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1. Teilbericht der Evaluierung des Bundes-Kinderund Jugendhilfegesetzes (B-KJHG): Endbericht der
Module 2, 3 und 5
Kapella, Olaf; Baierl, Andreas; Geserick, Christine; Kaindl, Markus; Wernhart,
Georg
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Forschungsbericht / research report
Empfohlene Zitierung / Suggested Citation:
Kapella, O., Baierl, A., Geserick, C., Kaindl, M., & Wernhart, G. (2018). 1. Teilbericht der Evaluierung des BundesKinder- und Jugendhilfegesetzes (B-KJHG): Endbericht der Module 2, 3 und 5. (Forschungsbericht / Österreichisches
Institut für Familienforschung an der Universität Wien, 27). Wien: Österreichisches Institut für Familienforschung an der
Universität Wien. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-61178-9
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Forschungsbericht
Olaf Kapella ▪ Andreas Baierl ▪ Christine Geserick
Markus Kaindl ▪ Georg Wernhart
1. Teilbericht der Evaluierung des
Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes
(B-KJHG)
Endbericht der Module 2, 3 und 5
Forschungsbericht Nr. 27 | 2018
Österreichisches Institut für Familienforschung
an der Universität Wien
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ARBEITSPROGRAMM 2007
Forschungsbericht
Olaf Kapella ▪ Andreas Baierl ▪ Christine Geserick ▪ Markus Kaindl ▪ Georg Wernhart
1. Teilbericht Evaluierung des
Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes
(B-KJHG)
Endbericht der Module 2, 3 und 5
Nr. 27 | 2018
September 2018
Gefördert aus Mitteln des Bundeskanzleramtes über die Familie & Beruf Management GmbH.
Das Österreichische Institut für Familienforschung an der Universität Wien (ÖIF) führt als unabhängiges wissenschaftliches Institut anwendungsorientierte Studien und Grundlagenforschung zur Struktur und Dynamik von Familien, Generationen, Partnerschaften und Geschlechtern durch. Die Kooperation mit internationalen Forschungseinrichtungen und die familienpolitische Beratung zählen dabei ebenso wie die umfangreiche Informations- und Öffentlichkeitsarbeit zu den Aufgaben des ÖIF.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Inhaltsverzeichnis
Teil A: Befragung der Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen (Modul 2 und 5)
1
Einleitung ....................................................................................................................... 7
2
Stichprobenbeschreibung .......................................................................................... 10
3
Wissensstand und Veränderungen im Berufsalltag.................................................. 14
4
Gefährdungsabklärung und Mitteilung über eine Gefährdung des Kindeswohls ... 19
4.1 Die Entscheidung zur Mitteilung.................................................................................. 19
4.2 Durchführung der Mitteilung ........................................................................................ 21
4.3 Form und Inhalt der Mitteilung .................................................................................... 26
4.4 Mitteilungspflicht und berufsrechtliche Verschwiegenheitspflichten............................. 31
4.5 Abklärung der Gefährdung .......................................................................................... 33
4.6 Rückmeldung im Rahmen des Prozesses der Gefährdungsabklärung........................ 36
4.7 Wahrgenommene Veränderungen im Prozess der Gefährdungsabklärung ................ 39
4.8 Beurteilung des Prozesses der Gefährdungsabklärung .............................................. 41
5 Anwendung des und Zufriedenheit mit dem Vier-Augen-Prinzip aus Sicht der
fallführenden Sozialarbeiter/innen ................................................................................... 43
5.1 Bewertung des Vier-Augen-Prinzips durch fallführende Sozialarbeiter/innen .............. 45
5.2 Anwendung des Vier-Augen-Prinzips in der Praxis fallführender Sozialarbeiter/innen 54
5.2.1 Form der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips in der Gefährdungsabklärung ... 58
5.2.2 Form der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips im Arbeitsbereich des Hilfeplans
64
6 Professionalisierung ................................................................................................... 67
6.1 Fachliche Standards in der Einrichtung....................................................................... 67
6.2 Besuchte Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen .................................................... 71
6.3 Angebot und Inanspruchnahme von Supervision ........................................................ 75
7 Zur Verfügung stehende Angebote ............................................................................ 79
7.1 Beurteilung der zur Verfügung stehenden Angebote................................................... 79
7.2 Hilfen für junge Erwachsene aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen ............ 83
8 Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe sowie anderen Einrichtungen und
Systemen ........................................................................................................................... 88
9 Schutz von personenbezogenen Daten (Datenschutz) aus Sicht der fallführenden
Sozialarbeiter/innen .......................................................................................................... 93
10 Partizipation von betroffenen Eltern sowie Kindern und Jugendlichen bei
Hilfeplanerstellung und Gefährdungsabklärung ............................................................. 98
11 Konfrontation mit und Belastung durch gesellschaftliche Entwicklungen im
Arbeitsalltag .....................................................................................................................103
12 Modifikationsbedarf des B-KJHG aus Sicht der Befragten .....................................112
12.1
Perspektive 1: Deskriptive Beschreibung des Modifikationsbedarfs ................113
12.2
Perspektive 2: Multivariates Verfahren zur Beschreibung des
Modifikationsbedarfs ..................................................................................................119
1
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
12.3
Perspektive 3: Erhobener Modifikationsbedarf über offene Antwortkategorien 126
12.3.1 Verbesserungspotenzial zur Erleichterung des Berufsalltages aus Sicht der
fallführenden Sozialarbeiter/innen ..............................................................................126
12.3.2 Verbesserungspotenzial zur Erleichterung des Berufsalltages bei
Gefährdungsabklärung aus Sicht der Fachkräfte .......................................................132
Anhang ..............................................................................................................................146
12.4
Fragebogen: Fallführende Sozialarbeiter/innen ...............................................147
12.5
Fragebogen: Fachkräfte ..................................................................................167
1 Vom Entwurf des Grundsatzgesetzes bis zum Landesausführungsgesetz ...........181
1.1 „Also das war schon sehr breit und sehr partizipativ angelegt.“..................................181
1.2 Konsultationsmechanismus wegen hoher Kosten ......................................................182
1.3 „Wir haben jetzt wieder ein sehr klares gemeinsames Bild.“ ......................................182
2 Einführung und Umsetzung des Vier-Augen-Prinzips .............................................184
2.1 Diskussionen auf Bundes- und Landesebene ............................................................185
2.2 „Da ist auch die Frage nach der Definition des Vier-Augen-Prinzips.“ ........................186
2.3 „Den Begriff ‚erforderlichenfalls‘ zu bekämpfen, ist heute nicht mehr notwendig.“ ......188
3 Erste Beobachtungen zur Zielerreichung .................................................................188
3.1 Die neu formulierte Mitteilungspflicht als wichtiger Pfeiler für den Kinderschutz .........189
3.2 Professionalisierung der Fachkräfte: „Mit dem Gesetz ist das jetzt leichter
argumentierbar.“ ........................................................................................................191
3.3 Partizipation: „Da geht noch mehr!“............................................................................192
3.4 Stärkung der Prävention von Erziehungsproblemen: „Wenn wir das Geld hätten,
könnten wir alles.“ ......................................................................................................195
4 Herausforderungen und Wünsche ............................................................................197
4.1 Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: „Ein völlig neues Thema, das überhaupt nicht
drinnen ist“ .................................................................................................................197
4.2 Vom Bundesgesetz zur Dienststelle: „Nun muss der neue Geist gemeinsam umgesetzt
werden.“ ....................................................................................................................199
Kurzbiografien der Autor/innen .......................................................................................202
2
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Teil A: Befragung der Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Kenntnisstand der Fachkräfte in Bezug auf das B-KJHG .................................14
Abbildung 2: Veränderungen im Berufsalltag bei fallführenden Sozialarbeiter/innen und
Fachkräften ...................................................................................................................16
Abbildung 3: Einfluss der Einführung des B-KJHG auf die alltägliche Arbeit .........................17
Abbildung 4: Einfluss der Einführung des B-KJHG auf die alltägliche Arbeit bei Fachkräften,
nach Professionen.........................................................................................................18
Abbildung 5: Einfluss der Einführung des B-KJHG auf die alltägliche Arbeit im Hinblick auf
Kindeswohlgefährdung bei fallführenden Sozialarbeiter/innen .......................................18
Abbildung 6: Verpflichtung zur Meldung einer Kindeswohlgefährdung ..................................20
Abbildung 7: Entscheidung über die Mitteilung einer Kindeswohlgefährdung .......................21
Abbildung 8: Vergleich: In den letzten 12 Monaten an eine Mitteilung gedacht und gemacht
......................................................................................................................................22
Abbildung 9: In den letzten 12 Monaten über eine Mitteilung nachgedacht, nach fachlichem
Arbeitsbereich ...............................................................................................................23
Abbildung 10: In den letzten 12 Monaten eine Mitteilung gemacht, nach fachlichem
Arbeitsbereich ...............................................................................................................23
Abbildung 11: Mitteilung erfolgt mit Einverständnis der Klient/innen .....................................24
Abbildung 12: Gefährdungen, die zu einer Mitteilung in den letzten 12 Monaten geführt haben
......................................................................................................................................24
Abbildung 13: Einrichtungen bzw. Personen, die der Kinder- und Jugendhilfe
Kindeswohlgefährdungen mitteilen ................................................................................25
Abbildung 14: Form der Mitteilung aus Sicht der Fachkräfte .................................................26
Abbildung 15: Form der Mitteilung aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen .............27
Abbildung 16: Inhalte der Mitteilungen aus Sicht der Fachkräfte und fallführenden
Sozialarbeiter/innen (immer)..........................................................................................28
Abbildung 17: Inhalte der Mitteilungen aus Sicht der Fachkräfte und fallführenden
Sozialarbeiter/innen (immer & meistens) .......................................................................30
Abbildung
18:
Einschränkung
der
Mitteilungspflicht
aus
Gründen
anderer
Verschwiegenheitspflichten aus Sicht der Fachkräfte ....................................................31
Abbildung 19: Zustimmung zu Aussagen zur Einschränkung der Mitteilungspflicht ..............32
Abbildung 20: Häufigkeit der Verwendung einer Diagnosetabelle .........................................35
Abbildung 21: Zustimmung zur Aussage: Mithilfe der Diagnose-Tabelle kann Gewalt gegen
Kinder und Jugendliche frühzeitig erkannt werden. .......................................................35
Abbildung 22: Rückmeldung nach Erhalt der Gefährdungsmitteilung ...................................36
Abbildung 23: Zeitrahmen, in dem Rückmeldung gegeben wird, aus Sicht von Fachkräften und
fallführenden Sozialarbeiter/innen .................................................................................37
Abbildung 24: Inhalte möglicher Rückmeldungen .................................................................38
Abbildung 25: Verbesserung der Qualität der Mitteilung durch B-KJHG aus Sicht der
fallführenden Sozialarbeiter/innen .................................................................................39
Abbildung 26: Mehr Hinweise auf Verdacht der Kindeswohlgefährdung ...............................40
3
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 27: Veränderungen durch die Präzisierung der Mitteilungspflicht aus Sicht der
Fachkräfte .....................................................................................................................41
Abbildung 28: Beurteilung des Gesamtprozesses bei der Gefährdungsabklärung durch
fallführende Sozialarbeiter/innen ...................................................................................42
Abbildung 29: Ist das Vier-Augen-Prinzip im Bundesland verpflichtend oder nicht?..............45
Abbildung 30: Bewertung des Vier-Augen-Prinzips durch fallführende Sozialarbeiter/innen .46
Abbildung 31: Bewertung des Vier-Augen-Prinzips durch fallführende Sozialarbeiter/innen
nach Tätigkeitsdauer in der KJH....................................................................................47
Abbildung 32: Bereiche, in denen das Vier-Augen-Prinzip angewendet wird ........................56
Abbildung 33: Handhabung des Vier-Augen-Prinzips im Vergleich zu vor Einführung des ...57
Abbildung 34: Kenntnisstand, ob in Einrichtung schriftliche Standards zur Anwendung des
Vier-Augen-Prinzips vorliegen .......................................................................................57
Abbildung 35: Form der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips bei der Gefährdungsabklärung,
aktuell und vor Einführung des B-KHG ..........................................................................59
Abbildung 36: Form der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips bei der Gefährdungsabklärung,
nach Tätigkeitsdauer in der KJH....................................................................................60
Abbildung 37: Kombinationen der unterschiedlichen Formen der Anwendung des Vier-AugenPrinzips .........................................................................................................................61
Abbildung 38: Form der Zusammenarbeit in der Gefährdungsabklärung, die das Gefühl von
Sicherheit gibt ...............................................................................................................61
Abbildung 39: Kombinationen der Form der Zusammenarbeit, die Sicherheit gibt in der
Gefährdungsabklärung ..................................................................................................62
Abbildung 40: Nichteinhaltung des Vier-Augen-Prinzips in der Gefährdungsabklärung bei
Gefahr im Verzug ..........................................................................................................63
Abbildung 41: Gründe, warum das Vier-Augen-Prinzip bei Gefahr im Verzug im Rahmen der
Gefährdungsabklärung nicht angewendet wird ..............................................................63
Abbildung 42: Form des Vier-Augen-Prinzips bei Unterstützung der Erziehung und der vollen
Erziehung ......................................................................................................................65
Abbildung 43: Kombinationen der Form des Vier-Augen-Prinzips bei Unterstützung der
Erziehung und der vollen Erziehung ..............................................................................66
Abbildung 44: Vorhandensein fachlicher Standards bei Gefährdungsabklärung und beim
Hilfeplan bei fallführenden Sozialarbeiter/innen .............................................................68
Abbildung 45: Verbindlichkeit der Standards zur Gefährdungsabklärung und zum Hilfeplan bei
fallführenden Sozialarbeiter/innen .................................................................................69
Abbildung 46: Schriftliche Standards bei Fachkräften über eine Mitteilung bei Verdacht der
Kindeswohlgefährdung an die KJH ................................................................................70
Abbildung 47: Teilnahme an einer Fort- und Weiterbildung in den letzten 12 Monaten .........71
Abbildung 48: Teilnahme fallführender Sozialarbeiter/innen an Fort- und Weiterbildungen
innerhalb der letzten 12 Monate nach Tätigkeitsdauer ..................................................72
Abbildung 49: Kindeswohlgefährdung als Thema der besuchten Fachfortbildung in den letzten
12 Monaten ...................................................................................................................73
Abbildung 50: In Anspruch genommene Supervision in den letzten 12 Monaten ..................75
Abbildung 51: Kindeswohlgefährdung als Thema der Supervision .......................................76
Abbildung 52: Regelmäßigkeit der in Anspruch genommenen Supervision bei fallführenden
Sozialarbeiter/innen.......................................................................................................77
Abbildung 53: Häufigkeit von Einzel- bzw. Team-Supervision bei fallführenden
Sozialarbeiter/innen.......................................................................................................77
4
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 54: Treffsicherheit der besuchten Fort- und Weiterbildungen sowie der
Supervisionen aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen ....................................78
Abbildung 55: Beurteilung der aktuell verfügbaren Angebote der sozialen Dienste in der
Prävention von Erziehungsproblemen ...........................................................................80
Abbildung 56: Beurteilung der vor 2013 verfügbaren Angebote der sozialen Dienste in der
Prävention von Erziehungsproblemen ...........................................................................81
Abbildung 57: Einschätzung zur Veränderung der Quantität und Qualität des Angebotes an
sozialen Diensten seit Einführung des B-KJHG .............................................................82
Abbildung 58: Häufigkeit der Vereinbarung von Hilfen für junge Erwachsene .......................83
Abbildung 59: Beurteilung der Veränderung in Bezug zur „Verlängerung der Erziehungshilfen“
vor Einführung des B-KJHG ..........................................................................................84
Abbildung 60: Beurteilung der Kooperation mit anderen Einrichtungen im Kontext des
Kinderschutzes ..............................................................................................................88
Abbildung 61: Wahrgenommene Veränderung der Qualität der Zusammenarbeit seit
Einführung des B-KJHG ................................................................................................90
Abbildung 62: Vorliegen von schriftlichen Kooperationsvereinbarungen mit anderen
Einrichtungen ................................................................................................................91
Abbildung 63: Beurteilung verschiedener Qualitätsaspekte bei Kooperationen ....................92
Abbildung
64:
Beurteilung
der
Neuregelung
der
Auskunftsund
Verschwiegenheitsbestimmungen durch fallführende Sozialarbeiter/innen ....................94
Abbildung 65: Inanspruchnahme der Verschwiegenheit gegenüber anderen Einrichtungen .95
Abbildung 66: Versendung von Daten ..................................................................................97
Abbildung 67: Veränderung der Partizipation durch die Einführung des B-KJHG .................99
Abbildung 68: Partizipation der betroffenen Kinder und Jugendlichen aus Sicht der
fallführenden Sozialarbeiter/innen ...............................................................................100
Abbildung 69: Partizipation der betroffenen Eltern aus Sicht der fallführenden
Sozialarbeiter/innen.....................................................................................................100
Abbildung 70: Zeitlicher Spielraum bei Gefährdungsabklärung und Hilfeplan aus Sicht der
fallführenden Sozialarbeiter/innen ...............................................................................101
Abbildung 71: Verantwortungsgefühl der Fachkräfte, auf die Inanspruchnahme von
Hilfsangeboten durch Eltern und Kinder bzw. Jugendliche hinzuwirken.......................102
Abbildung 72: Auftreten von Situationen im Zusammenhang mit Kindeswohlgefährdung (1)
....................................................................................................................................105
Abbildung 73: Auftreten von Situationen im Zusammenhang mit Kindeswohlgefährdung (2)
....................................................................................................................................106
Abbildung 74: Anteil der Befragten, die Situationen der gesellschaftlichen Entwicklung als
besonders belastend in ihrem beruflichen Alltag erleben .............................................107
Abbildung 75: Anteil der gleichzeitig als belastend erlebten Situationen, bedingt durch
gesellschaftliche Entwicklungen ..................................................................................108
Abbildung 76: Anteil der Fachkräfte, die Situationen der gesellschaftlichen Entwicklung als
besonders belastend in ihrem beruflichen Alltag erleben, nach fachlichem Arbeitsbereich
....................................................................................................................................111
Abbildung 77: Bedarf an Weiterentwicklung bzw. Modifikation des B-KJHG .......................113
Abbildung 78: Bedarf an Nachbesserungen des B-KJHG aus Sicht der Fachkräfte und
fallführenden Sozialarbeiter/innen ...............................................................................114
Abbildung 79: Häufigkeit von Kombination, wenn Nachbesserungen gewünscht sind ........115
5
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Überblick über die Stichproben der Fachkräfte sowie der fallführenden
Sozialarbeiter/innen.......................................................................................................11
Tabelle 2: Abdeckung der erreichten fallführenden Sozialarbeiter/innen pro Bundesland .....12
Tabelle 3: Übersicht über die Beteiligung von Fachkräften nach fachlichem Arbeitsbereich .13
Tabelle 4: Anzahl der bearbeiteten Mitteilungen pro fallführendem/fallführender
Sozialarbeiter/in in den letzten 12 Monaten ...................................................................33
Tabelle 5: Überblick über die gesetzlichen Regelungen in den Bundesländern zum VierAugen-Prinzip ................................................................................................................44
Tabelle
6:
Abgefragte
Anwendungsformen
des
Vier-Augen-Prinzips
bei
Gefährdungsabklärung ..................................................................................................58
Tabelle 7: Determinanten der multivariaten Analyse des Modifikationsbedarfs bei fallführenden
Sozialarbeiter/innen.....................................................................................................121
Tabelle 8: Determinanten der multivariaten Analyse des Modifikationsbedarfs bei Fachkräften
....................................................................................................................................124
6
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
1 Einleitung
Einleitend gebührt zuallererst ein großes Dankeschön allen Fachkräften und fallführenden Sozialarbeiter/innen, die sich trotz ihrer chronischen Arbeits(über)belastung Zeit genommen haben, an der aufwendigen Befragung teilzunehmen. Ohne diese engagierte Beteiligung wäre
die vorliegende Studie nicht möglich gewesen.
Seit 1. Mai 2013 ist das Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 (B-KJHG) in Kraft. Mit
der Beschlussfassung des B-KJHG erfolgte eine grundlegende Überarbeitung der grundsatzgesetzlichen Vorschriften in Bezug auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen. Mit der
Reform war beabsichtigt, bewährte Rechtsinstitute beizubehalten und den heutigen Anforderungen anzupassen, sowie Impulse für einheitliche Standards und wesentliche Neuerungen
zu setzen.
Die Reform verfolgte unterschiedliche Zielsetzungen (Näheres siehe Erläuterungen zum Gesetz, mit der wirkungsorientierten Folgenabschätzung 2191 der Beilage XXIV.GP1):
Die Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt in der Familie und anderen Gefährdungen
Impulse für einheitliche Standards und weitere Professionalisierung der Fachkräfte
Stärkung der Prävention von Erziehungsproblemen
Konkretisierung der Ziele und Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe
Verbesserung des Schutzes von personenbezogenen Daten
Um diese Ziele zu erreichen, wurde mit der Gesetzesreform das Vier-Augen-Prinzip bei der
Gefährdungsabklärung und der Hilfeplanerstellung eingeführt sowie die Mitteilungspflicht beim
Verdacht einer Kindeswohlgefährdung präzisiert. Im Rahmen der Reform wurden die Länder
verpflichtet, fachliche Standards für die einzelnen Leistungsbereiche der Kinder- und Jugendhilfe zu entwickeln und sie für die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe durch Dienstanweisungen oder Handbücher u. Ä. verbindlich zu machen.
Mit Entschließung vom 21. März 2013 ersuchte der Nationalrat den/die zuständige/n Bundesminister/in, das B-KJHG unter besonderer Beachtung der §§ 6 und 37 zu evaluieren und mit
den Arbeiten spätestens 2016 zu beginnen (siehe Entschließungsantrag 1003/UEA
XXXIV.GP2). Das Österreichische Institut für Familienforschung an der Universität Wien (ÖIF)
wurde im Jahr 2015 vom Bundesministerium für Familien und Jugend (BMFJ) mit der Durchführung einer Evaluierung des B-KJHG betraut.
Mit der Evaluierung des B-KJHG 2013 soll überprüft werden, ob und inwieweit die Zielsetzungen der Gesetzesreform, die in der wirkungsorientierten Folgenabschätzung festgelegt sind,
erreicht wurden. In einem weiteren Schritt soll ein allfälliger Novellierungsbedarf aufgezeigt
werden.
Erläuterungen zum Gesetz und wirkungsorientierte Folgenabschätzung:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_02191/index.shtml (zugegriffen am 16.12.2016).
2 Entschließungsantrag: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/UEA/UEA_01003/index.shtml
(zugegriffen am 16.12.2016).
1
7
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Zur Beratung und Unterstützung des ÖIF im Evaluierungsprozess wurde eine Steuerungsgruppe aus Vertretern des BMFJ, des ÖIF, der Universitäten Wien und Linz, der Länder, der
Kinder- und Jugendanwaltschaften, des Salzburger Kinder- und Jugendrates, des SOS-Kinderdorfs und des Dachverbands der Österreichischen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen
eingerichtet.
Es wurde ein Evaluierungskonzept erarbeitet, das sich aus sieben Modulen zusammensetzt,
die bis zum Jahr 2018 umgesetzt werden. Nach Abschluss aller Module wird ein zusammenfassender Bericht aus den Ergebnissen der einzelnen Module erstellt. Das Evaluationskonzept
ist prozesshaft angelegt und erlaubt es, laufend Ergebnisse der sich in Bearbeitung befindenden Module einzubeziehen.
Quelle: Eigene Darstellung ÖIF.
Zentrale Module der Evaluierung sind die quantitative Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe (Modul 2) sowie von Fachkräften in der
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (Modul 5).
Die qualitative Befragung von Ländervertretungen fokussiert auf den Umsetzungs- und Diskussionsprozess bei der Erstellung der Ausführungsgesetze in den einzelnen Bundesländern.
Das B-KJHG als Grundsatzgesetz regelt Vorgaben, die in den Bundesländern zum Teil unterschiedlich in den Ausführungsgesetzen umgesetzt wurden. Die qualitative Herangehensweise
soll die Chancen und Herausforderungen dieses „Übersetzungsprozesses“ veranschaulichen
(Modul 3).
8
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Ein weiteres Modul, mit dem bereits begonnen wurde, stellt die vertiefende quantitative Auswertung der Kinder- und Jugendhilfestatistik dar, die im Jahr 2017 zwei Erhebungswellen vollendet haben wird (Modul 4).
Im Verlauf der Evaluierung wurde in Absprache mit der Fachabteilung des BMFJ sowie der
Steuerungsgruppe beschlossen, das noch zu planende Modul 6 so zu gestalten, dass die
Sichtweisen von Eltern sowie von Jugendlichen als zentrale Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe im Rahmen der Evaluierung aufgenommen werden.
Stand und Abgabe des Berichtes: 31. März 2017
9
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
2 Stichprobenbeschreibung
Für die vorliegenden Module (2 und 5) der Evaluierung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2013 (B-KJHG) wurden fallführende Sozialarbeiter/innen (Modul 2) sowie Fachkräfte
in der Kinder- und Jugendarbeit als Kooperationspartner/innen der öffentlichen Kinder- und
Jugendhilfe (Modul 5) befragt.
Die Erhebung der Daten fand zwischen September und November 2016 mittels eines Fragebogens statt, der fallführenden Sozialarbeiter/innen sowie den Fachkräften online zur Verfügung gestellt wurde. Neben spezifischen Fragestellungen für die jeweiligen Befragungsgruppen wurden zentrale Themen und Frageblöcke beiden Befragungsgruppen gleichgestellt, um
einen Vergleich der beiden Gruppen zu ermöglichen (Näheres siehe Fragebögen im Anhang).
Über unterschiedliche Wege wurde versucht, die betreffenden Zielgruppen mit den Fragebögen zu erreichen. Das Bundesministerium für Familien und Jugend (BMFJ) hat die Vertreter/innen anderer Bundesministerien (z. B. Bundesministerium für Justiz, Bundesministerium für
Gesundheit und Frauen, Bundesministerium für Bildung) sowie der Bundesländer um Beteiligung an der Umfrage ersucht. Das Österreichische Institut für Familienforschung streute den
Fragebogen unter zentralen Organisationen, in denen die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen
sowie Familien fest etabliert ist. Unter anderem wurden z. B. die Ärztekammer, Familienberatungseinrichtungen, Gewaltschutzzentren, Kinder- und Jugendanwälte in Österreich, Berufsverband der Psychologen/innen, Dachverband der Österreichischen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, Dachverband der gehobenen medizinischen technischen Dienste, Familiengerichtshilfe kontaktiert.
Die breite Streuung der Fragebögen führte zu folgendem Rücklauf von auswertbaren Fragebögen, die in die Analyse des vorliegenden Berichtes eingeflossen sind:
Stichprobengröße der fallführenden Sozialarbeiter/innen:
Stichprobengröße der Fachkräfte:
379
1.335
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Stichproben nach unterschiedlichen Aspekten. Detaillierte Darstellung und Unterschiede zu den einzelnen Fragestellungen sind den beiliegenden
Tabellenbänden zu entnehmen (Tabellenband für fallführende Sozialarbeiter/innen, Tabellenband für Fachkräfte sowie zur besseren Übersicht ein vergleichender Tabellenband mit Angaben von Fachkräften und fallführenden Sozialarbeiter/innen für jene Fragen, die beiden Gruppen gestellt wurden).
10
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Tabelle 1: Überblick über die Stichproben der Fachkräfte sowie der fallführenden Sozialarbeiter/innen
% (gültige Antworten)
% (alle Befragten)
n (Anzahl gesamt)
% (alle Befragten)
% (gültige Antworten)
Fallführende Sozialarbeiter/innen
nur, wenn bereits
alle
vor 2013 in diesem
Bereich tätig
n (Anzahl gesamt)
% (gültige Antworten)
% (alle Befragten)
n (Anzahl gesamt)
% (gültige Antworten)
% (alle Befragten)
n (Anzahl gesamt)
alle
Fachkräfte
nur, wenn bereits
vor 2013 in diesem
Bereich tätig
alle Befragten
Befragte
1.335 100,0 100,0 1.213 100,0 100,0
379 100,0 100,0
255 100,0 100,0
leitende Position
ja
781
58,5
61,0
754
62,2
64,9
43
11,3
11,6
42
16,5
16,9
nein
500
37,5
39,0
408
33,6
35,1
328
86,5
88,4
207
81,2
83,1
54
4,0
-
51
4,2
-
8
2,1
0,0
6
2,4
-
keine Angabe
Dienstjahre in diesem Bereich
bis 3 Jahre
119
8,9
8,9
-
-
-
122
32,2
32,4
-
-
-
4 bis 9 Jahre
175
13,1
13,1
175
14,4
14,4
95
25,1
25,2
95
37,3
37,3
10 bis 14 Jahre
122
9,1
9,2
122
10,1
10,1
30
7,9
8,0
30
11,8
11,8
15 bis 19 Jahre
127
9,5
9,5
127
10,5
10,5
22
5,8
5,8
22
8,6
8,6
20 bis 24 Jahre
164
12,3
12,3
164
13,5
13,5
25
6,6
6,6
25
9,8
9,8
25 oder mehr Jahre
625
46,8
46,9
625
51,5
51,5
83
21,9
22,0
83
32,5
32,5
3
0,2
-
0
0,0
-
2
0,5
-
0
0,0
-
66
4,9
5,1
61
5,0
5,2
15
4,0
4,1
9
3,5
3,6
keine Angabe
Bundesland
Burgenland
69
5,2
5,3
62
5,1
5,2
42
11,1
11,4
29
11,4
11,7
Niederösterreich
224
16,8
17,2
205
16,9
17,3
36
9,5
9,8
32
12,5
13,0
Oberösterreich
226
16,9
17,3
211
17,4
17,8
77
20,3
20,9
47
18,4
19,0
Salzburg
157
11,8
12,0
133
11,0
11,2
34
9,0
9,2
26
10,2
10,5
61
4,6
4,7
46
3,8
3,9
51
13,5
13,9
37
14,5
15,0
136
10,2
10,4
128
10,6
10,8
42
11,1
11,4
24
9,4
9,7
57
4,3
4,4
46
3,8
3,9
15
4,0
4,1
11
4,3
4,5
307
23,0
23,6
291
24,0
24,6
56
14,8
15,2
32
12,5
13,0
8
3,1
-
Kärnten
Steiermark
Tirol
Vorarlberg
Wien
keine Angabe
32
2,4
30
2,5
11
2,9
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen und Fachkräfte. Alle Befragten.
11
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Eine Befragung der einzelnen Bundesländer im Januar 2017 zum aktuellen Personalstand der
fallführenden Sozialarbeiter/innen (unabhängig vom Beschäftigungsausmaß) pro Bundesland
erlaubt eine Einordnung der im Rahmen der vorliegenden Befragung erreichten fallführenden
Sozialarbeiter/innen. So ergibt sich für Österreich ein Abdeckungsgrad der fallführenden Sozialarbeiter/innen von 28 %. Die Abdeckung pro Bundesland schwankt von 16,7 % in Niederösterreich bis zu 44,7 % in Tirol.
Tabelle 2: Abdeckung der erreichten fallführenden Sozialarbeiter/innen pro Bundesland
Bundesland
Gegenüberstellung aller fallführenden Sozialarbeiter/innen und den
durch die Befragung erreichten
Grundgesamtheit
in Befragung
% der erreichten fallführen(N)*
erreicht (N)**
den Sozialarbeiter/innen
Burgenland
44
15
34,1 %
Kärnten
118
42
35,6 %
Niederösterreich
216
36
16,7 %
Oberösterreich
196
77
39,3 %
Salzburg
88
34
38,6 %
Steiermark
223
51
22,9 %
Tirol
94
42
44,7 %
Vorarlberg
42
15
35,7 %
Wien
334
56
16,8 %
keine Angaben
gesamt
11
1.355
379
28,0 %
* Die Grundgesamtheit der fallführenden Sozialarbeiter/innen wurde direkt bei den Bundesländern erhoben. Stand
Februar 2017.
** Die Anzahl der fallführenden Sozialarbeiter/innen, die an der Befragung teilgenommen haben, entspricht dem
Stand Herbst 2016.
Quelle: ÖIF, eigene Darstellung
Unter den Fachkräften nahm eine Vielzahl unterschiedlicher Professionen an der Erhebung
teil, die in ganz unterschiedlichen Fachbereichen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen
eingesetzt sind. Der Fachbereich Schule, also Lehrkräfte, war mit 41,0 % am stärksten vertreten. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Beteiligung von Fachkräften aus den
unterschiedlichen fachlichen Arbeitsbereichen:
12
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Tabelle 3: Übersicht über die Beteiligung von Fachkräften nach fachlichem Arbeitsbereich
Fachlicher Arbeitsbereich
Häufigkeit (N)
Anteil in %
40
83
23
4
176
27
208
3,0
6,2
1,8
0,3
13,2
2,0
15,6
21
1,6
547
112
18
20
17
12
27
1335
41,0
8,4
1,3
1,5
1,3
0,9
2,0
100
Medizin
Psychologie und Psychotherapie
Beratung/Familienberatung
Pflege
Sozialarbeit
Sozialpädagogik
Kindergarten
sonstige Bereiche in der Elementarpädagogik
Schule (Lehrkräfte)
Pädagogik
Rechtswissenschaft
Verwaltung
Exekutive und Polizei
Sonstiges
keine Angaben
gesamt
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte. Alle Befragten.
13
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
3 Wissensstand und Veränderungen im Berufsalltag
Ein bestimmtes Grundwissen über Inhalte und Ausgestaltungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (B-KJHG) ist eine wesentliche Voraussetzung, um relevante Aussagen zu dessen
Wirkung treffen zu können. Kann dieses Grundwissen bei den fallführenden Sozialarbeiter/innen vorausgesetzt werden, ist dies bei den Fachkräften nicht notwendigerweise gegeben.
Deswegen wurden diese zunächst dazu befragt, ob sie vom Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz (B-KJHG) schon einmal ganz grundsätzlich gehört haben3 (Abbildung 1).
Abbildung 1: Kenntnisstand der Fachkräfte in Bezug auf das B-KJHG
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte. Frage K01.
Nicht ganz zwei Drittel der Befragten (63 %) gab an, das Gesetz zu kennen, während 28 %
dies verneinten. 9 % konnten oder wollten diese Frage nicht beantworten. Da die Fachkräfte
zum Teil stark unterschiedlichen Professionen nachgehen, die sich auch in der täglichen Relevanz der Bestimmungen des B-KJHG unterscheiden, soll auch dahingehend dieses Ergebnis differenziert beleuchtet werden. Fachkräfte aus dem juristischen Bereich (94 %), sozialarbeitende Fachkräfte (93 %) und Psycholog/innen bzw. Psychotherapeut/innen (88 %) scheinen besonders gut informiert zu sein. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen Lehrer/innen, welche nur zu 49 % angeben, von diesem Gesetz gehört zu haben. Von jenen, die schon
einmal vom B-KJHG gehört haben, wird bei Nachfrage nach den zentralen Regelungen am
häufigsten die Meldepflicht bei Kindeswohlgefährdung genannt (36 %), gefolgt von „Genauere
Definition des Kindeswohls“ (17 %) und „Anwendung des Vier-Augen-Prinzips“ (9 %). Rund
25 % der Fachkräfte bleiben eher allgemein beschreibend (z. B.: „Regelt die Kinder- und Jugendhilfe“) und können oder wollen keine einzelne Regelung benennen. Diese Antworten variieren natürlich je nach Profession der Fachkraft. So wird bei sozialarbeitenden Fachkräften
das Vier-Augen-Prinzip und die Hilfeplanerstellung deutlich häufiger erwähnt, während
Psycholog/innen und Psychotherapeut/innen verstärkt die Meldepflicht thematisieren.
Originalfrage lautete: „2013 wurde ein neues Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz (B-KJHG) eingeführt. Haben Sie davon schon einmal gehört?“ (Frage K01).
3
14
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Welche Veränderungen haben sich nun seit der Einführung des B-KJHG in Bezug auf den
beruflichen Alltag von Fachkräften und fallführenden Sozialarbeiter/innen ergeben? Abbildung
2 stellt die angegebenen Veränderungen in verschiedenen Dimensionen für die zwei Gruppen
gegenüber. Auf den ersten Blick lässt sich ein relativ einheitliches Bild sowohl bei den Fachkräften als auch bei den fallführenden Sozialarbeiter/innen erkennen. So geben beide Gruppen
zu weit über 50 % an, dass sich die einheitlichen Standards bei der Gefährdungsabklärung
und bei der Hilfeplanerstellung deutlich oder zumindest etwas erhöht haben. Die fallführenden
Sozialarbeiter/innen, die mit diesen Themen viel stärker konfrontiert sind als die Fachkräfte,
sehen diese Veränderung in einem noch wesentlich verstärkten Ausmaß (81 % zu 60 % bzw.
78 % zu 57 %). Auch die Präzisierung der Verschwiegenheitsbestimmungen für öffentliche
Träger wird mehrheitlich als (deutlich) erhöht beschrieben. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt wird auch von Fachkräften mehrheitlich (rund 53 %) als (deutlich) erhöht wahrgenommen. Fallführende Sozialarbeiter/innen sehen dies etwas weniger optimistisch. Hier geben 46 % an, dass es zu einer Erhöhung gekommen sei, mehrheitlich wird aber
von keiner Veränderung ausgegangen (52 %). Die präventiven Angebote in der Kinder- und
Jugendhilfe werden von den Fachkräften zu fast zwei Drittel als (deutlich) erhöht wahrgenommen. Fallführende Sozialarbeiter/innen sehen dies etwas differenzierter. Zwar sieht jede/r
Zweite auch eine Erhöhung, rund 12 % jedoch auch eine (deutliche) Verringerung des Angebots. Dieser Effekt wird vor allem von den fallführenden Sozialarbeiter/innen in den Bundesländern Kärnten, Steiermark und Wien getragen.
15
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 2: Veränderungen im Berufsalltag bei fallführenden Sozialarbeiter/innen und Fachkräften
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen und Fachkräfte. Nur jene Befragten, die vor 2013
bereits tätig waren. Frage K04 und A01.
Die Professionalisierung der Fachkräfte sehen diese mehrheitlich durch die Einführung des BKJHG (deutlich) erhöht. Fallführende Sozialarbeiter/innen empfinden die Professionalisierung
mehrheitlich als gleich geblieben und 41 % als (deutlich) erhöht. Einig sind sich Fachkräfte und
fallführende Sozialarbeiter/innen darin, dass sich durch die neuen Regelungen die Tätigkeiten,
die im Rahmen der Dokumentation anfallen, (deutlich) erhöht haben (z. B. durch mehr Fallbzw. Verlaufsdokumentationen, schriftliche Gefährdungsmitteilungen etc.). Fast 89 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen und auch 72 % der Fachkräfte geben dies an.
Diese Veränderungen hatten und haben durchaus Einfluss auf den täglichen Arbeitsablauf –
zumindest aufseiten der fallführenden Sozialarbeiter/innen (Abbildung 3). Rund 28 % gaben
an, dass die Änderungen deutlich im Arbeitsalltag spürbar seien, weitere 47 %, dass dies eher
spürbar der Fall sei. Nur rund 26 % gaben eher oder gar keine spürbaren Veränderungen im
Arbeitsalltag an. Aufseiten der Fachkräfte zeichnet sich ein etwas anderes Bild ab. Nur rund
7 % der Fachkräfte sehen eine deutliche Veränderung in ihrem Arbeitsalltag, weitere 31 %
16
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
gaben an, dass diese eher im Alltag spürbar sei. Die große Mehrheit von 62 % kann allerdings
keinen wesentlichen Einfluss auf ihren Arbeitsalltag feststellen.
Abbildung 3: Einfluss der Einführung des B-KJHG auf die alltägliche Arbeit
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen und Fachkräfte. Nur jene Befragten, die vor 2013
bereits tätig waren. Frage K05 und A02.
Je nach Profession der Fachkraft ist sie natürlich unterschiedlich oft mit Bestimmungen des BKJHG konfrontiert, was sich dann (potenziell) unterschiedlich stark auf ihren Arbeitsalltag auswirkt. Diese Heterogenität der Fachkräfte stellt Abbildung 4 dar. Ausgehend von den im Durchschnitt angegebenen 38 % der Fachkräfte, die einen Einfluss auf ihren Arbeitsalltag wahrgenommen haben, zeigen sich starke Unterschiede nach den Professionen. So geben Sozialarbeiter/innen mit 58 % deutlich häufiger einen wahrgenommenen Einfluss auf ihren Arbeitsalltag an, ein Wert, der deutlich näher an dem der fallführenden Sozialarbeiter/innen liegt als der
zuvor angegebene Durchschnittswert über alle Professionen. Noch stärker vom Durchschnittswert weichen die Psycholog/innen und Psychotherapeut/innen mit einem Anteil von 65 % ab.
Der Anteil der Pädagog/innen, die einen Einfluss auf ihren Arbeitsalltag wahrnehmen, ist hingegen mit 28 % deutlich kleiner. Interessanterweise scheinen Fachkräfte im medizinischen
Bereich jene zu sein, die mit Abstand den geringsten Unterschied in ihrem Arbeitsalltag feststellen. Sei es, weil ihr Arbeitsalltag schon vor Einführung des B-KJHG spezifisch vom Kindeswohl geprägt war oder auch eine gewisse Resistenz zu Veränderungen im Prozessablauf vorliegt.4
4
Vergleiche Kapitel 4 „Gefährdungsabklärung“.
17
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 4: Einfluss der Einführung des B-KJHG auf die alltägliche Arbeit bei Fachkräften, nach
Professionen
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte. Nur jene Fachkräfte, die vor 2013 bereits tätig waren. Frage K05.
Fallführende Sozialarbeiter/innen wurden zudem befragt, ob die Einführung des B-KJHG einen
Einfluss auf ihren persönlichen Arbeitsverlauf speziell im Hinblick auf die Kindeswohlgefährdung habe (Abbildung 5). Hier zeigt sich mit einem Anteil von 59 %, die zumindest eine leichte
Veränderung wahrnehmen, ein etwas geringerer Einfluss auf den Berufsalltag als bei der allgemein gehaltenen Frage zuvor (Abbildung 3). Dies fügt sich in das Bild, dass es zwar zu
merkbaren Veränderungen in allen Dimensionen des beruflichen Alltags gekommen ist, dieser
aber am stärksten durch die vermehrten Dokumentationstätigkeiten geprägt ist.
Abbildung 5: Einfluss der Einführung des B-KJHG auf die alltägliche Arbeit im Hinblick auf Kindeswohlgefährdung bei fallführenden Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Nur jene fallführenden Sozialarbeiter/innen, die vor
2013 bereits tätig waren. Frage A03.
18
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
4 Gefährdungsabklärung und Mitteilung über eine
Gefährdung des Kindeswohls
In den Erläuterungen zur wirkungsorientierten Folgenabschätzung im Rahmen der Beschlussfassung des B-KJHG 20135 wird die Gefährdungsabklärung als eine der zentralen Maßnahmen der Gesetzesreform beschrieben. Aufmerksam auf die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen wird die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe durch eigene Wahrnehmungen, Kontaktaufnahme durch Eltern und Jugendliche oder durch Gefährdungsmitteilungen.
Gemäß § 37 B-KJHG sind u. a. Behörden, Einrichtungen zur Betreuung und Beratung von
Kindern und Jugendlichen, Krankenanstalten und bestimmte Einzelpersonen verpflichtet, der
Kinder- und Jugendhilfe ihren begründeten Verdacht mitzuteilen, dass ein konkretes Kind
misshandelt, sexuell missbraucht, vernachlässigt wird oder wurde oder sonst erheblich gefährdet ist, sofern sie die Gefährdung nicht durch eigenes fachliches Tätigwerden abwenden können und sie die Gefährdung im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit wahrgenommen haben.
Sobald die Gefährdungsmitteilung bei der Kinder- und Jugendhilfe einlangt, ist diese verpflichtet, umgehend die Abklärung einzuleiten, um das Gefährdungsrisiko einschätzen zu können.
Insbesondere ist der Sachverhalt zu erheben, der den Gefährdungsverdacht ausgelöst hat. Es
sind Gespräche mit dem betroffenen Kind, seinen Eltern und Bezugspersonen zu führen,
Hausbesuche vorzunehmen und Gutachten einzuholen. Die Gefährdungseinschätzung ist gemäß § 22 B-KJHG 2013 erforderlichenfalls im Zusammenwirken von zwei Fachkräften nach
dem Vier-Augen-Prinzip zu treffen (Ergebnisse zum Vier-Augen-Prinzip siehe Kapitel 5).
4.1 Die Entscheidung zur Mitteilung
Bevor bei den Fachkräften auf das Thema eingegangen wird, wie der Entscheidungsprozess
abläuft, der zu einer Mitteilung einer Kindeswohlgefährdung führt, soll zunächst ihr Informationsstand über die Verpflichtung untersucht werden, eine solche Kindeswohlgefährdung zu
melden (Abbildung 6). Fast 80 % der Fachkräfte geben an, dass sie grundsätzlich gesetzlich
dazu verpflichtet seien, die Kinder- und Jugendhilfe zu verständigen, wenn sie eine Kindeswohlgefährdung erkennen oder vermuten. Laut Gesetzestext ist dem jedoch nur so, wenn
durch das professionelle Handeln der Fachkraft diese Gefährdung selbst nicht abwendbar ist.
Diese Spezifizierung ist nur 12 % der Fachkräfte bekannt. Jene Fachkräfte, die durch ihre Professionen eher dazu befähigt sind, selbst durch ihr Handeln eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden – wie sozialarbeitende Fachkräfte und jene im psychologischen und psychotherapeutischen Bereich –, geben diese Spezifizierung dann auch häufiger an (23 % bzw. 37 %).
Dennoch unterstellt auch hier die absolute Mehrheit eine generelle Verpflichtung zur Mitteilung. Nur 2 % der Fachkräfte geht von keiner gesetzlichen Meldepflicht aus und weitere 7 %
können diese Frage nicht beantworten. Somit lässt sich sagen, dass ein sehr hoher Anteil der
Erläuterungen zum Gesetz und wirkungsorientierte Folgenabschätzung: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_02191/index.shtml (zugegriffen am 16.12.2016).
5
19
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Fachkräfte sensibilisiert ist, eine Mitteilung an die Kinder- und Jugendhilfe zu machen, wenn
ihnen eine Kindeswohlgefährdung auffällt.
Abbildung 6: Verpflichtung zur Meldung einer Kindeswohlgefährdung
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte. Alle Befragten. Frage M01
Die ersten Gedanken von Fachkräften, eine Mitteilung einer Kindeswohlgefährdung an die
Kinder- und Jugendhilfe zu machen, kommen aufgrund beobachteter Anhaltspunkte zustande.
Je nach Profession der Fachkraft fallen diese unterschiedlich aus. Lehrer/innen sehen Anhaltspunkte im plötzlichen Abfall der schulischen Leistung, verändertem Verhalten des Kindes
(Teilnahmslosigkeit), Vernachlässigung (Sauberkeit der Kleidung, viele Fehlstunden) sowie
Anzeichen körperlicher Misshandlung (blaue Flecken). Psychologisch bzw. psychotherapeutisch arbeitende Fachkräfte sehen Anhaltspunkte vor allem in den direkten Gesprächen mit
den Kindern und Jugendlichen, wo es entweder zu eindeutigen konkreten Schilderungen oder
zu widersprüchlichen Aussagen kommt, die entweder von den Eltern ignoriert oder in Abrede
gestellt werden. Bei medizinischem Fachpersonal wiederum sind es vorwiegend bestimmte
Verletzungsarten sowie nicht eingehaltene Arzttermine, die Sorge um das Kindeswohl verursachen. Alle Professionen haben jedoch gemeinsam, dass sie diese Anhaltspunkte eher (sofern nicht direkte Gefahr im Verzug besteht) über einen längeren Zeitraum beobachten und
erst versuchen, mit den Eltern in ein Gespräch zu kommen, bevor sie eine Entscheidung zu
einer Mitteilung an die Kinder- und Jugendhilfe treffen.
Die Entscheidung wird hierbei eher selten (nur 29 %) alleine von der Fachkraft gefällt (siehe
Abbildung 7). Oft (95 % immer oder meistens) wird mit Kolleg/innen darüber gesprochen, ob
eine Mitteilung gemacht werden soll. Diese erfolgt auch zu einem hohen Anteil (81 % immer
20
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
oder meistens) in Absprache und mit Unterschrift der Leitung der jeweiligen Einrichtung. Zudem wird in etwa gleichen Teilen zur Entscheidungsfindung zusätzlich Kontakt mit der Kinderund Jugendhilfe bzw. mit anderen Fachleuten6 aufgenommen (ca. 70 % immer oder meistens).
Abbildung 7: Entscheidung über die Mitteilung einer Kindeswohlgefährdung
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte. Alle Befragten. Frage M04
4.2 Durchführung der Mitteilung
Abbildung 8 vergleicht die Anzahl der angestellten Überlegungen, eine Mitteilung durchzuführen, mit den tatsächlich in den letzten zwölf Monaten gemachten. Hierbei werden die kumulierten Prozentwerte in Bezug zur Anzahl der Überlegungen bzw. Mitteilungen gestellt.7 Zunächst wird deutlich, dass der grafische Verlauf der Überlegungen immer unter jenen der
durchgeführten Mitteilungen liegt, da immer häufiger über eine Mitteilung nachgedacht als
schlussendlich eine getätigt wird. So haben nur rund 30 % der Fachkräfte nie an eine Mitteilung an die Kinder- und Jugendhilfe gedacht (sprich, 70 % haben zumindest einmal in den
letzten zwölf Monaten daran gedacht), während der Anteil, die keine Mitteilung gemacht
haben, mit 45 % der Fachkräfte deutlich höher ist (sprich, 55 % der Fachkräfte haben zumindest einmal eine Mitteilung in den letzten zwölf Monaten gemacht). Die Gedanken an eine
Mitteilung sind unter den Fachkräften also weitverbreitet und auch der Anteil derer, die in den
letzten zwölf Monaten gemeldet haben, ist mit etwas über 50 % recht hoch.8 Die Häufigkeit der
Überlegungen und noch mehr die der Tätigung einer Mitteilung ist hingegen vergleichsweise
gering (erkennbar am steilen Anstieg der beiden Kurven). Circa 80 % der Fachkräfte überlegen
Zum Beispiel (Schul-)Ärzt/innen, (Schul-)Psycholog/innen, Vertrauenslehrer/innen, Familienbegleiter/innen, Facharbeiter/innen für Integration.
7
Die eingezeichneten Geraden dienen als Lesehilfe.
8 An dieser Stelle muss berücksichtigt werden, dass engagiertere Fachkräfte bzw. diejenigen, die (mehrfache) Erfahrungen mit der Kinder- und Jugendhilfe haben, einen höheren Antrieb besitzen, sich an
einer Umfrage zu beteiligen.
6
21
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
sich maximal dreimal im Jahr, eine Gefährdungsmitteilung zu machen, und tätigen diese maximal zweimal. Oder anders formuliert: Nur ca. 20 % denken mehr als dreimal an eine Gefährdungsmitteilung und tätigen diese öfter als zweimal im Jahr.
Abbildung 8: Vergleich: In den letzten 12 Monaten an eine Mitteilung gedacht und gemacht
Quelle: ÖIF, Fachkräfte. Alle Befragten. Frage M03 (nachgedacht) und M12 (in den letzten 12 Monaten gemacht).
Abbildung 9 stellt die Überlegungshäufigkeiten für verschiedene fachliche Arbeitsbereiche der
Fachkräfte dar und gibt ein zu erwartendes Bild wieder. Fachkräfte in Professionen, die potenziell eher mit einer Kindeswohlgefährdung konfrontiert werden, denken auch häufiger an eine
Gefährdungsmitteilung. Am häufigsten denken Fachkräfte im medizinischen Bereich an eine
Gefährdungsmitteilung (nur 10 % haben im letzten Jahr nicht an eine mögliche Mitteilung gedacht). Ein Fünftel denkt sogar zehnmal oder öfter im Jahr daran, eine Gefährdungsmitteilung
zu machen. Gefolgt werden sie von den Berufsgruppen der Psycholog/innen bzw. Psychotherapeut/innen und Sozialarbeiter/innen. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen die Elementarpädagog/innen. 40 % von ihnen haben in den letzten zwölf Monaten gar nicht an eine
Gefährdungsmitteilung gedacht und nur 26 % öfter als einmal.
22
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 9: In den letzten 12 Monaten über eine Mitteilung nachgedacht, nach fachlichem Arbeitsbereich
Quelle: ÖIF, Fachkräfte. Alle Befragten. Frage M03 (nachgedacht).
Die Mitteilungshäufigkeiten nach Professionen (Abbildung 10) zeichnen im Großen und Ganzen ein sehr ähnliches Bild, wie es schon zuvor bei den Überlegungen zu einer Mitteilung
ersichtlich war. Nur verschieben sich die einzelnen Kurven etwas nach oben. Auch bei den
Mitteilungen sind Fachkräfte aus den medizinischen Berufen jene, die diese am häufigsten
tätigen. Nur 24 % haben in den letzten zwölf Monaten keine Mitteilung getätigt, ein Fünftel
sogar zehn oder mehr. Konträr dazu die Elementarpädagog/innen, von denen knapp 70 % im
letzten Jahr keine Mitteilungen gemacht haben und nur 10 % von ihnen mehr als eine.
Abbildung 10: In den letzten 12 Monaten eine Mitteilung gemacht, nach fachlichem Arbeitsbereich
Quelle: ÖIF, Fachkräfte. Alle Befragten. Frage M12 (in den letzten 12 Monaten gemacht).
23
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Ob die Mitteilung hierbei mit dem Einverständnis der Klient/innen erfolgt oder nicht, hält sich
laut den Fachkräften relativ die Waage. 52 % geben an, dass dies immer oder meistens geschieht, 48 %, dass dies eher selten oder nie geschieht. Interessant hierbei ist, dass sich dieses Verhältnis zwischen den einzelnen Professionen nicht wesentlich verändert.
Abbildung 11: Mitteilung erfolgt mit Einverständnis der Klient/innen
Quelle: ÖIF, Fachkräfte. Alle Befragten. Frage M08.
Als Grund für die Mitteilung bei der Kinder- und Jugendhilfe wird von den Fachkräften am
häufigsten Vernachlässigung angegeben (rund 70 %), gefolgt von körperlicher (40 %) und psychischer (33 %) Misshandlung. Suchtabhängigkeiten werden hingegen eher selten genannt,
wobei auch hier das Ergebnis von den fachlichen Arbeitsbereichen der Fachkraft mitbestimmt
ist. So kann Vernachlässigung von prinzipiell jeder Profession erkannt werden, während andere (eventuell dahinterliegende) Gründe, wie z. B. Suchtabhängigkeit eines Elternteils, nur
bestimmte Professionen erkennen bzw. Zugang zu einer solchen Erkenntnis erlangen können.
Abbildung 12: Gefährdungen, die zu einer Mitteilung in den letzten 12 Monaten geführt haben
Quelle: ÖIF, Fachkräfte. Alle Befragten. Frage M13. Mehrfachantworten möglich.
Fachkräfte sind jedoch nicht die einzigen Personen, die eine Mitteilung bei der Kinder- und
Jugendhilfe machen. Nach Einschätzung der fallführenden Sozialarbeiter/innen stehen diese
24
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
in einem 50/50-Verhältnis zu anderen (privaten) Personen, die keiner Mitteilungspflicht unterliegen. Dies spiegelt sich auch in der Frage, über welche Einrichtungen bzw. Personen sie in
den letzten zwölf Monaten Hinweise auf Verdachtsfälle der Kindeswohlgefährdung erhalten
haben, wider. Fast alle (94 %) fallführenden Sozialarbeiter/innen geben an, im letzten Jahr von
privaten Personen Hinweise erhalten zu haben. Fast ebenso oft (91 %) kamen Hinweise von
Einrichtungen zum Unterricht von Kindern und Jugendlichen. Weitere oft genannte Einrichtungen sind jene zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen (75 %), Gerichte, Behörden und
Organe der öffentlichen Aufsicht (66 %) sowie Kranken- oder Kuranstalten (59 %).
Abbildung 13: Einrichtungen bzw. Personen, die der Kinder- und Jugendhilfe Kindeswohlgefährdungen mitteilen
Quelle: ÖIF, Fallführende Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage D03. Mehrfachantworten möglich.
25
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
4.3 Form und Inhalt der Mitteilung
Gefährdungsmitteilungen nach § 37 B-KJHG bedürfen der Schriftform. Etwa 60 % der Fachkräfte geben an, schriftliche Mitteilungen zu erstatten, wobei zu 48 % ein Formular bzw. ein
Vordruck verwendet wird bzw. die Meldung zu 14 % formlos geschieht. 18 % der Fachkräfte
tätigen die Gefährdungsmitteilung allerdings mündlich per Telefon. Vor allem Fachkräfte im
medizinischen Bereich nutzen häufig diese Mitteilungsmöglichkeit (fast 40 %). Weitere 13 %
der Fachkräfte geben die Gefährdungsmitteilung im Rahmen eines persönlichen Gesprächs
mit der Kinder- und Jugendhilfe weiter. Die restlichen 7 % der Fachkräfte nutzen den Dienstweg bzw. ihre Vorgesetzten für die Mitteilung an die Kinder- und Jugendhilfe.
Abbildung 14: Form der Mitteilung aus Sicht der Fachkräfte
Quelle: ÖIF, Fachkräfte. Alle Befragten. Frage M07.
Die fallführenden Sozialarbeiter/innen (Abbildung 15) geben zu 42 % an, immer oder meistens
die Mitteilung einer Kindeswohlgefährdung in schriftlicher Form übermittelt zu bekommen.
Weitere 41 % nannten etwa die Hälfte der Fälle und 16 % führten aus, diese selten oder nie in
schriftlicher Form zu erhalten. Diese anscheinende Diskrepanz lässt sich auch darauf zurückführen, dass fallführende Sozialarbeiter/innen, wie zuvor schon erwähnt, nur zu rund 50 %
eine Gefährdungsmitteilung von einer Fachkraft bekommen, während die anderen 50 % der
Mitteilungen von anderen (privaten) Personen erfolgen. Bei diesen kann angenommen werden, dass ein größerer Anteil an mündlichen Meldungen, sei es per Telefon oder persönlichen
Gesprächen, mit der Kinder- und Jugendhilfe erfolgt.
Weiterhin geben mehr als die Hälfte (53 %) der fallführenden Sozialarbeiter/innen an, dass in
den Mitteilungen immer oder meistens relevante Wahrnehmungen enthalten seien, weitere
42 %, dass dies ungefähr zur Hälfte der Fall ist, und nur weniger als 5 % sagen, dass diese
selten oder nie enthalten seien. Eine genauere Aufgliederung der enthaltenen Inhalte bei den
Mitteilungen wird im Anschluss in den Abbildungen 16 und 17 gegeben.
48 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen geben an, dass etwa die Hälfte der Gefährdungsmitteilungen Schlussfolgerungen enthalten. Dennoch scheint es nicht allzu oft vorzukommen,
26
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
da 40 % der Fachkräfte selten oder nie Gefährdungsmeldungen mit Schlussfolgerungen erhalten.
Abbildung 15: Form der Mitteilung aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, Fallführende Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage D06
Werden die konkreten Mitteilungsbestandteile genauer betrachtet, ergibt sich auf den ersten
Blick eine starke Diskrepanz zwischen den Angaben der Fachkräfte und jenen der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Abbildung16 stellt die Anteile für die Kategorie „immer“ für diese beiden Gruppen dar.
27
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 16: Inhalte der Mitteilungen aus Sicht der Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen (immer)
Quelle: ÖIF, Fachkräfte und fallführende Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage M09 und P01.
Auf den ersten Blick erkennbar, gibt ein bei Weitem höherer Anteil der Fachkräfte – und dies
bei allen Komponenten der Mitteilungsinhalte – an, diese immer zu inkludieren, als dies die
Sozialarbeiter/innen melden. Hierfür können zwei unterschiedliche Effekte verantwortlich sein.
Zunächst können die an der Befragung teilnehmenden Fachkräfte eventuell engagierter sein
als ihre nicht-teilnehmenden Kolleg/innen, was sich in einem hohen Detailgrad der Mitteilungen widerspiegelt. Im Vergleich dazu geben fallführende Sozialarbeiter/innen ihre Erfahrungen
über ALLE Meldungen (von engagierten und nicht so sehr engagierten Fachkräften) wieder.
