Taekkyon - Wie Wasser und Wind
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Über dieses E-Book
Taekkyon hat viele der heutigen koreanischen Kampfkünste beeinflusst. Ausführlich werden wissenswerte Details geschildert und mit verlässlichen historischen Quellen belegt. So wird zum Beispiel fundiert dargestellt, was es mit den Hwarang wirklich auf sich hat. Gab es bisher in deutscher Sprache nur vage Beschreibungen oder gar frei erfundene Mythen darüber, wie die traditionelle Kultur und der Alltag in vormodernen Zeiten die koreanischen Kampfkünste geprägt haben, so liegen nun lebendig geschilderte und konkrete Tatsachen vor. Dabei sind diese Fakten vielleicht sogar spannender als jene Mythen. Sein Leben und Training in Korea ermöglichen es dem Autor, einen detaillierten Eindruck der vielseitigen koreanischen Kampfkunst zu vermitteln.
Mit zahlreichen Hintergründen zu Kultur und Geschichte liefert "Taekkyon - Wie Wasser und Wind" erstmals in deutscher Sprache einen umfassenden Überblick über den gesellschaftlichen Zusammenhang, in dem die koreanischen Kampfkünste in den letzten drei bis vier Jahrhunderten entstanden sind. In einem spannend geschriebenen Buch erfährt der Leser wichtige Details zur Ausübungspraxis der faszinierenden Kampfkunst. Auf einige typische Techniken wird ebenfalls eingegangen, wenngleich dieses Buch nicht den Anspruch hat, eine technische Anleitung zu sein. Viele farbige Bilder runden die Lektüre ab.
Für Aktive des Tae Kwon Do dürfte das Kapitel "Taekkyon und Tae Kwon Do" interessant sein, in dem unter anderem erläutert wird, welche Einflüsse aus dem Taekkyon im Tae Kwon Do (bzw. Taekwondo) nachweisbar sind und in wie fern Choi Hong-hi mit Taekkyon in Verbindung gebracht werden kann.
Mit der Erscheinung von "Taekkyon - Wie Wasser und Wind" liegen nun auch verlässliche historische Informationen über Subak, die Hwarang, Gwon Beop (Kwon Bop), Ssireum, Guk Gung (Bogenschießen) und andere Kampfkünste vor.
Hendrik Rubbeling
Hendrik Rubbeling ist Lehrer an der Wichern-Schule Hamburg.
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Rezensionen für Taekkyon - Wie Wasser und Wind
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Buchvorschau
Taekkyon - Wie Wasser und Wind - Hendrik Rubbeling
Für meine Frau und unsere Kinder
Taekkyon – eine einzigartige Kampfkunst
Als weltweit erste und bisher einzige Kampfkunst wurde Taekkyon 2011 von der UNESCO als Weltkulturerbe registriert. Taekkyon hat viele der heutigen koreanischen Kampfkünste beeinflusst. Daher richtet sich dieses Buch an alle, die sich für koreanische Kampfkünste im Allgemeinen und für Taekkyon im Besonderen interessieren. Mit zahlreichen Hintergründen zu Kultur und Geschichte liefert Taekkyon – Wie Wasser und Wind erstmals in deutscher Sprache einen umfassenden Überblick über den kulturellen Zusammenhang, in dem die koreanischen Kampfkünste entstanden sind. In einem spannend geschriebenen Buch erfährt der Leser wichtige Details zur Ausübungspraxis dieser faszinierenden Kampfkunst. Auf einige typische Techniken wird ebenfalls eingegangen, wenngleich dieses Buch nicht den Anspruch hat, eine technische Anleitung zu sein.
Über den Autor
Hendrik Rubbeling, Jahrgang 1978, übt sich seit seinem 12. Lebensjahr in den koreanischen Kampfkünsten. Zunächst trainierte er Taekwondo und Hap Ki Do. Taekkyon lernte er in den südkoreanischen Städten Yongin und Busan. Er bildete mehrere Taekkyon-Trainer in Deutschland aus, um diese Kampfkunst auch hierzulande bekannt zu machen. Heute lebt und unterrichtet er in Hamburg. 2011 wurde er von Großmeister Lee Yong-bok zum Leiter der deutschen Vertretung des „World Taekkyon Headquarters, dem „Taekkyon Zentrum Deutschland
(Dogil Taekkyon Bonbu), ernannt.
