Originalarbeiten
Piroplasmen der Wiederkäuer in der Schweiz und zoonotische
Bedeutung der Babesien
A. Mathis, H. Hilpertshauser, P. Deplazes
Institut für Parasitologie der Universität Zürich
Zusammenfassung
Piroplasms of ruminants in Switzerland and
zoonotic significance of the Babesia
Piroplasmen sind durch Zecken übertragene Blutparasiten der Gattungen Babesia und Theileria. In
der West- und Südschweiz ist Babesia divergens, eine
kleine Babesien-Art, seit langem als Parasit bei
Rindern bekannt. Jüngste Untersuchungen haben
das autochthone Auftreten dieses Parasiten auch in
der Zentral- und Ostschweiz gezeigt. Anlässlich
eines Anaplasmose-Ausbruches in Graubünden
wurden jedoch erstmals B. bigemina, eine grosse
Babesien-Art, sowie Theilerien des buffeli/sergenti/
orientalis-Art-Komplexes bei Rindern nachgewiesen; die Epidemiologie dieser zwei PiroplasmenErreger ist jedoch bisher für die Schweiz unbekannt. Die kürzlich mittels genetischen Analysen
erfolgten Nachweise von B. divergens in Wildwiederkäuern bestreitet die bisher postulierte hohe
Wirtsspezifität dieser Babesien-Art für Rinder.
B. divergens wie auch die nah verwandte Babesia sp.
Genotyp EU1 wurden in Einzelfällen auch in
splenektomierten Menschen nachgewiesen. Die
Nagetier-Babesie B. microti, welche in den USA
eine als «emerging tick-borne disease» gehandelte
Infektion des Menschen verursacht, ist in Nagerpopulationen der Schweiz weit verbreitet, scheint
aber bei uns von geringer Bedeutung als Zoonoseerreger zu sein. Gründe dafür könnten eine unterschiedliche Virulenz der Erreger oder aber eine
unterschiedliche Übertragung durch die jeweiligen
Zecken-Vektoren auf den beiden Kontinenten
sein.
Piroplasms are tick-transmitted blood parasites
belonging to the genera Babesia and Theileria. In
western and southern Switzerland, B. divergens, a
small Babesia species, has been known for a long
time as a parasite of cattle. Recent investigations
have revealed the autochthonous occurrence of
this parasite also in central and eastern Switzerland.
On the occasion of an outbreak of anaplasmosis in
the canton of Grisons, however, B. bigemina, a large
Babesia species, and Theileria of the buffeli/sergenti/
orientalis species complex were for the first time
identified; the epidemiology of these two piroplasms in Switzerland remains unknown until now.
The recent identification by genetic analyses of
B. divergens in wild ruminants contradicts the hitherto postulated strict host specificity of this Babesia
species for cattle. B. divergens as well as the closely
related Babesia spp. genotype EU1 have in single
cases also been identified in splenectomized humans.The rodent babesia B. microti which causes a
human infection that is considered an “emerging
tick-borne disease” in the USA, is widespread in
rodent populations in Switzerland, but seems to be
of minor relevance as zoonotic pathogen here.
Reasons for this could be differences in virulence
of the parasites or in the transmission by the respective tick-vectors on the two continents.
Schlüsselwörter: Piroplasmen, Babesia, Theileria, Wiederkäuer, Zoonose
Keywords: piroplasms, Babesia, Theileria, ruminants,
zoonoses
Einleitung
Anämie, zum Teil Hämoglobinurie und Ikterus sowie
Kreislauf- und neurologischen Symptomen. Theilerien vermehren sich zuerst in Lymphozyten und
später in den Erythrozyten der Säuger; Babesien
Die Piroplasmen (Gattungen Babesia und Theileria)
sind die wichtigsten Blutparasiten der Haussäugetiere;
sie führen in unterschiedlichem Ausmass zu Krankheitssymptomen wie Apathie, Inappetenz, Fieber,
1
Prof. Hans Lutz zu seinem 60.Geburtstag gewidmet.
