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Par tous les sens traverse 201 5/2 Zusammenfassung I Vom Tasten, Hören, Riechen und Sehen unter Grund Sinn und Sensitivitäten der lnnerlichkeit Verschiedene sinnliche Praktiken - vom Lärm der (Kuh-)Glocken während des Karnevals bis zum Geruch der Osterpasteten und zur Zurschaustellung der häuslichen Wäsche - öffnen einen Weg, der zum unergründlichen Sinn (Sensory Politicsr im Angesicht der nuklearen Apokalypser Silvia Berger Ziauddin der Innerlichkeit führt, der in einer matri-uxorilokalen Gesellschaft auf den Zykladen dominiert. ( U b e r s et zun g : Anj o Rathmann- Ltrtz) "Five - four - three two one." Greissendes Licht lässt die uniformierten Männer in ihren Schützengräben zusammenzucken, eine gewaltige Druckwelle f.egt über " sie hinweg und wirb ,-,'.t -' spüren sie' -^-^::_ Lippen epressten wie der Boden unter und ein dunkles Grollen, die Männer halten die H er die Ohren. Als das Grollen nachlässt, heben sie ihre Köpfe. Behände klettern die soldaten aus den Erdlöchern und laufen auf die pilzförmige wolke zu, diesich vor ihnen auftürmt. Die Szenen spierten sich im Sommer r95i inder wüste Nevadas ab. Anlässrich der Truppenübung <smoky> führten amerikanische und kanadische Infanteristen weniger als zehn Kilometer entfernt von einer real detonierenden Atombombe im spengebiet der Nevada Tþst site taktische Manöver durch. Jahrzehnte später stellte man bei den Teilnehmern des Truppentests stark erhöhte Raten an Leuk_ ämie und Schilddrüsenkrebs fest.2 Atommächte erfuhren bis zum Atomteststopp_ e l.r4ilitärs, Wissenschaftler, Behördenvefireter, nenLeibFürdieüberwiegend"#;ä*:ff:T:ïï,i;ffiä.i::;ffiåî 130 imzeitalter des Kalten Krieges ausserh: rb der Möglichkeit einer unmitterbaren wahrnehmung. wie patrick Bernhard und Holger Nehring betonen, war der ostwest-Konflikt primär ein <imaginärer Kriegr,ìelcher der Einbildungskraft der Menschen Gewart antat, nicht so sehr abe, irr"n Körpern.3 Erweist sich eine auf den gesamten Körper und die fünf sinne fokussie¡te Geschichte der Bombe im <<radikalen Zeitalter>>a deshalb als undurchführbar? Diehistorisch-anthropologische Forschung zur atomaren Bedrohung legt diesen Schluss nahe. werden sinnliche wahrnehÀungen der Bombe thematisiert, dann verhandelt man sie, wie dies Joseph Masco g"tun hut, im Horizont des nucrear uncanny. Masco versteht. darunter einen alltäglichen wahrnehmungsraum aus Beklemmung und sensorischer Konfusion, ¿Jn er zum einen auf die Raum-/ Zeitkontraktion zurückführt, welche die thermonukreare vy'affentechnologie mit sich brachte (die welt war immer nur wenige Minuten entfernt von einer nukle_ 131 Mll ailen 5tnnen traverse 201 5/2 aren Apokalypse), zum andern aber auch auf die physische Eigenheit nuklearer Materialien, insbesondere die unsichtbare, tödliche Radioaktivität. Das nukleare unheimliche mit seinerAlles-oder-Nichts-Kosmologie habe den Körper üb efteizt, was zur Folge hatte, dass den eigenen sensorischen wahrnehmungen scheinbar nicht mehr zu trauen war.5 Als Ausweg flohen die einen in eine Anästhetisierung: In einer welt voller neuer Gefahren zogen sie sich mental zurück und weigerten sich, überhaupt an die Bombe zu denken. Andere wiederum gewannen der Bombe einen ästhetischen Genuss ab und rückten sie so in den Bereich des Sublimen. Angestossen wurde dieser prozess durch Behörden und wissenschaftler, welche spezif,sche Bilder der Bombe mit dem zier verbreiteten, eine emotional alerte, jedoch nicht panische Gesellschaft zu produzieren eine <bomb-proof society>. Masco argumentiert, die Zivilschutzprogramme der usA hätten eine ästhetische Politik verfolgt, bei welcher die eigene Zerstörung geradezuhypnotisch fokussiert wurde durch die verbreitung von Fotos von Feuerbällen, Atompilzen und Ruinen von uS-Städten, aus denen nach dem Atomschlag unversehrre Familien mit dem wiederaufbau begannen. Er etabliert damit eine Lesart des Atomzeitalters, in welcher visuelle Imaginationen zur primären Sinneswahrnehmung erhoben werden: Es ist das Betrachten und die Kontemplation von Bildern nukìeare¡ Explosionen und Ruinen, die gekoppelt mit einem spezifischen <<nukespeak>>6 der Behörden und wissenschaftler die psychischen welten und die Gefühle der US-Amerikaner beeinfl ussten.? Mit meinem Beitrag möchte ich die postulierte Dominanz des Sehsinns infrage stellen. Denn beim Fokus auf die Aneignung der Bombe durch zirkulierende Bilder (und rexte) wird allzu schnell vergessen, dass das nukleare zeitaltet auch reale Bauten hervorgebracht hat, die gegen die Effekte eines Atomkriegs schützen sollten und damit das körperliche sensorium der Menschen qua materiellem schutz gegen die Bombe umfassend miteinbezog. Die Rede ist von den <<fallout shelters> oder Atomschutzbunkern. Diese abgeschlossenen, künstlich beleuchteten und engen Räume stellten für die Haptik, das Gehör, den Geruchsund Geschmackssinn ebenso wie den Sehsinn eine beispiellose Herausforderung dar. um die Überlebensfrihigkeit der Bevölkerung im Angesicht der nuklearen Apokalypse zu garantiercn, mussten sich die Behörden zwangsläufig mit allen Sinnen unter Grund beschäftigen. Die Bunker-Sinne sollten derrn auch, wie ich im folgenden Fallbeispiel aus der Schweiz zeigen werde, einem umfassenden staatlichen Zugnff uúerworfen werden. 