Kontakt:
Anmerkung zu dieser Ausgabe
Dieses Buch ist eine überarbeitete Version des 2014 im Eigenverlag erschienen gleichnamigen Werkes. Es wurden verschiedene Druckfehler korrigiert und einige wenige Formulierungen geändert. Außerdem wurde die Reihenfolge und Position einiger Fotos und Formatierungen geändert, so dass die Seitennummern nicht mit der ersten Ausgabe überein stimmen. Nennenswerte inhaltliche Korrekturen waren erfreulicherweise nicht nötig.
Das Cover zeigt auf der Vorderseite das „Daekwaedo von Yu -Suk und auf der Rückseite das „Hamburger Gemälde
von Kisan Gim Jungeun,
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Geographie Koreas
Sprache und Schrift
Geschichte und Kultur
1893
1921
1940
Die Subak-Zeit
Karate
Die ältere koreanische Geschichte
Religionen und Staatsdoktrin
Der Imjin-Krieg
Die Unterwerfung durch die Qing
Die Hwarang
Das 19. Jahrhundert
Beinahe verschwunden
Die Dornröschen-Zeit
Die Renaissance
Entwicklung vier moderner Stile seit 1987
Kyulyun Taekyun
Chungju Taekgyeon / Hanguk Taekkyon
Widae Taekkyeon
Daehan Taekkyon
Graduierungen, Kleidung und Symbolik
Gyeorugi – der Wettkampf
Die Regeln früher und heute
Ziel
Erlaubte Techniken
Verbotene Techniken
Daejeop
Gyeotgi (Bestrafung)
Ein Dano-Fest um 1800
Taekkyon Technik
Wie Wasser und Wind
Pumbalkki – der Grundschritt
Apetgeori – die Aufwärmübungen
Ttanjuk-su – die tiefen Fußtechniken
Die Kreiseltechniken
Chagi – Die hohen Tritte
Sonjil – die Handtechniken
Yet Beop – die harten Techniken
Gi Hap – Energie sammeln
Yeondan-18-su
Etikette und Umgangsformen
Gesund und agil
Offenheit und Entwicklung
Andere koreanische Kampfkünste
Überblick
Taekkyon und seine nahen Verwandten
Taekkyon und Tae Kwon Do
Gwon Beop
Einbettung in die koreanische Kultur
Springen
Rhythm made in Korea
Interview mit Lee Yong-bok
Überblick über die Geschichte des Taekkyons
Geschichte Koreas
Wichtige koreanische Begriffe
Wichtige Personen
Literaturverzeichnis
Weitere Literatur über Taekkyon
Übersetzungen und Originale
Koreanische Vokabeln
Wichtige Begriffe in 4 Sprachen
Vorwort
In koreanischer Sprache sind in den letzten Jahren viele hervorragende Bücher über Taekkyon und andere koreanische Kampfkünste erschienen. Allerdings wurde davon praktisch nichts in Deutsche übersetzt. Informatives über die kulturellen Zusammenhänge, in denen sich koreanische Kampfkünste entwickelt haben, ist in deutscher und selbst in englischer Sprache bislang kaum verfügbar. Mit diesem Buch möchte ich einen Beitrag dazu leisten, dies zu ändern, denn während meiner Zeit in Korea hat mich nicht nur Taekkyon, sondern auch die vielseitige Kultur des Landes begeistert.
Die Geschichte der asiatischen Kampfarten lässt sich nur schwer recherchieren, denn häufig werden Legenden und Fakten miteinander vermischt. Hans-Jürgen Sobota, einer meiner wichtigsten Lehrer, hat diese Herausforderung mit einem Wort auf den Punkt gebracht: „Dem Durstigen bleibt die Suche nach sauberen Quellen nicht erspart." Ich habe die zitierten Quellen daher sehr sorgfältig überprüft und zumeist auf die originalen Primärquellen zurückgegriffen.
Ich hatte das Glück, beim Schreiben dieses Buches von vielen Seiten Unterstützung zu bekommen. Dafür danke ich Michael Pederson, Dr. Thomas Kuklinski-Rhee, Jean-Sébastien Bressy, Tim Strysak, Song Gi-yeon, Bernd Perk und Dirk Schoenen.
Tausend Dank an meine Taekkyon Lehrer Dr. Jun Samuel Kyung-hoon, Prof. Jang Kyeong-tae und Großmeister Lee Yong-bok.
Hendrik Rubbeling, im Oktober 2014
Einleitung
Als ich 1990 im Alter von zwölf Jahren mit Taekwondo¹ begann, sagte man mir, dass Taekkyon der Vorläufer des Taekwondo wäre und mittlerweile nicht mehr existierte. Diese Darstellung fand ich auch in vielen Büchern über Taekwondo. In den Neunzigerjahren stellte sie praktisch niemand infrage.
