Gamestorming
Von Dave Gray
4/5
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Über dieses E-Book
Aus dem Inhalt:
Konflikte überwinden und das Engagement der Mitarbeiter steigern
Zusammenarbeit und Kommunikation optimieren
Das Verständnis von Kunden- und User-Experience verbessern
Bessere Ideen entwickeln - und das schneller als je zuvor
Meetings verkürzen und produktiver gestalten
Komplexe Systeme und Dynamiken erkunden
Die Wurzel eines Problems erkennen und einen Weg zur Lösung finden
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Rezensionen für Gamestorming
51 Bewertungen2 Rezensionen
- Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Great overview of what you can do with gamestorming, but without a good game storming retreat or workshop, this book doesn`t help you much.
- Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Hugely useful toolset, but not great for non practitioners or those without a broader context for the activities.
Buchvorschau
Gamestorming - Dave Gray
Gamestorming
Ein Praxisbuch für Querdenker, Moderatoren und Innovatoren
Dave Gray
Sunni Brown
James Macanufo
Eike Nitz
Copyright © 2011 O'Reilly Verlag GmbH & Co. KG
Die Informationen in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden. Verlag, Autoren und Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für eventuell verbliebene Fehler und deren Folgen.
Alle Warennamen werden ohne Gewährleistung der freien Verwendbarkeit benutzt und sind möglicherweise eingetragene Warenzeichen. Der Verlag richtet sich im Wesentlichen nach den Schreibweisen der Hersteller. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten einschließlich der Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel Gamestorming: A Playbook for Innovators, Rulebreakers, and Changemakers bei O’Reilly Media, Inc.
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Satz: Reemers Publishing Services GmbH, Krefeld; www.reemers.de Produktion: Andrea Miß, Köln Belichtung, Druck und buchbinderische Verarbeitung: Druckerei Kösel, Krugzell; www.koeselbuch.de
978-3-89721-326-5
Dieses Buch ist auf 100% chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.
Kommentare und Fragen können Sie gerne an uns richten: O'Reilly VerlagBalthasarstr. 8150670Kölnkommentar@oreilly.de
Widmung
Für Michael Doyle, meinen Freund und Mentor
Dave Gray
Für meine Mutter, die uns allen gezeigt hat, was bedingungslose Liebe bedeutet
Sunni Brown
Für Drew Crowley, der es draufhat
James Macanufo
Vorwort
In den frühen 60er-Jahren machte uns die gefeierte Kinderbuchautorin Peggy Parrish mit Amelia Bedelia bekannt, einer Haushälterin, die alles allzu wörtlich nimmt. Sie macht solche Sachen, wie den Marmorkuchen mit echtem Marmor zu backen, den Garten in die Luft zu jagen, wenn sie ihn »sprengen« soll, und das Auto zu knacken, wenn gesagt wird, dass die Familie zu einem Ausflug »aufbrechen« will. Meine Kinder quietschen vor Vergnügen, wenn sie von Amelias lustigen Abenteuern lesen.
Oft muss ich herzlich mitlachen – bis mir all die Amelia Bedelias einfallen, denen ich im Rahmen meiner Arbeit schon begegnet bin. Dann sind plötzlich die Fehler, die die Menschen bei ihrer Arbeit machen, gar nicht mehr so lustig: Fehler, die entstehen, weil die Ziele eines Projekts nicht wirklich klar sind oder weil die Auswirkungen von Veränderungen an den Arbeitsabläufen in einem komplexen System nicht bedacht wurden. Fehler, die von Teams gemacht werden, die sich nicht die Freiheit nehmen, mögliche Alternativen abzuwägen, oder von Teams, die nicht ausreichend Zeit investieren, um sorgfältig aus den von ihnen erarbeiteten oder gefundenen Möglichkeiten auszuwählen.
Klar, dass derartige Fehler beträchtliche Produktivitätsverluste nach sich ziehen, aber sie bewirken noch mehr: Sie erzeugen Frustrationen im Team, da bereits erledigte Arbeit noch mal gemacht werden muss. Und sie sorgen für unnötige Meetings, da alle zusammenkommen müssen, um die weitere Vorgehensweise zu erörtern, sobald die Fehler entdeckt werden. Die Fehler sorgen für Verstopfung in den E-Mail-Postfächern, weil man – anders als sonst – plötzlich nicht mehr genau weiß, wem man was per Mail schreiben soll, sondern einfach alle auf CC: oder – noch perfider – auf BCC: setzt.
