sphärenkugel
sitzend (Fig. 7). Die Darstellung, die wie ihr Gegenstück
stark (fehl)restauriert ist, erinnert in diesem Zug an die
des etwa 150 Jahre jüngeren Apsismosaiks von 5. Vitale
in Ravenna. Mit seiner Rechten reicht Gott etwas einer
Person entgegen, die ihm, in weißer Tunika mit Pallium
bekleidet, mit vorgestreckten und verhüllten Armen und
Händen von seiner rechten Seite entgegeneilt. Die Res
taurierung macht es schwer zu erkennen, um welchen
Gegenstand oder welche Gegenstände es geht. Es
scheint aber, daßin diesem Falle die Ikonographie der
Überreichung angewandt ist, und man kann so davon
ausgehen, daßeine solche vorgeht. Die Ikonographie der
Darstellung hat im frühchristlichen Material keine Ent
sprechung, und verlangt daher einige Aufmerksamkeit.
Zu den Gegenständen der Übertragung kann es zwei
Alternativen geben: Entweder Christus, der Petrus die
Schlüssel überträgt (Matt 16, 18), oder Gott, der Moses
die Tafeln des Gesetzes gibt.‘6° Endlich meinte Schuma
cher, daßdas Motiv als eine sehr mißverstandene Res
taurierung einer Darstellung sein könnte, ähnlich der mit
einem thronenden Christus zwischen den Apostelfürs
ten, die bis 1592 sich in der Apsis von AltSkt. Peter
befand, und die aus der Zeit Innozenz III. stammte.‘6‘
Wie aus der Analyse der originalen Teile des Mosaiks
von Stanley hervorgeht, mußeines der Hauptargumente
für diese letzte Auslegung zurückgewiesen werden,
nämlich daßChristus ursprünglich frontal in einer sym
metrischen Komposition dargestellt sein sollte, indem
gerade die wichtigen Elemente, wie die linke Hüfte und
das linke Knie Christi, ebeso wie seine beiden Füße, im
Originalzustand erhalten sind, und diese können nur so
verstanden werden, daßChristus ein wenig nach rechts
gedreht sitzt, und also ein assymetrisches Sitzmotiv auf
weist.
Die technische Analyse ergab auch, daßdrei paral
lele Reihen von Tesserae, zwei von dunkelblauen, eine
von hellblauen, die aus der Hand des Gott/Christus her
vorgehen, ebenfalls original sind. Eine Nahaufnahme
dieses Details scheint mir ein überzeugendes Indizium
dafür zu sein, daßdas Übertragene nicht die Schlüssel
sein können, sondern etwas flaches, was also dann die
Gesetzestafeln heißen muß, evt. in der Form eines Dip
tychon, wie in den meisten Darstellungen der Zeit. Wenn
deshalb auch kein Berg zu sehen ist, wie es bei der
Sinaiszene oft der Fall ist (wo Moses evt. auch nur auf
einen Stein tritt), und wie es auch in der Darstellung auf
dem thessalonikanischen Kästchen der Fall war, scheint
es sich doch um die Etablierung des alten Bundes zu
handeln.‘62
Daß Moses nach der Beschreibung Ugonios aus
dem Jahre 1594 ursprünglich bärtig gewesen sein soll,
was ebenfalls bei der SinaiIkonographie nicht üblich
ist, könnte gegen eine solche Identifikation der Ikono
TRADITIO LEGIS?
27
Fig. 7. Gesetcesen,pfang Moses auf dein Sinai. Nördliches Apsidiolenmosaik in S. Costan~a, Rom.
Foto des Veifassers.
graphie sprechen. Es gibt aber eine ganze Anzahl von
Beispielen eines bärtigen SinaiMoses aus dem 4. und
frühen 5.Jahrhundert, wofür z.B. die Darstellungen auf
Lipsanothek von Brescia und auf den Türen von
5. Sabina und wahrscheinlich auch des thessalonikani
schen Kästchens angeführt werden können.‘63
Endlich trägt die MosesFigur Sandalen, was
eigentlich nicht mit dem Gebot Gottes an Moses über
einstimmt, sein Schuhzeug vor dem brennenden Dor
nenbusch auszuziehen, da er auf heiligem Grund sich
befände (Ex 3, 5), eine Darstellung, die sich häufig in
der Katakombenmalerei wiederfindet. Es gibt aber einen
Sarkophag, auf dem Moses auf dem Sinai mit Sandalen
gezeigt ist, was natürlich bedeutet, daßeine derartige
Darstellung durchaus möglich ist. ‘~ Geht man wieder zu
5. Vitale, 150 Jahre später, so sieht man sowohl die
Lösung der Sandalen vor dem brennenden Dornenbusch
als auch die Gesetzesübergabe auf dem Sinai mit einem
Sandaltragenden Moses.‘65 Vieles spricht dafür, daßdas
Mosaik ursprünglich eher Moses als Peter zeigte. In die
ser Verbindung ist es interessant, daß Gott nicht wie
üblich zwar vorhanden ist, aber sich in Wo[ken verhüllt,
sondern daßer sich sehen läßt. Moses sieht jedoch eher
nach unten als zu ihm auf, was wieder für eine Moses
Darstellung spricht.
In der Gegenüberstellung der Apsidiolen in 5. Cos
tanza scheint also gewissermaßen eine Parallele zur
Organisation des thessalonikanischen Kästchens, wo
traditio legis und Sinaiszene sich über eine Ecke fast
spiegelverkehrt gegenüberstanden. Eine Spiegelung von
Moses und Petrus ist auch in 5. Costanza durchgeführt,
da beide Figuren sich auf der Seite ihrer Apsidiole befin
28
den, die am weitesten vom Eingang entfernt liegt, und
die man daher auch zuert vom Eingang her sieht. Auf
dieser Weise stehen sie sich im Raum direkt gegenüber
(fast) als Spiegelungen. Die Thematik, die damit ange
schlagen ist, scheint mir ebenfalls vergleichbar der des
thessalonikanischen Kästchens: Die Offenbarung
Gottes bei der Einstiftung des alten Bundes gegenüber
dem traditio legis hebt traditio legis hervor als die Dar
stellung des neuen Bundes und der Verbindung zwi
schen dem alten und dem neuen Bunde, zwischen dem
alten und dem neuen Gottesvolk und ihren Führern. Der
triumphale Aspekt des traditio legis betont, im Gegen
satz zum herrscherlichen der Sinaiszene, den neuen
Bund als einen Sieges und JubelZustand, begründet in
dem neuen Gebot und dem Sieg über den Tod. Der HeIT
als Herrscher steht dem Herrn als Erlöser gegenüber.
Der Gott des Gesetzes steht dem der Gnade gegenüber.
Gott Vater sitzt dem inkarnierten Gott gegenüber. Aber
gleichzeitig wird bei der Gegenüberstellung der beiden
Darstellungen, und bei der Anwendung der Christus
gestalt in beiden Gotesdarstellungen, auch klar, daßes
sich um ein und denselben Gott handelt, um das gleiche
Gebot, aber auf zwei verschieden Stufen das gleiche
Motiv, das oben in Verbindung mit der christlichen lex
und mit dem Thessalonikanschen Kästchen erläutert.
—
DIE APSIDIOLEN IM KONTEXT
Die beiden Apsidiolen sind Teil eines größeren Pro
gramms, von dem nur sehr spärliche Reste erhalten sind.
Als Gegenübergestellte Darstellungen in einem Rund
bau sind sie gewissermaßen Antipole, Teile eines Zyklus
und doch entgegengesetzt. Dies unterstreicht das oben
angeführte Verständnis von ihnen als altes und neues
und doch eines. Sie sind Teil des Gesammtprogramms
des Raumes, dessen restliche Mosaikausstattung urspün
glich die zwölf kleinen Nichen des Ungangs, der kleine
Turm und die große viereckige Niche darunter, dem Ein
gang gegenüber, und endlich die große Kuppel umfaßte.
Eine detailgetreue Rekonstruktion des Programms ist
leider heute nicht möglich. Wichtige Teile und Motive
sind jedoch bekannt durch Zeichnungen des Francesco
de Hollanda aus der Mitte des 16.Jahrhunderts, und
durch die Beschreibungen in der Hypnerotomachia Fall
fiu des Francesco Colonna (1499) und des Ugonio
(1594), die alle aus der Zeit vor der großen Restaurie
rung/Zerstörung von 1620 stammen.‘66
Die Motive der Kuppel, die als Felder in einer über
aus reichen Groteskendekoration eingetzt waren, waren
allem Anschein nach alttestamentlich und scheinen sich
um Opferung und ElTettung aus der Not zu handeln.
Stern identifizierte Susanna und die Ältesten, die Opfe
rungen Kains und Abels, die Opferung Elias‘ auf dem
Karmel, Tobias mit dem Fisch, möglicherweise Lot und
die Engel, und das Quellwunder Mose.‘67 Frutaz ver
gleicht die Thematik mit derjenigen, die in den Kata
komben und auf Sarkophagen mit den Geschichten von
Jonas, von Daniel in der Löwenkuhle, von den drei
Jünglingen im Feuerofen und von Noah in der Arche
ausgedrückt wird. Es scheint also, daßhier von einem
erweiterten Zyklus der Erlösungs und Glaubenstypolo
gien die Rede ist, der auf dem thessalonikanischen Käst
chen zwei der Bildflächen vorenthalten war.
Was sich in den zwölf kleinen Nichen befand, weiß
man nicht. Die Zwölfzahl macht es naheliegend, die
Apostel anzunehmen, was aber rein hypothetisch sein
muß. Was man aber weißist, daßin dem Türmchen eine
allegorischen Darstellung fand, die wahrscheinlich die
Hochzeit zu Kanaa vorstellen sollte.‘68 Aus Ugonios
Beschreibung geht weiter hervor, daßsich auf der West
wand des Türmchens ein Mosaik befand, daßdem der
Apsis von 5. Pudenziana ähnlich war, also mit einem
thronenden Christus von Aposteln umgeben. Über dieser
waren Äste und Kandelaber zu sehen. Auf der Nordseite
des Türmchens befanden sich einige sitzende Personen,
die wahrscheinlich eine Fortsetzung der Darstellung auf
der Westwand waren. In den Ecken der Westwand gab es
endlich zwei Frauen in weißen Gewändern.‘69 Es han
delte sich im Tu~•rchen also um eine Darstellung des
christus magister, die
wie oben erwähnt ein Motiv
mit naher Verwandtschaft zum traditio legis ist.‘7° Nach
einer kleinen Skizze im Manuskript Ugonios waren
unter der christus magisterDarstellung nicht nur das
Lamm auf dem Hügel zu sehen, sondern außerdem meh
rere Lämmer, was einen mehr oder weniger ausgebilde
ten Lämmerfries vermuten läßt. Genauer läßt sich das
Gesammtprogramrn nicht rekonstruieren, aber es läßt
doch einen generellen Eindruck der Hauptelemente zu.
