Kulturelles Kapital: Filmförderung in Deutschland
Von Lisa Giehl
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Buchvorschau
Kulturelles Kapital - Lisa Giehl
kommunikation audiovisuell
Beiträge aus der Hochschule
für Fernsehen und Film München
Für die Hochschule herausgegeben von
Prof. Dr. Michaela Krützen
Band 46
Hochschule für Fernsehen
und Film (HFF) München
Medienwissenschaft
Bernd-Eichinger-Platz 1
D-80333 München
Reihe »kommunikation audiovisuell«
Die Hochschulschriftenreihe »kommunikation audiovisuell« wurde 1981 von Prof. Dr. Karl Friedrich Reimers begründet. Als Ordinarius an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) war er bis 2001 Herausgeber dieser Reihe.
Im Wintersemester 2001/02 veränderte sich mit der Emeritierung von Prof. Dr. Reimers und der Neuberufung von Prof. Dr. Michaela Krützen das Profil der Abteilung »Kommunikationswissenschaft und Ergänzungsstudium«: Zusätzlich zu ihrer sozialwissenschaftlichen Ausrichtung erhielt sie einen geisteswissenschaftlichen Schwerpunkt. Dies manifestiert sich auch in der Umbenennung der Abteilung, die jetzt den Namen »Medienwissenschaft« trägt.
Trotz dieser Neuorientierung bleibt die Reihe »kommunikation audiovisuell« ihrem schon 1981 formulierten Anspruch treu, zwischen Medienwissenschaft und Medienpraxis vermitteln zu wollen. Diese Traditionslinie fortzuführen ist Ziel der Herausgeberin.
Inhalt
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Vorwort
Einleitung
1.1 Das Dilemma der Filmförderung
1.2 Aktueller Forschungsstand
1.3 Aufbau der Arbeit
Bourdieus Kapitaltheorie: Die Gemeinsamkeiten zwischen Filmförderung und Mäzenatentum
Historische Kontextualisierung, Systematisierung und Auswertung der Filmförderung in Deutschland