Solche Fehler können mithilfe der in diesem Buch vorgestellten Spiele vermieden werden.
Ja richtig, Spiele.
Wie Dave, Sunni und James uns sorgfältig erläutern, können ernsthafte Spiele Organisationen dabei helfen, komplexe Problemstellungen durch gemeinschaftliches Spielen zu lösen. Zum Einstieg ins Thema geben die Autoren einen Überblick darüber, warum Organisationen mit solchen Spielen deutlich effektiver werden können; dabei schöpfen Dave, Sunni und James aus ihrem umfang- und facettenreichen Erfahrungsschatz und liefern auch den entsprechenden theoretischen Unterbau. Wenn wir dann mit diesem Wissen ausgerüstet sind, gewähren sie uns einen Einblick in den umfangreichen Katalog von Spielen, mit deren Hilfe Teams eine Vielzahl komplexer Probleme lösen können.
Als Entwickler genau solcher Spiele bin ich besonders von der großen Bandbreite von Spielen beeindruckt, die Dave, Sunni und James in diesem Buch behandeln – basierend auf ihrer eigenen sowie der gesammelten Erfahrung vieler anderer, die in unserem Bereich tätig sind. Das Ergebnis ist ein »Monday Morning Ready«-Buch: Sie können dieses unterhaltsame Buch in einem Wochenende durchlesen und das, was Sie daraus mitnehmen, direkt am Montagmorgen bei der Arbeit anwenden.
Sie sollten Ihr Exemplar allerdings griffbereit halten. Am Anfang werden Sie zwar vermutlich bloß ein oder zwei der vorgestellten Spiele benutzen, aber es ist wahrscheinlich, dass Sie das Buch bald wieder konsultieren wollen oder dass Sie die Website www.gogamestorm.com besuchen möchten, um sich die neuesten Spiele anzusehen, die Dave, Sunni und James (unter Mithilfe ihrer engagierten Community) aufgetrieben haben, um Ihnen dabei zu helfen, Ihre Ziele zu verwirklichen.
Luke Hohmann
Gründer und CEO
The Innovation Games® Company
Einleitung
Im Jahre 1807 begannen die Gebrüder Grimm damit, Märchen zusammenzutragen, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nie schriftlich festgehalten worden waren. 1812 veröffentlichten sie eine Sammlung von 86 Märchen unter dem Titel »Kinder- und Hausmärchen«. Bis zur siebten Auflage war die Sammlung auf 211 Märchen angewachsen. Von Märchen wie Rumpelstilzchen, Schneewittchen, Dornröschen, Rapunzel, Aschenputtel, Hänsel und Gretel, dem Froschkönig und Rotkäppchen hätten Sie womöglich ohne die Gebrüder Grimm nie gehört.
Die Beweggründe von Jacob und Wilhelm Grimm waren vielfältig: Als Philologen interessierten sie sich für die sprachlichen Elemente der Geschichten und ihre Quellen, als Historiker wollten sie die Geschichten für die Nachwelt festhalten, die in den Familien erzählt wurden, als Geschichtenerzähler wollten sie unterhalten, und als Deutsche im von Kleinstaaterei geprägten Deutschland lag ihnen daran, die Gemeinsamkeiten der deutschsprachigen Völker zu untersuchen und das Zusammengehörigkeitsgefühl zu fördern.
Vor einigen Jahren machten sich die Autoren dieses Buchs an ein ähnliches Unterfangen: Unser Ziel war es, bestimmte neu entstehende Methoden und Ansätze zu ermitteln, die seit den 70er-Jahren aufkeimen und in einem engen Zusammenhang mit dem erblühenden Informationszeitalter stehen.
Seit der Erfindung des Computerchips befinden wir uns auf dem Weg von einer industriellen zu einer postindustriellen Wirtschaft, in der sich das Konzept Arbeit wandelt. In einer industriellen Gesellschaft wird von den Arbeitnehmern erwartet, dass sie auf einheitliche Stellenprofile passen und bei der Erfüllung ihrer Aufgaben klar definierten Richtlinien, Arbeitsabläufen und Vorschriften folgen. Bei der Wissensarbeit sieht das ganz anders aus: Von den Beschäftigten wird nicht so sehr erwartet, dass sie Standardrollen übernehmen, sondern vielmehr, dass sie kreative, innovative Ergebnisse liefern, die ihre Kunden und Kollegen überraschen. Sie sollen nicht nur eine Funktion ausfüllen, sondern neue, bessere Produkte und Dienstleistungen entwickeln und sogar dramatische, bahnbrechende Resultate erreichen.