Traditio legis in 5. Costanza ist somit ein traditio legis,
—
—
das über die alttestamentlichen Bilder des Kuppels für
Glaubensbekenntnis und Erlösung
sowohl mit einer
Sinai als mit einer christus magisterDarstellung
zusammengestellt ist, entsprechend dem, was man auf
dem 5. AmbrogioSarkophag i Milano sieht, wo christus
magister zwischen den Aposteln die Vorderseite
schmückt, traditio legis die Rückseite und Moses auf
dem Berge Sinai die eine der Schmalseiten.
Die christus magisterDarstellung hebt, ebenso wie
die SinaiDarstellung, einen bestimmten Aspekt des tra
ditio legis hervor und spielt mit sowohl dieser als der
Sinaiszene zusammen in einer Betonung der neuen
Lehre oder der neuen Belehrung, die das Christentum
als Ablösung der Lehre und Belehrung, die Gott dem
jüdischen Volk gab, ausmacht, und die durch Christus
verkündet und durch seine Auferstehung und der Aus
gießung des Heiligen Geistes bestätigt und befestigt
wurde. Obwohl christus magister in der in 5. Puden
ziana und auf dem 5. AmbrogioSarkophag bekannten
Version mehr eine Darstellung eines Zustandes denn
einer Handlung ist, ist der endzeitliche Aspekt deutlicher
als bei traditio legis, u.a. weil deutlicher auf Motive aus
den Apokalypsen in den Evangelien und in der Offenba
rung Johannis angespielt wird. Christus zeigt sich mit
seinen Aposteln, die ihren Platz auf Thronen bei seiner
Seite eingenommen haben, wie ihnen verhießen worden
war. Das Lamm vor dem Thron scheint auf die Offenba
rung Johannis hinzuweisen und ihrer Beschreibung des
Himmlischen Hofes am Ende der Zeit. Man kann daher
möglicherweise die Darstellungen der drei Hauptapsi
den in 5. Costanza so verstehen, daßsie sich gegenseitig
ansprechen und beleuchten, so daßman in dem zykli
schen Umgang des Baus die drei letzten Zeitalter des
großen Heilsplanes verbunden sieht, sub lege, sub gratia
und endlich die Wiederherstellung der Harmonie zwi
schen Gott und Menschheit im Himmlischen
Jerusalem.‘7‘
—
—
ZUSAMMENFASSUNG
Bei der Bewegung von dem einfachen zu dem kom
plexen traditio legisTypus, der hier mit den Beispielen
des thessalonikanischen Kästchens und der Sydapsidiole
von 5. Costanza vorgenomen wurde, habe ich versucht
mich vom zentralen und übergeordneten zum supplie
renden und erweiternden Bedeutungsrepertoire, das das
Motiv bietet, zu bewegen. Die Absicht war, das Zentrale
als solches darstehen zu lassen, ohne das «periphäre»
auszulassen, das wo es auftritt nämlich nicht per
iphär ist, sondern integrierter Teil der Aussage ist.
Ein Resultat meiner Untersuchung ist, daßich die
heute noch verbreitete Vorstellung einer Übertragung
oder Übernahme von etwas entgegengehen muß. Was
gezeigt ist, ist eine Verkündigungsszene mit Parallelen
zur christus magisterDarstellung. Die Anwesenheit der
Apostelfyrsten bei Christus und ihre verschiedenen, aber
—
—
TRADITIO LEGIS?
29
einander supplierenden Charaktere und Bedeutungen,
hat zwar für Rom, wo sie die wichtigsten Heiligen waren
und sind und wo ihr Kult vor allem zu Hause ist, beson
dere Relevanz. Sie sind aber auch universelle Garanten
für den rechten Glauben, der auf die direkte Offenba
rung Christi zurückzuführen ist, und als solche ist ihre
Bedeutung nicht ausgesprochen oder gar ausschließlich
römisch, aber universal für den orthodoxen Glauben.
Die Darstellung ist sowohl Verkündung und Bild des
neuen Zustandes der Gnade, der durch Christus eingelei
tet wurde, und der durch durch die Kirche und ihre
Gründer, die Aposteln, vermittelt wird, und die sowohl
hier als im Jenseits existiert, sowohl historisch in der
irdischen Gemeinde als ewig in der himmlischen.
Während das thessalonikanische Kästchen nicht
die sonst meist für die Darstellung des traditio legis typi
schen, spezifizierenden Elemente enthält, die auf das
Opfer Christi, der Auferstehung, den Triumph und die
Wiederkunft am Ende der Zeiten deutlich hinweisen,
und die dadurch den letzten Teil der Heilsgeschichte,
von der Inkarnation des Herrn bis zum Ende der Zeiten,
bezeichnet, enthält die Darstellung in 5. Costanza eben
diese Elemente. Wenn in 5. Costanza, wie in den meis
ten anderen traditio legisDarstellungen, dies so sehr
gewichtet wird, kann das mit dem funerären Kontext
zusammenhängen, in welchem das Mausoläum, ebenso
wie die Sarkophage, die Grabplatte und die Katakom
benmalereien, engehen. Themen wie die Auferstehung
(und das Opfer als VolTaussetztung dafür) und das Ende
der Zeiten ist in diesem Kontext viel naheliegender als
bei einem (wahrscheinlichen) Reliquar.
Sowohl im thessalonikanischen Kästchen als in
5. Costanza sieht man eine Parallele zwischen dieser
Darstellung des Gnadenzustands und der mit dem Emp
fang der Gesetzestafeln auf dem Sinai gezogen. Diese
kontrastreiche Gegenüberstellung hebt teils die Konti
nuität der Heilsgeschichte hervor, teils aber auch das
Neue am neuen Zustand. In beiden Fällen wird das
Gesetz Gottes als Voraussetzung der Erlösung hervorge
hoben, und sowohl der Ursprung des Gesetzes als seine
Verkünder sind prominent vorhanden, wodurch die
Parallelen zwischen Moses und Christus, bzw. den
Aposteln, ausgeprägte Relevanz verliehen wird. Auf
dem thessalonikanischen Kästchen wie in S. Costanza
ist das traditio legisMotiv Teil eines Gesammtpro
gramms, das die Heilsgeschichte wiederspiegelt und auf
die irdische wie die kommende und doch ewige himm
lische Gemeinde als Ort der Gnade und der Erlösung
hinweist. Dem Gebot Gottes zu folgen heißt Teil seiner
Herde sein — ein Lamm unter dem Schutz des guten
Hirten — jetzt wie vorher und im Kommenden. Diese
Gebote sind in Christus offenbart und durch Petrus und
Paulus vermittelt und erklärt, deren Lehre durch Gott
Christus selbst autorisiert ist und die der Weg des Men
schen zum Heil ist. Wo die Lehre Petri und Pauli befolgt
wird, dort herrscht das Gesetz Gottes, das Christus als
der Weg, die Wahrheit und das Leben geoffenbarte, und
dort ist Gnade und Erlösung zu hause. Hierdurch wurde
das Motiv in seiner Zeit wichtig, weil es Relevanz für
Menschen hatte, die leben und sterben mußten, und die
in einer Zeit voll verschiedener Antworten dazu, welcher
für sie der richtige Weg zu folgen sei, und was Gott
ihnen geboten hat, klare und starke Aussagen über den
rechten Weg zur Wahrheit und zum Leben brauchten.
Anmerkungen
Bibliographische Anmerkung: CETEDOC steht für die Daten
bank CETEDOC, die unter anderem das Corpus christiano
ruin, Series latina und die Sacra Biblia, Vulgata editionis
enthält. Die Zitate der Heiligen Schrift sind wiedergegeben aus
Die Bibel. Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung,
Herder, Freiburg, Basel, Wien 1980.
3.Folge, 12, 1961, wo so sich die Suche nach dem Urmotiv
entwickelt, von dem man mehr oder weniger erwarten muß,
daßes die eigentliche Intention am reinsten vermittelt. Obwohl
ich sehr wohl meine, daßman von einem zentralen Bildinhalt
oder einer Hauptbotschaft sprechen kann, ist der Gedanke an
der größeren Echtheit einer ersten Idee nicht haltbar.
1. Hierbei sind solche ausgelassen, die wegen ihres zu frag
mentarischen Zustandes als zu unsicher erscheinen, solche, die
der ravennatischen Gruppe der sogenannten traditio legis an
Paulus angehören, weil ich der Ansicht bin, sie haben außer
der Namensgleichheit keinen Zusammenhang mit dem hier
behandelten Motiv, und außerdem wahrscheinliche Repliken
des Barock, wenn sie auch möglichweise nach Originalfrag
menten geschaffen sind.
5. Erstmals in nichtgriechischer Literatur publiziert bei
H. Buschhausen, Die spätantiken Metallscrinia und frühchrist
lichen Reliquare. 1.Teil: Katalog (Wiener Byzantinische Stu
dien, Bd. IX), Wien 1971, B 12, abgb.: B 4344, B 6366.
Ausführlich behandelt in M. Panayotidi u. A. Grabar, «Un reh
quaire paI6ochr~tien r&emment d~couvert präs de Thessalo
nique», Cahiers archäologiques 24, 1975. Später u.a. bespro
chen von B. Kiilerich, Late Fourth ~entury Classicism in the
Plastic Arts. Studies in the socalled Theodosian renaissance
(Odense University Classical Studies 18), Odense 1993, 182f.
2. Dies sieht man z.B. auf dem Sarkophag Gregors V in den
Grotte Vaticane (WS 39, 1), auf dem S. SebastianoSarkophag
(WS 149) und in fragmentierter Form auf dem S. Maximin
Sarkophag (WS 39, 2) und auf dem S. Paolo fuori le muraSar
kophag (WS 17, 1).
