Elfriede Wolff oder wie ich in Clärchen's Ballhaus kam ...
Von Uwe Reinhardt
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Über dieses E-Book
Lernen Sie eine bemerkenswerte Frau kennen, die ohne eine richtige Kindheit gehabt zu haben aufwuchs und die schon in jungen Jahren "ihren Mann" stehen musste.
Eine Frau, die sich mit eigener Kraft von ganz unten nach oben gearbeitet hat und die selbst in ihrem hart erkämpften, späteren Wohlstand immer ein Mensch voller Liebe, Güte und Warmherzigkeit blieb.
Erfahren Sie von den glücklichen Umständen eines Geständnisses und auf welche Weise Elfriede Wolff zu "Clärchen", in das über die Grenzen hinaus bekannte Berliner Ballhaus kam.
Werden Sie außerdem Zeuge von wahren Begebenheiten aus drei Generationen Ballhaus-Geschichte.
Ähnlich wie Elfriede Wolff oder wie ich in Clärchen's Ballhaus kam ...
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Buchvorschau
Elfriede Wolff oder wie ich in Clärchen's Ballhaus kam ... - Uwe Reinhardt
1. Kapitel
Meine Kindheit und die Flucht nach Berlin
Man schrieb das Jahr 1931, als ich in Eger das Licht der Welt erblickte.
Diese wunderschöne Stadt heißt heute Cheb und liegt in Tschechien.
Meine Kindheitserinnerungen entsprechen nicht gerade denen einer glücklichen Kindheit. Darum ist es schon verwunderlich, dass die Frau, die sich meine Mutter nannte, Zeit für mein Ankommen auf dieser Welt nahm... Noch verblüffender für mich ist jedoch, dass sie sich überhaupt ein Kind anschaffte.
Aber höchst wahrscheinlich war ich ja nur das unerwünschte Produkt eines leidenschaftlichen „Verkehrsunfalls".
Leider habe ich nie Mutterliebe und mütterliche Geborgenheit kennen gelernt. Statt dessen wurde ich wie ein Modepüppchen mit Hut, Mantel, Rüschenkleidern und später sogar noch mit weißen Hand- und Lackschuhen ausstaffiert, in der Öffentlichkeit präsentiert.
Die Eltern meiner Mutter wohnten auf einem Schloss, denn ihr Vater arbeitete in der schlosseigenen Brauerei als Braumeister. Dort wuchs meine Mutter mit den Töchtern der Herrschaften auf.
Meine Mutter
Deswegen ist wohl sehr viel auf sie abgefärbt, wodurch sich ihr emsiges Streben nach Höherem erklären lässt.
Die Ehe mit meinem Stiefvater, einem Ingenieur des örtlichen Sägewerkes, war wohl nicht gerade das, was sie sich für ihr Leben erhoffte. Sie hatten einen gemeinsamen Sohn, der drei Jahre älter war als ich. Wir verstanden uns sehr gut, denn es erging ihm fast wie mir. Mein Stiefvater, dem sie mich als „Kuckucksei" unterjubelte, war ein lieber und verständnisvoller Vater, der sich viel Zeit für mich und meinen Bruder nahm. So wie er waren auch seine Eltern herzensgute Menschen, bei denen ich mich sehr wohl und geborgen fühlte. Seinen Vater, von Beruf Museumsdirektor, besuchte ich häufig im Büro, in dem er mich immer malen ließ. Mutter jedoch suchte ständig nur Kontakte zu den oberen Schichten der Gesellschaft. Ob bei Ausflügen zu Konzerten in dem weit bekannten Franzensbad (heute Františkovy Lázně in Tschechien) oder zu einer Priesterweihe, sie hatte mich stets als adrettes Vorzeigepüppchen im Schlepptau und liebäugelte mit den wohlhabenden Männern.
Da die Ehe unserer Eltern unter keinem guten Stern stand, was selbst wir Kinder oft genug bemerken mussten, kam es dann zur Scheidung. Vater verzog mit meinem Bruder, der meiner Mutter ebenfalls nur ein Klotz am Bein war, nach Regensburg. Meine Frau Mama hingegen hatte indes schon einen Fabrikanten an der Angel, zu dem wir beide nach Komotau (heute Chomutov in Tschechien) zogen...
Bei diesem Wäschefabrikanten, der dort mit seinen zwei Töchtern lebte und der mir gegenüber keinerlei Wärme aufkommen ließ, wohnten wir „standesgemäß in einer großen Villa am See. Seine beiden Töchter waren schon über zwanzig, eine davon verheiratet und von „Beruf einfach nur Töchter
... Sie amüsierten sich beim Fechten, Reiten und auf Empfängen. Also genau die richtige Welt für meine Mutter! Ich fühlte mich dort am wohlsten bei den Arbeitern in der Fabrik. Sie gaben mir öfter mal Stoffreste, aus denen ich mir, wie es kleine Mädchen eben so versuchen, Puppensachen zusammen nähte.