Zudem muss hier erneut darauf verwiesen werden, dass die fallführenden Sozialarbeiter/innen
eben auch Mitteilungen von privaten Personen erhalten, welche eventuell weniger detailreich
erfolgen.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Wird die Kategorie jedoch auf „immer und meistens enthalten“ erweitert, nähern sich die Einschätzungen der fallführenden Sozialarbeiter/innen jenen der Fachkräfte sehr an (Abbildung
17). Die drei Inhaltskomponenten, bei denen der größte Einklang zwischen Fachkräften und
fallführenden Sozialarbeiter/innen vorhanden ist, sind:
der Name des Kindes bzw. Jugendlichen (98 % vs. 100 %)
eine kurze Beschreibung der Umstände, die zur Mitteilung geführt haben (93 %
vs. 95 %)
Adresse des Kindes bzw. Jugendlichen (89 % vs. 91 %)
Bei weiteren drei Inhaltskomponenten kommt es zu geringen Unterschieden zwischen den
beiden Gruppen, wobei der Anteil der fallführenden Sozialarbeiter/innen immer unter jenen der
Fachkräfte zu liegen kommt. Diese sind:
Begründung für den Gefährdungsverdacht (99 % vs. 84 %)
Name der mitteilenden Person (99 % vs. 78 %)
Name der Einrichtung, für die die mitteilende Person arbeitet (99 % vs. 83 %)
Zu den größten Unterschieden zwischen beiden Gruppen kommt es bei nachstehend genannten Inhaltskomponenten:
Geburtsdatum des Kindes bzw. Jugendlichen (90 % vs. 54 %)
ausführliche Beschreibung der Umstände, die zur Mitteilung geführt haben
(86 % vs. 58 %)
Kontaktdaten der mitteilenden Person (97 % vs. 65 %)
Eine Stellungnahme bzw. Untersuchungsergebnisse anderer Personen (wie z. B. von Ärzten)
umfasst die Gefährdungsmitteilung mit Abstand am seltensten. Nur 45 % der Fachkräfte und
18 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen geben an, dass eine solche immer oder meistens
in der Mitteilung beinhaltet sei.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 17: Inhalte der Mitteilungen aus Sicht der Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen (immer & meistens)
Quelle: ÖIF, Fachkräfte und fallführende Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage M09 und P01.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
4.4 Mitteilungspflicht und berufsrechtliche Verschwiegenheitspflichten
Die Mitteilungspflicht von Fachkräften wird durch allfällige berufsrechtliche Verschwiegenheitspflichten oder die Amtsverschwiegenheit nicht eingeschränkt. Ein Großteil der Fachkräfte gibt
auch an, dass aus ihrer Sicht die Mitteilungspflicht durch berufsrechtliche Verschwiegenheitspflichten nicht eingeschränkt (55 %) sei. Ein Viertel der Fachkräfte führt jedoch aus, dass ihre
Mitteilungspflicht eingeschränkt sei. Hierbei kann kein wesentlicher Unterschied zwischen den
Professionen festgestellt werden. Einzig die Fachkräfte aus dem Gesundheitsbereich scheinen mit rund 43 % in einem höheren Ausmaß von Verschwiegenheitspflichten betroffen zu
sein. Weitere 20 % der Fachkräfte wissen dies nicht genau.
Abbildung 18: Einschränkung der Mitteilungspflicht aus Gründen anderer Verschwiegenheitspflichten aus Sicht der Fachkräfte
Quelle: ÖIF, Fachkräfte. Alle Befragten. Frage M10
Die Frage nach der persönlichen Wertigkeit von Kindeswohl auf der einen und der beruflichen
Verschwiegenheitspflicht auf der anderen Seite wurde mittels zweier diametral verfasster Aussagen abgefragt. Hierbei zeigt sich eine klare Präferenz der Fachkräfte, den Schutz des Kindes über die Verschwiegenheitspflicht und das vertragsrechtliche Vertrauensverhältnis zu stellen. Zudem wird auch eine eher ablehnende Haltung zu einer Einschränkung der Mitteilungspflicht durch berufliche Verschwiegenheitspflichten deutlich.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 19: Zustimmung zu Aussagen zur Einschränkung der Mitteilungspflicht
Quelle: ÖIF, Fachkräfte. Nur diejenigen, deren Mitteilungspflicht eingeschränkt ist. Frage M19.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
4.5 Abklärung der Gefährdung
Sobald die Mitteilung einer Kindeswohlgefährdung bei der Kinder- und Jugendhilfe eingelangt
ist, sind die fallführenden Sozialarbeiter/innen der Kinder- und Jugendhilfe verpflichtet, umgehend eine Gefährdungsabklärung einzuleiten. Tabelle 4 stellt die durchschnittliche Anzahl der
bearbeiteten Gefährdungsabklärungen in den letzten zwölf Monaten dar. Im Durchschnitt werden 35 Gefährdungsabklärungen pro fallführendem/fallführender Sozialarbeiter/in bearbeitet.
Es besteht jedoch eine durchaus große Varianz sowohl zwischen den Bundesländern als auch
innerhalb derselben. So weist Wien mit durchschnittlich 67 Gefährdungsabklärungen, gefolgt
von Vorarlberg, den höchsten durchschnittlichen Wert auf. Auf der anderen Seite stehen Kärnten und Salzburg, die mit zwölf bzw. zehn Gefährdungsabklärungen pro fallführendem/r Sozialarbeiter/in die niedrigsten Durchschnittswerte aufweisen9. Obwohl Oberösterreich und Tirol
die höchsten Einzelwerte zeigen (hier gab ein/e Sozialarbeiter/in an, 500 bzw. 260 Fälle im
Jahr zu bearbeiten), ist es vor allem Wien, wo vermehrt Sozialarbeiter/innen 100 oder mehr
Fälle im Jahr bearbeiten.
Tabelle 4: Anzahl der bearbeiteten Mitteilungen pro fallführendem/fallführender Sozialarbeiter/in
in den letzten 12 Monaten
Gefährdungsabklärungen 35
pro Sozialarbeiter/in in Österreich
Durchschnittliche Anzahl an Gefährdungsabklärungen in den letzten 12
Monaten pro fallführendem/fallführender Sozialarbeiter/in
Mittelwert
Minimum
Maximum
Burgenland (N = 15)
27
0
60
Kärnten (N = 24)
12
1
35
Niederösterreich (N = 36)
31
0
100
Oberösterreich (N = 77)
44
0
500
Salzburg (N = 34)
10
0
35
Steiermark (N = 51)
23
0
150
Tirol (N = 42)
36
0
260
Vorarlberg (N = 15)
65
10
103
Wien (N = 56)
67
4
200
Quelle: ÖIF, fallführende Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage P02.
In Salzburg gibt es "Clearingteams", die sich vorrangig mit Gefährdungsabklärungen beschäftigen.
Dies führt – zumindest in Salzburg – zu niedrigen Werten bei den FSA.
9
33
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Die Mitteilung einer Kindeswohlgefährdung ist jedoch nur der Beginn des Erkenntnisprozesses
einer Gefährdungsabklärung. Hierfür werden von den fallführenden Sozialarbeiter/innen verschiedene Erkenntnisquellen herangezogen.
Am häufigsten wird der persönliche Eindruck genannt, durch selbst durchgeführte Beobachtungen, wie z. B. bei einem (unangemeldeten) Hausbesuch, aber auch durch Gespräche, die
kontinuierlich über eine längere Zeit mit dem Familiensystem stattfinden. Hier wird auch immer
wieder die Wichtigkeit der Herstellung eines persönlichen Kontakts und Vertrauensverhältnisses mit dem Kind bzw. Jugendlichen selbst hervorgehoben.
Schriftliche Berichte von anderen Stellen, wie z. B. von Ärzten oder auch Auszüge aus dem
Strafregister sowie eventuell schon vorhandene Akten aus vorangegangenen Meldungen, stellen eine weitere Quelle des Erkenntnisgewinns dar.
Auch die Rücksprache mit und Einschätzungen von sogenannten Systempartnern, wie Soziale
Dienste, Schulen, Krankenhäuser etc. werden immer wieder genannt. Sofern vorhanden, werden auch Amtspsycholog/innen oder ein psychologischer Fachdienst mit eingebunden.
Schließlich wird auch auf das eigene erlernte Wissen und die berufliche Erfahrung als Erkenntnisquellen verwiesen. Hier werden auch Gespräche und Reflexion mit Kolleg/innen über ihre
Einschätzung als sehr wichtig erachtet. Auf das dabei angewandte Vier-Augen-Prinzip wird im
Detail in Kapitel 5 eingegangen.
Ob bei der Gefährdungsabklärung eine Diagnose-Tabelle verwendet wird, hängt stark von
dem/der fallführenden Sozialarbeiter/in ab. Die Hälfte der fallführenden Sozialarbeiter/innen
lehnt die Anwendung einer Diagnose-Tabelle ab, weitere rund 30 % geben an, diese selten
und rund 20 % immer oder manchmal zu verwenden. Hierbei lässt sich kein Zusammenhang
mit Dienstjahren oder anderen demografischen Merkmalen feststellen. Einzig der regionale
Blick lässt erkennen, dass fallführende Sozialarbeiter/innen in Wien und Burgenland jene sind,
die am stärksten die Verwendung einer Diagnose-Tabelle bei der Gefährdungsabklärung ablehnen (79 % bzw. 71 %).
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 20: Häufigkeit der Verwendung einer Diagnosetabelle
Quelle: ÖIF, fallführende Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage P06
Dementsprechend geteilt fällt auch die Reaktion der fallführenden Sozialarbeiter/innen zur
Aussage aus, dass damit frühzeitig Gewalt gegen Kinder und Jugendliche erkannt werden
könne. Knapp weniger als zwei Drittel der fallführenden Sozialarbeiter/innen stimmen dieser
Aussage gar nicht bzw. eher nicht zu und rund ein Drittel stimmen ihr eher bzw. sehr zu, wobei
die mittleren Skalenpunkte deutlich stärker besetzt sind als die Außenpositionen.
Abbildung 21: Zustimmung zur Aussage: Mithilfe der Diagnose-Tabelle kann Gewalt gegen Kinder und Jugendliche frühzeitig erkannt werden.
Quelle: ÖIF, fallführende Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage P07
35
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
4.6 Rückmeldung im Rahmen des Prozesses der Gefährdungsabklärung
Im Zuge der Gefährdungsabklärung können zu verschiedenen Zeitpunkten Rückmeldungen
von den fallführenden Sozialarbeiter/innen an die Fachkräfte erfolgen. Zunächst kann eine
Rückmeldung nach Erhalt der Gefährdungsmitteilung erfolgen. Ein Großteil der Fachkräfte
(73 %) wie auch der fallführenden Sozialarbeiter/innen (83 %) geben an, dass sie diese immer
oder meistens erhalten bzw. geben.
Abbildung 22: Rückmeldung nach Erhalt der Gefährdungsmitteilung
Quelle: ÖIF, Fachkräfte und fallführende Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage M14 und D08
Allerdings bestehen größere Wahrnehmungsunterschiede bei der Geschwindigkeit, mit der
diese Rückmeldung geschieht. Während 84 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen angeben, dass die Rückmeldung spätestens innerhalb einiger Tage nach Erhalt der Gefährdungsmitteilung erfolgt, können dies nur 67 % der Fachkräfte bestätigen. Gleichzeitig zeigt sich aber
auch, dass eine Rückmeldungsdauer von mehr als einer Woche die Ausnahme ist. Dies sagen
15 % der Fachkräfte und 3 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen.
36
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 23: Zeitrahmen, in dem Rückmeldung gegeben wird, aus Sicht von Fachkräften und
fallführenden Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, Fachkräfte und fallführende Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage M15 und D09
Abgesehen von der Rückmeldung, dass eine Gefährdungsmitteilung erhalten wurde, sind
auch andere bzw. weitere Rückmeldungen an die Fachkräfte möglich. Abbildung 24 stellt den
Wunsch nach möglichen Inhalten, die in einer Rückmeldung enthalten sein können für Fachkräfte, bzw. ob diese enthalten sein sollen, aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen
dar. 81 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen sind der Meinung, dass eine Rückmeldung
erfolgen soll, dass mit der Gefährdungsabklärung begonnen wurde. Diese Rückmeldung wird
auch von 65 % der Fachkräfte gewünscht. Die Information, dass die Gefährdungsabklärung
abgeschlossen wurde, sehen hingegen nur 21 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen als
nötig an. Hingegen würden sich 45 % der Fachkräfte diese wünschen. Eine vielfach stärkere
Diskrepanz gibt es bei der Übermittlung des Ergebnisses der Gefährdungsabklärung. 84 %
der Fachkräfte wünschen sich, dies in einer Rückmeldung zu erfahren, während nur rund 14 %
der fallführenden Sozialarbeiter/innen dies für nötig halten. Dieser starke Meinungsunterschied
entsteht durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen, in denen sich die beiden Gruppen
wiederfinden. Während die Fachkräfte ein Interesse haben, das Ergebnis zu erfahren, da dies
auch Auswirkungen auf ihre Beziehung zu dem Kind bzw. Jugendlichen und dessen familialem
und sozialem Umfeld haben kann, sehen sich die fallführenden Sozialarbeiter/innen zum
Schutz des Kindes der Verschwiegenheit verpflichtet (siehe auch Kapitel 9 zum Datenschutz
und Kapitel 12 zum möglichen Modifikationsbedarf).
37
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 24: Inhalte möglicher Rückmeldungen
Quelle: ÖIF, Fachkräfte und fallführende Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage M17 und D10. Mehrfachantworten möglich.
38
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
4.7 Wahrgenommene
Veränderungen
Gefährdungsabklärung
im
Prozess
der
Welche Veränderungen konnten nun von den fallführenden Sozialarbeiter/innen und Fachkräften seit der Einführung des B-KJHG festgestellt werden? Bezüglich einer Verbesserung der
Qualität von Gefährdungsmitteilungen sind fallführende Sozialarbeiter/innen geteilter Meinung. Rund 46 % sehen deutliche oder zumindest leichte Verbesserungen in der Qualität der
Mitteilungen seit der Einführung des B-KJHG, während rund 54 % eher keine bis gar keine
Verbesserungen wahrnehmen.
Abbildung 25: Verbesserung der Qualität der Mitteilung durch B-KJHG aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, fallführende Sozialarbeiter/innen. Nur jene, die vor 2013 tätig waren. Frage D07.
Darüber, ob die Einführung des B-KJHG eine direkte Auswirkung auf die Häufigkeit von Hinweisen auf Verdachtsfälle der Kindeswohlgefährdung hat, sind die fallführenden Sozialarbeiter/innen ebenfalls geteilter Meinung. Allerdings ist hier der Anteil jener, die keine direkte Wirkung sehen, mit 60 % etwas größer als bei der Frage zuvor. Etwa 40 % der fallführenden
Sozialarbeiter/innen haben jedoch durchaus den Eindruck, dass es durch die neue Gesetzgebung zu mehr Hinweisen auf Verdachtsfälle gekommen ist.
39
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 26: Mehr Hinweise auf Verdacht der Kindeswohlgefährdung
Quelle: ÖIF, fallführende Sozialarbeiter/innen. Nur jene, die vor 2013 tätig waren. Frage D04.
Aufseiten der Fachkräfte wird die Präzisierung der Mitteilungspflicht durch das B-KJHG durchgehend als eine Verbesserung wahrgenommen. So sehen die Fachkräfte die Situation der
betroffenen Kinder bzw. Jugendlichen zu 58 % etwas bis deutlich verbessert. Rund 20 % erkennen keine Veränderung zur früheren Rechtslage und weitere 20 % können dies nicht beurteilen. Praktisch keine Fachkraft benennt eine Verschlechterung.
Auch die Situation der Mitteilungspflichtigen – also ihre eigene – sehen die Fachkräfte vorwiegend (46 %) verbessert. Nur 29 % sehen keine Veränderung und eine Minderheit von rund
8 % eine (leichte) Verschlechterung. 17 % Prozent können dies nicht beurteilen.
Wie sich die Präzisierung der Mitteilungspflicht auf die Situation der Sozialarbeiter/innen in der
Kinder- und Jugendhilfe ausgewirkt hat, können Fachkräfte deutlich weniger einschätzen. So
geben 32 % an, dies nicht beurteilen zu können. 45 % der Fachkräfte gehen auch hier von
einer tendenziellen Verbesserung der Situation aus, 20 % von keiner Veränderung. So gut wie
keine Fachkraft geht von einer Verschlechterung aus.
40
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 27: Veränderungen durch die Präzisierung der Mitteilungspflicht aus Sicht der Fachkräfte
Quelle: ÖIF, Fachkräfte. Nur jene, die vor 2013 tätig waren. Frage M18.
4.8 Beurteilung des Prozesses der Gefährdungsabklärung
Insgesamt wird die Kooperation bei der Gefährdungsmitteilung mit der Kinder- und Jugendhilfe
von den Fachkräften positiv wahrgenommen. Nach Notensystem beurteilt, geben die Fachkräfte für die Kooperation eine durchschnittliche Bewertung von 2,5. Nach Professionen betrachtet, sind es nur die Fachkräfte aus dem Gesundheitsbereich, die mit einer durchschnittlichen Bewertung von 3 die Zusammenarbeit etwas kritischer beurteilen (ohne Abbildung).
Aufseiten der fallführenden Sozialarbeiter/innen kommt es bei der Beurteilung des gesamten
Prozesses der Gefährdungsabklärung zu einer komplett geteilten Einschätzung. 50 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen sehen Probleme im Prozess, während die anderen 50 % keine
Probleme sehen. Diese Trennlinie geht quer durch die Personengruppe der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Lediglich regionale Gesichtspunkte lassen erkennen, dass in Wien und
Kärnten ein höherer Anteil an fallführenden Sozialarbeiter/innen Probleme ausmacht (64 %
bzw. 60 %).
41
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 28: Beurteilung des Gesamtprozesses bei der Gefährdungsabklärung durch fallführende Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, Fallführende Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage P09.
Hierbei scheinen vorwiegend spezifische regionale und organisationsbedingte Vorkommnisse
Ursache des Problemempfindens zu sein, wie dies im Rahmen einer offenen Antwortkategorie
deutlich wird. Besonders die angespannten zeitlichen und personellen Ressourcen werden
immer wieder thematisiert. Aufgrund der hohen Anzahl der Abklärungen fehlt das nötige Zeitfenster für eine umfassende Gefährdungsabklärung. Ein Zeitdruck, um zu einer Einschätzung
zu kommen, und eine damit einhergehende Überbelastung der Sozialarbeiter/innen wird oft
wahrgenommen. Dies führt auch dazu, dass das Vier-Augen-Prinzip bei der Gefährdungsabklärung nicht immer konsequent umgesetzt werden kann.
Hinzu kommt eine zumindest regional bedingt wahrgenommene Häufung von Multiproblemfamilien, in denen also mehrere problematische Ereignisse gleichzeitig auftreten (z. B. Suchterkrankung, Gewalt, geringe ökonomische Absicherung, Integrationsproblematiken etc.),
wodurch der Abklärungsprozess aufwendiger wird. Dies trifft wiederum auf die zuvor genannten personellen und zeitlichen Restriktionen.
Die Zusammenarbeit mit Systempartnern wird von einigen fallführenden Sozialarbeiter/innen
als oft schwierig beschrieben. Die Gefährdungsmitteilungen werden vielfach mündlich oder
schriftlich, aber unvollständig übermittelt. Die Einschätzung von Systempartnern „was eine
Kindeswohlgefährdung ist“, sei manchmal sehr unterschiedlich. Zudem werden angeforderte
schriftliche Mitteilungen/Stellungnahmen nicht nachgereicht (z. B. von den Krankenhäusern).
Schließlich wird auch die ablehnende Haltung der Bevölkerung bei der Gefährdungsmitteilung
thematisiert. Die Kinder- und Jugendhilfe wird von dieser immer noch als die Behörde gesehen, „die das Kind wegnehmen will“. Eine bessere Aufklärung der Bevölkerung wäre hier seitens der fallführenden Sozialarbeiter/innen wünschenswert.
42
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
5 Anwendung des und Zufriedenheit mit dem VierAugen-Prinzip aus Sicht der fallführenden
Sozialarbeiter/innen
Eine zentrale neue Bestimmung im Bundes-Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz 2013 war die
Festschreibung des sogenannten Vier-Augen-Prinzips im Rahmen der Gefährdungsabklärung
und der Hilfeplanerstellung. Die konkrete Formulierung im B-KJHG lautet: „Die Gefährdungseinschätzung ist erforderlichenfalls im Zusammenwirken von zumindest zwei Fachkräften zu
treffen“ (B-KJHG § 22 Abs. 5). Auch bei der Erstellung des Hilfeplans sieht der Gesetzgeber
vor, dass dieser erforderlichenfalls im Zusammenwirken von zumindest zwei Fachkräften zu
erstellen ist (B-KJHG § 23 Abs. 3).
Das B-KJHG ist ein Rahmen, der in den jeweiligen Bundesländern in den Ausführungsgesetzen aufgenommen bzw. spezifiziert wird. Etliche Bundesländer in Österreich haben bereits
aus der Bestimmung des B-KJHG, das Vier-Augen-Prinzip erforderlichenfalls anzuwenden,
eine Verpflichtung gemacht. Dies bedeutet, dass das Prinzip bei der Gefährdungsabklärung
oder der Hilfeplanerstellung verpflichtend anzuwenden ist. Wie Tabelle 5 zeigt, wurde die Anwendung des Vier-Augen-Prinzips primär im Rahmen der Gefährdungsabklärung in den Ausführungsgesetzen als verpflichtend gestaltet, im Rahmen der Hilfeplanerstellung wird das
deutlich weniger strikt gehandhabt.
43
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Tabelle 5: Überblick über die gesetzlichen Regelungen in den Bundesländern zum Vier-AugenPrinzip
Anwendungsbereiche des Vier-Augen-Prinzips
Bundesland
Burgenland
Kärnten
Niederösterreich
Oberösterreich
Salzburg
Gefährdungs-abklärung
Hilfeplan
erforderlichenfalls
erforderlichenfalls
§ 28 Abs. 6 Bgld. KJHG
§ 29 Abs. 3 Bgld. KJHG
verpflichtend
verpflichtend
§ 39 Abs. 6 K-KJHG
§ 40 Abs. 3 K-KJHG
verpflichtend
erforderlichenfalls
§ 30 Abs. 6 NÖ-KJHG
§ 34 Abs. 3 NÖ-KJHG
erforderlichenfalls
erforderlichenfalls
§ 40 Abs. 6 Oö-KJHG 2014
§ 41 Abs. 3 Oö-KJHG 2014
verpflichtend
verpflichtend
§ 13 Abs. 2 S. KJHG
§ 16 Abs. 2 S. KJHG
in anderen Bereichen
verpflichtend bei
Eignungsbeurteilung von Pflegeund Adoptiveltern
§ 27 Abs. 2 und § 37 Abs. 1 S. KJHG
Steiermark
Tirol
verpflichtend
erforderlichenfalls
§ 25 Abs. 6 StKJHG
§ 26 Abs. 3 StKJHG
erforderlichenfalls
erforderlichenfalls
§ 37 Abs. 5 TKJHG
§ 38 Abs. 4 TKJHG
nach Möglichkeit bei Pflegeplatzerhebungen und Eignungsbeurteilung von Adoptiveltern
§ 28 Abs. 2 und § 35 Abs. 3 TKJHG
Vorarlberg
Wien
verpflichtend
erforderlichenfalls
§ 17 Abs. 6 V-KJH-G
§ 18 Abs. 3 V-KJH-G
verpflichtend
verpflichtend
§ 24 Abs. 5 WKJHG 2013
§ 15 Abs. 3 WKJHG 2013
verpflichtend bei
Eignungsbeurteilung von Pflegeund Adoptiveltern
§ 40 Abs. 2 und § 52 Abs. 2 WKJHG2013
Quelle: Eigene Darstellung ÖIF. Stand 18.01.2017.
Der Gesetzgeber hat im B-KJHG 2013 ein professionelles Prinzip in den gesetzlichen Bestimmungen verankert, welches aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen in Österreich bereits vor Einführung des Gesetzes durchaus gängige Praxis war, aber nun rechtlich verankert
ist. Nahezu neun von zehn (85,3 %) fallführenden Sozialarbeiter/innen gaben an, das VierAugen-Prinzip im Rahmen der Gefährdungsabklärung bereits vor Einführung des B-KJHG angewendet zu haben.
44
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Die Darstellung der Analyse erfolgt einerseits über eine deskriptive Beschreibung der Ergebnisse und andererseits auf Basis einer multiplen Regression. In dieser Regression wurde der
Einfluss von vier Faktoren simultan geschätzt. Als Einflussfaktoren auf das Antwortverhalten
wurden untersucht:
Geschlecht
leitende Position
Alter (in drei Kategorien: < 30 J., < 45 J., 45 J. +)
Eintritt vor 2013
Im Vergleich zu einer getrennten Analyse jedes einzelnen Faktors liefert diese Herangehensweise den Vorteil, dass für untereinander korrelierte Einflussfaktoren besser beurteilt werden
kann, welcher Faktor tatsächlich das Antwortverhalten beeinflusst.
5.1 Bewertung
des
Sozialarbeiter/innen
Vier-Augen-Prinzips
durch
fallführende
Neun von zehn (92,0 %) der fallführenden Sozialarbeiter/innen geben an, dass das Vier-Augen-Prinzip im Rahmen der Gefährdungsabklärung in ihrem Bundesland verpflichtend ist. Im
Rahmen der Hilfeplanerstellung trifft dies nur bei 39,2 % der befragten Sozialarbeiter/innen zu.
Hier nennt etwas weniger als die Hälfte (44,8 %) der fallführenden Sozialarbeiter/innen die
Anwendung des Vier-Augen-Prinzips im Rahmen der Hilfeplanerstellung in ihrem Bundesland
als verpflichtend – 16,0 % wissen es nicht.
Abbildung 29: Ist das Vier-Augen-Prinzip im Bundesland verpflichtend oder nicht?
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V06 und V13.Abstand zwischen Zahl und %
Die fallführenden Sozialarbeiter/innen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe in Österreich
schätzen das Vier-Augen-Prinzip als eine sinnvolle Arbeitsweise, die auf unterschiedlichen
Ebenen Effekte zeigt. Einerseits vermittelt das Vier-Augen-Prinzip in der Entscheidungsfin-
45
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
dung Sicherheit – dieser Aussage stimmen nahezu alle befragten fallführenden Sozialarbeiter/innen (97,9 %) zu („stimme sehr“ und „stimme eher zu“ zusammengefasst). Zudem fördert
das Vier-Augen-Prinzip das Miteinander unter den Kolleg/innen (93,0 % „stimme sehr“ und
„stimme eher zu“ zusammengefasst). Die Anwendung des Vier-Augen-Prinzips ist grundsätzlich für die fallführenden Sozialarbeiter/innen in der praktischen Anwendung nicht kompliziert
(78,0 %, „stimme eher nicht zu“ und „stimme gar nicht zu“ zusammengefasst). Neun von zehn
fallführenden Sozialarbeiter/innen stimmen der Aussage, dass das Vier-Augen-Prinzip generell überflüssig ist, gar nicht zu (91,2 %). Allerdings stellt für die Mehrheit der fallführenden
Sozialarbeiter/innen das Vier-Augen-Prinzip auch einen „dehnbaren Begriff“ dar und erhöht
aus ihrer Sicht den Arbeitsaufwand in der Umsetzung.
Abbildung 30: Bewertung des Vier-Augen-Prinzips durch fallführende Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V03.
Eine Betrachtung der Bewertung des Vier-Augen-Prinzips nach der Tätigkeitsdauer der fallführenden Sozialarbeiter/innen zeigt zum Teil deutliche und signifikante Unterschiede. So vermittelt das Vier-Augen-Prinzip fallführenden Sozialarbeiter/innen, die in der Kinder- und Jugendhilfe erst nach der Einführung des B-KJHG tätig wurden (ab 2013), mehr Sicherheit in der
Entscheidungsfindung, als dies bei Kolleg/innen, die bereits vor 2013 in der Kinder- und Jugendhilfe tätig waren, der Fall ist. Sozialarbeiter/innen, die seit längerer Zeit in der öffentlichen
Kinder- und Jugendhilfe tätig sind, stimmen den Aussagen, dass das Vier-Augen-Prinzip den
Arbeitsaufwand erhöhe sowie den Prozess verlangsame, häufiger zu, als dies Sozialarbeiter/innen tun, die erst ab 2013 tätig sind. Fallführende Sozialarbeiter/innen, die eine leitende
Funktion innehaben, stimmen der Aussage, dass das Vier-Augen-Prinzip den Arbeitsaufwand
erhöhe, ebenfalls signifikant häufiger zu (ohne Abbildung).
46
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 31: Bewertung des Vier-Augen-Prinzips durch fallführende Sozialarbeiter/innen nach
Tätigkeitsdauer in der KJH
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V03.
Auch im Rahmen der offen gestellten Fragen, welche Vor- bzw. Nachteile die fallführenden
Sozialarbeiter/innen im Vier-Augen-Prinzip sehen, zeigt sich deutlich die positive Bewertung
des Vier-Augen-Prinzips.10 Im Folgenden werden die zentralen Aspekte, die als Vor- bzw.
Die Originalfrage lautete: „Welche Vorteile sehen Sie in der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips in
der Praxis?“ (Frage V01). Sowie: „Und welche Nachteile sehen Sie in der Anwendung des Vier-AugenPrinzips in der Praxis?“ (Frage V02).
10
47
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Nachteile genannt wurden, beschrieben. Die Vielzahl an Nennungen wurde zu zentralen Kategorien zusammengefasst und beschrieben sowie anhand von Originalzitaten illustriert.
Eindeutig die größten Vorteile aus Sicht der Befragten sind das professioVorteile des Viernellere Arbeiten sowie die höhere Qualität der Arbeit bzw. auch die QuaAugen-Prinzips
litätssicherung der Arbeit durch das Vier-Augen-Prinzip. Grundsätzlich wird
dies dadurch ermöglicht, dass vier Augen mehr sehen und weniger übersehen wird, blinde
Flecken ausgeblendet werden, es zu mehr Versachlichung durch eine differenziertere Sichtweise kommt sowie die Passgenauigkeit in der Hilfeplanerstellung sichergestellt wird. Durch
den Austausch mit anderen wird so auch die Zusammenarbeit intern, mit anderen Stellen und
Institutionen sowie Professionen gefördert und kann zum Teil auch als eine Form der Intravision verstanden werden.
„Das Vier-Augen-Prinzip empfinde ich im Arbeitsalltag als sehr hilfreich, da die Zusammenarbeit
gefördert wird. Gleichzeitig lernt man unterschiedliche Sichtweisen von anderen Kolleginnen
kennen. Für mich dient das Vier-Augen-Prinzip vor allem als gute Besprechung und Einschätzung der aktuellen Situation.“ (ID 32 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Mehr Sicherheit in der Einschätzung durch Abstimmung mit der 2. Fachkraft. Es gibt durch die
Besprechung mit der 2. Fachkraft viel mehr Aspekte und Wahrnehmungen, welche in die gemeinsame Gefährdungseinschätzung hineinfließen und somit ein detaillierteres Ergebnis der
Einschätzung.“ (ID 72 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Das Vier-Augen-Prinzip erlaubt es, Sachverhalte gemeinschaftlich zu reflektieren, eine Ansprechperson zu haben, Rückmeldung zu erlangen und auf evtl. Fehler bzw. Fallen aufmerksam
gemacht zu werden. Auch im Gespräch mit der Familie können zusätzliche Dinge auffallen, mit
Fragen das Gespräch ergänzt und mehr nonverbale Signale aufgenommen werden. Nicht zuletzt kann es vom auditiven Aspekt her äußerst hilfreich sein, Sachverhalte laut auszusprechen
und somit den Denkprozess sowie das Verstehen weiter anzuregen.“ (ID 116 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Erweiterte Fachkompetenz, dadurch wird die Arbeit erleichtert. Das Vier-Augen-Prinzip stellt
auch ein Regulativ dar, welches besonders in so einem heiklen Bereich wie der Kinder- und
Jugendhilfe sinnvoll ist.“ (ID 832 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Ein breiterer Blickwinkel wird gewährt, somit ist die Gefährdungseinschätzung konkreter bzw.
kann eine Hilfeplanung punktgenauer erstellt werden. Reduzierung von teils subjektiv gefärbten
Einschätzungen/Beobachtungen.“ (ID 704 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
Als ein weiterer Vorteil des Vier-Augen-Prinzips wird auch eine Absicherung auf mehreren
Ebenen von den fallführenden Sozialarbeiter/innen beschrieben. Einerseits dient das VierAugen-Prinzip der Absicherung des Sozialarbeiters/der Sozialarbeiterin selbst. Durch die gemeinsame Entscheidung und die geteilte Verantwortung erfolgt eine Absicherung und Unterstützung bei den zu treffenden Entscheidungen im Rahmen der Gefährdungsabklärung bzw.
des Hilfeplans. Aber auch in physischer Hinsicht dient die Anwesenheit einer zweiten Person
als eine Absicherung bzw. Sicherheit für die Sozialarbeiter/innen, z. B. bei aggressiven oder
„schwierigen“ Klient/innen. Andererseits stellt das Vier-Augen-Prinzip aber auch eine Absicherung bzw. Qualitätssicherung der Entscheidungen für die Klient/innen dar.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
„Großer Sicherheitsfaktor bei Hausbesuchen. Absicherung gegenüber Dritten, wie Gerichten
oder anderen.“ (ID 121 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Vier-Augen-Prinzip, um bestmöglich abzusichern; […] manchmal kann es auch eine Absicherung vor Angriffen durch die Klienten sein; […].“ (ID 161 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Zusätzliche Einschätzung einer weiteren Fachkraft – Absicherung (eine Entscheidung muss
nicht alleine getroffen werden) – Unterstützung durch Kollegin in prekären Situationen.“ (ID 31
fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„[…] geringeres Gefahrenpotenzial für Sozialarbeiterinnen bei Auftreten zu zweit.“ (ID 266 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Das Vermeiden oder Verringern von blinden Flecken (Übersehen von Problematiken, aber
auch positiven Aspekten) oder Vorurteilen durch Reflexion und Austausch. […] Sicherheit und
Stütze für die Mitarbeiterinnen (physisch, psychisch).“ (ID 487 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Höhere Fachlichkeit und Qualitätsverbesserung durch fachlichen Austausch, weniger Fehlerquellen, größere Fairness und somit auch Sicherheit für Klientinnen, aber auch mehr Sicherheit
für Sozialarbeiterinnen.“ (ID 187 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Teilung von Verantwortung => Erhöhung der Belastbarkeit der fallführenden Sozialarbeiterinnen und Verbesserung der Entscheidungsqualität, Schutz der Klientinnen vor Willkür, Profitieren von Multiprofessionalität, Schutzfunktion für Sozialarbeiterinnen.“ (ID 507 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Situationen können umfassender erfasst werden, da z. B. eine Person sich auf das Gespräch
und eine sich auf die Beobachtung konzentrieren kann. In eventuell gefährlichen Situationen
kann zu zweit besser und schneller gehandelt werden (z. B.: Eine Person kann die Polizei rufen). Zwei Fachkräfte können eine Situation oft besser einschätzen, da beide über verschiedene
Erfahrungsschätze und teilweise auch Ausbildungen verfügen. Im Fall von Vorwürfen vonseiten
der Klientinnen bezüglich unfachlichem Verhalten der Sozialarbeiterinnen kann auf eine zweite
Fachperson als Zeugin zurückgegriffen werden“ (ID 556 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Die Möglichkeit, bei Gefährdungsabklärung gemachte Wahrnehmungen mit einer Kollegin zu
reflektieren, ist ein großer Vorteil. Besseres Krisenmanagement vor Ort, wenn zwei Kolleginnen
anwesend sind. Eigenschutz dadurch erhöht. Hilfeplanerstellung ist durch eine weitere Kollegin
umfassender und reflektierter“ (ID 782 fallführende/r Sozialarbeiter/in).
Durch die Absicherung und Sicherheit in der gemeinsamen Entscheidungsfindung wird ein
weiterer Vorteil beschrieben: Die Entlastung der fallführende/n Sozialarbeiter/innen durch
die Anwendung des Vier-Augen-Prinzips.
„Wirkt entlastend auf die ,Fallführung‘/Verantwortungsdruck, da der 2. Blick und die Einschätzung der Kollegin als wertvoll eingestuft werden kann.“ (ID 23 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„In der weiteren Fallbearbeitung ist es äußerst hilfreich, wenn es eine zweite Person im Team
gibt, welche die Familie und deren Umstände persönlich kennt. Dadurch entsteht auch eine
fachliche Entlastung für die Fallführende.“ (ID 56 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
„Zwei Einschätzungen statt einer, Möglichkeit für Austausch und bessere Diskussionsgrundlage, bessere Psychohygiene durch Entlastung.“ (ID 318 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Es bringt eine breitere Wahrnehmung und bessere Gefährdungseinschätzung sowie eine Entlastung der Sozialarbeiterinnen durch die gemeinsame Arbeit und die gemeinsame Verantwortung“ (ID 486 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
Auch in der Möglichkeit der Aufgabenteilung bzw. durch die besser geregelte Gesprächsführung sehen die fallführenden Sozialarbeiter/innen einen Vorteil. Mehr Möglichkeiten der
Gesprächsführung und -gestaltung werden dadurch für die Sozialarbeiter/innen eröffnet. So
kann z. B. eine Person das Gespräch führen und die zweite kann sich auf das Wahrnehmen
und Beobachten konzentrieren. Oder es können Gespräche mit unterschiedlichen Personen
(z. B. Elternteil, Kinder) parallel geführt werden. Häufig nennen fallführende Sozialarbeiter/innen diesbezüglich auch als Vorteil, auf die Strategie „good Cop/bad Cop“ zurückgreifen zu
können.
„[…] Einer ist mehr auf die Gesprächsführung gepolt, somit hat der zweite Zeit, sich umzusehen,
und auch auf Gestik und Mimik kann besser beobachtet werden.“ (ID 333 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Die Vorteile des Vier-Augen-Prinzips sind, dass zwei Personen mehr Dinge wahrnehmen können als einer. Die Aufgaben im Zuge einer Abklärung können aufgeteilt und somit besser erledigt werden. Eine gegenseitige Kontrolle der Sozialarbeiterinnen stellt sicher, dass fachlich korrekt gearbeitet wird und nicht durch ,Freunderl-Wirtschaft‘ Meldungen unter den Tisch gekehrt
werden.“ (ID 130 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Eine Person kann sich auf das Gespräch und die andere auf die Interaktion mit den Kindern
konzentrieren. Bei Hausbesuchen wird ,mehr‘ gesehen und bemerkt. Geteilte Verantwortung.
Erfahrungen können ausgetauscht werden. Fachgespräche können leichter geführt werden, da
Kolleginnen Familien auch kennen. Oft haben Sozialarbeiterinnen auch verschiedene Wertehaltungen, die zu Diskussionen und Umdenken führen.“ (ID 758 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
Eng mit der Aufgabenteilung verknüpft, schildern die fallführenden Sozialarbeiter/innen einen
weiteren Vorteil des Vier-Augen-Prinzips. Durch die Tatsache, dass zwei Personen zentrale
Aufgaben in der Fallarbeit übernehmen, ist dies auch ein Vorteil im Hinblick auf die Kontinuität
in der Fallarbeit bei Krankenständen bzw. Urlaub. Dadurch, dass eine zweite Person die
Familie bzw. die beteiligten Personen kenne und fachlich in den Fall eingedacht sei, ergebe
sich im Idealfall eine Kontinuität in der Betreuung der Familien.
„Die Stabilität im Prozess der Begleitung, da die Vertretung damit in besserer Qualität gewährleistet ist und schneller an den bisherigen Verlauf anknüpfen kann.“ (ID 487 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Vorteil bei weiterer Bearbeitung des Falles – bei krankheitsbedingtem Ausfall eines Kolllegen/einer Kollegin gibt es stets jemanden Zweiten, der sich auskennt.“ (ID 382 fallführende/r
Sozialarbeiter/in)
„Kennenlernen und Einbindung in Fälle von Kolleginnen und dadurch bessere Vertretung möglich. Das Vier-Augen-Prinzip bewerte ich grundsätzlich als etwas sehr Positives und Wertvolles
für unsere Arbeit, allerdings ist es mangels Finanzierung und Personalressourcen nicht möglich,
50
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
dies so umzusetzen, wie es vom Gesetzgeber gefordert wird.“ (ID 384 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
Fallführende Sozialarbeiter/innen schildern aber nicht nur Vorteile in Bezug auf die eigene Arbeitssituation, sondern auch mit Blick auf die Klienten/innen selbst, die durch diesen Arbeitsansatz profitieren. Klienten/innen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe haben durch
die Anwesenheit von zwei Personen auch zwei Ansprechpartner und können somit ihre Vertrauensperson in einem gewissen Sinne auswählen. Zudem sind Klienten/innen stärker vor
der „Willkür“ sowie „Fehleinschätzung“ von einzelnen Sozialarbeiter/innen geschützt – von einem/einer Sozialarbeiter/in wurde dies als eine „Art von Konsumentenschutz für Klienten/innen“ (ID 709 fallführende/r Sozialarbeiter/in) bezeichnet.
„Absicherung der Familien betreffend Einschätzung der Gefährdung (Gefahr von Willkür oder
Entscheidung aufgrund persönlicher Haltung/Einstellung der Sozialarbeiterinnen ist minimiert),
bessere Reflexion, da vier Augen mehr sehen/hören/denken.“ (ID 892 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Klientinnen haben zwei Personen ihres Vertrauens.“ (ID 360 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Schutz für die Familien vor Urteilen durch Vorurteile.“ (ID 455 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Familien können sich in einem Gespräch ihre bevorzugte Ansprechperson mehr oder weniger
aussuchen (z. B. unterschiedliches Geschlecht, Alter etc.).“ (ID 555 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Familien fühlen sich noch mehr ernstgenommen, wirkt professioneller, man kann in keine Routinefalle tappen.“ (ID 563 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Vorteil für die Familie – Einschätzung erfolgt nicht nur durch eine DSA [Diplom- Sozialarbeiter/in, Anmerkung Verfasser/in].“ (ID 823 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
In seiner Anwendung wurde das Vier-Augen-Prinzip nicht nur mit Vorteilen
Nachteile bzw.
beschrieben, die fallführenden Sozialarbeiter/innen nutzten auch die MögKritikpunkte des
lichkeit, im Rahmen einer offenen Frage die Nachteile bzw. Kritikpunkte an
Vier-Augen-Prinder praktischen Umsetzung dieser Arbeitsweise in der Praxis aufzuzeigen.
zips
Allerdings ist anzumerken, dass rund jeder/jede fünfte fallführende
Sozialarbeiter/in bewusst gesagt und geschrieben hat, es gebe keine
Nachteile des Vier-Augen-Prinzips. Lediglich ein geringer Teil (rund 4 %) aller befragten
fallführenden Sozialarbeiter/innen hat keine Angaben bei dieser Frage gemacht. Zusätzlich
haben etliche Befragte ihre Rückmeldung damit angefangen, dass sie keine Nachteile sähen,
aber … Dann folgten oft die Aussagen, dass es keine Nachteile gäbe, wenn genug Personal
vorhanden wäre oder genügend Zeit zur Verfügung stehen würde. Diese Aussagen wurden in
der Auswertung dann der jeweiligen Kategorie zugeordnet, da das „keine“ an bestimmte
Bedingungen geknüpft wurde. Exemplarisch eine typische Aussage dazu:
„Ich sehe keine Nachteile im Vier-Augen-Prinzip. Das einzige Problem ist, dass aufgrund mangelnder Ressourcen dieser sehr wichtige Standard nicht immer eingehalten werden kann.“ (ID
962 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Der am häufigsten beschriebene Nachteil sind die mangelnden personellen und zeitlichen
Ressourcen
der
Sozialarbeiter/innen.
Generell
schildern
die
fallführenden
Sozialarbeiter/innen eine starke Auslastung mit (Betreuungs-)Fällen. Die im B-KJHG
eingeführten Neuerungen in Bezug auf die tägliche Arbeitsweise spiegeln sich aus ihrer Sicht
in keiner Weise in den zur Verfügung gestellten zeitlichen und personellen Ressourcen wider.
Es sind zu viele Fälle, die zu bearbeiten sind, und zu wenig Personal, das dafür zur Verfügung
steht. Kleine Teams stoßen in der Umsetzung des Vier-Augen-Prinzips grundsätzlich an ihre
Grenzen, weil z. B. keine zweite Person verfügbar ist. Auch ergeben sich personelle Engpässe
in spezifischen Zeiten bei der Umsetzung des Vier-Augen-Prinzips, z. B. bei Urlaub oder
längeren Krankenständen von Kolleg/innen. Auch die eigene Arbeit muss durch die Begleitung
eines fallführenden Sozialarbeiters/einer fallführenden Sozialarbeiterin hinten angestellt bzw.
aufgeschoben werden, was zu einem weiteren Zeitdruck führt.
„Hoher zeitlicher Aufwand bei gleichbleibender Fallzahl pro Sozialarbeiter. Es bräuchte bei umfassender Umsetzung eine wesentlich höhere Mitarbeiteranzahl.“ (ID 22 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Zeitaufwand. Teilweise zu wenig Personal, um dem Vier-Augen-Prinzip in der regulären Arbeitszeit nachzukommen, und folglich Überstundenanhäufung bei gemeinsamen Abklärungsgesprächen. Prinzipiell stelle ich die Sinnhaftigkeit mitnichten infrage!“ (ID 30 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Mehr Zeitaufwand; wenn man mit eigenen Fällen sehr eingedeckt ist, ist eine Teilnahme bei
Terminen für andere Kolleginnen fast unmöglich; es wird dringend mehr Fachpersonal benötigt,
um das Vier-Augen-Prinzip befriedigend umzusetzen.“ (ID 86 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Personelle Ressourcen nicht vorhanden, dadurch Zeitverzögerung bei Abklärungen.“ (ID 121
fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Die gesetzlich verankerte Verpflichtung macht die SAin bei Nichteinhaltung haftbar. Es wurde
ein Gesetz geschaffen, ohne den Mehraufwand (ausreichend) zu berücksichtigen! Die fehlenden personellen Ressourcen (die minimalen Erhöhungen kompensieren den entstehenden
Mehraufwand in keiner Weise) und damit einhergehenden Risiken werden rücksichtslos auf die
einzelne SAin abgewälzt. Die Qualitätssteigerung am Papier kann unter diesen Konditionen
nicht als solche bei den betreuten Familien ankommen.“ (ID 196 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Es ist jetzt sehr zeitaufwendig, es braucht viel mehr Abstimmung als vorher, wurde zum Teil
viel komplizierter und langwieriger. Durch den zeitlichen Mehraufwand und dazu die ständig
steigenden Fallzahlen entsteht durch die zeitliche Mehrbelastung durch die im Vier-Augen-Prinzip durchgeführte Gefährdungseinschätzung zusätzlicher Druck und Belastung bei einer großen
Anzahl der Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe.“ (ID 73 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Nachteile gibt es nur dann, wenn die zweite Person, mit der Mann oder Frau die Gefährdungsabklärung macht, nicht anwesend ist, dann müssen wir schauen, ob eine andere Sozialarbeiterin zur Verfügung steht. Zur Erläuterung: Wir sind eine kleine Bezirkshauptmannschaft und daher ist uns nur ein Dienstposten zur Gefährdungsabklärung, der auch besser bezahlt wird, zugestanden. Das kann ein Manko sein. Ansonsten ist das Vier-Augen-Prinzip immer von Vorteil
– zwei unterschiedliche Sichtweisen, vier Augen und vier Ohren, verschiedene Auffassungen.“
(ID 904 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
„Zu wenige personelle Ressourcen, um das Vier-Augen-Prinzip regelmäßig umsetzen zu können. Ständige Unterbesetzung, ständige Überarbeitung aller Kolleginnen und Kollegen.“ (ID 893
fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Trotz der Aufstockung des Personals ist das Arbeitspensum noch immer sehr hoch. Wenn man
als zweite Person einen Fall begleitet, muss man natürlich die eigenen Fälle zurückstellen. Da
kann aber das 4AP nichts dafür, dass die Arbeitsbelastung generell sehr hoch ist.“ (ID 831 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Großteils aufgrund der Überlastung ein zeitliches Problem. Es würde halt doch auch in Wien
einer Aufstockung bedürfen; nur weil wir das schon länger machen, heißt das nicht, dass das
nicht schon immer ein Spagat war.“ (ID 762 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
Eng mit den zeitlichen Ressourcen verknüpft ist ein weiterer genannter, ganz praktischer
Nachteil des Vier-Augen-Prinzips: Die Koordination von Terminen. Dadurch, dass zwei Personen einen gemeinsamen Termin mit einer Familie oder bestimmten Familienmitgliedern finden müssen, wird die Terminfindung oft erschwert. Dadurch kann es zu Verzögerungen in der
Bearbeitung des Falles kommen. Es erfordert von allen Beteiligten mehr Absprache, Koordination und Zeitmanagement. In Regionen, die grundsätzlich nicht stark mit Sozialarbeiter/innen in der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe besetzt sind, gestaltet sich die Terminkoordination noch schwieriger.
„Mehr Koordination nötig, dauert manchmal, bis beide Zeit haben.“ (ID 236 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Verfügbarkeit der zweiten Kollegin, z. B. in Außenstellen und zu gewissen Tageszeiten (später
Nachmittag). Dadurch evtl. längere Vorlaufzeit, bis z. B. Hausbesuch durchgeführt werden
kann.“ (ID 471 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Terminfülle kann Terminvereinbarung erschweren und erhöht die zeitliche Belastung. Besonders Abendtermine sind schwierig zu belegen.“ (ID 608 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Knappe zeitliche Ressourcen jeder Mitarbeiterin erschwert Terminfindung.“ (ID 708 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„[…] In weitläufigen Bezirken mit Außenstellen ist es sehr schwierig, Kollegen zu Hilfe zu kommen, wenn es weite Fahrstrecken gibt.“ (ID 112 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
Auch bei den möglichen negativen Effekten des Vier-Augen-Prinzips äußern die fallführenden
Sozialarbeiter/innen Bedenken hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf die Familien
selbst. So kann es durch zwei Personen zu mehr Irritationen bei den Familien kommen, und
dies könnte die Gesprächsbasis bzw. das Vertrauensverhältnis negativ beeinflussen. Vor allem Kinder werden von einigen Sozialarbeiter/innen explizit genannt, die durch die Anwesenheit von zwei (fremden) Personen überfordert sein könnten.
„Manche Familien sind durch die Anwesenheit einer ihnen fremden Person irritiert und ziemlich
sicher wirkt sich diese Irritation auf die Gesprächsqualität aus. Zu empfehlen ist, wenn möglich,
im Vier-Augen-Prinzip die Begleitperson nicht zu wechseln.“ (ID 380 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
„Teilweise Überforderung der Klientinnen durch die Teilnahme von zwei Personen des Amtes
am Gespräch.“ (ID 450 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Vor allem auf Kinder wirkt eine Gesprächssituation mit zwei Personen oft einschüchternder.“
(ID 776 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Klienten mit zu viel Fachpersonal am Gesprächstisch oftmals irritiert und geben weniger von
sich preis.“ (ID 966 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
Die offene Antwortmöglichkeit, Vor- und Nachteile des Vier-Augen-PrinVier-Augen-Prinzips anzugeben, wurde auch für grundsätzlich kritische Bemerkungen gezip als Alibi?
nutzt. Ein wiederkehrendes Thema war die Halbherzigkeit der Einführung
des Vier-Augen-Prinzips. Das Prinzip ist in seiner Umsetzung in der Praxis personal- und zeitintensiv, dieser Umstand wurde aber aus Sicht der Praxis nicht entsprechend bei der Einführung mit bedacht. So wird das Vier-Augen-Prinzip in ganz unterschiedlichen Formen in der
Praxis umgesetzt, z .B., indem zwei Personen ein Gespräch bzw. eine Gefährdungsabklärung
durchführen oder in der Form einer Unterschrift eines/einer Kollegen/in als zweites Augenpaar.
So beschreiben die fallführenden Sozialarbeiter/innen zum Teil die gesetzliche Verankerung
des Vier-Augen-Prinzips als eine „Alibi“-Aktion bzw. auch als eine Art „Placebo“, weil dieses
ihrer Meinung nach nicht in der Praxis umgesetzt werden kann.
„Es sollte sichergestellt werden, dass das Vier-Augen-Prinzip der Intention nach zur tatsächlichen Anwendung kommt, eine reine ,Alibi-Aktion‘ (Routine) im Abklärungsprozess sollte es nicht
darstellen.“ (ID 23 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Die Entlastung, dass eine Entscheidung auf zwei Schultern lastet; ob dies ein Vorteil ist, ist
fraglich. Meiner Ansicht nach ist es eher nur ein Placebo. Bei der großen Menge an zu bearbeitenden Fällen bleibt für das Vier-Augen-Prinzip oftmals wenig Zeit. Ich glaube auch, dass es nur
eine Form der Politik ist, sich selbst zu entlasten – falls das Vier-Augen-Prinzip nämlich nicht
eingehalten wurde, dann gibt es einen Schuldigen.“ (ID 153 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Die Frage ist aus meiner Sicht falsch formuliert, denn im Sinne der Überprüfung vor Ort ist dies
gesetzlich nicht verpflichtend, sondern nur in Verordnungen geregelt. Diese Verordnungen sehen das Vier-Augen-Prinzip auch nur in gewissen Anforderungssituationen vor. Ergänzend gibt
es keine Ressourcen für das Vier-Augen-Prinzip und es soll qualitativer und intensiver gearbeitet werden, dies ist nicht möglich.“ (ID 541 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Vier-Augen-Prinzip findet nur in ,versetzter Form‘, also nachträglich statt. Dort wird dann nur
der persönliche Eindruck der zuständigen DSA als Grundlage dienen – kein zweites Augenpaar,
sondern nur eine Quasi-Reinwaschung für die erste DSA. Für echtes Vier-Augen-Prinzip
müsste eine zweite DSA bei einer Gefährdungsabklärung anwesend sein bzw. mitfahren können – dafür reicht die aktuelle Besetzung nicht aus.“ (ID 593 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
5.2 Anwendung des Vier-Augen-Prinzips in der Praxis fallführender
Sozialarbeiter/innen
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
In Tabelle 5 wurde der aktuelle Stand der Ausführungsgesetze der Bundesländer zur Anwendung des Vier-Augen-Prinzips (verpflichtend oder erforderlichenfalls) dargestellt. Neben dem
zum Teil verpflichtenden Charakter der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips dürfte aber auch
die eben beschriebene positive Einstellung der fallführenden Sozialarbeiter/innen diesem Arbeitsprinzip gegenüber zur aktuell hohen Anwendung desselben in der Praxis beitragen. Aber
auch für die Zeit vor der Einführung des B-KJHG 2013 bestätigen 85,3 % der fallführenden
Sozialarbeiter/innen, das Vier-Augen-Prinzip bereits angewendet zu haben (ohne Abbildung).
Nahezu alle der befragten fallführenden Sozialarbeiter/innen (97,1 %) geben an, das Vier-Augen-Prinzip aktuell (nach Einführung des B-KJHG) zur Einschätzung einer Gefährdung nach
einer Meldung über Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls „immer“ bzw. „meistens“ anzuwenden. „Immer“ wenden das Vier-Augen-Prinzip drei von vier fallführenden Sozialarbeiter/innen (71,8 %) an. Ein ähnlich hoher Umsetzungsgrad des Vier-Augen-Prinzips zeigt sich
auch bei der Eignungsbeurteilung von Pflegepersonen und Adoptiveltern – acht von zehn fallführenden Sozialarbeiter/innen (80,7 %) wenden das Vier-Augen-Prinzip „immer“ bzw. „meistens“ bei der Eignungsbeurteilung von Pflegepersonen bzw. 80,3 % von Adoptiveltern an.
Deutlich weniger findet das Vier-Augen-Prinzip seinen Einsatz im Rahmen der Hilfeplanerstellung. Am häufigsten wenden fallführende Sozialarbeiter/innen das Vier-Augen-Prinzip bei der
Erstellung des Hilfeplans an – hier geben mehr als die Hälfte der fallführenden Sozialarbeiter/innen (57,3 %) an, das Vier-Augen-Prinzip „immer“ bzw. „meistens“ anzuwenden (23,2 %
wenden es „immer“ an). Bei allen anderen Arbeitsschritten des Hilfeplans wird das Prinzip
deutlich weniger eingesetzt. So führen 39,3 % aus, das Vier-Augen-Prinzip „immer“ bzw.
„meistens“ bei Änderung der Erziehungshilfe einzusetzen und 31,2 % beim Abschluss der Erziehungshilfe.
Fallführende Sozialarbeiter/innen, die erst ab 2013 in der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind,
setzen das Vier-Augen-Prinzip im Rahmen der Gefährdungsabklärung signifikant häufiger „immer“ ein, als dies Sozialarbeiter/innen tun, die bereits vor 2013 in der Kinder- und Jugendhilfe
tätig waren. Dies trifft auch auf weibliche fallführende Sozialarbeiterinnen sowie Sozialarbeiterinnen in Leitungsfunktion zu (ohne Abbildung).
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 32: Bereiche, in denen das Vier-Augen-Prinzip angewendet wird
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V04.
Die Einführung des B-KJHG hatte nur zum Teil Auswirkungen auf den Einsatz des Vier-AugenPrinzips in der Praxis. Rund die Hälfte der fallführenden Sozialarbeiter/innen (48,7 %) gibt an,
im Rahmen der Gefährdungsabklärung das Vier-Augen-Prinzip (eher) nicht anders anzuwenden als vor der Einführung des B-KJHG. Für 15,0 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen hat
sich allerdings die Anwendung des Vier-Augen-Prinzips im Rahmen der Gefährdungsabklärung deutlich verändert. Im Bereich der Hilfeplanerstellung zeigt sich, dass ein noch größerer
Anteil der Sozialarbeiter/innen (62,1 %) das Vier-Augen-Prinzip (eher) nicht anders anwendet
als vor der Einführung des B-KJHG.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 33: Handhabung des Vier-Augen-Prinzips im Vergleich zu vor Einführung des
B-KJGH
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Nur jene, die vor 2013 tätig waren. Frage V05 und
V15.
Schriftliche Standards stehen den fallführenden Sozialarbeiter/innen primär für die Gefährdungsabklärung zur Verfügung. Drei Viertel (79,1 %) der Befragten geben an, dass ihnen
schriftliche Standards bei der Gefährdungsabklärung vorliegen, gegenüber rund der Hälfte
(55,7 %), denen schriftliche Standards für die Erstellung des Hilfeplans dienen.
Abbildung 34: Kenntnisstand, ob in Einrichtung schriftliche Standards zur Anwendung des VierAugen-Prinzips vorliegen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V07 und V14.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
5.2.1 Form der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips in der Gefährdungsabklärung
Bereits in der Beschäftigung und der Erstellung der Konzeption für die vorliegende Befragung
wurde ersichtlich, dass die Form der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips in der Praxis der
fallführenden Sozialarbeiter/innen ganz unterschiedlich gehandhabt werden kann. Aufgrund
des hohen Verpflichtungscharakters im Rahmen der Gefährdungsabklärung wurden für diesen
Arbeitsbereich die folgenden Formen des Vier-Augen-Prinzips in der Studie erhoben:
Tabelle 6: Abgefragte Anwendungsformen des Vier-Augen-Prinzips bei Gefährdungsabklärung
Anwendungsformen des Vier-Augen-Prinzips bei Gefährdungsabklärung
a.
b.
c.
d.
e.
f.
g.
h.
Einschätzung der Sachlage durch zwei qualifizierte Fachkräfte (z. B. gemeinsamer Hausbesuch, gemeinsames Gespräch mit dem/der Minderjährigen)
Fachgespräch mit der leitenden Sozialarbeiterin/dem leitenden Sozialarbeiter zu
Beginn
Fachgespräch mit der leitenden Sozialarbeiterin/dem leitenden Sozialarbeiter
zum Abschluss
interner kollegialer Austausch (z. B. Teambesprechungen, kollegiale Beratung,
Intervision)
fallspezifische Helfer/innenkonferenzen (inkl. externe Kolleg/innen)
Unterschrift der leitenden Sozialarbeiterin/des leitenden Sozialarbeiters bei abschließender Gefährdungseinschätzung
Unterschrift der/des Amts- bzw. Gruppenleiterin/-leiters
Andere
Quelle: Eigene Darstellung ÖIF. Frage V08 und F09.
Im Rahmen der Gefährdungsabklärung ist die Einschätzung der Sachlage durch zwei qualifizierte Sozialarbeiter/innen (Form A) die am häufigsten genannte Form des Vier-Augen-Prinzips – neun von zehn fallführenden Sozialarbeiter/innen (93,0 %, aktuell) geben an, diese
Form „immer“ bzw. „meistens“ einzusetzen. Die am zweithäufigsten genannte Form ist der
interne kollegiale Austausch (Form D). Dies trifft für beide im Rahmen der Studie abgefragten
Zeitpunkte zu: die Anwendung des Vier-Augen-Prinzips zum aktuellen Zeitpunkt, also nach
Einführung des B-KJHG, aber auch auf die Anwendung vor der Einführung des B-KJHG.