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Piroplasmen der Wiederkäuer in der Schweiz
caniner Babesiose sind seit Jahren gut bekannt im Jura
und besonders auch in der Stadt Genf. Kürzlich
wurden auch Fälle von B. canis canis-Infektionen im
Kanton Solothurn beschrieben (Sager et al., 2005),
und wir haben neue Orte der Übertragung von B.
canis canis auch in der Ostschweiz identifiziert
(weitergehende Untersuchungen werden im Rahmen eines aktuellen, vom BVET unterstützten
Forschungsprojektes von Dr. H. Sager, Institut für
Parasitologie der Universität Bern, durchgeführt). Bei
Pferden in der Schweiz ist die durch B. caballi und
Theileria equi verursachte Piroplasmose eine sehr
wichtige Importerkrankung. Autochthone Fälle,
vermutlich iatrogen oder durch Zecken übertragen,
wurden auch in der Schweiz beschrieben (Hermann
et al., 1987; Gottstein et al., 1995). Bei der ätiologischen Abklärung des kürzlichen Ausbruches von
Anaplasmose in einem Milchviehbetrieb in Graubünden (Brülisauer et al., 2004; Hofmann-Lehmann
et al., 2004) wurden Babesia bigemina und Theileria des
Artkomplexes buffeli/sergenti/orientalis erstmalig in der
Schweiz diagnostiziert; die Herkunft dieser Erreger
und die genaue Übertragung sind bisher jedoch unklar (Hilpertshauser et al., 2005). Schliesslich werden
Babesien, besonders die bei Nagern vorkommende
Art B. microti, auch in der Schweiz neuerdings als
zoonotische Erreger vermutet (Meer-Scherrer, 1999).
parasitieren ausschliesslich die Erythrozyten und können lichtmikroskopisch in grosse und kleine Babesien
unterteilt werden (grösser oder kleiner als 2.5 m;
Abb. 1). Die Artdiagnose erfolgte früher nebst den
groben morphologischen Anhaltspunkten anhand
von biologischen Merkmalen wie Spezifität im
Säuger, Krankheitsverlauf und anderen Merkmalen.
Heute beruht die genaue Art- und Genotypendiagnose auf genetischen Untersuchungen.
Abbildung 1: Giemsa-gefärbte Blutausstriche mit kleinen (links:
B. divergens) und grossen Babesien (rechts: B. bigemina).
Die Übertragung der Piroplasmen ist nach allen
heutigen Erkenntnissen streng an Schildzecken gebunden, die den Erreger zyklisch (d.h. in der Zecke
findet eine Entwicklung der Parasiten statt) übertragen. Babesien und Theilerien werden in den
Zecken transstadial, d.h. von Larven zu Nymphen
und von Nymphen zu Adulten, weitergegeben. Die
meisten Babesien befallen zudem das Ovar des
Zeckenweibchens und werden vertikal (transovarial)
auf Tochtergenerationen übertragen. Die bei vielen
Piroplasmen-Arten postulierte spezifische Übertragung durch eine oder wenige bestimmte Zeckenarten
wurde oft vom gleichzeitigen Auftreten dieser Zecken und von der Parasiten-induzierten Erkrankung
abgeleitet und nur in wenigen Fällen mehr oder
weniger umfassend experimentell bestätigt. Bereits
ältere aber auch jüngere, vor allem epidemiologische
Untersuchungen, deuten in der Tat darauf hin, dass
die Assoziation von Parasiten und Vektoren weniger
spezifisch ist als gemeinhin angenommen. Ebenso
zeigen neueste Untersuchungen, dass die bisher
postulierte strikte Wirtsspezifität von einigen dieser
Parasiten weniger stark ausgeprägt zu sein scheint. So
wurde B. divergens, die in Mitteleuropa am häufigsten
vorkommende Babesien-Art der Rinder, kürzlich in
Wildwiederkäuern und in Zecken von solchen
Tieren identifiziert (Langton et al., 2003; Duh et al.,
2005; Hilpertshauser et al., 2005).
Diese Übersichtsarbeit soll das aktuelle Wissen über
die Verbreitung von Piroplasmen der Wiederkäuer in
der Schweiz präsentieren und den zoonotischen
Aspekt von Babesien kritisch diskutieren.
Piroplasmen der Nutztierwiederkäuer
Babesiose
Bei Rindern sind 4 Babesia-Arten bekannt (Tab. 1):
die beiden kleinen Babesien, B. divergens und B. bovis,
die durch ihre leicht unterschiedliche Lage in den
parasitierten Erythrozyten unterschieden werden
können, und die grossen Babesien, B. bigemina und B.
major, die sich morphologisch nicht unterscheiden
lassen. Entsprechend sind Nachweise dieser Parasiten,
welche nur auf morphologischen Kriterien beruhen,
mit Vorsicht zu beurteilen, und die genetische Identifizierung ist heutzutage Methode der Wahl.