132 Ausgangspunkt meiner historischen Tiefenbohrung an der schnittsteile von sinnesgeschichte, Körpergeschichte, Emotionsgeschichte und Raumgeschichte sind shelter habitability studies. unter diesen studien sind die Anstrengungen von wissenschaftlern verschiedenster Disziplinen zu verstehen, physiologische, soziale und psychologische Effekte des Aufenthalts in schutzräumen zu unter- Berger Ziauddin: Vom Tasten, Hören, Riechen und Sehen unter Grund suchen. Sie Westdeutsch lanciert.s In hörden in den USA, Grossbritannien, und der Schweiz seit den l950er_Jahren man dabei auch verschiedene Gruppen im Bunker aus. Die Versuchsteilnehmer achtet, Variablen wie Temperatu¡ Licht_ verschiedene Einrichtungen getestet. die Bevörkerung enrsrand in der Schwe,, ;1"tiffä;îYffiïiï1i::ï",i ntren und parkhäusern eingebauten Matrix, die den Nuklearkrieg für die gtäglich aktualisierte und die Frage nach habensichdieZiv'schürzerdiese.","illlìol"ttJ:ïlrît'""ff li:i:,t"'fiiî der Schutzraumsubjekte angeeignet? Inwiefern wurden die sinne unter Grund für die Herstelrung einer emotional gefestigten Nation instrumentalisiert? werche sensorischen Träume und und phun,ur-"î brachen sict im unt"rgrund Bahn? Paradigmatische Weichenstellungen ImAnschluss an die Verankerung des Gründung des Bundesamts Zivits fi)r der Zivilschu tzgesetzgebungen (1962/ 63. Aufmerksamkeit zunächst auf den baulicien Sekto¡. Es galt, mögrichst rasch tech_ nische Richtlinien für die Erstellung von schutzräumen zu entwickeln. Gemäss dem 7964 in Kraft tretenden Baumassnahmengesetz, das alle Hauseigentümer zum Einbau von Schutzräumen in Neubauten und bei grösseren umbauten ver_ pflichtete, sollten die Sicherheitszeilen im Keiler sowohl gegen die Effekte eines Atomkrie chutz bieten. Exp nahmdie Eine enschaftle¡n weisungen für den privatschutzrauh, ku¡z Twp66, auf der mathematischer Optimierungsstudien vor.e Dank dem zeitgleich einsetzenden Bauboom ""rrr'i#;t""1ï begannen sich in der Folge bis ins privatschutzrâume letzte Detail standardisierte rasend schnell im schweizer untergrund zu verbreiten. Bis 1970 verdopperte sich de¡ Bestand von 50000 auf 100 000 Personenschu tzrätme,womit u"r"it, für die Hälfte der Bevölkerung ein Schutzplatz im untergrun-d bereitstand.r' Aufgrund der sich materialisierenden Sicherheitsarchitektur und d er in der zivirschuäkonzep tion i rfestgehalten Dok_ trin, dass die Schutzräume ab einem bestimmten SpannungsniveauLvorsorglich, 133 traverse 201 5/2 Berger Ziauddin: Vom Tasten, Hören, Riechen und Sehen unter Grund z;ubeziehen seien,rr rückten seit Ende der 1960er-Jahre Fragen zum Bezug und Aufenthalt im Schutzraum immer mehr in den Vordergrund. 1967 wurde von Im Folgenden werde ich zwei, für die schweizerisch en habitability studies zentrale Laborstudien exemplarisch in den Blick rücken und anhand der experimentellen Mit allen Sinnen der Sntdienkommission für Zivilschutz eine Untersuchung aller Faktoren gefordert, die für das Überleben der Bevölkerung in der Vorangriffs-, Angriffs- und Nachangriffsphase eines Atomschlags von Bedeutung waren. Das Grundlagenproblem des Ûberlebens in Schutzräumen überantwortete man Werner Heierli, einem Bauingenieur mit eigenem Büro und Studien- und Arbeitserfahrungen in den USA, der schon bei der Ausarbeitung der technischen Richtlinien für Schutzbauten eine massgebliche Rolle gespielt hatte.r2 Heierlis Ingenieurbüro lancierte in der Folge in Zusammenarbeit mit medizinischen Fachleuten und Zivilschutzvertretern mehrere Studien und Laborversuche, die sich bis weit in die 197Oer-Jahre erstreckten. r3 Epistemisch und methodisch legte Heierli von Beginn weg Prämissen für die schweizerische Grundlagenforschung zum Überleben im Schutzraum fest. Basierend auf der Annahme, dass der Mensch in Extremsituationen zu Aussergewöhnlichem fähig sei und sich in bisherigen Katastrophen und Kriegen (insbesondere dem Zweiten Weltkrieg) meist <<zweckmässig> und nicht etwa panisch verhalten habe,ra sollte das Erkenntnisinteresse nicht psychologischen oder gruppendynamischen Fragen gelten. Im Zentrum stand vielmehr die Auslotung von körperlich vertretbaren Mindestwerten. Gelänge es, Mindestanforderungen für das physiologisch Tragbare im Schutzraum zu eruieren, so Heierlis These, würde alles <normal funktionieren>.t5 Die Konzipierung des Menschen als homogenes Subjekt, das sich grundsätzlich rational verhält und sehr anpassungsfähig ist, sowie die kategoriale Gleichschaltung des Atomkrieges mit Katastrophen und konventionellen Kriegen bildeten auch die Basis für die Entscheidung, welche Methoden zum Einsatz kamen. Erstens studierten Heierli und seine Mitarbeiter wissenschaftliche Literatur zum LuftschutzimZweiten Weltkrieg, aber auch Berichte über räum- liche Beengtheit wie etwa in Konzentrationslagern oder auf Sklavenschiffen.l6 134 Zweitens konsultierte man Belegungsversuche aus dem Ausland; deutsche und skandinavische Studien wurden dabei mit besonderer Aufmerksamkeit