3. F. Gerke, «Der Ursprung der Lämmerallegorien in der alt
christlichen Plastik», Zeitschrift für die neutestamentliche Wis
senschaft und die Kunde der älteren Kirche 33/23, 1934, 174.
4. So z.B. in C. DavisWeyer, «Das TraditioLegisBild und
seine Nachfolge», Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst,
30
6. Panayotidi u. Grabar, op. cit.; Kiilerich, op. cit., 184 datiert
es in die 3 80er oder 390er. Der Vergleich mit den großen Köp
fen des ProbusDiptychons in Aosta (406) meine ich doch, den
Datierungsrahmen bis nach 400 strecken zu können.
7. J. Kollwitz, Das Christusbild der frühchristlichen Kunst,
Lexikon der christlichen Ikonographie. Erster Band: Allge
meine Ikonographie AEzechiel (E. Kirschbaum, Hrsg.), Frei
burg im Breisgau 1968.
8. Vgl. hierfür T. F. Mathews, The Clash of Gods. A Reinter
pretation ofEarly christian Art, Princeton (New Jersey) 1993,
103ff.
9. 0. Wulff, Die altchristliche Kunst von ihren Anfängen bis
zur Mitte des ersten Jahrtausends (Altchristliche und byzanti
nische Kunst 1), BerlinNeu Babelsberg 1914, 139.
10. G. Jeremias, Die Holztür der Basilika S. Sabina in Rom
(Bilderhefte des deutschen archäologischen Instituts Rom
VII), Tübingen 1980, 77ff. Ein Argument gegen eine traditio
legisDarstellung ist, daß Petrus nicht links, sondern rechts
neben Christus steht, was sonst nie vorkommt. Jeremias, op.
cit., 80 bringt die wahrscheinlich beste Interpretation der
Szene, in dem sie annimmt, es könne sich um eine Darstellung
von Christi Beschreibung seiner selbst als Brot des Lebens
sein (Joh 6, 32ff.), aber ins Jenseits versetzt, wo die Apostel
Teil am Brot des Lebens haben und, Lk 22, 29f. zufolge, es mit
Christus zusammen genießen.
17. Teilweise wurde dadurch sogar, in der Nachfolge von
Duchesne, Origines du culte chrätien, p. 291 einen Zusam
menhang zum traditio syinboli der Taufzeremonie angenom
men, was z.T. durch die Narnensgleichheit zustande kam.
18. Der erste, der diesen Vergleich anführt, ist G. B. de Rossi,
«Delle irnagine sacre effigiate sui piatti trovati in PortofUten
sili cristiani scoperti a Porto/Di due singolari monurnenti, nei
quali Cristo dii il volume a s. Paolo», Bulletino diArcheologia
Cristiana, serie 1, anno VI, Rorna 1868. Spätere Beispiele sind
u.A. A. Grabar, L‘einpereur dans l‘art byzantin, Paris 1936,
Reprint London 1971, 200f., der auch diese beiden Beispiele
als Vergleich anführt.
19. T. Birt, Die Buchrolle in der Kunst. Archäologischanti
quarische Untersuchungen zum cmtiken Buchwesen, Leipzig
1907 — Repr. Hildesheim/N.Y. 1976, 323.
20. Birt op. cit., 185.
21. Z.B. der Sarkophag des Probius Petronius Anicius, der
allem Anschein nach dem Mausoläum der Anicier entstammen
muß, das an die Apsis von AltSt. Peter um 400 angebaut
wurde.
11. H. Grimouard de SaintLaurent, «Art chrdtien primitif. Le
Christ triomphant et le don de Dieu. Etude sur une sdrie de
nombreux monuments des premiers si~cles», Revue dc l‘art
chr~tien II, 1858, zitiert die Huldigung Christi von Pabst Darna
sus (36684), die in der Vielzahl der Nahmen für den Erlöser
zeigen, wie vielfältig und vieldeutig die Bedutungen Christi
sind: Spes, via, vita, salus, ratio, sapientia, lu,nen,/Judex,
porte, gigas, ‚ex, geinma, propheta, sacerdos,/Messias, Zeboot,
Rabbi, sponsus, inediatoi;/Virga, columna, manus, petra, fihius
Emmanuelque,/Vinea, pastol; ovis, pax, raclix, vitis, oliva,/Fons,
paries, agnus, vitulus, leo, propitiatot;/Verbum, homo, rete,
lapis, Do,nus, oinnis christus Jesus.
23. P. Styger, « Neue Untersuchungen über die altchristlichen
Petrusdarstellungen», Römische Quartaisch ruft flur christliche
Altertumskunde und für Kirchengeschichte XXVII, 1913, 67.
Styger meint nicht (65), daßBirt eine ordentliche Alternative
zur Auslegung des Motivs als Ubergabe bringt, ist aber darin
mit ihm einig, daßeine solche nicht vorkommt.
12. Jeremias, op. cit., 77f.
24. Styger, op. cit., 66.
13. Z. B. bei R. Wisskirchen u. 5. Heid, Der «Prototyp des
Lämmerfrieses in AltSt. Peter. Ikonographie und Ikonologie»,
in: E. Dassrnann (red.), Tesserae. Festschrift für Josnf Enge
mann. (Jahrbuch für Antike und Christentum. Ergänzungsband
18), Münster 1991, die mit diesem Ausgangspunkt eine wich
tige Quelle zum Verständnis des Motivs anführen, wo dieses
Element auftritt (siehe später).
25. WS 34, 3. Styger, op. cit., 66f. Dieser Sarkophag wurde
schon 1858 von Garrucci für die korrekte Rekonsruktion der
Inschrift in 5. Costanza herangezogen.
14. Dies ist in einer Linie für sich von einer Reihe unlesbarer
Zeichen nachgefolgt, die R. Garrucci, Storia dell‘arte cris
tiana uuei primi otto secoli delta chiesa IV. Musaici cimiteriali
e non cimiteriali, Prato 1876, als Neapolitanische Ausgabe des
Halleluja, in welcher die letzte Silbe viermal wiederholt wer
den müsse, interpretiert — was mir jedoch ein Beispiel ausge
sprochener Uberinterpretation unlesbarer Zeichen scheint.
15. P. Vallin, «Dominus Pacem Dat. Apropos du mausolde de
Constantina ä Rome», Recherches dc science religieuses 5 1,
1963, und F. Nikolasch, «Zur Deutung der « Dominuslegern
dat »Szene», Römische Quartalschrift für christliche Alter
tumskunde und Kirchen geschichte 64, 1969, meinen nicht, daß
die Inschrift 5. Costanzas DOMINUS PACEM DAT fehlrestau
riert ist und bauen ihre Interpretationen des Motivs darauf.
Nikolasch meint sogar die fragmentarische Inschrift des Vati
kanischen Goldglases,... INUS, in dieser Weise rekonstruieren
zu müssen, da die beiden Kompositionen sich so sehr ähneln.
16. Auf dem Ende der 1970er entdeckten Fresko des Cubicu
lum A47 der Catacomba superiore di 5. Gennaro i Neapel sitzt
Christus mit einer offenen Schritrolle im Schoß, auf der
DOMINUS LEGEM DAT zu lesen ist (siehe später). Auf dem
zerstörten FormosusFresko de 9.Jahrhunderts, das uns in einer
Zeichnung der Vatikanischen Bibliothek überliefert ist (Vat.
lat.7849, fol.5r), wird sowohl Petrus als Paulus eine Rolle
gereicht. Nur die Inschrift auf der Rolle Pauli ist teilwiese
sichtbar: DNS [...] DT Auf dem ConcordiusSarkophag in
Arles sieht man Christus als Lehrer zwischen den Aposteln,
auf einen Stuhl mit hoher Rückenlehne sitzend und ein offenes
Codex in der Hand haltend, aus dem er spricht. Auf den Seiten
steht: DOMINUS LEGEM DAT. Endlich findet sich die
Inschrift auf der schififörmigen Ollampe in Florenz, die auf
dem Coelio in Rom gefunden wurde, und dessen Besatzung
aus zwei Männern besteht, wahrscheinlich Petrus und Paulus.
Die Inschrift auf einer Tafel auf dem Mast lautet: DOMINUS
LEGEM DAT VALERIO SEVERIO EUTROPI VIVAS.
22. Birt op. cit., 323.
26. N. Ciavollino, «L‘iconographia Petrina nell‘arte paleo
cristiana a Napoli», campania Sacra 21, 1990.
27. W. N. Schumacher, «Dominus legem dat», Römische
Quartalschr(ft für christliche Altertumskunde und Kirchen ges
chichte 54, 1959, p. 3ff. (hiernach Schumacher, DLD).
28. Schumacher, DLD, 3.
29. Schumacher, DLD, 7. Anderereits behauptet W. N. Schu
macher, « Eine römische Apsiskomposition>~, Römische Quar
talschrift für christliche Altertuinskunde und Kirchenge—
schichte 54, 1959, 142f. (hiernach Schmacher, Apsiskomp.),
daßdie Stellung, in der die Figur neben Christus in der Nord
apsidiole von 5. Costanza sich befindet, nämlich in halber
Kniebeuge mit verhüllten Händen, (nur) zwei Bewegungen
möglich macht: Uberbringung oder Entgegennahme. Ver
gleicht man jedoch die Himmelfahrtsszene des Rabbula
Codex, findet hier keines von Beiden statt, doch Petrus steht
eben in der gleichen Stellung, in der man ihn auf den thessalo
nikanischen Kästchen findet, nur ein wenig aufgerichtet, um
dem Herrn besser nachschauen zu können. A. Baumstark,
« Eine syrische « traditio legis» und ihre Parallelen», Oriens
Christianus, III, 1903, 18 If. meint, der syrische Mönch Rab
bula habe im Jahre 586 die Elemente Petrus, Paulus und Chris
tus aus einer traditio legisDarstellung kopiert und sie in einer
neuen Komposition verteilt, während er die jeweiligen Merk
male der Personen aus dem traditio legisMotiv beibehalten
habe. Deutlich ist von einer ehrfurchtsvollen Handlungsweise
angesichts des göttlichen Geschehens die Rede. Ein auffal
lendes Detail der Himmelfahrt des Rabbula, das sich auf den
Türen von 5. Sabina wiederfindet, ist, daßChristus auf dem
Weg zum Himmel in seiner Linken eine offene Buchrolle hält,
während er die Rechte erhebt, genau wie bei traditio legis.