Über Fälle von Babesiose beim Rind in Mitteleuropa
wird seit Anfang des 20.Jahrhunderts berichtet (GalliValerio und Stalder, 1918). In einer Übersichtsarbeit
wurden fünf Gebiete in der Schweiz beschrieben,
in denen in der Vergangenheit Babesienbefall beim
Rind nachgewiesen wurde (Aeschlimann et al.,
1975): nördlich von Lausanne (Bassin de la Venoge),
Thunersee-Gebiet, Jurakette, Wallis (Rhone-Ebene),
Südschweiz (Tessin und Val Mesox). In den meisten
Piroplasmen haben eine weite Verbreitung vor allem
in den Tropen und Subtropen, doch finden sie auch
in Mitteleuropa zunehmend Beachtung. Fälle von
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Piroplasmen der Wiederkäuer in der Schweiz
Tabelle 1: Piroplasmen von Wiederkäuern in Mitteleuropa:Arten,Wirtsspektrum und Übertragung.
Art
Erkrankung
(Pathogenität)
Wirtsspektrum in
Mitteleuropa
Babesia divergens
seuchenhafte Hämoglobinurie,Weiderot, Mairot
B. bovis
seuchenhafte Hämoglobinurie, unterschiedlich
virulente Stämme
enzootische Milzruptur,
wenig pathogen
Texasfieber,‘red waters’,
unterschiedlich virulente
Stämme
Rind,Wildwiederkäuer
(Gämse, Reh, Hirsch),
Mensch2
Rind
B. major
B. bigemina
Theileria. buffeliKomplex1
B. motasi
Rind,Wildwiederkäuer (?)
Rind
wenig pathogen
Rind
wenig pathogen
Schafe und Ziegen
B. capreoli
Babesia sp. EU1
1 T. buffeli/orientalis/sergenti Artkomplex; 2 bisher
Wildwiederkäuer
Wildwiederkäuer, Mensch2
Zecken-Vektor(en) (?= fraglich);
Zecken-Vorkommen in der
Schweiz
Ixodes ricinus; sehr häufig
Boophilus spp.; nein
Rhipicephalus bursa (?); (eingeschleppt)
Ixodes ricinus (?); sehr häufig
Haemaphysalis punctata;
vereinzelt im Tessin und Wallis
Boophilus spp.; nein
Rhipicephalus evertsi evertsi; nein
Rhipicephalus bursa (?); (eingeschleppt)
Haemaphysalis punctata (?);
vereinzelt im Tessin und Wallis
Haemaphysalis punctata;
vereinzelt im Tessin und Wallis
Haemaphysalis punctata;
vereinzelt im Tessin und Wallis
Ixodes ricinus (?); sehr häufig
Ixodes ricinus (?); sehr häufig
nur in splenektomierten Menschen nachgewiesen.
rer Babesiose erkranken. B. bovis, die andere kleine
Rinderbabesie, wurde morphologisch aufgrund der
zentraleren Lage im Erythrozyten im Vergleich zu
B. divergens im Unterwallis vermutet (Aeschlimann et
al., 1975). Die anerkannten Vektorzecken (Tab. 1)
dieser Art wurden jedoch in dieser Gegend nicht
gefunden. Die Übertragung durch B. bovis durch
I. ricinus wurde berichtet (Morisod et al., 1972), doch
bedarf dieser Befund weiterer Abklärungen.
Fällen handelte es sich um kleine Babesia-Arten, die
höchstwahrscheinlich B. divergens zugeordnet werden
können. Dies konnte kürzlich mit molekularen
Methoden sowohl für den Jura (Nachweis aus erkrankten Rindern) als auch für die Gebiete Tessin und
Puschlav (Nachweis in Zecken) verifiziert werden
(Casati, 2005; Hilpertshauser et al., 2005). Zudem
wurde B. divergens in neuen Gebieten in der Schweiz
identifiziert, nämlich im Raume des Lac de Gruyère
(Casati, 2005) und kürzlich im Zürcher Oberland
(präliminäre Daten der Forschungsgruppe von Prof.
H. Lutz und unseres Institutes). Überträger ist Ixodes
ricinus, eine der am meisten verbreiteten Zecken in
Mitteleuropa.