Taekkyon ist jedoch ganz und gar nicht ausgestorben, sondern höchst lebendig. Als ich im Sommer 2000 in einer rheinischen Kleinstadt den Koreaner Jun Samuel Kyung-hoon traf, begann meine Ausbildung im Taekkyon, das damals selbst in Korea relativ unbekannt war. Taekkyon lebt und mit dieser faszinierenden Kampfkunst ein Teil koreanischer Kultur. Aus diesem Grund hat mittlerweile sogar die UNESCO Taekkyon als Weltkulturerbe anerkannt.
Was ist Taekkyon? Es ist sowohl sportlicher Wettkampf als auch Selbstverteidigung, es ist Spiel und Kampf, gleichsam rhythmisch und fließend. Seine eleganten Fußschritte, die koreanischen Tanzschritten ähneln, gibt es nirgendwo sonst auf der Welt. Letztlich lässt sich Taekkyon mit keinem unserer modernen Begriffe wie Sport, Spiel oder Kampfkunst in einem Wort beschreiben. In Korea benutzt man heutzutage für Taekkyon und ähnliche Bewegungsformen meist den Oberbegriff Mu-Ye, welcher sich am besten mit „Kampfkunst" übersetzen lässt.²
Taekkyon hat sich über einen langen Zeitraum hinweg in Korea entwickelt. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg gab es jedoch kaum noch Meister, die Taekkyon überliefern konnten.
Beinahe wäre diese einzigartige Kampfkunst für immer verloren gegangen.
Viele Kampfkünste lehren Selbstverteidigungsmethoden und jede Kampfkunst hat ihre ganz eigene Faszination. Was ist das Besondere am Taekkyon? Unverwechselbar und einzigartig am Taekkyon ist der tänzerische Bewegungsfluss. Auch der traditionelle Wettkampf ist mit seinen Regeln einzigartig, denn man darf zwar werfen und in allen Höhen mit Tritten angreifen, aber nicht mit den Händen schlagen. Aus diesem Grund sind die Taekkyon-Fußtechniken sehr vielseitig und haben auch auf andere koreanische Kampfkünste abgefärbt. Es gibt wohl keine andere Kampfkunst mit derartig vielen Fußtechniken, denn im Taekkyon werden alle erdenklichen Tritte von den Knöcheln bis zum Scheitel sowie Feger und Fußwürfe trainiert.
Ebenfalls einzigartig unter den Kampfsportarten ist die Philosophie des Taekkyon-Wettkampfs, trotz der physischen Konfrontation auf das Wohl des Gegners zu achten. Im Taekkyon werden Tritte benutzt, doch aufgrund des Regelwerks sind keine Schutzpolster notwendig. Die Techniken werden gleichzeitig schnell und kontrolliert ausgeführt. Nur in seltenen Fällen kommt es zu einer Verletzung, so gut wie immer bleibt es bei leichten Blessuren. Insofern werden im Wettkampf die beiden Pole des Wettstreits und der Rücksichtnahme vereint. Während man versucht, den Gegner zu werfen oder am Kopf zu treffen, achtet man gleichsam auf seine Unversehrtheit. Der alte Charakter eines Spiels ist also immer noch gegenwärtig.
Die Reise zu dieser Kampfkunst wird uns in eine tiefe und noch teilweise unerforschte Vergangenheit führen. Hier und da werden wir auch Blicke in die benachbarten Länder China und Japan sowie auf angrenzende Themen werfen können.
¹ Mit Taekwondo ist hier immer die olympische Variante dieser Kampfart gemeint (organisiert durch den Verband World Taekwondo Federation). Taekwon-Do steht für die zweite große Stilrichtung, vertreten durch den Verband International Taekwon-Do Federation. Tae Kwon Do wird in diesem Buch als Oberbegriff für alle Stilrichtungen verwendet.
² Annähernd synonym wird Mu-Sul verwendet, wobei Sul „Technik" bedeutet. Außerdem gibt es noch den Begriff Mu-Do für Kampfkünste, die auf -Do enden.
Geographie Koreas
Die koreanische Halbinsel hat eine Fläche von etwa 220.000 km² und ist damit ungefähr so groß wie die Insel Großbritannien (Hauptinsel der Britischen Inseln). Sie erstreckt sich über 1100 km von den Flüssen Duman und Amrok (besser bekannt unter seinem chinesischen Namen Yalu) an der Grenze zu China im Norden bis zum Pazifik im Süden.