Eine Gegenüberstellung der Form des Vier-Augen-Prinzips, wie es aktuell zum Einsatz kommt
und wie es vor der Einführung des B-KJHG zur Anwendung kam, zeigt deutliche Unterschiede
darin, wie häufig es in der Praxis der Gefährdungsabklärung angewendet wurde bzw. wird.
Obwohl die Befragten angaben, dass das Vier-Augen-Prinzip bereits vor der Einführung gängige Praxis war, zeigt die Gegenüberstellung deutlich, dass seit der Einführung des B-KJHG
alle Formen des Vier-Augen-Prinzips in der Praxis deutlich häufiger „immer“ bei Gefährdungsabklärung angewendet werden, als dies noch vor der Einführung des B-KJHG 2013 der Fall
war. So wenden z. B. fallführende Sozialarbeiter/innen seit Einführung des B-KJGH (aktuell)
das Vier-Augen-Prinzip zu 54,0 % „immer“ in der Form an, dass sie die Einschätzung der
Sachlage durch zwei qualifizierte Fachkräfte vornehmen, gegenüber 24,6 %, die diese Form
vor der Einführung des B-KJGH 2013 angewendet haben.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 35: Form der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips bei der Gefährdungsabklärung,
aktuell und vor Einführung des B-KHG
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V08. Sowie alle Befragten, die
angaben, bereits vor der Einführung des B-KJHG das Vier-Augen-Prinzip angewendet zu haben. V09. Buchstaben
geben die Form des Vier-Augen-Prinzips wieder, siehe Tabelle 6.
Signifikante Unterschiede zeigen sich auch in Bezug auf die Tätigkeitsdauer bei der Kinderund Jugendhilfe. Sozialarbeiter/innen, die ab 2013 in der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind,
geben signifikant häufiger an, das Vier-Augen-Prinzip in der Gefährdungsabklärung aktuell
„immer“ anzuwenden, als dies Sozialarbeiter/innen tun, die bereits vor 2013 in der Kinder- und
Jugendhilfe tätig waren.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 36: Form der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips bei der Gefährdungsabklärung,
nach Tätigkeitsdauer in der KJH
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V08. Buchstaben geben die
Form des Vier-Augen-Prinzips wieder, siehe Tabelle 6.
Eine Analyse, inwieweit die unterschiedlichen Formen des Vier-Augen-Prinzips in der Praxis
miteinander kombiniert werden, zeigt deutlich, dass es nicht eine zentrale Form gibt, in der
das Vier-Augen-Prinzip angewendet wird. Das Vier-Augen-Prinzip kommt in der Praxis primär
über die Kombination unterschiedlicher Formen des Vier-Augen-Prinzips zur Anwendung. Allerdings stellt die Form des Vier-Augen-Prinzips, in der die Einschätzung der Sachlage im
Rahmen der Gefährdungsabklärung durch zwei Fachkräfte erfolgt (Form A), die zentralste
Form dar. Von den fallführenden Sozialarbeiter/innen wird so gut wie keine Kombinationsform
genannt, in der die Form A nicht Bestandteil der Kombination ist. Die am häufigsten genannte
Kombination ist jene, in der alle abgefragten Formen des Vier-Augen-Prinzips in der Praxis
kombiniert werden (30,1 %) – also die Formen A bis G. Das heißt, knapp ein Drittel der fallführenden Sozialarbeiter/innen wendet im Rahmen der Gefährdungsabklärung alle abgefragten
Formen zumindest „selten“ in der Praxis an. Die am zweithäufigsten genannte Kombination
(28,5 %) umfasst ebenfalls alle abgefragten Formen des Vier-Augen-Prinzips, jedoch ohne die
Form, in der die Unterschrift der/des Amts- bzw. Gruppenleiterin/-leiters eingeholt wird (Form
G).
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 37: Kombinationen der unterschiedlichen Formen der Anwendung des Vier-AugenPrinzips
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V08. Alle jene, die zumindest
die Kategorie „immer“, „meistens“ oder „selten“ genannt haben.
Die Wahl der Form des Vier-Augen-Prinzips im Prozess der Gefährdungsabklärung scheint
stark durch das Absicherungsbedürfnis der fallführenden Sozialarbeiter/innen bestimmt zu
sein. So stellt die Form der Einschätzung der Sachlage durch zwei qualifizierte Fachkräfte
(Form A) die am häufigsten eingesetzte Form in Kombination mit anderen Formen dar. Sie ist
auch gleichzeitig jene, die den fallführenden Sozialarbeiter/innen besonders das Gefühl von
Sicherheit bei einer Gefährdungsabklärung gibt: Neun von zehn fallführenden Sozialarbeiter/innen (92,6 %) nennen diese Form. Rund drei Viertel (72,3 %) führen weiter den internen
kollegialen Austausch (Form D) als eine Form des Vier-Augen-Prinzips an, welche ihnen besonders das Gefühl von Sicherheit in der Gefährdungsabklärung gibt.
Abbildung 38: Form der Zusammenarbeit in der Gefährdungsabklärung, die das Gefühl von Sicherheit gibt
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V10. Mehrfachantworten möglich.
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Auch in Bezug auf die am häufigsten genannten Kombinationsmöglichkeiten der unterschiedlichen Formen des Vier-Augen-Prinzips zeigt sich, dass die Einschätzung der Sachlage durch
zwei Fachkräfte (Form A) die absolut dominante Form in Bezug auf das Gefühl von Sicherheit
bei der Gefährdungsabklärung ist – diese Form wird in 93,6 % der Kombinationen genannt
(ohne Abbildung). Jede/Jeder fünfte fallführende Sozialarbeiter/in (21,4 %) nennt eine Kombination aus der Einschätzung der Sachlage durch zwei Fachkräfte (Form A), dem Fachgespräch mit dem/der leitenden Sozialarbeiter/in (Form B) sowie dem internen kollegialen Austausch (Form D). Diese Kombination wird am häufigsten genannt.
Abbildung 39: Kombinationen der Form der Zusammenarbeit, die Sicherheit gibt in der Gefährdungsabklärung
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V10. Mehrfachantworten möglich.
Eine Form des Vier-Augen-Prinzips in der Praxis der Gefährdungsabklärung einzusetzen,
scheint aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen so gut wie immer möglich zu sein. Auf
die Frage, wie oft das Vier-Augen-Prinzip nicht eingesetzt werden kann, wenn man bei Gefahr
im Verzug handelt, antworten lediglich 3,9 %, dass dies „häufig“ vorkomme, und knapp jede/jeder zehnte Befragte (9,2 %) gibt „manchmal“ an. Knapp die Hälfte der fallführenden Sozialarbeiter/innen (45,1 %) sagt allerdings, dass dies „nie“ vorkommt.
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Abbildung 40: Nichteinhaltung des Vier-Augen-Prinzips in der Gefährdungsabklärung bei Gefahr
im Verzug
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V11.
Gefragt nach den Gründen, warum das Vier-Augen-Prinzip im Rahmen der Gefährdungsabklärung bei Gefahr im Verzug nicht eingesetzt werden kann, wird hauptsächlich der Zeitdruck
(51,0 %), dass schnell gehandelt werden muss, sowie die nicht verfügbare zweite Fachkraft
(43,9 %) genannt.
Abbildung 41: Gründe, warum das Vier-Augen-Prinzip bei Gefahr im Verzug im Rahmen der Gefährdungsabklärung nicht angewendet wird
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Nur jene Befragten, die bei Frage V11 angegeben
haben, das Vier-Augen-Prinzip „häufig“, „manchmal“ oder „selten“ nicht angewendet zu haben. Frage V12. Mehrfachantworten möglich.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
5.2.2 Form der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips im Arbeitsbereich des Hilfeplans
Wie bereits im Überblick zu den Bereichen, in denen das Vier-Augen-Prinzip in der Praxis zur
Anwendung kommt, gezeigt wurde, kommt dieses Arbeitsprinzip im Bereich des Hilfeplans
mehrheitlich „selten“ bzw. „nie“ zum Einsatz. Lediglich bei dem Arbeitsschritt der Einleitung
bzw. bei der Vereinbarung der Erziehungshilfe geben die fallführenden Sozialarbeiter/innen
größtenteils an, das Vier-Augen-Prinzip „immer“ bzw. „meistens“ einzusetzen (siehe Abbildung
35). Dies trifft auf die Schritte der Änderung bzw. des Abschlusses der Erziehungshilfe nicht
zu. Auch ein Blick auf die Regelungen innerhalb der einzelnen Bundesländer zeigt, dass die
meisten in Bezug auf den Einsatz des Vier-Augen-Prinzips im Rahmen des Hilfeplans bei der
Formulierung „erforderlichenfalls“ des B-KJHG geblieben sind und diese nicht als Verpflichtung in den Ausführungsgesetzen gestaltet haben, wie z. B. die Anwendung bei der Gefährdungsabklärung (siehe Tabelle 5).
Die vorliegende Studie fokussierte bezüglich der Form der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips beim Arbeitsbereich Hilfeplan auf die Hilfeplanerstellung, konkret auf die Anwendung bei
der „Unterstützung der Erziehung“ sowie der vollen Erziehung“. Für diese Bereiche wurden
drei Formen des Vier-Augen-Prinzips unterschieden:
a) Fachgespräch mit dem/der leitenden Sozialarbeiter/in,
b) Hilfeplanerstellung gemeinsam mit professionellen Helfer/innen,
c) Fallverlaufskonferenzen.
Die bevorzugte Form des Vier-Augen-Prinzips im Rahmen der Hilfeplanerstellung, sowohl bei
der Unterstützung zur Erziehung als auch bei der vollen Erziehung, stellt das Fachgespräch
mit dem/der leitenden Sozialarbeiter/in dar. In Bezug auf die Tätigkeitsdauer in der Kinder- und
Jugendhilfe zeigt sich, dass fallführende Sozialarbeiter/innen, die erst seit 2013 in der Kinderund Jugendhilfe tätig sind, etwas häufiger das Fachgespräch mit dem/der leitenden Sozialarbeiter/in nennen, als dies Personen tun, die bereits vor 2013 in der Kinder- und Jugendhilfe
tätig waren (69,7 % versus 62,4 %). Personen, die bereits länger in der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind, tendierten etwas häufiger zur Hilfeplanerstellung gemeinsam mit professionellen Helfer/innen bzw. im Rahmen von Fallverlaufskonferenzen.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 42: Form des Vier-Augen-Prinzips bei Unterstützung der Erziehung und der vollen
Erziehung
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V16. Mehrfachantworten möglich.
Bei der Hilfeplanerstellung kommt das Vier-Augen-Prinzip deutlich häufiger in nur einer Form
zum Einsatz, als dies im Arbeitsbereich der Gefährdungsabklärung der Fall ist. Im Bereich der
Gefährdungsabklärung konnte gezeigt werden, dass die unterschiedlichen Formen des VierAugen-Prinzips fast ausschließlich in unterschiedlichen Kombinationen zum Einsatz kommen.
Im Bereich der Hilfeplanerstellung ist dies anders. So geben bei der Hilfeplanerstellung im
Rahmen der Unterstützung zur Erziehung 44,8 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen nur
eine bestimmte Form (A, B oder C) des Vier-Augen-Prinzips an, im Rahmen der vollen Erziehung sind es 36,7 %.
Die häufigste Form des Vier-Augen-Prinzips im Rahmen der Unterstützung zur Erziehung ist
das Fachgespräch mit dem/der leitenden Sozialarbeiter/in (Form A), diese Form wird von rund
einem Viertel der fallführenden Sozialarbeiter/innen (24,0 %) genannt. Die zweithäufigste
Form (18,2 %) bei der Unterstützung zur Erziehung ist eine Kombination aus allen drei abgefragten Formen (Form A + Form B + Form C). Die Kombination aller drei abgefragten Formen
des Vier-Augen-Prinzips ist auch die häufigste Form der Hilfeplanerstellung im Rahmen der
vollen Erziehung (25,9 %).
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Abbildung 43: Kombinationen der Form des Vier-Augen-Prinzips bei Unterstützung der Erziehung und der vollen Erziehung
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V16.
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6 Professionalisierung
Impulse zu geben für einheitliche Standards und eine weitere Professionalisierung der Fachkräfte war eine weitere Zielsetzung der Neufassung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2013. In der wirkungsorientierten Folgenabschätzung wird der Ausgangszustand, also
vor Einführung des B-KJHG 2013, so beschrieben, dass die fachlichen Standards in den Bundesländern unterschiedlich und meist nicht auf gesetzlicher Ebene geregelt waren. Als Zieldefinition für das B-KJHG 2013 wurde festgeschrieben, Mindestanforderungen im Hinblick auf
fachliche Standards im Grundsatzgesetz festzulegen, die in den Ausführungsgesetzen der
Bundesländer näher determiniert werden sollten (siehe Erläuterungen zum Gesetz, mit der
wirkungsorientierten Folgenabschätzung 2191 der Beilage XXIV.GP11).
Im Sinne einer Professionalisierung und der Festlegung von Standards wurden im Rahmen
der Evaluierung unterschiedliche Aspekte aufgenommen. Einerseits ging es um die Verankerung von fachlichen Standards im Rahmen der Gefährdungsabklärung sowie der Hilfeplanerstellung und Hilfeplanüberprüfung, aber auch um die in Anspruch genommene Fort- und Weiterbildung sowie den Aspekt der Supervision. Die einzelnen Bereiche wurden in unterschiedlichem Ausmaß unter fallführenden Sozialarbeiter/innen und den Fachkräften erhoben, aber
zum Teil durchaus ähnlich, um einen Vergleich der unterschiedlichen Zielgruppen zu ermöglichen.
6.1 Fachliche Standards in der Einrichtung
Im Rahmen der quantitativen Befragung von fallführenden Sozialarbeiter/innen sowie der
Fachkräfte wurden Fragen gestellt, die einen Eindruck erlauben, inwieweit aus Sicht der Befragten zum einen fachliche Standards vorliegen für ein strukturiertes Vorgehen in der Gefährdungsabklärung bzw. der Mitteilung über den Verdacht einer Gefährdung von Kindern und
Jugendlichen, und zum anderen Standards für die Hilfeplanerstellung sowie die Hilfeplanüberprüfung.
Standards für das strukturierte Vorgehen bei der Gefährdungsabklärung sowie bei der Hilfeplanerstellung und Hilfeplanüberprüfung sind mehrheitlich bei den fallführenden Sozialarbeiter/innen gegeben. Neun von zehn fallführenden Sozialarbeiter/innen sagen, dass in ihrer
Einrichtung Standards für ein strukturiertes Vorgehen bei der Gefährdungsabklärung (91,5 %)
und im Rahmen der Hilfeplanerstellung bzw. Hilfeplanüberprüfung (88,1 %) vorliegen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verschriftlichung der standardisierten Anwendung des
Vier-Augen-Prinzips in diesen beiden Arbeitsbereichen. Im Rahmen der Gefährdungsabklärung liegen bei acht von zehn (79,1 %) der fallführenden Sozialarbeiter/innen schriftliche Standards vor. Bei der Bearbeitung des Hilfeplans ist die Anwendung des Vier-Augen-Prinzips
deutlich geringer in schriftlicher Form geregelt: Bei rund der Hälfte der fallführenden Sozialarbeiter/innen (55,7 %) liegen schriftliche Standards zum Vier-Augen-Prinzip beim Hilfeplan vor,
bei rund einem Drittel (30,2 %) allerdings nicht.
Erläuterungen zum Gesetz und wirkungsorientierte Folgenabschätzung: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_02191/index.shtml (zugegriffen am 16.12.2016).
11
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 44: Vorhandensein fachlicher Standards bei Gefährdungsabklärung und beim Hilfeplan bei fallführenden Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Fragen P03, V07, P11 und V14.
Die fachlichen Standards zum strukturierten Vorgehen bei der Gefährdungsabklärung und der
Hilfeplanerstellung sowie der Hilfeplanüberprüfung sind bei acht von zehn fallführenden Sozialarbeiter/innen (82,2 % und 84,1 %) verbindlich und haben für den Rest einen empfehlenden
Charakter (siehe Abbildung 45). Zur Regelung des Vier-Augen-Prinzips siehe auch Kapitel 5.
Sind fachliche Standards für ein strukturiertes Vorgehen bei der Gefährdungsabklärung und/oder der Hilfeplanerstellung bzw. Hilfeplanüberprüfung vorhanden, liegen diese überwiegend in
der Form von Handbüchern vor. Aber auch die Form von Gesetzen, Erlässen sowie Dienstvorschriften wird von den fallführenden Sozialarbeiter/innen als eine Möglichkeit der Verschriftlichung dieser Standards beschrieben. Checklisten und Leitfäden werden ebenfalls in einem
etwas geringeren Ausmaß als weitere Form erwähnt. Unterschiede zwischen der Form, in der
Standards für die Gefährdungsabklärung oder für die Hilfeplanerstellung bzw. Hilfeplanüberprüfung vorliegen, fallen nicht auf (ohne Abbildung).12
Die Ergebnisse wurden im Rahmen zweier offener Fragen erhoben (Frage P05 und P13). Die Originalfrage lautete: „In welcher Form sind diese Richtlinien festgehalten?“
12
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 45: Verbindlichkeit der Standards zur Gefährdungsabklärung und zum Hilfeplan bei
fallführenden Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Nur jene Befragten, die angegeben haben, über
fachliche Standards zu verfügen. Fragen P04 und P12.
Auch unter den Fachkräften liegen mehrheitlich Standards darüber, wann und wie eine Mitteilung bei Verdacht der Kindeswohlgefährdung an die Kinder- und Jugendhilfe erfolgen soll,
in Form von Leitfäden, Handbüchern etc. vor; knapp zwei Drittel der Fachkräfte (60,1 %) geben
dies an. Allerdings zeigt sich hier auch ein gewisser Informationsbedarf, denn 16,1 % der
Fachkräfte wissen nicht, ob es in ihrer Einrichtung Standards im Erkennen bzw. in der Mitteilung einer Kindeswohlgefährdung gibt.
Bei einem Blick auf die unterschiedlichen Arbeitsbereiche der Fachkräfte kommen deutliche
Unterschiede zutage, und es zeigt sich ein Informationsbedarf in spezifischen Arbeitsbereichen bzw. bei spezifischen Berufsgruppen (ohne Abbildung, Prozentwerte in Klammern geben
den Anteil an Zustimmung zur Frage mit „Ja“ wieder). Besonders stark verbreitet sind schriftliche Standards im Arbeitsbereich der Psychologie bzw. Psychotherapie (81,7 %), der Sozialarbeit (83,0 %), in Einrichtungen zur Betreuung und Bildung von Kindern und Jugendlichen
(79,5 %) sowie in der Sozialpädagogik (80,0 %). Unterdurchschnittlich wenig sind schriftliche
Standards bei Pädagogen/innen in der Schule vorhanden. Die Frage, ob schriftliche Standards
dazu, wann und wie eine Mitteilung bei Verdacht der Kindeswohlgefährdung an die Kinderund Jugendhilfe erfolgen soll, in der Einrichtung vorliegen, bejahen nur 38,0 % der Pädagogen/innen in der Schule. Rund ein Drittel (31,7 %) verneinen die Frage und ein weiteres Drittel
der Pädagogen/innen in der Schule (30,3 %) weiß es nicht. Ähnliches zeigt sich im Arbeitsbereich der Medizin, in dem rund die Hälfte (48,6 %) der medizinischen Fachkräfte angeben,
dass solche schriftlichen Standards vorhanden seien, und die andere Hälfte (48,6 %) dies vereint. Für die Fachkräfte aus dem medizinischen Bereich muss allerdings angemerkt werden,
dass die Ergebnisse nur bedingt interpretierbar sind, da die Gruppe in der Erhebung relativ
klein ist gegenüber der Gruppe der Lehrer/innen, die äußerst stark in der Stichprobe vertreten
ist.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 46: Schriftliche Standards bei Fachkräften über eine Mitteilung bei Verdacht der Kindeswohlgefährdung an die KJH
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte. Alle Befragten. Frage M06.
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6.2 Besuchte Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen
Als ein weiteres Kriterium für professionelles Arbeiten wurde den befragten Zielgruppen die
Frage gestellt, ob in den letzten zwölf Monaten eine Fort- und Weiterbildung besucht wurde.
Hier zeigt sich vor allem bei den fallführenden Sozialarbeiter/innen eine hohe Rate an besuchten Fort- und Weiterbildungen. Neun von zehn fallführenden Sozialarbeiter/innen (91,5 %) haben in den letzten zwölf Monaten an einer Fort- und Weiterbildung teilgenommen. Aber auch
unter Fachkräften ist das Ausmaß an besuchten Fort- und Weiterbildungsangeboten hoch,
acht von zehn Fachkräften (78,1 %) haben in den letzten zwölf Monaten eine Fort- und Weiterbildung besucht.
Abbildung 47: Teilnahme an einer Fort- und Weiterbildung in den letzten 12 Monaten
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen und der Fachkräfte. Alle Befragten. Frage P15 (fallführende Sozialarbeiter/innen) und P01 (Fachkräfte).
Fallführende Sozialarbeiter/innen wurden nach der Häufigkeit der besuchten Veranstaltungen
gefragt, wobei sie gebeten wurden, eine mehrteilige Veranstaltung als nur eine Veranstaltung
zu zählen. Hier wird deutlich, dass die fallführenden Sozialarbeiter/innen in den letzten zwölf
Monaten mehrheitlich mehr als eine Fort- und Weiterbildungsveranstaltung besucht haben.
Lediglich jede/jeder zehnte fallführende Sozialarbeiter/in (12,1 %) hat angegeben, an einer
Veranstaltung in den letzten zwölf Monaten teilgenommen zu haben. Mehr als ein Drittel
(39,3 %) hat zwei bis drei Veranstaltungen besucht und weitere 29,4 % vier bis fünf Veranstaltungen. Fallführende Sozialarbeiter/innen, die bereits seit vor 2013 in der Kinder- und Jugendhilfe tätig waren, geben häufiger an, gar keine Fort- und Weiterbildungsveranstaltung in den
letzten zwölf Monaten besucht zu haben (siehe Abbildung 48).
Bei Fachkräften zeigen sich Unterschiede in Bezug auf die Arbeitsbereiche, in denen sie tätig
sind (ohne Abbildung, Prozentwerte in Klammern geben den Anteil an Zustimmung zur Frage
mit „Ja“ wieder). Eine überdurchschnittlich hohe Beteiligung an besuchten Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen zeigen sich im Arbeitsbereich der Medizin (95,0 %), der Psychologie
und Psychotherapie (97,6 %), der Sozialarbeit (96,0 %) sowie bei Einrichtungen zur Betreuung
und Bildung von Kindern und Jugendlichen (96,0 %). Pädagogen/innen in der Schule zeigen
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
mit 61,3 % eine eher unterdurchschnittliche Beteiligung an Fort- und Weiterbildungsangeboten
in den letzten zwölf Monaten.
Abbildung 48: Teilnahme fallführender Sozialarbeiter/innen an Fort- und Weiterbildungen innerhalb der letzten 12 Monate nach Tätigkeitsdauer
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage 1513.
Kindeswohlgefährdung als ein spezifisches Thema der besuchten Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen in den letzten zwölf Monaten ist bei fallführenden Sozialarbeiter/innen stärker
vertreten als bei Fachkräften. Bei zwei Drittel (67,5 %) der Fachfortbildungen, die fallführende
Sozialarbeiter/innen in den letzten zwölf Monaten besucht haben, wurde dieses Thema speziell angesprochen. Unter den Fachkräften wurde die Kindeswohlgefährdung bei 57,7 % als
spezielles Thema im Rahmen der besuchten Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen der
letzten zwölf Monate angesprochen (siehe Abbildung 49).
Bei den Fachkräften zeigen sich Unterschiede in Bezug auf die Thematisierung der Kindeswohlgefährdung im Rahmen der besuchten Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen in den
letzten zwölf Monaten (ohne Abbildung, Prozentwerte in Klammern geben den Anteil an Zustimmung zur Frage mit „Ja“ wieder). So berichten Fachkräfte aus dem Arbeitsbereich der
Sozialarbeit (77,4 %) und der Medizin (74,3 %) überdurchschnittlich häufig davon, dass das
Thema Kindeswohlgefährdung behandelt wurde. Pädagogen/innen in der Schule (38,6 %) berichten dagegen eher unterdurchschnittlich davon und Fachkräfte im Arbeitsbereich zur Betreuung und Bildung von Kindern und Jugendlichen zeigen sich ganz im Durchschnitt der Fachkräfte (52,2 %).
Die Originalfrage lautete: „An wie vielen Fort- und Weiterbildungen haben Sie in den letzten 12 Monaten teilgenommen? Bitte denken Sie an gesamte Veranstaltungen und nicht an einzelne Einheiten
(mehrteilige Veranstaltungen zählen als 1 Veranstaltung).
13
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 49: Kindeswohlgefährdung als Thema der besuchten Fachfortbildung in den letzten
12 Monaten
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen und der Fachkräfte. Nur jene Befragten, die in den
letzten zwölf Monaten eine Fachfortbildung besucht haben. Frage P17 (fallführende Sozialarbeiter/innen) und P02
(Fachkräfte).
Im Rahmen einer offenen Antwortkategorie konnten die fallführenden Sozialarbeiter/innen die
Themen der Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen nennen, die von ihnen besucht worden
waren. Hier zeigt sich, dass die besuchten Fort- und Weiterbildungen ein breites Spektrum an
Themen abdecken, aber, wie bereits gezeigt, die Kindeswohlgefährdung eine hohe Relevanz
hat. Im Folgenden werden kurz die am häufigsten genannten Themen im Rahmen der offenen
Frage zusammengefasst dargestellt.14
Zentrales Thema im Rahmen der Fort- und Weiterbildung war der Schutz von Kindern und
Jugendlichen. Entweder in Form von Weiterbildungen, die den Blick auf das Erkennen bzw.
die Diagnostik von Gefährdungen für Kinder und Jugendliche richteten – in diesem Zusammenhang wurde immer wieder explizit ein spezifisches Modell der Gefährdungsabklärung erwähnt (Modell der Kurzberatung zur Risikoeinschätzung nach Maria Lüttringhaus) – oder aber
auch spezifische Themen, die Kinder und Jugendliche gefährden. Ein häufig genanntes
Thema ist die Gewalt an Kindern und Jugendlichen in ihrer vielfältigen Form sowie die Prävention von Gewalt. Andere Themen, die eine Gefährdung von Kindern und Jugendlichen im
Blick haben, waren z. B. psychisch kranke Eltern, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Bindung zwischen Eltern und Kind. In etwas geringerem Ausmaß wurden auch Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen zum Thema Sucht besucht. Einerseits Sucht als Gefährdung von Kindern und Jugendlichen, andererseits aber auch in Bezug auf die Gefährdung durch suchtkranke Eltern und den Umgang damit.
Die Weiterbildung im Hinblick auf die Interaktion mit Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern war ein weiterer zentraler Bereich der von den fallführenden Sozialarbeiter/innen
besuchten Fort- und Weiterbildungen der letzten zwölf Monate. In diesem Rahmen wurden
Die Originalfrage lautete (P16): „Zu welchen Themen haben Sie Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen besucht?“ (offene Antwortkategorie).
14
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Kommunikationstraining, Gesprächsführung, Mediation sowie Krisenintervention angesprochen. Auch in diesem Bereich wurde immer wieder ein spezifischer pädagogischer Ansatz als
Fortbildungsveranstaltung angesprochen: Die „neue Autorität“ nach Haim Omer.15
Auch die Themen Migration und Flüchtlinge wurden von den fallführenden Sozialarbeiter/innen häufig als ein Thema der Fort- und Weiterbildungen in den letzten zwölf Monaten genannt.
Nicht nur unter dem bereits erwähnten Aspekt der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge,
sondern auch rechtliche, kulturelle Aspekte wurden genannt sowie das Thema der De-Radikalisierung.
Ein letzter, häufiger genannter Bereich im Rahmen der Fort- und Weiterbildungen stellt eher
eine Sammelkategorie mit unterschiedlichen Themen zur Arbeitsorganisation der fallführenden Sozialarbeiter/innen dar. Die besuchten Fortbildungsthemen reichen von Case-Management über die Organisation von Hilfeplanerstellungen bis hin zur Leitungsfunktion sowie dem
persönlichen Stressmanagement und grundsätzlichen Einführungen in die Arbeit der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe.
Das Konzept der „neuen Autorität“ nach Haim Omer (Tel Aviv) versteht sich als ein Konzept der
elterlichen und pädagogischen Praxis. Es fragt danach, was das Kind braucht, und basiert auf der Idee
des gewaltlosen Widerstandes. Das Konzept beschreibt Möglichkeiten, Autorität neu zu definieren und
damit die Präsenz von Eltern und/oder Pädagog/innen auch in schwierigen Situationen aufrechterhalten
zu können (siehe u. a. http://www.gewaltinfo.at/themen/2012_03/7-saeulen-autoritaet.php) [Zugriff:
30.01.2017].
15
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
6.3 Angebot und Inanspruchnahme von Supervision
In Bezug auf das Angebot und die Inanspruchnahme von Supervision muss klar betont werden, dass Supervision nicht zum generellen Arbeitsstandard in allen Arbeitsbereichen gehört,
die im Rahmen der Studie erfasst wurden. So sind Supervisionsangebote in der Sozialarbeit
sowie im Arbeitsbereich der Psychologie und der Psychotherapie eine Selbstverständlichkeit
und gehören vielfach zum Standardangebot für alle Mitarbeiter/innen, meist auch im Rahmen
der Arbeitszeit. Dies sieht in anderen Berufsfeldern der beteiligten Fachkräfte ganz anders
aus, wie z .B. bei Pädagogen/innen, die in der Schule arbeiten, Mitarbeiter/innen in der Elementarpädagogik oder auch Mitarbeiter/innen in der Exekutive (Polizei). Wenn in diesen Berufsfeldern Supervision in Anspruch genommen wird, geschieht dies oft in der Freizeit und ist
meist privat zu finanzieren. Dieser grundsätzliche Unterschied spiegelt sich auch in den Angaben der Befragten wider. So geben lediglich 9,3 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen an,
in den letzten zwölf Monaten keine Supervisionsangebote in Anspruch genommen zu haben
– gegenüber mehr als der Hälfte der befragten Fachkräfte (53,2 %).
Abbildung 50: In Anspruch genommene Supervision in den letzten 12 Monaten
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen und der Fachkräfte. Alle Befragten. Frage P18 (fallführende Sozialarbeiter/innen) und P03 (Fachkräfte).
Bei Fachkräften verwundert es so nicht, dass eine Unterscheidung nach dem Arbeitsbereich,
in dem sie tätig sind, deutliche Unterschiede in der Inanspruchnahme von Supervision in den
letzten zwölf Monaten zeigt (ohne Abbildung). Acht von zehn Pädagogen/innen (78,0 %), die
in der Schule arbeiten, sagen, dass sie überhaupt keine Supervision in den letzten zwölf Monaten in Anspruch genommen haben. Sieben von zehn Fachkräften (68,2 %), die in Einrichtungen zur Betreuung und Bildung von Kindern und Jugendlichen arbeiten, haben ebenfalls in
den letzten zwölf Monaten keine Supervision in Anspruch genommen. Auch wenn die Werte
nicht signifikant sind, da sich eine zu kleine Gruppe an der Befragung beteiligt hat, soll auf den
Arbeitsbereich der Exekutive und Polizei verwiesen werden. Hier erklären 93,8 %, in den letzten zwölf Monaten keine Supervision in Anspruch genommen zu haben. Auch wenn diese
75
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Angabe nur begrenzt interpretierbar ist, könnte es ein Hinweis in die Richtung sein, dass zur
Professionalisierung der Arbeit das Angebot von Supervision in diesem sowie den anderen
Arbeitsbereichen angeregt werden sollte. Fachkräfte aus Arbeitsbereichen, in denen Supervisionsangebote zum Arbeitsstandard gehören, geben so gut wie nicht an, keine Supervision in
den letzten zwölf Monaten in Anspruch genommen zu haben – so lediglich 8,7 % der Fachkräfte aus dem Arbeitsbereich der Sozialarbeit und keine Fachkraft aus dem Arbeitsbereich
Psychologie und Psychotherapie, wo alle befragten Fachkräfte in den letzten zwölf Monaten
Supervision genutzt haben.
Das Thema Kindeswohlgefährdung spielt im Rahmen der in Anspruch genommenen Supervision eine große Rolle. Lediglich 0,9 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen und 7,4 % der
Fachkräfte geben an, dass Kindeswohlgefährdung im Rahmen der Supervision in den letzten
zwölf Monaten nie angesprochen worden sei. Bei knapp zehn Prozent der fallführenden Sozialarbeiter/innen (8,6 %) ist Kindeswohlgefährdung immer ein Thema in der Supervision.
Abbildung 51: Kindeswohlgefährdung als Thema der Supervision
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen und der Fachkräfte. Nur jene Befragten, die in den
letzten zwölf Monaten Supervision in Anspruch genommen haben. Frage P22 (fallführende Sozialarbeiter/innen)
und P04 (Fachkräfte).
Als die zentralen Ansprechpartner/innen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe wurde das
Thema Supervision in der Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen vertiefend angesprochen. Supervisionen finden bei fallführenden Sozialarbeiter/innen fast ausschließlich in
regelmäßiger Form statt. So geben lediglich 2,7 % an, dass die Supervision nicht regelmäßig
stattfinde, und bei weiteren 2,4 % findet die Supervision eher nicht regelmäßig statt. Nahezu
drei Viertel der fallführenden Sozialarbeiter/innen (71,6 %) nutzt die Supervision regelmäßig
(Abbildung 52). Regelmäßig bedeutet für die fallführenden Sozialarbeiter/innen, dass die Supervision mehrheitlich monatlich, oft mit einer ein- bis zweimonatigen Sommerpause erfolgt
(ohne Abbildung). Bei der Form der Supervision handelt es sich überwiegend um eine Team76
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Supervision (86,5 %) und nur in seltenen Fällen um eine reine Einzel-Supervision (6,4 %,
siehe Abbildung 53).
Abbildung 52: Regelmäßigkeit der in Anspruch genommenen Supervision bei fallführenden Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Nur jene Befragten, die in den letzten zwölf Monaten
Supervision in Anspruch genommen haben. Frage P19.
Abbildung 53: Häufigkeit von Einzel- bzw. Team-Supervision bei fallführenden Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Nur jene Befragten, die in den letzten zwölf Monaten
Supervision in Anspruch genommen haben. Frage P21.
Grundsätzlich bewerten die fallführenden Sozialarbeiter/innen die Treffsicherheit der in Anspruch genommenen Fort- und Weiterbildungen sowie der Supervision sehr gut. Nahezu alle
fallführenden Sozialarbeiter/innen halten das, was im Rahmen der Fort- und Weiterbildungen
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
bzw. der Supervisionen vermittelt wurde, für ihren Berufsalltag für relevant – 95,5 % antworteten mit „ja“ bzw. „eher ja“.
Abbildung 54: Treffsicherheit der besuchten Fort- und Weiterbildungen sowie der Supervisionen
aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Nur jene Befragten, die in den letzten zwölf Monaten
Fort- und Weiterbildungen bzw. Supervision in Anspruch genommen haben. Frage P23.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
7 Zur Verfügung stehende Angebote
Eine zentrale Zielsetzung des B-KJHG 2013 war auch die Stärkung der Prävention von Erziehungsproblemen. Mit der Gesetzesreform sollte durch eine breite Palette von präventiven Angeboten die Erziehungskraft der Eltern gestärkt werden (siehe Erläuterungen zum Gesetz16).
Die vormaligen Hilfen zur Erziehung für Jugendliche vom 18. bis zum 21. Lebensjahr wurden
durch Hilfen für junge Erwachsene ersetzt, weil die Obsorge mit der Volljährigkeit erlischt und
Erziehungshilfen nicht mehr möglich sind.
7.1 Beurteilung der zur Verfügung stehenden Angebote
Grundsätzlich zeigt sich in der Beurteilung der aktuell zur Verfügung stehenden Angebote an
sozialen Diensten zur Prävention von Erziehungsproblemen ein eher ambivalentes Bild, sowohl in Hinsicht auf den Umfang (Quantität) der Angebote als auch auf die Treffsicherheit
(Qualität/Inhalte) der zur Verfügung stehenden sozialen Dienste. Angebote für Eltern werden
in Bezug auf die Verfügbarkeit (Quantität) und auch in deren Treffsicherheit (Qualität) deutlich
schlechter bewertet als Angebote für Kinder und Jugendliche. Fallführende Sozialarbeiter/innen sind in ihrer Beurteilung kritischer als Fachkräfte. Eine deutliche Mehrheit ergibt sich lediglich in der Beurteilung der Treffsicherheit von Angeboten für Kinder und Jugendliche: Nahezu drei Viertel der Befragten (72,8 % fallführende Sozialarbeiter/innen; 71,5 % Fachkräfte)
beurteilen die Angebote für Kinder und Jugendliche in Bezug auf deren Treffsicherheit als sehr
bzw. eher gut – gegenüber rund 60 %, die dies bei den Angeboten für Eltern tun. Am schlechtesten wird der Umfang der Angebote für Eltern (Quantität) von den Befragten bewertet. Hier
beurteilt z. B. knapp jede/ zehnte fallführende Sozialarbeiter/in (8,3 %) die Verfügbarkeit der
Angebote als sehr schlecht.
Fachkräfte, die in Einrichtungen zur Betreuung und Bildung von Kindern und Jugendlichen
arbeiten, beschreiben die Qualität und die Quantität der aktuellen Angebote für Eltern sowie
für Kinder und Jugendliche am häufigsten als sehr bzw. eher gut. Lehrer/innen sowie Fachkräfte im Bereich der Sozialarbeit sind diesbezüglich am kritischsten. Fachkräfte aus dem psychologischen bzw. psychotherapeutischen Bereich sind am kritischsten von allen Fachkräften
in Bezug auf die Verfügbarkeit von Angeboten (Quantität) für Eltern sowie für Kinder und Jugendliche, aber deutlich positiver in Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung (Qualität) der Angebote. Für die anderen Arbeitsbereiche sind Aussagen nur begrenzt möglich aufgrund der
geringen Fallzahl und werden daher nicht beschrieben (ohne Abbildung).
Erläuterungen zum Gesetz und wirkungsorientierte Folgenabschätzung: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_02191/index.shtml (zugegriffen am 16.12.2016).
16
79
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 55: Beurteilung der aktuell verfügbaren Angebote der sozialen Dienste in der Prävention von Erziehungsproblemen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen und der Fachkräfte. Alle Befragten. Frage E01 (fallführende Sozialarbeiter/innen) und E01 (Fachkräfte).
Die Verfügbarkeit sowie die Treffsicherheit der Angebote von sozialen Diensten zur Prävention
von Erziehungsproblemen wird für die Zeit vor 2013, also für die Zeit vor der Einführung des
B-KJHG, durch die befragten Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen schlechter bewertet als die aktuelle Situation (siehe Abbildung 56). Die Ergebnisse lassen sich in die Richtung deuten, dass die Einführung des B-KJHG 2013 im begrenzten Maß eine Verbesserung
hinsichtlich des Ausbaues bzw. der Treffsicherheit der Angebote von sozialen Diensten zur
Prävention von Erziehungsproblemen gebracht hat.
Deutlicher zeigt sich dies in der Analyse einer eigenen Frage zu dieser Thematik. Fallführende
Sozialarbeiter/innen sowie Fachkräfte, die bereits vor 2013 tätig waren, wurden jeweils gefragt:
„Haben sich Ihrer Einschätzung nach präventive Angebote von sozialen Diensten in Zahl und
Qualität seit Einführung des B-KJHG bzw. der Ausführungsgesetze verändert?“ (Frage E02 in
beiden Fragebögen). Wie in Abbildung 57 ersichtlich, äußern sich Fachkräfte deutlich positiver,
dass es eine Veränderung hinsichtlich des Angebotes sowie der Qualität der Angebote gegeben habe. Wenn Fachkräfte und fallführende Sozialarbeiter/innen eine Verbesserung angeben, sehen sie diese stärker bei den Angeboten für Kinder und Jugendliche als bei den Angeboten für Eltern. Mehrheitlich sind allerdings fallführende Sozialarbeiter/innen und Fachkräfte
der Meinung, dass die Einführung des B-KJGH 2013 keine Verbesserung in quantitativer und
auch in qualitativer Hinsicht gebracht habe – rund die Hälfte bis zu drei Viertel geben an, das
die Situation bezüglich Anzahl der Angebote für Eltern, Kinder und Jugendliche sowie deren
Qualität gleich geblieben sei. Eine Verschlechterung wird nur in einem geringen Ausmaß angegeben. Am schlechtesten wird die Anzahl der Angebote für Kinder und Jugendliche durch
die fallführenden Sozialarbeiter/innen bewertet: Hier gibt knapp ein Zehntel (8,9 %) an, dass
80
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
die Angebote für Kinder und Jugendliche seit der Einführung des B-KJHG bzw. der Ausführungsgesetze in den Ländern abgenommen haben. Dies beurteilen die Fachkräfte wiederum
am positivsten: Hier spricht knapp die Hälfte (48,8 %) von einer Zunahme der Angebote für
Kinder und Jugendliche seit Einführung des B-KJHG bzw. der Ausführungsgesetze. Innerhalb
der Fachkräfte, die bereits vor 2013 tätig waren, sind es vor allem die Lehrkräfte sowie Fachkräfte, die in Einrichtungen zur Betreuung und Bildung von Kindern und Jugendlichen arbeiten,
die aus ihrer Sicht von einer Zunahme der Angebote für Kinder und Jugendliche sowie von
Eltern sprechen. Fachkräfte aus der Sozialarbeit und dem psychologischen bzw. dem psychotherapeutischen Bereich beurteilen dies deutlich kritischer. So sprechen z. B. 52,8 % der Lehrkräfte von einer Zunahme bei den Angeboten für Kinder und Jugendliche, gegenüber 39,7 %
der Fachkräfte in der Sozialarbeit (ohne Abbildung). Für die anderen Arbeitsbereiche sind Aussagen nur begrenzt möglich aufgrund der geringen Fallzahl und werden daher nicht beschrieben.
Abbildung 56: Beurteilung der vor 2013 verfügbaren Angebote der sozialen Dienste in der Prävention von Erziehungsproblemen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen und der Fachkräfte. Nur jene Befragten, die vor 2013
bereits tätig waren. Frage E01 (fallführende Sozialarbeiter/innen) und E01 (Fachkräfte).
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 57: Einschätzung zur Veränderung der Quantität und Qualität des Angebotes an sozialen Diensten seit Einführung des B-KJHG
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen und der Fachkräfte. Nur jene Befragten, die vor 2013
bereits tätig waren. Frage E02 (fallführende Sozialarbeiter/innen) und E02 (Fachkräfte).
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
7.2 Hilfen für junge Erwachsene
Sozialarbeiter/innen
aus
Sicht
der
fallführenden
Kinder und Jugendliche sind in ihrem Aufwachsen und in ihrer Entwicklung mit vielfältigen
Aufgaben und Herausforderungen konfrontiert. Mit dem Erreichen der Volljährigkeit endet der
elterliche Erziehungsauftrag bzw. der von anderen mit der Obsorge betrauten Personen, unter
anderem auch der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe. Um den Übergang in die Volljährigkeit
etwas abzufedern, regelt das B-KJHG die sogenannten Hilfen für junge Erwachsene ein (§ 29
B-KJHG). Ziel dieser Maßnahme ist primär die Unterstützung der jungen Erwachsenen in ihrem Verselbstständigungsprozess. Die Maßnahme orientiert sich am individuellen Hilfebedarf
des jungen Menschen und ist bis zum Ende des 21. Lebensjahrs begrenzt.17 Die vormaligen
Hilfen zur Erziehung für Jugendliche vom 18. bis zum 21. Lebensjahr wurden durch Hilfen für
junge Erwachsene ersetzt, weil die Obsorge mit der Volljährigkeit erlischt und Erziehungshilfen
nicht mehr möglich sind.
Die neu geregelte Maßnahme der Hilfen für junge Erwachsene wird von den fallführenden
Sozialarbeiter/innen in der Praxis durchaus gut angenommen. Lediglich 2,5 % der Befragten
geben an, von dieser Möglichkeit in der Praxis „nie“ Gebrauch zu machen – also 97,5 % setzen
diese Maßnahme in der Praxis ein. Rund die Hälfte der Befragten (47,6 %) nutzt die Möglichkeit der Vereinbarung der Hilfe für junge Erwachsene „manchmal“ und weitere 16,5 % geben
an, diese Maßnahme „häufig“ in der Praxis anzuwenden.
Abbildung 58: Häufigkeit der Vereinbarung von Hilfen für junge Erwachsene
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V17.
Aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen, die bereits vor Einführung des K-JGH 2013
in der Kinder- und Jugendhilfe tätig waren, zeigen sich in der Praxis durch die gesetzliche
Näheres siehe auch in den Erläuterungen zum Gesetz und wirkungsorientierte Folgenabschätzung:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_02191/index.shtml (zugegriffen am 16.12.2016).
17
83
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Änderung keine bzw. kaum Veränderungen. Wie bereits erwähnt, stand den Sozialarbeiter/innen bereits vor Einführung des B-KJGH die Möglichkeit zur Verfügung, die sogenannten Hilfen
zur Erziehung auch über die Volljährigkeit hinaus zu verlängern. Die Einführung der Hilfe für
junge Erwachsene im B-KJGH 2013 bringt lediglich für 1,7 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen, die bereits vor 2013 in der Kinder- und Jugendhilfe tätig waren, eine deutliche Veränderung in der Praxis. Mehr als ein Viertel der Befragten (28,4 %) sieht gar keine Veränderungen durch die neu geschaffene Maßnahme in der Praxis.
Abbildung 59: Beurteilung der Veränderung in Bezug zur „Verlängerung der Erziehungshilfen“
vor Einführung des B-KJHG
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Nur jene Befragten, die bereits vor 2013 in der KJH
tätig waren. Frage V19.
Im Rahmen einer offenen Antwortkategorie konnten die fallführenden Sozialarbeiter/innen beschreiben, welche Kriterien für sie ausschlaggebend bei der Vereinbarung von Hilfen für junge
Erwachsene waren, wenn sie diese schon einmal vereinbart haben.18
Zentrales Argument der fallführenden Sozialarbeiter/innen für die Vereinbarung von Hilfen für
junge Erwachsene ist grundsätzlich die Unterstützung in der Verselbstständigung von jungen
Menschen. In diesem Sinne bestätigt die Praxis durchaus die vom Gesetzgeber intendierte
Absicht. Folgendes Zitat gibt beispielhaft die komplexen Überlegungen der fallführenden Sozialarbeiter/innen zur Vereinbarung der Maßnahme wieder:
„Die Entwicklung des Jugendlichen in der Einrichtung verläuft positiv, der junge Mensch ist kooperations- und paktbereit, er bringt sich in die Zusammenarbeit ein, hält sich an die Vereinbarungen, ist bemüht und motiviert, braucht jedoch zu einem erfolgreichen Abschluss der Maßnahme mehr Zeit – über die Erreichung der Volljährigkeit hinaus –, damit die positive Entwicklung weiterhin anhält und schlussendlich dem jungen Menschen der Schritt in die Selbstständigkeit auch langfristig gelingen kann.“ (ID 73 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
Die Originalfrage lautete: Welche Kriterien waren für Sie bei der Vereinbarung von Hilfen für junge
Erwachsene ausschlaggebend? (Frage V18).
18
84
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Die sogenannte Wortwolke gibt einen optischen Eindruck über zentrale Kategorien, die als Kriterien zur
Vereinbarung dieser Hilfen genannt
wurden.
Für die fallführenden Sozialarbeiter/innen ist im Sinne der Verselbstständigung eine berufliche Ausbildung der jungen Menschen ein entscheidender Punkt. In einer beruflichen Ausbildung sehen sie die
Möglichkeit für junge Menschen, ihr
eigenes Leben abzusichern und
sich selbst zu erhalten. So nennen
sie als zentrales Kriterium der Vereinbarung von Hilfen für junge Menschen die Beendigung der begonnenen (beruflichen) Ausbildung bzw. auch weitere Schritte in dieser Richtung zu konsolidieren sowie eine Ausbildung noch einzuleiten.
„Keine abgeschlossene Ausbildung, Unselbstständigkeit, instabile Lebenssituation, mangelnde
Persönlichkeitsreife mit 18 Jahren, fehlende familiäre Ressourcen.“ (ID 173 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Ermöglichen einer abschließenden Lehr- oder Berufsausbildung, Ermöglichen der Verselbstständigung, notwendige Stabilisierung der erreichten Ziele.“ (ID 891 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Ausbildung noch nicht abgeschlossen, noch nicht verselbstständigt, noch Unterstützungsbedarf.“ (ID 877 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Eine begonnene und noch abzuschließende Berufsausbildung; der ernsthafte Wille des/der
jungen Erwachsenen, Struktur in das Leben zu bekommen, um Selbstständigkeit zu erlangen.“
(ID 153 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Es wäre in mehreren Fällen nötig, die Hilfe zu verlängern, z. B. um die bisherige Hilfe nachhaltig
abzusichern oder weil die Hilfe kurz vor dem 18. LJ angelaufen ist und noch weitergeführt werden sollte.“ (ID 348 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
Wie die wörtlichen Zitate der fallführenden Sozialarbeiter/innen auch zeigen, ist die Beendigung der (beruflichen) Ausbildung eng eingebettet in die grundsätzliche Notwendigkeit, die
gesamte Persönlichkeitsentwicklung des jungen Menschen hin zu einem selbstständigen,
reifen und selbsterhaltungsfähigen Menschen zu unterstützen. Oft fehlen den jungen Menschen die entsprechenden familiären bzw. auch sozialen Ressourcen und sie sind auf das
durch die Kinder- und Jugendhilfe angebotene fördernde Umfeld in ihrer Entwicklung angewiesen. Eine umfassende Unterstützung im persönlichen „Reif“-Werden“ bringt weiter auch
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
eine Stabilisierung der Situation, eine Vertiefung und Verfestigung der begonnenen Unterstützung sowie eine Sicherstellung der Nachhaltigkeit gesetzter Maßnahmen und Unterstützungsangebote mit sich.
„Mangelnde persönliche Reife, reales Alter entspricht nicht dem Entwicklungsalter, völlig fehlende familiäre Ressourcen, kombiniert mit noch nicht in Sichtweite stehendem Ausbildungsabschluss. Unsere Klientel ist aufgrund der traumatischen Vorgeschichte und der fehlenden Ressourcen mit 18 Jahren zumeist weit von einer 100 %igen Selbstverantwortlichkeit, der nötigen
Reife und Selbstständigkeit ausgestattet, kaum jemand hat mit dem 18. Geburtstag eine Berufsausbildung abgeschlossen. Dass die Geldgeber das von unseren Klienten verlangen, ist
ausschließlich blauäugig und verantwortungslos. Viele zerstören sich knapp davor aus Panik
vor dem Auf-sich-allein-gestellt-Sein alles bisher Aufgebaute und brauchen noch mindestens
den Halt von einem weiteren Jahr. Man käme selbst bei den eigenen Kindern nicht auf die Idee
zu sagen, jetzt bist du 18, du interessierst mich nicht mehr, genau das passiert aber unseren
Klienten, nicht weil die Sozialarbeiter das machen, sondern weil uns die Geldgeber alles abdrehen und es gibt ja nicht einmal Unterhaltsvorschüsse bis zum Ende der Schul- und Lehrzeit.“
(ID 112 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Der junge Mensch ist noch nicht in der Lage, allein alles zu schaffen. Es fehlt die Ressource
der ,Herkunftsfamilie‘. Die Herkunftsfamilie ist eher eine negative Ressource und behindert die
weitere positive Entwicklung des jungen Menschen. Die jungen Menschen brauchen Zeit und
Hilfe auch nach dem 18. Lebensjahr und eine vertraute Ansprechperson!“ (ID 963 fallführende/r
Sozialarbeiter/in)
„Schul- bzw. Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen. Selbstständigkeit noch nicht ausreichend gegeben. Geschützes Lebensumfeld als Grundlage für weitere positive Entwicklung notwendig.“ (ID 884 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Ziele noch nicht erreicht, gute Entwicklung und Compliance beim jungen Erwachsenen gegeben, Erreichung der Ziele muss damit abgesichert werden.“ (ID 179 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Erlangung der Selbstständigkeit, Beendigung der Ausbildung oder des Lehrverhältnisses, Sozialisation des jungen Erwachsenen, fehlende innerfamiliäre Helfer.“ (ID 889 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Maßnahme noch sinnvoll, um Verselbstständigung abzuschließen; junger Erwachsener ist bemüht; junger Erwachsener erst dann stabilisiert.“ (ID 180 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
Die eigene Motivation des jungen Menschen wird von den Befragten als ein weiteres wichtiges Kriterium für die Vereinbarung von Hilfen für junge Erwachsene hervorgehoben. Einerseits geht es dabei um eine Zustimmung der jungen Menschen zu der Maßnahme selbst, und
diese Zustimmung sollte freiwillig gegeben werden. Andererseits sollte der junge Mensch auch
eine Motivation zeigen und haben, um die vereinbarten Ziele umzusetzen. Auch die aktive
Mitarbeit bei der bisherigen Unterstützung des jungen Menschen spielt im Entscheidungsprozess für die Vereinbarung der Maßnahme eine Rolle.
„Möchte der junge Erwachsene weiterhin Betreuung haben und hat er noch Entwicklungspotenzial (was immer der Fall ist) und merkt man in der Praxis auch – zumindest streckenweise, dass
er Betreuung möchte.“ (ID 411 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
„Ob die jungen Erwachsenen die Unterstützung wollen und auch nutzen und es Ziele gibt, die
noch weiter bearbeitet werden sollen!“ (ID 432 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Der junge Erwachsene muss es selber wollen und das Ziel soll vom Gefühl her greifbar nahe
sein.“ (ID 525 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Freiwilligkeit und Motivation der jungen Erwachsenen.“ (ID 380 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
8 Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe sowie
anderen Einrichtungen und Systemen
Die Kooperation zwischen den einzelnen Akteur/innen im Bereich des Kinderschutzes wird im
nachstehenden Kapitel näher betrachtet. Hierbei erfolgt deren Beurteilung sowohl aus der Perspektive der fallführenden Sozialarbeiter/innen als auch aus der Sicht der Fachkräfte, die an
verschiedenen Punkten innerhalb des Kooperationsnetzwerkes agieren.
Abbildung 60 stellt zunächst die Beurteilung von fallführenden Sozialarbeiter/innen und den
verschiedenen Fachkräften bezüglich der Kooperation im täglichen Alltag zwischen den einzelnen Einrichtungen dar. Hierbei wurden nur jene Beurteilungen gezählt, die sich nicht auf
die eigene Einrichtung beziehen. Die Beurteilungen von Personen, die z. B. in Schulen tätig
sind, werden im Bereich Schule nicht gezählt, deren Beurteilung von anderen Systempartnern
allerdings schon. Auf der gleichen Logik begründet, gibt es auch keine Auswertung zur Beurteilung der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe durch die fallführenden Sozialarbeiter/innen.
Abbildung 60: Beurteilung der Kooperation mit anderen Einrichtungen im Kontext des Kinderschutzes
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage E03.
Auf den ersten Blick ersichtlich ist, dass keine der einzelnen Einrichtungen eine mehrheitlich
schlechte Beurteilung bekommt. Die Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe wird von den
verschiedenen Fachkräften zu 81 % als eher bis sehr gut bewertet und nur rund 3 % sehen
88
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
diese als sehr schlecht an. Am positivsten werden von den Fachkräften die Kooperationen mit
Einrichtungen zu Betreuung und Bildung von Kindern und Jugendlichen (Kinderkrippen, -garten, Horte etc.) und Schulen beurteilt. Jeweils ein Drittel bewertet diese mit sehr gut und weitere 56 % bzw. 52 % als eher gut. Ein Großteil der fallführenden Sozialarbeiter/innen beurteilt
die Kooperation mit diesen beiden Einrichtungen ebenfalls positiv, allerdings tendieren sie
dazu, sie mit eher gut als mit sehr gut zu bewerten. Die gelungenste Kooperation in ihrem
täglichen Arbeitsalltag erleben fallführende Sozialarbeiter/innen mit privaten Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtungen. 91 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen bewerten diese mit eher
bis sehr gut. Hier zeigt sich auch die größte Diskrepanz in der Einschätzung zu den Fachkräften. Von diesen bewerten nämlich nur zwei Drittel die Kooperation mit privaten Kinder- und
Jugendhilfe-Einrichtungen positiv. Die relativ am schlechtesten beurteilte Kooperation ist jene
mit dem Gesundheitswesen. Fast 38 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen und 30 % der
Fachkräfte beurteilen sie als eher bis sehr schlecht. Dieses leicht angespannte Kooperationsverhältnis wurde auch schon beim Prozess der Gefährdungsabklärung von den Sozialarbeiter/innen thematisiert (siehe Kapitel 3).
Ob es bei diesen Kooperationsverhältnissen zu einer merkbaren Veränderung aufgrund der
Einführung des B-KJHG gekommen ist, wird in Abbildung 61 aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen und der Fachkräfte, die bereits vor der Einführung in ihrem Bereich tätig waren, dargestellt. Die großen grauen Bereiche in der Abbildung machen deutlich, dass die überwiegende Mehrheit der fallführenden Sozialarbeiter/innen sowie der Fachkräfte keine Veränderungen des Kooperationsverhaltens aufgrund der Einführung des B-KJHG sehen. Allerdings
ist auch fast niemand der Meinung, dass es zu einer (deutlichen) Verschlechterung der Kooperation gekommen ist.
89
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 61: Wahrgenommene Veränderung der Qualität der Zusammenarbeit seit Einführung
des B-KJHG
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen. Nur jene, die vor 2013 tätig waren.
Frage E04.
Wesentlich ist jedoch, zu bemerken, dass von Fachkräften die größte positive Veränderung
bei der Kooperation mit der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe wahrgenommen wird. Immerhin 45 % der Fachkräfte geben an, dass es nach der Einführung des B-KJHG hier zu einer
Verbesserung gekommen sei.
Eine Verschriftlichung mittels einer Kooperationsvereinbarung mit anderen Einrichtungen (wie
Kinderschutzzentren, Drogenberatungsstellen, Frauenhäusern, Einrichtungen der vollen Erziehung etc.) kann prinzipiell zu einer stabileren und stärker abgesicherten Zusammenarbeit
zwischen den einzelnen Einrichtungen führen. 50 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen geben an, dass zumindest für einige dieser Einrichtungen bzw. Stellen eine solche schriftliche
Fixierung von Vereinbarungen vorliege. Knapp 20 % vermelden, dass keine schriftlichen Vereinbarungen existierten, und weitere rund 30 % weiß darüber nicht Bescheid. Sozialarbeiter/innen in leitenden Positionen sind hier deutlich besser informiert (nur 9 % können darüber keine
Auskunft geben, ohne Abbildung). Sie geben zu 56 % an, dass schriftliche Kooperationsvereinbarungen vorliegen, und zu 35 %, dass dies bei ihrer Einrichtung nicht der Fall sei. Besonders hoch ist der Anteil der fallführenden Sozialarbeiter/innen, die mit schriftlichen Kooperationsvereinbarungen arbeiten, in Vorarlberg (87 %).
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 62: Vorliegen von schriftlichen Kooperationsvereinbarungen mit anderen Einrichtungen
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage E05.
Wurde bis jetzt die Qualität der Kooperation mit anderen Einrichtungen im Allgemeinen betrachtet, werden abschließend noch einige spezifische Aspekte, die auf die Qualität der
Kooperationen wirken können, aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen untersucht.
Eine zeitnahe Verfügbarkeit von externen Hilfsangeboten, an die fallführende Sozialarbeiter/innen weitervermitteln können, ist hilfreich, um bei Kindeswohlgefährdungen schnell intervenierend eingreifen zu können. Mehr als die Hälfte der fallführenden Sozialarbeiter/innen sehen
diese Zeitnähe allerdings kaum gegeben (46 % beurteilen dies mit eher und weitere 12 % mit
sehr schlecht). Lediglich in den Bundesländern Niederösterreich, Steiermark und Vorarlberg
beurteilen fallführende Sozialarbeiter/innen eine zeitnahe Verfügbarkeit von externen Hilfsangeboten mehrheitlich positiv.