Berichte aus der Schweiz über den Nachweis grosser
Babesia-Arten des Rindes sind selten. Im Tessin wurden grosse Babesien im Blut nachgewiesen, und das
Vorliegen von B. major wurde vermutet, gestützt auf
das Vorkommen der Zecke H. punctata im Tessin
(Brossard und Aeschlimann, 1975). Diese Verdachtsdiagnose wurde jedoch nicht durch weiterführende
Untersuchungen bestätigt, doch konnte der Parasit
kürzlich in Zecken aus dem Tessin mit molekularen
Methoden identifiziert werden (Hilpertshauser et al.,
2005). Beim Anaplasmose-Ausbruch in einem Milchkuhbestand in Graubünden liessen sich auch grosse
Babesien diagnostizieren (Hofmann-Lehmann et al.,
2004), welche mit molekularen Methoden als B. bigemina identifiziert wurden; dies ist der erstmalige
Nachweis dieses Parasiten in der Schweiz (Hilpertshauser et al., 2005). B. bigemina ist weit verbreitet bei
Kühen im Mittelmeerraum. Im nächstgelegenen
Endemiegebiet, in Mittelitalien, wurde mit mikroskopischen Untersuchungen eine Herdenprävalenz
von 32% bestimmt (Savini et al., 1999). Die Fragen,
In einer Studie im Clos-du-Doubs wiesen 90% der
Rinder Antikörper gegen B. divergens auf, es erkranken aber nur etwa 1% der Tiere jedes Jahr in dieser
Gegend (Gern und Brossard, 1986). Die Mehrheit der
erkrankten Tiere war zwischen 9 Monate und 3 Jahre
alt. Die Erkrankungen wurden vor allem im Mai und
Juni, wie auch im September beobachtet, zusammenfallend mit der bimodalen Saisonaktivität von I. ricinus
(Gern et al., 1982). Tiere jünger als 9 Monate, die
infiziert werden, zeigen nur eine geringe klinische
Symptomatik, bedingt durch kolostrale Antikörper
und danach durch die Jugendresistenz. In dieser hoch
durchseuchten epidemiologischen Situation entsteht
eine endemische Stabilität ohne gravierende wirtschaftliche Verluste. Werden jedoch Tiere aus Nichtendemiegebieten importiert, können diese an schwe-
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Piroplasmen der Wiederkäuer in der Schweiz
hirschen in Schottland und England (Latif und Adam,
1973; Adam et al., 1976), in Rothirschen in Frankreich (Blancou, 1983) sowie bei mehreren plötzlich
verstorbenen Rehen in den Niederlanden (Dorrestein et al., 1996) B. capreoli vermutet. In kürzlich
publizierten Untersuchungen, welche sich auf molekulare Diagnostik (PCR/Sequenzierung) stützten,
wurde aber bei Wildwiederkäuern durchwegs B.divergens identifiziert, so bei sieben an einer BabesienInfektion verstorbenen Tieren einer Rentierherde in
Schottland (Langton et al., 2003) und bei Rehen und
Rothirschen aus Slovenien (Duh et al., 2005). Eigene
Untersuchungen ergaben ebenfalls den Befund B. divergens bei Zecken von Wildwiederkäuern aus dem
Tessin und dem Puschlav (Hilpertshauser et al., 2005)
sowie, im Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Prof. H. Lutz, bei einer Gämse und einem
Reh aus dem Zürcher Oberland. Diese jüngsten
Befunde von B. divergens bei Wildwiederkäuern
werfen die Frage auf, ob diese in der Epidemiologie
der bovinen Babesiose als Reservoirwirte eine Rolle
spielen.
Bei der Studie aus Slowenien (Duh et al.,2005) wurde
überraschenderweise auch Babesia sp. Genotyp EU1,
ein zoonotischer Erreger, in Milzproben von Rehen
mit PCR nachgewiesen. Unsere Untersuchungen an
Zecken von Wildwiederkäuern aus dem Tessin und
Puschlav ergaben ebenfalls Hinweise, dass diese Tiere
natürliche Wirte dieser Babesie sein könnten
(Hilpertshauser et al., 2005). Babesia sp. EU1 wurde
kürzlich auch aus Zecken nachgewiesen, welche im
Feld in der Gegend von Neuchâtel gesammelt wurden (Casati, 2005).
woher diese Erreger kamen, wie sie übertragen wurden und ob sie anderswo in der Schweiz vorkommen,
werden im Rahmen eines vom BVET unterstützten
Forschungsprojektes an unserem Institut untersucht.
Bei Schaf und Ziege in Mitteleuropa wurde ein als
apathogen geltender Stamm von B. motasi beschrieben (Tab. 1), welcher durch H. punctata übertragen
wird (Friedhoff, 1997).