Kreativität und Ideenfindung werden seit Langem als eine Art »Blackbox« betrachtet: Als Geschäftsleute versuchen wir normalerweise gar nicht erst, diesen Prozess zu verstehen. Wenn Designer, Erfinder und andere Kreative mit einer bestimmten Aufgabenstellung in ein Zimmer gehen, erwarten wir einfach, dass sie mit mehr oder weniger kreativen Entdeckungen und Ergebnissen wieder herauskommen. Wir können ihnen zwar bei der Arbeit zusehen und dabei irgendeine Kombination aus Skizzieren, lebhafter Unterhaltung, unaufgeräumten Schreibtischen und Trinken beobachten – aber das, was eigentlich in dem Zimmer passiert, bleibt weitgehend im Dunkeln.
Es ist leicht, die Kreativität den Kreativen zu überlassen und sich zu sagen: »Ich bin eben kein kreativer Mensch.« Tatsache ist aber, dass in einer komplexen, dynamischen, wettbewerbsorientierten Wissenswirtschaft diese Einstellung unvertretbar ist. Wenn Sie »Wissensarbeiter« sind, müssen Sie – zumindest bis zu einem gewissen Grad – auch kreativ werden.
Das hört sich vielleicht etwas einschüchternd an, aber erfolgreiche Kreative verwenden meistens simple Strategien und Arbeitsweisen, um zum Ziel zu gelangen. Sie folgen in der Regel keinen einheitlichen, reproduzierbaren Prozeduren, um gleichbleibend kreative Ergebnisse zu erzielen. Was sie tun, ähnelt mehr einem Workshop, in dem sie bestimmte Werkzeuge und Strategien benutzen, um alles eingehend zu untersuchen, neue Ideen zu erkunden, mit Experimenten Hypothesen zu testen und neue, überraschende Erkenntnisse und Ergebnisse herauszuarbeiten.
Und so machten meine Mitautoren und ich uns daran – ähnlich wie die Gebrüder Grimm –, die besten Arbeitsweisen (oder auch »Best Practices«) von überall her zusammenzutragen, wo wir sie finden konnten, mit besonderem Augenmerk auf Silicon Valley, innovative Unternehmen und die Informationsrevolution.
Viele dieser Arbeitsweisen sind aus einer Art »Silicon-Suppe« hervorgegangen, dem eng verzahnten Netzwerk in Silicon Valley, wo Ideen und Menschen sich gegenseitig bestäuben wie Bienen in einem ungeheuren Bienenstock. Die Praktiken werden überwiegend mündlich von Person zu Person überliefert, beispielsweise indem ein Berater einen bestimmten Ansatz bei einem Kunden benutzt und dieser dann damit beginnt, den Ansatz bei seiner eigenen Arbeit zu verwenden. Mit der Zeit benutzen mehr und mehr Leute diese bestimmte Methode, bis sie sich zu etwas ganz anderem weiterentwickelt und am Ende vielleicht die Ursprungsidee oder -methode verschwunden ist. Manchmal werden Methoden schriftlich festgehalten, und manchmal existieren sie – wie Märchen – in vielen unterschiedlichen Versionen an verschiedenen Orten.
Wir haben dieses Buch »Gamestorming« genannt, weil wir keinen anderen Titel finden konnten, der das Phänomen besser beschreibt. Im ersten Teil haben wir uns bemüht, Ihnen eine Vorstellung von der Mechanik oder Architektur zu vermitteln, die den beschriebenen Spielen zugrunde liegt; außerdem erläutern wir einige Designprinzipien, die vielleicht hilfreich sein können, wenn Sie damit anfangen, die Praktiken für sich selbst auszuprobieren.
Wir hoffen, dass dieses Buch sowohl für Einsteiger als auch für erfahrene Fachleute von Nutzen sein wird. Wenn Sie Einsteiger sind, werden Sie hoffentlich eine Welt voller neuer Ideen vorfinden, wie Sie bei der Arbeit verschiedenste Herausforderungen angehen können. Haben Sie schon Erfahrung auf dem Gebiet, hoffen wir, dass auch für Sie ein paar gute Ideen dabei sind, und auch das eine oder andere, das Sie noch nicht kannten.
Unsere Zielsetzung für diese Sammlung war, die besten derartigen Werkzeuge und Praktiken zu finden und in einem Buch zu vereinen.