Auferstehung und Himmelfahrt gleiten Bedeutungsmässig in
einander über, wie z.B. die Elfenbeinplatte mit den Frauen am
Grabe und der Himmelfahrt im Bayrischen Nationalmuseum
in München zeigt. H. L. Kessler, « Scenes from the Acts of the
Apostles on Some Early Christian Ivories »‚ Gesta, Vol.
XVIIL‘l, 1979, 110, hat diese nichtkanonische Chronologie
auf dem Elfenbein mit außerbiblisdhen Traditionen erklärt, die
TRADITIO LEGIS?
31
mit dem sog. PetrusEvangelium und mit verschiedenen patris
tischen Quellen, in denen die Aufertehung als direkt aus dem
Grabe geschehend beschrieben wird, ihren schriftlichen Nie
derschlag findet. Diese Vermischung der laut Apg. 1, 911 mit
vierzig Tagen Abstand voneinander gelegenen Ereignisse
könnte auch für traditio legis interessant sein, weil sich darin
eine Auffassung der Auferstehung und/oder Himmelfahrt als
Offenbarung des göttlichen Willens zu liegen verbirgt, in
dem Christus sein Buch denjenigen eröffnet, die Zeugen des
Geschehens sind.
30. Jos 5, 1315.
31. Schumacher, DLD, 7.
32. Schumacher, ibidein. Ein Elfenbeinrelief des 10.Jahrhun
derts aus der Berliner Staatsbibliothek (A. Goldschmidt, Die
Elfenbeinskulpturen. Bd.2. Aus eier Zeit der karolingischen
und sächsischen Kaise,; Berlin 1918, Taf. VI, 15), möglicher
weise aus Mailand, darf als eine späte Bestätigung dieser Tra
dition noch herangezogen werden. Christus reicht dem rechts
neben ihn stehenden Petrus die Schlüssel, während er in der
linken, zur Seite Pauli, eine offene Buchrolle mit det Inschrift
DOM1NUS LEIEM DAT SAULUS hält. Beide Apostel sind in
der gleichen Stellung dargestellt, mit verhüllten Händen und
Armen. Petrus steht rechts, um die Schlüssel empfangen zu
können, während Paulus die offene Schriftrolle eben nur
auffängt. Allerdings ist hier von einer ungewöhnlichen Aus
gabe des Motivs der mittelalterlichen Einsetzung der beiden
Apostelfürsten in ihren «Amtern» die Rede, da Paulus in die
sem Falle nicht eine geschlossene Buchrolle als Zeichen seiner
durch göttliche Offenbarung erlangte Weisheit empfängt, son
dern eben durch die offene Buchrolle die Offenbarung selbst
empfängt.
33. Einige, die das Motiv mit Kaiser Konstantin dem Großen
oder mit seinen Söhnen verbinden, zitieren Eusebius von Cae
sarea, weil er dem Kaiserhause nahestand — das Verständnis
der lex als Grundlage des christlichen Lebens ist aber allge
meingut.
34. Monog.8 (PL 2, 939), zitiert nach Y. M.J. Congar, «Le
thöme du «don de la loi» dans l‘art paläochrätien», Nouvelle
Revue thdologique 94, 1962, 930.
35. Vgl. Eph 3, 89.
36. Hiervon in A. Schubert, Augustins lexaeternaLehre nach
Inhalt und Quellen (Beiträge zur Geschichte der Philosophie
des Mittelalters. Texte und Untersuchungen. Band XXIV, Heft
2), Münster i.W. 1924, und V. Hahn, Das wahre Gesetz. Eine
Untersuchung derAi~ffassung des Ambrosius von Mailand vorn
Verhältnis der beiden Testainente (Münsterische Beiträge zur
Theologie, 33), Münster 1969.
37. Der konstantinopolitanische Bischof Petros Chrysologos
spricht so in einer Predigt über Mose und die Wunder, die
durch ihn für das Gottesvolk geschahen: [...] petrarn percutit,
ut de recenti uulnerefrigida sitientibus detfluenta; prirnus dat
terris legein caeli, scribit uitae normarn, figit terminos discipii
nae. Collectio sermonum Cl.227 + M, SL 24, sermo 43, 39.
(nach CETEDOC). Auch aus diesem Zitat geht wieder hervor,
daß die Formulierung dat... legem Ausdruck der Gesetzes
verkündung und nicht der konkreten Uberreichung ist.
38. Hahn, op. cit., 298.
39. Hahn, op. cit., 410. Der lateinische Text lautet zweideutig:
finis eniln legis C‘hristus (Vulgata nach C‘ETEDOC), wobei
.finis ja sowohl Ende als Ziel bedeuten kann.
40. Hahn, ibidem.
41. Expositio in Psalrn.118, serrno 13, 21. Zitiert nach
P. Borella, «La traditio legis nell‘archeologia e liturgia ambro
siana», AMBROSIUS. Organo del V congresso eucharistico
diocesano e delle celebrazioni per l‘anno mariano XXXIII,
1954, 78. Daßder Weg von Gesetz des Herrn geleitet werden
solle, geht auch aus Prosper Aquitanus, Expositio psalmorum
CC‘L, Cl.0524, psalinus 118, 3 hervor: Via uero iion est, nisi
lex domini. Nach CETEDOC.
32
42. Augustinus Hipponensis — Epistulae Cl. 0262, epist.157,
vol. 44, par.2, pag.455, 14. Nach CETEDOC.
43. Daßdas Gesetz für die Christen Bedeutung hatte, geht u.a.
aus den Schriftstellen hervor, die die Neofyten vor der Taufe
anhörten und selber sprachen. Am Tage vor der Taufzeremo
nie, die zu Ostern stattfand, war das Antiphon die erste Strophe
von Psalm 77 : Attendite, populus meus/legem meam ;/inclinate
auruin vestram/in verba oris mei. («Lauschet, mein Volk, mei
ner Lehre [meines Gesetzes], beugt eure Ohren den Worten
meines Mundes.») Nach Borella, op. cii‘., 75f. Borella meint,
wie vor ihm Duchesne, Origines du cnlte chrätien und
R. Michel, Die Mosaiken von Santa Costanza in Rom, Leipzig
1911, und nach ihm Congar, op. cit., J. L. Maier, Le baptistüre
de Naples et ses MosaYques. Etude historique et iconogra
phique (Paradosis. Etudes de littörature et de thäologie
anciennes, XIX), Fribourg 1964; A. Giuliani, «11 primato di
5. Pietro nell‘iconografia paleocristiana (sec. IIVI) »‚ Miscel
lanea Francescana 65, 1965; Ciavollino, op. cit., daßhier ein
Zusammenhang zwischen der Taufliturgie und dem traditio
iegisMotiv besteht.
44. Orat. 40, 45. Efter Maier, op. cit., 114.
45. Maier, op. cit., 115.
46. J. Strzygowski, Orient oder Rom. Beiträge zur Geschichte
der spätantikeii und frühchristlichen Kunst, Leipzig 1901,
lOOf.
47. Man kann nicht davon ausgehen, daßhier ein eigentliches
traditio legisMotiv beschrieben ist, sondern wohl eher ein
Motiv ähnlich dem auf dem ExuperantiusSarkophag im Dom
von Ravenna.
48. R. Garrucci, Vetri ornati difigure in oro trovati nei cimi
teri dei cristiani primitivi di Roma, Rom 1858, 83ff R. Gar
rucci, Storia dell‘arte cristiana nei p1~imi otto secoii deila
chiesa IV. Musaici cimiteriah e tion cimiteriali, Prato 1876,
1 if.; De Rossi, op. cit., 39ff.; J. Wilpert, Die römischen
Mosaiken und Malereien der kirchlichen Bauten vorn IVXIII.
Jahrhundert, Freiburg i. Br. 1916, 237f.
49. J. Kollwitz, « Christus als Lehrer und die Gesetzesüber
gabe an Petrus »‚ Römische Quartalschriftfiir christliche Alter
tumskunde und Kirchengeschichte XLIV, 1936; K. Wes
sel, « Der siebennischige Sarkophag in den Grotten von St.
Peter», Pantheon XXVII, 1969; DavisWeyer, op. cit.; Giu
liani, op. cit.; P. Franke, « Traditio Legis und Petrusprimat.
Eine Entgegnung auf Franz Nikolasch »‚ Vigiliae Christianae
26, 1972.
50. R. Davis, The Book of Pontiffs (Liber Pontificalis). The
Ancient Biographies of the First ninety Roman Bishops to AD
715 (Translated Texts for Historians Latin Series V), Liverpool
1989, ii ff.
51. L. Duchesne (ed.), Le LiberPontificalis,
123.
t.
1er, Paris 1886,
52. Vgl. ausführlicher hierzu K. Wessel, « Das Haupt der
Kirche. Zur Deutung ausgewählter frühchristlicher
Bildwerke »‚Archäologischer Anzeige,: Beiblatt zum Jahrbuch
des Archäologischen Instituts 65/66, 19505 1. Das Konzil in
Sardica 342 beschließt, um den Apostel Petrus zu ehren, daß
der römische Bischof eine oberste Gerichtsstellung im Verhält
nis zu den kirchlichen Gerichtshandlungen im Westen haben
soll. Pabst Damasus (366384) nennt als erster den römischen
Bischofssitz sedes apostolica. Beim kaiserlichen Orthodoxiee
dikt von 380, von den Kaisern Gratian, Valentinian og Theodo
sius erlassen, wird der römische Bischof (Damasus) als der
Erhalter des rechten Glaubens anerkannt, dies nochmals in der
Position Petri als Gründer der römischen Gemeinde. Vgl.
hierfür auch J. Martin, Spätantike und Völkerwanderung
(Oldenburg Grundriß der Geschichte, Band 4), 3.rev. udg.,
München 1995, 133.
53. Zitiert nach A. Ferrua, Damnasus und die römischen Mär
ryrer (Anno damasi saeculari XVI), Cittä del Vaticano 1986,
29.