Theileriose
Ebenfalls im Zusammenhang mit den Abklärungen
des Anaplasmose-Ausbruchs bei Kühen in Graubünden wurden Theilerien mittels PCR diagnostiziert
(Hofmann-Lehmann et al., 2004). Molekulare Diagnostik ergab den Nachweis von Theilerien des
Artkomplexes T. buffeli/orientalis/sergenti. Diese
Theilerien, welche allgemein als wenig pathogen
gelten, sind weit verbreitet in Südeuropa (Savini et al.,
1998; Ceci et al., 1999; Almeria et al., 2001; Georges
et al., 2001), und es wurden Prävalenzen von bis
100% gemeldet (Georges et al., 2001). In Mittelund Nordeuropa wurde auch über das Vorkommen
von Theilerien beim Rind berichtet (Friedhoff und
Liebisch, 1978; Purnell, 1978). Die verwendete Artbezeichnung T. mutans dürfte jedoch inkorrekt sein,
da die europäischen, kaum pathogenen Isolate sich
von den pathogenen T. mutans aus Afrika unterscheiden; vielmehr dürfte es sich in diesen Fällen um
T. buffeli handeln. Ausser im oben erwähnten Fall
wurde unseres Wissens in der Schweiz Theilerien bei
Rindern noch nie nachgewiesen. Die für die Übertragung dieser Arten in Frage kommenden Zecken
(Haemaphysalis spp., Tab. 1) wurden zwar in der
Schweiz punktuell gefunden (Aeschlimann und Papadopoulos, 1998; Bernasconi et al., 2002), doch fehlen
weitgehend systematische Erhebungen.
Zoonotische Bedeutung von Babesien
Babesien-Infektionen beim Menschen sind in den
USA von wachsender Bedeutung und gelten als
«emerging tick-borne disease» (Kjemtrup und Conrad, 2000). In 95% der Fälle bei immunkompetenten
Menschen handelt es sich um B. microti, eine Babesien-Art der Nager, die von Ixodes scapularis übertragen wird (Gorenflot et al., 1998), bei den anderen
Fällen um verschiedene Genotypen von Babesien
(WA1, CA1, MO1), welche am nächsten verwandt
sind mit B. divergens (Tab. 2). Seit 1969 der erste B. microti-Fall bei einem nicht splenektomierten Patienten
diagnostiziert wurde, konnten bis ins Jahr 2000 weitere 300 Fälle diagnostiziert werden (Kjemtrup und
Conrad, 2000) (Tab.2).Auch wurde bisher ein aus den
USA importierter Fall von B. microti in der Schweiz
diagnostiziert (Baumann et al., 2003).
Piroplasmen der Wildwiederkäuer
Beim bisher einzigen beschriebenen Fall einer Babesiose bei einem Wildwiederkäuer in der Schweiz
wurden kleine Babesien in Blutausstrichen von einer
Gämse aus Liestal entdeckt und B. bovis zugeordnet
(Bouvier, 1965). In Europa wurde eine B. divergensähnliche Babesien-Art in Wildwiederkäuern als B. capreoli bezeichnet. Erstmals wurde B. capreoli in einem
Reh in Deutschland beschrieben mit morphologischen Unterschieden bezüglich Grösse und Lage im
Erythrozyten im Vergleich zu B. divergens, B. major
oder B. motasi. Diese Babesien-Art konnte experimentell wohl auf Rot- und Damhirsche übertragen
werden, nicht aber auf entmilzte Rinder, Ziegen
und Schafe (Enigk und Friedhoff, 1962; Enigk und
Friedhoff, 1963). Bei serologischen Untersuchungen
und Analysen von Blutausstrichen wurde in Rot-
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B. microti ist in Europa in kleinen Säugern, vor allem
in Mäusen der Apodemus-, Clethryonomys-, Microtusund Mus-Gattungen sowie der Spitzmaus-Gattungen
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Piroplasmen der Wiederkäuer in der Schweiz
Tabelle 2: Molekulargenetisch charakterisierte Babesien, die bei Menschen diagnostiziert wurden.
Art oder Genotyp
Anerkannte Überträgerzecken
Babesia divergens*
Ixodes ricinus
Babesia sp. Genotyp EU1*
B. microti (USA)
B. microti (Europa)
Babesia spp.WA1, CA1, MO1
I. ricinus**
I. scapularis
I. trianguliceps, I. ricinus
?