gelesen, da sie physiologischen Aspekten die grösste Bedeutung zumassen.rT Drittens veranlassten Heierli und sein Team selbst Laborstudien. Vor dem Hintergrund des von ihm entworfenen rationalen Menschenbilds wurde der Einbezug <normaler> Gruppenkompositionen (Männer, Frauen, Kinder, Alte, Kranke) in die Versuche nicht als notwendig erachtet. Zu Beginn zeichneten sich die schweizerischen Studien gar durch eine eklatante Absenz realer Menschen im Überlebenslabor Bunker ab. So fühfe die Arbeitsgruppe Grundlagen der Studienkommission für Zivilschutz 1968 etwa Versuche zum Raumklima in Privatschutzräumen durch, bei welchen über mehrere Monate hinweg mittels Wärme- und Feuchtigkeitsquellen menschliche Aktivitäten im Raum simuliert wurden.rs versuchsanordnungen und Praktiken diskutieren, welche Sinneswahrnehmungen darin adressiert wurden. Haptische Geografien im Bareggtunnel Anfang der 1970er-Jahre projektierten die Behörden für den SonnenbergStrassentunnel bei Luzern und den Milchbucktunnel bei zirich grosse Zivilschutzanlagen. Die zu erstellenden Tunnelröhren sollten bei einem atomaren Angriff unterkunft für 20 000 beziehungsweise 25 000 personen bieten. um die mobilen Einrichtungen für den Daueraufenthalt möglichst <<wirklichkeitsnah>> zu studieren, führten die Zivilschutzverantwortlichen der Städte Luzern und ztrich im Frühling 1970 einen zweimonatigen versuch durch. Als ort der Laborstudie wurde der kurz vor seiner lnbetriebnahme stehende Bareggtunnel bei Baden ausgewählt. Für die Disposition, organisation undAbwicklung zeichnete das Ingenieurbüro Heierli verantwortlich. Im technischen Bericht des Büros ist nachzulesen, dass im Bareggtunnel ein Möblierungsversuch vorgesehen war, bei dem diverse Räume - etwa separate Liegeräume für die Allgemeinheit, die Blockleitung und für Kleinkinder - getestet werden sollten im Hinblick auf Gerüstkonstruktion, Stoffbespannung, Verschnürung, Vorhänge, <<räumlichen Eindruck> und Zugänglichkeit. te Betrachtet man die versuchsanlage, so fällt auf, dass im Bareggtunnel in erster Linie die haptische Geografie von Schutzräumen auf den prüfstand gestellt wurde. Haptische Geografien umfassen die taktile Rezeptivität der Haut, die Bewegung von Körperteilen und die Lokomotion des gesamten Körpers in seiner umwelt. Der haptische Sinn, konstatiert Paul Rodaway, <<is more than the action of the fingers feeling the texture ofsurfaces. Touch involves the whole body reaching out to the things constituting the environment and those things, or that environment, coming into contact with the body.>2' wie nun der Körper mit der Schutzraum- umwelt in Kontakt kam und diese mit ihm - wie sich also die Reziprozität des haptischen systems im Bunker gestaltete -, wurde durch kurzfristige Belegungen verschiedener Einrichtungen mit Puppen und Freiwilligen getestet. Auf der Basis dieser Tests schickten sich die studienleiter an, die haptische Geografie des Tunnels zu normieren. So legte man Mindestwerte für Körperbewegungen im Liegen, Schlafen und wachzustand fest, indem dreistöckige Liegestellen mit Abmessungen von jeweils 190 zentimeter Länge, 7o zentimeter Breite und 65 z'entimeter lichter Höhe pro Person (für Babyliegen 90 x 60 x 50 Zentimeter) sowie spezifische Masse und Anordnungen der Aufenthaltsräume empfohlen 135 Mit allen Sinnen traverse 201 5/2 wurden.2r Die taktilen Erfahrungen wurden durch die Festlegung der Beschaffenheit von Oberflächenstrukturen wie Stoffen und Vorhängen geregelt, Kontakte mit anderen Körpern durch die Einführung von Abteilen, mobilen Trennwänden und separierten Toilettenräumen. Der Versuch etablierte damit ein Regime, das die Bewegungen, Kontaktnahmen und Lokomotionen von Körpern im Raum regulierte und mit einem genauen Mass ausstattete. Im Labor Bareggtunnel wurde allerdings nicht nur der haptische Sinn adressiert, obgleich dieser unverkennba¡ im Vordergrund stand. Er wurde auch im Zusammenwirken mit auditiven, visuellen und olfaktorischen Sinneseindrücken untersucht. So montierte der Fachgruppenleiter <.Übermittlung> Lautsprecheranlagen, um Tonfrequenzen, die Silbenverständlichkeit von Mitteilungen und diverse MusikprograÍrme zu testen. Überdies wurde die Farbgebung der Liegeräume geprüft, und in Einzelversuchen erprobte man verschiedene Arten und Qualitäten von Tag- und Nacht-Beleuchtungen, die das eingeschränkte Sehen im Tunnel kompensieren und die Orientierung im Raum erleichtern sollten. Auch der von der Ventilation verursachten Luftbewegung schenkte eine Versuchsgruppe Aufmerksamkeit, um Aufschluss über Geruchsemissionen und Störungen der Schlafqualität zu erhalten.22 All diese Sinneswahrnehmungen galt es in den Augen der Versuchsleitung zu modulieren, wollte man das <\ù/ohlbefinden>, die <freundliche Atmosphäre>> und den <Komfort> im Raum fördern. Eine mehrtägige Belegung durch Testpersonen zog man im Bareggtunnel nicht in Erwägung. Dass letztlich ein über mehrere Tage hinweg dauernderAufenthalt von Menschen im Uberlebenslabor unausweichlich war, hatten jedoch die im Jahr 1968 durchgeführten, mit technischen Apparaturen simulierten Belegungsversuche erstmals angedeutet: Unerwartet starke Feuchtigkeitsentwicklung und massive Temperaturerhöhungen drohten die Existenzbedingungen unter Grund zu gefährden, und auch die bislang berechneten Frischluftmengen schienen angesichts der Simulationen ungenügend. Nach längerer Vorbereitungszeit fasste die Studienkommissionfür Zivilschutz deshalb den Plan, eine Gruppe von Testpersonen eine rùy'oche in einen Schutzraum einzuschliessen und zu prüfen, welche Klimaveränderungen dabei zu beobachten waren und wie sich die <Extremsituation>> auf die Versuchsgruppe auswirkte.23 Multisensorische Geografien in Niederhasli 136 An einem sonnigen Tag im August 1973 entledigten sich 25 Männer im Alter von 25-51 Jahren ihrer Kleider und begaben sich mit Unterleibchen und kurzen Hosen in den 25 Quadratmeter grossen Schutzraum der Firma Lanz +Frei in Niederhasli (ZH). Um 16.00 Uhr wurden die massiven Stahlbetontüren geschlossen und Berger Ziauddin: Vom Tasten, Hören, Riechen und Sehen unter Grund die ventilation in Betrieb genommen. Für die nächsten sieben Tage sollten die aus Mitarbeitern kantonaler zivllschutzämter, dem Bundesamt für Zivilschutz, privaten Ingenieurbüros und dem Laboratorium wimmis zusammengesetzte Schar Freiwilliger erfahren, was es hiess, den Atomkrieg im schutzratrm zu <überleben>. Im vorfeld des sogenannten Belegungsversuchs <v73> waren sie vom operativen Leiter Fred wälchli (Ingenieurbüro Heierli) informiert worden, das Experiment diene der Ermittlung konkreter Daten zum Schutzraum-Klima. Gleichzeitig gelte es aber auch Schutzraumeinrichtungen, Trinkwasserreserve, Schutzraumbetreuung und vieles mehr eingehend zu prüfen.2a Tatsächlich markierte <v73> die umfassendste schweizer Laborstudie, welche die multisensorische Herausforderung im Angesicht der Bombe adressierte. Die Effekte eines Daueraufenthalts in einem engen, düsteren, heissen und stickigen Bunker auf den Menschen wurden dabei von einem versuchsarzt ermittelt, der täglich Fragebögen verteilte, die aufdas individuelle Befinden und die sozialen Interaktionen abzielten.In der versuchsanlage kommt zum Ausdruck, dass von einer direkten Korrelation zwischen Klima, plafz,Larm,licht und wasser/Nahrung einerseits und psychischem Befinden und Gruppénverhalten andererseits ausgegangen wurde. ziel war es deshalb, körperlich-sinnliche Minimalanforderungen zu ermitteln, um darauf aufbauend die psychologie und soziologie des Raumes zu steuern. Die Messungen der Gruppe Klima-Messtechnik zeigten, dass die von den zivllschutzverantwortlichen ursprünglich befürchteten extremen Anstiege von Luftfeuchtigkeit und remperatur ausblieben.25 Gemäss Schlussbericht stieg die Temperatur nur bei grosser Aktivität der Teilnehmer stark an und führte dann auch zu körperlichen Belasiungen. Als klimatisch durchaus erträgliche werte sowohl für den Einzelnen als auch das Kollektiv ermittelte man'werte von 28 Grad und 80-90 Prozent Raumfeuchtigkeit. Auch bezüglich der antizipierten Kondensation konnte Entwarnung gegeben werden; diese trat an vy'änden und Boden praktisch nicht auf.26 Die dreistöckigen Liegestellen mit den im Bareggtunnel-versuch standardisierten Abmessungen bewährten sich gut und erlaubten ein <entspannendes und durch den Nachbar nicht eingeengtes Ausruhen>>27 (vgl. Abb. 1, S. 139). ztfrieden schien man auch im Hinblick auf die standardisierte Beleuchtung (Fluoreszenzlampe, Lämpchen des ventilationsaggregats), die eine visuelle orientierung im Raum in der Schlaf- und wachphase ermöglichte, sowie auf die vom ventilationsaggregat ausgehende Lärmemission. Letztere lag im möblierten Raum bei 59 Dezibel und störte die versuchsteilnehmer nicht entscheidend. Nach einigerzeithörten sie das Aggregat dank gleichbleibendem Geräuschpegel nicht mehr.28 Bezüglich den olfaktorischen Herausforderungen im Raum bewährte sich der Entscheid, den Toiletten¡aum mit Trockenklosett direkt unterhalb des 137 Mit allen Sinnen trâverse Berger Ziauddin: Vom Tasten, Hören, Riechen und Sehen unter Grund 201 5/2 Überdruckventils einzurichten. Unangenehme Gerüche konnten so ullmittelbar ins Freie geleitet werden.2e Auch die Querbelüftung bei den Liegestellen - ein Abstand von l0 Zentimetern zwischen Liegestellen und Wand - führle dazu, dass man durch Geruchsemissionen kaum belästigt schien.30 In einer abschliessenden Presseorientierung resümierte die Versuchsleitung: Die Laborstudie <V73>> habe <die grosse AnpassungsfähigkeiÞ des Menschen an niedrigen Komfort und relativ hohe Temperaturen und Feuchtigkeit bestätigt. Alle Teilnehmer hätten die Anforderungen sowohl körperlich als auch psychisch <gut ertragen>), der Versuch dürfe als <<voller Erfolg> bezeichnet werden.3l das Tagebuch des Schutzraumleiters und den Bericht des Arztes, erhält das ausnahmslos positive Bild allerdings Risse. So notierte det Atzt während des Versuchs verschiedenartige <Anpassungsbeschwerden>>: Ubelkeit, Erbrechen, Magen-Darm-Störungen, Kopfschmerzen und häufige Einschlaf- und V/irft man einen Blick auf Durchschlafstörungen. Auffällig schien ihm besonders der Schlafmittelverblauch, der gegen Versuchsende massiv zunahm und von der Einnahme von Tranquilizern