54. Siehe hierüber Martin, op. cit., 133.
55. Martin, op. cit., 133.
56. Siehe z.B. Grabar, op. cit., 1936, der im 3.Teil, «L‘art
impdrial et l‘art crötien», eine Unzahl von Gleichheiten
zwischen der imperialen und der christlichen Kunst auf
zeichnet und findet, daßdie christliche die kaiserliche wie
derspiegelt.
57. C. Pietri, Roma C‘hristiana. Recherches sur 1‘1~glise de
Rome, SOn organisation, sa politique, son iddologie de Miii
tiade ?i Sixte 111(311440), Rom 1976, 1413ff.
58. Schumacher, Apsiskomp., 148.
59. Für die Abweisung eines Interesses in einer Zusammen
stellung von Christus und Kaiser, vgl. z.B. G. Hellemo, Adven
tus Domini. Escatological Thought in 4thcentury Apses and
Catcheses (Supplements to Vigiliae Christianae), Leiden 1989.
60. DavisWeyer, op. cit., 9.
61. Wessel, op. cit., 1969, p. 120ff.
dell‘antichitä cristiana pubblicata per cura del Pontificio isti
tuto di archeologia cristiana), 1111 Rom 192936, WS 42, 3;
43, 3; 43, 4; 45, 4; 106, 2; 188, 2; 252; 253, 3; 253, 5;
Fig. 204; Fig. 222. Malerei in der SS. Marcellino e Pietro
Katakombe. Malerei in der Sala 1 in der Via LatinaKata
kombe. Das Apsismosaik von 5. Pudenziana. SS. Cosma &
Damiano. In einigen der Fälle, wo Petrus und Paulus sich
gegenüberstehen, aber nicht Christus selbst flankieren, ist
diese rechtslinksVerteilung ebenfalls vorhanden, z.B. im sog.
Mausoläum der Galla Placidia in Ravenna, wo sie ein Fenster
flankieren, oder in den zwei Baptisterien Ravennas, wo sie in
dem einen Falle einander direkt gegenüberstehen (orthodoxes
Bapt.), während sie in dem anderen die hetoimasia flankieren
(arianisches Bapt.). Beispiele, wo Petrus rechts neben Christus
steht: Wilpert, op. cit., 192936. WS 11,4; 18,5; 20,5; 34, 1;
34,2;35,l;37,5;38,2;43,5;146,1;l92,6;238,6;238,
7; 239, 2; 240, 2; 243, 1; J. Wilpert, Die Malereien der Kata
koniben Roms, Freiburg i. Br. 1903, Tafel 155, 205. Außerdem
in dem Apsismosaik von S. Aquilino in Mailand, auf dem
Apsisbogen der 5. Maria Maggiores, wo die Apostel abermals
die hetoimasia umstehen, auf dem Triumphbogen von
5. Lorenzo f.l.m., und in dem zerstörten Apsismosaik von
5. Andrea in Catabarbara in Rom (4.Jahrh.).
62. Siehe hierüber näheres in Huskinson, Concordia Aposto
loruin. C‘hristian Propaganda at Rome in the ourth and F~fth
~‘enturies. A Study in Early f‘hristian Iconography and Icono
logy. (BAR International Series 148), Oxford 1982.
70. Ich danke Herrn Professor Herbert L. Kessler, Baltimore,
für den Hinweis auf diese Stelle.
63. Nikolasch, op. cit.
trarn; cuin juxta vulgarein senseum hoc rerum ordo deposcat,
ut Petrus, qui senatus apostolici princeps est, dextruin Domini
latus; Paulus vero, qui junior est, sinistrum jure possideat?
S. Petri Damiani, « De picturis principium apostoloruin. Caput
primwn »‚ in: Opera Omnia, t. 2, Patrologia Latina (Migne,
64. Ambrosiaster, In Gal. 2, 710. Vgl. Nikolasch, op. cit.
65. Dies interpretiert Nikolasch, op. cit., als eine der zentralen
Aussagen des traditio legisMotivs. Es drückt für ihn die
überströmende Freude der Römer über ihre Teilhabe am Heil
aus, trotz ihrer heidnischen Herkunft. Er legt damit großes
Gewicht auf die Bedeutung Pauli für das Motiv. Er meint, das
gleiche sei der Fall für die Darstellung auf dem Apsisbogen
(heute Triumphbogen) der 5. Maria Maggiore, wo Petrus und
Paulus die hetoimasia flankieren, und über den Städten Jerusa
lem bzw. Bethiehem angebracht sind, aus dessen Toren Läm
mer strömen. Das Gottesvolk der Inschrift des Apsisbogens,
XYSTVS EPISCOPVS PLEBI DEI, meint er in den Lämmern
aus den Städten und in den Aposteln ausgedrückt, in dem er
diese als Repräsentanten der beiden Kirche sieht. Er meint
sogar zu sehen zu, daßbeide ein der Gemeinde zugewandtes
offenes Buch tragen, dessen Buchstaben bei Petrus kantig und
blokartig sind, bei Paulus aber in zusammenfließenden Linien
stehen. Er meint hierin, wie De Bruyne, Rivista di archeologia
cristiana 13, 1936, 23969, stilisierte hebräische und grie
chische Schriftzeichen zu sehen, die die Ursprünge der beiden
Kirchen markieren sollten. Dies ist aber nicht der Fall, da das
Buch Pauli nicht dem Beschauer entgegen geöffnet ist, son
dern in Leseposition gehalten wird, den Einband also der
Gemeinde entgegen. Die Zeichen im Buch Petri, das der
Gemeinde offen vorgehalten wird, mußman daher einfach als
unspezifizierte Schriftzeichen sehen. In den beiden Büchern
kann aber eine Markierung der Unterschiede der beiden Apos
tel liegen, in dem der eine sich als Verkünder zeigt, dem Text
der Gemeinde zugewandt, der andere als Interpret darsteht, der
selbst dem Text zugewandt ist, der an sich der Gemeinde ver
schlossen bleibt.
71. Cur videlicet in imaginibus pictura rum per universas
adjacentes Romte provincias, Petrus qui primus est, ad sinis
ed.), CXLV, Paris 1853, sp.S93.
72. Damianus, op. cit., sp.S91.
73. Daniamus, op. cit., sp.S93.
74. Damianus, ibidem.
75. Damianus, op. cit., sp.S94.
76. Damianus, ibidein.
77. Birt, op. cit., 323; Styger, op. cit., 65.
78. Dan 3, 9192.
79. Dan 3, 88.
80. Er wird in die Löwenkuhle geworfen, weil er seinen Gott
trotz des Verbotes dagegen anbetet. Vgl. Dan 6.
81. Dan6,23
68. Maximus von Turms Homilia 72 und Sermo 66. Pseudo
Augustinus ‘Sermo 201 und 202. Vgl. Nikolasch, op. cit.
82. Beispiele für Darstellungen von Daniel in der Löwen
kuhle: Wilpert, op. cit., 192936, WS 4, 3; 65, 5; 86, 3; 91;
96; 103,4; 121,3; 128,2; 136,4; 150,2; 157,1; 157,2;
164,5; 166,4; 177,4; 179,2; 187,3; 187, 12; 190, 10; 191,
6; 191, 10; 194,7; 195,4; 202,2; 206,6; 208,3; 208,4;
208, 5; 208, 6; 208, 7; 208, 8; 208, 9; 208, 10; 214, 1; 215,
6; 218, 1; 218, 2; 249, 11; 282, 1; 293, 1; 293, 5; 293, 6;
Fig. 124; Fig. 138; Fig. 157; Fig. 188. Wilpert, op. cit., 1903,
TafelS;25;62;73;89; 103(4x); 104; 106; 107; 114; 118;
131;166;l69(2x);l97;200;212;219;232;234(2x);240.
Insgesammt 72 Darstellungen in der Verzeichnissen Wilperts.
Ist außerdem auf dem sog. 5. Quirico und JulittaReliquar im
Museo Archivescovile in Ravenna dargestellt. Beispiele aus
Wilpert mit den drei Freunden im Feuerofen: Wilpert, op. cit.,
192936, WS 129,2; 135,1; 162,1,170,1; 170,2; 170,3;
170,4; 174,10; 175,6; 176,2; 178,2; 180,2; 181,1; 181,2;
181,3; 181,4; 181,5; 187,1; 190,2; 190,9; 192,1; 192,7;
192,8; 193,3,201, 1,201,2;201,3;201,4;202, 1;202,4;
206, 4; 206, 5; 289, 3. Wilpert, op. cit., 1903, Tafel 13; 54;
62;78; 114; 137; 140; 169; 172; 196; 240. Insgesammt44
Darstellungen in den Verzeichnissen Wilperts.
69. Einige Beispiele solcher Szenen des 4., aber auch des 5.
und 6.Jahrhunderts, wo Petrus links, Paulus rechts von Chris
tus steht: G. Wilpert, 1 sarcofagi cristiani antichi (Monumenti
83. Tertullian, Adi~ Marcionem, IV~ 24 (PL 2, 450); Clemens
Alexandrinus, Paedagogus III 12 (PG 8, 674); Origenes,
Contra Celsum II 2 64 (GCS Origi 185s); Hieronymus, Epist.
66. «Denn er ist unser Friede. Er vereinigt die beiden Teile
(Juden und Heiden) und rißdurch sein Sterben die trennende
Wand der Feindschaft nieder. Er hob das Gesetz samt seinen
Geboten und Forderungen auf, um die zwei in seiner Person zu
dem einem neuen Menschen zu machen. Er stiftete Frieden
und versöhnte die beiden durch das Kreuz mit Gott in einem
einzigen Leib. Er hat in seiner Person die Feindschaft getötet.»
(Eph 2, 1417).
67. Homilia 73. PL 57, 407. Vgl. Nikolasch, op. cit.
TRADITIO LEGIS?
33
22, 19 (PL 22, 406); Eusebius, De,nonstr~ evang. IX (PG 22,
698ss). Im Mittelalter ist Moses mit Petrus verbunden, wo
Apostel und Propheten zusammengestellt sind, und er selbst
steht als Typus für das alttestamentliche Gesetz. Rusticus Hel
pidius (t533) stellt der Gesetzesübergabe auf dem Sinai die
Bergpredigt gegenüber, vgl. J. v. Schlosser, Quellenbuch zur
Kunstgeschichte des abendländischen Mittelalters, Wien 1896,
34ff. Die Entgegennahme der Gesetzestafeln des Moses kann
im Mittelalter mit Pfingsten, der Kreuzigung und mit der
Ungläubigkeit des Thomas zusammengestellt sein, nach Lexi
kon der christlichen Ikonographie. Allgemeine Ikonographie
(Bd. 1TV) (udg. E. Kirschbaum et. al.) Freiburg i. Br. 196872,
III, Sp.294f. (hiernach LCI).
