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Wiley

Als Grime 2003 in den muffigen Rave-Kellern Londons das Licht der Welt erblickt, trägt der neue Hype zwei Gesichter. Das eine gehört Dizzee Rascal, dem wild gewordenen Jungspund mit dem Potenzial, Londons neuesten musikalischen Bastard hinaus in die Welt zu tragen. Das andere trägt Wiley, ein etwas gesetzterer Typ, der das junge Genre traditioneller betrachtet und zum einflussreichen Vater von Grime avancieren soll. Während der eine Mercury-Preise einheimst, hinaus in die weite Welt zieht und den Jigga in die Kunst von Grime einführt, bleibt der andere daheim und ackert mit endlosem Arbeitseifer daran, das durchgehende Londoner Musikmonster irgendwie im Zaum zu halten. "Warum ist Wiley eigentlich nicht der größte Rapper der Welt?", fragt Noisey 2014. Berechtigte Frage: Die Anfänge liegen im Londoner Stadtteil Bow, wo Richard Kylea Cowie aka Wiley seine Jugend verbringt. In den ausgehenden Neunzigern packt den gerade Volljährigen der Garage-Hype, mit dem Pay As You Go Cartel feiert er kleine Charterfolge. Somit ist er von Beginn an Teil einer Szene, die sich aus ganz verschiedenen Genres das herauspickt, was gefällt. Im Falle Wileys und seiner Kumpels sind das im Besonderen Hip Hop, R'n'B, Dancehall, Garage und House, die Wiley mit seiner neu geformten Roll Deep Crew durch den Fleischwolf dreht. Neben etlichen MCs, Produzenten und DJs heben vor allem Wiley und ein Junge aus der Nachbarschaft namens Dizzee Rascal ein neues Genre öffentlichkeitswirksam aus der Taufe. Dizzees "I Luv U" fegt mit staubtrockenem Synthie-Hammer die Szene nieder, Wiley gibt mit dem Track "Eskimo" seiner Musik einen neuen Namen: Eski. Zumindest versucht er es. In den angefixten Medien weltweit setzt sich das Label Grime durch. Im Hype mittendrin stehen Wunderkind Dizzee und Wiley, der den Definitionsproblemen der Presse den Song "Wot Do U Call It?" auf seinem Debütalbum "Treddin' On Thin Ice" in die Fresse haut. Dizzees Album "Boy In Da Corner" chartet beachtlich, Wileys Erfolg hält sich im Vergleich dazu in Grenzen. Die Freundschaft ist so oder so am Ende. Dizzee verlässt die Roll Deep Crew. Wiley rückt somit noch mehr ins Zentrum des Kollektivs. 2005 übernimmt er die Produktion für das Crew-Debüt "In At The Deep End" und biedert sich, im Gegensatz zu seiner Solo-Arbeit, kreativ sogar dem Pop an. So verkauft sich das Album beachtliche 60.000 Mal, erntet aber gleichermaßen zustimmende Kritiken der Heads. Wiley verwurstet in bester Grime-Manier Genres, ohne die Kredibilität der Szene zu verlieren. Beweisen muss er sich dabei bestimmt nichts, einen auf Gangster machen, schon gar nicht. Jedenfalls hängt er es nicht an die große Glocke, als ihn unbekannte Täter eines Tages mit 14 Messerstichen niederstrecken. Seinen Arbeitseifer lindern die ernsten, aber nicht folgenschweren Verletzungen nicht. Wiley gründet nach seinem Weggang von XL Recordings sein eigenes Label Eskibeat Recordings und veröffentlicht in der Zwischenzeit seine "Tunnel Vision"-Mixtapes wie am Fließband (Volume 1 bis 6 innerhalb von 18 Monaten!). Dabei bricht er, wie sich das für einen ambitionierten Rapper gehört, mit Dutzenden Grime-Kollegen Streit vom Zaun. Im April 2006 erscheint Eskiboys zweites Album "Da 2nd Phaze" auf dem Londoner Independent-Label Boy Better Know, geht aber angesichts der weitaus stärkeren Grime-Alben von Kano und Virus Syndicate unter. Für Album Nummer drei kommt Wiley 2007 schließlich bei der englischen Institution Ninja Tunes/Big Dada unter und veröffentlicht im Juni "Playtime Is Over". Nicht ohne davor seinen Rücktritt aus der Szene zu verkünden. Wenige Monate später gibt Wiley bereits in bester Jay-Z-Manier Entwarnung und tritt von seinem Rücktritt zurück. "Playtime Is Over" soll also nicht das letzte Album bleiben. Mit "Grime Wave" kommt der Brite zurück und schlägt in Richtung Mainstream aus. Nach einigen Streitereien mit seinen Labels (erst Asylum und dann Eskibeat Recordings) kehrt er zu Big Dada zurück und steigt 2011 mit "100% Publishing" auf Platz 76 der UK Album-Charts ein. "To be continued 'cause my work ain't over", verspricht Wiley da. Tatsache: Es dauert gerade einmal sechs Monate, ehe mit "Evolve Or Be Extinct" der nächste Longplayer in den Regalen bereit liegt. "The Ascent" und "Life Is A Game Of Snakes And Ladders" folgen jeweils im Jahresabstand. Das nächste Album in voller Länge, "Godfather", erscheint zwar erst Anfang 2017, Wiley zeigt sich in der Zwischenzeit jedoch umtriebig wie eh und je. Wer auch nur einen flüchtigen Blick über Londons ungebrochen brodelnde Grime-Szene schweifen lässt, stolpert eher früher als später über ihren Paten. Von Rücktritts-Phantasien spricht dieser schon lange nicht mehr: "Grime is the game and I can't give it up."
© Laut

Diskografie

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