3.1 Die Entstehung der institutionellen Filmförderung
3.1.1 Erste staatliche Fördermaßnahmen und die Gründung der Ufa Anfang des 20. Jahrhunderts
3.1.2 Zwangsverstaatlichte Filmförderung im Nationalsozialismus
3.1.3 Bürgschaftsmodelle im Nachkriegsdeutschland
3.1.4 Institutionelle Filmförderung ab den 1950er Jahren bis heute
3.2 Die Ziele der Filmförderung
3.2.1 Kategorien von Förderzielen
3.2.2 Die Förderausrichtung abgeleitet aus den Förderzielen
3.2.3 Exkurs: Die Förderausrichtung in rechtlicher Hinsicht
3.3 Die Förderbereiche
3.3.1 Förderbereiche im klassischen Sinne
3.3.2 Innovative Förderprogramme
3.4 Die Herkunft der Mittel
3.4.1 Die Abgabepflicht der Filmwirtschaft
3.4.2 Öffentliche Gelder von Bund und Ländern
3.4.3 Public Private Partnership als Finanzierungsform
3.5 Die beiden Vergabesysteme
3.5.1 Automatische Vergabe von Fördermitteln
3.5.2 Selektive Vergabe von Fördermitteln
3.6 Die gegenwärtige Förderpraxis: Eine Auswertung der Jahre 2010 bis 2012
3.6.1 Das jährliche Förderbudget
3.6.2 Der Förderschwerpunkt
3.6.3 Die Anzahl der Filmprojekte
3.6.4 Die geförderten Großprojekte
3.6.5 Die am umfangreichsten geförderten Produktionsfirmen
3.6.6 Die Senderbeteiligung an den geförderten Filmprojekten
3.6.7 Die geförderten Genres
Strategien von Kulturförderung in mäzenatischem Kontext
4.1 Gaius Clinius Maecenas: Der Pate
4.2 Lorenzo de’ Medici: Der Stratege
4.3 König Ludwig II.: Der Egoist
4.4 Marie-Laure de Noailles: Die Fokussierte
4.5 Julia Stoschek: Die Autonome
Die Relevanz mäzenatischer Aspekte für die Filmförderung in Deutschland
5.1 Filmförderung à la Gaius Clinius Maecenas
5.2 Filmförderung à la Lorenzo de’ Medici
5.3 Filmförderung à la König Ludwig II.
5.4 Filmförderung à la Marie-Laure de Noailles
5.5 Filmförderung à la Julia Stoschek
Fazit
Anhang
7.1 Tabellen
7.2 Literaturverzeichnis
7.3 Filmographie
Anmerkungen
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Jährliches Förderbudget 2010
Abb. 2: Jährliches Förderbudget 2011
Abb. 3: Jährliches Förderbudget 2012
Abb. 4: Jährliches Förderbudget 2010 bis 2012 (Durchschnitt)
Abb. 5: Anteil der BKM-Förderung am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012
Abb. 6: Anteil der FFA-Förderung am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012
Abb. 7: Anteil der Länderförderungen am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012
Abb. 8: Förderausrichtung und Gesamtförderbudget 2010 bis 2012 (Durchschnitt)
Abb. 9: Anteil der rein kulturellen Förderausrichtung am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012
Abb. 10: Anteil der rein wirtschaftlichen Förderausrichtung am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012
Abb. 11: Anteil der automatischen Förderung am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012
Abb. 12: Anteil der selektiven Förderung am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012
Abb. 13: Anteil der Produktions-, Drehbuch-, Verleih- und Vertriebsförderung am Gesamtförderbudget 2010 bis 2012 (Durchschnitt)
Abb. 14: Anzahl geförderter Filmprojekte 2010 bis 2012
Abb. 15: Durchschnittlicher Förderbetrag 2010 bis 2012
Abb. 16: Senderbeteiligung an den geförderten Filmprojekten 2010 Abb. 17: Senderbeteiligung an den geförderten Filmprojekten 2011 Abb. 18: Senderbeteiligung an den geförderten Filmprojekten 2012 Abb. 19: Senderbeteiligung an den geförderten Filmprojekten 2010 bis 2012 (Durchschnitt)
Abb. 20: Anzahl der geförderten Großprojekte nach Genre 2010
Abb. 21: Anzahl der geförderten Großprojekte nach Genre 2011
Abb. 22: Anzahl der geförderten Großprojekte nach Genre 2012
Abb. 23: Anzahl der geförderten Großprojekte nach Genre 2010 bis 2012
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Top 10 der Großprojekte 2010
Tabelle 2: Top 10 der Großprojekte 2011
Tabelle 3: Top 10 der Großprojekte 2012
Tabelle 4: Top 10 der Großprojekte 2010 bis 2012
Tabelle 5: Top 10 der am umfangreichsten geförderten Produktionsfirmen 2010
Tabelle 6: Top 10 der am umfangreichsten geförderten Produktionsfirmen 2011
Tabelle 7: Top 10 der am umfangreichsten geförderten Produktionsfirmen 2012
Tabelle 8: Top 10 der am umfangreichsten geförderten Produktionsfirmen 2010 bis 2012
Tabelle 9: Geförderte Genres 2010
Tabelle 10: Geförderte Genres 2011
Tabelle 11: Geförderte Genres 2012
Abkürzungsverzeichnis
Vorwort
Diese Arbeit entstand an der Hochschule für Fernsehen und Film München in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie wurde in der Abteilung Medienwissenschaft der Hochschule für Fernsehen und Film München als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt meiner Doktormutter, Prof. Dr. Michaela Krützen, für Ihre hervorragende Unterstützung und ihr persönliches Engagement bei der Betreuung dieser Arbeit. Ebenfalls herzlich bedanken möchte ich mich bei meinem Zweitgutachter Herrn Prof. Dr. Christopher Balme sowie bei Herrn Prof. Dr. Michael Gissenwehrer für sein Mitwirken in der Prüfungskommission.