Eine der größten Herausforderungen für uns war, die Herkunft der einzelnen Spiele nachzuweisen, um angemessene Quellenangaben weitergeben zu können. In manchen Fällen kann es sehr schwierig sein, herauszufinden, wer ein Werkzeug ursprünglich entwickelt hat oder wo es zuerst benutzt wurde. Wir haben unser Bestes getan, um den Ursprung jedes einzelnen Spiels zu ermitteln, und entsprechende Anmerkungen hinzugefügt, wo immer wir konnten – wobei wir uns bemüht haben, nicht vom eigentlichen Inhalt abzulenken. Oft kam es uns vor, als hätten wir eine Folge von Matroschka-Puppen vor uns: Wenn wir die Quelle eines Spiels herausgefunden hatten, schien es auf einmal so, als hätte diese sich wiederum aus einer anderen, früheren Quelle entwickelt, und immer schien es, als lauerte womöglich ein noch älterer Kandidat darauf, aus dem Dunkel zu treten und den Titel für sich zu beanspruchen.
Wir verwenden die Formulierung »basiert auf«, wenn unsere Beschreibung eines Spiels auf schriftlichem Material basiert, dessen Quelle uns bekannt ist. Wenn wir »inspiriert von« schreiben, haben wir zwar die Grundlage, die Idee oder das Ursprungskonzept identifiziert, aber das Spiel selbst basiert auf mündlicher Überlieferung oder unseren eigenen Entwürfen. Sofern wir nicht zuverlässig eine Quelle ermitteln konnten, haben wir dazugeschrieben, dass die Spielquelle unbekannt ist. Falls Sie etwas über die Ursprünge eines dieser Spiele wissen, dann melden Sie sich doch bitte bei uns!
Da wir es im Zusammenhang mit diesem Projekt mit einer ständig wachsenden Community zu tun haben (und es weiter haben werden), gehen wir fest davon aus, dass wir in kommenden Auflagen weitere Spiele hinzufügen, die Sammlung als Ganzes ausfeilen und unser Verständnis der Geschichte dieser Spiele vertiefen werden. Wir haben unter www.gogamestorm.com ein Onlineforum ins Leben gerufen, in dem wir auf Ihre Unterstützung bauen. Wir hoffen darauf, dass Sie Spiele beisteuern werden, die Sie kennen und vielleicht schon einmal selbst gespielt haben, dass Sie uns darin unterstützen werden, Genaueres über die Ursprünge der Ideen und Praktiken herauszufinden, und dass Ihre Kommentare uns allen dabei helfen werden, die komplexe und faszinierende Geschichte von Spielen besser zu verstehen, die bei der kreativen Arbeit eine Rolle spielen.
Dave Gray
Saint Louis
Kapitel 1. Was ist ein Spiel?
Spiele und Spielen sind nicht dasselbe.
Stellen Sie sich einen Jungen vor, der mit einem Ball spielt. Er schießt den Ball gegen eine Wand, und der Ball springt zu ihm zurück. Er stoppt den Ball mit dem Fuß und schießt ihn wieder gegen die Wand. Durch diese Art des Spielens lernt der Junge, bestimmte Körperbewegungen mit den Bewegungen des Balls durch den Raum zu assoziieren. Man könnte das assoziatives Spielen nennen.
Und jetzt stellen Sie sich vor, dass der Junge auf einen Freund wartet. Der Freund kommt, und die zwei Jungen gehen gemeinsam einen Bürgersteig entlang. Dabei schießen sie sich gegenseitig den Ball zu, immer hin und her. Das Spielen hat jetzt eine soziale Dimension bekommen: Die Handlung des einen Jungen erwartet eine Reaktion des anderen und umgekehrt. Man kann sich diese Art des Spielens als eine Art improvisierter Unterhaltung vorstellen, an der sich beide Jungen beteiligen, indem sie den Ball als Medium benutzen. Bei dieser Art des Spielens ist weder ein Anfang noch ein Ende klar zu erkennen, die Übergänge sind fließend. Man könnte das also fließendes Spielen nennen.
Jetzt nehmen wir an, dass die Jungen zu einem kleinen Park kommen und es ihnen langweilig wird, den Ball immer nur hin- und herzuschießen. Der eine Junge sagt zum anderen: »Lass uns versuchen, den Baum da zu treffen. Wir schießen von hinter der Linie hier.« Der Junge zieht mit seiner Hacke eine Linie in den Sand. »Wir schießen abwechselnd. Jedes Mal, wenn man den Baum trifft, bekommt man einen Punkt. Wer zuerst fünf Punkte hat, hat gewonnen.« Der andere Junge ist einverstanden, und die beiden fangen an zu spielen. Aus dem Spielen ist jetzt ein Spiel geworden, eine grundlegend andere Art des Spielens.