Anzahl Patienten mit gesicherter Diagnose
(Ort); Referenzen
3 (Europa); (Berry et al., 2001; Centeno-Lima et
al., 2003; Olmeda et al., 1997)
2 (Europa); (Herwaldt et al., 2003)
mehr als 300 (USA); (Gorenflot et al., 1998)
Keine***
10 (USA); (Herwaldt et al., 2004)
* bisher nur in splenektomierten Patienten nachgewiesen, ** vermutet durch den Nachweis von Babesia-DNA in dieser
Zeckenart; *** Verdachtsdiagnose (Meer-Scherrer et al., 2004).
serologischen Studien lassen vermuten, dass zumindest in einigen Fällen Menschen mit Babesia-Arten in
Europa infiziert wurden. Die Vermutung, dass in der
Vergangenheit B. microti-Infektionen beim Menschen
wegen gleichzeitig vorliegender Lyme-Borreliose in
der Schweiz übersehen worden seien (Meer-Scherrer,
1999), muss mit weiteren Studien und spezifischen
Untersuchungsmethoden überprüft werden. Ein
sehr interessanter Fall einer Borreliose und vermuteter Piroplasmose, der von den Autoren als erster
autochthoner Fall einer B. microti-Infektion in der
Schweiz beschrieben wurde (Meer-Scherrer et al.,
2004), muss leider kritisch kommentiert werden.
Ein immunkompetenter Patient mit Zeckenexposition, Erythema migrans und serologisch positiver
Borrelia-Serologie zeigte 2 und 6 Monate nach
antibiotischer Chemotherapie unter anderem starke
Ermüdungserscheinungen, Muskelschmerzen und
Durchfall. Zu diesem Zeitpunkt war die BorreliaSerologie wiederum positiv, die Untersuchung auf
B. microti (in einem Privatlabor in den USA durchgeführt) war für IgG negativ, für IgM 1:40 positiv
und negativ in einer PCR (ohne Angaben der
Primer). Noch während der Tripeltherapie mit Antibiotika wurde die Babesien-Serologie auch für IgG
1:40 positiv, die PCR blieb jedoch negativ. Zum
gleichen Zeitpunkt wurden extra- und intraerythrozytäre Einschlüsse in nach Giemsa gefärbten Blutausstrichen entdeckt, die von den Autoren als B. microti
bezeichnet wurden. Einige Monate später jedoch
wurde wegen Verschlechterung des Zustands des
Patienten eine erneute PCR-Untersuchung auf
Babesien-DNA (in einem anderen Privat-Labor in
den USA) angeordnet und diese fiel positiv aus (wiederum keine Angaben zur PCR, mikroskopische und
serologische Untersuchungen nicht erwähnt). Leider
kann dieser Fallbericht in mancher Hinsicht nicht
ganz überzeugen. Bei einem solchen Krankheitsverlauf hätte die Serologie kaum bei einem sehr tiefen
Titer von 1:40 stagniert.Weiter ist nicht zu verstehen,
warum zum Zeitpunkt der angeblichen Parasitämie
die PCR negativ ausfiel, nach langer Therapie jedoch
positiv. Da eine professionelle Beschreibung der PCR
Sorex und Neomys verbreitet (Sebek et al., 1977;
Gern und Aeschlimann, 1986; Duh et al., 2003; Karbowiak, 2004).Wichtigste Überträgerzecke in Europa
ist I. trianguliceps, eine Art, die Menschen nicht befällt
(Randolph, 1995). Die Vektorkompetenz für I. ricinus
wurde experimentell belegt (Walter und Weber, 1981;
Gray et al., 2002) und B. microti-DNA wurde kürzlich
durch PCR in I. ricinus in Slowenien und Polen nachgewiesen (Duh et al., 2001; Skotarczak et al., 2002).
In der Schweiz wurde B. microti-DNA bei I. ricinusNymphen im Prättigau (Foppa et al., 2002) und in
2 von 246 I. ricinus-Nymphen (am Stadtrand von
Zürich gesammelt) mit PCR amplifiziert (Casati,
2005). Ähnliche Erreger, die mit Vorsicht als Babesia
spp. bezeichnet wurden, die jedoch wie von den
Autoren vermutet B. microti zugerechnet werden
können, wurden auch früher bereits in Mäusen der
Gattung Apodemus, Clethryonomys und Microtus gefunden (Aeschlimann et al., 1975; Gern und Aeschlimann, 1986). Es kann somit vermutet werden, dass
B. microti auch in der Schweiz in der Nagerpopulation
weit verbreitet ist.