84. Das Quellwunder Petri ist häufig auf Sarkophagen zu fin
den, in der Katakombenmalerei ist es haüfiger das des Moses.
85. Für meines Erachtens unbegründete Zweifel daran, ob die
apokryphe Geschichte hier dargestellt sei, vgl. E. Stommel,
Beiträge zur Ikonographie der konstantinischen Sarkophag
plastik (Theophaneia. Beiträge zur Religions und Kirchenge
schichte des Altertums 10), Bonn 1954.
86. Adv. Marc. 4, 24. Nach Pietri, op. cit., 318.
87. Ep.69, 8f. Nach Pietri, ibide,n.
88. Ambroius: Exp. sec. Lucain 1, 42; Dc Interpel. Job 1, 9,
30; Exp. Ps. 118,5, 6; De Fide 5, 19, 235; Ep.29, 11. Hieroni
mus: In Ezech. 4, 13, 4. Augustinus: C‘ontr. Faustum 22, 70;
Sermo 352, 4. Nach Pietri, op. cit., 1439.
89. Epist de vera circumcisione. Nach Pietri, ibidem.
90. Orosius, 7, 27, 34. Nach Pietri, ibidem.
91. Carmen 26, 370ff. Nach Pietri, ibidem.
92. Serm.49, 2.Nach Pietri, ibidem.
93. Vgl. Pietri, ibidem.
94. Dies gilt besonders die Stadttorsarkophage und auch
5. Costanza.
95. Hierauf macht Wilpert, op. cit. 192936, III, 61 aufmerk
sam.
96. Vgl. Joh 1, 13.
97. Liber Quaest. Vet. et Novi Test. 95, 2. Nach Congar, op.
cit., 931.
98. Vgl. Joh 1, 13
99. Constitutiones apost. (Funk Ap Cost 1 255466); Hippoly
tos, Dan.kommentar 2, 28 & 3, 31 (GCS Hippol 1, 94180).
Nach LCI 1, Sp.469.
100. Origenes, Contra Celsum VII 57 (PG 11, 1501). Nach
LCI 1, Sp.469.
101. Origenes 13 (PG 11, 456); Hippolytos, Dan. kommentar
2, 29 (GCS Hippol 1, 176). Nach LCI 1, Sp.469.
102. Dan4,25.
103. Nach LCI II, Sp.464ff.
104. Wie Christus spricht: « Ich bin der Weg und die Wahrheit
und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.»
(Joh 14, 6); «Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hin
durchgeht, wird er selig werden.» (Joh 10, 9).
105. Martin, op. cit., 133.
106. In der Beschreibung Egerias von der Karfreitagsliturgie
in Jernsalem am Ende des 4.Jahrhunderts erzählt sie davon,
daß bei dem dabei üblichen Küssen des Kreuzes Christi
Wachen zugegen sind, um zu verhindern, daßdie Reliquie bes
chädigt werde, wie dies einmal geschah, als ein Gläubiger ein
Stück davon beim Küssen abbis! Dies zeugt vom starken Ver
langen nach Relikvien. Die einzig mögliche Weise, eine Relik
34
vie von einem Grab zu bekommen, ohne den Grabfrieden zu
schänden, ist durch das Substitut der brandea. Wenn uns also
auch keine Berichte von brandea in Reliquarien überliefert
sind, scheint mir die Möglichkeit doch naheliegend, wenn
auch hypothetisch.
107. Das Missorium des Theodosius des Großen zu seinen
Dezennalien 388 wurde allem Anschein nach in Thessaloniki
hergestellt, was von einer höfischen oder wenigstens den theo
dosianischhöfischen Stil handhabenden Werkstatt spricht,
auch wenn dies nie bewiesen worden ist.
108. Die Inschrift, die laut H. Stern, «Les mosalques de
l‘bglise de SainteConstance ii Rome», Dumbarton Oaks
Papers 12, 1958, 162 aus mehreren Manuskripten bekannt ist,
lautet: Constantina deum venerans C‘hristumque clicata/omni—
bus impensis devota mente paratis/numine divino inultuin
Christoque iuvante/sacravit templum victricis virginis Agnes.
Nach A. P. Frutaz, II coinplesso monumentale di Sant‘Agenese,
3.ed. Rom 1976, der De Rossi, Inscriptiones christianae Urbis
Ro,‘nae, septilno saeculo anteriores VIII, nr. 20752 zitiert.
109. Stern, op. cit., 161. Zitat hierher.
110. Ammianus Marcellinus, der wichtigste gleichzeitige His
toriker, beschreibt, wie auch Constantinas Schwester Helena,
die Frau Kaiser Julians, begraben wurde, wo Constantina lag,
an der Via Nomentana. Rerum gestarum lib. XIV, 1 § 2, 7 § 4,
9 § 3, 11 §~ 6, 22 für Constantina. XXI, 1 § 5 für Helena. Nach
Frutaz, op. cit., 200, Anm.5. Der Pilgerführer aus dem 7. Jahr
hundert, Dc locis sanctis Marryruin, beschreibt ebenfalls die
Stelle neben der Agnesbasilika als den Ort, wo Constantina,
Tochter Konstantins, begraben liegt. Hierzu vgl. Frutaz, op.
cit., 107.
111. Dies geht aus einer Zeichnung im sog. Codex Escuria
lensis hervor, wiedergegeben in Frutaz, op. cit., 109, Fig. 12.
112. Für eine Übersicht über die Forschung und Diskussion
über den Bau und seine Stifter, vgl. Stern, op. cit., 160ff.
113. Vgl. Frutaz, op. cit., fig. 71. Nach Frutaz, op. cit., 176,
133f. gibt es einige Ungewissheit darüber, wieweit es faktisch
ein solches Bodenmosaik hier gab, weil die Quellen in ihren
Beschreibungen sehr unterschiedlich sind. Aber Bosio z.B.
bezieht sich in seiner Roma Sotterannea von 1632 auf eine
Tradition, nach der das Mausoläum als ursprünglicher Bac
chustempel galt (vgl. Frutaz, op. cit., 11 lf.).
114. Frutaz, op. cit., 113; D. J. Stanley, « The Apse Mosaics at
Santa Costanza. Observations on Restorations and Antique
Mosaics »‚ Mitteilungen des Deutsche Archaeologischen Insti
tuts, Roe,nische Abteilung 94, 1987, 30. Der Kardinal ließeine
Inschrift über den Eingang anbringen, die lautet: Fabritius.
5. R.E. Card. Verallus/templum. divae. Constantinae.
ruinis/propinquzn. restauravit. et. ornavit/anno Dni.
M. D.C.XX
115. So z.B. Garrucci og De Rossi, auf die Stern, op. cit., 164
hinweist. Michel, op. cit., 46, meinte, der Bau war auf einem
Zeitpunkt vom Mausoläum in ein Baptisterium umgewandelt
worden. Stern, op. cit., 164ff. äußert Zweifel darüber, ob die
Baptisteriumfunktion ursprünglich war, meint aber, die schrift
lichen Quellen deuten auf diese Funktion hin.
116. Der Bericht wurde veröffentlicht in Musaici cristiani e
saggi delle chiese di Roma anteriori al secolo XV Roma 1873
1899, fasc.2, tvv. 111V. Vgl. hierzu A. Ferrua, «Sul battistero
di 5. Costanza», Vetera Christianorum 14, 1977, 283.
117. Dies geschah in Le chiese di Roina dal secolo IV al XIX
(Rom 1891), p. 860. Vgl. hierzu: Fnitaz, op. cit., 1067; Fer
rua, op. cit. 1977, 290.
118. Ausführliche Auszüge aus dem Tagebuch und der
Beschreibung des Handlungsablaufes in Ferrua, op. cit., 1977;
Frutaz, op. cit., ist ebenfalls mit dieser Quelle bekannt und
kommt zu der gleichen Konklusionen wie Ferrua.
119. Das erste Mal, da von einer solchen alternativen Tauf
handlung bei 5. Agnese berichtet wird, ist unter Liberius (352
366), der sich drei Jahre lang bei S. Agnese auffiielt. Das
nächste Mal ist unter Bonifazius, der 419 die Ostertaufe hier
verrichtet. Duchesne, op. cit., 208 & 227.
Todi/Perugia 1991, Fig. 12, 33.
137. P. A. F~vrier, «Les quatre fleuves du Paradis »‚ Rivista
di archeologia cristiana 32, 1956, 181ff.
120. D. Stanley, «An Excavation at Santa Costanza», Arte
medievale II serie 7/2, 1993.
138. Fdvrier, op. cit., 194.
121. Stanley, op. cit., 1993.
139. F~vrier, op. cit., 195,
122. Ich referiere hier einige der losen Gedanken, die mir
David Stanley bei einem zufälligen Treffen im juli 1994 auf
den Resten der Struktur in der Mitte der Basilika mitteilte.
140. Fbvrier, ibidem.
123. Das markanteste Beispiel für die Auslassung der Apsi
diolen aus der Behandlung des Mosaikschmuckes ist Stern, op.
cit., der meint, der Zustand und die zweifelhafte Datierung,
sowie die formel von den Mosaikken des Umgangs und der
Kuppel verschiedenen Züge, eine Auslassung aus seiner
Untersuchung berechtigt. Vgl. hierzu auch Stanley, op. cit.,
1987, 29.
124. Stanley, op. cit., 1987, 34ff.
125. Michel, op. cit., 42. Michel, der zu jenen gehört, die mei
nen, 5. Costanza sei ein Baptisterium gewesen, meint, die
Apsidiolenmosaikken entstammten der Umwandlung des Baus
dazu, und daß sie im Verhältnis zur Taufliturgie verstanden
werden müssen.
126. DavisWeyer, op. cit., datiert die Mosaikken auf wahr
scheinlich vor 370, was die traditio legisDarstellung der
Sydapsidiole zum frühest erhaltenen Beispiel machen würde.