Meine Mutter war aber nicht von Grund auf schlecht. Sie hatte ebenso ihre guten Seiten. Kochen konnte sie einfach fabelhaft, was sie dort in der Villa unter Beweis stellte. Sie kochte sehr oft selbst. Auch dann, wenn viele Gäste geladen waren. Hier brauchte sie allerdings nur alles abschmecken und würzen, denn es gab ja schließlich das nötige Personal für die „niederen Arbeiten". Sie war übrigens ein Organisationstalent. So stellte sie neue Kontakte für den Großhandelsverkauf, der im Werk hergestellten Wäsche, her und verkaufte diese in großen Mengen an Einzelhändler. Uns ging es also wirtschaftlich nie schlecht und gut versorgt wurde ich schon immer.
Später ließ mich meine Mutter aber immer mehr spüren, dass ich für sie nur lästig und unerwünscht war. So verschickte sie mich anfangs für längere Zeit zu ihrer Mutter nach Asch (heute Aš in Tschechien) und dann, ich war gerade erst zehn Jahre alt, für immer zu ihrer kinderlosen Tante, deren Mann in den Krieg ziehen musste, nach Pommern. Dort lebte ich in einer Kleinstadt namens Bernstein (heute Pelczyce in Polen).
In diesem malerischen Ort, eingerahmt von drei großen Seen mit rund 2500 Einwohnern, besaß meine Großtante ein Hotel. Es war ein schönes, vornehmes Haus mit 15 Zimmern und zwei Sälen, wovon einer, in dem desgleichen ein großer Flügel stand, nur für Musik- und Tanzveranstaltungen genutzt wurde. Meine Mutter besuchte mich dort ab und an einmal, beschenkte mich dann reichlich mit Schokolade, nebst den modernsten Kleidern der Prager Mode und versorgte ihre Tante mit Wein und anderen Dingen, die es zu der Zeit schlecht gab.
Ich versuchte beharrlich zu ergründen, wie eine Mutter es bloß fertig bringen konnte, einfach ihr eigen Fleisch und Blut wegzugeben. Vielleicht lag es daran, dass sie schon als junge Frau sehr Lungenkrank war. Sie musste regelmäßig zur Kur nach Karlsbad (auf tschechisch Karlovy Vary) oder in andere Kliniken und Kureinrichtungen. Diese Unterbringungen waren teuer und das konnten sich nur wohlhabende Leute leisten. Wer weiß, was in ihr vorging. Die Angst, nur kurze Zeit zu leben und etwas in diesem kurzen Leben verpassen zu können, spielte dabei bestimmt eine gravierende Rolle.
Jedenfalls dauerte es nicht lange, bis ich feststellte, dass ich nur vom Regen in die Traufe kam. Meine Großtante hatte keinerlei Erfahrung, was Kindererziehung betraf und brauchte anscheinend nur eine billige Arbeitskraft, denn die war „Mangelware". Außer ihr waren nur ein Laufbursche und zwei Pflichtjahrmädchen im ganzen Hotel beschäftigt, da alle Männer und somit der Rest des Personals, im Krieg waren. Der Laufbursche, ca. 18 Jahre alt, kümmerte sich um das Viehzeug, wovon es reichlich hinter dem Hotel im Nebengelass gab. Er versorgte über 100 Kaninchen und zig Hühner, schleppte die Koffer der Gäste, übernahm die immer wieder einmal anfallenden Reparaturarbeiten und sprang hier und da, wo er gerade gebraucht wurde, ein.
Ansichtskarte meiner Großtante an meine Mutter
Die beiden Pflichtjahrmädchen (beide 16 Jahre alt) waren für die Gästezimmer und die Küchenarbeiten zuständig. Gekocht hat meine Großtante.
Somit fielen das Eindecken der Tische, das Putzen der Gasträume und der Abwasch in meinen Aufgabenbereich. Einmal wöchentlich bekam ich außerdem die Order, sämtliches Silberbesteck und sonstiges Silbergeschirr zu putzen. Der Eisverkauf, den ich im Sommer übernehmen musste, war gegen alles Andere eine blanke Erholung. Zusätzlich war dann noch von Frühjahr bis Herbst die schwere Feld- und Erntearbeit zu bewältigen, wo jede Hand gebraucht wurde. Also was arbeiten heißt, lernte ich schon sehr zeitig. Wie gern hätte ich damals aber mal ein schönes Buch gelesen! Bücher haben mich schon immer fasziniert, nur fand