begleitet wurde. Das Tagebuch des Schutzraumleiters akzentuiert diese Befunde. So notierte er am zweiten Tag Erbrechen, starkes Kopfweh, Unbehagen und Passivität angesichts der hohen Temperaturen. Die Haut fühle sich <immer etwas feucht an>, man schwitze sofort bei geringer körperlicher Belastung und alles <stinke ein wenig>>. Zugleichbefürchtete er für den kommenden Tag <die ersten l: Laborstudie <V73>. Entspanntes Ausruhen im Bunker. (Zivilschutz 10/20 il9731,356) Abb. Zusammenstösse> und sprach die bange Hoffnung aus, es möge genügend Männer geben, <<die ihre Nerven nicht verlieren>>.32 Daztt sollte es jedoch nicht kommen. Durch das reduzierte Programm in der zweiten Hälfte der Versuchszeit und das Appellieren an den eigenen Willen schien der Abbruch des Versuches gebannt. Passivität, Gereiztheit, Erbrechen, Kopfweh und massive Schlafstörungen: Mussten diese, der Öffentlichkeit verschwiegenen Resultate die Verantwortlichen nicht aufhorchen lassen? Wenn eine Gruppe eingeschworener Angehöriger und Fachleute des Zivilschutzes nach einer'Woche im geschlossenen Bunker auf die Einnahme von Beruhigungs- und Schlafmitteln angewiesen war, um die Laborsituation zu meistern, wie sollte dann eine dem Bevölkerungsquerschnitt entsprechende Gruppe den offiziell geforderten zweiwöchigen autarken Aufenthalt unter Grund bei einem realen Atombombenangriff bewältigen? Konnte mit der sensorischenAusmessung des Raums und der Festlegung physiologischer Mindestwerte ein geordnetes Leben im Angesicht der Apokalypse tatsächlich Als Synthese der eigenen LaborVersuche und der Auswertung ausländischer Literatur verfasste Werner Heierli im Verlauf der 1970er-Jahre diverse Publikationen. Seine Monografie Uberleben im Ernstfall, 1982 auf Deutsch und Englisch erschienen, repräsentierte dabei das umfangreichste Werk zur Thematik.3a Auch an der Ausarbeitung des Schutzraumhandbuchr war er beteiligt, das 1978 vom Bundesamt für Zivilschutz als <Arbeits- und Führungshilfe> für die Schutzraumleitungen herausgegeben wurde.35 Dreh- und Angelpunkt eines letztlich doch nicht regulierbaren Lebens im Schutzraums erfolgen, sondern dieser Texte war die Installation eines Bunkerregimes, welches das Überleben unter Grund in eine sensorisch genau berechen- und handhabbare Grösse überfúhrte. Neben den weiter oben be¡eits dargelegten Abmessungen und Arrangements von Liegestellen und Toiletten bezifferte dieses Regime die Minimalanforderungen für das Überleben mit einer Lärmbelastung von maximal 65 Dezibel, Klimawerten von maximal 29 Grad Celsius bei 100 Prozent Luftfeuchtigkeit und Lichtstärken von mindestens 30 Lux tagsüber. Unabdingbare Basis bildete selbstverständlich Wasser (3 Liter pro Tag und Person) und lediglich die <potentielle Suchtgefahr>> von Schlafmitteln untersuchen.33 Überlebensnahrung.36 gewährleistet werden? Der Schlussbericht zum Laborversuch <V73> gibt auf diese Fragen keine Antwort. Angemerkt wird zwar, die Zlunahme des Schlafmittelkonsums bedürfe einer näheren Abklärung. Diese sollte aber nicht etwa im Hinblick auf die Eventualität 138 <Sensory Politics> und die Utopie einer sedierten Gesellschaft 139 I_ 201 5/2 Berqer Ziauddin: Vom Tasten, Hören, Riechen und Sehen unter Grund Entscheidend festzuhalten gilt nun, dass in den Augen der Zivilschutzfachleute Angstreaktionen, Apathie, Pessimismus oder der Verlust des Selbsterhaltungstriebes vermieden werden konnten, wenn <<die Sinnlichkeib> des Bunkers mit diesem Katalog an Minimalanforderungen gesteuert und normiert wurde. Die sensorischen Praktiken im Rahmen der schweizerischen Laborstudien trugen folglich zu einem Regulierungswissen bei, das letzten Endes der Schaffung einer emotionalen Geografie des nationalen Überlebens dienen sollte. Die Zivilschützer verschrieben sich einer s¿¡¿sory politics, bei welcher die Denk- und Gefühlswelten der Bürger via Modulationen der sinnlichen Umweltstressoren kanalisiert wurden, um unerwünschte Emotionen, Verhaltensweisen und Phantasien im Bunker zu eliminieren. Sie trugen mit diesen auf den Bevölkerungskörper zielenden Verfahren und Techniken zu einer umfassenden Gouvernementalisierung der Schutzraumgesellschaft und ihrer Subjekte bei. Emotionale und multisensorische Geografien sind im Kalten Krieg auf engste miteinander verwoben. Die eingangs zitierte These Joseph Mascos bedarf deshalb einer Revision: Es ist keineswegs nur der Sehsinn, der zur emotionalen Kontrolle der Gesellschaft und zur Produktion doziler Bürger im Angesicht der Bombe instrumentalisiert wurde. Ich möchte vielmehr argumentieren, dass der Staat eine auf das Sehen ebenso wie die haptischen, olfaktorischen und akustischen Vy'ahrnehmungen zielende Steuerung und Regulierung der Sinne lancierte, um eine <bomb-proof society>> herzustellen. Die behördlichen Weisen des Regierens unter Grund konnten mithin illiberale Zige annehmen.3T Dies manifestiert sich gerade mit Blick auf die Führungsstrukturen im Bunker, die ich zum Schluss kurz beleuchten möchte, da sie auf eine grundlegende Paradoxie der sensorischen Politik des schweizerischen Zivilschutzes verweisen. Nach Heierli sollte der Schutzraumchef