Das gleiche gilt für Schumachers Datierung (Schumacher
Apsiskomp., 148) auf 350360, die er auf den Untersuchungen
Deichmanns und Sterns baut (Schumacher ibideni, Anm. 47f.).
Ihm, op. cit., bezeichnet die Mosaikken als spätkonstantinisch
und zitiert De Rossi, Wilpert, Leclercq, Gerke, Kollwitz og
Zaloziecky für diese Daterung, während Michel, Toesca, Wes
sel og Cecchelli eine Entstehung um das Ende des 4. der den
Anfang des 5.Jehrhunderts annehmen.
127. Stanley, op. cit., 1987, 38. Es sind zwei Wolken zwischen
Christus und dem Berg vorhanden.
128. Stanley, ibidem.
129. Stanley, op. cit., 1987, 32.
130. Stanley, ibidem.
131. Garrucci, op. cit., 1858.
132. Vgl. Vallin, op. cit.; Nikolasch, op. cit.
133. Stanley, op. cit., 1987, 32 & 38.
134. Quid enim quod dicitur Testamentum Veteris, nisi occul
tatio novi? Et quid est aliud quod dicitur Novum, nisi Vetersi
revelatio? De civit. Dei 16, 26. Nach L. Gotfredsen u.
H.J. Frederiksen, Troens billedei Romansk kunst i Danmark,
Heming 1988, 22, Anm. 5.
135. Auf dem Goldglas im Vatikan ist das Wasser mit fünf
«Beulen» widergegeben und IORDANES bezeichnet, wie
auch der Flußim Vordergrund im Mosaik von SS. Cosma e
Damiano. Kristus ist also als von jenseits des Jordan auf Wol
ken kommend dargestellt, was der Vision Ezekiels am Flusse
Kebar entspricht (Ez 1, 428). Dies knüpft an die Apokalypse
an, da Ezekiel in der Offenbarung Johannis paraphrasiert ist,
aber auch an die Auferstehung, was deutlich aus der Auferste
hungsszene des RabbulaCodex hervorgeht, wo viele der Züge
der Ezekielschen Vision eingehen (z.B. die vieläugigen Wesen
und die Räder in den Rädern). Andeutungen von Zusam
menhängen quer durch die in der Bibel beschriebenen histori
schen Zusammenhänge sind hier abermals offensichtlich. Auf
dem Goldglas in Toledo (Ohio) ist die gleiche Weise des Wie
dergabe des Wassers unter den Wolken angewandt, wenn auch
hier keine Inschrift zur Identifikation des Wassers vorhanden
ist.
136. Vgl. z.B. V. Tiberia, Ii restauro del mosaico della Basi
lica dei Santi Cosma e Damiano a Roma (Arte e restauro 7)
141. Fdvrier, op. cit., 196.
142. 5. Aldhelm, Poema de Ans B. M. et XII Apostolis dedica
tis, XI. Zitiert nach Garrucci, op. cit., 1858.
143. 1 Kor 10, 24: «Alle aßen dieselbe gottgeschenkte
Speise, und alle tranken den gleichen gottgeschenkten Trank;
denn sie tranken aus dem lebensspendenden Felsen, der mit
ihnen zog. Und dieser Fels war Christus.»
144. Paulinus Nolae, Ep. XXXII Ad Severuin,
XXIX, 286. Zitiert nach Fdvrier, ibidem.
§ 10, CSEL
145. Auf einigen traditio IegisDarstellungen findet sich in
der Palme hinter Paulus ein Vogel Phönix, der eben das Aufers
tehungsaspekt unterstreicht, weil sein Lebenszyklus sich mit
jedem Weltzeitalter erneuert. Am Ende eines Alters geht er in
Flammen auf, um am Morgen des neuen Alters aus der eigenen
Asche aufzuerstehen. Lactantius, der eine lange Huldigung des
Phönix als Allegorie Christi geschrieben hat, betont außerdem
die Namensgleichheit zwischen der Dattelpalme phoenix und
des mystischen Vogels: Huc ubi per saltus silva remota
Iatet./Tum legit aärio sublimein vertice palmam/Quae gratum
Phoenix ex ave nomen habet,/Et quam nulla nocens aniinans
perrumpere possit,/Lubricus aut serpens aut avis nulla rapax.
Zitiert nach Lactantii Carmen de Phoenice (Adolphus Martini
ed., Lüneburg 1825), v.68.
146. Paulinus von Nola schreibt ebenfalls in Verbindung mit
der Apsis in Nola: Sanctam fatebur crux et agnus victimam
(« Das Kreuz und das Lamm zeugen von ihm als den heiligen
Geopferten») Paulinus Nolae, Ep. XXXII Ad Severum, § 10,
CSEL XXIX, 286. Zitiert nach Fbvrier, ibidem. Eigene Uber
setzung nach C. DavisWeyer, Sources and Documents. Early
Medieval Art 3001150 (Medieval Academy Reprints from
Teaching, 17), Toronto 1986, 20. Später im gleichen Brief
heißt es: « Gott selbst, unser Vorgänger in Kreuz und Kranz,
Christus, steht im himmlischen Haine des blühenden Para
dieses unter dem blutroten Kreuz, in der Form eines weißen
Lammes, als Lamm weil Er als unschuldiges Opfer einem
ungerechten Tode übergeben worden war.» Eigene Uberset
zung nach DavisWeyer, op. cit., 1986, 23.
147. «Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen,
wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die
Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir hat
ten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg.
Doch der lud auf ihn die Schuld von uns allen. Er wurde miß
handelt und niedergedrückt, aber er tat seinen Mund nicht auf.
Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein
Schaf angesichts seiner Scherer, so tat auch er seinen Mund
nicht auf.» (Jes 53, 57). (Dies ist ein Teil des Textes, den der
Apostel Philip dem ethiopischen Höfling vorliest, was zu sei
ner Umkehrung führt, Apg 8, 3239.) Tertullian, Adv. Jud. 13,
21f. (Corp. Christ. ser lat. 2, 1388) und auch Firmicus Mater
nus (2.Hälfte 4.Jahrh.), Dc errore profanarum religionuin 27,
4f. (CSEL 121, 1929) gebrauchen dies in Zusammenhang mit
einem anderen Typus des Kreuztodes Christi, der Opferung
Isaak (Gen 22). Vgl. F. Nikolasch, Das Lamm als ~hristuss)‘in
bol in den Schriften der Väter (Wiener Beiträge zur Theologie
III), Wien 1963, 28f. 1 Mos 22 als Typos des Kreuztodes
Christi wird von den Kirchenvätern oft angesprochen, und der
Widder, den Abraham auf des Engels Gebot statt Issak opferte,
ist Typos des Lammes, das Christus ist. Sehr deutlich dies bei
Johannes Chrysostomos, z.B. Hom.47 in Gen 22 (PG 54, 432f)
und Hoin 25 in Hebr 11 (PG 63, 174) oder bei Augustin, z.B.
Dc civit. Dci 16, 32 (Corp. Christ. sei: lat., 48, 537) oder
Contr. Faust. 12, 25 (PL 42, 267), endlich Paulinus von Nola,
epist. 29, 9, (CSEL 29, 256). Vgl. Nikolasch, op. cit., 1963,
33ff.
TRADITIO LEGIS?
35
148. Nikolasch, op. cit., 1963, 22.
149. Vgl. das Gespräch zwischen Christus und Petrus bei der
dritten Offenbarung des Herrn nach der Auferstehung, beim
See Tiberias, Joh.21, 15: «Simon, Sohn des Johannes [.1:
Wiede meine Lämmer » etc.
150. Joh 10, 1416: «Ich bin der gute Hirt. Ich kenne die Mei
nen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt
und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die
Schafe. Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem
Stall sind; auch sie mußich führen, und sie werden auf meine
Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen
Hirten.» Hierin wird an die messianische Hoffnung in Ez 37,
2324 angeknüpft: «[...] Ich befreie sie von aller Sünde, die
sie in ihrer Untreue begangen haben, und ich mache sie rein.
Mein Knecht David wird ihr König sein, und sie werden alle
einen einzigen Hirten haben. Sie [...J meine Gesetze achten
und sie erfüllen.»
151. Origenes, Komment. in Jeremias PG 13, 596 gebraucht
die Lämmer als Bild des Volkes Israel. Vgl. Sal 77, 21.
152. Gerke, op. cit., 1934, 165.
153. Dies tut Michel, op. cit., 39.
154. Dies gilt z.B. dem Goldglas im Vatikan, wo die Städte
zwar HIERUSALE und BECLE bezeichnet sind, was aber deut
licherweise eine fehlerhafte Schreibweise ist. Das Glas ist
besonders interessant, weil man statt der vier Ströme am Fuße
dessen, was gewöhnlicherweise als Berg verstanden wird, nur
den einen sieht, der parallel zur Bildfläche läuft und der JOR
DANES bezeichnet ist, wie dies auch später in SS. Cosma e
Damiano der Fall ist. Vergleicht man das Goldglas näher mit
dieser Apsisdarstellung, bemerkt man jedoch, daßdies jener
auch auf anderer Weise sehr gleicht. Der FlußJordan scheidet
uns von der Vision Christi, der — bei genauerem Hinschauen
— nicht auf einem Berg steht, sondern auf Wolken, wie in
5. Costanza und in SS. Cosma e Damiano. Er kommt als Mor
gensonne aus dem Osten, von jenseits des Jordan, wie er es
über seine Wiederkunft verhießen hatte, z.B. in Matt 26, 64:
«Von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der
Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen
sehen.»
155. Vgl. Joh 10, 1416. Bei Paulus sieht man diesen Gedan
ken über das Abbauen der alten Grenze noch deutlicher, z.B. in
Eph. 2, 1719: «Er kam und verkündete den Frieden: euch,
den Fernen, uns, den Nahen. Durch ihn haben wir beide in dem
einen Geist Zugang zum Vater. Ihr seid also jetzt nicht mehr
Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und
Hausgenossen Gottes.»
156. Gerke, op. cit., 1934, 174. Er nennt als Beispiel einer sol
chen Darstellung den 5. AmbrogioSarkophag in Mailand.