Nach unserer Kenntnis wurden autochthone B. microti-Infektionen beim Menschen in Europa jedoch
noch nie bewiesen. In einer serologischen Untersuchung bei 396 Personen aus dem Prättigau zeigten
fünf Titer über 1:64, was von den Autoren bereits als
spezifische Reaktionen gewertet wurde (Foppa et al.,
2002). Bei einer weiteren, in der Nordschweiz durchgeführten Studie mit 75 Seren von Personen mit
nachweislicher Zeckenexposition und darauf folgender Fiebererkrankung wurde nur bei einer Probe ein
hoher Antikörpertiter nachgewiesen. Diese positive
Antikörperreaktion stammte von einem eingereisten
Amerikaner mit mikroskopisch gesicherter Babesiose
(Baumann et al., 2003). In einer sorgfältig evaluierten
serologischen Untersuchung bei 467 Personen mit
Zeckenexposition aus dem Rhein-Main-Gebiet in
Deutschland zeigten 5.4% einen Titer von ⱖ1:64,
was signifikant höher war als eine Kontrollgruppe von
gesunden Blutspendern (Hunfeld et al., 2002). Diese
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Piroplasmen der Wiederkäuer in der Schweiz
in der Publikation fehlt, kann die angebliche positive
Reaktion nicht kritisch hinterfragt werden und die
publizierten intra- und extrazellulären Gebilde lassen
keine Babesia-Artdiagnose zu.
schmerzen und Hämoglobinurie litt. Nach einer
Behandlung mit Clindamycin und Quininsulfat sank
das Fieber, und zehn Tage später konnten in Blutausstrichen keine Piroplasmen mehr festgestellt werden
(Olmeda et al., 1997). Der dritte Fall wurde in Frankreich behandelt. In Blutausstrichen eines splenektomierten Kaukasen wurden Babesien entdeckt und
mittels PCR als B. divergens identifiziert (die PCR
allerdings ist nicht überzeugend beschrieben). Auch
bei diesem Patienten trat rasche Besserung auf nach
Clindamycin/Quinin-Applikation und Bluttransfusion (Berry et al., 2001).
In Europa sind bisher beim Menschen etwa 30 Fälle
von Babesiose diagnostiziert worden. In der älteren
Literatur beruhte der Erregernachweis auf morphologischen Kriterien. Bei 23 splenektomierten Patienten konnten Babesia divergens-ähnliche Erreger
diagnostiziert werden (Kjemtrup und Conrad, 2000).
In wenigen Fällen wurden auch andere Babesien wie
B. microti, B. canis oder B. bovis vermutet (Gorenflot et
al., 1998). Nach neustem Stand der Forschung ist
jedoch eine morphologische Art-Identifikation von
Babesien bei nicht typischen Wirten kaum zulässig.
Kürzlich wurden drei B. divergens-Infektionen bei
splenektomierten Patienten molekular erhärtet. Bei
einer tödlich verlaufenen Infektion in einem splenektomierten Patienten aus Portugal gelang die Diagnose
vorerst durch die Analyse von Blutausstrichen, und
später wurde dieses Resultat mit PCR/Sequenzieren
bestätigt (Centeno-Lima et al., 2003). Trotz Therapieversuchen mit Clindamycin (600 mg iv. alle 6h),
Vibramycin (199 mg 2⫻ täglich), Quinin (600 mg
po. 3⫻ täglich) und einer Bluttransfusion verstarb der
Mann wegen eines Nierenversagens. Der in Portugal
lebende Mann war kurz vor seiner Erkrankung von
einer Reise nach Florida und Grossbritannien zurückgekehrt und hatte mehrere Jahre seines Lebens in
Südostasien verbracht (Centeno-Lima et al., 2003).
Weiter wurde eine B. divergens-Infektion mittels
Blutausstrichen und PCR/Sequenzieren bei einem
34-jährigen Patienten auf den Kanarischen Inseln
festgestellt, welcher unter Fieber, Schüttelfrost, Kopf-
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Kürzlich wurden bei zwei splenektomierte Patienten
aus Italien und Österreich Babesia-Erreger identifiziert, die zwar sowohl morphologisch mit B. divergens
identisch waren als auch im B. divergens-IFAT positive
Titer aufwiesen, aber sich anhand von den 18S
rRNA-Sequenzen von dieser Art eindeutig unterschieden und als Babesia sp. Genotyp EU1 vorläufig
typisiert wurden (siehe auch Babesien der Wildwiederkäuer). Beide Patienten erholten sich von der
Babesien-Erkrankung nach Clindamycin-Therapie,
wobei beim schwerer erkrankten italienischen Patienten auch Quininsulfat eingesetzt und eine Bluttransfusion vorgenommen wurde (Herwaldt et al., 2003).