Das Kontakthalten zu den externen Stellen auch nach der Übermittlung des Klienten/der Klientin wird mehrheitlich positiv beurteilt. Insgesamt sehen zwei Drittel der fallführenden Sozialarbeiter/innen dies als eher bis sehr gut gegeben an.
Das Vorhandensein von verbindlichen Kooperationsvereinbarungen wird von etwas mehr als
der Hälfte der fallführenden Sozialarbeiter/innen als eher bis sehr gut beurteilt (54 %). Dies
entspricht nicht zufällig fast dem Anteil der Sozialarbeiter/innen, die angaben, dass schriftliche
Vereinbarungen vorliegen. Zeigt sich doch, dass die Verbindlichkeit dort stärker positiv beurteilt wird, wo schriftliche Kooperationsvereinbarungen getroffen worden sind.
Das Zusammenspiel mit dem Bildungs-, Sozial und Gesundheitssystem wird von den fallführenden Sozialarbeiter/innen geteilt beurteilt. Während die eine Hälfte dieses mit eher bis sehr
gut beurteilt (47 %), kommt die andere Hälfte (53 %) zu einer eher bis sehr schlechten Beurteilung. Obwohl also die Kooperation mit den einzelnen Einrichtungen von den fallführenden
Sozialarbeiter/innen (siehe Abbildung 60) als durchweg (obgleich das Gesundheitswesen etwas weniger) positiv beurteilt wurde, kommt es bei der Bewertung des Zusammenspiels mit
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
diesen Systemen zu einer vergleichsweise etwas schlechteren Beurteilung. Das deutet darauf
hin, dass, obwohl die Kooperation mit den Einrichtungen an sich recht gut funktioniert, bei
deren Zusammenspiel, wenn mehrere Systeme teils gleichzeitig im Fachaustausch stehen,
doch auch Friktionen entstehen.
Abbildung 63: Beurteilung verschiedener Qualitätsaspekte bei Kooperationen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage E06.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
9 Schutz
von
personenbezogenen
Daten
(Datenschutz) aus Sicht der fallführenden
Sozialarbeiter/innen
Die Verbesserungen des Schutzes von personenbezogenen Daten stellten einen weiteren Bereich und Zielsetzung der Reform der Kinder- und Jugendhilfe im B-KJHG 2013 dar. In § 6 des
B-KJHG wird geregelt, dass sowohl die Kinder- und Jugendhilfeträger als auch private Kinderund Jugendhilfeeinrichtungen von der Verschwiegenheitspflicht betroffen sind. Dies bedeutet,
dass die Offenlegung von Informationen, die das Privat- und Familienleben von Minderjährigen
mittelbar oder unmittelbar betreffen, nur unter der Voraussetzung zulässig ist, dass dies im
Interesse, also dem Wohl des Kindes bzw. Jugendlichen sowie jungen Erwachsenen ist. Diese
Verschwiegenheitspflicht besteht auch gegenüber den Eltern bzw. gesetzlichen Vertreter/innen des Minderjährigen (Näheres siehe Erläuterungen zum Gesetz und zur wirkungsorientierten Folgenabschätzung19).
Die vorliegende Erhebung fokussierte bei fallführenden Sozialarbeiter/innen, die bereits vor
2013 in der Kinder- und Jugendhilfe tätig waren, auf die Beurteilung der Neuregelung der Auskunfts- und Verschwiegenheitsbestimmungen (Frage D01) sowie auf die Handhabung bei der
elektronischen Versendung von sensiblen Daten (Frage D02).
Fallführende Sozialarbeiter/innen, die bereits vor 2013 in der Kinder- und Jugendhilfe tätig
waren, sollten in Bezug auf die Neuregelung der Auskunfts- und Verschwiegenheitsbestimmungen unterschiedliche Aspekte dahingehend beurteilen, ob sich diese aus ihrer Sicht durch
die Neuregelung verbessert oder verschlechtert haben oder gleich geblieben sind.20 Folgende
Aspekte wurden behandelt:
Klarheit, wer was erfahren darf
Vertrauensverhältnis zu den Kindern
Vertrauensverhältnis zu den Eltern
Kooperation mit externen Stellen
Überschneidung mit Verschwiegenheitspflichten in Berufsgesetzen
Die Neuregelung der Auskunfts- und Verschwiegenheitsbestimmungen hat aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen eindeutig mehr Klarheit gebracht, wer was erfahren darf. Die
überwiegende Mehrheit (58,0 %) der fallführenden Sozialarbeiter/innen sieht hier Verbesserungen durch die Neuregelung, jede/r Zehnte (9,1 %) sieht die Klarheit bei den Auskunfts- und
Verschwiegenheitsbestimmungen sogar sehr verbessert. Mehr als ein Drittel (37,7 %) ist der
Erläuterungen zum Gesetz und wirkungsorientierte Folgenabschätzung: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_02191/index.shtml (Zugegriffen am 16.12.2016).
20 Die Originalfrage lautete (Frage D01): „Das B-KJHG hat die Auskunfts- und Verschwiegenheitsbestimmungen in Bezug auf die Erfassung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Daten neu
geregelt. Inwieweit haben die neuen Regelungen zu Verbesserungen oder zu Verschlechterungen geführt?“
19
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Ansicht, dass die Neuregelung zu keiner Veränderung geführt habe und alles gleich geblieben
sei. Eine weitere deutliche Verbesserung sehen die fallführenden Sozialarbeiter/innen auch in
der Kooperation mit externen Stellen.
Etwas ambivalenter zeigen sich die fallführenden Sozialarbeiter/innen in der Bewertung der
Kooperation mit externen Stellen sowie in den Überschneidungen der Regelung mit Verschwiegenheitspflichten in Berufsgesetzen. Die Kooperation mit externen Stellen hat sich für
ein Drittel (35,2 %) der fallführenden Sozialarbeiter/innen durch die Neuregelung (sehr) verbessert, allerdings ist gut die Hälfte (52,2 %) auch der Ansicht, dass sich in der Kooperation
mit externen Stellen nichts verändert habe und alles gleich geblieben sei. Gut jede/r zehnte
(12,6 %) fallführende/r Sozialarbeiter/in ist sogar der Meinung, dass sich die Kooperation
durch die Neuregelung eher bzw. sehr verschlechtert habe. Ähnlich sieht es für die Überschneidung mit Verschwiegenheitsplichten in Berufsgesetzen aus: Hier sehen mehr als die
Hälfte (58,8 %) gar keine Veränderungen durch die Neuregelung, 13,3 % eine Verschlechterung und 28,0 % eine Verbesserung.
Eher geringere Bewegung gab es aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen in Bezug
auf das Vertrauensverhältnis zu den Kindern bzw. Jugendlichen sowie zu den Eltern. Hier
sehen rund acht von zehn fallführenden Sozialarbeiter/innen (80,5 % bei Kindern; 76,6 % bei
Eltern) keine Veränderungen durch die Neuregelungen der Auskunfts- und Verschwiegenheitsbestimmungen. Allerdings rund jede/r fünfte fallführende/r Sozialarbeiter/in sieht auch
eine Verbesserung, 18,6 % bei Kindern und 19,5 % bei Eltern.
Abbildung 64: Beurteilung der Neuregelung der Auskunfts- und Verschwiegenheitsbestimmungen durch fallführende Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Nur jene Befragten, die bereits vor 2013 in der KJH
tätig waren. Frage D01.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Von dem Recht auf Verschwiegenheit gegenüber anderen Einrichtungen haben die fallführenden Sozialarbeiter/innen im letzten Jahr vor der Befragung relativ häufig Gebrauch gemacht,
vor allem Sozialarbeiter/innen, die erst ab 2013 in der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind.
Knapp die Hälfte (47,0 %) der fallführenden Sozialarbeiter/innen, die seit 2013 in der Kinderund Jugendhilfe tätig sind, gibt an, sich in den letzten zwölf Monaten „häufig“ auf ihre Verschwiegenheit gegenüber anderen Einrichtungen berufen zu haben, und ein knappes Drittel
(31,8 %) der Sozialarbeiter/innen, die bereits vor 2013 in der Kinder und Jugendhilfe tätig waren. Weitere 40,0 % der ab 2013 und 46,9 % der bereits vor 2013 tätigen Sozialarbeiter/innen
haben sich in den letzten zwölf Monaten „manchmal“ auf ihre Verschwiegenheit gegenüber
anderen Einrichtungen berufen. Sich in den letzten zwölf Monaten überhaupt „nie“ auf ihre
Verschwiegenheit berufen zu haben, berichteten nur sehr wenige fallführende Sozialarbeiter/innen (2,4 % der vor 2013 Tätigen; 1,7 % der ab 2013 Tätigen).
Abbildung 65: Inanspruchnahme der Verschwiegenheit gegenüber anderen Einrichtungen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage D11.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Neben dem Hinweis auf den gesetzlichen Rahmen ist das zentrale Argument, mit dem sich
fallführende Sozialarbeiter/innen auf die Verschwiegenheit gegenüber anderen Einrichtungen
berufen, der konkrete Schutz der betroffenen Person bzw. Personen. Dies wird im Rahmen
einer offenen Frage ersichtlich, in der fallführende Sozialarbeiter/innen begründen konnten,
warum sie sich in den letzten zwölf Monaten auf ihre Verschwiegenheit berufen haben. Sie
sehen ganz klar bei sich selbst eine Schutzfunktion der betroffenen Kinder, Jugendlichen sowie Familien und den Umgang mit den ihnen anvertrauten Informationen oder Einblicken, die
sie in das private Leben der Betroffenen erhalten, gegenüber anderen Einrichtungen. Neben
der gesetzlichen Verpflichtung sehen sie es auch als ihre Aufgabe, diese Privatheit zu schützen.
Neben der gesetzlichen Lage und dem Schutz der Betroffenen sehen fallführende Sozialarbeiter/innen oft aber auch keine Notwendigkeit der Weitergabe von Informationen an andere
Einrichtungen. Aus ihrer Sicht sind die gewünschten Informationen meistens für die (weitere)
Arbeit mit den Klienten/innen in dieser Einrichtungen irrelevant. Vor allem Bildungsinstitutionen
werden explizit von den fallführenden Sozialarbeiter/innen angeführt, die bezüglich weiterer
Informationen bei den Kinder- und Jugendhilfeträgern nachfragen und für deren Arbeit die fallführenden Sozialarbeiter/innen meist keine Relevanz in der Weitergabe von weiteren Informationen sehen.
Die fehlende Relevanz von weiteren Informationen für die Arbeit der Einrichtungen mit den
betroffenen Kindern bzw. Jugendlichen sowie den Familien selbst sehen die fallführenden Sozialarbeiter/innen auch in einer gewissen Neugierde der Mitarbeiter/innen der jeweiligen Einrichtung begründet, die sie nicht befriedigen möchten.
„Wenn es um sehr sensible Daten ging und meiner Einschätzung nach die anfragende Einrichtung diese gewünschten Daten zur weiteren Arbeit nicht unbedingt brauchte.“ (ID 73 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Aus Gründen des Datenschutzes und vor allem zum Schutze der betroffenen Personen und
Familien – Umgang mit hochsensiblen Daten und persönlichen Informationen! Externe Professionen (Schulen, KiGa etc.) zeigen sich dabei sehr übergriffig, d. h. sie möchten häufig Informationen über die Familien, die ihnen nicht zustehen und für ihren Auftrag nicht relevant sind!“
(ID 850 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Sehr häufig erweckten die Interessierten den Eindruck, dass sie neugierig sind und es keinen
fachlichen Zusammenhang gegeben hat.“ (ID 635 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Um die Rechte der betroffenen Personen, die bei uns erfasst sind, auf Geheimhaltung ihrer
Situation zu gewährleisten und nicht Hinz und Kunz zu informieren, damit deren Neugierde befriedigt ist.“ (ID 153 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
Als weitere Begründungen für das Verweisen auf ihre Verschwiegenheit nennen fallführende
Sozialarbeiter/innen auch, dass die Betroffenen einem Datenaustausch nicht zustimmen konnten bzw. diesem nicht zugestimmt haben. Weiter sehen sie auch die Gefahr einer möglichen
Stigmatisierung der Kinder, Jugendlichen und Eltern durch die Weitergabe von privaten Daten
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
und Informationen. Auch das Vertrauensverhältnis zu den Betroffenen und den Mitarbeiter/innen der Kinder- und Jugendhilfe und die weitere Zusammenarbeit könnte damit beeinträchtigt
werden.
Werden von fallführenden Sozialarbeiter/innen sensible Daten auf elektronischem Weg versendet (z. B. über E-Mail), erfolgt dies bei einem Drittel (32 %) der Befragten nie in verschlüsselter Form. Ein Viertel (26 %) der fallführenden Sozialarbeiter/innen versendet diese Daten
immer bzw. meistens in verschlüsselter Form. Ein weiteres Viertel (27 %) kann diese Frage
nicht beantworten und weiß nicht, ob sie sensible Daten elektronisch in verschlüsselter Form
versenden oder nicht.
Abbildung 66: Versendung von Daten
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage D02.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
10 Partizipation von betroffenen Eltern sowie Kindern
und Jugendlichen bei Hilfeplanerstellung und
Gefährdungsabklärung
Die Beteiligung von Eltern bzw. sonst mit der Pflege und Erziehung betrauten Personen sowie
der Kinder und Jugendlichen selbst im Rahmen der Gefährdungsabklärung und des Hilfeplans
ist in § 24 des B-KJHG 2013 geregelt. Die Erläuterungen zum B-KJHG spezifizieren die Einbeziehung von Eltern bzw. sonstigen mit der Pflege und Erziehung betrauten Personen sowie
der Kinder und Jugendlichen. Die Betroffenen sind in einer verständlichen Sprache über die
Ergebnisse der Gefährdungseinschätzung, die zu erwartenden Entwicklungen und vorgeschlagenen Unterstützungsmaßnahmen sowie deren mögliche Auswirkungen im Rahmen des
Hilfeplans zu informieren und darüber hinaus in die Auswahl der entsprechenden Hilfemaßnahmen einzubeziehen. Ausdrücklich wird darauf verwiesen, dass auf eine „konsensuale Festlegung der Ziele und Hilfen“ hinzuarbeiten ist. Neben der möglichen Beratung in der jeweiligen
Muttersprache bezieht sich die verständliche Sprache vor allem auf eine Ausdrucksweise, die
ohne Fachbegriffe auskommt und sich am Bildungsniveau sowie dem Alter orientiert. In § 24
ist in Absatz 3 explizit die Berücksichtigung des Entwicklungsstandes von Kindern und Jugendlichen angesprochen. Die Erläuterungen zum Gesetz weisen in ihren Spezifizierungen
bei der Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen besonders auf die Berücksichtigung ihres
Alter, ihrer Reife und Einsichtsfähigkeit hin sowie auf die Durchführung in einem kindgerechten
Setting und durch einfühlsame Gespräche.21
Die im B-KJHG 2013 intendierte stärkere Partizipation der betroffenen Eltern sowie Kinder und
Jugendlichen scheint aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen auch in der Praxis angekommen zu sein, wie fallführende Sozialarbeiter/innen, die bereits vor der Einführung des
B-KJHG in der Kinder und Jugendhilfe tätig waren, bestätigen. Vor allem bei der Erstellung
des Hilfeplans hat sich die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen sowie der betroffenen
Eltern deutlich verbessert. Rund die Hälfte der fallführenden Sozialarbeiter/innen (49,4 %)
sieht die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen bei der Hilfeplanerstellung seit Einführung des B-KJHG verbessert und 43,6 % bei den Eltern. Die Gefährdungsabklärung wird etwas vorsichtiger im Hinblick auf Verbesserungen bewertet. Hier sieht ein gutes Drittel der fallführenden Sozialarbeiter/innen (37,6 %) die Partizipation von Kindern und Jugendlichen verbessert und 28,0 % die Einbeziehung der Eltern bei der Gefährdungsabklärung. Eine Verschlechterung der Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen sowie Eltern wird seitens der
fallführenden Sozialarbeiter/innen de facto nicht gesehen.
Fallführende Sozialarbeiter/innen, die aktuell eine Leitungsposition innehaben, sehen grundsätzlich in allen abgefragten Aspekten signifikant häufiger eine Verbesserung seit der Einführung des B-KJHG, als dies fallführende Sozialarbeiter/innen ohne aktuelle Leitungsfunktion
tun. So sieht z. B. die Hälfte der fallführenden Sozialarbeiter/innen mit einer leitenden Position
die Partizipation von Kindern und Jugendlichen bei der Gefährdungsabklärung als verbessert
Näheres siehe Erläuterungen zum Gesetz und wirkungsorientierte Folgenabschätzung:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_02191/index.shtml (Zugegriffen am 16.12.2016).
21
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
seit der Einführung des B-KJHG, gegenüber 35,1 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen
ohne leitende Position (ohne Abbildung).
Abbildung 67: Veränderung der Partizipation durch die Einführung des B-KJHG
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten, die bereits vor 2013 tätig waren.
Frage PA03.
Auch in ihrer beruflichen Praxis gelingt es aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen
meistens, Kinder und Jugendliche sowie Eltern bzw. mit der Pflege und Erziehung betraute
Personen im Rahmen ihrer Arbeit bei der Gefährdungsabklärung sowie in Bezug auf den Hilfeplan einzubeziehen. Im Rahmen der Gefährdungsabklärung stimmen nahezu alle befragten
fallführenden Sozialarbeiter/innen sehr bzw. eher zu (96,4 % in Bezug auf Kinder und Jugendliche; 98,0 % in Bezug auf die Eltern), dass sie mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen
sowie den Eltern ausreichend sprechen, um das Gefährdungsrisiko einschätzen zu können.
Ähnlich hoch ist die Zustimmung auch in Bezug auf die ausreichende Beratung und Erklärung
in Bezug auf die Gewährung von Erziehungshilfen und deren möglicher Auswirkungen. Auch
hier stimmen zumindest neun von zehn fallführenden Sozialarbeiter/innen sehr bzw. eher zu
– 91,4 % in Bezug auf Kinder und Jugendliche und 98,9 % in Bezug auf Eltern, wobei die
Hälfte der fallführenden Sozialarbeiter/innen (51,8 %) sogar sehr zustimmt.
Lediglich der Aspekt der Partizipation, bei dem es um die konkrete Einbeziehung der Wünsche
von Eltern sowie Kindern und Jugendlichen geht, was Art und Umfang der Erziehungshilfe
betrifft, wird durch fallführende Sozialarbeiter/innen kritischer bewertet. Bei diesem Aspekt
stimmen nur knapp drei Viertel der fallführenden Sozialarbeiter/innen sehr bzw. eher zu, dass
dies meistens in der Praxis gelingt (74,0 % in Bezug auf Kinder und Jugendliche, 70,9 % in
Bezug auf Eltern). Jeweils ein gutes Viertel stimmt dieser Aussage eher nicht bzw. gar nicht
zu.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 68: Partizipation der betroffenen Kinder und Jugendlichen aus Sicht der fallführenden
Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage PA01.
Abbildung 69: Partizipation der betroffenen Eltern aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage PA02.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Obwohl fallführende Sozialarbeiter/innen die Einbindung von Kindern und Jugendlichen sowie
Eltern durch das neue B-KJHG verbessert sehen und es ihnen in ihrer täglichen Praxis auch
meistens gelingt, die Betroffenen im Rahmen der Gefährdungsabklärung sowie der Erstellung
des Hilfeplans einzubeziehen, sehen sie ganz klar eine zeitliche Limitation dabei. Neben der
Partizipation von Kindern und Jugendlichen sowie Eltern sind im Rahmen der Gefährdungsabklärung sowie der Erstellung des Hilfeplans auch andere Akteur/innen einzubeziehen. Dafür
haben die fallführenden Sozialarbeiter/innen zu wenig zeitlichen Spielraum – dies sagt rund
die Hälfte dieser Gruppe.22 Auf die Erstellung des Hilfeplans trifft das noch etwas stärker zu,
hier geben 52,4 % an, nicht genügend zeitlichen Spielraum zu haben, gegenüber 45,1 % beim
Prozess der Gefährdungsabklärung.
Fallführende Sozialarbeiter/innen, die aktuell eine leitende Position innehaben, sind bezüglich
des zeitlichen Spielraums kritischer, sie geben signifikant häufiger an, nicht genügend zeitlichen Spielraum zu haben (ohne Abbildung). So geben knapp zwei Drittel (64,9 %) der fallführenden Sozialarbeiter/innen in leitender Position an, nicht genügend zeitlichen Spielraum bei
der Erstellung des Hilfeplans zu haben, gegenüber 50,7 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen ohne leitende Position. Im Rahmen des Prozesses der Gefährdungsabklärung führen
58,3 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen das Fehlen von zeitlichen Ressourcen an, um
alle Akteur/innen zu beteiligen, gegenüber 43,7 % der Sozialarbeiter/innen, die derzeit in keiner leitenden Funktion arbeiten.
Abbildung 70: Zeitlicher Spielraum bei Gefährdungsabklärung und Hilfeplan aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage PA04.
Fachkräfte spielen als Kooperationspartner/innen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe im
Bereich der Gefährdungsabklärung und des Hilfeprozesses eine entscheidende Rolle. Sie
Die Originalfrage lautete: Denken Sie bitte ganz grundsätzlich an den gesamten Prozess der Gefährdungsabklärung und der Hilfeplanerstellung. Haben Sie genügend zeitlichen Spielraum, um in dem Prozess alle Akteure zu beteiligen? (Frage PA04).
22
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
können einen maßgeblichen Einfluss auf die Motivation von Eltern sowie Kindern und Jugendlichen haben, sich an den Hilfsangeboten zu beteiligen und mit den Fachstellen sowie der
Kinder- und Jugendhilfe zu kooperieren. Fachkräfte wurden im Rahmen der vorliegenden Studie gefragt, inwieweit sie es als ihren Auftrag sehen, darauf hinzuwirken, dass gefährdete Eltern und Kinder bzw. Jugendliche Hilfsangebote in Anspruch nehmen (Frage E05 der Fachkräfte). Ganz eindeutig sehen sich Fachkräfte in dieser Verantwortung. Nahezu alle befragten
Fachkräfte (95,1 %) fühlen sich sehr bzw. eher dafür verantwortlich. Lediglich ein kleiner Prozentsatz von 4,0 % fühlt sich eher nicht und weitere 0,9 % gar nicht dafür verantwortlich. Die
unterschiedlichen fachlichen Arbeitsbereiche spielen in Bezug auf das hohe Verantwortungsgefühl, für die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten motivierend zu wirken, keine Rolle (ohne
Abbildung).
Abbildung 71: Verantwortungsgefühl der Fachkräfte, auf die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten durch Eltern und Kinder bzw. Jugendliche hinzuwirken
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte. Alle Befragten. Frage E05.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
11 Konfrontation
mit
und
Belastung
durch
gesellschaftliche Entwicklungen im Arbeitsalltag
Durch die enge Zusammenarbeit mit Menschen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen und
mit unterschiedlichen Problemlagen sind die Kinder- und Jugendhilfe sowie deren Kooperationspartner stark mit gesellschaftlichen Entwicklungen in ihrer täglichen Arbeit konfrontiert und
durch diese herausgefordert. Einerseits nehmen Mitarbeiter/innen zum Teil sehr früh gesellschaftliche Entwicklungen wahr, sozusagen als „Seismografen“ gesellschaftlicher Veränderungen, andererseits führt eine gestiegene gesellschaftliche Sensibilisierung für Themen, z. B.
spezifische Formen von Gewalt, auch zu einer vermehrten Kontaktaufnahme mit den Mitarbeiter/innen der Kinder- und Jugendhilfe und deren Kooperationspartnern; dies hat eine vermehrte berufliche Auseinandersetzung mit diesen Themen zur Folge. Im Rahmen der Evaluierung des B-KJHG sowie der Beschreibung eines möglichen Modifikationsbedarfes war es
auch von Interesse, fallführende Sozialarbeiter/innen und Fachkräfte zu befragen, ob und inwieweit sie in ihrer täglichen Arbeit heute mehr oder weniger mit spezifischen Themen und
gesellschaftlichen Entwicklungen in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung konfrontiert sind.
Die Befragten wurden einerseits gebeten, für bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen anzugeben, ob sie diese heute häufiger, gleich oft oder seltener erleben. Andererseits wurden
sie auch gebeten anzugeben, ob sie diese gesellschaftlichen Entwicklungen in ihrem beruflichen Alltag in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung als besonders belastend erleben. Zu folgenden gesellschaftlichen Entwicklungen sollten die fallführenden Sozialarbeiter/innen und
Fachkräfte ihre Einschätzungen abgeben:
hochstrittige Scheidungen
psychische Erkrankungen der Eltern
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Gewalt an Kindern und Jugendlichen (körperlich, sexuell, psychisch)
Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen
Suchtproblematik der Eltern
Suchtproblematik der Kinder und Jugendlichen
schlechte Umgangsformen der Bürger/innen, Rechtsvertreter/innen etc.
Fallführende Sozialarbeiter/innen und Fachkräfte sind heute in ihrer täglichen Arbeit mit allen
abgefragten Situationen deutlich häufiger konfrontiert als früher. Vor allem in drei Bereichen
(hochstrittige Scheidungen, psychische Erkrankung der Eltern und unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge) schildern die Befragten, dass es zu einem deutlichen Anstieg kam und sie alle mit
diesen Situationen heute mehrheitlich häufiger im Zusammenhang mit Kindeswohlgefährdung
zu tun haben als früher. Fallführende Sozialarbeiter/innen schildern bei allen drei Situationen
eine deutlich höhere Konfrontation als Fachkräfte.
Am deutlichsten trifft dies auf die gesellschaftliche Entwicklung in Bezug auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu. Mehr als acht von zehn fallführenden Sozialarbeiter/innen (83,1 %)
und drei Viertel der Fachkräfte (74,5 %) geben an, mit dieser Situation heute häufiger zu tun
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
zu haben als früher. Interessant erscheint allerdings, dass die Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen im konkreten Arbeitsalltag von fallführenden Sozialarbeiter/innen und
Fachkräften jene Situation ist, die von ihnen am wenigsten häufig als besonders belastend in
Bezug auf die Kindeswohlgefährdung genannt wird. Lediglich 14,2 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen und 17,2 % der Fachkräfte nennen diese Situation als besonders belastend in
ihrem beruflichen Alltag in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung (siehe Abbildung 74). Diese
Diskrepanz kann auf Basis der vorliegenden Studie nicht erklärt werden. Mögliche Erklärungsansätze dafür könnten einerseits sein, dass durch die gesellschaftliche Diskussion das Thema
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eine hohe Relevanz hat, sich zum Teil in der konkreten
Fallarbeit jedoch nicht widerspiegelt und daher als nicht so belastend empfunden wird. Andererseits könnte ein Erklärungsansatz sein, dass eine Konfrontation mit minderjährigen Flüchtlingen in der täglichen Arbeit heute deutlich häufiger vorkommt als früher, diese aber in der
konkreten Arbeitssituation nicht als besonders belastend in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung empfunden wird, weil z. B. Zuständigkeiten oder Arbeitsschritte klarer geregelt sind und
es auf der anderen Seite keine bzw. deutlich weniger Konfrontation mit dem Familiensystem
(z. B. psychisch kranke Elternteile) oder dem sozialen Umfeld gibt. Im Zusammenhang mit
ihrer konkreten Arbeitssituation sehen fallführende Sozialarbeiter/innen auch einen Modifikationsbedarf des B-KJHG im Hinblick auf die Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, nämlich im Ausbau von Ressourcen. Ressourcen sind hier einerseits personell gemeint,
aber auch in Form von differenzierten und muttersprachlichen Angeboten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (siehe Kapitel 12).
Eine Unterscheidung der Fachkräfte in Bezug auf ihren fachlichen Arbeitsbereich zeigt, dass
Fachkräfte in einem unterschiedlich starken Ausmaß durch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge heute stärker betroffen sind als früher. So gibt von den Fachkräften, die im Kindergarten
beschäftigt sind, jede/r zweite (50,9 %) an, heute mit der Situation von minderjährigen Flüchtlingen häufiger konfrontiert zu sein als früher, gegenüber z. B. Fachkräften in der Sozialarbeit
(82,6 %) und Lehrkräften (78,3 %) (ohne Abbildung).
In einem ähnlich hohen Ausmaß wie bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sind
fallführende Sozialarbeiter/innen und Fachkräfte auch häufiger mit der Situation, in der die
psychische Erkrankung der Eltern bzw. eines Elternteils das Kindeswohl gefährdet, konfrontiert (81,7 % fallführende Sozialarbeiter/innen und 70,9 % Fachkräfte). Weiter, aber in nicht
ganz so hohem Ausmaß, sind Mitarbeiter/innen der Kinder- und Jugendhilfe sowie deren Kooperationspartner auch deutlich häufiger mit hochstrittigen Scheidungen konfrontiert. Bei dieser Situation geben knapp zwei Drittel der fallführenden Sozialarbeiter/innen (61,3 %) und
mehr als jede zweite Fachkraft (57,1 %) an, diese Situation heute in ihrem beruflichen Alltag
häufiger zu erleben als früher. Allerdings schildert jede/jeder zehnte fallführende Sozialarbeiter/in (11,3 %), heute seltener als früher mit hochstrittigen Scheidungen im beruflichen Alltag
konfrontiert zu sein. Bei diesen beiden Situationen spielen die unterschiedlichen fachlichen
Arbeitsbereiche der Fachkräfte keine so große Rolle im Erleben der Häufigkeit der unterschiedlichen Situationen, wie es bei den minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen der Fall
war (ohne Abbildung).
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 72: Auftreten von Situationen im Zusammenhang mit Kindeswohlgefährdung (1)
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V04 und M03.
In Bezug auf die restlichen abgefragten Situationen zeigt sich, anders als bei den drei zuvor
beschriebenen Situationen, dass Fachkräfte heutzutage in stärkerem Maße als fallführende
Sozialarbeiter/innen von diesen Situationen betroffen sind als früher. So geben z. B. rund die
Hälfte der Fachkräfte (49,1 %) an, heute häufiger mit der Vernachlässigung von Kindern und
Jugendlichen konfrontiert zu sein als früher – gegenüber einem Drittel (34,5 %) der fallführenden Sozialarbeiter/innen.
Fallführende Sozialarbeiter/innen sehen die heute stärker vorhandene Suchtproblematik der
Kinder und Jugendlichen eher als eine Situation, die durch gesellschaftliche Entwicklungen
begründet ist. So erklären deutlich mehr fallführende Sozialarbeiter/innen, heute deutlich häufiger mit dieser Situation konfrontiert zu sein, als dies Fachkräfte tun (49,2 % versus 38,7 %).
Und Fachkräfte schildern deutlich häufiger, dass sie mit der Suchtproblematik von Kindern und
Jugendlichen heute seltener konfrontiert seien als früher (13,1 % der Fachkräfte versus 3,8 %
der fallführenden Sozialarbeiter/innen).
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 73: Auftreten von Situationen im Zusammenhang mit Kindeswohlgefährdung (2)
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V04 und M03.
Obwohl einige Situationen, durch gesellschaftliche Entwicklungen bedingt, zum deutlich häufigeren Auftreten im beruflichen Alltag geführt haben, geht damit nicht automatisch ein höheres
Belastungsempfinden der Professionellen in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung einher.
So sind einerseits fallführende Sozialarbeiter/innen und Fachkräfte, wie bereits beschrieben,
heute mit der Situation von unbegleiteten Minderjährigen in ihrem beruflichen Alltag stärker
konfrontiert als früher, andererseits ist es jene gesellschaftliche Entwicklung und Situation, die
sie in ihrem beruflichen Alltag in Bezug auf eine Kindeswohlgefährdung als am wenigsten belastend empfinden.
Fallführende Sozialarbeiter/innen und Fachkräfte unterscheiden sich im Hinblick auf die unterschiedlichen Situationen und darauf, welche als besonders belastend in ihrem beruflichen Alltag in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung erlebt werden, deutlich. Am häufigsten schildern
fallführende Sozialarbeiter/innen die psychische Erkrankung der Eltern als besonders belastend in ihrem beruflichen Alltag. Rund acht von zehn fallführenden Sozialarbeiter/innen geben
dies an (76,5 %), gegenüber 65,5 % der Fachkräfte. Fachkräfte dagegen erleben am häufigs-
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
ten die Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen in ihrem beruflichen Alltag als besonders belastend in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung, 70,8 % der Fachkräfte empfinden
diese Situation als besonders belastend, gegenüber 45,1 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen.
Hochstrittige Scheidungen werden von rund der Hälfte der fallführenden Sozialarbeiter/innen
(48,8 %) und Fachkräften (54,4 %) als besonders belastend im Hinblick auf die Kindeswohlgefährdung in ihrem beruflichen Alltag erlebt. Gewalt an Kindern und Jugendlichen sind für
rund zwei Drittel der Fachkräfte und fallführende Sozialarbeiter/innen in einem ähnlich hohen
Ausmaß besonders belastend.
Am geringsten sehen sich fallführende Sozialarbeiter/innen und Fachkräfte in ihrem beruflichen Alltag in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung besonders belastet in den Situationen mit
unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (14,5 % fallführende Sozialarbeiter/innen und
17,2 % der Fachkräfte) sowie durch eine Suchtproblematik von Kindern und Jugendlichen.
Abbildung 74: Anteil der Befragten, die Situationen der gesellschaftlichen Entwicklung als besonders belastend in ihrem beruflichen Alltag erleben
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V05 und M04.
Mehrfachantworten möglich.
Einen Hinweis auf die grundsätzliche Belastungssituation in Bezug auf Kindeswohlgefährdung
im beruflichen Alltag durch Situationen, die zum Teil durch gesellschaftliche Entwicklungen
bedingt sind, gibt ein Blick auf die Kombination, wie viele Situationen gleichzeitig von den Befragten als besonders belastend genannt wurden. So zeigt sich, dass ein Fünftel (20,3 %) der
fallführenden Sozialarbeiter/innen und ein Viertel (26,6 %) der Fachkräfte sich eher stark durch
die abgefragten Situationen in ihrem beruflichen Alltag belastet sehen, sie nennen fünf bis alle
acht der abgefragten Situationen als besonders belastend. Jeweils ein knappes weiteres Vier-
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
tel der Respondent/innen nennt die Hälfte (4) der abgefragten Situationen als besonders belastend in ihrem beruflichen Alltag in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung. Sich durch die
genannten Situationen überhaupt nicht belastet sieht sich nur ein geringer Anteil der Respondent/innen, 2,9 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen und 3,8 % der Fachkräfte.
Abbildung 75: Anteil der gleichzeitig als belastend erlebten Situationen, bedingt durch gesellschaftliche Entwicklungen
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V05 und M04.
Mehrfachantworten möglich.
In Bezug auf die inhaltlichen Aspekte der möglichen Kombinationen der Situationen, die Professionelle als besonders belastend in ihrem beruflichen Alltag in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung empfinden, zeigen sich Unterschiede zwischen fallführenden Sozialarbeiterinnen
und Fachkräften (ohne Abbildung):
Bei fallführenden Sozialarbeiter/innen findet sich in jeder der am häufigsten genannten
Kombinationen von Situationen die Gewalt an Kindern und Jugendlichen:
5,3 % nennen die Kombination der Situationen der psychischen Erkrankung der
Eltern, Gewalt an Kindern und Jugendlichen sowie die Suchtproblematik der Eltern.
4,7 % die Kombination der Situationen hochstrittige Scheidungen, die psychische
Erkrankung der Eltern sowie die Gewalt an Kindern und Jugendlichen.
4,7 % die Kombination der Situationen hochstrittige Scheidung, Gewalt an Kindern
und Jugendlichen sowie die Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen.
Bei Fachkräften greifen die häufigsten Kombinationen in unterschiedlicher Zusammensetzung jeweils auf dieselben maximal fünf Kombinationen zurück:
4,6 % nennen die Kombination von fünf Situationen: hochstrittige Scheidungen,
psychische Erkrankung der Eltern, Gewalt an Kindern und Jugendlichen, Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen sowie Suchtproblematik der Eltern.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Weitere 4,4 % nennen vier Situationen der zuvor beschriebenen Fünfer-Kombination: hochstrittige Scheidungen, psychische Erkrankung der Eltern, Gewalt an Kindern und Jugendlichen sowie Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen.
4,3 % nennen eine Kombination aus den Situationen psychische Erkrankung der
Eltern, Gewalt an Kindern und Jugendlichen sowie Vernachlässigung von Kindern
und Jugendlichen.
Eine Unterscheidung bei Fachkräften nach ihrem fachlichen Arbeitsbereich erlaubt einen
etwas differenzierteren Blick in ihr Belastungserleben, welches sich zum Teil erheblich nach
deren fachlichem Arbeitsbereich unterscheidet. Im Folgenden werden allerdings nur jene fachlichen Arbeitsbereiche dargestellt, die in der vorliegenden Erhebung mit zumindest 50 Respondent/innen (N) im fachlichen Arbeitsbereich vertreten waren, da bei den anderen Bereichen
die Teilnahme zu gering war und die Ergebnisse somit nur begrenzt aussagekräftig sind.
So zeigen sich Fachkräfte aus dem fachlichen Arbeitsbereich der Psychologie und Psychotherapie überdurchschnittlich stark besonders belastet in den Situationen der hochstrittigen
Scheidung, der psychischen Erkrankung der Eltern sowie bei Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Gibt z. B. rund jede zweite Fachkraft (54,4 %) an, durch die Situation bei hochstrittigen
Scheidungen besonders belastet zu sein im beruflichen Alltag in Bezug auf Kindeswohlgefährdung, zeigt sich die Gruppe der Fachkräfte im Bereich der Psychologie bzw. Psychotherapie
mit 69,9 %, also mit 15 Prozentpunkten Unterschied, als überdurchschnittlich von dieser Belastung betroffen. Im Vergleich dazu sind Fachkräfte aus der Sozialarbeit mit 48,6 % unterdurchschnittlich von hochstrittigen Scheidungen besonders in ihrem beruflichen Alltag belastet. Auch bei Gewalt an Kindern und Jugendlichen zeigen sich Fachkräfte im psychologischen
bzw. psychotherapeutischen Bereich überdurchschnittlich von dieser Situation in ihrem beruflichen Alltag besonders belastet: 80,7 % der Fachkräfte im Bereich der Psychologie bzw. Psychotherapie geben dies an, gegenüber z. B. 62,2 % der Lehrkräfte. Fachkräfte dieses Arbeitsbereiches sind durch die Situationen der Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen sowie die schlechten Umgangsformen der Bürger/innen, Rechtsvertreter/innen etc. unterdurchschnittlich oft besonders belastet. Sie geben z. B. bei der Vernachlässigung von Kindern und
Jugendlichen mit 59,0 % am wenigsten eine besondere Belastung des beruflichen Alltags
durch diese Situation an, gegenüber 70,8 % von allen Fachkräften.
Lehrkräfte fallen durch eine überdurchschnittliche besondere Belastung in ihrem beruflichen
Alltag in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung in den Situationen der Vernachlässigung von
Kindern und Jugendlichen sowie bei den schlechten Umgangsformen der Bürger/innen,
Rechtsvertreter/innen etc. auf. So zeigen sich 70,8 % der Fachkräfte insgesamt durch die Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen in ihrem beruflichen Alltag als besonders belastet, Lehrkräfte geben dies mit 80,9 % überdurchschnittlich häufiger an. Unterdurchschnittlich
belastet in ihrem beruflichen Alltag zeigen sich Lehrkräfte von der Suchtproblematik der Eltern
(25,6 % versus 36,7 % aller Fachkräfte).
Fachkräfte in den Kindergärten (KIGAS) fallen bedingt durch die Altersstruktur der Kinder,
mit denen sie in ihrem beruflichen Alltag konfrontiert sind, durch eine unterdurchschnittliche
besondere Belastung in den Situationen mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sowie
der Suchtproblematik der Kinder und Jugendlichen auf. So fühlen sich lediglich 5,8 % der
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Fachkräfte im Kindergarten durch die Situation mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen
besonders in ihrem Alltag belastet, gegenüber 17,2 % aller Fachkräfte. In einem ähnlichen
Ausmaß trifft dies auf die Suchtproblematik von Kindern und Jugendlichen zu: Hier fühlen sich
6,3 % der Fachkräfte der KIGAS besonders belastet, gegenüber 18,9 % aller Fachkräfte und
24,9 % der Fachkräfte aus der Sozialarbeit.
Fachkräfte aus dem Bereich der Sozialarbeit sehen sich am häufigsten und überdurchschnittlich stark in ihrem beruflichen Alltag besonders im Zusammenhang mit der Kindeswohlgefährdung durch psychische Erkrankungen der Eltern belastet, drei Viertel der Fachkräfte im Sozialbereich geben dies an (75,7 % versus 65,5 % aller Fachkräfte). Durch die Situationen der
unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sowie die Suchtproblematik von Kindern und Jugendlichen zeigen sich Fachkräfte aus dem Fachbereich der Sozialarbeit am stärksten als
besonders belastet. So gibt ein Fünftel der Fachkräfte der Sozialarbeit (20,8 %) an, durch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in ihrem beruflichen Alltag in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung besonders belastet zu sein, gegenüber 5,8 % der Mitarbeiter/innen in Kindergärten sowie 12,7 % von Fachkräften aus dem pädagogischen Bereich (ohne Lehrkräfte).
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Abbildung 76: Anteil der Fachkräfte, die Situationen der gesellschaftlichen Entwicklung als besonders belastend in ihrem beruflichen Alltag erleben, nach fachlichem Arbeitsbereich
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte. Alle Befragten. Frage V05 und M04. Mehrfachantworten möglich. Darstellung nur von jenen fachlichen Arbeitsbereichen mit N = zumindest 50.
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12 Modifikationsbedarf des B-KJHG aus Sicht der
Befragten
Im Rahmen des Entschließungsantrages zur Evaluierung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes wurde festgehalten, dass eine Evaluierung des B-KJHG ganz grundsätzlich die
Effizienz der neuen Bestimmungen im Hinblick auf die Sicherstellung des Wohles der Kinder
und Jugendlichen überprüfen sollte. Zudem wurde in Bezug auf das Bundesgesetz festgehalten, dass aufgrund der bestehenden Kompetenzlage der Bund für die Grundsatzgesetzgebung
zuständig ist und die Bundesländer für die entsprechenden Ausführungsgesetzgebungen, die
Vollziehung sowie die Finanzierung (siehe Entschließungsantrag23). Mögliche Inhalte der internen Evaluierung wurden in den Erläuterungen24 zum Bundesgesetz in der wirkungsorientierten Folgenabschätzung zum
B-KJHG beschrieben und ausgeführt.
Im Rahmen des vorliegenden Moduls wurde ein möglicher Modifikationsbedarf primär über
zwei Herangehensweisen erhoben. Einerseits wurden die Befragten direkt über vorstrukturierte geschlossene Fragen gebeten zu beurteilen, ob und wo sie einen konkreten Modifikationsbedarf sehen. Andererseits wurde jede Zielgruppe (Fachkräfte sowie fallführende Sozialarbeiter/innen) jeweils im Rahmen einer offenen Frage gebeten, Wünsche bzw. Verbesserungsvorschläge zu nennen, die ihren konkreten Arbeitsalltag im Hinblick auf die Gefährdung
von Kindern und Jugendlichen erleichtern würden.
Die Einschätzung des Bedarfs an einer Weiterentwicklung bzw. Modifikation des B-KJHG ist
eine entscheidende Fragestellung der Evaluierung und im Speziellen des vorliegenden Moduls
der Evaluierung. Wegen der unterschiedlichen Zugangsweisen, mit denen ein möglicher Modifikationsbedarf abgefragt wurde, sowie aufgrund unterschiedlicher analytischer Methoden
erfolgt die Beschreibung des potenziellen Modifikationsbedarfs aus drei Perspektiven: Im Rahmen einer deskriptiven Beschreibung werden erste zentrale Ergebnisse des geäußerten Modifikationsbedarfs dargestellt (Kapitel 12.1). Zusätzlich zu den deskriptiven Auswertungen erfolgt eine analytische Untersuchung des angegebenen Modifikationsbedarfs mittels eines multivariaten Verfahrens; dieses erlaubt einen Einblick in die Beweggründe, die zu den Beurteilungen hinsichtlich eines Modifikationsbedarfs geführt haben (Kapitel 12.2). Abschließend wird
als dritte Perspektive der Modifikationsbedarf beschrieben, der im Rahmen von offenen Fragen direkt von fallführenden Sozialarbeiter/innen sowie Fachkräften ohne strukturelle Vorgaben beschrieben wurde (Kapitel 12.3).
Entschließungsantrag: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/UEA/UEA_01003/index.shtml
(Zugegriffen am 16.12.2016).
24 Erläuterungen zum Gesetz und wirkungsorientierte Folgenabschätzung: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_02191/index.shtml (Zugegriffen am 16.12.2016).
23
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
12.1 Perspektive 1: Deskriptive Beschreibung des Modifikationsbedarfs
Fallführende Sozialarbeiter/innen sowie Fachkräfte wurden ganz grundsätzlich in der vorliegenden Studie befragt, ob sie einen Bedarf an einer Weiterentwicklung bzw. Modifikation des
B-KJHG sehen.25 Wenn ein Modifikationsbedarf gesehen wurde, konnte dieser anhand von
vorstrukturierten Bereichen näher beschrieben werden, z. B. beim Vier-Augen-Prinzip, den
präventiven Angeboten für Eltern oder für Kinder oder im Bereich der Professionalisierung der
Fachkräfte.
Für rund ein Drittel der fallführenden Sozialarbeiter/innen (36,6 %) und der Fachkräfte (37,5 %)
besteht ein Modifikationsbedarf des B-KJHG. Jede fünfte Fachkraft (19,5 %) sowie 14,4 % der
fallführenden Sozialarbeiter/innen sieht derzeit dezidiert keinen Modifikationsbedarf des Gesetzes. Allerdings ist hier anzumerken, dass die Frage nach dem Modifikationsbedarf des BKJHG von der Hälfte der fallführenden Sozialarbeiter/innen (49,4 %) und knapp der Hälfte der
Fachkräfte (43,0 %) nicht beantwortet wurde.26
Abbildung 77: Bedarf an Weiterentwicklung bzw. Modifikation des B-KJHG
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V02 und M01.
Den stärksten Modifikationsbedarf beim Bundes-Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz 2013 sehen die fallführenden Sozialarbeiter/innen und die Fachkräfte in den präventiven Angeboten
Die Originalfrage lautete: „Besteht aus Ihrer Sicht ein Bedarf an einer Weiterentwicklung bzw. Modifikation des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes?“ – Antwortkategorien: Ja/Nein - (fallführende Sozialarbeiter/innen Frage M01, Fachkräfte Frage V02).
26 Bei der Konzeption des Fragebogens wurde bei dieser Frage bewusst auf eine mittlere Antwortkategorie, wie z. B. „weiß nicht“, verzichtet. Bei der Beantwortung der Frage wurde nur die Antwortkategorie
„Ja“ bzw. „Nein“ angeboten. Allerdings scheint die hohe Anzahl an Personen, die diese Frage nicht
beantwortet haben, in die Richtung zu deuten, dass zu dem Zeitpunkt der Befragung diese Einschätzung
(noch) nicht vorgenommen werden kann bzw. die Befragungsteilnehmer/innen dies zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möchten. Keine andere Frage des Fragebogens weist eine derart hohe Nichtbeantwortung aus.
25
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
für Eltern. Rund jede zweite Fachkraft (49,7 %) und jeder/jede zweite fallführende Sozialarbeiter/in (54,2 %) sieht im Bereich der präventiven Angebote für Eltern einen Weiterentwicklungsbedarf. Ähnlich häufig nennen auch fallführende Sozialarbeiter/innen die präventiven Angebote für Kinder- und Jugendliche als Modifikationsbedarf – 53,5 % der fallführenden Sozialarbeiter/innen gegenüber 39,4 % der Fachkräfte. Fachkräfte führen am zweithäufigsten den
Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt an (47,0 % der Fachkräfte).
Abbildung 78: Bedarf an Nachbesserungen des B-KJHG aus Sicht der Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen. Alle Befragten. Frage V03 und M02.
Mehrfachantworten möglich. Gereiht nach häufigster Nennung der fallführenden Sozialarbeiter/innen.
Inhaltlich zeigt sich weder bei den Fachkräften noch bei den fallführenden Sozialarbeiter/innen
eine dominant vorkommende Kombination eines spezifischen Nachbesserungsbedarfes des
B-KJHG. Es fällt lediglich auf, dass, wenn ein Modifikationsbedarf gesehen wird, dieser von
zwei Drittel der befragten Fachkräfte (65,5 %) und knapp drei Viertel der fallführenden Sozialarbeiter/innen (73,7 %) in einer Kombination von zwei bis sechs Nennungen in ganz unterschiedlichen inhaltlichen Kombinationen gesehen wird. Fallführende Sozialarbeiter/innen äußern einen etwas komplexeren Nachbesserungsbedarf, da sie häufiger zehn und mehr Nennungen für einen Modifikationsbedarf angeben.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Abbildung 79: Häufigkeit von Kombination, wenn Nachbesserungen gewünscht sind
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte und fallführenden Sozialarbeiter/innen. Nur jene Befragten, die angegeben
haben, dass sie einen Modifikationsbedarf sehen (V02 und M01). Frage V03 und M02.
Im Rahmen dieser vorstrukturierten Abfrage konnten die Respondent/innen ihren Modifikationsbedarf nach den abgefragten Aspekten spezifizieren. Anzumerken ist allerdings, dass, wie
in Abbildung 78 dargestellt, nur ein Teil der Befragten sich für einen Modifikationsbedarf aussprach und von jenem Teil nicht alle die offene Antwortmöglichkeit nutzten, um diesen Bedarf
zu spezifizieren. Je nach abgefragtem Bereich war das Antwortverhalten unterschiedlich stark
ausgeprägt. Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse spiegeln also den Bedarf einer zum
Teil kleinen Gruppe wider. Dieser Umstand sollte bei der Beschreibung der Ergebnisse sowie
den daraus abgeleiteten Interpretationen mitgedacht werden.27 Die einzelnen Bereiche werden, wo möglich, im Folgenden anhand übergeordneter Kategorien beschrieben, denen die
einzelnen Nennungen zugeordnet wurden. Auf die Darstellung von Bereichen mit sehr geringen Nennungen bzw. sehr heterogenen Nennungen wird verzichtet.
37,5 % (N = 142) der fallführenden Sozialarbeiter/innen (FS) gaben an, einen Modifikationsbedarf zu
sehen, und 36,3 % (N = 485) der Fachkräfte (FK). Zur besseren Bewertung und Einordnung der Ergebnisse sowie aus Gründen der Transparenz wird die Anzahl (N) der Antworten pro Bereich und Befragungsgruppe sowie in Klammern der Anteil jener, die den Modifikationsbedarf spezifizierten, an allen,
die einen Modifikationsbedarf äußerten, in Prozent angegeben.
Schutz von Kindern/Jugendlichen vor Gewalt: FS 28 (19,7 %), FK 129 (26,6 %)
Vier-Augen-Prinzip:
FS 40 (28,2 %), FK 43
(8,9 %)
Mitteilungspflicht:
FS 42 (29,6 %), FK 74 (15,3 %)
Präventive Angebote für Eltern:
FS 44 (31,0 %), FK 151 (31,1 %)
Präventive Angebote für Kinder/Jugendliche: FS 46 (32,4 %), FK 123 (25,4 %)
Weiterbildung Mitarbeiter/innen KJH:
FS 35 (24,6 %), FK 70 (14,4 %)
Professionalisierung der Fachkräfte:
FS 27 (19,0 %), FK 79 (16,3 %)
Datenschutz:
FS 16 (11,3 %), FK 48
(9,9 %)
Partizipation von Kindern/Jugendlichen:
FS 11
(7,7 %), FK 45
(9,3 %)
Partizipation von Eltern:
FS 4
(2,8 %), FK 38
(7,8 %)
Einheitliche Standards:
FS 20 (14,1 %), FK 50 (10,3 %)
Zusammenarbeit mit externen Stellen:
FS 27 (19.0 %), FK 103 (21,2 %)
Sonstiges:
FS 21 (14,8 %), FK 57 (11,8 %)
27
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
In Bezug auf die präventiven Angebote für Eltern äußerten die Fachkräfte und fallführenden
Sozialarbeiter/innen den Wunsch nach mehr und besser ausgebauten Beratungsangeboten
für Eltern, z. B. in Form von Erziehungsberatung oder auch „Elternschule“. Die Beratung sollte
flächendeckend, kostenlos bzw. kostengünstig und niederschwellig angeboten werden sowie
aufsuchende Elemente beinhalten. Die Beratungsangebote sollten auch stärker an vulnerablen Bevölkerungsgruppen, z. B. im Falle einer Trennung oder Scheidung oder Personen mit
Migrationshintergrund, orientiert sein. Die präventiven Angebote für Eltern sollten möglichst
frühzeitig (z. B. vor bzw. während der Schwangerschaft) gesetzt werden und könnten aus Sicht
der Befragten mit den Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen gekoppelt werden. Ein in den letzten
Jahren stärker ausgebauter Ansatz wird ebenfalls explizit als mögliche Modifikation angesprochen, die „frühen Hilfen“. Unter diesen wird ein Gesamtkonzept von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung bzw. zur gezielten Frühintervention in Schwangerschaft sowie in der frühen
Kindheit gefasst, die Ressourcen und Belastungen von Familien in spezifischen Lebenslagen
berücksichtigen.28
Im Bereich der präventiven Angebote für Kinder und Jugendliche sehen fallführende Sozialarbeiter/innen einen primären Modifikationsbedarf im Ausbau der Schulsozialarbeit bei allen Schulformen sowie bei den Angeboten ganz allgemein und auch bei freizeitpädagogischen
Angeboten. Die Angebote für Kinder und Jugendliche sollten niederschwellig, kostenlos bzw.
kostengünstig und dezentral ausgebaut sein. Als spezifische Themenbereiche der Angebote
wurden Sucht, Gewalt in ihren unterschiedlichen Ausprägungen sowie Sexualität von den fallführenden Sozialarbeiter/innen genannt. Auch die Fachkräfte sehen den Modifikationsbedarf
primär im Ausbau von kostenlosen und niederschwelligen Angeboten für Kinder und Jugendliche (z. B. Ausbau von Therapieplätzen). Fachkräfte und hier vor allem pädagogische Fachkräfte wünschen sich mehr Workshops in Schule und Kindergarten. Die Themen, die bei präventiven Angeboten für Kinder und Jugendliche angesprochen werden sollten, decken sich mit
denen der fallführenden Sozialarbeiter/innen: Gewalt, z. B. im Rahmen von Antiaggressionstraining oder Stärkung des Selbstbewusstseins, aber auch Sucht und Sexualität.
Fallführende Sozialarbeiter/innen sehen bei der Weiterbildung für Mitarbeiter/innen der
Kinder- und Jugendhilfe primär Bedarf in einem stärkeren und differenzierteren Angebot an
Weiterbildung und der verpflichtenden Teilnahme für die Mitarbeiter/innen. Dem stimmen auch
die Fachkräfte aus dem Bereich der Sozialarbeit zu, diese nutzten am stärksten die offene
Antwortmöglichkeit bei diesem Thema. Auch sie sehen als Modifikationsbedarf in diesem Bereich mehr und verpflichtende Fachfortbildungen für Mitarbeiter/innen aus der Kinder- und Jugendhilfe.
In Bezug auf die Professionalisierung der Fachkräfte sehen Fachkräfte und fallführende
Sozialarbeiter/innen ähnlichen Modifikationsbedarf. Für beide befragten Gruppen steht die
weitere bzw. laufende Ausbildung und Fortbildung sowie das Angebot von Supervision im Vordergrund einer möglichen Weiterentwicklung des B-KJHG 2013. Unter den Fachkräften gab
es am häufigsten Rückmeldungen aus dem Bereich der Sozialarbeit und von Lehrer/innen.
Fachkräfte im Bereich der Sozialarbeit führen z. B. den Wunsch nach mehr Ausbildung in
rechtlichen Fragen sowie im Bereich der Unterstützung zur Erziehung an.
28
Näheres zum Konzept der frühen Hilfen siehe Webseite: http://www.fruehehilfen.at/.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Beim Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt ist den Fachkräften sowie den
fallführenden Sozialarbeiter/innen vor allem die Definition von Gewalt wichtig. Für sie zählt
nicht nur die körperliche bzw. auch klar sichtbare Verletzung als Gewalt. Auch andere Formen
sind als Gewalt zu definieren, z. B. die psychische bzw. seelische Gewalt, Mobbing, aber auch
miterlebte Gewalt an anderen Personen sowie das Unterlassen von Förderung. Einen weiteren
Aspekt des Schutzes der Kinder und Jugendlichen vor Gewalt sehen die Befragten in einem
schnelleren Agieren der Professionellen bzw. der beteiligten Stellen und Institutionen sowie im
Ausbau der Hilfs- und Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche, aber auch der Eltern. Aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen und der Fachkräfte sollte der Aspekt der
Prävention zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt ausgebaut werden.
Fallführende Sozialarbeiter/innen sehen in Bezug auf die Mitteilungspflicht den größten Verbesserungsbedarf in einer besseren Aufklärung sowie mehr Informationen für alle mitteilungspflichtigen Berufsgruppen. Vor allem erkennen sie Bedarf bei der Weitergabe der Information,
dass die Mitteilung schriftlich an den Kinder- und Jugendhilfeträger erfolgen muss. Schule und
Kindergärten könnten aus ihrer Sicht zum Teil früher Verdachtsmomente mitteilen und vor allem die Fachkräfte im medizinischen Bereich (z. B. Ärzte und Ärztinnen) sollten von der Meldepflicht grundsätzlich mehr Gebrauch machen. Fachkräfte wünschen sich eine verbesserte
Kooperation der beteiligten Institutionen im Falle einer Meldung und vor allem, dass die Mitteilungspflicht in „beide Richtungen“ geht. Also, dass auch die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe
Rückmeldung darüber geben sollte, wie es dem Kind bzw. Jugendlichen geht und welche
Schritte unternommen werden. Zum Teil sprechen Fachkräfte auch den Wunsch nach detaillierteren Informationen über die Mitteilungspflicht an.
Zentraler Modifikationsbedarf bei der Umsetzung des Vier-Augen-Prinzips ist aus Sicht der
fallführenden Sozialarbeiter/innen die Aufstockung der personellen, aber auch der zeitlichen
Ressourcen der Sozialarbeiter/innen in der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe. „Die Realität
muss den Standards angepasst werden“ (ID 453 fallführende/r Sozialarbeiterin). Einzelne
Rückmeldungen kommen auch im Hinblick auf die verpflichtende Ausübung des Vier-AugenPrinzips bei Hausbesuchen und Gesprächen und nicht nur bei den internen Gesprächen bzw.
in der Form einer Unterschrift. Die Rückmeldungen seitens der Fachkräfte zeigen ein sehr
heterogenes Bild, nehmen vereinzelt die bereits beschriebenen Aspekte auf und sind sonst in
keiner übergreifenden Kategorie zusammenfassbar.
Fallführende Sozialarbeiter/innen sowie Fachkräfte sehen einen Modifikationsbedarf in Bezug
auf die Zusammenarbeit mit externen Stellen, primär in einer Verbesserung der Kommunikation. So könnten mehr Informationen über die jeweilige Arbeitsweise und Aufgaben das Verständnis füreinander unterstützen. Aus Sicht der fallführenden Sozialarbeiter/innen würden
schriftlich klar fixierte Kooperationsvereinbarungen zwischen der Kinder- und Jugendhilfe und
externen Stellen helfen, die gegenseitigen Aufgaben und Grenzen zu kommunizieren und umzusetzen, und müssten nicht jedes Mal neu diskutiert werden.
Zum Verbesserungspotenzial bei einheitlichen Standards bei der Gefährdungsabklärung
und Hilfeplanerstellung gibt es vonseiten der fallführenden Sozialarbeiter/innen sowie von
Fachkräften und hier vor allem aus dem Bereich der Sozialarbeit, einen klaren Tenor: Die
Standards sollten bundesweit einheitlich und möglichst in schriftlicher Form (z. B. Leitfaden)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
festgehalten sein. Einige der Befragten vermerkten auch, dass die Standards zumindest auf
Landesebene einheitlich sein sollten, wenn schon nicht auf Bundesebene.
Beim Datenschutz zeigen sich durchaus unterschiedliche Anregungen zum Verbesserungsbedarf beim B-KJH-Gesetz. Die Anregungen gehen zum einen in die Richtung einer Lockerung
bei der Weitergabe von Informationen an Professionelle, um die gemeinsame Arbeit im Sinne
des Schutzes von Kindern und Jugendlichen zu erleichtern (z. B. bei Fallbesprechungen). Andererseits gehen die Anregungen aber auch in Richtung einer klareren Definition und von Regeln, welche Daten an wen und wie weitergegeben werden dürfen. Diese Aspekte werden
sowohl von den fallführenden Sozialarbeiter/innen als auch von den Fachkräften genannt.