nicht eine demokratische, sondern eine <<autoritäre> Gruppenleitung pflegen, klare Befehlshierarchien installieren und eine <<scharfe> Disziplin einfordern.3s Neben der Beschäftigung und Information der <<Schutzrauminsassen>> und demAppellieren an das gemeinsame Ziel (Verteidigung der Unabhängigkeit der Schweiz) galt als weitere zentrale Leitungsaufgabe die aktive Förderung des Schlafes. Immer wieder durchzieht der Schlaf Heierlis Schriften und wird in zunehmendem Masse zumAllheilmittel erkoren, um den sinnlichen Herausforderungen des Raumes zu begegnen. Schlafen im Bunker bot für ihn unschätzbare Vorteile: die Menschen brauchten weniger Platz, produzierten weniger rüy'ärme, Wasserdampf, Lärm und Geruch, sie benötigten keine Beleuchtung und mussten nicht diszipliniert werden. Es war deshalb <durchaus erwünscht, dass viel geschlafen und geruht wird>.3e Gerade bei Panikreaktionen und Erregtheit einzelner Individuen durfte der Schlaf nach Heierli auch <<erzwungen>> werden, indem der Schutzraumleiter <<gezielt>> Schlaftabletten einsetzte.a0 An dieser Stelle, ebenso wie bei der empfohlenen Ausstattung der Schutztaùmapotheke mit Beruhigungsmitteln, schimmert das Begehren nach der Eliminie- Mit allen Sinnen 140 traverse rung oder zumindest möglichst umfassenden Eindämmung alles Sinnlichen im Bunker durch - die Utopie einer sedierten Gesellschaft, die dem postapokalyptischen Zeitalter in perfekter Ordnung entgegendämmert. Die Akzentuierung des Schlafes verweist, so möchte ich argumentieren, auf die latente Angst der Zivilschützer vor der grösstmöglichen Bedrohung, dem <Pestzustand>>al unter Grund: Chaos und Unordnung, irrationale, aggressive und panische Individuen, die die Grenzen der Macht gefährden. Der <Traum> von der subterranen Pest, der sich im Reden über den Schlaf andeutet, konterkariert dabei das rationale Menschenbild der Zivilschützer. Die Behauptung eines zweckmässig agieren- den Subjekts erinnert bei gleichzeitigem Insistieren auf der Notwendigkeit des Schlafs an das laute Sprechen eines Kindes in der Dunkelheit, mit dem es einen bösen Geist zu bannen sucht. In Gestalt des irrationalen Subjekts lauerte dieser Geist immerfort in der stickigen Betonzelle. Vollständig regierbar war es offensichtlich nur, wenn seine haptischen, auditiven, olfaktorischen und visuellen Wahrnehmungen vollständig <unter Grund> gesetzf. wurden. Anmerkungen I 2 3 4 5 Dieser Artikel ist im Kontext meines Habilitationsprojekts entstanden, das sich de¡ Wissens-, Sozial- und Kulturgeschichte der Zivilschutzbunker in der Schweiz des Kalten Krieges widmet. Ich danke Myriam Spörri, Bruno Ziauddin und den Herausgebem des traverseHefts Par tous les sens I Mit allen Sinnen fij¡ ihre hilfreichen Anmerkungen zum Beitrag. Die Testserie Plumbbob, zr der Smolty gehörte, galt als grösste, längste und umstrittenste Serie in der Geschichte der Nukleartests in Nevada. Vgl. dazu: Richard L. llftller, Under the Cloud. The Decades of Nuclear ksring, New York 1986, 25 1; Defense Nuclear Agency, ShotSmoþ.ATestoJthePlumbbobSeries,3l August 1957, TechnicalReport 198l.Filmausschnitte zur Truppenübung finden sich im 1982 uraufgeführten Dokumenta¡film The Atortic Cafe von Kevin Raffefy, Jayne Loader und Pierce Rafferty. Patrick Bemhard, Holger Nehring (Hg.), Den Kalten Kríeg denken. Beitrcige zur sozialen Ideengeschichteseit 1945, Essen2014, 14.ZtmBegitrdesimaginarywarvgl. MaryKaldor,The Imaginary War. Understanding the East-West Conflict, Cambridge 1990. Wichtig festzuhalten bleibt allerdings, dass auch im Zeitalter des Kalten Kriegs kriegerische Konflikte ausgetragen wurden (freilich ohne Einsatz von Nuklearwaffen). So standen diverse <heisset Kriege in Afrika, Asien und Südamerika im Zusammenhang mit dem Antagonismus zwischen den Supermächten. Vgl. Odd Arne Westad, The Global Cold War. Third World Interventions and the Making of Our Times, Cambridge 2005. Vgl.BerndStöver,DerKalteKrieg.GeschichteeinesradikalenZeitalters, 194T-1991, München 2007. Joseph Masco, Nuclear Borderlands. The Manhattan Project in Post-Cold War New Mexico, Princeton 2006,28. Zu¡Aus- und Überreizung des Vorstellbaren durch die Bombe vgl. auch Frank Reichherzer, <<Zwischen Atomgewittem und Statdtguerilla. Gedanken zum Kriegsbild westdeutscher Wehrexperten von den l95Oer Jahren bis zum NAlO-Doppelbeschluss>>, in Bernhard/Nehring (wie Anm. 3), 143 f. 141 Mit allen Sinnen 6 7 traverse 201 5/2 Vgl. Edward Schiappa, The Rhetoric ofNukespeak, Comnwnication Monographs 56 (19S9), 253-2'72. Joseph Masco, <Engineering the Futu¡e as Nuclear Ruin>, in Ann Laura Stoler, hnperíal Debris. On Ruins and Ruinaflon, Durham (NC) 2013, 252-286; Joseph Masco, <<Survival is your Business). Engineering Ruins and Affect in Nuclear America>>, Cultural Anthropology 2312(2008),361-398; vgl. auch SpencerR. Wearf,The Rise of NucLear Fear,Harvard2012, Berger Ziauddin: Vom Tasten, Hören, Riechen und Sehen unter Grund l7 dynamischen und soziologischen Fragen zum Schutzraumaufenthalt mehr Bedeutung. 1977 /44,Schutzraumhandbuch (1967-1968), Bd. 54: Studienkommission für Zivilschutz, Gruppe 2: Grundlagen, Bericht SHB Nr. 68-25-2, Versuche zum Raumklima in TWP-Schutzräumen. 