Was ist an einem Spiel anders? Man kann dieses sehr einfache Spiel in mehrere Grundkomponenten zerlegen, die es von anderen Arten des Spielens unterscheiden.
Spiel-Raum:
In ein Spiel einzutauchen, bedeutet, in einen andersartigen Raum einzutreten, in dem die Regeln des normalen Lebens vorübergehend nicht mehr gelten – die Regeln des Spiels nehmen ihren Platz ein. Eigentlich erschafft ein Spiel eine alternative Welt, eine Modellwelt. Um einen Spiel-Raum zu betreten, müssen die Spieler einwilligen, sich an die Regeln dieses Raums zu halten, und sie müssen ihn freiwillig betreten. Wenn jemand zum Mitspielen gezwungen wird, ist es kein Spiel. Diese gemeinsame Abmachung der Spieler, die Wirklichkeit vorübergehend außer Kraft zu setzen, schafft einen sicheren Raum, in dem die Spieler Verhaltensweisen an den Tag legen dürfen, die im normalen Leben riskant, peinlich oder sogar gemein wären. Durch die Einigung auf bestimmte Regeln (hinter der Linie bleiben, abwechselnd schießen usw.) betreten die beiden Jungen eine gemeinsame Welt. Ohne diese Einigung wäre das Spiel unmöglich.
Begrenzung:
In einem Spiel existieren zeitliche und räumliche Grenzen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt fängt das Spiel an, nämlich wenn die Spieler den Spiel-Raum betreten, und zu einem anderen wird es dadurch beendet, dass sie den Spiel-Raum verlassen. Der Spiel-Raum kann »auf Pause gesetzt« bzw. aktiviert werden, wenn die Spieler es gemeinsam beschließen. So könnten die Spieler übereinkommen, das Spiel für die Mittagspause zu unterbrechen oder damit einer von ihnen auf die Toilette gehen kann. Außerdem hat ein Spiel üblicherweise räumliche Grenzen, und nur innerhalb dieser Grenzen gelten die Regeln. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, dass sich Zuschauer einfinden, die sich das Wettschießen ansehen möchten. Es liegt auf der Hand, dass sie sich nicht zwischen Spieler und Baum stellen oder die Spieler ablenken können, ohne das Spiel zu verderben oder zumindest zu verändern.
Interaktionsregeln:
Die Mitspieler kommen überein, innerhalb des Spiel-Raums die Regeln zu befolgen, nach denen die Spielwelt funktioniert. Die Spielregeln legen die Bedingungen des Spiel-Raums fest, genau wie die Naturgesetze – zum Beispiel die Schwerkraft – die reale Welt beherrschen. Gemäß den Regeln der Spielwelt kann ein Junge den Ball genauso wenig von der falschen Seite der Linie aus schießen, wie er einen Ball dazu bringen kann, von unten nach oben zu fallen. Natürlich könnte er es, aber damit würde er den Spiel-Raum missachten – und das nennt man mogeln.
Spielobjekte:
Die meisten Spiele arbeiten mit materiellen Objekten. Das sind Gegenstände, die Informationen über das Spiel liefern, und zwar entweder durch ihre bloße Existenz oder durch ihre Position. In unserem Spiel sind der Ball und der Baum solche Gegenstände. Wenn der Ball den Baum trifft, gibt es einen Punkt – das ist eine Information. Spielobjekte können dazu verwendet werden, den Spielverlauf aufzuzeichnen und den aktuellen Stand des Spiels darzustellen. Zum Beispiel kann man sich gut vorstellen, dass die Jungen, wenn ein Punkt erzielt wird, ein Steinchen auf den Boden legen oder Striche in den Sand zeichnen, um den Spielstand festzuhalten – das ist eine weitere Art von Informationsobjekt. Die Spieler selbst sind auch Objekte, und zwar insofern, als ihre Positionen Informationen über den Stand des Spiels liefern können. Vergleichen Sie einmal die Positionen von Spielern auf einem Fußballplatz mit den Figuren auf einem Schachbrett.
Spielziel:
Die Spieler müssen erkennen können, wann das Spiel zu Ende ist. Es muss einen End(zu)stand geben, den alle erreichen wollen, den man erkennen kann und über den sich alle Mitspieler einig sind. Die Dauer von Spielen kann festgelegt sein, so wie es in vielen Sportarten der Fall ist, z.B. beim Fußball. In unserem Fall ist jedes Mal ein Ziel erreicht, wenn einer der Spieler den Baum mit dem Ball trifft, und das Spiel ist zu Ende, wenn der erste Spieler fünf Punkte erreicht hat.