Vonseiten der fallführenden Sozialarbeiter/innen wird auch ein Verbesserungspotenzial im Bereich der E-Mail-Verschlüsselung angesprochen, die z. B. einfacher werden sollte. Fachkräfte
äußern zum Teil auch den Wunsch nach einer kompletten Anonymität des Informanten, auch
zu dessen eigenem Schutz.
Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der Gefährdungsabklärung und bei
der Hilfeplanerstellung wird grundsätzlich durch die fallführenden Sozialarbeiter/innen und
die Fachkräfte als gut und wichtig empfunden. Beide befragten Gruppen äußern aber auch
den Wunsch, die Partizipation von Kindern und Jugendlichen ernst zu nehmen und in der Praxis umzusetzen. Allerdings wird auch die Einschränkung gemacht, dass dies in der Praxis
vielfach aus personellen Gründen nicht möglich sei, oder, in Bezug auf die Freiwilligkeit, die
Einbindung von über 14-jährigen Jugendlichen in der Praxis oft nicht so leicht ist.
In Bezug auf die Partizipation von Eltern in der Gefährdungsabklärung und bei der Hilfeplanerstellung äußern sich primär Fachkräfte. Die Anregungen umfassen vor allem mehr Information an die Eltern selbst sowie mehr Transparenz den Eltern gegenüber.
Im Bereich der sonstigen Anmerkungen für einen Modifikationsbedarf beim B-KJH Gesetz
nennen die fallführenden Sozialarbeiter/innen den Ausbau der personellen und finanziellen
Ressourcen. Aus ihrer Sicht sollte es einen Personalschlüssel geben, der sicherstellt, dass die
gesetzlichen Vorgaben auch tatsächlich umgesetzt werden können. Die Rückmeldungen der
Fachkräfte sind sehr heterogen. Eine gemeinsame Klammer zeigt sich natürlich auch im
Wunsch nach mehr personellen und finanziellen Ressourcen, aber auch im Wunsch nach Ausbau von spezifischeren Angeboten bzw. für spezifische Bevölkerungsgruppen. So werden
z. B. genannt der Ausbau der Beratung von pädosexuellen Menschen, die Gleichstellung bzw.
die Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in das
B-KJH Gesetz, der Ausbau der Männerberatung bzw. der Opferschutzeinrichtungen.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
12.2 Perspektive 2: Multivariates Verfahren zur Beschreibung des
Modifikationsbedarfs
Bei der deskriptiven Darstellung zeigte sich, dass ein hoher Anteil der Befragten sowohl bei
den fallführenden Sozialarbeiter/innen als auch bei den Fachkräften keine Antwort auf diese
Fragestellung geben konnte oder wollte (43 % bzw. 49,5 % keine Antwort). Aus diesem
Grunde wurde anstelle eines bivariaten Vergleichs zwischen Zustimmung und Ablehnung der
Aussage, ob Bedarf an einer Weiterentwicklung besteht, eine erweiterte Herangehensweise
gewählt, bei der auch die dritte Möglichkeit, nämlich keine Antwort zu geben, berücksichtigt
wird – ein Multinomial Logit-Modell.29
Im Folgenden wird das Verfahren kurz beschrieben: Die Antwortmöglichkeiten „ja“, „nein“ und
„keine Antwort“ können als drei unterschiedliche Eintrittswahrscheinlichkeiten gesehen werden, die sich auf 100 % summieren. Ziel dieser multivariaten Analysemethode ist es, sogenannte Determinanten zu finden, die sich auf die drei Eintrittswahrscheinlichkeiten signifikant
positiv oder negativ auswirken. Hierbei wurden bei der Modellierung nur Determinanten verwendet, die zumindest auf eine der drei Realisierungswahrscheinlichkeiten signifikant30 wirken. Ausgenommen von dieser Regel sind die Bundesländervariablen, die als sogenannte
Kontrollvariable einer etwaigen regionalen Differenzierung Rechnung tragen sollen. Die einzelnen Werte, die in den Tabellen stehen, werden marginale Effekte genannt. Sie stellen in
Prozentpunkten die Veränderung der jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeit bei Zutreffen der
genannten Determinante dar. Sie besitzen die Eigenschaft, dass sie sich zeilenweise auf null
summieren, da jede Steigerung einer Eintrittswahrscheinlichkeit eine Reduktion einer anderen
Eintrittswahrscheinlichkeit zur Folge haben muss.
Als Lesebeispiel sei von Tabelle 8 die Determinante „vom Gesetz gehört“ bei den Fachkräften
näher erläutert. Fachkräfte, die von der Neugestaltung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes gehört haben, haben eine um 14 Prozentpunkte niedrigere Wahrscheinlichkeit,
„keine Antwort“ auf die Frage, ob ein Bedarf an einer Weiterentwicklung bzw. Modifikation des
Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes besteht, zu geben. Gleichzeitig steigt ihre Wahrscheinlichkeit, darauf mit „ja“ zu antworten, um 6,2 Prozentpunkte und mit „nein“ um 7,8 Prozentpunkte. Das heißt ceteris paribus (die restlichen Determinanten bleiben gleich), dass informierte Fachkräfte eine deutlich verringerte Wahrscheinlichkeit haben, keine Antwort auszuwählen (35,5 %), und dementsprechend verstärkt eine klare bejahende (42,5 %) bzw. verneinende (22,1 %) Antwort wählen. Alle drei Veränderungen der Antwortwahrscheinlichkeiten
sind hoch bis sehr hoch signifikant (abzulesen an der Indexierung mittels der Sterne). Es kann
Die folgenden Analysen verwenden Routinen von J. Scott Long and Jeremy Freese (2014). Regression Models for Categorical Dependent Variables Using Stata, Third Edition. College Station, TX: Stata
Press.
30 Die Stärke der Signifikanz wird mit Sternen indexiert.
/// Die Irrtumswahrscheinlichkeit liegt bei unter 1 %.
// Die Irrtumswahrscheinlichkeit liegt bei unter 5 %.
/Die Irrtumswahrscheinlichkeit liegt bei unter 10 %.
Werte mit höheren Irrtumswahrscheinlichkeiten werden nicht indexiert und gelten als insignifikant.
29
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
also gesagt werden: Fachkräfte, die sich informiert haben bzw. informiert worden waren, haben eine deutlich artikuliertere Meinung.
Im Folgenden wird nun zuerst auf die einzelnen Determinanten bei den fallführenden Sozialarbeiter/innen (Tabelle 7), danach auf jene der Fachkräfte (Tabelle 8) eingegangen.
Die Erfahrungen, die fallführende Sozialarbeiter/innen bei der Gefährdungsabklärung machen,
wirken signifikant auf deren Antwortwahrscheinlichkeiten. Wenn nicht genügend Zeit bei der
Gefährdungsabklärung zur Verfügung steht, sinkt der Anteil jener, die keinen Modifikationsbedarf sehen, um 7 Prozentpunkte. Dies verstärkt sich, wenn es spezifisch nicht möglich ist, im
ausreichenden Maß mit Kindern und Jugendlichen bei der Gefährdungsabklärung zu sprechen
(-19 Prozentpunkte). Das heißt, de facto gibt es niemanden, der keinen Modifikationsbedarf
sieht, wenn das zutrifft. Liegen fachliche Standards für ein strukturelles Vorgehen bei Gefährdungsabklärungen vor, so hat dies zwei stark signifikante Effekte auf das Antwortverhalten
von fallführenden Sozialarbeiter/innen. Einerseits sinkt die Wahrscheinlichkeit, sich nicht zu
äußern, markant von 43 % auf rund 22 %, andererseits steigt die Wahrscheinlichkeit, keinen
Bedarf für eine Weiterentwicklung zu sehen, von 19,5 % auf rund 38 %. Das heißt, wenn fachliche Standards für ein strukturiertes Vorgehen bei Gefährdungsabklärungen vorhanden sind,
die den Sozialarbeiter/innen auch eine gewisse Sicherheit bei deren Vorgehen geben, so tragen diese auch zu einer gewissen Zufriedenheit mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz bei.
Fallführende Sozialarbeiter/innen, die allgemein Probleme beim Prozess der Gefährdungsabklärung sehen, sind stark motiviert, sich zu einem etwaigen Modifikationsbedarf des BundesKinder- und Jugendhilfegesetzes zu äußeren (die Wahrscheinlichkeit, keine Antwort zu geben,
sinkt um etwa 15 Prozentpunkte) mit einer sehr schwachen Tendenz Richtung „ja“. Dieser
Effekt ist aber sehr klein und nicht sehr stark signifikant.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Tabelle 7: Determinanten der multivariaten Analyse des Modifikationsbedarfs bei fallführenden
Sozialarbeiter/innen
Bedarf an Weiterentwicklung bzw. Modifikation
Fallführende Sozialarbeiter/innen
Eintrittswahrscheinlichkeit
keine Antwort
ja
nein
0,43
0,375
nicht genug Zeit bei Gefährdungsabklärung
-0,008
0,079
0,195
-0,07*
nicht möglich, ausreichend mit K&J bei Gefährdungsabklärung zu sprechen
-0,01
0,204
-0,194***
fachliche Standards für strukt. Vorgehen bei Gefährdungsabklärung vorhanden
-0,206***
0,188***
sehen Probleme beim Prozess der Gefährdungsabklärung
-0,149***
0,018
0,094*
0,156***
0,094*
-0,003
-0,083**
-0,098***
0,055
(sehr) schlechte Beurteilung
der verbindlichen Kooperationsvereinbarungen
-0,153***
der Kooperation mit Gesundheitswesen
-0,012
der Inhalte der Angebote für Eltern
0,021
0,077
arbeitet in leitender Position
-0,145***
-0,162**
0,099*
0,164**
positive Beurteilung der Treffsicherheit der genutzten Fortbildungsangebote
-0,132***
0,034
vor 2013 in der Kinder- und Jugendhilfe tätig
0,047
-0,003
0,099**
Bundesländer (Basis: Wien)
Burgenland
-0,049
0,174
Kärnten
-0,094
0,281***
Niederösterreich
-0,057
0,114
-0,057
Oberösterreich
-0,112
-0,162*
0,13
-0,017
0,159
0,003
0,166*
0,175*
-0,058
Tirol
-0,108
-0,172**
-0,003
Vorarlberg
0,045
-0,018
-0,027
Salzburg
Steiermark
Quelle: ÖIF, Befragung der fallführenden Sozialarbeiter/innen.
-0,125
-0,187***
Verbindliche Kooperationsvereinbarungen mit anderen Einrichtungen haben einen wesentlichen Einfluss auf die Antwortwahrscheinlichkeiten. Werden diese als schlecht oder sehr
schlecht beurteilt, hat dies eine deutliche Steigerung der Befürwortung eines Modifikationsbedarfs zur Folge (plus 15,6 Prozentpunkte). Diese Steigerung rekrutiert sich fast ausschließlich
aus dem Pool jener, die sonst keine Antwort geben würden. Der Anteil jener, die keinen Modifikationsbedarf sehen, bleibt fast unverändert. Unter allen Kooperationen mit externen Systemen ist jene mit dem Gesundheitswesen die einzige, die sich signifikant auf das Antwortverhalten auswirkt. Wenn hier Probleme auftreten, kommt es fast zu einer direkten Verlagerung
von keinem (minus 8,3 Prozentpunkte) hin zu einem Modifikationsbedarf (plus 9,4 Prozentpunkte).
Bei der Beurteilung der regional verfügbaren Angebote der sozialen Dienste in der Prävention
von Erziehungsproblemen kommt es bei einem Angebot zu signifikanten Zusammenhängen
bzgl. des Modifikationsbedarfs. Wird die Treffsicherheit und Qualität der Inhalte der Angebote
für Eltern schlecht bzw. sehr schlecht eingeschätzt, so führt dies zu einer signifikanten Reduktion des Antwortverhaltens „nein, es gibt keinen Weiterentwicklungsbedarf“ um knapp 10 Prozentpunkte.
Aufseiten der persönlichen Charakteristika der fallführenden Sozialarbeiter/innen ist deutlich
erkennbar, dass diejenigen, die bereits vor der Einführung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes in ihrem Bereich tätig waren, eine deutlich artikuliertere Meinung vertreten (minus 14,5 Prozentpunkte bei „keine Antwort“) als jene, die erst nach 2013 in diesem Feld tätig
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
sind. Diese vermehrt artikulierte Meinung realisiert sich sowohl bei der Antwortkategorie „ja“
als auch bei „nein“, mit einer leicht signifikant stärkeren Tendenz zur Ersteren. Jene Sozialarbeiter/innen, die eine leitende Tätigkeit ausüben, vertreten ihre Meinung ebenfalls konkreter
(minus 16,2 Prozentpunkte bei „keine Antwort“). Im Gegensatz zur vorherigen Determinante
realisiert sich hier das Antwortverhalten aber ausschließlich auf die Kategorie „ja, ein Weiterentwicklungsbedarf ist gegeben“. Sozialarbeiter/innen in leitenden Positionen sehen also einen deutlich höheren Modifikationsbedarf. Jene Sozialarbeiter/innen, die von der Treffsicherheit der von ihnen genutzten Fortbildungsangebote überzeugt sind, sehen hingegen deutlich
stärker keinen Modifikationsbedarf (plus 10 Prozentpunkte).
Die inkludierten Bundesländervariablen sollen die regionale Heterogenität abfangen und weisen im Großen und Ganzen keine starken Effekte auf.31 In Kärnten, der Steiermark und in Tirol
geben fallführende Sozialarbeiter/innen signifikant stärker einen Weiterentwicklungsbedarf an
als in Wien, wobei nur jener in Kärnten sehr signifikant ist. In Salzburg und Tirol artikulieren
die fallführenden Sozialarbeiter/innen signifikant stärker ihre Meinung als in Wien. Zur Interpretation muss auch gesagt werden, dass Wien jenes Bundesland mit dem mit Abstand höchsten Wert bei fallführenden Sozialarbeiter/innen ist, die keinen Modifikationsbedarf sehen
(30,4 %).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Unzufriedenheiten mit der jetzigen Situation bei Gefährdungsabklärungen, besonders wenn ein Zeitmangel gegeben ist und wenn Probleme in
der Kooperation mit anderen Einrichtungen bestehen, zu Einschätzungen führen, dass ein
Modifikationsbedarf besteht. Dies formulieren fallführende Sozialarbeiter/innen in leitenden
Positionen verstärkt. Im Gegensatz dazu sehen fallführende Sozialarbeiter/innen, bei deren
Einrichtungen fachliche Standards für ein strukturiertes Vorgehen bei Gefährdungsabklärungen vorhanden sind, und jene, deren Fortbildungsangebot treffsicher gestaltet worden ist, einen deutlich geringeren Modifikationsbedarf des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes.
Tabelle 8 stellt nun die Ergebnisse bei den Fachkräften dar. Wie schon eingangs beim Lesebeispiel erklärt, beschreibt die rudimentäre Informiertheit über die gesetzliche Ausgestaltung
des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes eine wesentliche Determinante für eine konkrete
Meinungsäußerung. Jene Fachkräfte, die von den Inhalten des Gesetzes schon einmal gehört
haben, haben eine um 14 Prozentpunkte verringerte Wahrscheinlichkeit, sich nicht dazu zu
äußeren. Ihre artikulierte Meinung geht hierbei in etwa zu gleichen Teilen (6,2 vs. 7,8 Prozentpunkte) in eine bejahende bzw. verneinende Antwortwahrscheinlichkeit, ob ein Modifikationsbedarf des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes besteht. Gibt es aus Sicht der Fachkräfte
Probleme bei der Zusammenarbeit mit der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe, Schulen oder
privaten Personen, so hat dies einen sehr ähnlichen Effekt auf ihr Antwortverhalten. Alle drei
Problembereiche erhöhen die Wahrscheinlichkeit, einen Modifikationsbedarf zu sehen, zwischen 8,3 bis zu 10 Prozentpunkte. Interessant zu sehen ist, dass der Problembereich der
privaten Personen sowohl bei der Signifikanz als auch bei der Höhe des Effekts am stärksten
wirkt. Das heißt, Probleme im Bereich von privaten Personen, wie z .B. Familienangehörige
Aus technischen Gründen muss bei Regressionsmodellen immer zumindest eine Variable eines Bereiches exkludiert werden. Diese exkludierte Variable stellt die sogenannte Basis, auf der die anderen
Variablen basieren, dar. Im Falle der Bundesländer wurde in diesen Modellen Wien ausgewählt, da es
das bevölkerungsstärkste Bundesland ist und somit die stabilste Basis bietet.
31
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
der Kinder und Jugendlichen, scheinen einen besonderen Bedarf einer Weiterentwicklung der
Rahmenbedingungen zu induzieren. Auch die nächste Determinante, die die Bewertung der
Inhalte der Angebote für Eltern inkorporiert, erzielt deutliche Effekte. Fachkräfte, die diese als
schlecht oder sehr schlecht beurteilen, haben mit Abstand die höchste partielle Wahrscheinlichkeit (plus 17,8 Prozentpunkte), einen Modifikationsbedarf zu sehen. Ein Effekt, der sich
schon bei den fallführenden Sozialarbeiter/innen abgezeichnet hat, bei der Gruppe der Fachkräfte jedoch wesentlich deutlicher hervortritt. Kommt es zu Problemen in der Kooperation bei
Gefährdungsmitteilungen, so wirkt sich dies ebenfalls auf eine höhere Wahrscheinlichkeit, einen Modifikationsbedarf zu erkennen, aus. Mit plus 9,3 Prozentpunkten ist dies jedoch deutlich
niedriger als der zuvor angesprochene Effekt bei den Elternangeboten.
Fachkräfte, die in den letzten zwölf Monaten eine Weiterbildungsveranstaltung besucht haben,
haben eine um rund 8 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, eine konkrete Antwort abzugeben, wobei diese doch stärker zu einem Modifikationsbedarf tendieren. Dies trifft erst recht
zu, wenn bei dieser Weiterbildungsveranstaltung das Thema Kindeswohl angesprochen wurde
(plus 6 Prozentpunkte ja, es gibt Modifikationsbedarf).
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Tabelle 8: Determinanten der multivariaten Analyse des Modifikationsbedarfs bei Fachkräften
Quelle: ÖIF, Befragung der Fachkräfte.
Fachkräfte, die sich durch eine berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht bzw. durch eine
Amtsverschwiegenheit in ihrer Mitteilungspflicht vermeintlich eingeschränkt sehen (dies trifft
besonders bei Gesundheitswesen und Behörden zu), haben eine um 10,4 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, einen Weiterentwicklungsbedarf des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes auszumachen. Die Anzahl der Dienstjahre in der angegebenen Profession der
Fachkräfte wirkt sich vorwiegend auf das Abgeben einer Meinung aus. So haben z. B. Fachkräfte, die bereits zehn Jahre in ihrer Profession tätig sind, eine um
3 Prozentpunkte verringerte Wahrscheinlichkeit, keine Antwort zu geben, als Fachkräfte, die
gerade erst in ihre Profession eingestiegen sind. Eine Tendenz, ob die Antwort bejahend oder
verneinend ausfällt, gibt es jedoch nicht. Männliche Fachkräfte sehen tendenziell (plus 5,7
Prozentpunkte bei nein, keinen Modifikationsbedarf) weniger einen Modifikationsbedarf als
ihre weiblichen Kolleginnen.
Bei den Bundesländervariablen zeigt sich eine hohe Homogenität. Lediglich Fachkräfte aus
Niederösterreich und Tirol haben eine um etwa 9 Prozentpunkte verringerte Wahrscheinlichkeit, einen Modifikationsbedarf (gegenüber den Fachkräften in Wien) zu sehen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Probleme in der Zusammenarbeit gerade auch mit
privaten Personen, wie z. B. Familienangehörigen von Kindern und Jugendlichen, zu Unzufriedenheit mit der derzeitigen Gesetzgebung bei Fachkräften führt. Auch wenn die Inhalte von
Angeboten sozialer Dienste, die sich an Eltern richten, eher negativ beurteilt werden, hat dies
starke Auswirkungen auf einen Wunsch nach Modifikation. Hier treffen sich die Ansichten der
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Fachkräfte auch mit jenen der fallführenden Sozialarbeiter/innen. Auch die vermeintliche Einschränkung der Mitteilungspflicht scheint für spezifische Fachkräfte ein Anstoß zu sein, einem
Modifikationsbedarf Ausdruck zu verleihen.
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12.3 Perspektive 3: Erhobener
Antwortkategorien
Modifikationsbedarf
über
offene
Im Rahmen von zwei sogenannten offenen Antwortkategorien konnten jeweils die fallführenden Sozialarbeiter/innen und die Fachkräfte ihre Wünsche und Anregungen zur Erleichterung
ihres beruflichen Alltags nennen. Im Gegensatz zu den geschlossenen Fragen des Fragebogens bieten diese offenen Antwortkategorien die Möglichkeit, alle Aspekte und Assoziationen
zur Frage frei zu formulieren und anzugeben. Die abgegebenen Antworten werden in einem
Analyseverfahren zu Kategorien zusammengefasst und dargestellt.
Konkret wurden die fallführenden Sozialarbeiter/innen gebeten, folgende Frage zu beantworten: Ganz grundsätzlich: Gibt es konkrete Wünsche bzw. Verbesserungsvorschläge, um Ihren
beruflichen Alltag zu erleichtern? (Frage P24). Fachkräfte wurden ähnlich befragt, die Frage
lautete: Gibt es konkrete Wünsche bzw. Verbesserungsvorschläge, um Ihren beruflichen Alltag
in Bezug auf die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen zu erleichtern? (Frage V01). Die
Ergebnisse werden im folgenden Kapitel beschrieben.
12.3.1 Verbesserungspotenzial zur Erleichterung des Berufsalltages aus Sicht
der fallführenden Sozialarbeiter/innen
„Fantasievolle Wünsche: die Quadratur des Kreises in der KJH verstehen. Meiner Ansicht
nach sind die Fälle im Wandel der Zeit komplexer geworden. Heute ist man nicht mehr rein
ausschließlich als beratender und begleitender Sozialarbeiter tätig, sondern fallzuständige
Fachkraft, welche sich als Case-Manager zu verstehen hat und sich dabei auf verschiedensten Handlungsebenen in einem hochkomplexen System bewegt. Es ist unbestritten eine herausfordernde und verantwortungsvolle Aufgabe, Mitarbeiterin einer Eingriffsbehörde, eines
„Wächteramtes“ und zugleich eines Dienstleisters zu sein. Es gar allen recht zu machen, ist
kaum möglich. Wünsche: weniger Bürokratie, mehr Verstehen, Verstehen VOR Bürokratie;
Psychotherapeuten direkt in der KJH, denn manche Eltern müssen zuerst „reifen“, d. h. auf
gelingende Maßnahmen vorbereitet werden, erst wenn sie den Sinn verstehen, können sie
wahrhaftig Hilfen annehmen und diese auch umsetzen, ansonsten bleibt nur die Anpassung.“
(ID 604 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
126
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Im Rahmen einer offenen Frage konnten fallführende Sozialarbeiter/innen konkrete Wünsche
bzw. Verbesserungsvorschläge äußern, die ihren beruflichen Alltag erleichtern würden.32 Acht
von zehn (304 von 379) fallführenden Sozialarbeiter/innen nutzten die Möglichkeit, ein Verbesserungspotenzial aus ihrer
Sicht zu beschreiben.
Die überwiegende Mehrzahl der
Antworten konnte den im Folgenden vorgestellten Kategorien zugeordnet werden. Auf die Darstellung einzelner Nennungen
sowie einzelner Situations- bzw.
Fallschilderungen wird verzichtet.
Überblicksmäßig gibt die sogenannte Wort-Wolke einen guten
Einblick in die zentralen Begriffe,
die von den Befragten am häufigsten genannt wurden.33 Ins Auge sticht als Erstes das Wort „mehr“. In vielen Rückmeldungen der fallführenden Sozialarbeiter/innen ging es um ein Mehr an Personal, an Fort- und
Weiterbildung, ein Mehr an Supervision und um ein Mehr an spezifischen Einrichtungen und
Ressourcen. Dieses „Mehr“ konnte zu folgenden Kategorien zusammengefasst werden.
Ganz eindeutig aus der Beantwortung der offenen Frage herauszulesen ist,
Mehr Personal /
dass die größte Erleichterung in ihrem beruflichen Alltag für die fallführenweniger Fälle
den Sozialarbeiter/innen mehr Personal in der Kinder- und Jugendhilfe darstellt. „Personalschlüssel muss DRINGEND den Anforderungen angepasst
werden (Erhöhung!)“ (ID 196 fallführende/r Sozialarbeiter/in). Grundsätzlich müssten Planstellen erhöht bzw. schneller nachbesetzt werden. Durch das Mehr an Personal würde die individuelle Überlastung mit zu bearbeitenden Fällen reduziert werden und gleichzeitig würde es
Raum und Zeit schaffen für die Bearbeitung der immer komplexer werdenden Fälle und die
gestiegenen Ansprüche und Erwartungen an die Sozialarbeit in der Kinder- und Jugendhilfe.
Zudem würde es grundsätzlich die Anwendung des Vier-Augen-Prinzips in der Praxis erleichtern sowie zu einer Entspannung bei Vertretungen im Krankheits- und Urlaubsfall führen. Die
gesamte Attraktivität des Berufsfelds Sozialarbeit könnte dadurch auch junge Kolleg/innen veranlassen, länger in dem Beruf zu bleiben, und somit die oft hohe Fluktuation verhindern. Häufig
ist der Wunsch nach mehr Personal auch mit dem Wunsch nach einer Reduktion der Fälle
bzw. einer Verkleinerung der Sprengel verbunden.
Die Originalfrage lautete: „Ganz grundsätzlich: Gibt es konkrete Wünsche bzw. Verbesserungsvorschläge, um Ihren beruflichen Alltag zu erleichtern?“ (Frage P24)
unleserlich
33
Die Größe und Stärke der Wörter gibt visuell die Häufigkeit der genannten Wörter wieder. Besonders
große und fett abgebildete Wörter wurden besonders oft genannt. Da es in der Darstellung der WortWolke um die inhaltlichen Kategorien geht, wurden häufige Wörter wie z. B. „und“, „der“, „die“ sowie
Personenbezeichnungen wie „Eltern“, „Kinder“, „Jugendliche“, „Sozialarbeiter“ nicht in die Auswertung
aufgenommen, da diese für eine inhaltliche Betrachtung nur begrenzt von Relevanz sind.
32
127
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
„Mehr Personal und kleiner Sprengel bzw. Fallzahlen.“ (ID 318 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Aufstockung von Planposten, um erhöhte Falldichte abzudecken. Es werden mehr Fälle und
immer mehr komplexe Fälle, die den Großteil der Arbeitszeit beanspruchen. Präventive Angebote wie Frühe-Hilfen-Netzwerke könnten die Fallzahl langfristig reduzieren, zumindest die ,einfachen‘ Fälle.“ (ID 141 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Mehr personelle Ressourcen, um von einer 100 %igen Arbeitsauslastung zu einer 80 %igen
Auslastung zu kommen, die erlaubt, in den Befassungen mehr als nur gerade das Aller- notwendigste zu machen.“ (ID 461 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Mehr Personal, damit mehr Zeit für die einzelnen Familien verfügbar ist und auch leichter das
Vier-Augen-Prinzip umgesetzt werden kann.“ (ID 893 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Offene Stellen sollten sofort nachbesetzt werden. Auch wenn aufgrund von längeren Krankenständen eine Kollegin ausfällt, sollte bereits im Krankenstand nachbesetzt werden.“ (ID 900
fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Personelle Aufstockungen, da bei einem laufenden Wechsel ständig Vertretungen zu tätigen
sind und man mit der Arbeit immer ,hinten nach‘ ist. Attraktivität erhöhen, dass die jungen Kolleginnen auch länger als nur 5 Jahre bleiben.“ (ID 860 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Mehr Personal, damit die Fallzahl der einzelnen Mitarbeiterinnen sinkt – damit auch Vier-Augen-Prinzip mehr genutzt und gemacht werden kann.“ (ID 369 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Mehr Personal, um mehr Zeitressourcen für die einzelnen Fälle zu haben + Co-Arbeit nicht nur
bei heiklen Fällen anwenden zu können.“ (ID 743 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Ja, dass die Fallzahlen niedriger werden, um dadurch mehr Zeit für die umfassende Anwendung der vorgegebenen Standards und Ablaufschemen zu haben, und diese – an und für sich
hilfreichen – Vorgaben entsprechend umsetzen zu können.“ (ID 73 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
Mehr Angebote
Neben dem Ausbau des Personals geht es für die fallführenden Sozialarbeiter/innen bei der Erleichterung ihres Arbeitsalltages auch sehr zentral
um den Ausbau der Angebote für Eltern, Kinder und Jugendliche. Sie schildern einen Bedarf
an mehr stationären sowie ambulanten Betreuungs- und Behandlungsmöglichkeiten. Ambulante Angebote sollten auch parallel zu einer stationären Unterbringung genutzt werden können. Generell sollten Angebote flexibel und bedarfsorientiert ausgestaltet sein und zeitnah einsetz- bzw. verfügbar sein. Auch der Ausbau an präventiven Angeboten wurde explizit angesprochen. Im Hinblick auf die Bedarfsorientierung bzw. auf den Ausbau von spezifischen Angeboten wurden Angebote für Jugendliche und für Menschen mit nicht deutscher Muttersprache genannt. Bei letzterer Gruppe wurde der Bedarf an zur Verfügung stehenden Dolmetscher/innen bzw. Mitarbeiter/innen, die Fremdsprachen sprechen, thematisiert. Bei den Angeboten für Jugendliche wurden unterschiedliche Bereiche angesprochen. Einerseits wurden
mehr Unterbringungsmöglichkeiten für Jugendliche gewünscht und andererseits spezifische
Bereiche, in denen ein Ausbau wünschenswert ist, bezeichnet, z. B. Hilfeleistungen für Schulverweigerer, Wohnmöglichkeiten für Jugendliche mit psychischen Erkrankungen bzw. Problemen sowie der Ausbau an therapeutischen Angeboten für Jugendliche.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
„Mehr Ressourcen im Sinne von Verkürzung der Wartezeiten auf Plätze in Einrichtungen der
Kinder-und Jugendhilfe, v. a. auch bei ambulanten Hilfen breiteres Angebot an Einrichtungen
mit speziellem Angebot, z. B. traumatherapeutische Wohngemeinschaften, besser ausgestattete psychiatrische Kliniken, die Kinder- und Jugendliche nicht immer am nächsten Tag entlassen bzw. lange Wartelisten aufweisen.“ (ID 662 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Mehr Ressourcen, vor allem hinsichtlich Unterstützung der Erziehung bei nicht deutschen Muttersprachen.“ (ID 762 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Präventivangebote, die die Eltern dort abholen, wo sie stehen, oft in der Armutsfalle, bildungsfern, einfach nicht auf die Butterbrot-Seite des Lebens gefallen, sondern auf die andere Seite.
Präventivangebote nicht NUR für die MITTELSCHICHTS-ELTERN. Es muss für alle Menschen,
die Kinder bekommen, einen WERT darstellen, ihre Kinder gut zu versorgen und dazuzulernen.“
(ID 576 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
Im Bereich der angebotenen Fortbildungen sowie bei der Supervision seSpezifische Fachhen die fallführenden Sozialarbeiter/innen Verbesserungspotenzial. Fortfortbildung und
bildungen sollten leichter und einfacher zugänglich sein sowie regional anSupervision
geboten werden und sich an gesellschaftlichen Entwicklungen orientieren.
Oft sind spezifische Fortbildungen ausgebucht, durch ein stärkeres Angebot wäre es leichter
möglich, Plätze bei Fortbildungen zu bekommen. Ein häufig genanntes Thema für Fortbildung
ist die Kindeswohlgefährdung bzw. die Gefährdungsabklärung. Aber auch beim Supervisionsangebot sehen die fallführenden Sozialarbeiter/innen Verbesserungsmöglichkeiten. Grundsätzlich sollte die Supervision regelmäßig angeboten und leichter zugänglich gemacht werden.
Zum Teil muss die Supervision jährlich bewilligt werden. Vor allem bei der Inanspruchnahme
von Einzelsupervision scheint ein Bewilligungsverfahren gängige Praxis zu sein. Hier besteht
der Wunsch der Sozialarbeiter/innen, ohne viel Aufwand und Antragsstellung Einzelsupervision zu erhalten, da diese im Vergleich zur Teamsupervision doch mehr und individuellere
Reflexionsmöglichkeiten eröffnet. In Bezug auf die Supervision allgemein werden noch weitere
Aspekte angesprochen, z. B., dass die Supervision verpflichtend für alle, auch die Führungskräfte, sein sollte und nicht nur für Berufseinsteiger/innen. Auch sollte die Möglichkeit bestehen, die Supervision flexibler zu gestalten, z. B. dienststellenübergreifend oder auch in der
freien Auswahl der Supervisorin bzw. des Supervisors.
„Ermöglichung zu mehr Einzelsupervision --> es muss für jeden Sozialarbeiter möglich sein,
jederzeit Einzelsupervision in Anspruch zu nehmen. Zurzeit ist dies noch eine Kann-Leistung
und abhängig davon, wie viel Budget die einzelnen KJHs noch zur Verfügung haben. Einzelsupervision ist aber im Gegensatz zur Gruppen- bzw. Teamsupervision unumgänglich, wenn es
darum geht, eigene Handlungsweisen/Wertvorstellungen zu reflektieren und gegebenenfalls
aufzuweichen sowie reaktive Emotionen verstehen zu lernen.“ (ID 704 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Mehr einschlägige und an den Bedarf (soziale bzw. gesellschaftliche Entwicklungen berücksichtigen!) angepasste Fortbildungen, die auch von allen besucht werden können.“ (ID 910 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Einzelsupervisionen ohne viel Aufwand ohne Antragstellungen und Abrechnungen etc. müsste
verbindlich zur Verfügung stehen.“ (ID 135 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
„Regelmäßige Supervision soll Standard sein (derzeit müssen Einheiten jährlich neu beantragt
werden).“ (ID 179 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Ich würde es positiv finden, wenn Fortbildungsveranstaltungen öfter im Jahr angeboten werden. Wenn man keinen Platz ergattert, muss man oft ein ganzes Jahr warten, bis diese wieder
stattfinden.“ (ID 333 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Mehr verpflichtende Fortbildungen zu relevanten Themen für die Gefährdungsabklärung undeinschätzung (z. B. neuste Erkenntnisse zum Thema Gewalt, psychische Erkrankungen, Entwicklungspsychologie etc.).“ (ID 181 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
Weniger DokuKonkret entlastet in ihrem beruflichen Alltag sähen sich die fallführenden
mentation
Sozialarbeiter/innen auch durch weniger Zeit und Aufwand in der Dokumentation sowie durch weniger Bürokratie. Arbeitsabläufe müssen oft so ausführlich dokumentiert werden, dass zu wenig Zeit für die Arbeit mit den Klient/innen und den
Familien selbst bleibt. Die Dokumentation könnte vereinfacht und reduziert werden, z. B. durch
eine Verringerung des Dokumentationsaufwands, keine Mehrfachdokumentation, vereinheitlichte Formulare sowie keine Eingabe bereits vorhandener Daten. Auch die Einführung einer
elektronischen Akte wurde in diesem Zusammenhang angesprochen, die eng verbunden mit
der Aufrüstung und einer Verbesserung der EDV ist. So wurde z. B. die Bereitstellung von
Tablets, auch mit Tastatur, sowie von Mobiltelefonen angesprochen.
„Die Dokumentation könnte entmistet werden.“ (ID 235 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Dokumentation und Verfassen von Berichten kürzen sowie sie weniger reglementieren, damit
sie mehr auf die Familien angepasst werden.“ (ID 892 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Weniger Kontrolle durch ständiges Dokumentieren, was wir tun, könnte dazu führen, dass wir
uns wieder mehr um die Klienten kümmern können.“ (ID 255 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Dokumentationsaufwand ist extrem gestiegen. Arbeit mit Klienten ist dadurch eingeschränkt.
Andere Form der Dokumentation wäre hilfreich.“ (ID 36 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Effizienteres Dokumentationssystem (horrende Summe unterschiedlicher Formulare mit streng
vorgegebenen Rastern ist weder effizient noch hilfreich; fortlaufendes Dokument zur Dokumentation wäre weitaus sinnvoller, übersichtlicher und effizienter). Flexiblere Arbeitszeiten inkl.
Möglichkeit der Telearbeit.“ (ID 196 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Moderne technische Ausstattung (Laptops mit mobilem Zugang zum beruflichen Netzwerk und
zu Internet; eigenes Diensthandy mit Kamera). Umstellung auf ausschließlich elektronischen
Akt.“ (ID 926 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Es muss auch Geld in die Hand genommen werden für die technischen Utensilien, die mit den
neuen elektronischen Akten benötigt werden. Gerade für Gerichtsverhandlungen oder bei
Schulsozialarbeitern, die auswärts sind, gibt es nun keine Möglichkeit, den Akt mit vor Ort zu
nehmen. Entweder druckt man sich diesen wieder aus oder man hat keine Informationen mit.“
(ID 333 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
130
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Ein Aspekt, der aus Sicht der Befragten stark mit der Anerkennung ihrer
Adäquate Entlohberuflichen Leistungen zusammenhängt, ist eine adäquate Entlohnung für
nung
ihre berufliche Tätigkeit. Für die verantwortungs- und anspruchsvolle sowie
komplexe Tätigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe ist die Entlohnung aus
Sicht der Befragten nicht angemessen und zu gering. Eine höhere Entlohnung könnte auch
dazu beitragen, mehr Sozialarbeiter/innen für die Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe zu gewinnen und diese evtl. auch länger zu halten.
„Bessere Entlohnung, weil unsere Verantwortung doch sehr hoch ist.“ (ID 935 fallführende/r
Sozialarbeiter/in)
„Adäquate Bezahlung – steigert die Motivation; soll der Verantwortung und dem Arbeitsaufwand
gerecht werden. Es herrscht eine große Unzufriedenheit in X, da die Bezahlung für die Sozialarbeiter/innen in der KJH so niedrig ist. Sozialarbeiter/innen in der KJH werden daher schon als
Mangelberuf gehandelt, auch wenn die Arbeit interessant ist und als Berufung gesehen wird, so
stellt sich auf kurz oder lang jeder die Frage, ob er sich das für dieses Gehalt noch länger antut.“
(ID 967 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Die Personal- und Entlohnungssituation ist für den komplexen Aufgaben- und Verantwortungsbereich indiskutabel.“ (ID 88 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Ein besseres Image für Sozialarbeiter. Im Landesdienst bekommen Sozialarbeiter immer noch
zu wenig bezahlt. Es ist eine große Verantwortung, über Familien bzw. Leben zu entscheiden.
Es gibt immer wieder Engpässe bei der Nachbesetzung von Stellen, da keiner sich dieser Verantwortung stellen möchte für dieses Geld. Man hört von Prozessen, die gegen pensionierte
Sozialarbeiter geführt werden. Das heißt, meine heutige Dokumentation hat Gewicht.“ (ID 333
fallführende/r Sozialarbeiter/in)
„Angemessene Entlohnung, sodass für frei werdende Stellen ehestmöglich eine Nachbesetzung erfolgen kann. Wenn offene Stellen monatelang nicht besetzt werden können mangels
Bewerber, ist der berufliche Alltag für die Abteilung kaum leistbar.“ (ID 344 fallführende/r Sozialarbeiter/in)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
12.3.2 Verbesserungspotenzial zur Erleichterung des Berufsalltages bei Gefährdungsabklärung aus Sicht der Fachkräfte
„Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass es zeitlich ein sehr langer Weg ist, bis Hilfe am Kind oder in
der Familie möglich ist. Wenn Eltern Hilfe ablehnen, muss der Leidensdruck beim Kind enorm sein, bis
eingegriffen wird. Als Lehrerin, die praktisch täglich mit Kindern, die betroffen sind, zu tun hat, fühle ich
mich oft alleingelassen.“
(ID 1205 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
Der Möglichkeit, konkrete Wünsche bzw. Verbesserungspotenzial zur Erleichterung des beruflichen Alltags im Umgang mit dem Verdacht bei einer Gefährdung des Kindeswohls zu nennen, kamen rund die Hälfte der befragten Fachkräfte im Rahmen einer offenen Frage34 des
quantitativen Fragebogens nach (von 1335 insgesamt Befragten nutzten diese Möglichkeit
666).35
Die überwiegende Mehrzahl der Antworten konnte den im Folgenden vorgestellten Kategorien
zugeordnet werden. Auf die Darstellung einzelner Nennungen sowie einzelner Situations- bzw.
Fallschilderungen wird verzichtet.
Überblicksmäßig gibt die sogenannte Wort-Wolke einen
guten Einblick in die zentralen
Begriffe, die von den Befragten am häufigsten genannt
wurden.36 Am deutlichsten
sticht das Wort „mehr“ hervor
und verweist somit auf dem
zentralen Inhalt der Rückmeldungen. Das „Mehr“ ist hier in
einem vielschichtigen Sinn zu
verstehen. Einerseits geht es
um mehr personelle und finanzielle Ressourcen, um ein
Mehr an differenzierteren und
Die Originalfrage lautete: (V01): „Ganz grundsätzlich: Gibt es konkrete Wünsche bzw. Verbesserungsvorschläge, um Ihren beruflichen Alltag in Bezug auf die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen zu
erleichtern?“
35 Auch in der Nutzung der offenen Antwortkategorie spiegelt sich die Beteiligung der unterschiedlichen
Arbeitsbereiche wider. Folgende Rückmeldungen gab es pro Arbeitsbereich (in Absolutzahlen angegeben): Medizin 25 Rückmeldungen, Psychologie bzw. Psychotherapie 47, Pflege 3, Sozialarbeit 91, Elementarpädagogik 120, Pädagogik 358, Rechtswissenschaft 8, Verwaltung 14, Sozialpädagogik 15, Exekutive 13, Beratung 12.
36
Die Größe und Stärke der Wörter gibt visuell die Häufigkeit der genannten Wörter wieder. Besonders
große und fett abgebildete Wörter wurden besonders oft genannt. Da es in der Darstellung der WortWolke um die inhaltlichen Kategorien geht, wurden häufige Wörter wie z. B. „und“, „der“, „die“ sowie
Personenbezeichnungen wie „Eltern“, „Kinder“, „Jugendliche“, „Sozialarbeiter“ nicht in die Auswertung
aufgenommen, da diese für eine inhaltliche Betrachtung nur begrenzt von Relevanz sind.
34
132
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
auf spezifische Bedürfnisse abgestimmten Hilfs- und Unterstützungsangeboten für Kinder und
Jugendliche, andererseits aber auch um ein Mehr an Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe, um ein Mehr an Zusammenarbeit und Vernetzung mit allen beteiligten Institutionen und
Systemen, aber auch um ein Mehr an Fachfortbildung und Supervision für die Fachkräfte aus
ganz unterschiedlichen Arbeitsbereichen.
Die detaillierte Darstellung der Ergebnisse erfolgt anhand der gebildeten Kategorien. Grundsätzlich ist noch einmal darauf zu verweisen, dass im Rahmen der Befragung der Fachkräfte
die Hälfte (50,4 %) dem pädagogischen Arbeitsbereich37 zuzuordnen ist.38 Dies erklärt sich
u. a. aus der Tatsache, dass in Österreich deutlich mehr Pädagog/innen (z. B. Lehrer/innen)
in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen tätig sind als z. B. Fachkräfte aus dem rechtswissenschaftlichen Bereich.
Einleitend werden jeweils die zentralen Aspekte pro Kategorie genannt und im Folgenden
durch die wörtlichen Zitate illustriert. Die Auswertung erfolgte anhand der unterschiedlichen
Arbeitsbereiche, in denen die Fachkräfte tätig sind, da von der Annahme ausgegangen wurde,
dass sich die unterschiedlichen Arbeitsbereiche in ihrem Unterstützungsbedarf unterscheiden,
z. B. medizinischer vom pädagogischen Arbeitsbereich. Die Analyse der offenen Frage zeigte
jedoch kaum Unterschiede im Unterstützungsbedarf der unterschiedlichen Berufsgruppen. Lediglich von Lehrer/innen im pädagogischen Arbeitsbereich als der stärksten Fachgruppe unter
den Befragten wurde die grundsätzliche Arbeitsweise der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe
thematisiert, die in den anderen Arbeitsbereichen nie bzw. nur ansatzweise angesprochen
wurde. Diese Perspektive wird im Anschluss an die arbeitsbereichsübergreifenden Aspekte
betrachtet.
Arbeitsbereichsübergreifend wurden die folgenden Kategorien gebildet: mehr Ressourcen,
eine verbesserte Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe anhand unterschiedlicher Dimensionen, Aspekte zur Mitteilungs- bzw. Verschwiegenheitspflicht, das Angebot von Fachfortbildungen und Supervision, eine vernetzte Arbeitsweise, weniger Bürokratie, mehr Fokus
auf präventives Arbeiten, das Angebot von spezifischeren Informationen, Rechtsanspruch von
Kindern und Familien auf Leistungen sowie das grundsätzliche Fehlen eines Verbesserungspotenzials in diesem Bereich.
Mehr Ressourcen ist einer der zentralen Aspekte, der über die meisten
Arbeitsbereiche hinweg von Fachkräften als Erleichterung ihres beruflichen Alltages im Bereich der Gefährdungsabklärung genannt wird. Neben
Mehr Ressourcen
Im Rahmen der sozialstatistischen Angaben (Frage S05) wurden die folgenden Arbeitsbereiche abgefragt: (1) Medizin, (2) Psychologie & Psychotherapie, (3) Pflege, (4) Sozialarbeit, (5) Elementarpädagogik, (6) Pädagogik (z. B. Lehrer/in), (7) Rechtswissenschaften, (8) Verwaltung, (9) Sonstiges. Zusätzlich aus der Rubrik „Sonstiges“ wurden im Rahmen der Analyse folgende Arbeitsbereiche hinzugefügt:
Sozialpädagogik, Exekutive/Polizei sowie (Familien)Beratung; die Rubrik „Sonstiges“ blieb mit einigen
wenigen nicht zuordenbaren Nennungen erhalten.
38 Verteilung der Befragten innerhalb der Stichprobe nach Arbeitsbereich: Medizin 3,1 %; Psychologie
& Psychotherapie 6,3 %, Pflege 0,3 %, Sozialarbeit 13,5 %, Elementarpädagogik 17,5 %, Pädagogik
50,4 %, Rechtswissenschaften 1,4 %, Verwaltung 1,5 %, Sozialpädagogik 2,1 %, Exekutive 1,3 %, Beratung 1,8 %, Sonstiges 0,9 %.
37
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der Aufstockung von finanziellen Ressourcen werden primär Ressourcen in Bezug auf Personal und ausgedehntere sowie differenziertere Angebote für die unterschiedlichen Zielgruppen
genannt. Unter dem Ausbau der Angebote werden ganz unterschiedliche Dimensionen angesprochen. Einerseits wird die Form der ausbaufähigen Angebote beschrieben, z. B. Angebote
sollten, wenn möglich, niederschwellig, schnell verfügbar sowie kostenlos sein (z. B. kostenlose Therapieplätze). Auf der anderen Seite werden spezifische bzw. auf bestimmte Zielgruppen oder eben auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittene Angebote als Verbesserungspotenzial genannt, etwa Angebote in unterschiedlichen Sprachen, um Klient/innen auch in der
jeweiligen Muttersprache zu erreichen; Krisenunterkünfte für Kinder und Jugendliche; mehr
Plätze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie; Angebote für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge; sozialtherapeutische Einrichtungen für psychisch erkrankte Eltern. Explizit werden auch
die Familienberatungsstellen als Ressource genannt, die immer wieder von Kürzungen und
Einsparungen betroffen sind, was sich im Hinblick auf die Unterstützung für betroffene Familien als kontraproduktiv darstellt.
Vor allem Fachkräfte aus dem pädagogischen Bereich sprechen den Mangel an bzw. die Arbeitsüberlastung der Schulpsycholog/innen an und betonen die Wichtigkeit eines Ausbaus dieser Stellen. Auch der Einsatz von anderen Fachkräften im Schulbereich, vor allem von
Schulsozialarbeiter/innen und Schulärzten bzw. -ärztinnen ist ausbaufähig. Oft sind diese
Fachkräfte nur wöchentlich bzw. alle paar Wochen einige Stunden in der Schule anwesend
und verfügbar.
„Noch umfangreichere kostenfreie bis günstige Angebote für Erziehungsberatung – mehr Angebote für kostenfreie Psychotherapie für Kinder, Jugendliche und deren Bezugspersonen in
schwierigen Lebenssituationen.“ (ID 2703 – Arbeitsbereich Psychologie bzw. Psychotherapie)
„Nicht nur Standardangebote für die betroffenen Familien, mehr individuell auf die Problematik
zugeschnittene Angebote unter Miteinbeziehung der Betroffenen, Nutzung des Hilfeplans als
gemeinsam erarbeitete Vorgangsweise, nicht nur als von oben übergestülptes Schriftstück.“ (ID
2703 – Arbeitsbereich Psychologie bzw. Psychotherapie)
„Für eine optimale Betreuung der Kinder wären wesentlich mehr Fachkräfte an den Schulen
notwendig, die schneller und damit effizienter einsetzbar sind. Dadurch könnte wichtige Präventionsarbeit geleistet werden und so manches Problem an der Wurzel erwischt werden. Pädagogen können keine Fachkraft in diesem Bereich ersetzen, auch wenn sie gewillt sind, Fortbildungen zu besuchen.“ (ID 1532 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Mit mehr Personal auf den Jugendämtern könnte sicher noch gewissenhafter und umfassender
abgeklärt werden, als dies ohnehin jetzt schon geschieht. Aktuell haben KollegInnen teilweise
über 60 Familien ,alleine‘ zu betreuen, akute Gefährdungen nicht einbezogen. Auch an der Basis in den Krisenzentren sind oft unzureichend ausgebildete (weil keine Praxiserfahrung, frisch
von der Uni kommend) Menschen vor Ort, die diese überaus anspruchsvolle Arbeit nur eine
kurze Zeit machen und dann nicht mehr können! Die Arbeit mit Menschen ist sehr fordernd,
gerade in Ausnahmesituationen. Man kann dies nur professionell tun, wenn man seine eigenen
Grenzen gut kennt. Rasche und unproblematische Einzelsupervision für alle sollte eigentlich
Voraussetzung sein.“ (ID 3788 – Arbeitsbereich Sozialpädagogik)
„Mehr finanzielle Förderungen für Familienberatungsstellen zur Stärkung der Familien, um Gefährdungen vorzubeugen.“ (ID 876 – Arbeitsbereich Pädagogik)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
„Es braucht mehr flexible Angebote für die Jugendlichen, die auf den einzelnen Jugendlichen
zugeschnitten werden können. Kinder- und Jugendhilfe soll ihren Part als fallführende Person
auch richtig ausführen und mehr Aktivität zeigen.“ (ID 1030 – Arbeitsbereich Sozialpädagogik)
„Mehr Therapieangebote, mehr Beratungsstellen für Kinder und Jugendliche, mehr Kinderpsychologen, mehr Kinderpsychiater – v. a. im niedergelassenen Bereich!“ (ID 777 – Arbeitsbereich
Medizin)
„Das große Problem ist die psychotherapeutische/psychiatrische Versorgung: Jugendliche, die
akut selbstgefährdend sind, werden für 24 Stunden auf eine Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgenommen und dann wieder, teilweise ohne Begleitung, in die Einrichtung entlassen. Solange
nichts ,Ernstes‘ passiert (z. B. offene Wunden), passiert gar nichts, mit etwas Ernstem dann
s. o. Längerfristig sind lange Wartezeiten auf Ersttermine beim Psychiater/Therapeuten das
,Aus‘ für behandlungswillige Jugendliche. Nach mehreren Monaten Wartezeit zeigen sich die
Jugendlichen unkooperativ und behandlungsunwillig. Selbst nach einer akuten Aufnahme müssen Jugendliche mehrere Wochen auf ein Erstgespräch bzw. die Weiterbehandlung warten.
Eine flächendeckendere Versorgung (mehr von der GKK bezahlte Psychiater), ein größeres
Platzkontingent in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie bei allen psychotherapeutischen
Angeboten wäre eine deutliche Verbesserung.“ (ID 3760 – Arbeitsbereich Sozialarbeit)
„Fachpersonal, das im Zweifelsfall zurate gezogen werden kann. Anlaufstellen für Eltern, die
schnell, einfach und kostenfrei zu erreichen sind und kompetente, schnelle Hilfe leisten.“ (ID 55
– Arbeitsbereich Elementarpädagogik)
Neben mehr an Ressourcen wird auch die Kooperation mit der öffentVerbesserte Kolichen Kinder- und Jugendhilfe (KJH) als ein Verbesserungspotenzial
operation mit KJH
angesprochen. Diese Kooperation umfasst mehrere Dimensionen.
Zentraler Aspekt in diesem Bereich ist die engere Kooperation und
Vernetzung der KJH mit den Fachkräften – hier vor allem der Wunsch nach mehr Rückmeldungen seitens der KJH und nicht nur die reine „Informanten-Tätigkeit“ der Fachkräfte. Die
Fachkräfte wünschen sich hauptsächlich Rückmeldung über den Erhalt einer Gefährdungsmitteilung sowie über die weitere Vorgehensweise. Dies umfasst z. B. eine Mitteilung, ob und
was unternommen wird, ob die Gefährdungsmeldung abgeschlossen wurde und ob die Kindeswohlgefährdung abgewendet werden konnte. Aber auch Informationen über frühere Gefährdungsmeldungen oder Verdachtsmomente wären für Fachkräfte von Interesse.
„Verbesserte Rückmeldung durch die KJH [Kinder- und Jugendhilfe] nach Meldung einer Kindeswohlgefährdung zeitnah! Engere Zusammenarbeit mit den betreuenden Sozialarbeitern.
Mehr finanzielle Ressourcen der KJH.“ (ID 816 – Arbeitsbereich Medizin)
„JA! Irgendeine Rückmeldung bei Gefahrenmeldung, sonst fühle ich mich gefrotzelt, weil ich
nicht weiß, ob meine Bemühungen etwas nützen.“(ID 802 – Arbeitsbereich Medizin)
„Kommunikation vom AJF [Amt für Jugend und Familie] zu unserer Einrichtung sollte verbessert
werden. Wichtige Informationen (insbes., ob beispielsweise der Akt geschlossen wurde) kommen oft bei uns nicht an! Förderlich wäre sicher, wenn bei jugendamtsbetreuten Familien die
zuständigen SozialarbeiterInnen präsenter in unserer Einrichtung wären.“ (ID 718 – Arbeitsbereich Psychologie bzw. Psychotherapie)
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„Es wird z. B. von unserer Seite eine Meldung bzw. Mitteilung gemacht. Zuerst passiert lange
nichts. Dann beginnt das ganze Procedere noch mal von vorne, weil die Kinder- und Jugendhilfe
den ,Fall‘ erst neu durch Hinzugabe einer ambulanten Familienbetreuung (welche nur einmal
pro Woche für ca. zwei Stunden verfügbar ist) prüfen muss. Es dauert alles viel zu lange. Unsere
Sorge besteht darin, dass etwas in der Familie passieren muss, bevor etwas getan wird.“ (ID
2345 – Arbeitsbereich Psychologie bzw. Psychotherapie)
„In der Öffentlichkeit sollte es noch mehr Wissen darüber geben, woran man eine Kindeswohlgefährdung erkennen kann. Außerdem wäre es hilfreich, wenn Vorurteile gegenüber der Arbeitsweise der Kinder- und Jugendhilfe in der Gesellschaft weiter abgebaut werden könnten.
Immer noch besteht bei Privatpersonen oft die Meinung, die Kinder- und Jugendhilfe würde das
Kind aus der Familie nehmen. LehrerInnen haben oft das Gefühl, dass sie mit einer Meldung
an die Kinder- und Jugendhilfe nichts bewirken können, weil sie keine Rückmeldungen über die
Gefährdungsabklärung erhalten. Auch für unsere Beratungseinrichtung wäre es hilfreich, rascher Rückmeldungen über Gefährdungsmeldungen zu erhalten.“ (ID 501 – Arbeitsbereich Psychologie bzw. Psychotherapie)
„Bessere (gleichwertige!) Kooperation mit X momentan sehr einseitig: Ich melde/informiere/gebe Einschätzungen, aber zurück kommt keine Info und wenig Zusammenarbeit.“ (ID
323 –Arbeitsbereich Sozialarbeit)
„Mehr Einsicht in die Arbeit der Jugendwohlfahrt NACH der Meldung – man gibt die Meldung
und die Sorgen ab und dann bleibt man im ,Regen stehen‘. Man macht sich weiterhin Sorgen
um das Wohl des Kindes, weiß aber nicht, ob bereits etwas unternommen wurde oder was das
Ergebnis ist.“ (ID 687 – Arbeitsbereich Elementarpädagogik)
„Wünschenswert wäre eine Rückmeldung der KJH, dass die Gefährdungsmeldung zur Kenntnis
genommen wurde (i. d. R. erhalte ich nicht einmal eine Lesebestätigung). Problematisch ist
auch die mangelnde telefonische Erreichbarkeit der zuständigen SozialarbeiterInnen, oftmals
über Tage!“ (ID 755 – Arbeitsbereich Recht)
„Einfach Rückmeldungen der Institutionen, die am Fall arbeiten, damit verfolgt werden kann, ob
sich etwas ändert. Es erscheint einfach sinnlos, eine Meldung zu machen, wenn ich dann nicht
einmal erfahre, ob überhaupt daran gearbeitet wird! Es wäre auch sehr hilfreich, wenn man
wüsste, wie daran gearbeitet wird, um unterstützende Begleitung anbieten zu können.“ (ID 4001
– Arbeitsbereich Verwaltung)
„Information über weiteres Vorgehen nach Gefährdungsmeldung wäre wünschenswert. Welche
Konsequenzen gibt es, wie geht es für das betreffende Kind weiter?“ (ID 4070 – Arbeitsbereich
Pädagogik, Lehrer/in)
Die Kooperation mit der KJH ist für die Fachkräfte auch in Bezug auf grundsätzlich engere
Kontakte sowie einen verbesserten Informationsaustausch mit den zuständigen Sozialarbeiter/innen ausbaufähig. In diesem Zusammenhang wurde eine bessere generelle Erreichbarkeit der Sozialarbeiter/innen der KJH bzw. die Erreichbarkeit zu bestimmten Zeiten (z. B.
Wochenende, nach Dienstschluss) angesprochen sowie der Wunsch nach einer vermehrten
Präsenz der KJH in den kooperierenden Einrichtungen selbst.
„Bessere Kooperation mit den KJHT auf überregionaler Ebene. Einzelfallkooperation gelingt in
der Regel gut, ansonsten wenig Austausch.“ (ID 1159 – Arbeitsbereich Sozialarbeit)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
„Mehr Kontakt mit Sozialarbeiterinnen, um im Vorfeld Situationen abklären zu können, da die
Gefährdungsmeldung eine Zusammenarbeit mit den Eltern im Sinne der Kinder oft schwierig
macht (Vertrauensbruch.)“ (ID 107 – Arbeitsbereich Elementarpädagogik)
„Erreichbarkeit in der Nacht bei konkreter Gefährdung sollte in manchen Bezirken verbessert
werden. Die Einschätzung der Gefährdung erfolgt seitens der einzelnen Mitarbeiter der Kinderund Jugendhilfe doch sehr unterschiedlich.“ (ID 480 – Arbeitsbereich Exekutive)
„Regelmäßiger Kontakt, regelmäßige Info über betreute Kinder und deren Familien, Gespräche
mit Personal, Eltern und Sozialarbeitern.“ (ID 138 – Arbeitsbereich Elementarpädagogik)
„Engere Zusammenarbeit mit den betreuenden Sozialarbeitern.“ (ID 816 – Arbeitsbereich Medizin)
„Verpflichtung der Kinder- und Jugendhilfe, mit uns als Kindergarten persönlich in Kontakt treten
zu müssen und auch weitere Schritte unter Verschwiegenheitspflicht unsererseits weiterzuleiten, da es sehr frustrierend ist, wenn man sich für ein Kind einsetzt, sprichwörtlich im Regen
stehen gelassen zu werden und keinerlei Auskünfte zu erhalten, hingegen müssen wir alle Informationen bringen!“ (ID 217 – Arbeitsbereich Elementarpädagogik)
„Gegenseitiger Austausch mit der Kinder- und Jugendhilfe, diese sollte sich nicht hinter der
Amtsverschwiegenheit verstecken, es werden immer Informationen von der Schule verlangt,
aber seitens der Kinder- und Jugendhilfe ist die Kommunikation deutlich ausbaufähig!“ (ID 3164
– Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Obwohl die Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe eigentlich recht gut funktioniert (= personenabhängig), wäre es im Sinne des Kindes oft sehr hilfreich und wünschenswert, auch Informationen zu bekommen, wie es mit dem Kind/der Familie ,weitergeht‘ – Verschwiegenheit über diesen Informationsaustausch ist da natürlich klar! Schule muss oft sehr viele Infos ,hergeben‘
(trotz Verschwiegenheit), aber umgekehrt ist es ein bisschen schwieriger.“ (ID 3278 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
Fachkräfte sprechen in Zusammenhang mit einer verbesserten Kooperation mit der Kinderund Jugendhilfe auch einen sehr spezifischen Aspekt an – die zum Teil hohe Fluktuation des
Personals. Diese Fluktuation erschwert aus Sicht der Fachkräfte den regelmäßigen Kontakt
und die Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendhilfe. Die grundsätzliche personelle Aufstockung der Mitarbeiter/innen der KJH wurde ebenfalls als Verbesserungspotenzial genannt.