18 BAR, 84390C, l9 BAR,E4390C,l9TTl164,BelegungsversucheTestúbungAarau-Süd(1969):Ingenieurbüro W., R & Dr. W Heierli, Technischer Be¡icht und Kostenvoranschlag zum vorgeschlagenen Möblierungsversuch im Bareggtunnel, 7. 10. 1969. 20 Paul Rodaway, Sensuous Geographies. Body, Sense and Place, New York 1994,44. Ygl. Werner Heierli, L. Jundt, <<Das Uberleben im Schutzraum>, Baulicher Zivílschutz (Sonderausgabe Scltwe izer BaLtb latt, April 19'1 2), 21. BAR, 84390C, 197 7 I I 64, Belegungsversuche Testübung Aarau-Süd ( 1 969): BZS, Unterabteilung bauliche Massnahmen, Protokoll der Sitzung vom 8. 4. 1970, 3. Studienkommission für Zivilschutz, EJPD, V73 Schutzrautn Belegungsversuch. Schhtssbericltt, Api.l 191 4, 97 . 135. 8 9 Shelter habitability studies wvden bisher einzig mit Blick auf die USA und auch hier nur partiell erforscht. Vgl. Sharon Ghamari-Tabrizi, <Death and Resurrection in the Earty Cold War. The Grand Anaìogy of the Disaster Researcher>>, in Leon Hempel, Marie Bartels, Thomas Markwart (Hg.), Aufbruch íns Unversicherbare,Bielr'feß,2013,3j5-3j8 Ein überblick über die bis 1962 in den USA lancierter' habitability studies findet sich in George W. Baker, Leonhard S. Cottrell (Hg.), Behavioral Science and Civíl Defense (Disaster Study 16), Washington 1962, 114-116. Zum Aufschwung sozialwissenschaftlicher Katastrophenforschung seit den 1950e¡-Jahren in den USA, zu der auch die von den Zivilschutzbehörden finanzierten habitability studies gezàhlt rverden können, vgl Mark Solovey, Hamilton Cravens (Hg.), Cold War Social Sciences, Knowledge Protluction, Liberal Democracy, and Human Nature,New York 2012. Zur Formation der schweizerischen Schutzbauexpertise in den l960er-Jahren vgl. Silvia Berger Ziauddin, Superpower Unclerground. Switzerktnd's Rise to Global Bunker Expertise in the Atomic Age (im Erscheinen) 10 SilviaBerge¡Ziauddin,<ÜberlebensinselundBordell.ZurAmbivalenzdesBunkers I I im atomaren Zeitalfet>>, in Sibylle Marti, David Eugster (Hg.), Das Imagincire des Kalren Krieges. BeitrrÌge zu einer Kulturgeschichte des Ost-West-Kr¡nfliktes in Europa,Essen 2015, 80. vgl. Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Hg.), 50 Jahre schutz und Hil;fe. Der schweizer Zivil- und Bevölkerungsschutz int Wandel der Zeit, 1963-2013, Bern 2013, 66. 12 schweizerischesBundesarchiv(BAR),84390c,19jj/44,schutzraumlandbuch(1967-1968), Bd. 54, Protokoll der Studiengruppe 4.1, Sitzung vom 13 BundesamtfürZivilschutz(Hg.),schutzraumhandbuch, 142 Frankfurt a. M. 1963. 2l 22 23 24 Fbd.,25. 25 8bd.,43. 26 Ebd', 82; Schutlraumbelegungsversuch für Zivilschutz, 27 Bern 1978; WemerHeierli, 19'73, 9' 48" V73,FlIm im Auftrag des SBZ, Studienkommission . Studienkommission (wie Anm. 23), 52. 28 Ebd., 35,78. 29 Ebd.,10. 30 Heierli/Jundt 31 (wie Anm. 21), 23. Studienkommission (rvie Anm.23),91 . 32 Bbd'73. 33 Ebd.,69. 34 Heierli, Die Minimalanforderungen an das 9.5. 1967. Uberleben im Ernstfall, Solothurn 1982. 14 Bei seiner Einschätzung menschlicher Verhaltensweisen in Extremsituationen und Katastrophen bezog sich Heierli v. a. aufSchriften ehemaligerWehrmachtpsychiater (z B. Friedrich Panse) sowie auf Einschätzungen ehemaliger Reichsluftschutzverantwortlicher und Bunkerwarte, die fü¡ die Bombardements der deutschen Zivilbevölkerung während des Zweiten Weltkriegs eine grosse Widerstands- und Anpassungsfähigkeit der Bevölkerung postulierten und Panik als abnormale Reaktion einstuften, die auf endogene Ursachen zurückzuführen wa¡, d. h. auf eine schwache psychische Konstitution. Zum Glauben an die nahezu unbegrenzte psychische Belastungsfähigkeit des gesunden Individuums in der NS-Militärpsychiatrie vgl. Peter Steinkamp, <<Patientenschicksale und ärztliches Handeln im Zweiten Weltkrieg>, in Livia Prüll, Philipp Rauh (Hg.), Krieg und medikale Kultur. patientenschicksale und ärztliches Handeln in der Zeit der Weltkr-iege, 1914-1945, Göttingen 2014,153-23i. Zur personellen und konzeptuellen Kontinuität zwischen der Militärpsychiatrie der NS-Zeit und der Bundesrepublik Deutschland vgl.: Philipp Rauh, <<Der lange Schatten der her¡schenden Lehre. Die Entwicllung der Militärpsychiatrie nach 1945>, in prüll/Rauh (wie Anm. 14), 234-255; Frank Biess, <<The Concept of Panic: Military Psychiatry and Emotional Preparation for Nuclear War in Postwar West Germany>>, in Ders., Daniel M. Gross (Hg.), Science and Etnotions after 1945. ATransatlantic Perspective, Chicago 2014, lgl--209. l5 BAR, E4390c, 1977144, Leben und ordnung in den öffentlichen schutzräumen (196g-1973): BZS' Sektion Planung, Protokoll der sitzung vom 8. 10. 1969, Kommentar Dr. Heierli, 23. 16 wichtigstes Referenzwerk zum Luftschutz für Heierli war der vom ehemaligen Reichsluftschutzgeneral Erich Hampe verfasste Band, Der zivile LuftschutT im Zweiten Weltkrieg, ImGegensatzdazuschenktendieindenUSAdurchgeführlenhabitability*studiesgrttppen- 35 Ùberleben im Zivilschut4fal1, Bericht fü¡ das BZS, Berlin, 3. 10. 1968; Heierli/Jundt (rvie Anm. 21); Heie¡li (wie Anm. l3). Bundesamt für Zivilschutz (wie Anm. 13), II. 36 Heierli/Jundt(wieAnm.2l), 16-18,20-21,26;Heierli(wieAnm.l3),26,35,40. 