Abbildung 1: Lage Koreas in Ostasien
Südlich des koreanischen Festlandes liegt die Insel Jeju, Koreas größte Insel. Ihr Klima ist subtropisch und vor allem im Winter wesentlich wärmer als das des Festlandes. Dessen Klima ist von starken Kontrasten zwischen Winter und Sommer geprägt. Während der koreanische Sommer schwül-warm ist und die Temperaturen oft die 30 Grad-Marke übersteigen, stehen die Winter unter sibirischem Einfluss. Temperaturen von -20 °C sind in Seoul, welches ungefähr in der Mitte der Halbinsel liegt, keine Seltenheit. Die besten Reise- und Trainingszeiten sind daher im Frühling und Herbst, wenn die Temperaturen (je nach Region) um die 20 °C liegen.
Die ganze Halbinsel wird von Hügeln und Gebirgszügen durchkreuzt, wobei der Norden gebirgiger als der Süden und der Osten gebirgiger als der Westen ist. Die höchsten Berge liegen mit Erhebungen von über 2000 m in Nordkorea, wo sich mit dem Paektusan (2.744 m) auch der höchste Berg Koreas befindet. Der höchste Berg Südkoreas ist mit 1950 m der erloschene Vulkan Hallasan auf der Insel Jeju.
Die wichtigsten Städte sind die Hauptstädte Seoul und P'yŏngyang, die nur etwa 200 km voneinander entfernt liegen. Große wirtschaftliche Bedeutung hat auch die Hafenstadt Busan ganz im Südosten der Halbinsel, mit 3,7 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Südkoreas nach Seoul (11 Millionen Einwohner).
In Südkorea leben derzeit 50 Millionen Menschen, es besitzt eine der höchsten Besiedelungsdichten weltweit. In Nordkorea leben etwa 25 Millionen Einwohner.
Der Han-Gang (Han-Fluss) ist mit 497,5 km der viertlängste Fluss Koreas. Er durchfließt Seoul von Osten nach Westen und erreicht hier eine stattliche Breite von über einem Kilometer. Da er in das Gelbe Meer mündet, spielte er in der Geschichte Koreas eine wichtige Rolle als Handelsroute zu China und war dementsprechend immer wieder Gegenstand von politischen und militärischen Konflikten.
Abbildung 2: Ursprüngliches Bild von Ksiom (Eigenes Werk). Lizenz: CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons. Durch die Lizenzbestimmungen erlaubte Ergänzungen durch Hendrik Rubbeling.
Sprache und Schrift
Für die koreanische Kampfkunstgeschichte sind nicht nur die koreanische, sondern auch die chinesische Sprache und Schrift von Bedeutung. Der Grund liegt in der großen Bedeutung Chinas für ganz Ostasien. Ähnlich, wie Deutschland durch das römische Reich beeinflusst wurde, hat sich das riesige chinesische Reich auf Korea ausgewirkt.
Sehen Sie sich folgendes Zeichen an:
Falls Sie dieser Sprache nicht zufällig mächtig sind, erahnen Sie vielleicht, dass es sich um ein chinesisches Zeichen handelt. Aber selbst, wenn Sie einen mehrwöchigen Grundkurs in Chinesisch absolviert haben, wissen Sie möglicherweise nicht, wie dieses Zeichen ausgesprochen wird.
Koreanisch ist zwar nicht mit dem Chinesischen verwandt, wurde aber früher in Ermangelung einer eigenen Schrift genau wie Japanisch und Vietnamesisch mit chinesischen Schriftzeichen niedergeschrieben. Es ist übrigens nicht ungewöhnlich, dass ein Volk auf eine fremde Schrift zurückgreift: Beispielsweise werden lateinische Buchstaben von vielen europäischen Sprachen zur Darstellung ihrer Sprache benutzt, obwohl diese Sprachen manchmal nur sehr entfernt mit Latein verwandt sind. Das beste Beispiel hierfür ist vielleicht das Türkische.