„Problem ist die hohe Fluktuation der Sozialarbeiterinnen beim Amt für Jugend und Familie,
kontinuierliche Zusammenarbeit ist meist schwer möglich.“ (ID 151 – Arbeitsbereich Elementarpädagogik)
„Mehr Personal für den Kinder- und Jugendhilfeträger, um auch simplen Gefährdungen, welche
das Potenzial langfristiger Fehlentwicklungen haben, aber nicht akut dringend sind (etwa psychisch-kranke, aber alltagsstabile Mutter etc.), nachgehen zu können und schon frühzeitig unterstützend tätig zu werden. Aufbrechen des ,Ein-Profession-Schemas‘ hin zu multiprofessionellen Teams; besonders Fixstellen für PsychologInnen, aber auch PädagogInnen oder Ärzten.“
(ID 706 – Arbeitsbereich Psychologie bzw. Psychotherapie)
„In unserem Bezirk haben in den letzten Monaten meine Ansprechpartner der KiJuFa ständig
gewechselt. Die Behörde war unterbesetzt. Das war schwierig für mich. Der Kontakt mühsam.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Manchmal ärgert mich die ,Geheimniskrämerei‘. Denn von mir verlangt man alle Daten. Die
Arbeit in der Familie bleibt aber unter Verschluss, dabei würde es uns in der Schule helfen,
wenn wir wissen, wie wir mit dem Kind ,umgehen‘ sollen.“ (ID 1663 – Arbeitsbereich Pädagogik,
Lehrer/in)
Verbesserungswürdig für ihren konkreten Arbeitsalltag in diesem
Mitteilungspflicht
Bereich sehen die Fachkräfte auch die Regelung rund um die Mitversus Verschwieteilungspflicht bei Verdacht einer Kindeswohlgefährdung. So
genheitspflicht
wurde z. B. die genauere Abklärung der Mitteilungspflicht versus
Verschwiegenheitsverpflichtung angesprochen, aber auch die
Abschaffung der Meldepflicht. Weiterhin wurden einige konkrete Vorschläge für eine andere
Regelung der Mitteilungspflicht gemacht, z. B. eine Aufwertung der Verschwiegenheitspflicht
bei Kindern und Jugendlichen unter 14 Jahren, die höher bewertet werden sollte. Oder es
wurde vorgeschlagen, anstatt einer Mitteilungspflicht die Möglichkeit einer anonymisierten Anfrage bei der Kinder- und Jugendhilfe vorzuschalten. Einen weiteren Aspekt sahen die Fachkräfte bei den Verschwiegenheitsbestimmungen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe. In
Bezug auf diese wurde u. a. gefordert, diese zu „lockern“, um mehr Informationen für eine
bessere Unterstützung von gefährdeten Kindern und Jugendlichen zu erhalten.
Die grundsätzliche Nicht-Weitergabe von Informationen, z. B. über Gefährdungsverdacht,
auch zwischen bzw. innerhalb von Institutionen, wurde ebenfalls thematisiert und als verbesserungswürdig beschrieben: „Amtshilfe erscheint unerlässlich! Dass Informationen nicht einmal zw. Volksschule und NMS weitergegeben werden dürfen, ist nicht nur kontraproduktiv,
sondern erscheint grob fahrlässig. Wertvolle Zeit verstreicht, weil jede Betreuungsinstitution
wieder die Um- und Zustände neu entdecken muss“ (ID 3143 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in).
„Klärung Verschwiegenheitspflicht versus Meldepflicht.“ (ID 118 – Arbeitsbereich Psychologie
bzw. Psychotherapie)
„Die Mitteilungspflicht und die Datenschutzbestimmungen müssten dringend EINDEUTIG geklärt werden!“ (ID 1988 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Bessere Zusammenarbeit mit Jugendamt – sinnlose Amtsverschwiegenheit aufheben, damit
Arbeit mit dem Kind besser funktionieren kann und Verständnis aufgebaut werden kann; Schule
soll nicht nur Informationen liefern, sondern auch bekommen zum Wohle des Kindes.“ (ID 3161
– Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Mitunter stehen sich Mitteilungspflicht und das Wissen um die Folgen im Wege. Es gibt Situationen im Schulalltag, wo man das Gefühl hat, eine Meldung an die Jugendhilfe wäre kontraproduktiv (wir stehen als Sonderschullehrer ja oft über Jahre in Kontakt mit der Jugendhilfe und
dem Kind). Der Umgang mit den Informationen, die ich als Lehrperson an die Jugendhilfe weitergeben muss, ist nicht immer zufriedenstellend. Für mich wäre zu wünschen, dass mit diesen
Informationen sorgfältiger umgegangen wird. Ich habe öfter erlebt, dass meine Infos für die Jugendhilfe 1 zu 1 im Wortlaut an die betroffenen Eltern weitergegeben wurden, das verstehe ich
nicht unter professionellem Umgang mit sensiblen Informationen!“ (ID 3968 – Arbeitsbereich
Pädagogik, Lehrer/in)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
„Die Meldepflicht soll wieder weg. Der offiziellen Kinder- und Jugendhilfe soll auch erlaubt werden, mit uns inhaltlich über Fälle zu sprechen. Eine Zusammenarbeit kann nur über gegenseitige Abstimmung im Sinne der betroffenen Kinder erfolgen. Eine Einbahnstraße in Richtung
Kinder- und Jugendhilfe bringt definitiv keine Qualitätssteigerung.“ (ID 4052 – Arbeitsbereich
Sozialarbeit)
„Anonyme Verfahren der Mitteilungen für qualifizierte MelderInnen, um die professionelle Vertrauensbasis zu den KlientInnen nicht zu gefährden, um auch nach Abklärung einer Gefährdung
ein Angebot für Jugendliche darstellen zu können.“ (ID 1061 – Arbeitsbereich Sozialarbeit)
„Ich finde die Meldepflicht bei Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohles nicht gut, weil Eltern
Beratungsangebote seltener aufsuchen, wenn sie rechtliche Konsequenzen befürchten müssen. Ich bin der Meinung, dass sich die Situation der Familien insofern verschlechtert hat, dass
Beratung/Begleitung weniger häufig in Anspruch genommen wird und Eltern und die betroffenen
Kinder dadurch allein gelassen werden. Die Verschwiegenheitspflicht in der Beratung finde ich
sehr wichtig und würde ich mir zurückwünschen.“ (ID 928 – Arbeitsbereich Beratung)
FachfortbildungsFür das professionelle Agieren im Bereich der Kindeswohlgeund Super-visionsanfährdung wünschen sich die Fachkräfte als Unterstützung auch
gebote
spezifische Fachfortbildungen sowie das (grundsätzliche) Angebot an Supervision. Dies trägt zum einen zu einer Sensibilisierung für Kindeswohlgefährdungen sowie zum anderen zu einem besseren Umgang mit
schwierigen Situationen und Meldungen bei. Die Fortbildungen könnten einerseits disziplinübergreifend organisiert werden und andererseits gemeinsam von öffentlicher und privater
Kinder- und Jugendhilfe organisiert werden und somit zu einer gemeinsamen Sichtweise und
Sprache in diesem Thema beitragen. Von Fachkräften aus dem Arbeitsbereich Psychologie
bzw. Psychotherapie wurde in diesem Zusammenhang die stärkere Sensibilisierung von Fachkräften für die Psychodynamik von Missbrauchssystemen bzw. auch für die Auswirkungen
psychischen Drucks in solchen Situationen gefordert.
In Bezug auf die Supervision wird einerseits grundsätzlich angesprochen, dass Supervision im
eigenen Arbeitsbereich grundsätzlich zur Verfügung gestellt werden sollte, und zwar verpflichtend und kostenlos. Es gibt Arbeitsbereiche, in denen das Angebot an Supervision für die Mitarbeiter/innen nicht grundsätzlich zur Verfügung steht, z. B. im pädagogischen Bereich oder
im Bereich der Exekutive. Auf der anderen Seite werden Form und Frequenz der Supervision
angesprochen. Supervision sollte häufiger stattfinden und das Angebot von Einzel-Supervision
verstärkt werden.
„Gemeinsame Fortbildungen von öffentlicher und privater KJH und KJP zur Entwicklung von
gemeinsamen Sichtweisen und Sprache.“ (ID 2911 – Arbeitsbereich Psychologie bzw. Psychotherapie)
„Wir sind in der glücklichen Lage, Kinder aus ,intakten‘ Familien zu begleiten. Mein erster Schritt
wäre im Bedarfsfall, den Kontakt, das Gespräch mit Eltern zu suchen, da könnte ich eine Gesprächsschulung brauchen.“ (ID 689 – Arbeitsbereich Elementarpädagogik)
„Supervisionen leichter zu ermöglichen würde helfen, den Herausforderungen besser gewachsen zu sein und somit effektiver arbeiten zu können.“ (ID 3757 – Arbeitsbereich Sozialarbeit)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
„Verpflichtende Supervisionen für Pädagoginnen, die der Träger gewährleisten muss, finanziell
und zeitlich!“ (ID 369 – Arbeitsbereich Elementarpädagogik)
„Möglichkeit der Supervision (derzeit nicht gegeben).“ (ID 1006 – Arbeitsbereich Exekutive)
„Supervision ist im aktuellen Arbeitskontext [Klinische Sozialarbeit] aufgrund der Teamgröße
nicht vorgesehen, zuvor Tätigkeit an der KJH, wo Supervision selbstverständlich war.“ (ID 160
– Arbeitsbereich Sozialarbeit)
„Fortbildungen zu diesem Thema am besten direkt an der Schule für mehrere Schulen im Bezirk. An den Schulen deutlichere Kundmachung, was die Kinder- und Jugendhilfe leistet, wie
man die Unterstützung in Anspruch nehmen kann, wann man mitteilungspflichtig ist etc.“ (ID
2859 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Vermitteln der Handlungsschritte bei Kindeswohlgefährdung bereits in der Basisausbildung –
vermehrt Seminare/Weiterbildungen zum Thema – Folder mit wichtigsten Infos, die in jedem
Kiga/Hort ausliegen, um schnelles Handeln im Ernstfall zu ermöglichen.“ (ID 3626 – Arbeitsbereich Elementarpädagogik)
„Supervision auch als Lehrerin im Pflichtschulbereich. Wir arbeiten täglich mit Menschen und
im Gegensatz zum Gesundheitswesen ist Supervision im Pflichtschulbereich nicht vorgesehen.“
(ID 3370 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
Der Umgang mit einer möglichen Gefährdung von Kindern und JugendVernetzter Arbeilichen im Berufsalltag würde aus Sicht der Fachkräfte durch eine stärkere
ten
Vernetzung der Institutionen und Einrichtungen, die in diesem Bereich
miteinander kooperieren, erleichtert werden. Im Vordergrund stehen hier
Kooperation und Abstimmung der unterschiedlichen Sichtweisen, Zugänge und Hilfsangebote
für Kinder, Jugendliche bzw. die Familie selbst. Durch den regelmäßigen Austausch unter den
kooperierenden Systemen und Institutionen können Informationen weitergegeben und eine
gemeinsame Vorgehensweise besser besprochen werden.
„Mehr Möglichkeiten zur anonymen Fallbesprechung mit der KJH und anderen relevanten SystempartnerInnen.“ (ID 134 – Arbeitsbereich Sozialarbeit)
„Mehr Vernetzung, damit die verschiedenen Berufsgruppen voneinander wissen und die jeweiligen Angebote kennen.“ (ID 1123 – Arbeitsbereich Medizin)
„Würde einen Informationsnachmittag in der Region vorschlagen, z. B. für alle leitenden Personen in der Kinderbetreuungseinrichtung, wo Fragen gestellt werden können, ein Austausch zwischen den Kolleginnen stattfinden kann, wo uns aber auch Handouts angeboten werden, wie
wir genau vorgehen sollen, mit der Telefonnummer der zuständigen Person in der jeweiligen
Region.“ (ID 691 – Arbeitsbereich Elementarpädagogik)
„Vermutlich würde die Zusammenarbeit besser funktionieren, wenn die beteiligten Personen
einander kennen und wenn regelmäßige Kommunikation stattfindet.“ (ID 3834 – Arbeitsbereich
Elementarpädagogik)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
„Vernetztes Arbeiten muss für alle Beteiligten Pflicht sein! Gemeinsame Zielformulierungen
müssen gesetzt werden und es braucht ein gemeinsames Handeln und Entwicklungsstrategien.“ (ID 3553 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Bessere Vernetzung zwischen Kindergarten, Schule, Jugendwohlfahrtsträger, Gericht/StA.“ (ID
1186 – Arbeitsbereich Recht)
Fachkräfte wünschen sich mehr Informationen zu zentralen Themen im
Mehr und spezifiBereich der Gefährdungsabklärung und zugeschnitten auf die jeweilige
schere InformatiBerufsgruppe, z. B. in Form von Broschüren. Die Weitergabe von Informaonen
tionen sollte in verständlicher Sprache (nicht Juristendeutsch) erfolgen
und sollte u. a. folgende Themen behandeln: Informationen über Hilfs- und
Unterstützungsangebote in der Region; genauere Informationen über die gesetzliche Lage,
insbesondere über die Inhalte des B-KJHG; Aspekte, wie eine Kindeswohlgefährdung erkannt
werden kann; konkrete Anweisungen, wie in einem Gefährdungsfall vorgegangen werden soll.
Ein Pädagoge drückt es folgendermaßen aus: „Kurze, übersichtliche Handlungsanleitungen
zur Meldung bzw. Zusammenarbeit sowie zur Erkennung von Gefährdungshinweisen, die allen
Kollegen zur Verfügung stehen und verständlich und nachvollziehbar gehalten sind“ (ID 3154
– Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in).
Fachkräfte sehen diese Information durchaus als Unterstützung für ihren Arbeitsbereich, in
dem es einige Themen gibt, in denen sie sich oft nicht ganz sicher fühlen. So wurde z. B.
explizit der Umgang mit eher „vagen“ Verdachtsmomenten bzw. Gefährdungssituationen wie
z. B. im Bereich der psychischen Gewalt und der Vernachlässigung sowie „konkrete Ausführungen, [ab] wann Gefährdung gilt (Länge, Intensität, Art der Misshandlung, Verwahrlosung)“
(ID 2662 – Arbeitsbereich Sozialarbeit) angesprochen.
„Am schwierigsten fällt mir die Entscheidung über eine Meldung immer dann, wenn es nicht um
körperliche Gewalt, sondern um Vernachlässigung, um psychischen Druck etc. geht. Vielleicht
könnten diesbezüglich Richtlinien definiert werden.“ (ID 2450 – Arbeitsbereich Sozialarbeit)
„Ja, ein Handlungsleitfaden bei Kindeswohlgefährdung, z. B. erstellt vom Bundesministerium,
wäre sehr hilfreich, damit nicht jede Einrichtung eigene Richtlinien erstellen muss.“ (ID 735 –
Arbeitsbereich Medizin)
„Broschüre mit der Aufklärung für jeweils die verschiedenen Kinderbetreuungseinrichtungen,
wie der Vorgang einer Meldung aussieht und nach welchen Punkten noch vor der Meldung
vorgegangen werden kann, um ein sicheres Bild über die Gegebenheit zu bekommen.“ (ID 780
– Arbeitsbereich Elementarpädagogik)
„Mehr Informationen für Einrichtungen, die verpflichtet sind, eine Gefährdungsmeldung durchzuführen.“ (ID 138 – Arbeitsbereich Elementarpädagogik)
„Ein Wunsch von mir wäre, für das Bundesland X eine Zusammenfassung der ,frühen Hilfen‘,
wie es sie für Wien gibt, zu erstellen, und zwar für die Altersgruppe ,14plus‘, z. B. Möglichkeiten,
in dem Alter außerhalb des elterlichen Haushaltes zu wohnen, welche Entscheidungen darf ich
wann treffen, welche Beratungsstellen gibt es dafür, gibt es auch anonyme Beratungsstellen,
first love-Ambulanz, Aids-Hilfe, welche Rechte habe ich, wenn ich feststelle, ich bin schwul/lesbisch, welche Alternativen gibt es, wenn es mit der Lehre nicht klappt, bis hin zu Vorsorgemöglichkeiten im Gesundheitsbereich (Schularzt/Vorsorgeuntersuchungen, Impfberatungen und
Durchführung).“ (ID 2352 – Arbeitsbereich Medizin)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
„Informationen, die kurz und bündig sind, damit die Zeit ist, diese zu lesen. Ich merke, dass ich
über das Kinder-und Jugendhilfegesetz und die Veränderungen/Neuerungen gar nicht informiert bin. Vielleicht wurde Material an die Schule geschickt, das aber neben vielen anderen
Informationen untergegangen ist.“ (ID 2164 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Wir haben keine Information zur B-KJHG (Mai 2013)! Bitte an alle Schulen (auch alle AHS,
BHS, etc.) verschicken!“ (ID 2190 – Arbeitsbereich Pädagogik)
„Mehr Information über Neuerungen, Rechte und Pflichten in Form einer Broschüre, die ich bekomme.“ (ID 3088 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Mehr Informationen, die geliefert werden und nach denen nicht mühsam gesucht werden muss,
klarer rechtlicher Rahmen, zusammengefasst für den Schulbereich, mögliche Fortbildungen,
die für Lehrer angeboten werden.“ (ID 3499 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
Der Umgang mit Gefährdungsmeldungen erfolgt aus Sicht der FachWeniger Bürokrakräfte mit einem hohen bürokratischen Aufwand, der minimiert werden
tie
könnte, im Sinne von „mehr Aktion statt Dokumentation“ (ID 2952 – Arbeitsbereich Pädagogik). Weniger bürokratischer Aufwand und Dokumentation könnte auch ein rascheres Bearbeiten der Gefährdungsmeldung mit sich bringen.
„Nach Gefährdungsmeldungen dauert es meist sehr lange, bis dem Kind wirklich geholfen wird.
Der administrative Aufwand ist immens hoch und man schreibt seitenlange Berichte! (ID 2922
– Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Die Bürokratie erleichtern.“ (ID 312 – Arbeitsbereich Psychologie bzw. Psychotherapie)
„Zu viele Wege bis zum Ziel/Bürokratie.“ (ID 2112 – Arbeitsbereich Elementarpädagogik)
„Mehr Informationen, weniger Papier und Formulare und eine echte Unterstützung!“ (ID 3368 –
Arbeitsbereich Pädagogik)
Präventives Arbeiten und präventive Angebote müssten dringend geBetonung der
stärkt und ausgebaut werden. So könnte ein Grundbudget für PräventiPrävention
onsarbeit eingeführt werden, um mehr präventive Angebote zu haben.
Diese präventiven Angebote und Informationen sollten sich an Kinder,
Jugendliche sowie deren Eltern richten. Durch höhere Investitionen in präventive Angebote
und Maßnahmen könnte möglichen Gefährdungen von Kindern und Jugendlichen vorgebeugt
werden.
„Präventive Arbeit bleibt somit fast gänzlich auf der Strecke, der Grundsatz, der Hilfebedarf entscheidet nun und nicht mehr die Kindeswohlgefährdung bleibt auf der Strecke.“ (ID 174 – Arbeitsbereich Sozialarbeit)
„Präventiven Ansatz anstelle von Notmaßnahmen wieder in Vordergrund stellen.“ (ID 161 – Arbeitsbereich Sozialarbeit)
„Aus meiner Sicht wird viel zu spät gehandelt und die Prozesse dauern sehr lange. Zum Teil
sind Kolleginnen nicht ausreichend ausgebildet und es sollte schon im Kindergarten Erhebungen geben, damit bei einzelnen Kindern schnell v. a. präventiv gehandelt werden kann. Fokus
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
auf Prävention – nicht erst handeln, wenn es zu spät ist!“ (ID 2723 – Arbeitsbereich Pädagogik,
Lehrer/in)
„Für eine optimale Betreuung der Kinder wären wesentlich mehr Fachkräfte an den Schulen
notwendig, die schneller und damit effizienter einsetzbar sind. Dadurch könnte wichtige Präventionsarbeit geleistet werden und so manches Problem an der Wurzel erwischt werden. Pädagogen können keine Fachkraft in diesem Bereich ersetzen, auch wenn sie gewillt sind, Fortbildungen zu besuchen.“ (ID 1532 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
Der Rechtsanspruch der Kinder bzw. der Familien auf Leistungen der KinRechtsanspruch
der- und Jugendhilfe wird ebenfalls von einigen Fachkräften angesprochen.
auf Leistungen
Zu diesem Verbesserungspotenzial führen die Fachkräfte nicht viel weiter
aus, sondern nennen primär die konkrete und knappe Forderung nach einem Rechtsanspruch von Kindern und Familien auf Leistungen nach dem Gesetz.
„Rechtsanspruch der Kinder bzw. Familien auf Leistungen nach dem KJH-Gesetz.“ (ID 3296 –
Arbeitsbereich Sozialarbeit)
„Einführung eines Rechtsanspruchs der Kinder bzw. Familien auf Leistungen nach dem Kinderund Jugendhilfegesetz.“ (ID 2005 – Arbeitsbereich Beratung)
„Es fehlt nach wie vor ein Rechtsanspruch von Kindern/Jugendlichen/Familien auf die Leistungen nach dem KJH-Gesetz.“ (ID 3197 – Arbeitsbereich Sozialarbeit)
Einige Fachkräfte erwähnen auch ganz explizit, dass es aus ihrer Sicht
derzeit keinen Bedarf gibt, etwas in diesem Bereich zu verändern. Folgendes Zitat veranschaulicht, wie sich in der Praxis zum Teil ein Prozedere
entwickelte, mit dem sich ebenfalls eine Zufriedenheit damit eingestellt hat:
Kein Bedarf
„Könnte ich nicht sagen. Ich handhabe es so, dass ich den geringsten Verdacht mit KollegInnen
(Intervision bzw. Supervision) bespreche und – wenn irgendwie möglich in Absprache mit der
Familie – auch in einer Form an die zuständige Sozialarbeiterin/den zuständigen Sozialarbeiter
der Kinder- und Jugendhilfe weitergebe (wenn begründeter Verdacht weiterbesteht, immer
schriftlich! Kann mitunter auch informell sein, wenn sich die Situation geklärt hat oder die Eltern
bereits mit mir zusammenarbeiten, um die Gefährdung abzuwenden – auf jeden Fall wird der
Sachverhalt weitergegeben und wenn möglich von Anfang an in Zusammenarbeit mit den Eltern
konstruktiv bearbeitet) – das ergibt sich mitunter daraus, dass in meiner Arbeit mit Kindern,
Jugendlichen und deren Eltern ohnehin eine enge Kooperation mit regelmäßigen Verlaufsmeldungen an die Sozialarbeit besteht.“ (ID 175 – Arbeitsbereich Psychologie bzw. Psychotherapie)
„Derzeit keine, durch die Kinder- und Jugendhilfe fühle ich mich gut unterstützt und die Verantwortlichkeiten sind klar!“ (ID 1993 – Arbeitsbereich Sozialarbeit)
„Nein, in unserem Kindergarten finde ich grundsätzlich, dass wir wirklich sehr gut mit allen kooperieren können.“ (ID 2714 – Arbeitsbereich Elementarpädagogik)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Lehrer/innen im pädagogischen Arbeitsbereich scheinen das AgieArbeitsbereich Pädagoren der Kinder- und Jugendhilfe nur begrenzt nachvollziehen zu köngik/Lehrer/-innen:
nen und schlagen eine andere Vorgehensweise in diesem Bereich
Andere Arbeitsweise
vor. Sie sehen als Verbesserungspotenzial einerseits ein schnelleder KJH
res Agieren der Kinder- und Jugendhilfe. Dieser Wunsch nach
schnellerem Handeln wird öfters auch mit dem Infragestellen der
Vorgehensweise der KJH verbunden, z. B. dem Ankündigen von Hausbesuchen. Eng in Zusammenhang mit dem schnelleren Agieren seitens der KJH steht auch das Gefühl der pädagogischen Fachkräfte, nicht ernst genommen zu werden bei den Meldungen hinsichtlich
einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls.
„Ganze Kinder- und Jugendwohlfahrt bringt nichts, wenn nicht sofort und konkret gehandelt
wird. Das Anmelden eines Besuches zu Hause bringt genau nichts – und hilft den Kindern nicht
– im Gegenteil – es verschlechtert die Situation des Kindes, da die Eltern mitbekommen, dass
das Kind sich jemandem anvertraut hat und die Situation von zu Hause nach außen getragen
hat. Man sollte endlich den Mut aufbringen und wirklich handeln und sich dann nicht hinter Gesetzen verstecken!“ (ID 3936 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Effizienter, schneller, man soll ernst genommen werden, nicht zu lange Wartezeiten...“ (ID 1439
– Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Wenn ein Kind in einem solchen Ausmaß zu Hause belastet wird, dass es sich dazu überwindet, eine familienfremde Person um Hilfe zu bitten, kann davon ausgegangen werden, dass
diesem Kind unverzüglich ein schützender Aufenthalt außerhalb seines familiären Umfeldes zur
Verfügung gestellt werden muss, mindestens so lange, bis die Gefährdungsbedrohung verlässlich und nachhaltig abgewendet ist. Wichtig wäre die verlässliche Reihung der Abfolge folgender
Maßnahmen: 1. Meldung eines Verdachts der Gefährdung des Kindeswohls, 2. unmittelbarer
Schutz für das Kind (ohne verzögernde, formale Administration), 3. Hilfestellung für die Eltern.“
(ID 1418 – Fachbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Meldungen der Lehrerinnen und Lehrer sollten ernster genommen werden. Ich denke, es wird
erst sehr spät reagiert. Für mich ist es bereits eine Kindeswohlgefährdung, wenn es den ganzen
Nachmittag vor dem TV sitzt und/oder nie eine Jause in die Schule mitgegeben wird.“ (ID 2311
– Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Bei der Kinder- und Jugendhilfe ernst genommen zu werden, speziell im Fall psychischer Gewalt und Verwahrlosung … nicht nur sichtbare körperliche Beeinträchtigungen zählen!“ (ID 1239
–Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Ich möchte, dass unsere Meldungen ernst genommen werden! Wir sehen die Kinder Tag für
Tag und haben den direkten Kontakt! Ich bekomme bei einer Gefährdungsmeldung die Rückmeldung immer nur über die Schulsozialarbeiterin! Die Lehrer bekommen sie dann von mir –
also über drei Ecken!“ (ID 2510 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
Neben dem schnelleren Agieren der Kinder- und Jugendhilfe zeigt ein Teil der befragten Lehrer/innen auch wenig Verständnis für den Ansatz der Freiwilligkeit zur Hilfe bei Eltern. Sie würden Eltern stärker verpflichten, Hilfe sowie Unterstützung im Sinn der Sicherstellung des
Wohlergehens von Kindern und Jugendlichen in Anspruch zu nehmen.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
„Der Gesetzgeber muss Möglichkeiten schaffen, bei Gefährdung von Kindern und Jugendlichen
schneller zu reagieren und dadurch auch schneller zu handeln. Verpflichtende Elternschulung
über Mutter-Kind-Pass, Einfrieren von Kindergeld, bis Eltern vorgegebene Maßnahmen umsetzen --- DIE ELTERN MEHR IN DIE PFLICHT NEHMEN!“ (ID 3853 – Arbeitsbereich Pädagogik,
Lehrer/in)
„Verpflichtung der Eltern zur Zusammenarbeit (Therapiebesuche), ansonsten Kürzung des Kindergeldes.“ (ID 2426 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Mehr Möglichkeiten, die Eltern bezüglich ihrer Pflichten zur Verantwortung zu ziehen. Ehe nicht
ein Kind total vor die Hunde geht, passieren keine wirklichen Konsequenzen. Den Eltern wird
es leicht gemacht, Verantwortung abzugeben (sie wird ihnen rasch abgenommen und durch
sogenannte ,Unterstützung‘, die durch Institutionen halbherzig erledigt wird, durchgeführt). Kinder bekommen durch drei verschiedene Institutionen irgendwelche Angebote, die ihnen aber
keine Struktur geben, die sie dringend brauchen würden.“ (ID 1464 – Arbeitsbereich Pädagogik,
Lehrer/in)
„Verpflichtende Inanspruchnahme von Hilfseinrichtungen für gefährdete Kinder und ihre Eltern.“
(ID 2313 – Arbeitsbereich Pädagogik, Lehrer/in)
„Ja, dass ich Eltern verpflichten kann, mit ihrem Kind zum Psychologen oder selbst zum Psychologen zu gehen und nicht auf deren Einverständnis angewiesen bin.“ (ID 3592 – Arbeitsbereich
Pädagogik, Lehrer/in)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Anhang
146
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
12.4 Fragebogen39: Fallführende Sozialarbeiter/innen
Fragebogen zur Evaluierung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes (B-KJHG)
Fragebogen für fallführende SozialarbeiterInnen (Fragebogen A)
Diese Befragung wendet sich an fallführende SozialarbeiterInnen bei einem öffentlichen Kinder- und Jugendhilfeträger. Im Jahr 2013 wurden die Grundsätze für Hilfen für Familien und
Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche im Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz (BKJHG) grundsätzlich neu geregelt. Das Österreichische Institut für Familienforschung (ÖIF)
an der Universität Wien wurde vom Bundesministerium für Familien und Jugend mit der Evaluierung dieses Gesetzes beauftragt.
Ihre praktischen Erfahrungen mit den Regelungen des B-KJHG bzw. den Ausführungsgesetzen im Bundesland sind zentraler Bestandteil in der Beurteilung der Neuerungen des BKJHG und in der Beschreibung möglicher Modifikationen.
Bitte verwenden Sie während der Beantwortung des Fragebogens den „Weiter-“ bzw. „Zurück“-Button am unteren Rand des Bildschirms. Für Rückfragen steht Ihnen Herr Dipl.Soz.päd. Olaf Kapella unter folgender Kontaktadresse gerne zur Verfügung:
Österreichisches Institut für Familienforschung (ÖIF)
an der Universität Wien
Grillparzerstraße 7/9
A-1010 Wien
E-Mail: olaf.kapella@oif.ac.at
Tel: 01 4277 489 07
Vielen Dank für Ihre Bereitschaft zur Teilnahme!
39
Bei den Fragebögen wurde nicht das Gender/ verwendet, sondern das Binnen-I.
147
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
X01:
Seit welchem Jahr sind Sie in der Kinder- und Jugendhilfe tätig?
……………………….
A01:
Was hat sich seit der Einführung des neuen Bundes-Kinder- und JugendhilfeGesetzes (B-KJHG 2013) bzw. des Ausführungsgesetzes im Land aus Ihrer
Sicht, so wie Sie es bisher in Ihrem Berufsalltag erleben, verändert?
[nur wenn X01 < 2013]
a:
Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt
b: Angebot der präventiven Angebote in der Kinder- und Jugendhilfe
c:
Präzisierung der Verschwiegenheitsbestimmungen (für öffentliche Träger)
d: einheitliche Standards bei der Gefährdungsabklärung
e:
einheitliche Standards bei der Hilfeplanerstellung
f:
Professionalisierung der Fachkräfte
g: Tätigkeiten, die im Rahmen der Dokumentation anfallen
1
2
3
4
5
A02:
Insgesamt betrachtet, würden Sie sagen, dass die Einführung des neuen BKJHG bzw. des neuen Ausführungsgesetzes im Land einen Einfluss darauf
hat, wie Ihre alltägliche Arbeit grundsätzlich verläuft?
1
2
3
4
A03:
Hat sich deutlich erhöht
Hat sich etwas erhöht
Ist gleich geblieben (kein Unterschied seit Gesetzeseinführung)
Hat sich etwas verringert
Hat sich deutlich verringert
ja, deutlich
eher ja
eher nein
nein, gar nicht
Würden Sie sagen, dass die Einführung des neuen B-KJHG bzw. des Ausführungsgesetzes einen Einfluss darauf hat, wie Ihre persönliche Arbeit im Hinblick auf Kindeswohlgefährdungen verläuft?
1
2
3
4
ja, deutlich
eher ja
eher nein
nein, gar nicht
148
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Das neue B-KJHG sieht für die Gefährdungseinschätzung sowie die Hilfeplanerstellung
und -überprüfung das sogenannte Vier-Augen-Prinzip vor.
V01:
Welche Vorteile sehen Sie in der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips in der
Praxis?
……………………….
V02:
Und welche Nachteile sehen Sie in der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips
in der Praxis?
……………………….
V03:
Inwieweit stimmen Sie den folgenden Aussagen zu? Das Vier-Augen-Prinzip
…
a:
vermittelt mir mehr Sicherheit in der Entscheidungsfindung.
b: ist in der Anwendung kompliziert.
c:
fördert das Miteinander unter KollegInnen.
d: erhöht den Arbeitsaufwand.
e:
verlangsamt Prozesse.
f:
ist ein dehnbarer Begriff.
g: empfinde ich generell als überflüssig.
1
2
3
4
5
V04:
stimme sehr zu
stimme eher zu
stimme eher nicht zu
stimme gar nicht zu
weiß nicht
Wenn Sie als fallverantwortlicheR SozialarbeiterIn in den folgenden Bereichen
zu tun haben, wie häufig wenden Sie dann dort das Vier-Augen-Prinzip an?
a:
Einschätzung der Gefährdung nach einer Meldung über Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls
b: Hilfeplanung: Vereinbarungen und Einleitung der Erziehungshilfe
c:
Hilfeplanung: Änderung der Erziehungshilfe
d: Hilfeplanung: Abschluss der Erziehungshilfe
e:
Eignungsbeurteilung von Pflegepersonen
f:
Eignungsbeurteilung von Adoptiveltern
1
2
3
4
immer
meistens
selten
nie
149
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
V05:
Insgesamt betrachtet, verfahren Sie persönlich in der Anwendung des VierAugen-Prinzips zur Gefährdungsabklärung anders als vor der Einführung des
neuen Bundesgesetzes bzw. des Ausführungsgesetzes im Land?
[nur wenn X01 < 2013]
1
2
3
4
V06:
Ist das Vier-Augen-Prinzip für die Gefährdungsabklärung in Ihrem Bundesland
verpflichtend?
1
2
3
V07:
ja
nein
weiß nicht
Gibt es in Ihrer Einrichtung schriftliche Standards (z. B. Leitfaden, Dokumentvorlagen, Handbuch, Formulare) dazu, wie das Vier-Augen-Prinzip für die Gefährdungsabklärung konkret im Ablauf durchgeführt werden soll?
1
2
3
V08:
ja, deutlich
eher ja
eher nein
nein, gar nicht
ja
nein
weiß nicht
In welchen Formen kommt das Vier-Augen-Prinzip für die Gefährdungsabklärung in Ihrer Einrichtung AKTUELL zur Anwendung?
a:
Einschätzung der Sachlage durch zwei qualifizierte Fachkräfte (z. B. gemeinsamer Hausbesuch, gemeinsames Gespräch mit dem/der Minderjährigen)
b: Fachgespräch mit der leitenden Sozialarbeiterin/dem leitenden Sozialarbeiter zu Beginn
c:
Fachgespräch mit der leitenden Sozialarbeiterin/dem leitenden Sozialarbeiter zum Abschluss
d: interner kollegialer Austausch (z. B. Teambesprechungen, kollegiale Beratung, Intervision)
e:
fallspezifische HelferInnenkonferenzen (inkl. externe KollegInnen)
f:
Unterschrift der leitenden Sozialarbeiterin/des leitenden Sozialarbeiters
bei abschließender Gefährdungseinschätzung
g: Unterschrift der/des Amts- bzw. Gruppenleiterin/-leiters
h: andere
1
2
3
4
immer
meistens
selten
nie
V08and: Welche sonstigen Formen des Vier-Augen-Prinzips sind das?
[nur wenn V08h = 1 oder V08h = 2 oder V08h = 3]
……………………….
150
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
V09x:
Wie war das VOR Einführung des B-KJHG? Wurde damals das Vier-AugenPrinzip angewandt?
[nur wenn X01 < 2013]
1
2
V09:
ja
nein
Und wie wurde damals (vor Einführung des B-KJHG) das Vier-Augen-Prinzip
für die Gefährdungsabklärung in Ihrer Einrichtung angewendet?
[nur wenn V09x = 1]
a:
Einschätzung der Sachlage durch zwei qualifizierte Fachkräfte (z. B. gemeinsamer Hausbesuch, gemeinsames Gespräch mit dem/der Minderjährigen)
b: Fachgespräch mit dem/der leitenden SozialarbeiterIn zu Beginn
c:
Fachgespräch mit dem/der leitenden SozialarbeiterIn zum Abschluss
d: interner kollegialer Austausch (z. B. Teambesprechungen, kollegiale Beratung, Intervision)
e:
fallspezifische HelferInnenkonferenzen (inkl. externe KollegInnen)
f:
Unterschrift der leitenden Sozialarbeiterin/des leitenden Sozialarbeiters
bei abschließender Gefährdungseinschätzung
g: Unterschrift der/des Amts- bzw. Gruppenleiterin/-leiters
h: andere
1
2
3
4
immer
meistens
selten
nie
V09and: Welche sonstigen Formen des Vier-Augen-Prinzips waren das?
[nur wenn V09h = 1 oder V09h = 2 oder V09h = 3]
……………………….
151
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
V10:
Welche Form der Zusammenarbeit gibt Ihnen besonders das Gefühl der Sicherheit bei einer Gefährdungsabklärung, die richtige Entscheidung getroffen
zu haben?
Bitte wählen Sie höchstens drei Antworten aus.
[Mehrfachantworten möglich]
a
b
c
d
e
f
g
h
V11:
Handelt man bei Gefahr im Verzug, ist es nicht immer möglich, das Vier-Augen-Prinzip einzuhalten. Wie oft ist das bei Ihnen in der Praxis der Fall?
1
2
3
4
V12:
Einschätzung der Sachlage durch zwei qualifizierte Fachkräfte (z. B. gemeinsamer Hausbesuch, gemeinsames Gespräch mit dem/der Minderjährigen)
Fachgespräch mit der leitenden Sozialarbeiterin/dem leitenden Sozialarbeiter
zu Beginn
Fachgespräch mit der leitenden Sozialarbeiterin/dem leitenden Sozialarbeiter
zum Abschluss
interner kollegialer Austausch (z. B. Teambesprechungen, kollegiale Beratung,
Intervision)
fallspezifische HelferInnenkonferenzen (inkl. externe KollegInnen)
Unterschrift der leitenden Sozialarbeiterin/des leitenden Sozialarbeiters bei abschließender Gefährdungseinschätzung
Unterschrift des/der Amts- bzw. Gruppenleiterin/-leiters
Sonstiges ……………………….
Das kommt häufig vor.
Das kommt manchmal vor.
Das kommt selten vor.
Das kommt nie vor.
Wenn Sie das Vier-Augen-Prinzip einmal nicht einhalten können, was sind
dann die Gründe dafür? (Mehrfachantworten möglich)
[nur wenn V11 = 1 oder V11 = 2 oder V11 = 3]
[Mehrfachantworten möglich]
a
b
c
d
V13:
zweite Fachkraft nicht verfügbar (eher generelle Situation)
zweite Fachkraft nicht verfügbar (nur zu bestimmten Zeiten, z. B. am Wochenende)
Zeitdruck (es muss schnell gehandelt werden)
Führungskraft nicht verfügbar
Im Folgenden nun einige Fragen zur Hilfeplanerstellung
Ist das Vier-Augen-Prinzip für die Hilfeplanerstellung in Ihrem Bundesland verpflichtend?
1
2
3
ja
nein
weiß nicht
152
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
V14:
Gibt es in Ihrer Einrichtung schriftliche Standards (z. B. Leitfaden, Dokumentvorlagen, Handbuch) dazu, wie das Vier-Augen-Prinzip für die Hilfeplanerstellung konkret im Ablauf durchgeführt werden soll?
1
2
3
V15:
ja
nein
weiß nicht
Insgesamt betrachtet, verfahren Sie persönlich in der Anwendung des VierAugen-Prinzips für die Hilfeplanerstellung anders als vor der Einführung des
neuen B-KJHG bzw. des Ausführungsgesetzes im Land?
[nur wenn X01 < 2013]
1
2
3
4
ja, deutlich
eher ja
eher nein
nein, gar nicht
V16unt: In welchen Formen kommt das Vier-Augen-Prinzip in Ihrer Einrichtung für die
Hilfeplanerstellung bei der „Unterstützung der Erziehung“ und bei der „vollen
Erziehung“ zur Anwendung?
Welche Formen sind es bei der „Unterstützung der Erziehung“?
[Mehrfachantworten möglich]
a
b
c
Fachgespräche mit dem/der leitenden SozialarbeiterIn
Hilfeplanerstellung gemeinsam mit professionellen HelferInnen
Fallverlaufskonferenzen
V16voll: Und welche Formen sind es bei der „vollen Erziehung“?
[Mehrfachantworten möglich]
a
b
c
V17:
Endet die Erziehungshilfe wegen Erreichung der Volljährigkeit, besteht die
Möglichkeit, Hilfen für junge Erwachsene zu vereinbaren. Wie oft machen Sie
in Ihrer Praxis von dieser Möglichkeit Gebrauch?
1
2
3
4
V18:
Fachgespräche mit dem/der leitenden SozialarbeiterIn
Hilfeplanerstellung gemeinsam mit professionellen HelferInnen
Fallverlaufskonferenzen
häufig
manchmal
selten
nie
Welche Kriterien waren für Sie bei der Vereinbarung von Hilfen für junge Erwachsene ausschlaggebend?
[nur wenn V17 = 1 oder V17 = 2 oder V17 = 3]
……………………….
153
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
V19:
Vor Inkrafttreten des B-KJHG war für diese Fälle die Verlängerung der Erziehungshilfen vorgesehen. Hat sich in Ihrer Praxis durch die Einführung der Hilfen für junge Erwachsene eine Änderung ergeben?
[nur wenn X01 < 2013]
1
2
3
4
ja, deutlich
eher ja
eher nein
nein, gar nicht
In den folgenden Fragen geht es um die Bereiche der Gefährdungsabklärung und der
Hilfeplanerstellung.
P01:
Wenn Sie an die Mitteilungen denken, die Sie über eine Kindeswohlgefährdung in den letzten Jahren erhalten haben, wie häufig umfassen diese Mitteilungen die folgenden Inhalte?
a:
Namen des Kindes bzw. Jugendlichen
b: Geburtsdatum des Kindes bzw. Jugendlichen
c:
Adresse des Kindes bzw. Jugendlichen
d: kurze Beschreibung der Umstände, die zur Mitteilung geführt haben
e:
ausführliche Beschreibung der Umstände, die zur Mitteilung geführt haben
f:
Begründung für den Gefährdungsverdacht
g: Name der mitteilenden Person
h: Kontaktdaten der mitteilenden Person
i:
Name der Einrichtung, für die die mitteilende Person arbeitet
j:
Stellungnahmen bzw. Untersuchungsergebnisse anderer Personen (z.B.
Ärzte/Ärztinnen)
k:
anderes
1
2
3
4
immer
meistens
selten
nie
154
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
P01and: Welche anderen Inhalte sind das?
[nur wenn P01k = 1 oder P01k = 2 oder P01k = 3]
……………………….
P02:
Wie viele Gefährdungsabklärungen haben Sie circa in den letzten 12 Monaten
als fallverantwortlicheR SozialarbeiterIn bearbeitet?
……………………….
P03:
Gibt es in Ihrer Einrichtung zur Gefährdungsabklärung fachliche Standards
für ein strukturiertes Vorgehen?
1
2
3
P04:
ja
nein
weiß nicht
Sind diese Richtlinien verbindlich oder haben sie einen empfehlenden Charakter?
[nur wenn P03 = 1]
1
2
P05:
sind verbindlich
haben empfehlenden Charakter
In welcher Form sind diese Richtlinien festgehalten?
[nur wenn P03 = 1]
……………………….
P06:
Wie häufig verwenden Sie zur Gefährdungsabklärung eine Diagnose-Tabelle?
1
2
3
4
P07:
Wie sehr stimmen Sie der Aussage zu: Mithilfe einer Diagnose-Tabelle kann
Gewalt gegen Kinder und Jugendliche frühzeitiger erkannt werden.
1
2
3
4
5
P08:
immer
meistens
selten
nie
stimme sehr zu
stimme eher zu
stimme eher nicht zu
stimme gar nicht zu
weiß nicht
Welche Erkenntnisquellen spielen bei der Gefährdungsabklärung eine Rolle
für Sie?
……………………….
P09:
Wenn Sie an den Gesamtprozess bei der Gefährdungsabklärung denken, sehen Sie Probleme oder keine Probleme?
1
2
ja, sehe Probleme.
nein, sehe keine Probleme.
155
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
P9a:
Und welche Probleme sehen Sie dabei?
[nur wenn P09 = 1]
……………………….
P10:
Wie viele Betreuungsfälle haben Sie circa in den letzten 12 Monaten gehabt?
……………………….
P11:
Gibt es in Ihrer Einrichtung zur Hilfeplanerstellung und -überprüfung fachliche
Standards für ein strukturiertes Vorgehen?
1
2
3
P12:
ja
nein
weiß nicht
Sind diese Richtlinien verbindlich oder haben sie einen empfehlenden Charakter?
[nur wenn P11 = 1]
1
2
P13:
sind verbindlich
haben empfehlenden Charakter
In welcher Form sind diese Richtlinien festgehalten?
[nur wenn P11 = 1]
……………………….
P14:
Involvieren Sie bei der Erstellung eines Hilfeplans jene Einrichtungen, die „Unterstützung zur Erziehung“ bzw. die „volle Erziehung“ durchführen sollen?
a:
Einrichtungen, die „Unterstützung zur Erziehung“ anbieten, werden bei
der Hilfeplanerstellung involviert.
b: Einrichtungen der „vollen Erziehung“ werden bei der Hilfeplanerstellung
involviert.
1
2
3
4
P15:
immer
meistens
selten
nie
An wie vielen Fort- oder Weiterbildungen haben Sie in den letzten 12 Monaten
teilgenommen? Bitte denken Sie an gesamte Veranstaltungen und nicht an
einzelne Einheiten (mehrteilige Veranstaltungen zählen als eine Veranstaltung).
……………………….
P16:
Zu welchen Themen haben Sie die Fort- oder Weiterbildungen besucht?
[nur wenn P15 > 0]
……………………….
156
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
P17:
Wurde bei diesen Fort- und Weiterbildungen speziell das Thema Kindeswohlgefährdung angesprochen?
[nur wenn P15 > 0]
1
2
P18:
ja
nein
An wie vielen Supervisionen haben Sie in den letzten 12 Monaten teilgenommen? (Bitte Blöcke, nicht Einheiten zählen)
……………………….
P19:
Fanden diese Supervisionen regelmäßig statt?
[nur wenn P18 > 0]
1
2
3
4
P20:
ja
eher ja
eher nein
nein
Wie oft fanden die Supervisionen statt?
[nur wenn P19 = 1 oder P19 = 2]
……………………….
P21:
Sind dies Einzel- oder Team-Supervisionen?
[nur wenn P18 > 0]
1
2
3
P22:
immer oder meistens Einzel-Supervisionen
gemischt: mal Team-, mal Einzel-Supervisionen
immer oder meistens Team-Supervisionen
Wie oft ist speziell die Kindeswohlgefährdung Thema bei diesen Supervisionen?
[nur wenn P18 > 0]
1
2
3
4
P23:
immer
meistens
selten
nie
Wie beurteilen Sie insgesamt die Treffsicherheit der von Ihnen genutzten Angebote (Fort- und Weiterbildungen sowie Supervisionen)? War das, was vermittelt wurde, relevant für Ihren Berufsalltag?
[nur wenn P15 > 0 oder P18 > 0]
1
2
3
4
P24:
ja
eher ja
eher nein
nein
Ganz grundsätzlich: Gibt es konkrete Wünsche bzw. Verbesserungsvorschläge, um Ihren beruflichen Alltag zu erleichtern?
……………………….
157
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
E01:
Wie beurteilen Sie für Ihre Region die aktuell verfügbaren Angebote der sozialen Dienste in der Prävention von Erziehungsproblemen? Und wie war das
vor Einführung des B-KJHG bzw. des Ausführungsgesetzes im Land?
Bitte beurteilen Sie in jeder Zeile zuerst die aktuelle Situation und dann, wie
dies aus Ihrer Sicht vor Einführung des B-KJHG war.
Aktuell:
a1: Verfügbarkeit der Angebote für Kinder und Jugendliche (Quantität)
b1: Inhalte der Angebote für Kinder und Jugendliche (Treffsicherheit/Qualität)
c1: Verfügbarkeit der Angebote für Eltern (Quantität)
d1: Inhalte der Angebote für Eltern (Treffsicherheit/Qualität)
1
2
3
4
sehr gut
eher gut
eher schlecht
sehr schlecht
Vor Einführung des B-KJHG (Mai 2013)
a2: Verfügbarkeit der Angebote für Kinder und Jugendliche (Quantität)
b2: Inhalte der Angebote für Kinder und Jugendliche (Treffsicherheit/Qualität)
c2: Verfügbarkeit der Angebote für Eltern (Quantität)
d2: Inhalte der Angebote für Eltern (Treffsicherheit/Qualität)
1
2
3
4
5
E02:
sehr gut
eher gut
eher schlecht
sehr schlecht
war nicht in KJH tätig
Haben sich Ihrer Einschätzung nach präventive Angebote von sozialen Diensten in Zahl und Qualität seit Einführung des B-KJHG bzw. des Ausführungsgesetzes verändert?
[nur wenn X01 < 2013]
a:
Anzahl der Angebote für Kinder und Jugendliche
b: Qualität der Angebote für Kinder und Jugendliche (Treffsicherheit)
c:
Anzahl der Angebote für Eltern
d: Qualität der Angebote für Eltern (Treffsicherheit)
1
2
3
hat zugenommen
ist gleich geblieben
hat abgenommen
158
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
E03:
Wie beurteilen Sie für Ihren Arbeitsalltag die Kooperation mit anderen, externen Systemen? Die Zusammenarbeit mit Personen und Einrichtungen im Bereich …
a:
Gerichte, Behörden, Polizei und andere Organe der öffentlichen Aufsicht
b: Einrichtungen zur Betreuung und Bildung von Kindern und Jugendlichen
(z. B. Kinderkrippe, Kindergarten, Hort)
c:
Schulen
d: außerschulische Kinder- und Jugendarbeit
e:
psychosoziale Beratungseinrichtungen (z. B. Familienberatungsstelle,
Psychotherapie)
f:
private Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtungen
g: Gesundheitswesen (z. B. Ärzte, Krankenhaus, Hebammen)
h: private Personen (z. B. Familienangehörige, Nachbarn)
i:
Pflegepersonen
1
2
3
4
E04:
sehr gut
eher gut
eher schlecht
sehr schlecht
Wie hat sich die Qualität der Zusammenarbeit seit Einführung des neuen BKJHG bzw. des Ausführungsgesetzes im Land verändert? Die Zusammenarbeit mit Personen und Einrichtungen im Bereich …
[nur wenn X01 < 2013]
a:
Gerichte, Behörden, Polizei und andere Organe der öffentlichen Aufsicht
b: Einrichtungen zur Betreuung und Bildung von Kindern und Jugendlichen
(z. B. Kinderkrippe, Kindergarten, Hort)
c:
Schulen
d: außerschulische Kinder- und Jugendarbeit
e:
psychosoziale Beratungseinrichtungen (z. B. Familienberatungsstelle,
Psychotherapie)
f:
private Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtungen
g: Gesundheitswesen (z. B. Ärzte, Krankenhaus, Hebammen)
h: private Personen (z. B. Familienangehörige, Nachbarn)
i:
Pflegepersonen
1
2
3
4
5
E05:
hat sich deutlich verbessert
hat sich etwas verbessert
ist gleich geblieben (kein Unterschied seit Gesetzeseinführung)
hat sich etwas verschlechtert
hat sich deutlich verschlechtert
Liegen schriftliche Kooperationsvereinbarungen mit einigen dieser Einrichtungen bzw. Stellen vor?
1
2
3
ja
nein
weiß nicht
159
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
E05a:
Bei welchen Einrichtungen bzw. Stellen liegen schriftliche Kooperationsvereinbarungen vor?
[nur wenn E05 = 1]
……………………….
E06:
Wie beurteilen Sie insgesamt für Ihren Arbeitsalltag die folgenden Aspekte?
a:
die Qualität der Gefährdungsmeldungen, die Sie von den Mitteilungspflichtigen erhalten
b: die zeitnahe Verfügbarkeit von externen Hilfsangeboten, an die Sie weitervermitteln können, z. B. Überweisung an eine Beratungsstelle
c:
das Kontakthalten zu der externen Stelle auch nach der Übermittlung
d: das Vorhandensein verbindlicher Kooperationsvereinbarungen
e:
das Zusammenspiel mit Bildungs-, Sozial- und Gesundheitssystem
1
2
3
4
D01:
sehr gut
eher gut
eher schlecht
sehr schlecht
Das B-KJHG hat die Auskunfts- und Verschwiegenheitsbestimmungen in Bezug auf die Erfassung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Daten neu geregelt. Inwieweit haben die neuen Regelungen zu Verbesserungen
oder zu Verschlechterungen geführt?
[nur wenn X01 < 2013]
a:
Klarheit, wer was erfahren darf
b: Vertrauensverhältnis zu den Kindern
c:
Vertrauensverhältnis zu den Eltern
d: Kooperation mit externen Stellen
e:
Überschneidungen mit Verschwiegenheitspflichten in Berufsgesetzen
1
2
3
4
5
D02:
sehr verbessert
eher verbessert
gleich geblieben
eher verschlechtert
sehr verschlechtert
Wenn Sie elektronisch Daten versenden (E-Mail), die sensibel sind, geschieht
dies in verschlüsselter Form?
1
2
3
4
5
immer
meistens
selten
nie
weiß nicht
160
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
D03:
Über welche Einrichtungen bzw. von welchen Personen haben Sie in den letzten 12 Monaten Hinweise auf Verdachtsfälle der Kindeswohlgefährdung erhalten?
[Mehrfachantworten möglich]
a
b
c
d
e
f
g
h
i
j
k
D04:
Gericht, Behörde und Organ der öffentlichen Aufsicht
Einrichtung zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen
Einrichtung zum Unterricht von Kindern und Jugendlichen
Einrichtung zur psychosozialen Beratung
private Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe
Kranken- oder Kuranstalt
Einrichtung der Hauskrankenpflege
freiberuflich tätige Person in einem Gesundheitsberuf
freiberuflich tätige Person in der privaten Kinder- und Jugendhilfe
freiberuflich tätige Person in Betreuung/Unterricht
private Personen (z. B. Familienangehörige, Nachbarn)
Haben Sie den Eindruck, dass die Einführung des B-KJHG dazu geführt hat,
dass Sie mehr Hinweise auf Verdachtsfälle der Kindeswohlgefährdung erhalten?
[nur wenn X01 < 2013]
1
2
3
4
5
D05:
ja, deutlich
eher ja
eher nein
nein, gar nicht
weiß nicht
Wie ist Ihrer Einschätzung nach das Verhältnis von Meldungen von mitteilungspflichtigen Personen verglichen mit anderen Personen, die Meldung machen (dazu aber nicht verpflichtet wären)? (auf 100 % gerechnet)
………………………. % mitteilungspflichtige Personen
………………………. % andere Personen
D06:
Das neue B-KJHG regelt, dass die Mitteilung schriftlich erfolgen muss und
möglichst konkret sein soll. Wie oft erfüllten die Mitteilungen, die Sie in den
letzten 12 Monaten erhalten haben, diese Kriterien?
a:
Mitteilung wird schriftlich übermittelt.
b: Mitteilung enthält Angaben über relevante Wahrnehmungen.
c:
Mitteilung enthält Schlussfolgerungen.
1
2
3
immer oder meistens
etwa in der Hälfte der Fälle
selten oder nie
161
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
D07:
Insgesamt betrachtet, hat sich aus Ihrer Sicht die Qualität der Mitteilungen
(von allen mitteilungspflichtigen Personen) seit Gesetzeseinführung verbessert oder nicht?
[nur wenn X01 < 2013]
1
2
3
4
D08:
Geben Sie an mitteilungspflichtige Personen eine Rückmeldung darüber, dass
die Gefährdungsmitteilung bei Ihnen eingegangen ist?
1
2
3
4
D09:
ja, deutlich
eher ja
eher nein
nein, gar nicht
immer
meistens
selten
nie
Wie schnell geben Sie in der Regel die Rückmeldung über den Eingang der
Gefährdungsmitteilung?
[nur wenn D08 = 1 oder D08 = 2 oder D08 = 3]
1
2
3
4
D10:
innerhalb desselben Tages
innerhalb einiger Tage
innerhalb einer Woche
später als innerhalb einer Woche
Welche Informationen sollten aus Ihrer Sicht mitteilungspflichtige Personen
nach einer Gefährdungsmitteilung von der Kinder- und Jugendhilfe erhalten?
[Mehrfachantworten möglich]
a
b
c
D11:
Wie oft haben Sie sich selbst in den letzten Jahren auf Ihre Verschwiegenheit
gegenüber anderen Einrichtungen berufen?
1
2
3
4
D12:
ob mit der Gefährdungsabklärung begonnen wurde
ob die Gefährdungsabklärung abgeschlossen wurde
das Ergebnis der Gefährdungsabklärung
häufig
manchmal
selten
nie
Aus welchen Gründen haben Sie sich auf die Verschwiegenheit berufen?
[nur wenn D11 = 1 oder D11= 2 oder D11 = 3]
……………………….
162
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
PA01:
Neu ist am B-KJHG auch, dass im Zusammenhang mit einer (möglichen) Kindeswohlgefährdung die betroffenen Kinder und ihre Eltern auf allen Ebenen
mehr beteiligt werden sollen (Prinzip der Partizipation). Inwieweit sehen Sie
dieses Prinzip aktuell verwirklicht?
In Bezug auf die betroffenen Kinder und Jugendlichen gelingt uns meistens,
…
a:
… ausreichend mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen zu sprechen, wenn es um die Einschätzung des Gefährdungsrisikos geht (Gefährdungsabklärung).
b: … die Kinder und Jugendlichen (ihrem Alter entsprechend) über die Gewährung von Erziehungshilfen zu beraten und auf mögliche Auswirkungen hinzuweisen.
c:
… den Wünschen der Kinder und Jugendlichen zu entsprechen, was Art
und Umfang der Erziehungshilfe angeht.
1
2
3
4
PA02:
stimme sehr zu
stimme eher zu
stimme eher nicht zu
stimme gar nicht zu
In Bezug auf die betroffenen Eltern gelingt es uns meistens, …
a:
… ausreichend mit den Eltern zu sprechen, wenn es um die Einschätzung
des Gefährdungsrisikos geht (Gefährdungsabklärung).
b: …die Eltern ausreichend über die Gewährung von Erziehungshilfen zu beraten und auf mögliche Auswirkungen hinzuweisen.
c:
… den Wünschen der Eltern zu entsprechen, was Art und Umfang der Erziehungshilfe angeht.
1
2
3
4
PA03:
stimme sehr zu
stimme eher zu
stimme eher nicht zu
stimme gar nicht zu
Wie hat sich seit der Einführung des B-KJHG bzw. durch die Ausführungsgesetze in Ihrem Bundesland die Partizipation der betroffenen Eltern sowie der
betroffenen Kinder und Jugendlichen bei der Hilfeplanerstellung bzw. der Gefährdungsabklärung verändert?
