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100 gecs

Während 2016 Drake die Charts stürmt und viele musikalische Geschmacksverirrungen der 2010er langsam aber sicher in Vergessenheit geraten, köcheln am Mississippi zwei Musiker, die noch nicht mit bereit sind, mit Dubstep und Deathcore zu brechen, ihr ganz eigenes Süppchen. Produzent Dylan Brady und Singer/Songwriter Laura Les treffen sich erstmals 2012 auf einer Hausparty, bis es sie jedoch gemeinsam ins Studio verschlägt, vergehen drei Jahre. 2015, im eiskalten Winter Missouris nehmen die beiden unter dem ominösen Namen 100 gecs das erste Mal gemeinsam Musik auf. Als Inspiration für den eigenartigen Bandnamen geben die beiden im Laufe der folgenden Jahre zahlreiche Antworten. Angefangen mit einer missglückten Gecko-Bestellung, bei der Laura anstelle eines Exemplar gleich 100 geliefert bekommt, über ein Graffiti in ihrem Studentenwohnheim bis hin zum simplen "It came to us in a dream": Schnell wird klar, dass das Duo nicht nur den Ursprung des Namens nicht verraten will, sondern sein gesamtes Image durch einen fetten, vom Internet geprägten Ironie-Filter jagt. Ihren Sound bezeichnen sie unter anderem als Funcore, Pop, Electronic Banger Music, Comedy Music oder Hexcore. So erzwungen verrückt und edgy das klingen mag, so schwierig ist es am Ende tatsächlich, ihre Musik mit einem einzigen Schlagwort zu fassen. Einflüsse aus Metal, Pop, Electronic und der Meme-Kultur des Internets verschmilzt das Duo zu einem völlig einzigartigen, überdrehten Genre-Potpourri, das überraschend souverän für sich allein steht. Als direkte musikalische Vorbilder nennen die beiden Acts wie 3OH!3, Playboi Carti, Breathe Carolina oder gar Cannibal Corpse. Was davon am Ende wirklich stimmt, und was Trolling im Rahmen ihrer Marke ist, wissen wohl nur die beiden selbst. Dabei kann man fast jeden einzelnen der Genannten in ihrer Musik wiederfinden. Von Nightcore bis Pop-Punk: Sämtliche Trademarks populärer Musik, die zuweilen als Trash abgestempelt werden, halten Einzug in die Debüt-EP "100 gecs". Die fliegt 2016 allerdings noch weitgehend unter dem Radar. Fast zeitgleich macht sich Dylan Brady, durch Kollaborationen mit dem kanadischen Rapper Night Lovell oder dem deutschen Duo Dat Adam als Produzent einen Namen. In den nächsten Jahren produziert er unter anderem für Alessia Cara, Charli XCX und The Neighbourhood. Es dauert bis 2019 bis 100 gecs nach zahlreichen Soloausflügen, wieder zusammen Musik aufnehmen. Im Anschluss an ein virtuelles Livekonzert im Rahmen des Minecraft Fire-Festivals, nehmen die Gecs ihre Debütplatte "1000 gecs" auf. Durch Dylans neu gewonnenes Ansehen in der Industrie findet die LP relativ großen medialen Anklang und erhält durchweg positive Kritik. Larry Fitzmaurice bezeichnete die Platte in seiner Pitchfork-Rezension beispielsweise als "eines der faszinierendsten und berrauschendsten experimentellen Pop-Alben des Jahres". Joe Caramanica, Musikkritiker für die New York Times, adelt es gar als Album des Jahres. Auch in der Musikindustrie sorgt das Debüt für Begeisterung. 100 gecs unterschreiben einen Vertrag bei Atlantic, unterstützen im Spätjahr Brockhampton auf "Heaven Belongs To You"-Tour und erhalten weitläufig Zuspruch von Künstlern wie Charli XCX, Kero Kero Bonito und von großen Teilen des PC Music-Labels. Diese Fanliste wird im Laufe des Jahres noch wesentlich länger und endet im Juli 2020 mit dem Release des "1000 Gecs And The Tree Of Clues"-Remixalbums. Neben den bereits erwähnten Künstlern sind auch Überraschungsgäste wie Fall Out Boy, Injury Reserve und Rico Nasty an Bord. "Die Rückmeldung auf unser erstes Album war so großartig, dass wir dachten, wir können noch mehr mit dem Material anstellen. Wir wollten sehen, was andere Musiker daraus machen können", so Laura und Dylan über ihren Zweitling in einem Gespräch mit NME-Autor Hannah Mylrea. Das Albums sei keineswegs als neues Material zu verstehen, sondern lediglich als Companion-Piece zu ihrem Debüt. Mit gerade einmal drei Projekten auf dem Konto haben 100 gecs sich vom Underground-Phänomen zum von Kritikern gefeierten Anarcho-Pop Projekt gemausert. Da hört dann so langsam auch die Ironie auf: "Leute denken, wir haben unsere komplette Karriere darauf aufgebaut, dass wir sehr gut ironisch sein können. [...] Wir sind nicht nur am Witze reißen ...nur manchmal. Ein kleines bisschen. Wir haben Spaß", erzählt Laura dem NME weiter. "Unsere Musik ist nicht ironisch", ergänzt Dylan. 2020 weilt Drake zwar immer noch an der Chartspitze, aber die vermeintlich minderwertigen Musikstile der frühen 2010er die man vor noch mit aller Gewalt vergessen wollte, erleben gerade durch Künstler wie 100 gecs eine Art Renaissance. Damit gibt sich das Duo allerdings nicht zufrieden, schließlich wollen sie eines Tages so erfolgreich wie Ed Sheeran sein, erzählen sie augenzwinkernd.
© Laut

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