157. In der Apsis 5. Pudenzianas gab es die gleiche Spiege
lung zwischen christus magister und dem Lamm, wie aus einer
Zeichnung des 16.Jahrhunderts hervorgeht, die das später
zerstörte, damals aber noch teilwiese sichtbare Register unter
den Füßen Christi zeigt. In derselben Apsis tritt außerdem eine
Allegorie auf, die etwas weniger elaboriert aus der Beschrei
nung Paulinus von Nolas seines Apsisprogramms für die
Kirche in Fundi bekannt ist. Auf der senkrechten Mittelachse
sieht man Kreuz, herrscherlicher Christus, HeiligGeistTaube
und Opferlamm übereinander plaziert, während die obersten
Teile der Darstellung fehlen. Könnte man den Scheitelpunkt
der Apsis mit einer Hand Gottes rekonstruieren, evt. gar mit
dem Siegeskranz, würde man die Darstellung der Dreifaltig
keit im Sinne Paulinus vor sich haben, in die Quere erweitert
mit einer Wiedergabe des himmlischen Hofstaates.
158. Jes 2, 23: «Am Ende der Tage wird es geschehen: Der
Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster
der Berge: er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker.
Viele Nationen machen sich auf den Weg; sie sagen: Kommt,
wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des
Gottes Jakobs. Er zeigt uns seine Wege, auf seinen Pfaden wol
len wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn,
aus Jerusalem sein Wort. «Wird von Micha 4, 12 zitiert. Wiss
36
kirchen & Heid, op. cit., 150 legen diese Stelle als die Ver
sammlung der Heidenvölker um Christus aus, wobei sie die
Juden ausschließen — obwohl aber die «Völker» (gentes)
wohl als Heiden verstanden werden sollen, scheint die Prophe
tie mir doch immernoch die Juden zu beinhalten. Vgl. Hebr.
12, 2223: «Ihr seid vielmehr zum Berg Zion hingetreten, zur
Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zu
Tausenden von Engeln, zu einer festlichen Versammlung und
zur Gemeinschaft der Erstgeborenen, die im Himmel verzeich
net sind...»
159. Eusebius, Ed. proph. 4, 1 (PG 22, 1l93D), zitiert nach
WisskirchenlHeid 1991, 159.
160. Für eine MosesDarstellung, wie SaintLaurent 1858
vorschlug, argumentiert auch Garrucci, op. cit., 1858, 30ff.
und Garrucci, op. cit., 1876, 147ff., De Rossi, op. cit., 1868,
60, Baumstark, op. cit., 1903, 178 og in neuerer Zeit auch
Congar, op. cit., Grabar, op. cit., 1966 und Pietri, op. cit. Für
eine Schlüsselübergabe, die E. Müntz, Etudes sur 1 ‘histoire de
la peinture et de l‘iconographie chrftiennes (Bibliothäque
internationale de l‘art), Paris 1886, zu sehen meinte, siehe u.a.
auch J. Wilpert, Die römischen Mosaiken und Malereien der
kirchlichen Bauten vom IVXIII. Jahrhundert, Freiburg i. Br.
1916, 293; Kollwitz, op. cit., 1936, 63, Ihm, op. cit., 129, hvor
Wilperts Meinung als die allgemein Akzeptierte angegeben
wird, was auch durch Schumacher, Apsiskonzp., 139 bestätigt
wird.
161. Schumacher, Apsiskoinp., 138ff.
162. Mit Hinblick darauf, ob Moses während seiner Entge
gennahme des Gesetzes auf etwas tritt, ist dies bei weitem
nicht immer der Fall, wenn es auch das häufigste zu sein
scheint. Bei Wilpert, op. cii‘., 192936, sieht man insgesammt
14 Beispiele darauf, daßer auf etwas tritt: WS 14, 1, 14, 3; 74,
5,82,2;92,2; 128,2,150,2; 177,3; 189,2; 195.4;205, 1;
212, 2; 218, 2; 292, 1. Es gibt dagegen acht Beispiele dafür,
daßer nicht auf etwas tritt, nämlich WS 91; 97,3; 129,2; 197,
5; 198, 3; 205, 3 und Fig. 177 (hierunter einige wenige Fälle,
wo Unsicherheit herrschen muß, da der unterste Teil der Dar
stellung fehlt). Ob er in 5. Costanza auf etwas tritt oder nicht,
kann daher nicht Argument für oder gegen eine MosesDar
stellung sein.
163. Für die Beschreibung Ugonios vgl. Stern, op. cit. Ein
bärtiger Moses findet sich auf folgenden Sarkophagen in Wil
pert, op. cit., 192936: WS 82, 2, 128, 2; 177, 3; 197, 5; 198,
3; 205,5,212,2; 218, 1; 218,2, und auf Fig. 177 (insgesammt
10 Beispiele). Im Verzeichnis Wilperts habe ich nur 11 Bei
spiele eines unbärtigen Moses finden können (WS 14, 1; 74,
5; 91; 92, 2; 97, 3; 129, 2; 150, 2; 189, 2; 205,; 205, 3; 292,
1), und außerdem einige mit fehlenden Kopf, wo die Frage
natürlich unbeantwortet bleiben muß. Schumacher,
Apsiskomp., 142 erwähnt erst gar nicht die Möglichkeit eines
Mose in seiner Behandlung der Figur, erklärt dagegen: «Als
gesichert dürfen wir annehmen, daß[...j sich ihm von links ein
weißhaariger Apostel näherte.»
164. Wilpert, op. cit., 192936, WS 128, 2.
165. Dies sei mit einem gewissen Vorbehalt vor einer Restau
ration der Füße des Moses genannt, von der ich nichts weiß.
166. Frutaz, op. cit., 111 nennt alle wichtigen Quellen über
5. Costanza von der Renaissance bis 1976. Stern, op. cit.,
untersucht das ganze Material und rekonstruiert auf dessen
Grundlage einen Großteil der alten Ausstattung.
167. Stern, op. cit., 169ff.
168. Stern, op. cii‘., 209. Diese Szene befand sich hoch oben
im Turm auf der südlichen Wand, wie aus der Zeichnung in
Berlin, Kunstbibliothek, mv. 4151, folio 73 recto, hervorgeht,
die bei Stern, op. cit., Fig. 4748 abgebildet ist. Ein Lamm mit
Glorie, von Fässern umgeben, vor einer Architektur.
169. Da ich nicht Gelegenheit hatte, das Original in Ferrara zu
studieren, und da ich konstatieren mußte, daßdie Herausgabe
durch Müntz aus den römischen Bibliotheken gestohlen wor
den war, mußich mich bedauerlicherweise an die Referate hai
ten, die z.B. Stern, op. cit., und M. L. Thhrel, Les Symboles de
1‘« Ecclesia » dans la crdation iconographique de 1 ‘art chrd
den du itt au vt sk≥cle, Roma 1973, geben. Die Zeichnungen
Ugonios sind so locker skizziert, daßsie als Grundlage einer
pr~zisen Rekonstruktion nichts taugen.
170. Wie die beiden weißgekleideten Frauen verstanden wer
den müssen ist es nicht möglich zu erschließen, da man sie nur
aus der generellen Beschreibung kennt. Sie könnten als Reprä
sentanten der ecclesia ex gentibus und der ecclesia ex circum
cisione gelten, wie man sie auf der Westwand der unter Sixtus
III (432440) erbauten und ausgestatteten 5. Sabina auf dem
Aventin personifiziert sieht. Sie könnten auch als die beiden
«Inhaber» des Mausoläums, Constantina und Helena, verstan
den werden, oder aber als Heilige, die mit Relevanz für den Ort
wohl St. Agnes und ihre Schwester St. Emeritiana sein müß
ten. Zwei Frauen sieht man auch auf dem Apsismoasik von
5. Pudenziana mit den Aposteln zusammen, und diese werden
oft eben als Repräsentanten der beiden Kirchen gesehen. Aber
eben in 5. Pudenziana, die nicht nur Kirche der Pudentiana
selbst, sondern auch ihrer Schwester Praxetis, ist, ist der
Gedanke an die Abbildung der zwei heilige Schwestern in der
Apsis nicht abwegig, was dadurch unterstrichen scheint, da sie
sich hinter den Aposteln befinden und Kränze tragen, was
typische Merkmale der später häufige praesentatioSzenen
sind, wo Heilige von den Aposteln Christus vorgeführt werden,
dem sie ihre Siegeskränze entgegentragen, weil er derjenige
ist, der ihnen den Sieg über den Tod geschenkt hat. In der
naheligenden Kirche 5. Prassede, die Kirche der Praxedis, sind
in dem karolingischen Apsismosaik eben diese beiden
Schwestern dargestellt. Wenn die hypothese stimmen sollte,
daßin 5. Costanza die beiden weißgekleidetetn Frauengestal
ten die heiligen Schwestern Agnes und Emeritiana darstellten,
könnte dies ein Hinweis daruaf sein, daßdas Mausoleum nicht
nur als solches für die beiden kaiserlichen Frauen bestimmt
war, sondern vielleicht auch eine kultische Funktion im
Verhältnis zu den beiden heiligen Schwestern hatte, deren Grä
ber nahe bei in den Katakomben zu finden sind, und von denen
man vielleicht eine Art von Reliquien (brandea?) ins Mau
soläum gebracht hatte, um ihnen ohne Grabschändung eine Art
monumentales Memorium verschaffen konnte, das mehr als
nur eine Kirche zu ihren Ehren war. Wenn dies am Ende des
4.Jahrhunderts geschah, was die Datierung des Baus andeuten
könnte, würde das gut mit der Ausbreitung des Relikvienkults
stimmen, die zu diesem Zeitpunkt erstmals Ausbreitung findet.
Dies mußvor dem evt. Auftauchen weiterer Indizien als reine
Spekaulation gelten.
171. Unter dem christus magisterMotiv, in dem Apsisbogen,
der sich dort befindet, sieht man noch heute die Reste eines
Chrismon auf Sternengrund, was bedeutungsmässig als Paral
lele zum Chrismon auf dem Deckel des thessalonikanischen
Kästchens gelten kann, aber gleichzeitig auch als das Zeichen
des Menschensohnes am Himmel und daher als der Menschen
sohn, Christus, selbst, da nicht nur von einem Zeichen die
Rede ist, das für ihn steht, und nicht nur sein Kreuz, sondern
sein Monogramm, und damit er selbst.
TRADITIO LEGIS?
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