Die Einbeziehung der betroffenen …
[nur wenn X01 < 2013]
a:
… Kinder und Jugendlichen bei der Hilfeplanerstellung
b: … Kinder und Jugendlichen bei der Gefährdungsabklärung
c:
… Eltern bei der Hilfeplanerstellung
d: … Eltern bei der Gefährdungsabklärung
1
2
3
hat sich verbessert
ist gleich geblieben
hat sich verschlechtert
163
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
PA04:
Denken Sie bitte ganz grundsätzlich an den gesamten Prozess der Gefährdungsabklärung und der Hilfeplanerstellung. Haben Sie genügend zeitlichen
Spielraum, um in dem Prozess alle Akteure zu beteiligen?
a:
bei der Erstellung des Hilfeplans
b: bei der Gefährdungsabklärung
1
2
M01:
Besteht aus Ihrer Sicht ein Bedarf an einer Weiterentwicklung bzw. Modifikation des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes?
1
2
M02:
ja
nein
ja
nein
In welchen Bereichen und an welchen Stellen wünschen Sie sich Nachbesserungen des B-KJHG? Bitte nennen Sie dabei auch Ihre konkreten Änderungswünsche und nutzen dazu das freie Feld zum Eintragen.
[nur wenn M01 = 1]
[Mehrfachantworten möglich]
a
b
c
d
e
f
g
h
i
j
k
l
m
Schutz
von
Kindern
und
Jugendlichen
vor
Gewalt,
und
zwar:
……………………….
Vier-Augen-Prinzip, und zwar:
……………………….
Mitteilungspflicht, und zwar:
……………………….
präventive Angebote für Eltern, und zwar:
……………………….
präventive Angebote für
Kinder und Jugendliche,
und zwar:
……………………….
Weiterbildung für MitarbeiterInnen der KJH, und zwar:
……………………….
Professionalisierung der Fachkräfte, und zwar:
……………………….
Datenschutz, und zwar:
……………………….
Partizipation von Kindern und Jugendlichen in Gefährdungsabklärung + Hilfeplanerstellung, und zwar:
……………………….
Partizipation von Eltern in Gefährdungsabklärung + Hilfeplanerstellung, und
zwar:
……………………….
einheitliche Standards bei der Gefährdungsabklärung + Hilfeplanerstellung, und
zwar:
……………………….
Zusammenarbeit mit externen Stellen, und zwar:
……………………….
Sonstige, und zwar:
……………………….
164
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
M03:
Wenn Sie an die gesellschaftlichen Entwicklungen denken, haben Sie Ihrer
Einschätzung nach heute häufiger (oder gleich oft/seltener) mit den unten genannten Situationen im Zusammenhang mit Kindeswohlgefährdungen zu tun
als früher?
a:
hochstrittige Scheidungen
b: psychische Erkrankungen der Eltern
c:
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
d: Gewalt an Kindern und Jugendlichen (körperlich, sexuell, psychisch)
e:
Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen
f:
Suchtproblematiken der Eltern
g: Suchtproblematiken der Kinder und Jugendlichen
h: schlechte Umgangsformen der Bürger/innen, Rechtsvertreter/innen etc.
1
2
3
M04:
häufiger
gleich oft
seltener
Welche der folgenden Situationen erleben Sie in Ihrem beruflichen Alltag in
Bezug auf die Kindeswohlgefährdung als besonders belastend?
[Mehrfachantworten möglich]
a
b
c
d
e
f
g
h
hochstrittige Scheidungen
psychische Erkrankungen der Eltern
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Gewalt an Kindern und Jugendlichen (körperlich, sexuell, psychisch)
Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen
Suchtproblematiken der Eltern
Suchtproblematiken der Kinder und Jugendlichen
schlechte Umgangsformen der BürgerInnen, RechtsvertreterInnen etc.
165
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Bitte geben Sie uns noch einige Angaben zu Ihrer Person:
S01:
Geschlecht
1
2
S02:
weiblich
männlich
Wie alt sind Sie?
……………………….
S03:
Welche Ausbildung haben Sie abgeschlossen?
1
2
3
4
S04:
Arbeiten Sie aktuell in einer leitenden Position?
1
2
S05:
Sozialarbeit (Bachelor FH)
Sozialarbeit (Master FH)
Sozialarbeit (Akademie für Sozialarbeit)
Andere, und zwar: ……………………….
ja
nein
Wie viele qualifizierte Fachkräfte (Anzahl der Kolleg/innen, unabhängig vom
Beschäftigungsausmaß –Sie mitgezählt) arbeiten in Ihrer Einrichtung in der
Kinder- und Jugendhilfe?
……………………….
S06:
In welchem Bundesland arbeiten Sie?
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Burgenland
Kärnten
Niederösterreich
Oberösterreich
Salzburg
Steiermark
Tirol
Vorarlberg
Wien
166
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
12.5 Fragebogen40: Fachkräfte
Fragebogen zur Evaluierung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes (B-KJHG)
Fragebogen für Fachkräfte (Fragebogen B)
Diese Befragung wendet sich an Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit Eltern, Kindern und/oder Jugendlichen befasst sind. In den letzten Jahren wurden Grundsätze
für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche gesetzlich neu geregelt. Das Österreichische Institut für Familienforschung (ÖIF) an der Universität Wien wurde
vom Bundesministerium für Familien und Jugend mit der Evaluierung dieser Regelungen beauftragt.
Ihre praktischen Erfahrungen in der Arbeit mit Eltern, Kindern und Jugendlichen sind für uns
wichtig, um eine Beurteilung und evtl. nötige Modifikationen der gesetzlichen Regelungen vorschlagen zu können.
Bitte verwenden Sie während der Beantwortung des Fragebogens den „Weiter“- bzw. „Zurück“-Button am unteren Rand des Bildschirms. Für Rückfragen steht Ihnen Herr Dipl.Soz.päd. Olaf Kapella unter folgender Kontaktadresse gerne zur Verfügung:
Österreichisches Institut für Familienforschung (ÖIF)
an der Universität Wien
Grillparzerstraße 7/9
A-1010 Wien
E-Mail: olaf.kapella@oif.ac.at
Tel: 01 4277 489 07
Vielen Dank für Ihre Bereitschaft zur Teilnahme!
40
Bei den Fragebögen wurde nicht das Gender/ verwendet, sondern das Binnen-I.
167
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
A01:
In welcher Einrichtung arbeiten Sie?
[Mehrfachantworten möglich]
a
b
c
d
e
f
g
h
i
A02:
Gericht, Behörde, Polizei und andere Organe der öffentlichen Aufsicht
Einrichtung zur Betreuung und Bildung von Kindern und Jugendlichen (z. B.
Kinderkrippe, Kindergarten, Hort)
Schule
außerschulische Kinder- und Jugendarbeit
psychosoziale Beratungseinrichtung (z. B. Familienberatungsstelle, Psychotherapie)
private Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtung
Gesundheitswesen (z. B. ÄrztInnen, Krankenhaus, Hebamme)
öffentlicher Kinder- und Jugendhilfeträger
Sonstiges: ……………………….
Seit wie viel Jahren sind Sie in diesem Fachbereich tätig?
……………………….
K01:
2013 wurde ein neues Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz (B-KJHG) eingeführt. Haben Sie davon schon einmal gehört?
1
2
K02:
ja
nein
Was sind für Sie die zentralen Regelungen des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2013 (B-KJHG 2013)? Denken Sie dabei bitte vor allem an jene
Regelungen, die für Ihre eigene berufliche Tätigkeit relevant sind.
[nur wenn K01 = 1]
……………………….
K03:
Ganz grundsätzlich: Was, glauben Sie, sollte das Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz regeln, das für Ihre eigene berufliche Tätigkeit relevant sein
könnte?
[nur wenn K01 = 2]
……………………….
168
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
K04:
Was hat sich seit der Einführung des neuen Bundes-Kinder- und JugendhilfeGesetzes (B-KJHG 2013) bzw. des Ausführungsgesetzes im Land aus Ihrer
Sicht, so wie Sie es bisher in Ihrem Berufsalltag erleben, verändert?
[nur wenn A02 < 2013]
a:
Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt
b: Angebot der präventiven Angebote in der Kinder- und Jugendhilfe
c:
Präzisierung der Verschwiegenheitsbestimmungen (für öffentliche Träger)
d: einheitliche Standards bei der Gefährdungsabklärung
e:
einheitliche Standards bei der Hilfeplanerstellung
f:
Professionalisierung der Fachkräfte
g: Tätigkeiten, die im Rahmen der Dokumentation anfallen
1
2
3
4
5
K05:
hat sich deutlich erhöht
hat sich etwas erhöht
ist gleich geblieben (kein Unterschied seit Gesetzeseinführung)
hat sich etwas verringert
hat sich deutlich verringert
Insgesamt betrachtet, würden Sie sagen, dass die Einführung des neuen Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes einen Einfluss darauf hat, wie Ihre alltägliche Arbeit verläuft?
[nur wenn A02 < 2013]
1
2
3
4
K06:
ja, deutlich
eher ja
eher nein
nein, gar nicht
In welcher Hinsicht hat sich Ihre tägliche Arbeit durch die Einführung des
neuen Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes verändert?
[nur wenn K05 = 1 oder K05 = 2]
……………………….
M01:
Sind Sie grundsätzlich gesetzlich dazu verpflichtet, der Kinder- und Jugendhilfe eine Kindeswohlgefährdung, die Sie bei Ihrer beruflichen Tätigkeit erkennen bzw. vermuten, mitzuteilen?
1
2
3
4
Ja, ich bin grundsätzlich dazu gesetzlich verpflichtet.
Nur, wenn ich durch mein professionelles Handeln diese Gefährdung selbst
nicht abwenden kann.
Nein, ich bin dazu nicht gesetzlich verpflichtet.
Ich weiß es nicht genau.
169
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
M02;
Welche konkreten Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls sind
für Sie ausschlaggebend, um über eine Mitteilung einer Gefährdung an die
Kinder- und Jugendhilfe nachzudenken? Nennen Sie bitte zentrale Anhaltspunkte, die bisher die Grundlage für Ihre Überlegungen in der Praxis waren.
……………………….
M03:
Wie oft haben Sie in den letzten 12 Monaten über eine Mitteilung bei Verdacht
auf Kindeswohlgefährdung an die Kinder- und Jugendhilfe nachgedacht?
………………………. Mal
M04:
Wie treffen Sie eine Entscheidung über eine Mitteilung bei Verdacht der Kindeswohlgefährdung an die Kinder- und Jugendhilfe? Treffen Sie diese Entscheidung alleine oder in Absprache mit Kollegen/innen?
Ich treffe die Entscheidung …
a:
… alleine.
b: … nach Absprache mit Kollegen/innen in meiner Einrichtung.
c:
… nach Absprache und mit Unterschrift der Leitung der Einrichtung.
d: … nach Absprache mit anderen Fachleuten.
e:
… nach Absprache mit Mitarbeiter/innen der Kinder- und Jugendhilfe.
1
2
3
4
M05:
immer
meistens
selten
nie
Wenn Sie sich mit anderen Fachleuten absprechen, ob eine Mitteilung erfolgen soll, um welche Fachleute handelt es sich in der Regel?
……………………….
M06:
Gibt es in Ihrer Einrichtung schriftliche Standards (Leitfaden, Dokumentvorlagen, Handbuch) dazu, wann und wie eine Mitteilung bei Verdacht der Kindeswohlgefährdung an die Kinder- und Jugendhilfe erfolgen sollte?
1
2
3
M07:
Wenn Sie eine Mitteilung auf Verdacht einer Kindeswohlgefährdung an die
Kinder- und Jugendhilfe weiterleiten, in welcher Form erfolgt diese in der Regel?
1
2
3
4
5
M08:
ja
nein
weiß nicht
schriftlich mittels Formular bzw. eines Vordruckes
schriftlich, aber formlos
mündlich per Telefon
mündlich im Rahmen eines persönlichen Gesprächs
anders: ……………………….
Wenn Sie an die bisher weitergeleiteten Mitteilungen an die Kinder- und Jugendhilfe denken, wie häufig erfolgte diese Mitteilung mit dem Einverständnis
des Klienten/der Klientin?
170
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
1
2
3
4
M09:
immer
meistens
selten
nie
Wenn Sie eine Mitteilung machen, wie häufig umfasst diese die folgenden Inhalte?
a:
Name des Kindes bzw. Jugendlichen
b: Geburtsdatum des Kindes bzw. Jugendlichen
c:
Adresse des Kindes bzw. Jugendlichen
d: kurze Beschreibung der Umstände, die zur Mitteilung geführt haben
e:
ausführliche Beschreibung der Umstände, die zur Mitteilung geführt haben
f:
Begründung für den Gefährdungsverdacht
g: meinen Namen als mitteilende Person
h: meine Kontaktdaten als mitteilende Person
i:
Name der Einrichtung, für die ich arbeite
j:
Stellungnahmen bzw. Untersuchungsergebnisse anderer Personen (z. B.
Ärzte)
k:
anderes …………………………
1
2
3
4
immer
meistens
selten
nie
M09and: Welche anderen Inhalte sind das?
[nur wenn M09k = 1 oder M09k = 2 oder M09k = 3]
……………………….
M10:
Ist aus Ihrer Sicht die Mitteilungspflicht, die Sie der Kinder- und Jugendhilfe
gegenüber haben, durch andere berufsrechtliche Verschwiegenheitspflichten
oder Amtsverschwiegenheit eingeschränkt?
1
2
3
M11:
Wie häufig machen Sie in Ihrer beruflichen Praxis eine Gefährdungsmitteilung
an die Kinder- und Jugendhilfe?
1
2
3
4
M12:
Ja, ist durch berufsrechtliche Verschwiegenheitspflichten bzw. Amtsverschwiegenheit eingeschränkt.
Nein, ist nicht durch andere Regelungen eingeschränkt.
Weiß ich nicht.
häufig
manchmal
selten
nie
Wie oft haben Sie in den letzten 12 Monaten eine Mitteilung bei Verdacht auf
Kindeswohlgefährdung an die Kinder- und Jugendhilfe gemacht?
171
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
[nur wenn M11 = 1 oder M11 = 2 oder M11 = 3]
……………………….
M13:
Aufgrund welcher konkreten Gefährdungen haben Sie in den letzten 12 Monaten eine Mitteilung an die Kinder- und Jugendhilfe gemacht?
[nur wenn M12 > 0]
[Mehrfachantworten möglich]
a
b
c
d
e
f
g
h
i
j
M14:
körperliche Misshandlung
Vernachlässigung
psychische Misshandlung
sexueller Missbrauch
Suchtabhängigkeit eines Elternteils
schwere psychische Erkrankung eines Elternteils
Gewalt zwischen den Eltern
Suchtabhängigkeit des Kindes bzw. Jugendlichen
Belastung der Kinder durch Loyalitätskonflikte
anderes: ……………………….
Erhalten Sie nach einer Gefährdungsmitteilung an die Kinder- und Jugendhilfe
eine Rückmeldung, dass die Mitteilung eingegangen ist?
[nur wenn M12 > 0]
1
2
3
4
M15:
immer
meistens
selten
nie
Wie schnell erhalten Sie in der Regel eine Rückmeldung durch die Kinder- und
Jugendhilfe, dass Ihre Gefährdungsmitteilung eingegangen ist?
[nur wenn M14 = 1 oder M14 = 2 oder M14 = 3]
1
2
3
4
M16:
Wie zufrieden sind Sie grundsätzlich mit der Kooperation bei Gefährdungsmitteilungen mit der Kinder- und Jugendhilfe? Bewerten Sie Ihre Zufriedenheit
auf einer Skala von 1 bis 5, wobei 1 sehr zufrieden und 5 gar nicht zufrieden
bedeutet.
1
2
3
4
5
M17:
innerhalb desselben Tages
innerhalb einiger Tage
innerhalb einer Woche
später als innerhalb einer Woche
sehr zufrieden
gar nicht zufrieden
Welche Informationen möchten Sie von der Kinder- und Jugendhilfe nach einer Gefährdungsmitteilung erhalten?
[Mehrfachantworten möglich]
172
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
a
b
c
M18:
ob mit der Gefährdungsabklärung begonnen wurde
ob die Gefährdungsabklärung abgeschlossen wurde
das Ergebnis der Gefährdungsabklärung
Mit der Neuordnung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes kam es zu
einer Präzisierung der Mitteilungspflicht gegenüber der Kinder- und Jugendhilfe. Wie hat sich Ihrer Ansicht nach die Situation für die unterschiedlichen
Gruppen verändert?
Mit der Präzisierung der Mitteilungsplicht hat sich die Situation …
a:
… für die betroffenen Kinder bzw. Jugendlichen
b: … für diejenigen, die mitteilungspflichtig sind
c:
… für diejenigen, die die Mitteilung erhalten (Kinder- und Jugendhilfe)
1
2
3
4
5
6
M19:
deutlich verbessert
etwas verbessert
nicht verändert
etwas verschlechtert
deutlich verschlechtert
kann ich nicht beurteilen
In Bezug auf eine mögliche Einschränkung der Mitteilungspflicht, die Sie der
Kinder- und Jugendhilfe gegenüber haben, wie sehr stimmen Sie den folgenden Aussagen zu?
a:
Bei Verdacht einer Kindeswohlgefährdung ist der Schutz des Kindes
wichtiger als die Verschwiegenheitspflicht und das vertragsrechtliche
Vertrauensverhältnis.
b: Die Mitteilungspflicht gegenüber der Kinder- und Jugendhilfe sollte durch
andere berufliche Verschwiegenheitspflichten eingeschränkt sein.
1
2
3
4
stimme sehr zu
stimme eher zu
stimme eher nicht zu
stimme gar nicht zu
173
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
E01:
Wie beurteilen Sie für Ihre Region die aktuell verfügbaren Angebote der sozialen Dienste in der Prävention von Erziehungsproblemen? Und wie war das
vor der Einführung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes bzw. der
Ausführungsgesetze der Länder?
Bitte beurteilen Sie in jeder Zeile zuerst die aktuelle Situation und dann, wie
dies aus Ihrer Sicht vor Einführung des B-KJHG war.
Aktuell:
a1: Verfügbarkeit der Angebote für Kinder und Jugendliche (Quantität)
b1: Inhalte der Angebote für Kinder und Jugendliche (Treffsicherheit/Qualität)
c1: Verfügbarkeit der Angebote für Eltern (Quantität)
d1: Inhalte der Angebote für Eltern (Treffsicherheit/Qualität)
1
2
3
4
sehr gut
eher gut
eher schlecht
sehr schlecht
Vor Einführung des B-KJHG (Mai 2013)
a2: Verfügbarkeit der Angebote für Kinder und Jugendliche (Quantität)
b2: Inhalte der Angebote für Kinder und Jugendliche (Treffsicherheit/Qualität)
c2: Verfügbarkeit der Angebote für Eltern (Quantität)
d2: Inhalte der Angebote für Eltern (Treffsicherheit/Qualität)
1
2
3
4
5
E02:
sehr gut
eher gut
eher schlecht
sehr schlecht
war nicht in diesem Bereich tätig
Haben sich, Ihrer Einschätzung nach, diese präventiven Angebote sozialer
Dienste in Zahl und Qualität seit der Einführung des B-KJHG bzw. der Ausführungsgesetze der Länder verändert?
[nur wenn A02 < 2013]
a:
Anzahl der Angebote für Kinder und Jugendliche
b: Qualität der Angebote für Kinder und Jugendliche (Treffsicherheit)
c:
Anzahl der Angebote für Eltern
d: Qualität der Angebote für Eltern (Treffsicherheit)
1
2
3
hat zugenommen
ist gleich geblieben
hat abgenommen
174
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
E03:
Wie beurteilen Sie für Ihren Arbeitsalltag die Kooperation mit anderen, externen Systemen im Kontext des Kinderschutzes? Zusammenarbeit mit Personen und Einrichtungen im Bereich …
a:
öffentliche Kinder- und Jugendhilfe
b: Gerichte, Behörden, Polizei und andere Organe der öffentlichen Aufsicht
c:
Einrichtungen zur Betreuung und Bildung von Kindern und Jugendlichen
(z. B. Kinderkrippe, Kindergarten, Hort)
d: Schulen
e:
außerschulische Kinder- und Jugendarbeit
f:
psychosoziale Beratungseinrichtungen (z. B. Familienberatungsstelle,
Psychotherapie)
g: private Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtungen
h: Gesundheitswesen (z. B. ÄrztInnen, Krankenhaus, Hebamme)
i:
private Personen (z. B. Familienangehörige, Nachbarn)
j:
Pflegepersonen
1
2
3
4
5
E04:
sehr gut
eher gut
eher schlecht
sehr schlecht
trifft nicht zu/arbeite in diesem Bereich
Wie hat sich die Qualität der Zusammenarbeit seit Einführung des neuen BKJHG bzw. des Ausführungsgesetzes im Land verändert? Die Zusammenarbeit mit Personen und Einrichtungen im Bereich …
[nur wenn A02 < 2013]
a:
öffentliche Kinder- und Jugendhilfe
b: Gerichte, Behörden, Polizei und andere Organe der öffentlichen Aufsicht
c:
Einrichtungen zur Betreuung und Bildung von Kindern und Jugendlichen
(z.B. Kinderkrippe, Kindergarten, Hort)
d: Schulen
e:
außerschulische Kinder- und Jugendarbeit
f:
psychosoziale Beratungseinrichtungen (z. B. Familienberatungsstelle,
Psychotherapie)
g: private Kinder- und Jugendhilfe-Einrichtungen
h: Gesundheitswesen (z. B. ÄrztInnen, Krankenhaus, Hebamme)
i:
private Personen (z. B. Familienangehörige, Nachbarn)
j:
Pflegepersonen
1
2
3
4
5
6
hat sich deutlich verbessert
hat sich etwas verbessert
ist gleich geblieben (kein Unterschied seit Gesetzeseinführung)
hat sich etwas verschlechtert
hat sich deutlich verschlechtert
trifft nicht zu/arbeite in diesem Bereich
175
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
E05:
Inwieweit sehen Sie es als Ihren Auftrag, darauf hinzuwirken, dass gefährdete
Eltern und Kinder bzw. Jugendliche Hilfsangebote in Anspruch nehmen?
1
2
3
4
P01:
Haben Sie in den letzten 12 Monaten an Fach- oder Weiterbildungen teilgenommen?
1
2
P02:
Ich fühle mich sehr verantwortlich.
Ich fühle mich eher verantwortlich.
Ich fühle mich eher nicht verantwortlich.
Ich fühle mich gar nicht verantwortlich.
ja
nein
Wurde bei diesen Fort- und Weiterbildungen speziell das Thema Kindeswohlgefährdung angesprochen?
[nur wenn P01 = 1]
1
2
P03:
ja
nein
An wie vielen Supervisionen haben Sie in den letzten 12 Monaten teilgenommen? (Bitte Blöcke, nicht Einheiten zählen)
……………………….
P04:
Wie oft ist speziell die Kindeswohlgefährdung Thema bei diesen Supervisionen?
[nur wenn P03 > 0]
1
2
3
4
V01:
immer
meistens
selten
nie
Ganz grundsätzlich: Gibt es konkrete Wünsche bzw. Verbesserungsvorschläge, um Ihren beruflichen Alltag in Bezug auf die Gefährdung von Kindern
und Jugendlichen zu erleichtern?
……………………….
V02:
Besteht aus Ihrer Sicht ein Bedarf an einer Weiterentwicklung bzw. Modifikation des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes?
1
2
ja
nein
176
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
V03:
In welchen Bereichen und an welchen Stellen wünschen Sie sich Nachbesserungen des B-KJHG? Bitte nennen Sie dabei auch Ihre konkreten Änderungswünsche und nutzen dazu das freie Feld zum Eintragen.
[nur wenn V02 = 1]
[Mehrfachantworten möglich]
a
b
c
d
e
f
g
h
i
j
k
l
m
V04:
Schutz
von
Kindern
und
Jugendlichen
vor
Gewalt,
und
zwar:
……………………….
Vier-Augen-Prinzip, und zwar:
……………………….
Mitteilungspflicht, und zwar:
……………………….
präventive Angebote für Eltern, und zwar:
……………………….
präventive Angebote für
Kinder und Jugendliche,
und zwar:
……………………….
Weiterbildung für MitarbeiterInnen der KJH, und zwar:
……………………….
Professionalisierung der Fachkräfte, und zwar:
……………………….
Datenschutz, und zwar:
……………………….
Partizipation von Kindern und Jugendlichen in Gefährdungsabklärung + Hilfeplanerstellung, und zwar:
……………………….
Partizipation von Eltern in Gefährdungsabklärung + Hilfeplanerstellung, und
zwar:
……………………….
einheitliche Standards bei der Gefährdungsabklärung + Hilfeplanerstellung, und
zwar:
……………………….
Zusammenarbeit mit externen Stellen, und zwar:
……………………….
Sonstige, und zwar:
……………………….
Wenn Sie an die gesellschaftlichen Entwicklungen denken, haben Sie Ihrer
Einschätzung nach heute häufiger (oder gleich oft/seltener) mit den unten genannten Situationen im Zusammenhang mit Kindeswohlgefährdungen zu tun
als früher?
a:
hochstrittige Scheidungen
b: psychische Erkrankungen der Eltern
c:
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
d: Gewalt an Kindern und Jugendlichen (körperlich, sexuell, psychisch)
e:
Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen
f:
Suchtproblematiken der Eltern
g: Suchtproblematiken der Kinder und Jugendlichen
h: schlechte Umgangsformen der Bürger/innen, Rechtsvertreter/innen, etc.
1
2
3
häufiger
gleich oft
seltener
177
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
V05:
Welche der folgenden Situationen erleben Sie in ihrem beruflichen Alltag in
Bezug auf die Kindeswohlgefährdung als besonders belastend?
[Mehrfachantworten möglich]
a
b
c
d
e
f
g
h
hochstrittige Scheidungen
psychische Erkrankungen der Eltern
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
Gewalt an Kindern und Jugendlichen (körperlich, sexuell, psychisch)
Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen
Suchtproblematiken der Eltern
Suchtproblematiken der Kinder und Jugendlichen
schlechte Umgangsformen der Bürger/innen, Rechtsvertreter/innen etc.
Bitte geben Sie uns noch einige Angaben zu Ihrer Person:
S01:
Geschlecht
1
2
S02:
weiblich
männlich
Wie alt sind Sie?
……………………….
S03:
Was ist Ihre höchste abgeschlossene Schulbildung?
1
2
3
4
5
S04:
Pflichtschule ohne weitere Ausbildung
Pflichtschule mit Lehre
Fachschule (Handelsschule etc.)
AHS, BHS (mit Matura)
abgeschlossenes Studium
Welche fachliche Berufsausbildung haben Sie?
……………………….
S05:
Was ist Ihr fachlicher Arbeitsbereich?
1
2
3
4
5
6
7
8
9
S06:
Medizin
Psychologie & Psychotherapie
Pflege
Sozialarbeit
Elementarpädagogik
Pädagogik (z. B. Lehrer/in)
Rechtswissenschaften
Verwaltung
Sonstiges ……………………….
Arbeiten Sie aktuell in einer leitenden Position?
1
2
ja
nein
178
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
S07:
In welchem Bundesland arbeiten Sie?
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Burgenland
Kärnten
Niederösterreich
Oberösterreich
Salzburg
Steiermark
Tirol
Vorarlberg
Wien
179
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Teil B: Qualitative Interviews mit der strategischen
Ebene der Bundesländer
Parallel zur quantitativen Erhebung wurden im Winter 2016/2017 qualitative Interviews mit
Personen geführt, welche in den Bundesländern auf Leitungsebene der Kinder- und Jugendhilfe-Abteilung in den Ämtern der jeweiligen Landesregierung bzw. des Magistrats tätig sind,
und zwar entweder im juristischen oder sozialarbeiterischen Bereich. Hier stand das subjektive
Erleben der Expert/innen im Vordergrund, die am Prozess der Umsetzung des Bundes- in das
jeweilige Landesgesetz beteiligt waren. Zur Teilnahme eingeladen wurden per E-Mail und Aussendung eines Informationsblattes die jeweiligen Expert/innen aller neun Bundesländer. Teilgenommen haben schließlich sieben Personen aus den folgenden Bundesländern: Burgenland, Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg, Vorarlberg, Wien.
Die leitfadengestützten Interviews fanden in Form einer Fokusgruppe (mit drei Personen), zwei
Einzelinterviews und eines Doppelinterviews per Telefon statt. Die Gespräche wurden nach
Zustimmung der Interviewpartner/innen digital aufgezeichnet und nachfolgend wörtlich
transkribiert. Um die Anonymität der Teilnehmenden zu wahren, die sich in einem geschützten
Rahmen mit ihren Einschätzungen frei äußern sollten, sind die unten verwendeten Zitate den
Bundesländern größtenteils nicht zuordenbar. Sie wurden nur in Fällen genannt, wo die Interviewpartner/innen Faktenwissen wiedergegeben haben, welches das Bundesland betrifft, und
keine persönliche Wertung enthalten ist.
Tabelle 1: Überblick über die Interviews
Interviewnummer
Bundesland
Interview
Int. 01
Burgenland
Fokusgruppe
Int. 01
Niederösterreich
Fokusgruppe
Int. 01
Wien
Fokusgruppe
Int. 02
Salzburg
Telefoninterview (Einzel-)
Int. 03
Oberösterreich
Telefoninterview (Einzel-)
Int. 04
Vorarlberg
Telefoninterview (Doppel-)
Int. 04
Vorarlberg
Telefoninterview (Doppel-)
Folgende Fragestellungen standen im Zentrum und haben den Leitfaden strukturiert:
Wie haben die Expert/innen die Einführung des B-KJHG 2013 und die Umsetzung in
das Landesausführungsgesetz erlebt?
Was ist gut gelungen, wo gab es Hürden?
Inwieweit ist es gelungen, die im Gesetz formulierten Ziele und Prinzipien umzusetzen?
Was sind erste Erfahrungen aus der Praxis?
Gibt es in der Kinder- und Jugendhilfe Themenbereiche oder (neue) Herausforderungen, die zukünftig zu berücksichtigen sind (z. B. in Novellierungen)?
180
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Der Leitfaden strukturierte das Gespräch, ließ aber gleichzeitig Raum für die Exploration und
Vertiefung jener Themen, die den Interviewpartner/innen wichtig waren, aber im quantitativen
Studienteil eventuell noch gar nicht enthalten beziehungsweise weniger differenziert abgebildet sind. Solch ein Thema war beispielsweise das der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge (UMF). Die Expert/innen verschiedener Länder kamen hierauf zu sprechen, als sie gefragt wurden, ob es ihrer Ansicht nach aktuell drängende Problemlagen gebe, die im B-KJHG
(noch) nicht hinreichend berücksichtigt seien.
Die Auswertung der Interviews wurde als themenbasierte Inhaltsanalyse vorgenommen. Darunter ist zu verstehen, dass die transkribierten Interviews auf die in den studienrelevanten
Fragestellungen enthaltenen Themen sowie weiteren dominanten Themen durchsucht wurden
und miteinander verglichen wurden, sodass Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Erfahrungen abgebildet werden können.
1 Vom Entwurf des Grundsatzgesetzes bis zum
Landesausführungsgesetz
Zu Beginn der Interviews wurden die Expert/innen gebeten zu beleuchten, wie sie den Prozess
von der Entstehung und Einführung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2013 (BKJHG 2013) bis hin zur Übertragung in die Länderausführungsgesetze insgesamt erlebt haben. Wir wollten wissen, was aus ihrer Sicht gut oder weniger gut verlief, wo es möglicherweise
Hürden oder Diskussionspunkte gab.
1.1 „Also das war schon sehr breit und sehr partizipativ angelegt.“
Eine Aussage, die sich in den verschiedenen Interviews immer wieder findet, ist die positive
Wahrnehmung, dass der gesamte Prozess in einem von Partizipation geprägten Rahmen
stattgefunden habe. Ein Experte sagte, er möchte dies dem B-KJHG „wirklich bescheinigen“,
und betont die gute Vorbereitung. Auch ein anderer bewertet die vier Jahre andauernde gemeinsame Vorbereitung auf die Einführung des neuen Bundesgesetzes positiv, denn so habe
es schließlich „wenige Überraschungen“ gegeben und man habe „im Wesentlichen gewusst,
wo es hingeht“. Schließlich habe das dazu beigetragen, dass bereits während der Phase, da
das B-KJHG das Parlament passieren musste, in den Ländern mit den Vorarbeiten für die
Ausführungsgesetze begonnen wurde.
Ja, also das kann man schon auch wirklich dem Bundesgesetz bescheinigen, nach allem, was
ich auch erzählt bekommen habe und so an den Unterlagen vorfinde: Also das war schon sehr
breit und sehr partizipativ angelegt. Also es war dann auch bei den Ländern nicht so, dass man
wirklich Dissens in der Facharbeitsgruppe hatte. Also ich denke, das ist wirklich sehr gut vorbereitet worden.
Dadurch, dass dieses B-KJHG über vier Jahre im Vorfeld gut miteinander besprochen worden
ist, gab es wenig Überraschungen. Der Ausschuss selbst im Parlament hat also keine nennenswerten Änderungen durchgesetzt oder eingebracht.
181
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
1.2 Konsultationsmechanismus wegen hoher Kosten
Dabei hat es bei manchen Ländern durchaus Vorbehalte gegeben, die aufgrund der zu erwartenden höheren Kosten für die Länder den Konsultationsmechanismus ausgelöst hatten. Es
habe so um das Jahr 2011 „eigentlich eine Phase gegeben, wo das B-KJHG gerade ein bisschen auf Eis lag“, berichtet ein Experte. Der Entwurf sei damals zwei Jahre blockiert worden,
„eben aufgrund der Kosten, die durch das Vier-Augen-Prinzip anfallen“. Der Entwurf wurde
daraufhin angepasst und es wurde weiterverhandelt. In der Phase der Vorbereitung des BKJHG wurde den finanziellen Bedenken der Länder insoweit Rechnung getragen, als der Bund
sich an den durch das Gesetz verursachten Mehrkosten beteiligte. In den Jahren 2013 und
2014 erhielten jene Bundesländer einen Zuschuss, deren Landesgesetz zu diesem Zeitpunkt
schon in Kraft getreten war. Ein Interviewpartner erläutert dieses Vorgehen auch unter dem
Aspekt, dass den Ländern mit diesem „Geldzuckerl“ zudem ein Anreiz gegeben wurde, möglichst rasch zu handeln:
Die Umsetzung im Landtag musste auch wegen dieses Geldzuckerls auch noch vor Jahresende
erfolgen. Das haben auch die meisten geschafft. Und das ist natürlich für Stabstellen ein
Wunsch, dass das auch lukriert wird, das Geld, wenn es irgendwo am Tisch liegt. (…) Das
Geldzuckerl ist eine Bestimmung im B-KJHG, dass für die Aufwendungen für die Umstellung
des Personals etc. für die Jahre 2013 und 2014 ein jeweils nach dem Bevölkerungsschlüssel
errechneter Anteil (…)41 ausgeschüttet wird vom Familienministerium. Und wenn dann das Landesgesetz noch vor Ende des Jahres 2013 in Kraft treten konnte, dann gab es für zwei Jahre
diesen Zuschuss.
1.3 „Wir haben jetzt wieder ein sehr klares gemeinsames Bild.“
Ein weiterer Aspekt, der in verschiedenen Zusammenhängen zur Sprache kommt, ist die Überzeugung, dass die intensive Auseinandersetzung mit dem neuen Gesetz zur Bewusstseinsbildung beigetragen hat, und zwar auf verschiedenen Ebenen und zu verschiedenen Zeitpunkten: bereits in der Zusammenarbeit von Bundes- und Landesebene beim ersten Gesetzesentwurf, aber auch später in der Ausarbeitung auf Landesebene.
Das gemeinsame Anliegen, ein solides neues Kinder- und Jugendhilfegesetz hervorzubringen,
habe schon die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern positiv beeinflusst. Hier
wurde positiv gewertet, dass das „Ministerium sehr bemüht (sei), eine moderne Kinder- und
Jugendhilfe zu ermöglichen“. Auch hieß es: „Die denken mit, die leben mit. Das ist ein gelebtes
Miteinander in den jeweiligen Arbeitsgremien der Länder, des Bundes und so weiter.“ (Int. 01:
15).
Dieses „Miteinander“ zeigte oder etablierte sich auch auf Landesebene, so die Wahrnehmung der interviewten Expert/innen. Dabei gab es zeitliche Unterschiede zwischen den Ländern, wie lange nämlich die Etablierung der gemeinsamen Linie dauerte. Dies hatte damit zu
tun, welchen Anspruch es gab, über Grundsätzliches zu diskutieren. In Vorarlberg und Salz-
41
Im Interview wurde eine ungefähre Geldsumme genannt; in der RIS-Datenbank findet sich diese Konkretisierung:
„Der Bund beteiligt sich an den durch das gegenständliche Gesetz verursachten Mehrkosten in den Jahren 2013
bis 2014 mit Zuschüssen an die Länder in der Höhe von € 3,9 Mio jährlich, somit insgesamt € 7,8 Mio.“Zeile? Vgl.:
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/RegV/REGV_COO_2026_100_2_845344/COO_2026_100_2_848403.html
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
burg etwa nahm man das B-KJHG zum Anlass, die eigenen Grundsätze noch einmal zu formulieren und festzuhalten, während andere Bundesländer die Vorgaben des B-KJHG im Großen und Ganzen übernahmen. Der Interviewpartner aus Salzburg berichtet, dass man sich
vorgenommen hatte, eine „allgemeine Standortbestimmung auf Landesebene zu machen“.
Der damit verbundene finanzielle Mehraufwand (v. a. als Leistungen für junge Erwachsene)
musste vor den finanziell Verantwortlichen gerechtfertigt werden, und das brauchte Zeit:
Was eigentlich so das große Thema bei uns in Salzburg war, das war eben zu sagen, wir wollen
die Umsetzung des Bundesgrundsatzgesetzes auch nutzen, um so was wie eine allgemeine
Standortbestimmung auf Landesebene zu machen. (…) Bei uns hat es ja relativ lange gedauert,
also unser Ausführungsgesetz ist erst im Mai 2015 in Kraft getreten. Und der Hintergrund war
einfach, dass wir eine sehr breite Diskussion auf Landesebene im Vorfeld geführt haben. (…)
Und das traf uns sozusagen genau in der Phase, wo ja auch in Salzburg dieser berühmte Finanzskandal so kurz hinter uns gelegen ist. Also wo massives Sparen sozusagen die Generallinie war. Und das dann zu verknüpfen, also einerseits strikteste Sparvorgaben, andererseits zu
sagen, wir wollen aber ein neues Gesetz mit Verbesserungen, wo auch das ein oder andere an
Mehrkosten drinnen stecken wird, das war dann auch auf der politischen Ebene sehr schwer
durchzubekommen.
Insofern habe diese Diskussion dazu beigetragen, dass man jetzt „wieder sehr klares gemeinsames Bild davon (habe), wer wir sind, was unsere Aufgaben sind und wo es eigentlich hingehen soll“:
Die Arbeit als solche war eigentlich sehr erfreulich. Also es waren sehr gute, konstruktive Diskussionen, und es hat uns eher geholfen, dass wir jetzt wieder besser alle gemeinsam so an
einem Strang ziehen. Also wir konnten uns hinter dem neuen Gesetz gut vereinigen und haben
jetzt wieder ein sehr klares gemeinsames Bild davon, wer wir sind, was unsere Aufgaben sind
und wo es eigentlich hingehen soll.
Auch in Vorarlberg hat das Bundesgesetz eine lange, aber fruchtbringende Diskussion auf
Landesebene hervorgerufen, wie die dort ansässigen Interviewpartner/innen berichten. Man
habe „sehr lange“ die „Ziele und Grundsätze vom neuen Landesgesetz ausgearbeitet und
lange überlegt, wie man das formuliert“. Dieser Dialog findet in Vorarlberg traditionellerweise
mit den privaten Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe statt, an die die Umsetzung der
Hilfen übertragen wurde. Zudem gibt es die Besonderheit, dass eine Kernleistungsverordnung
existiert, eine öffentlich zugängliche Verordnung, welche die Kernleistungen der Kinder- und
Jugendhilfe, Gefährdungsabklärung, Hilfeplanung und Fallsteuerung beschreibt und damit das
Landesgesetz konkretisiert (wobei das Gesetz über der Verordnung steht). Diese gemeinsam
mit Vertreter/innen der privaten Kinder- und Jugendhilfe zu adaptieren, sei zwar ein „anstrengender, aber schlussendlich erfolgreicher Prozess“ gewesen. In einem „sehr guten Dialog“
wurden die „ganzen fachlichen Standards noch einmal überarbeitet, die Kooperationsstrukturen gemeinsam überarbeitet“, was Hilfeplanung, Fallsteuerung und Rolle sowie Aufgaben der
einzelnen Agierenden angeht; und es wurde der „neue Geist vom Gesetz gemeinsam umgesetzt“:
Also ich denke, es ist eine gute Basis, das Gesetz und unsere Kernleistungsverordnung. Und
es war jetzt auch zwar ein anstrengender, aber schlussendlich Gott sei Dank erfolgreicher Prozess, gemeinsam mit der privaten Kinder- und Jugendhilfe auch diese Kernleistungsverordnung
noch einmal zu adaptieren.
Wir haben einen sehr guten Dialog zwischen der privaten und der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe und haben auch gemeinsam – also sind auch dran, dieses neue Gesetz und die neue
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Haltung und den neuen Geist vom Gesetz gemeinsam umzusetzen. Das war eine große Herausforderung in den letzten Jahren. Aber ich denke, da sind wir inzwischen auf einem sehr
guten Weg.
Aber nicht nur dort, wo über Grundsätzliches neu nachgedacht und diskutiert wurde, verfestigt
sich das gemeinsame Verständnis zu den Inhalten und Zielen der Kinder- und Jugendhilfe.
Schon das Einarbeiten der neuen Formulierungen in die Dokumentenvorlagen, Handreichungen etc. habe dazu beigetragen, dass man sich der Grundsätze noch einmal bewusst werde,
ihre Quintessenz unter die Lupe nehme und die Ausführungsbestimmungen praktisch umsetze. Man habe „einfach die Dokumentenvorlagen noch mal durchgeackert“ und sie entsprechend angepasst, um auch für die praktisch Agierenden die neuen Denkstrukturen sichtbar zu
machen:
Wie können wir auch unsere Dokumentation dem anpassen? Das war ein ganz, ganz großer
Punkt. Wo wir einfach unsere Dokumentationsunterlagen noch mal durchgeackert haben. Und
damit können wir das, was uns jetzt an Inhalten in dem neuen Kinder- und Jugendhilfegesetz
von zentraler Bedeutung ist, auch in unserer Dokumentation so abbilden, also es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leichter machen, das auch zu denken, auch in diese neuen Denkstrukturen einzutauchen und auch eine Anleitung in der Dokumentation zu haben.
Auch wo der Standard des verpflichtenden Vier-Augen-Prinzips schon länger gilt, habe die
Umsetzung des B-KJHG dazu beigetragen, dass man sich noch mal genauer damit auseinandergesetzt und diskutiert hat, was schließlich doch noch einmal zu einer „Weiterentwicklung
dieser bestehenden Standards“ beigetragen hätte; insoweit habe das neue Gesetz hier einen
wertvollen Impuls gegeben:
Was wir (…) schon gehabt haben im Anschluss an die Verabschiedung des Gesetzes war, dass
wir drüber diskutiert haben (…). Das heißt, diese fachlich-inhaltliche Auseinandersetzung mit
dem Vier-Augen-Prinzip auch anhand unserer schon sehr lange geltenden Standards hat das
neue Gesetz schon auch mit sich gebracht und war in der Fachentwicklung und der Weiterentwicklung dieser bestehenden Standards für die Soziale Arbeit schon von zentraler Bedeutung.
Also das eine ist, dass genau diese Ausführungsbestimmungen (…) einfach noch mal in allen
Teilbereichen der kritischen Prüfung zu unterziehen waren. Von ganz banalen Dingen angefangen, dass wir Jugendwohlfahrtsgesetz durch Kinder- und Jugendhilfegesetz ersetzen, zum Beispiel bis hin zu: Was ist tatsächlich die Quintessenz der neuen Inhalte?
2 Einführung
Prinzips
und
Umsetzung
des
Vier-Augen-
Ein sehr dominantes Thema in den Interviews zeigt dessen Prävalenz auch im Entstehungsprozess des B-KJHG und seiner Länderausführungen: die Frage nach der verpflichtenden
Einführung des Vier-Augen-Prinzips sowohl in der Gefährdungsabklärung als auch in der Hilfeplanerstellung. In die endgültige Fassung des B-KJHG hat schließlich das Wort „erforderlichenfalls“ Einzug gefunden. Im 3. Abschnitt ist nun zu lesen:
§ 22 (5) Die Gefährdungseinschätzung ist erforderlichenfalls im Zusammenwirken von
zumindest zwei Fachkräften zu treffen.
184
ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
§ 23 (3) Die Entscheidung über die im Einzelfall erforderliche Erziehungshilfe oder deren Änderung ist erforderlichenfalls im Zusammenwirken von zumindest zwei Fachkräften zu treffen.42
Es blieb den Ländern überlassen, ob sie in ihren Ausführungsgesetzen diese Formulierung
des „erforderlichenfalls“ übernahmen oder dem Vier-Augen-Prinzip einen generell verpflichtenden Charakter gaben. Insgesamt haben drei Bundesländer, namentlich Wien, Salzburg und Kärnten, die Formulierung „erforderlichenfalls“ für beide Bereiche (Gefährdungsabklärung und Hilfeplan) gestrichen, drei weitere Bundesländer (NÖ, Stmk, Vbg) nur für die Gefährdungsabklärung.
2.1 Diskussionen auf Bundes- und Landesebene
Für die ersten Entwürfe wurde von den Fachleuten der Arbeitsgemeinschaft auf Bundesebene
vorgeschlagen, dass das Vier-Augen-Prinzip generell verpflichtend anzuwenden sei, und zwar
sowohl in der Gefährdungsabklärung als auch in der Hilfeplanerstellung. Aufgrund einer dafür
notwendigen Personalaufstockung und der damit verbundenen Kosten wurde diese Forderung
jedoch wieder gestrichen, nachdem einige Bundesländer diese Regelung blockiert haben:
Die Diskussion hat in der ARGE begonnen unter Fachleuten, da war die Forderung in den ersten
Entwürfen: Vier-Augen-Prinzip bei jeder Gefährdungsabschätzung und auch bei Hilfeplan. Also
da jedenfalls. Nicht nur bei den komplizierten Fällen oder irgendwie, wenn man MEINT, es ist
erforderlich, sondern immer! Und das ist dann so was gewesen, was rausgestrichen worden ist.
Aus Personalgründen. Weil das erfordert natürlich – manche Bundesländer haben das in Form
von Standards schon, das Vier-Augen-Prinzip schon eingeführt und entsprechend schon für
Aufstockung des Personals gesorgt. Also daher waren wir auch ein Bundesland, das das lang
blockiert hat, dass das Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz kommt. Aus Kostengründen.
Wie die Interviewpartnerin im obigen Zitat schon anspricht, fand die Diskussion über ein rechtlich verpflichtendes Vier-Augen-Prinzip vor dem Hintergrund statt, dass die Länder unterschiedlich darauf vorbereitet waren. Manche (wenn auch die wenigsten) praktizierten es ohnehin schon und hatten ihre Rahmenbedingungen entsprechend angepasst, für andere hätte
eine durchwegs verpflichtende Einführung einen noch größeren Mehraufwand in personeller
und damit finanzieller Hinsicht bedeutet. Es sei „beim Bundesgesetz immer wieder so der
Streitpunkt gewesen“, erläutert eine Interviewpartnerin, die Länder hätten „aufgrund der Kosten, die durch das Vier-Augen-Prinzip anfallen“, den Konsultationsmechanismus ausgelöst. In
Ländern, wo das Vier-Augen-Prinzip bereits als fachlicher Standard galt und angewendet
wurde, fand diese grundsätzliche Diskussion nicht mehr statt und man war bereits personell
besser darauf eingestellt:
Bei uns war das Vier-Augen-Prinzip ja nicht wirklich Thema, weil wir schon zwei Jahre zuvor
begonnen haben, dieses Prinzip umzusetzen. Das ist neu mit dem Gesetz gekommen und hat
auch mehr Personal natürlich sowieso dafür, – davor, Auslöser war eben ein tragischer Kindstod, wo ein Kind ermordet worden ist. Und dann hat man sowieso schon begonnen in den Bezirkshauptmannschaften, die Abteilungen besser auszurüsten, personell und eben auch andere
Prinzipien der Zusammenarbeit, also neue fachliche Standards zu entwickeln.
42 https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20008375 (Zugriff: 06.03.2017)
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
2.2 „Da ist auch die Frage nach der Definition des Vier-Augen-Prinzips.“
Dass das Bundesgesetz nun letztlich die etwas einschränkende Formulierung des „erforderlichenfalls“ enthält und die Normierung des Vier-Augen-Prinzips nicht generell verpflichtend einfordert, bedeutet trotzdem eine weitreichende Veränderung; de facto ist das Vier-Augen-Prinzip damit rechtlich verankert und muss in der Praxis der Gefährdungsabklärung und der Hilfeplanerstellung angewendet werden. Jedoch stellt sich gerade in den Ländern, welche die Formulierung des „erforderlichenfalls“ übernommen haben, damit die Frage der Interpretation.
Auch dies war ein Thema, das in den Interviews angesprochen wurde: In welchen Situationen
ist das Vier-Augen-Prinzip erforderlich, also verbindlich anzuwenden? Wer ist das zusätzliche
Augenpaar? Ist es eine zweite Fachkraft oder die Leitungsebene? Wird das Vier-Augen-Prinzip im Sinne einer zustimmenden Unterschrift angewendet oder in der Anwesenheit einer zweiten Person, zum Beispiel beim gemeinsamen Besuch einer Familie vor Ort? „Also diese Bilder,
die damit verbunden werden, das muss man mal durchgehen, das ist ja in der Praxis gar nicht
möglich in jedem Fall“, sagt ein Experte. So sieht das auch die Expertin aus Wien. Hier existiert
das Vier-Augen-Prinzip in Form von Standards schon länger, allerdings sei es hier aufgrund
der (groß-)städtischen Struktur auch leichter umzusetzen. Diese ermöglicht den Austausch
und zum Beispiel auch die Hausbesuche zu zweit viel eher, es seien eben kurze Wege, die
nicht vergleichbar seien mit der Situation in flächenmäßig ausgedehnten Bundesländern:
Wir haben im Landes- und Ausführungsgesetz das „erforderlichenfalls“ nicht drin. Da ist auch
die Frage nach der Definition des Vier-Augen-.Prinzips. Was ist denn das genau? In welcher
Form ist es umzusetzen oder umsetzbar? Da tun wir uns in Wien auch leichter als die Bundesländer, weil es nicht so eine große flächenmäßige Ausdehnung hat wie zum Beispiel (Name
Bundesland). Dort sitzen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bezirksverwaltungsbehörden
viel weiter auseinander, als das in Wien jemals der Fall sein kann. In Wien ist trotzdem alles in
der Nähe und erreichbar. Da ist der Austausch auch anders möglich. Hausbesuche zu zweit
sind eher möglich, allein schon wegen der kürzeren Anfahrtswege. Damit sind in Wien die Rahmenbedingungen schon anders.
Die Expertin unterstreicht, dass das Vier-Augen-Prinzip dort die Rücksprache und damit auch
die Absicherung durch die Leitungsebene umfasst. Dies sei ein Aspekt gewesen, der in der
Umsetzungsphase bei ihnen sehr bedeutsam gewesen sei und von den Sozialarbeiter/innen
als wichtiges „Sicherheitsnetz“ wahrgenommen werde:
Und da gibt es ein ganz großes Anliegen auch der einzelnen Sozialarbeiter/innen an der Basis,
da auch Leitung drin zu haben, weil sie das für sich auch ganz massiv auch als Unterstützung
und als Schutz erleben, dass da auch die Leitung sagt: Ja, das ist in Ordnung, dieses Vorgehen.
Also ich habe nicht nur eine Kollegin, der ich schlüssig erklären muss, warum ich zu welchen
Entscheidungen komme (…) die dann sagt, das sehe ich auch so, sondern da habe ich dezidiert
auch Leitung. Das ist ganz massiv gerade auch in dem mit Unsicherheiten und auch Risiken
behafteten Feld der Sozialen Arbeit (verbunden), die man ja nicht in allen Feldern wie in der
Kinder- und Jugendhilfe hat. Da ist ja eine besondere Verantwortung damit verbunden, und
deshalb wird das auch so als Sicherheitsnetz wahrgenommen. Das war so ein Aspekt, der mir
wichtig war, weil der bei uns recht bedeutsam war.
So wie Wien hat auch Salzburg im Landesausführungsgesetz den Begriff „erforderlichenfalls
wirklich gestrichen“, so der Salzburger Experte. Eine große Diskussion habe es darum nicht
gegeben („das war nicht das große Problem“). Die Einführung eines generell verpflichtenden
Vier-Augen-Prinzips erfordert jedoch eine differenzierte Auseinandersetzung und Definition jener Situationen, in denen das Vier-Augen-Prinzip eben doch nicht eingehalten werden kann,
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
nämlich zum Beispiel am Wochenende. Herr S. meint, man sei in Salzburg „natürlich (...) ein
bisschen stärker unter Druck, weil, bei uns fehlt ja das Wort ‚erforderlichenfalls‘ “. In den Erläuterungen zum Gesetz hat man deshalb expliziert, dass es an den Wochenenden einen
Journaldienst von nur einer Person gibt, die auch allein „Gefahr in Verzug aussprechen kann“,
bevor der Fall am darauffolgenden Werktag im Vier-Augen-Prinzip fortgeführt wird. Dies sei
wichtig, denn sonst könne man „auf die Idee kommen, wir verletzten immer samstags, sonntags das Vier-Augen-Prinzip“:
Was ist sozusagen, wenn eine Gefährdungsmeldung am Wochenende hereinkommt? Also da
haben wir auch so eine Übergangsregelung, also über den sogenannten Journaldienst. Wo tatsächlich dann mal ein einzelner Mensch als Journaldienst Gefahr im Verzug aussprechen kann
und wo das zweite Augenpaar dann am nächsten Werktag in der Früh dazukommt. Also das ist
das zeitverzögerte Vier-Augen-Prinzip. (…) Sie (die anderen Bundesländer) haben es in der
Praxis sicher ganz ähnlich, wenn auch vielleicht nicht explizit im Gesetz festgeschrieben. Aber
natürlich waren wir da ein bisschen stärker unter Druck, weil bei uns fehlt ja das Wort erforderlichenfalls. Also wenn im Gesetz wirklich drinsteht, es IST das Vier-Augen-Prinzip, könnte man
sonst auf die Idee kommen, wir verletzen immer samstags, sonntags das Vier-Augen-Prinzip.
Und drum haben wir das zumindest in den Erläuterungen auch explizit so festgeschrieben, dass
das ein bisschen zeitversetzt dann am nächsten Werktag passieren kann.
Auch ein anderer Interviewpartner unterstreicht diesen Aspekt und erkennt eine strafrechtliche
Brisanz, wenn das Vier-Augen-Prinzip immer verpflichtend angewendet werden müsse, jedoch
im Einzelfall keine zweite Person verfügbar wäre. In dem Bundesland, wo sehr bewusst die
Formulierung des „erforderlichenfalls“ verwendet worden ist, könnten manche Situationen etwas entspannter, d. h. der Arbeitsrealität entsprechend, gesehen werden. „Nicht jeder Schritt
kann dann tatsächlich durchgeführt werden“ und man dürfe sich auch prinzipiell nicht vorstellen, dass dann „zwei Sozialarbeiter Hand in Hand durch den ganzen Fall“ gehen:
Und auch die inhaltliche Frage, was heißt denn Vier-Augen-Prinzip, die ist ja nicht so einfach
zu beantworten. Manche stellen sich vor, da gehen dann zwei Sozialarbeiter Hand in Hand
durch den ganzen Fall. Und das hat eine gewisse Unschärfe in der Interpretation, die bis zu
strafrechtlichen Implikationen führen kann, wenn zum Beispiel ein Standard da ist, Freitag um
13 Uhr, ist es durchaus üblich, es ist noch eine Mitarbeiterin da, es ist eine Gefährdungsmeldung
da, sie sagt, O.k., sie kann die ersten Schritte selber machen. Es wäre ein Fehler, wenn sie
dann keine zweite Person beizieht. Also man muss das auch in der Arbeitsrealität sehen. Nicht
jeder Schritt kann dann tatsächlich durchgeführt werden.
Um die Anwendung des Vier-Augen-Prinzips in der Praxis zu explizieren und den ausführenden Personen darin die notwendige Sicherheit zu vermitteln, wurden in den verschiedenen
Bundesländern jedenfalls zahlreiche Maßnahmen gesetzt, so ist das allen Interviews zu entnehmen. Diese Maßnahmen reichen von Schulungen und Workshops mit den Mitarbeiter/innen (teilweise in Zusammenarbeit mit dem Familienministerium) bis hin zur Ausarbeitung sehr
konkreter Handreichungen mit Ablaufdiagrammen, die gemeinsam mit jenen erarbeitet wurden, die in der Praxis damit zu tun haben. In zwei Interviews wurde die Formulierung gebraucht, dass es wichtig sei, diesen „Geist des Gesetzes“ in Schulungen weiterzutragen, nur
so könne das Vier-Augen-Prinzip auch in die Praxis Einzug halten. Denn „wenn eine einzelne
Sozialarbeiterin im Abklärungsvorgang sagt, ich brauche meine Kollegin nicht, und die froh ist,
weil sie eh so viel zu tun hat, dann wird es auch nach wie vor eine mit zwei Augen festgestellte
Nichtgefährdung geben“, sagt ein Interviewpartner. Insofern sei es eben wichtig, dass „die
ausführende Sozialarbeiterin im Sprengel diesen Geist lebt“ – und da sei man bereits auf einem guten Weg. Ein anderer Interviewpartner berichtet in diesem Zusammenhang, dass die
Erarbeitung von Leitfäden mit den Fachleuten aus der Praxis stattgefunden hat. Insgesamt um
die 300 Dokumente stehen den Mitarbeiter/innen im eigenen Intranet zur Verfügung, darin
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seien „alle wesentlichen Unterlagen zu allen Arbeitsbereichen enthalten“. Diese Kommunikationsplattform würde von den Mitarbeiter/innen sehr geschätzt. Auf die Frage, ob es Rückmeldungen aus der Praxis gebe, wie diese Definitionen und Handreichungen ankämen, antwortete
ein Experte:
Sehr gut. Das hängt damit zusammen, dass die Leitfäden in Abstimmung erarbeitet werden.
Das heißt, die haben vorher einen Check durch die Leute, die damit arbeiten. Es gibt keine
Handreichung, die wir haben, die nur in der Abteilung entstanden ist. Gerade für den Bereich
glaube ich, dass wir in den letzten zehn Jahren zunehmend einen Weg gehen, der immer mehr
auf Verständlichkeit und einfache Ausdrucksweise Wert legt. Also das Intranet ist auch eine
sehr breit genutzte Plattform, für die Kolleginnen und Kollegen nicht mehr wegzudenken. Weil
sie wissen: Egal, was ich brauche, brauche ich eine Vereinbarung für die Erziehungshilfe, brauche ich das Meldeblatt des Kinderschutzzentrums, was immer es gibt, es ist da drin, und sie
müssen sich nicht kümmern darum, dass sie diese Unterlagen immer aktuell haben."
2.3 „Den Begriff ‚erforderlichenfalls‘ zu bekämpfen, ist heute nicht mehr
notwendig.“
Etwas Uneinigkeit ist zwischen den Interviewpartner/innen im Hinblick darauf zu erkennen, ob
man mit dem Begriff des „erforderlichenfalls“ im Bundesgrundsatzgesetz nun zufrieden ist oder
nicht. Die Expertin meint, eine eindeutige Muss-Regelung des Vier-Augen-Prinzips im Bundesgesetz „wäre schon wünschenswert“ gewesen, denn so hätte man dies auf Landesebene
umsetzen müssen, denn „was im Bundesgesetz ist, das muss schon auch bei uns drinstehen,
also weniger geht es nicht. Aber mehr war leider nicht möglich.“ Ihre Aussage wird in der Fokusgruppe von einem anderen Experten prinzipiell unterstützt, auch er verstehe „die Wünsche,
das Gesetz möge etwas klarer formulieren, damit mein Chef gezwungen ist, das zu finanzieren“. Jedoch sehe er nicht unbedingt mehr die Notwendigkeit, das Wort des „erforderlichenfalls“ zu bekämpfen. Aus seiner Sicht habe schon längst ein Umdenken stattgefunden, jeder
„bemühe sich redlich, das gut umzusetzen“ und es sei „mittlerweile klar, dass das Personal
koste“. Weiter sagt er:
Ich meine, es wird heute kein Bedarf mehr – generell jetzt österreichweit gesehen – sein, dass
dieses Wort jetzt rausfällt. Weil das Wissen, dass es so eine Diskussion um die Novellierung
des Bundesgesetzes wegen dieses Begriffes, würde aus meiner Sicht zu einem unlösbaren
Knoten führen. Da gibt es keine Novelle. Und es gibt genug praktisch-rechtliche Brocken, die
man noch in einer Novelle bearbeiten kann. Aber dieser Begriff alleine, den zu bekämpfen,
glaube ich, ist heute nicht mehr notwendig.