Das Besondere an der chinesischen Schrift ist, dass die Schriftzeichen zwar meistens eindeutig hinsichtlich ihrer Bedeutung sind, aber keinerlei Informationen über die Aussprache des jeweiligen Begriffs enthalten. Chinesisch besteht nicht aus Buchstaben, die man aneinander reihen und so den Klang eines Wortes wiedergeben kann. Es ist keine phonetische Schrift, sondern eine sogenannte Logografie,³ die aus tausenden Logogrammen besteht. Für den Alltag benötigt man daher nicht nur einige dutzend Buchstaben (phonetische Zeichen), sondern ca. 3000 bis 5000 Logogramme. Selbst, wenn man tausende Logogramme beherrscht, trifft man also doch immer wieder auf Zeichen, deren Aussprache und Bedeutung man nicht kennt. Umgekehrt hat man manchmal keine Ahnung, wie ein Begriff geschrieben wird, wenn man ihn nur hört, da es im Chinesischen sehr viele Homophone gibt. Homophone sind Worte, die gleich gesprochen, aber anders geschrieben werden und eine andere Bedeutung haben, beispielsweise im Deutschen „mahlen und „malen
.
Abbildung 3: Sejong Daewang - Sejong der Große. Foto von Mammique at fr.wikipedia (photo by Camille Harang), CC-BY-SA-3.0 via Wikimedia Commons.
Kurzum, Chinesisch ist eine sehr schwere Schrift, vermutlich sogar die heutzutage am schwersten zu lernende Schrift weltweit. Aufgrund dessen konnten in früheren Jahrhunderten nur sehr gebildete Menschen in China, Korea, Japan und Vietnam schreiben. Selbst heute muss man als Chinese die stattliche Anzahl von 1500 Zeichen schreiben und lesen können, wenn man nicht offiziell als Analphabet gelten möchte. Dies ist einer der Gründe, warum auch heute noch der offizielle Anteil der Schriftkundigen in China relativ gering ist (10% gelten als Analphabeten, in Deutschland lediglich 1%).
Hinzu kommt, dass die koreanische Sprache ganz anders aufgebaut ist als die chinesische. Koreanisch ist eine „agglutinierende Sprache, Chinesisch dagegen ist „isolierend
.
Aus diesen Gründen hat man vor etwa 600 Jahren in Korea eine eigene Schrift entwickelt. Zu dieser Zeit war in Korea die Joseon-Dynastie etabliert, die von 1392 bis 1897 währte. Joseon bedeutet wörtlich „Morgenstille oder „Morgenruhe
. Heute noch ist Joseon die Selbstbezeichnung Nordkoreas. In der Joseon-Dynastie war der Konfuzianismus, genauer der Neokonfuzianismus, die dominierende geistige Lehre. Im Konfuzianismus hat Bildung einen immensen Stellenwert. Die Könige der Joseon-Dynastie hatten es sich zum Ziel gesetzt, den Konfuzianismus und die allgemeine Bildung des Volkes zu fördern und zu verbreiten. Wie aber soll man Bildung für jeden ermöglichen, wenn einem schon die chinesische Schrift im Wege steht?
Im Jahre 1418 bestieg König Sejong⁴ als vierter König der Dynastie den Thron. Er erhielt als einziger König in der rund 2100-jährigen Geschichte der koreanischen Staaten⁵ den Titel „der Große", denn er hat sich um viele Errungenschaften in den Bereichen
Naturwissenschaft und Technik, Literatur und Medizin verdient gemacht. Sein größter Verdienst ist aber, dass er die Entwicklung einer eigenen koreanischen Schrift – einer phonetischen Schrift – veranlasste. Sie wurde um die Jahre 1443 und 1446 durch das Werk Hun Min Jeong Eum („Die richtigen Laute zur Unterweisung des Volkes") vorgestellt. In jenem Text wird die neue Schrift, die eng an die koreanische Sprache angepasst ist, erklärt. Im Vorwort schreibt König Sejong der Große:
Die Sprache unseres Landes ist anders als Chinas, und mittels (chinesischer) Schriftzeichen nicht einander übersetzbar.
Daher ist es so, dass es viele Menschen im ungebildeten Volk gibt, die etwas zu sagen wünschen, ihre Absicht aber nicht ausdrücken können, obwohl sie ihre Meinungen äußern möchten.
Ich bin darüber betrübt und habe 28 neue Schriftzeichen geschaffen und hoffe, dass sie für jedermann leicht zu erlernen und bequem im Alltag anzuwenden sind.
Bis heute feiert man am 9. Oktober in Südkorea bzw. am 15. Januar in Nordkorea die Entwicklung der eigenen Schrift mit einem Feiertag. Früher nannte man sie gemeinhin „Volksschrift, seit etwa 100 Jahren wird sie „Hangeul
genannt.
Die Einführung des Hangeul war nicht ganz unumstritten, denn einige der Gelehrten fürchteten um ihre Vormachtstellung, die mit dem Privileg der Bildung verbunden war. Daher erlebte das Hangeul in den folgenden Jahrhunderten ein