37 Zt denYertahrensweisen illiberaler Gouvernementalität.im Rahmen gegenwärtiger Annrfungen der Sicherheit vgl. Sven Opitz, <Zwischen Sicherheitsdispositiven und Securittorr. Zùr Arralytik illiberaler Gouveinementalität>>, in Patricia Purtschert, Katrin Meyer, Yves Winter (Hg.), Gouvernementalitrit und Sicherheiî, Bielefeld 2OO8,20I-228. Heierli (wie Anm. I3), ll'7; Heierli/Jundt (wie Anm. 21), 20. Heierli/Jundt (wie Anm. 21), 20. Ebd., 20; BAR, 84390C, 1977 /44,Schutzraumlandbuch (1967-1968), Bd. 54: Protokoll der Studiengruppe 4.1, Sitzung vom 16. ll. 1967 ,9. Zum Pestmodell der Macht und dem behördlichen Traum vom Pestzustand im Anschluss an Michel Foucault vgl. Philipp Sarasin, <Smallpox Liberalism. Michel Foucault und die Infektion>, in Claus Pias (Hg.), Aåwehr. Modelle, Strategien, Medien, Bielefeld 2009, z 38 39 40 41 3t-33. 143 traverse traverse 201512 Zeitschrift f ür Geschichte Revue d'histoire 201 5/2 Par tous les sens Mit allen Sinnen Beirat / Comité scientifique (Basel) Susanna Burghaltz (Friboulg) Jean-Jacques Friboulet ChristoPh Graf (Beln) Sébastien Guex (Lausanne) Elísabeth Joris (Zür'ich) Flans Uh'ich Jost (Lausanne) Guy P. Malchal (Basel) Daniel Roche (Palis) Regina Schulte (Bochum) Hannes Sieglist (LeiPzig) Jakob Tanner' (Zür'ich) Regina Vy'ecker' (Basel) I o traverse rédaction Redaktion / Comité de Tina Asmussen (Basel) Andleas Behr' (Fribourg) Karine Crousaz (Lausanne) Bertland Folclaz (Neuchâtel) 201 5/2 Inhalt / Table des matières Daniel Kr'ämer (Bern) Matthieu Leimgruber (Genève) Sonja Matter'(Bet'n) Malik Mazbouri (Lausanne) Stefan Nellen (Basel) Marc Gigase (Lausanne) Gisela Hürlimann (Zürich) Katja Hürlimann (Zür'ich) Anja Rathmann-Lutz (Basel) Hans-Ulrich Schiedt (Horgen) Yan Schubert (Genève) Aline Steinbrecher' (Konstanz) Michael Jucker (Luzern) Mario König (Basel) Porträt / Portrait Museum Burghalde Lenzbulg Cltristine von Arx, Leonie Meier Schwerpunkt / Dossier thématique Verantwortlich für den Heftschwerpunkt Responsables du dossier thématique Ulrite Krampl, Jan-Friedrich Missfelder, Anja Rathmann-Lutz' Par tous les sens. Editolial U lr i ke Kr amp l, J an- F r i e dr í c lt Mi s sfe ld e r, A4j a Rathmann - Lut z, Aline Steinbrecher Aline Steinbrecher . Mit allen Sinnen. Editorial Übersetzungen / Traduct¡on Aline Steinbrecher Anschrift / Adresse des sens dans I'ancienne Mésopotamie U Rathmann-Lutz, Ulrike Klampl JiegfLied Bod"n*unn, Matthieu Leimgruber, Anja lri ke K r amp l, J an- F r ie dr 11 ic h Mi s sfe lde r, Anj a Rat ltmann- Lut z, 24 . La sensorialité hors normes. De la privation à l'exacerbation Chronos Verlag, Eisengasse 9, CH-800 8 Zwich, info @ chronos-verlag' ch lnformationen Artikel odel Plojektsktzzen senden Sie bitte an ch revue-traverse' schiedt@ hans-ulrich. Anne-Caroline Rendu Loisel Zusammenfassung . Les articles proposés à la revue doivent être envoyés à malik. mazbouri @ levue-traverse. ch 31 . 43 Le sacrifice en Grèce ancienne ou,quand les sens s'invitent à la fête Véronique Mehl 44 . Zusammenfassung Renseignements o 9 56 . Sehen, Riechen, Tasten, Schmecken. Eine Archäologie des Geschmacks im Mittelalter Buchbesprechungen Dorothee Rippmann 51 9. und 20. J cthrhunderl; mario.koenig @ revue-traverse' ch Vormode r ne uncl E-Medierz; michael.jucker@revue-traverse'ch Résumé 15 I Une topographie sensible. La visite pastorale (Milan, Comptes rendus MarieLezowski.... ériode c ontemporain¿: matthieu.leimgruber@revue-traverse'ch P ériocles médiévale et moderne : karine'crousaz@revue-traverse'ch Zusammenfassung P Hinweise zu Redaktion und Schreibformatvorlagen Feuille de style et rédaction www.revue-traverse.ch, info @ revue-traverse. ch l6e-l1e siècle) 76 . 9t Une scénologie ambiantale pour saisir le sensible. Les demeures des dignitaires de la Régence de Tunis (1704-1815) Hind Karoui Zusammenfassung 92 . 104 5 traverse stimulaient les sens' Quand les vitrines suggestton La mécanique d'ull art de la Eric Monitt, Nathalie Simonnot" ' ' ' Zusamtnenfassung ' lnhalt / Table des matières 201 5/2 Agenda 105 118 Call for Papers / Appel à contributions Autorlnnen /Les auteurEs . . . Heftschwerpunkte / Dossiers thématiques. . 2t4 219 223 ' Espace, cuisines et corps Sens et sensibilités de l,intériorité. essai d'écrire les sens Kalerina Melissinou Zusammenfassung ' Glunrl' Vom Tasten, Hören, Riechen und Sehen untel Apokalypse nuklearen der <Sensory Politics> im Angesicht Silvia Berger Ziauddin Résumé De la photo-digitalité à la dactylo-phonie' Pour une contre-histoire de la pensée de l'écran JulienHonnorat.., Zusammenfassung Der Artikel 119 130 . 131 144 t45 155 / L'article Katholische Reform als soziale Praxis' Handlungslogiken eines Churer Bischofs im l7' Jahrhundert Philipp ZwYssig 156 É Dokument / Document Gipsabgüsse als <originale> Repliken im Museum' Von der Form zur Materie Karin Renold a 110 Der Pfeil des Hünenbelgers' Möglichkeiten und Grenzen einer Objektgeschichte Rainer Hugener t78 Besprechungen / Comptes rendus Literatul zum Thema / Comptes rendus thématiques Allgemeine Buchbesprechungen / Comptes rendus généraux 6 188 200 7