Dass das Vier-Augen-Prinzip in den Berufsalltag Einzug gehalten hat und überall vermehrt
angewendet wird – auch in den Ländern, die es nicht als jedenfalls verpflichtend formuliert
haben – wird aus den Interviews deutlich. Auf die Nachfrage der Interviewerin an einen Experten, ob er meine, das Vier-Augen-Prinzip würde nun vermehrt angewendet, antwortet dieser
sehr überzeugt: „Das ist keine Einschätzung, das würde ich behaupten, das weiß ich.“
3 Erste Beobachtungen zur Zielerreichung
In allen Interviews haben wir den Gesprächspartner/innen Fragen dazu gestellt, inwieweit sie
bereits erkennen können, ob man den im B-KJHG 2013 formulierten Zielen näher gekommen
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ist, seit dieses und die Länderausführungsgesetze in Kraft getreten sind. Dabei wurde zunächst gefragt, inwieweit sie meinen, dass man mit dem neuen Gesetz dem Hauptziel nähergekommen sei, nämlich den Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Gewalt noch weiter ausbauen zu können. Hier war Konsens, es habe sich „sicher vieles verbessert“, wie ein Gesprächspartner es formulierte. Dem Hauptziel zum Kinder- und Jugendschutz sei man damit
vor allem über jene Bereiche nähergekommen, die im B-KJHG ebenfalls als Ziele formuliert
worden sind; das sind konkret die Professionalisierung der Fachkräfte, der Grundsatz der Partizipation und die Stärkung der Prävention von Erziehungsproblemen. Ebenfalls wurde von
einigen nochmals betont, dass gerade die angeregten Diskussionen im Zusammenhang mit
dem Vier-Augen-Prinzip dazu beigetragen hätten, dass zumindest eine erweiterte Sensibilität
und bestenfalls gleichzeitig eine höhere Entscheidungsqualität in der Risikoeinschätzung erreicht wurden. Das Vier-Augen-Prinzip wurde bereits im vorangehenden Kapitel behandelt.
Deshalb soll es an dieser Stelle um die oben genannten Ziele gehen. Außerdem ist in den
Interviews die neu formulierte Mitteilungspflicht (§ 37 des B-KJHG 2013) als wichtige Neuerung im Zusammenhang mit den Zielen des Gesetzes genannt worden. Ihr ist der erste Abschnitt gewidmet.
3.1 Die neu formulierte Mitteilungspflicht als wichtiger Pfeiler für den
Kinderschutz
Zum Ziel, dass Kinder und Jugendliche besser geschützt werden, trägt in den Beobachtungen
der Interviewpartner/innen ebenso die neu formulierte Mitteilungspflicht bei. Nach ihrer Einschätzung habe eine Sensibilisierung bei den verschiedenen Berufsgruppen und Institutionen stattgefunden, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, und nun – das regelt Paragraf 37 des B-KJHG 2013 – dazu verpflichtet sind, ihre Meldung nunmehr schriftlich zu verfassen haben. Zudem muss diese Mitteilung Wahrnehmungen und Schlussfolgerungen beinhalten und sie muss die gefährdete Person wie auch den/die Mittelungspflichtige/n eindeutig
identifizieren. Ein Experte meint, das „neue Gesetz (sei einfach) ein wunderbarer Aufhänger“,
gewesen, dass man die Mitteilungspflicht als wirklich wichtig platzieren konnte. Insgesamt
habe sich die „Qualität der Gefährdungsmeldungen doch deutlich verbessert“, sagt ein
anderer und beobachtet außerdem, dass seit der neuen Formulierung mehr Mitteilungen, vor
allem mehr Neumeldungen eingehen; „also gerade Schulen und Kindergärten (seien) aufmerksamer geworden“.
Dabei berichten die Interviewpartner/innen aber auch, dass man in den Einrichtungen zunächst etwas unsicher war, was der § 37, der die Mitteilungspflicht regelt, zu bedeuten habe.
Die Expert/innen aus Vorarlberg haben beobachtet, dass man in den Einrichtungen „zuerst
nicht geglaubt oder gedacht habe, sie können das (die Mitteilungspflicht) jetzt anders auslegen“, seien also nicht wirklich mitteilungspflichtig. Obwohl die Mitteilungspflicht an sich nicht
neu ist (sie besteht schon vor Einführung des B-KJHG 2013), habe es mit der Neuformulierung
besonders in den Einrichtungen zur Betreuung und zum Unterricht von Kindern und Jugendlichen zunächst „Widerstand (gegeben), dass man sagt, es geht doch nicht, so kann man
nicht arbeiten“, denn die Mitteilungspflicht würde aus Sicht der Mitteilungspflichtigen die Verschwiegenheitspflicht unterlaufen und es sei deshalb „eben schwierig, das Vertrauen mit den
Klientinnen und Klienten aufzubauen“. Jedoch habe sich die „Aufregung“ dann gelegt. Vor
allem sei es sehr hilfreich gewesen, dass es eine gemeinsame Fortbildung mit dem Famili-
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enministerium gegeben hat, in welcher der § 37 des Bundesgesetzes noch einmal für die Praxis erläutert wurde. Ein Experte meint, dass die Unterstützung vom Familienministerium hier
dazu beigetragen habe, dass das „Bewusstsein (…) in einer professionellen Weise geschärft“
wurde.
Int.: Hat das (die neu formulierte Mitteilungspflicht) Auswirkungen auf die Praxis gehabt?
Ja, das hat insofern praktische Auswirkungen gehabt, als wir in dieser Phase die Einrichtungen,
die gesagt haben, das kann ich mir nicht vorstellen und wie ist das? Und wie fallen wir da nicht
drunter? Oder wie geht das? – also Gespräche geführt haben. Also auch mit Unterstützung des
Ministeriums. Das war (Name) mit einer entsprechenden Veranstaltung bei uns. Und mit den
Unterlagen haben wir uns dann an unseren Einrichtungen zusammengesetzt und mit den Multiplikator/innen, mit den Fachkräften. Das hat das Bewusstsein aus meiner Sicht in einer professionellen Weise geschärft.
Positiv erwähnt wird diesbezüglich die Praxis der anonymen Fallbesprechungen. Dieses
Angebot unterstützt die Kooperationspartner/innen dahingehend, dass ihnen die „Angst oder
die Scheu“ genommen werde, eine schriftliche Mitteilung zu machen, wenn sie sich nicht ganz
sicher sind, ob es der Fall wirklich verlangt oder wenn sie fürchten, dass eine schriftliche Mitteilung das Verhältnis mit den Eltern trübt oder die Eltern gar ihr Kind aus der Betreuung nehmen. Eine Expertin beobachtet seit der Einführung des neuen Gesetzes, dass vor allem Kindergärtner/innen oder Lehrpersonen mit der schriftlichen Form der Mitteilung „schon ein bisschen überfordert“ seien. Deshalb sei die anonyme Fallbesprechung hier ein wichtiges Instrument:
Und was wir auch haben, das ist eigentlich eine gute Möglichkeit, das nimmt auch etwas Angst:
die Möglichkeit einer anonymen Fallbesprechung. Das heißt, die Betreuerin hat die Möglichkeit,
vorher einfach mal beim Jugendamt anzurufen und einmal zu schildern, ihre oder seine Wahrnehmungen und dann zu schauen: Geht das in Richtung wirklich Kindeswohlgefährdung und ist
es wichtig, eine Mitteilung zu machen oder eben auch nicht. Weil vieles ist auch so im Grenzbereich. Manche melden Dinge, also einfach alles aus Sicherheitsgründen, sage ich jetzt einmal, und andere warten vielleicht zu lange, bis sie etwas melden. Also da sind wir so dran, mit
diesen Kooperationspartnerinnen und -partnern, da so einheitliche Standards – und ihnen ein
bissel die Angst oder die Scheu zu nehmen, auch diese schriftliche Mitteilung zu machen. Oft
haben sie auch Angst, dass das dann natürlich das Verhältnis mit den Eltern trübt und die Eltern
dann das Kind vielleicht rausnehmen aus der Betreuung. Das sind so Ängste, die ja oft zum Teil
auch real sind. Und wo einfach neue Herausforderungen für diese Berufsgruppen sind. Und wo
wir halt schauen, dass wir in ein gutes gemeinsames Tun kommen.
Es gibt auch die Beobachtung, dass die Kooperation mit anderen Systemen im Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht besser geworden sei. Eine Interviewpartnerin nennt explizit die
Berufsgruppe der Polizist/innen und beobachtet dort eine neue Sensibilisierung und neu entdeckte Verantwortlichkeit:
Als Beispiel hat sich jetzt die Polizei dann sehr wohl überlegt, was machen wir denn mit dieser
neuen Mitteilungspflicht oder neu formulierten Mitteilungspflicht? Und die sind relativ schnell
draufgekommen, dass sie das auch betrifft. Die haben dann sehr rasch reagiert, indem sie auch
ein Prozedere haben ausarbeiten lassen vom Kinderschutzzentrum für eine Sensibilisierung in
diesem Bereich. Sie haben sich auch die Kinder- und Jugendhilfe reingeholt, haben auch Schulungen angeboten in diesem Bereich. (Hier haben) unterschiedlichste Kooperationspartner
diese klar formulierte Mitteilungspflicht, auch die Notwendigkeit der schriftlichen Meldung zum
Anlass genommen, sich da auch mit ihrer Verantwortlichkeit in einer anderen Form auseinanderzusetzen.
Ihr Kollege ergänzt, dass die klarer formulierten Anforderungen bei der Mitteilungspflicht nicht
nur dazu geführt hätten, dass es ein neues Verständnis bei den Meldenden, sondern auch bei
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jenen gebe, die diese Meldungen zur Kindeswohlgefährdung erhalten und damit weiterarbeiten. Diese neue Form der Verbindlichkeit habe einen großen Fortschritt im Zusammenhang
mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen gebracht:
Es hat jemand aufgezeigt und gesagt: Du bist nicht nur mitteilungspflichtig, sondern ich bin
aufnahmepflichtig und muss damit umgehen. Das heißt, der Melder hat jetzt die Gewähr, dass
wirklich damit gearbeitet wird. Und vorher war das auf einer Basis mehr oder weniger Amtshilfe
in den Köpfen der verschiedenen öffentlichen Dienststellen verankert. Das ist der wesentliche
Unterschied, der Fortschritt. Und Verbindlichkeit ist richtig gesagt worden, ja. (…) Auch unsere
Verantwortung ist damit jetzt klar. Es ist unsere Verantwortung, mit dieser Meldung qualifiziert
umzugehen, vier Augen und was weiß ich, Dokumentation und so weiter. Das ist der Fortschritt
durch dieses Gesetz.
Ein Interviewpartner beobachtet zudem, dass es nicht nur unter den Mitteilungspflichtigen,
sondern generell in der Bevölkerung zu einer erhöhten Aufmerksamkeit gekommen sei,
was letztlich dazu beitrage, dass der Kinderschutz besser gewahrt werden könne; hier habe
die mediale Präsenz eine wichtige Rolle gespielt. Insgesamt sei das Klima in der Öffentlichkeit
diesbezüglich besser geworden und das wertet er klar als „Erfolg des neuen Gesetzes“:
Int.: Wie sehen Sie denn das Ziel ,Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen‘?
Hat das Gesetz, also das Bundes- und dann Ihr Landesgesetz, dazu etwas beigetragen?
Ich würde sagen, ja. Also eben durch das, dass man durch das neue Gesetz das Thema einfach
sehr stark ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht hat. Also wir haben vielleicht gerade auch
durch die etwas lange Diskussion über das Landesumsetzungsgesetz sehr viel mediale Präsenz gehabt. Und das war schon eine gute Gelegenheit, die Kinder- und Jugendhilfe und den
Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe zu präsentieren. Es gab dann immer wieder mal
Zeitungsmeldungen, wo wir zum Beispiel auch sagen konnten: ,Schaut nicht weg, besser eine
Meldung zu viel als eine zu wenig‘. Und ich denke schon, dass sich dadurch die öffentliche
Aufmerksamkeit und damit auch der Schutz der Kinder und Jugendlichen verbessert hat. (…)
Und auch die Bereitschaft, – also wenn man jetzt im Freundes-, Bekanntenkreis so eine Überforderungssituation bemerkt, da auch mal schon das Jugendamt anzurufen und zu sagen: Bitte,
da in der Nachbarwohnung höre ich immer das Kind weinen, könnt’s ihr da nicht mal nachschauen? – Also das Klima hat sich da sicher verbessert. Und das absolut positiv und sicherlich
auch ein Erfolg des neuen Gesetzes und v. a. auch der öffentlichen Diskussion, die aus Anlass
des neuen Gesetzes ganz breit stattgefunden hat.
3.2 Professionalisierung der Fachkräfte: „Mit dem Gesetz ist das jetzt
leichter argumentierbar.“
Hat nun die neue Gesetzeslage dazu beigetragen, dass eine Professionalisierung der Fachkräfte stattgefunden hat? Einer der Interviewpartner antwortet dazu mit einem klaren „Absolut!“
Er führt weiter aus, dass dies nicht nur für die öffentlichen Ämter gelte, sondern auch für die
privaten Einrichtungen. Die herangezogenen Berufsgruppen seien besser geschult und ausgebildet als vorher und diese „Professionalisierungsanhebung (habe) mit Sicherheit zur Qualitätsverbesserung beigetragen“.
Der größere Teil unserer Interviewpartner/innen sieht diesen Effekt jedoch nicht so klar. Es sei
durchaus eine Professionalisierung zu beobachten, sie stehe aber nicht in direktem Zusammenhang mit dem neuen Gesetz. Zwar hätten sich die Ausbildungen verändert, sagt
eine Interviewpartnerin, „aber mit dem Gesetz in Zusammenhang würde (sie) das nicht sehen“.
Auch ein anderer Experte meint, da habe „sich nicht sehr viel geändert, denn die Regelungen,
welche Professionen mit welchen Arbeitsbereichen betraut werden können“, habe es „vorher
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
schon gegeben“, und zwar bereits seit dem Jugendwohlfahrtsgesetz von 1991. Eine weitere
Expertin meint, dass eine Professionalisierung zwar auch schon länger in ihrem Bundesland
stattgefunden habe, und zwar in Form eines Trainee-Programms für Neueinsteiger/innen und
auch in der Entwicklung eines Masterlehrgangs ,Familiensozialarbeit‘. Jedoch habe man die
Inhalte dieses Programms „natürlich an das neue Gesetz angepasst. Da gibt es jetzt eben
beispielsweise das eigene Modul ,Hilfeplanung‘, das es vor dem Gesetz in dieser Form so
noch nicht gegeben hat“. Ein Experte schlussfolgert, dass es ein erfolgreiches Zusammenspiel
zwischen Professionalisierung und Gesetz gab, wobei die Bewusstseinsbildung eine entscheidende Rolle spielt:
Also ich würde das nicht als Professionalisierungsschub bezeichnen, sondern ich würde es als
Bewusstseinsschub bezeichnen. Durch dieses Gesetz ist die Argumentation von uns, wie wir
alle das schon länger genauso entwickeln wollten und gemacht haben, leichter argumentierbar.
Er sagt weiterhin, dass die nun rechtlich verankerte Professionalisierung vor allem dazu beigetragen habe, dass die Autorität, welche die Kinder- und Jugendhilfe hat, nun auch gesellschaftlich eher akzeptiert werden kann, weil es eben gut ausgebildete Fachkräfte sind, welche
Entscheidungen treffen:
Da hat es dieses Gesetz schon gebracht, dass ich jetzt irgendwas in der Hand habe, zu sagen,
ja, das sind die Fachkräfte, die das Know-how und das vernünftige Wissen haben, dass sie
Entscheidungen geben, die wir vor Eltern auch argumentieren können.
Sichtbar würde die rechtliche Verankerung der Professionalisierung aber auf der finanziellen
Ebene, und zwar in der Entlohnung der Fachkräfte, so berichten zwei Expert/innen. Man
merke es daran, dass sich Sozialarbeiter/innen wieder mehr bei der öffentlichen Kinder- und
Jugendhilfe bewerben würden. Auch wurden mehr finanzielle Mittel für Schulungen und Fortbildung zur Verfügung gestellt, was freilich ebenfalls zu einer Professionalisierung beigetragen
hätte:
Int.: Stichwort: Professionalisierung der Fachkräfte. Was hat sich da getan?
Also es hat sich auf jeden Fall die gehaltliche Situation verbessert. Also das merkt man zum
Beispiel in den Bewerbungen. Also eine Zeitlang gab es kaum mehr Bewerbungen. Und jetzt ist
das eigentlich wieder attraktiver geworden für Sozialarbeiter/innen, sich beim Jugendamt auch
zu bewerben oder bei der BH zu bewerben. Also das ist jetzt mal mein Eindruck. (…) Früher
war ein extremer Unterschied zwischen, – also hat eine Sozialarbeiterin in einer Beratungsstelle
um vieles weniger verdient als auf dem Jugendamt. Also jetzt ist es ausgeglichen. (…) Und ich
denke schon, wir haben in den letzten drei Jahren viel Geld und Zeit auch zur Verfügung gestellt
für Schulungen, also für gemeinsame Fortbildungen für Mitarbeiter/innen auf dem Jugendamt.
Wir haben eben diese Strukturen eben mit dieser fachlichen Leitung, die ja auch, – wo auch im
Team Fallbesprechungen und solche Dinge möglich sind. Also ich denke, dass wir ziemlich gut
aufgestellt sind inzwischen.
3.3 Partizipation: „Da geht noch mehr!“
Der Grundsatz der Partizipation sei ein wichtiges Element vom „Geist des neuen Gesetzes“,
so sagt es eine Interviewpartnerin. Inhaltlich geht es darum, dass das B-KJHG 2013 im Zusammenhang mit der Gefährdungsabklärung und Hilfeplanung der Beteiligung von Eltern, Kindern und Jugendlichen (und anderen Personen) einen hohen Stellenwert einräumt (vgl. 3. Abschnitt § 24). Es sollen – wenn möglich – ihre Wünsche berücksichtigt werden, vor allem, wenn
über Art und Umfang von möglichen Hilfen entschieden wird. Dass der Grundsatz der Partizi-
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
pation ein guter ist und die Qualität der Hilfeleistung zunimmt, wenn Eltern und Kinder an diesem Prozess beteiligt werden, darüber ist man sich unter den von uns interviewten Personen
einig. Die folgenden Interviewausschnitte illustrieren das:
Also für mich gibt es einen ganz klaren Grundsatz: Je besser es gelingt, mit Eltern gemeinsam
eine Linie zu verfolgen, die sie auch mittragen können, desto erfolgreicher sind sozialarbeiterische Interventionen und Erziehungshilfen letztlich für das Kind. Weil man damit die Loyalitätskonflikte für Kinder deutlich geringer halten kann. (…) Ein Kind kann die Erziehungshilfe besser
annehmen, wenn es das Gefühl hat, dass es selber die Erziehungshilfe mitgestaltet hat, dass
es auch eine Wahlmöglichkeit hatte.
Wenn die Partizipation dazu führt, dass das Kind – und da meine ich jetzt kein zweijähriges
Kind, aber ich meine schon ein vierjähriges Kind, in der Hilfeplanung auf seinem VerständnisNiveau beteiligt wird und mitgestaltet nach Möglichkeit, wenn das funktioniert hat, dann wären
in den Einrichtungen die Defizite des Ausagierens, das komische Auffallen und dann die
Schwierigkeiten in der Betreuung, in der Gruppe geringer.
Da haben wir auch gute Erfahrungen, dass vor allem Kinder und Jugendliche das auch sehr
schätzen, wenn man ihnen mit dieser Haltung begegnet. Und da gibt es natürlich auch tragfähigere Lösungen schlussendlich für alle Beteiligten.
Es ist den von uns interviewten Expert/innen ein Anliegen, dass der Aspekt der Partizipation
in den Ausführungsgesetzen berücksichtigt wird („wir haben uns auch redlich bemüht, das
zu implementieren“) und auch für die Praxis klar formuliert wird. Das ist den Interviews deutlich zu entnehmen. Es sei „längst überfällig gewesen, dass das auch im Gesetz abgebildet
wird“, sagt ein Interviewpartner. Auch hätten der Diskussionsprozess und auch Schulungen
dazu beigetragen, dass die Beteiligung Einzug in die Praxis findet. Zudem müsse nun auch
dokumentiert werden, inwieweit die Partizipation vor allem in der Hilfeplanerstellung berücksichtigt wurde („wir haben in die Hilfeplanung auch ganz klar reingenommen, wie und in welcher Form ist auch mit dem Kind gesprochen worden“).
Einige Bundesländer berichten, dass gerade dieser Aspekt der Partizipation ein Schwerpunkt
bei ihnen war („da gab es viele Fortbildungen für die Jugendamtsmitarbeiter/innen“). In diesem
Zusammenhang werden auch Good-Practice-Modelle erläutert, die zum Beispiel in Einrichtungen der vollen Erziehung angewendet werden und dort einen guten Erfolg haben (wie
z. B. der Kinder- und Jugendrat in Salzburg). Vor allem in diesem Kontext hat man sehr positive Erfahrungen mit der direkten Partizipation von Kindern und Jugendlichen gemacht.
Was die Partizipation im Zusammenhang mit Akutfällen angeht, ist diese sicherlich schwierig zu bewerkstelligen, hier geht es in erster Linie darum, die Krise zu bewältigen. Im Interview
meint ein Experte deshalb, dass man jetzt eine Krisenbegleitung für Eltern eingeführt hätte,
sodass sie auch in der schwierigen Situation eingebunden sind, jedoch über einen „neutralen
Dritten“.
Int.: Und in den Akutfällen, kann das da stattfinden überhaupt, Partizipation?
Ja, wir haben es eine Zeitlang diskutiert und sind eigentlich dann zu dem Schluss gekommen,
dass in der GANZ aktuellen Situation, also wo wirklich gegen den Willen der Eltern das Kind
ihnen weggenommen wird, kann eigentlich nicht das Jugendamt der Ansprechpartner sein, der
mit den Eltern jetzt mit Abstand vernünftig drüber redet. Also das ist ganz klar, dass wir in dem
Moment natürlich erst mal das Feindbild für die Eltern sind. Und da war dann die Idee, einen
neutralen Dritten dazwischenzuschalten. Also wir haben eben auch mit dem neuen Gesetz einen neuen sozialen Dienst geschaffen, Krisenbegleitung für Eltern, wo so etwas wie Notfallpsycholog/innen einfach anbieten, für einige Stunden die Eltern zu beraten, zu begleiten in dieser
schwierigen Situation, also sie sozusagen aufzufangen, dass da die Krise kein Ende mehr findet. Und erst mit ein bisschen zeitlichem Abstand kann dann die Sozialarbeiterin wieder anfangen, Elternarbeit zu machen.
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Es herrscht jedoch in allen Interviews generell ein etwas kritischer Tenor vor, was die Umsetzung des Partizipationsgrundsatzes angeht. Ein Aspekt ist dabei, dass die Beteiligung von
Eltern eher gelinge oder prinzipiell stattfinde als die von Kindern und Jugendlichen. Ein Gesprächspartner sagt, die „Elternpartizipation (sei) schon länger Standard“, wohingegen die tatsächliche Beteiligung der Kinder – zwar „in bester Absicht“, aber eben dennoch – vernachlässigt würde:
Das ist wirklich der Punkt. Die Elternpartizipation ist schon länger Standard. Aber die Kinder
sind immer so automatisch mein sozialarbeiterisches Eigentum, mit denen brauche ich nicht
mehr zu reden. Ich bin jetzt ganz provokant; in bester Absicht: Ich bin ja mit dir, liebes Kind. Und
das ist falsch. Da respektiert man nicht, dass es natürliche Bindungen gibt, da respektiert man
nicht, dass es Eigenständigkeiten von Kindern gibt. Und da plädiere ich, dass wer auch immer,
wo auch immer, noch viel schärfer die Eigenständigkeit der Kinder in den Raum stellt.
Der oben zitierte Interviewpartner ist generell skeptisch und meint, es fehle für die Umsetzung der Partizipation vor allem an Verbindlichkeiten, es gebe „viele Sozialarbeiter, die
das nicht machen“. Eine andere Interviewpartnerin unterstreicht diese Einschätzung und
meint, dass eine Kontrolle in der Praxis hilfreich wäre: „Weil, nachhaltig ist es nur, wenn es
auch kontrolliert wird, wie die einzelnen Sozialarbeiter/innen tun“. Dabei wird auch der Aspekt
erwähnt, dass die Dokumentation nicht immer gewissenhaft ausgefüllt werde. Ein Interviewpartner ist ziemlich erbost darüber, was er manchmal in der Praxis sieht. Da gebe es in
der schriftlichen Dokumentation „diese freien Felder, wo nichts drinsteht außer Schwachsinn
– und das bitte 2016! Das Gesetz ist da schon drei Jahre in Kraft“. Doch hänge die Nachlässigkeit sicherlich auch mit dem Faktor Zeit(knappheit) zusammen, so meint ein anderer Interviewpartner. In der Praxis fehlten manches Mal einfach die Ressourcen, allein aus diesem
Grund könne es passieren, dass man „ein bisschen über die Familie letztlich drüberfährt“, ohne
dass man die Meinung der beteiligten Personen ausreichend hätte hören und berücksichtigen
können:
Aber natürlich ist das ein Stück weit schon auch eine Zeitfrage einfach. Das hat natürlich wieder
was damit zu tun, wie viele Planstellen für Sozialarbeiter/innen haben wir in den einzelnen Jugendämtern? Wie viel Zeit hat dann die einzelne Sozialarbeiterin dann wirklich für die Familie?
Also je mehr Zeit sie hat, desto besser kann sie natürlich auch Partizipation leben. Und da
kommt sicher nach wie vor einfach dazu, dass man ein bisschen über die Familie letztlich
drüberfährt, weil einfach die Zeit und die Ressource so nicht da ist.
Die Ausführungen der Interviewten dazu, was bereits getan wurde und was jedoch noch fehlt,
enden jedenfalls öfter mit der Feststellung, dass der Ansatz zur Partizipation wichtig und richtig
sei, dass man sich jedoch noch mitten im Diskussions- und auch Umsetzungsprozess befinde,
wobei genau diese Auseinandersetzungen auf allen Ebenen erfolgversprechend seien:
Da geht noch mehr! Da sind wir noch nicht am Ende der Fahnenstange. Da ist noch viel Platz
nach oben. (…) Aber das sind auch Prozesse. Ich glaube, das lässt sich auch nicht mit einem
Schalter oder wie auch immer – also das sind immer Diskussionsprozesse. Da geht es auch
immer drum, wie geht so was? Da sind auch Tagungen zu guter gelebter Praxis wichtig.
Das ist natürlich ein Prozess, da sind wir noch nicht perfekt, da haben wir noch einen Weg vor
uns.
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3.4 Stärkung der Prävention von Erziehungsproblemen: „Wenn wir das
Geld hätten, könnten wir alles.“
Mit dem Prinzip der Prävention verhält es sich ähnlich wie mit dem der Partizipation: Die Interviewpartner/innen erachten es als wichtiges Ziel im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes
und freuen sich, dass es in das B-KJHG integriert wurde. Eine Interviewpartnerin nennt die
beiden Prinzipien als elementar für die für den „neuen Geist“ des Gesetzes:
Int.: Sie haben vorhin angesprochen den neuen Geist des Gesetzes. Was ist denn der neue
Geist?
Ich denke, das mit der Prävention ist was Wichtiges, das sich jetzt auch im Gesetz abbildet.
Dass das eine Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe ist. Also auch dafür zu sorgen, dass die
Lebensbedingungen für Kinder und Jugendliche und deren Familien dementsprechend in den
Fokus kommen, also das denke ich, ist was Neues. Sonst ist sicher die Haltung der Partizipation. Also dass Eltern, aber vor allem auch Kinder und Jugendliche viel stärker beteiligt werden
an der Hilfeplanung, an der Umsetzung.
Was jedoch die konkrete Einbindung und den Ausbau der Prävention angeht, sind die Interviewpartner/innen nicht ganz einer Meinung. Eine Expertin etwa sieht den präventiven Aspekt
zwar zum Beispiel in den Eltern-Kind-Zentren verwirklicht. Die anderen Teilnehmenden sind
skeptischer und sehen die finanzielle Ressourcenknappheit als Problem. Vor allem, wenn es
um die Verteilung der finanziellen Mittel gehe, hätten aber die dringlichen „Feuerwehrangelegenheiten“ immer Vorrang:
Int.: (zu Expertin A) Also aus Ihrer Sicht ist der präventive Aspekt, der ja bei der letzten Novelle
ins Zentrum gerückt wurde, ein bisschen verschwunden?
Expertin A: Aus meiner Einschätzung schon, ja.
Experte B: Naa! Das kann ich nicht teilen, aber –
Expertin C: Ja, und ganz so würde ich mich dem auch nicht anschließen, vor allem im Hinblick
auf die Eltern-Kind-Zentren, die wir ja sehr wohl haben und wo wir den Fokus auf der Prävention
haben.
Experte B: Wenn wir das Geld hätten, könnten wir alles. Und dürften alles. Alles, was irgendwie
den Kindern hilft und den Eltern hilft. Es scheitert halt am Geld, und das ist auch verständlich,
weil, dass in einem Land, das also kein Magistrat ist sozusagen, es verschiedene Abteilungen
gibt für verschiedene Aufgaben, auch Offene Jugendarbeit und so weiter, die wollen alle ihre
Daseinsberechtigung erfüllen.
Expertin A: Darf ich den Satz noch ergänzen: Wenn wir das Geld haben, dann können wir alles.
Und wenn wir das Geld nicht haben, dann gelten immer die Feuerwehrangelegenheiten als
dringlich und dann bleibt die Prävention immer tendenziell eher auf der Strecke.
Experte B: Das ist aber klassisch, alt, immer schon gewesen.
Expertin A: Genau, das ist jetzt nicht neu aufgrund des Gesetzes.
Experte B: (lacht) Ja, darauf können wir uns einigen.
Auch werden die Frühen Hilfen genannt, welche aus finanziellen Gründen nicht in so hohem
Maße angeboten beziehungsweise weitervermittelt und gefördert werden können, wie es eigentlich Bedarf gebe. Dieses Thema beschäftigt vor allem einen Interviewpartner. Er meint,
sie hätten „gar nicht so viele Ressourcen, um denen allen so helfen zu können, wie sie es
eigentlich brauchen würden“:
Also bei den Frühen Hilfen, wo wir zwar jetzt das Projekt aufgesetzt haben und Familien sich
bei uns melden, man aber immer wieder das Gefühl hat, eigentlich haben wir gar nicht so viele
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Ressourcen, um denen allen so helfen zu können, wie sie es eigentlich brauchen würden. Also
wo man dann vielleicht schon zwei, drei Termine hat zur Beratung, aber dann das ungute Gefühl
bleibt: Hat das jetzt wirklich ausgereicht? Also kommen die jetzt wirklich gut alleine zurecht. Also
einfach mehr Beratungs-Begleitungs-Ressourcen. Oder auch das Thema Erziehungsberatung.
Wo wir eher weniger Ressourcen haben in letzter Zeit. Weil gerade so Beratungsgeschichten
immer unter Spardruck stehen. Also Beispiel, wir hatten eine eigene Familienberatung des Landes, die ganz intensiv Erziehungsberatung angeboten hat, wo wir dann eine Kürzung bei den
Planstellen hinnehmen mussten.
Es gebe hier die „besondere Logik der öffentlichen Verwaltung“, wie er es nennt. Darin sei die
präventive Arbeit als „Kannleistung“ einfach schlechter gestellt als die „Pflichtleistung“. Für die
Erziehungshilfen könne im Notfall immer noch etwas Geld aufgestellt werden, wohingegen die
freiwilligen Leistungen, wie zum Beispiel die Beratungsleistung, eingefroren oder gar gekürzt
werden:
Das ist auch immer so ein bissel das Problem, also budgetär gesprochen, zwischen Pflicht- und
Kannleistung. Also alles, was Prävention ist, ist sozusagen eine Kannleistung der öffentlichen
Hand. Also soweit man Budget hat, kann man was machen. Während ja dann die Erziehungshilfen sogenannte Pflichtleistungen sind. Also was immer wieder auch passiert, dass man mit
dem Budget bei den Erziehungshilfen nicht auskommt, das macht aber nichts. Also da überschreitet man einfach das Budget und begründet es halt dann, dass es mehr Fälle waren als
geplant. Hingegen bei der Beratung, also bei den freiwilligen Leistungen, kann man wirklich nur
das machen, was im Budget einfach da ist. Und jetzt haben natürlich gerade auch diese Beratungsbudgets eine gewisse Tendenz, – also im günstigsten Fall eingefroren zu werden, wenn
nicht sogar gekürzt zu werden. Während eigentlich bei den Pflichtleistungen, also den Erziehungshilfen, die Budgets durchaus auch wachsen können und tatsächlich wachsen.
Einzelne Aspekte der Präventionsarbeit mit Eltern werden von den Interviewpartner/innen als
positiv herausgestellt. Ein Experte lobt die Schulsozialarbeit seines Bundeslands, welche „in
diesem sekundärpräventiven Bereich belastete Familien wirklich gut unterstützt“. Auch in der
Kooperation mit den Frühen Hilfen und Eltern-Kind-Zentren werde gute Präventionsarbeit geleistet. Wie wiederum die Prinzipien der Partizipation und Prävention in positiver Weise
zusammenhängen, wird in einem weiteren Zitat sichtbar. Der Experte wertet gerade die partizipative Zusammenarbeit mit den Eltern und Kindern, die außerhalb einer Gefährdungsabklärung stattfindet, als besonders bereichernd im Sinne einer erfolgreich verlaufenden Sekundärprävention. Dass diese beiden Prinzipien nun dezidiert im Gesetz enthalten sind („dass
diese Klärung stattgefunden hat“), sei sehr positiv zu werten (… „sind heilfroh“):
Und das hängt auch damit zusammen, was ich vorher schon angesprochen habe, wenn Leistungen nicht nur unter dem Aspekt der Kindeswohlgefährdung angeboten werden können, sondern auch im Zuge der Sekundärprävention erfolgen müssen, dann gibt es eine andere Kommunikation mit den Eltern. Weil gar kein virtuelles Druckmittel im Hintergrund auftreten kann,
nach dem Motto: Na, wenn wir auf keinen grünen Zweig kommen, dann müsste ich einen Antrag
stellen, – das ist nicht da! Sondern es geht um die Sorge, um die Situation des Kindes und wer
wie etwas hier zur Besserung beitragen kann. Das heißt, dieser Blick auf das Kind und dieser
Verhandlungsprozess, dieses wirkliche Beteiligen, wird dadurch stärker. Das war am Anfang
mit Ängsten verbunden. So, und fast alle Kolleg/innen sind heilfroh, dass diese Klärung stattgefunden hat, weil sie sagen, es ist ein anderes Arbeiten mit den Eltern.
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
4 Herausforderungen und Wünsche
Gegen Ende eines jeden Interviews haben wir die Frage gestellt, ob es derzeit noch Wünsche
gibt, was das B-KJHG betrifft. Gibt es Themen, die derzeit noch offen sind? Gibt es Herausforderungen in der Praxis, welche einer Klärung bedürfen? Und wie sieht es mit gesellschaftlichen Entwicklungen aus? Gibt es welche, die für die praktische Kinder- und Jugendhilfe aktuell besonders relevant sind? Sind diese im B-KJHG genügend berücksichtigt?
Entlang der Gespräche gibt es Themen, auf die vereinzelt Bezug genommen wird, und es gibt
die größeren Zusammenhänge. Einzelne Themen betreffen zum Beispiel die Beobachtung,
dass Kinder und Jugendliche heute zunehmend psychisch auffällig werden, weil sie zum Beispiel die Informationsflut („Handy, Gratiszeitungen“) nur mehr schwer verarbeiten und bewältigen können. Oder es gibt den Wunsch, die Vermittlung von Pflegepersonen auch über Bezirksgrenzen hinweg zu koordinieren.
Dann gibt es jedoch zwei große Themen, welche in jedem Interview in dem einen oder anderen
Zusammenhang zur Sprache gebracht werden, wenn es um Herausforderungen und Wünsche
geht: Das sind zum einen die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) und es ist zum
anderen der Wunsch nach besserer Kooperation – in vielerlei Hinsicht, so-dass der „Geist des
neuen Gesetzes“ sich überall wiederfindet und die Zusammenarbeit funktioniert.
4.1 Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: „Ein völlig neues Thema, das
überhaupt nicht drinnen ist“
Ein sehr dominantes Thema, das in jedem Interview enthalten ist, ist die seit 2015 schnell
wachsende Migrationsbewegung von Flüchtlingen nach Österreich. Sie beschäftigt die Kinderund Jugendhilfe vor allem im Zusammenhang mit den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) und bringt Herausforderungen in mehreren Dimensionen: personell, finanziell, im
Zusammenhang mit Normen und Werten und freilich nicht zuletzt im Zusammenhang mit der
Frage nach rechtlichen Regelungen. Die folgenden Interviewabschnitte illustrieren die Dominanz des Themas, das sehr schnell Einzug in den Berufsalltag der Beteiligten gefunden hat:
Int.: Gibt es gesellschaftliche Entwicklungen, die passieren aktuell, Sie haben vorhin schon
Flüchtlinge angesprochen, die aber im Gesetz noch nicht so berücksichtigt sind?
Ja, ich habe jetzt eigentlich wirklich nur das Flüchtlingsthema vor Augen, weil es halt wirklich
seit Sommer 2015 das zentrale Thema ist. Und was natürlich schon bemerkenswert ist, dass
darauf im BKJHG wenig bis gar nicht Bezug genommen wird. Also das Thema hat uns tatsächlich wirklich alle überrascht.
Also was mir als Erstes einfällt? Flüchtlingsfamilien. Also es ist eine Herausforderung, auch für
die Kinder- und Jugendhilfe. Also das Kinder- und Jugendhilfegesetz ist auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge überhaupt nicht ausgerichtet.
Also was uns natürlich ganz aktuell, vor allem seit zwei Jahren beschäftigt und was im Kinderund Jugendhilfegesetz nicht wirklich geregelt ist, sind die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge.
Eine Interviewpartnerin unterstreicht dabei, dass die rechtliche Situation nicht geklärt ist. Zwar
übernehme man in der Praxis die Obsorge und die Grundversorgung, jedoch gebe es dafür
nur schwer finanzielle Unterstützung, weil eben letztlich die Zuständigkeiten nicht geklärt
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
wären und man in „Argumentationsnot“ käme, wenn es um Gelder dafür gehe. Weder das BKJHG noch das Ausführungsgesetz des Landes könnten hier Antworten liefern:
Wo wir jetzt in (Name des Bundeslandes) einen Weg gehen, wo wir sagen: Wir sind als Kinderund Jugendhilfe zuständig, wir übernehmen die Obsorge in jedem Fall und haben auch Betreuungseinrichtungen, die eine Bewilligung nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz haben, die
also quasi beides sind: Einrichtungen der Grundversorgung UND der Kinder- und Jugendhilfe.
Aber das bringt uns natürlich immer wieder, weil es eben rechtlich nicht geklärt ist, immer wieder
in Argumentationsnot oder an Grenzen, um diese Dinge auch umsetzen zu können, also um die
Gelder dafür zu bekommen. Also der Bereich bildet sich nicht ab. Also da gibt das Bundesgesetz
und das Landesgesetz keine Antworten drauf.
Inwieweit die Bundesländer hier mit einer Aufstockung in personeller oder finanzieller Hinsicht
reagieren, unterscheidet sich allerdings. Ein Experte meint, in seinem Bundesland habe es im
Zuge der „ersten großen Flüchtlingswelle“ eine „sehr große Aufstockung“ gegeben, auch, weil
es einen „Hilferuf der Sozialarbeiter/innen und von den Bezirksverwaltungsbehörden“ gab, der
medial weitergetragen wurde und eine politische Diskussion hervorgerufen hatte.
Der Interviewpartner stellt jedoch ebenso fest, dass die „Rechtsgrundlagen nicht passen“
(und nicht passen können), denn bei den UMF gehe „es ja eigentlich um ganz was anderes.
Da geht es um Kinder und Jugendliche, die durchaus eine gute Erziehung und Pflege bei ihren
Eltern genossen haben, aber dann durch äußere Umstände, sprich Kriegserlebnisse, plötzlich
in einem fernen Land auf sich allein gestellt sind“. Er nennt ein sehr praktisches Beispiel dazu,
welche Probleme es mit Fragen der Obsorge gebe: Können Eltern per Handy ihre Obsorge
weiter wahrnehmen?
Unsere Gesetze sind darauf eigentlich nicht vorbereitet und nicht eingestellt. Und ganz besonders klar wird es ja beim ABGB, also bei der Thematik der Obsorge. Wo wir im ABGB so Regelungen haben, wie man den Eltern die Obsorge entzieht oder die elterliche Obsorge einschränkt
und sie dem Kinder- und Jugendhilfeträger übergibt, mit gerichtlichem Beschluss. Und wie ist
das jetzt? Also jetzt wird uns ja von den Gerichten die Obsorge übertragen, nichts- destotrotz
sind jetzt viele Kinder und Jugendliche mit ihren Eltern im Herkunftsland oder im Flüchtlingslager
weiter in Kontakt. Wie ist das dann zu bewerten, dass die Eltern weiter zum Beispiel übers
Handy kundtun, wie es weitergehen soll?
Ein weiterer Interviewpartner unterstreicht diese Problematik und ergänzt, dass im „Umgang
mit Elternrechten ausländischer Menschen das dortige Recht anzuwenden (sei) vom inländischen Richter“. Das Problem sei hierbei, dass die „dortigen Herkunftsrechte ganz andere Ausprägungen“ hätten. Es sei kaum möglich, die Gesetze hier zu verknüpfen. Wie also deutlich
wird, ist das Thema der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge keines, das unmittelbar oder
ausschließlich das B-KJHG betrifft, auch andere Rechtsbereiche sind hier relevant und es sind
mehrere Systeme betroffen; das „Jahr 2015/2016 (habe) einen enormen Zuwachs an der Beschäftigung mit diesen Fragestellungen gebracht“, resümiert ein Interviewpartner. Es habe
deshalb an den Bund bereits die Anregung gegeben, die Thematik der UMF sowohl im ABGB
als auch im B-KJHG aufzugreifen und neu zu regeln.
Aus Sicht der Interviewpersonen gibt es aber noch einen weiteren Bereich, der die Kinder- und
Jugendhilfe seit der großen Migrationsbewegung beschäftigt. Es geht um „Familien mit einem
anderen Erziehungshintergrund“, also um kulturelle Unterschiede in Einstellungen und Werten. Da gehe es zum Beispiel um ein anderes Verständnis einer gewaltfreien Erziehung. Eine
andere Interviewpartnerin stimmt dem generell zu, meint aber auch, dass selbst in der österreichischen Gesellschaft nur ein „Scheinkonsens“ darüber bestünde, inwieweit Gewalt in der
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Erziehung angewendet werden darf. Dieser „Scheinkonsens“ gelte sogar auch unter den Akteur/innen in der Kinder- und Jugendhilfe. Noch schwieriger würde die Arbeit dann, wenn man
in der Zusammenarbeit mit Eltern und Familien den Grundsatz der Partizipation ernst nehmen
wolle, der – wie bekannt – als eines der Ziele des B-KJHG formuliert ist. Die „Partizipation
potenziert die Themenstellung“, sagt sie und führt weiter aus:
Ich sehe das als grundlegendes Thema, weil wir (…) immer aus unseren subjektiven Wahrnehmungen meinen zu wissen, worin der gesellschaftliche Konsens besteht. Und ich glaube, dass
uns Flüchtlingsfamilien hier immer wieder auch vor Augen halten, wie brüchig dieser Scheinkonsens trotzdem ist. Und das beginnt bei der Einschätzung des einzelnen Sozialarbeiters, geht
aber auch weiter zu den juristischen, richterlichen Entscheidungen, weil ja immer auch persönliche Erfahrungen mit reinspielen, auch das persönliche Erleben über Grenzen in der Erziehung,
über die Grenze, da, wo Kinderschutz beginnen muss oder wo man Familienautonomie noch
akzeptiert. Und genau diese Familien mit diesen klaren Unterscheidungen, glaube ich, sollten
uns dazu zwingen, dieser Diskussion, die nie final zu führen ist, sich immer wieder neu zu stellen. Auch der Frage: Wo beginnt Gewalt? Da tun wir uns noch relativ leicht. Aber auch, wo wird
die Gewalt so massiv, dass sie ein Einschreiten der Kinder- und Jugendhilfe rechtfertigt?
Ein Interviewpartner stellt abschließend zum Thema fest: Weil jedoch das Phänomen der großen Flüchtlingsbewegung eines ist, das zeitlich erst nach der Einführung des B-LKJH 2013
Platz gegriffen hat und weil es mehrere Systeme und Rechtsbereiche betrifft (und nicht ausschließlich die Kinder- und Jugendhilfe), könne es streng genommen nicht in als Messfaktor
in die Evaluierung einbezogen werden.
4.2 Vom Bundesgesetz zur Dienststelle: „Nun muss der neue Geist
gemeinsam umgesetzt werden.“
Eine Herausforderung ist – das wird in vielen Interviews deutlich – die Implementierung des
neuen Gesetzes in das Bewusstsein und in den Alltag derjenigen, die damit zu tun haben. Und
dies betrifft viele Personen und verschiedene Berufsgruppen. Auch dort, wo die Umsetzung
als gelungen beschrieben wird, habe dieser Prozess schon einige Zeit in Anspruch genommen
(„also dieses neue Gesetz und die neue Haltung und den neuen Geist vom Gesetz gemeinsam
umzusetzen, das war eine große Herausforderung die letzten Jahre. Aber ich denke, da sind
wir inzwischen auf einem sehr guten Weg“).
Ein Manko, von dem berichtet wurde, ist, dass die Umsetzung der Qualitäts-Standards noch
nicht überall funktioniert, wie zum Beispiel die Umsetzung des Vier-Augen-Prinzips. Hier
erläutert eine Expertin, es fehlte an Ressourcen, die diesbezüglichen fachlichen Vorstellungen
entsprechend umzusetzen:
Es hat natürlich im Fachausschuss der Leitenden Sozialarbeiter auch diese Auseinandersetzung auf Bundesländerebene gegeben, wann das Vier-Augen-Prinzip unbedingt sein muss (…)
Nur, das ist auf fachlicher Ebene, und dann geht man zurück ins eigene Bundesland und es ist
NICHT im eigenen Entscheidungsbereich, das dann umzusetzen. (...) Ich kann zwar irgendwie
das fachlich probieren, aber alles, was mit Geld oder mehr Ressourcen, Personal, verbunden
ist, das wird dann sehr schnell umgelegt.
Da die Ausarbeitung von Standards der fachlichen Leitungen keinen Weisungscharakter haben (das gilt aber z. B. nicht in Wien, wo das Land gleichzeitig Gemeinde ist), liege die Verantwortung schließlich bei der jeweiligen Bezirkshauptmannschaft. So sei man vom „Goodwill der Bezirkshauptleute abhängig“, sagt eine Interviewpartnerin und kritisiert diesen Zustand. Zwar habe man die Sozialarbeiter/innen geschult, aber die Diskussion höre auf dieser
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Ebene auf; sie möchte sich weiter dafür einsetzen, dass die Bezirkshauptleute und auch die
Referatsleitungen vor Ort ihre Verantwortung wahrnehmen. Ein anderer Interviewpartner kennt
die Situation ebenfalls und sagt: „Man merkt es insbesondere bei Personalausstattungsthemen. Da sind die Dienststellenleiter, Bezirkshauptleute nicht bereit, sozusagen unsere Standards zu akzeptieren, weil sie verbunden sind mit inhaltlichen zeitaufwendigen Zusatzarbeiten“. Auch gebe es mancherorts die Situation, dass nicht überall eine fachliche Leitung vor Ort
sei. Es würden deshalb manchmal Entscheidungen getroffen, die nicht unbedingt mit der fachlichen Hierarchie zu tun hätten: „Manchmal ist es dann der Bezirkshauptmann, die Bezirkshauptfrau; manchmal ist es die fachliche Beratung durch uns als Fachabteilung (…), aber das
ist unterschiedlich“. Ein Experte meint, dass ein Austausch in Qualitätszirkeln hier von Vorteil sei. Diese gibt es zum Beispiel in Niederösterreich. Sie hätten sich als „wesentliche Kontrollschiene“ etabliert, was die Einhaltung und Weiterentwicklung der Qualitätsstandards anlangt:
Die Vergleichsringe sind im Zuge der wissenschaftlichen Bedarfsplanung entstanden. In den
Vergleichsringen sitzen Dienststellenvertreter, die ungefähr eine gleiche Struktur haben, vom
Angebot, von der Bevölkerung, vom Belastungsindex. In diesen Ringen gibt es das Prinzip der
Vertraulichkeit, das heißt, die Kolleginnen und Kollegen aus den Dienststellen, die da dazugehören, haben das Bewusstsein, sie können dort offen reden. Und bringen dann die Defizite
hinein. Die zweite Regel lautet, die Inputs dürfen mitgenommen werden von den Vertretern
meiner Fachabteilung, damit sie zu einer Bearbeitung, zu einer Verbesserung führen.
Weiterhin wird berichtet, dass auch die „persönliche Kontrolle in Anführungszeichen“ durch
erfahrene Sozialarbeiter/innen ein wichtiger Mechanismus für die Einhaltung der (neuen) Qualitätsstandards entscheidend sei. Dabei sei ein „Miteinander“ in der Kontrolle wichtig, damit
diese gut angenommen werden kann:
Jeder der mittlerweile 24 Bezirksverwaltungsbehörden hat eine eigene Person in meiner Abteilung zugeteilt, die für diesen Bezirk – natürlich haben einige Kolleg/innen mehrere Bezirke –
von der Fachberatung über die Fachaufsicht bis hin zur Evaluation von einzelnen vollen Erziehungsmaßnahmen, durchführen, und zwar regelmäßig, nicht nur einmal im Jahr, sondern bei
Bedarf alle zwei Wochen oder alle drei Monate. Und das ist auch ein Element. Das ist nicht nur
eine Fachaufsicht. Man kommt nicht nur kontrollieren mit dem Amtskapperl. Diese Rolle bekommen nur erfahrene Sozialarbeiter/innen bei mir. Die sind irgendwann mal auf der BH gesessen
früher, das heißt, die wissen auch, wie es ausschaut. Und das ist ein Gemeinsames. Das heißt,
um Kontrolle akzeptabel zu machen, braucht es auch Spielregeln, damit die betroffenen Kontrollierten irgendwie sich auch rechtfertigen können und wissen, sie haben nicht nur einen am
Deckel gekriegt, wenn sie was falsch gemacht haben. Sondern die Ursache, warum sie was
falsch gemacht haben, ist herausgearbeitet worden.
Ein weiterer Schwachpunkt, der in der rechtlichen Situation herrscht und für manche weiterhin
erkennbar ist, ist die unzureichende Kooperation mit anderen Systemen. So offen diese
Formulierung ist, so verschieden sind die Themen, die von der mangelnden Mitteilungsbereitschaft einzelner Berufsgruppen reichen bis zu einer unzureichend ausgeprägten Sensibilität
oder Beteiligung in puncto Kinderschutz. So ist zum Beispiel von einer Expertin zu hören, dass
sie enttäuscht vom Gesundheitssystem ist. Dort übernehme man zu selten Verantwortung im
Bereich des Kinderschutzes, weder im Zusammenhang mit Beratung noch in der Bereitschaft,
eine Kindeswohlgefährdung zu melden:
Ich würde da sogar noch weitergehen: (Ärzte sind) nicht nur gleichberechtigte Partner (der Kinder- und Jugendhilfe), sondern (haben) sozusagen ihre Verantwortung im Bereich der Kinderund Jugendhilfe und im Kinderschutz auch wahrnehmen. Weil Kinder- und Jugendschutz kann
nicht nur Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe sein, sondern da geht es immer um ein Zusammenspiel. Und da muss man sich auch aus der Profession der Medizin und anderer sozialer
Einrichtungen, und das haben wir ja auch in den Kooperationen immer wieder als Thema, auch
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
seiner Aufgabe im Kinderschutz bewusst sein. Weil man das nicht nur der Kinder- und Jugendhilfe überlassen kann und dann nicht mal Meldung macht, ja?
Auch andere Interviewpartner/innen kritisieren die Zusammenarbeit mit anderen Systemen
(„wir würden uns wünschen, dass die Ärzte uns als gleichberechtigte Partner ansehen bei der
Arbeit für die Entwicklung von Kindern“), jedoch sei das auch ein rechtliches Problem. Zwar
sieht das Grundsatzgesetz eine Zusammenarbeit mit dem Gesundheits-, dem Bildungsund Sozialsystem vor, das sei aber eine „Weihnachtsmannformulierung“, sagt ein Experte.
Denn es fehlten Begleitregelungen in anderen Gesetzen, welche diese Zusammenarbeit
auch absichern. Derzeit sei das B-KJHG „nicht geeignet“, diese Zusammenarbeit tatsächlich
einzufordern, es hätte entsprechende Novellierungen in anderen Gesetzen gebraucht. Das
gelte auch für § 37 des B-KJHG, der die Mitteilungspflicht beinhaltet, aber (noch) nicht in allen
berufsspezifischen Gesetzen seine Entsprechung findet.
Experte A: Wir haben keinen Sanktionismus, nach wie vor nicht. Und das ist zum Beispiel wieder
ein Hinweis, dass also das Bundesgesetz hier Begleitgesetze bräuchte. In manchen berufsspezifischen Gesetzen ist eine Verpflichtung auch dort drinnen. Bei den Krankenanstalten gibt es
das, bei dem Ärztegesetz gibt es das.
Experte B.: Schulen haben das auch.
Experte A: Schulen, bin ich nicht so glücklich, weil, das ist es wieder über Organisationsvorschriften, die den Direktor betreffen. Aber wurscht, es müsste der 37er durchgängig für alle
möglichen anderen Gesetze auch implementiert werden.
Für diesen Abschnitt kann zusammenfassend festgehalten werden, was auch generell für die
Umsetzung des Bundes- und der Ländergesetze gilt: Die Implementierung ist aus Sicht der
Expert/innen auf einem guten Weg und ist vor allem dort erfolgreich, wo der bereits mehrfach
zitierte „Geist des neuen Gesetzes“ im (fachlichen) Dialog, in Schulungen weitergetragen wird,
bis auf die Ebene derjenigen, die mit den Familien vor Ort arbeiten. Gerade die – oft diskutierte
„schwache Rechtsposition des, ‚erforderlichenfalls‘“ könne dadurch ausgeglichen werden,
„dass man das mit einem vernünftigen, verstehbaren Leben erfüllt“, so ein Interviewpartner.
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Kurzbiografien der Autor/innen
(in alphabetischer Reihenfolge)
Dr. Andreas Baierl
Statistiker
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen Institut für Familienforschung an der Universität Wien mit den Schwerpunkten Planung und Analyse empirischer Studien, Kinderbetreuung und Beurteilung von familienpolitischen Maßnahmen. Lehrtätigkeit an der Universität
Wien, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats zur Evaluierung der ehe- und familienbezogenen Leistungen in Deutschland.
Kontakt: andreas.baierl@oif.ac.at
Dr. Christine Geserick M. A.
Soziologin
Ist als Soziologin seit 2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) an der Universität Wien. Forschungsschwerpunkte: qualitative Forschungsmethoden, Statuspassage Jugend, Familien- und Geschlechterverhältnisse aus sozialhistorischer Perspektive und Familie im bäuerlichen Milieu.
Kontakt: christine.geserick@oif.ac.at
Dr. Markus Kaindl
Soziologe
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) an der
Universität Wien mit den Schwerpunkten: quantitative Forschungsmethoden, Pflege, Generationenbeziehung, Kinderbetreuung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Kinderwunsch und
Elternbildung.
Kontakt: markus.kaindl@oif.ac.at
Dipl. Soz.päd. (FH) Olaf Kapella (Projektleitung)
Sozialpädagoge
Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Forschungskoordinator am Österreichischen Institut für Familienforschung an der Universität Wien. Schwerpunkte: Männer und Väterforschung, Gewaltforschung, Prävention, Evaluationsforschung.
Kontakt: olaf.kapella@oif.ac.at
Mag. Georg Wernhart
Ökonom
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen Institut für Familienforschung an der Universität Wien mit den Schwerpunkten sozio-ökonomische Situation von Familien, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Beziehungen zwischen den Generationen, Geschlechterrollen, (Familien-)Werte und deren Wandel.
Kontakt: georg.wernhart@oif.ac.at
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Zuletzt erschienene Forschungsberichte des ÖIF
Kostenfrei erhältlich über die Homepage www.oif.ac.at/publikationen/forschungsberichte/
Neuwirth Norbert, Kaindl Markus: Kosten-Nutzen-Analyse der Elementarbildungsausgaben in
Österreich. Der gesamtwirtschaftliche Effekt des Ausbaus der Kinderbetreuungsplätze
im Zeitraum 2005 bis 2016. Forschungsbericht Nr. 26/2018
Wernhart Georg, Dörfler Sonja, Halbauer Stefan, Mazal Wolfgang, Neuwirth Norbert: Familienzeit – Wie die Erwerbsarbeit den Takt vorgibt. Perspektiven zu einer Neugestaltung
der Arbeitszeit. Forschungsbericht Nr. 25/2018
Kaindl Markus, Kapella Olaf: Betreuung in den Schulferien in NÖ. Individuelle Lösungen –
Wahrnehmungen – Wünsche. Forschungsbericht Nr. 24/2016
Buchebner-Ferstl Sabine, Kapella Olaf, Rille-Pfeiffer Christiane (2016): Psychosoziale Unterstützungsleistungen der österreichischen Familienpolitik. Wirkungsanalyse der familienpolitischen Leistungen des Bundes – Modul V. Forschungsbericht Nr. 23/2016
Neuwirth Norbert (2016): Was sind uns unsere Kinder wert? Eine Kostenschätzung zum weiteren Ausbau im Elementarbildungsbereich. Forschungsbericht Nr. 22/2016
Buchebner-Ferstl Sabine, Kapella Olaf, Kaindl Markus, Stolavetz Christina, Baierl Andreas
(2016): Erziehung – nicht genügend? Österreichische Eltern auf dem Erziehungsprüfstand. Forschungsbericht Nr. 21/2016
Buchebner-Ferstl Sabine, Kaindl Markus, Rille-Pfeiffer Christiane (2016): Bildungsentscheidungen in der Familie beim Übergang von der Volksschule in die weiterführende Schule.
Forschungsbericht Nr. 20/2016
Dörfler Sonja, Wernhart Georg (2016): Die Arbeit von Männern und Frauen. Eine Entwicklungsgeschichte der geschlechtsspezifischen Rollenverteilung in Frankreich, Schweden
und Österreich. Forschungsbericht Nr. 19/2016
Buchebner-Ferstl Sabine, Geserick Christine (2016): Vorgeburtliche Beziehungsförderung.
Dokumentation von Erfahrungen mit der Methode der Bindungsanalyse. Forschungsbericht Nr. 18/2016
Geserick Christine, Kaindl Markus, Kapella Olaf (2015): Wie erleben Kinder ihre außerhäusliche Betreuung? Empirische Erhebung unter 8- bis 10-Jährigen und ihren Eltern in Österreich. Forschungsbericht Nr. 17/2015
Geserick Christine, Mazal Wolfgang, Petric Elisabeth (2015): Die rechtliche und soziale Situation von Pflegeeltern in Österreich. Juristische Expertise und empirische Erhebung. Forschungsbericht Nr. 16/2015
Kapella Olaf (Hrsg.): Betreuung, Bildung und Erziehung im Kindesalter. Eine Literaturanalyse.
Forschungsbericht Nr. 15/2015
Blum Sonja, Kaindl Markus (2014): Bund-Länder-Programm zum Betreuungsausbau. Forschungsbericht Nr. 14/2014
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ÖIF Forschungsbericht Nr. 27 | Evaluierung B-KJHG Module 2, 3, 5 | September 2018
Das Österreichische Institut für Familienforschung an der Universität Wien (ÖIF) wird vom
Bundeskanzleramt über die Familie & Beruf Management GmbH (FBG) und von den Bundesländern Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol
und Vorarlberg unterstützt.
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