Im Gegensatz zur Situation in den USA kann die
Babesiose des Menschen in Europa zurzeit nicht als
aufkommende Krankheit (‹emerging disease›) bezeichnet werden. Unklar sind die Gründe, die dazu
führen: ist B. microti, die für die Grosszahl der Babesiosen in den USA verantwortlich ist, weniger virulent
in Europa oder ist deren Zecken-Übertragung auf
den Menschen in Europa ineffizient?
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Piroplasmen der Wiederkäuer in der Schweiz
Piroplasmes des ruminants en Suisse et importance des Babésia en tant que Zoonose
Piroplasmi nei ruminanti in Svizzera e significato zoonotico della babesia
Les piroplasmes sont des parasites sanguins des
espèces Babesia et Theileria qui sont transmis par les
tiques. En Suisse occidentale et méridionale, Babesia divergens, une babesia de petite taille est connue
depuis longtemps comme parasite des bovins. Des
examens récents ont montré la présence autochtone de ce parasite en Suisse centrale et orientale
également. Lors d’un cas d’anaplasmose aux Grisons, on a toutefois identifié pour la première fois
chez des bovins Babesia bigemina, une babesia de
grande taille ainsi que des Theileria des variétés
buffeli/sergenti/orientalis; l’épidémiologie de ces
deux piroplasmes est toutefois encore inconnue en
Suisse. La présence de Babesia divergens chez des
ruminants sauvages, demontrée récemment par des
analyses génétiques, fait douter de la haute spécificité d’hôtes de cette variété pour les bovins, telle
qu’elle a été postulée jusqu’à présent. Babesia divergens ainsi que les espèces babesia du génotype EU1
qui en sont proches parentes ont été mises en
évidence ponctuellement chez des humains splenectomisés. Babesia microti, qui cause aux EtatsUnis une infection humaine considérée comme
«emerging tick-borne disease», est largement représentée dans la population de rongeurs en Suisse
mais semble n’avoir chez nous qu’une faible importance en tant que zoonose. Ceci peut s’expliquer
par une virulence variable de l’agent ou par une
transmission différente selon les espèces de tiques
présentes sur les deux continents.
I piroplasmi sono parassiti del sangue del genere
babesia e theileria che vengono trasmessi dalle
zecche. Nella Svizzera meridionale e occidentale la
Babesia divergens, una piccola specie di babesia, è già
da molto tempo conosciuta quale parassita nei
bovini. Le più recenti analisi hanno trovato questo
parassita in forma autoctona anche nella Svizzera
centrale e orientale. Nei bovini, in occasione di
un’epidemia di anaplasmosi nei Grigioni sono state
identificate per la prima volta B. bigemina, una
grande specie di babesia e theilaria della specie
complessa buffeli/sergenti/orientalis; l’epidemiologia
di questi due agenti patogeni di piroplasmi è finora
sconosciuta in Svizzera. Le prove risultanti dalle
analisi genetiche effettuate ultimamente di B. divergens nei ruminanti selvatici contrastano la finora
postulata alta specificità dell’ospite di questa specie
di babesia nei bovini. B. divergens come anche
l’apparentata Babesia sp. genotipo EU1 è stata
riscontrata in casi particolari anche in persone
che hanno subito una splenectomia. La babesia dei
roditori B. microbi che provoca nell’uomo un’infezione chiamata negli USA «emerging tick-borne
disease», è molto diffusa nella popolazione di roditori svizzeri ma da noi risulta di poco significato
come agente patogeno di una zoonosi. Motivi di
questa differenza possono essere la differente virulenza dell’agente patogeno o la diversa trasmissione
grazie ai rispettivi vettori (zecche) sui due continenti.
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Korrespondenzadresse
PD Dr.Alexander Mathis, Institut für Parasitologie,Winterthurerstr 266A, 8057 Zürich;
Tel. +41 44 635 85 36; E-Mail: alexander.mathis@access.unizh.ch
Manuskripteingang: 16. November 2005
Angenommen: 25. November 2005
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