Diese vertrauten Elemente sind in jedem Spiel wiederzufinden, ob es nun Schach ist, Tennis, Poker, Ringelpiez – oder die Spiele, die in diesem Buch beschrieben werden.
Die Evolution der Spielwelt
Jedes Spiel ist eine eigene Welt, deren Entwicklung verschiedene Phasen durchläuft, und zwar diese: sich die Welt vorstellen, die Welt erschaffen, die Welt öffnen, die Welt erforschen und die Welt schließen. Und das funktioniert so:
Stellen Sie sich die Welt vor.
Bevor das Spiel beginnen kann, müssen Sie sich eine mögliche Welt vorstellen: einen temporären Raum, in dem die Spieler eine beliebige Zusammenstellung von Ideen oder Möglichkeiten entdecken können.
Erschaffen Sie die Welt.
Eine Spielwelt bekommt ihre Form, indem man sie mit Grenzen, Regeln und Spielobjekten ausstattet. Grenzen sind die räumlichen und zeitlichen Grenzen der Welt, ihr Anfang, ihr Ende und ihre Ränder. Regeln sind die Gesetze, die die Welt regeln. Objekte sind das, was die Welt bevölkert.
Öffnen Sie die Welt.
Eine Spielwelt kann nur betreten werden, wenn die Spieler sich darüber einig sind. Um zuzustimmen, müssen sie die Grenzen, Regeln und Objekte des Spiels kennen und wissen, was diese repräsentieren, wie sie funktionieren und so weiter.
Erkunden Sie die Welt.
Ziele sind die Kräfte, die die Erkundung antreiben. Sie sorgen für die nötige Spannung zwischen den Anfangsbedingungen der Welt und einem angestrebten Zustand. Ziele können im Vorhinein festgelegt werden oder von den Spielern im Laufe des Spiels. Wenn die Spieler in die Welt eingetreten sind, versuchen sie, ihre Ziele zu erreichen, und zwar im Rahmen der Bedingungen, die im System der Spielwelt herrschen. Sie interagieren mit Objekten, probieren Ideen aus, versuchen es mit verschiedenen Strategien und passen sich wechselnden Bedingungen an, während das Spiel voranschreitet – alles aus dem Antrieb heraus, ihre Ziele zu erreichen.
Schließen Sie die Welt.
Ein Spiel ist beendet, wenn das Spielziel erreicht ist. Obwohl das Erreichen eines Ziels den Spielern ein Gefühl der Genugtuung und des Erfolgs gibt, ist das Ziel nicht das, worum es eigentlich beim Spiel geht, sondern es ist eine Art von Markierungspunkt, mit dem der Spiel-Raum zeremoniell geschlossen wird. Das, worum es eigentlich beim Spiel geht, sind das Spielen selbst, die dabei stattfindende Erforschung eines Fantasieraums und die Erkenntnisse, die man bei dieser Erforschung gewinnt.
Sich die Welt vorstellen, die Welt erschaffen, die Welt öffnen, die Welt erforschen und die Welt schließen. Die ersten beiden Schritte entsprechen der Entwicklung eines Spiels und die übrigen drei dem Spielen.
Ist ein Spiel erst einmal fertig entwickelt, kann es unendlich oft gespielt werden. Wenn Sie also ein vorgefertigtes Spiel spielen, gibt es nur drei Schritte: die Welt öffnen, die Welt erforschen und die Welt schließen.
Beim Gamestorming geht es darum, Spielwelten zu erschaffen, die spezifischen Zwecken dienen: unternehmerische Herausforderungen zu erkunden und zu untersuchen, die Zusammenarbeit zu fördern und neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie die Welt funktioniert und was für Möglichkeiten sich darin bieten. Spielwelten sind alternative Wirklichkeiten, Paralleluniversen, die man erschaffen und erkunden kann, wobei die eigene Vorstellungskraft die einzige Grenze darstellt. Ein Spiel kann man sorgfältig im Voraus entwickeln oder mit vorhandenen Materialen aus dem Stegreif zusammenzimmern. Die Fertigstellung eines Spiels kann eine Viertelstunde dauern oder mehrere Tage. Die Anzahl möglicher Spiele ist ebenso unbegrenzt wie die Anzahl möglicher Welten. Indem