Vielen Dank für das Stipendium, dass ich im Rahmen des »Programms zur Realisierung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre« vom Freistaat Bayern erhalten habe.
Für Austausch, Lektüre, Impulse und Zuspruch bedanke ich mich bei Anna Katharina Brehm, Dr. Alexander Erhard, Dr. Judith Früh, Dr. Johannes Wende, Johannes Rosenstein, Christoph Menardi, Dr. Olga Havenetidis, Prof. Dr. Klaus Schaefer, Prof. Ulrich Limmer, Dr. Miriam Jakobs sowie Prof. Bettina Reitz. Ebenso danke ich dem gesamten Bibliotheksteam der Hochschule für Fernsehen und Film München.
Ohne familiäre Unterstützung hätte dieses Buch nicht entstehen können. Mein Dank gilt insbesondere meinem Mann, aber auch meinen Kindern, Eltern sowie meiner Schwiegermutter.
1 Einleitung
Kultur wird in Deutschland jährlich in Milliardenhöhe subventioniert. Wie aus dem zuletzt im Jahr 2014 erschienenen Kulturfinanzbericht hervorgeht, lagen die öffentlichen Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden 2012 bei 9,50 Milliarden Euro.¹ Rechnet man die sogenannten kulturnahen Bereiche hinzu, zu denen auch Rundfunk- und Fernsehanstalten gehören, erhöht sich die Summe auf 11,80 Milliarden Euro.² Über ein Drittel der Kulturausgaben und damit den größten Anteil erhielt 2012 mit 3,37 Milliarden Euro die Sparte Theater und Musik.³
Dagegen sind die Mittel, die jährlich in die Filmförderung fließen, eher gering. 2012 betrugen sie 343,54 Millionen Euro.⁴ Dies ist rund ein Zehntel der Ausgaben für Theater und Musik in demselben Jahr.
Dass die Fördermittel für Film vergleichsweise niedrig ausfallen, liegt an dessen Doppelcharakter: Film gilt nicht nur als reines Kultur-, sondern auch als Wirtschaftsgut. Wie Film wahrgenommen wird, hängt von den Umständen sowie vom Betrachter ab: Als eigenständige Kunstgattung ist Film klar als Kulturgut typisiert. Allerdings gibt es auch Gründe, Film als Wirtschaftsgut zu betrachten, allen voran die Möglichkeit der Refinanzierung. Film hat zudem einen gewissen Warencharakter, der sich unter anderem darin äußert, dass mit Filmrechten gehandelt wird. Darüber hinaus ist Film ein Produkt, an dessen Herstellung eine Vielzahl spezialisierter Unternehmen beteiligt sind, weshalb man Filmförderung unter anderem auch als eine Branchenförderung verstehen kann.
Dementsprechend fungiert die Filmförderung gleichzeitig als Kultur- und Wirtschaftsförderung. Der stark ausgeprägte wirtschaftliche Aspekt des Films ist als Grund dafür zu nennen, dass sich die Filmförderung nicht nur im Umfang, sondern auch in ihren Modalitäten von anderen staatlichen Kulturförderungen unterscheidet. Bei den Filmfördermitteln handelt es sich nicht ausschließlich um öffentliche Gelder; die Filmförderungsanstalt (FFA) finanziert sich aus Abgaben der Filmwirtschaft und in die Fördertöpfe einzelner Länderförderinstitutionen zahlen neben der öffentlichen Hand gleichfalls privatwirtschaftliche Unternehmen ein. Hier besteht eine Differenz zu subventionierten Kultursparten wie beispielsweise dem Theater, das sich primär aus öffentlichen Mitteln finanziert.
Ebenso gibt es hinsichtlich der Rückzahlung einen Unterschied: Während die Kulturausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden Subventionen sind, die nicht zurückgezahlt werden müssen, werden die Filmfördermittel sowohl als Zuschuss als auch als erfolgsbedingt rückzahlbares Darlehen ausgereicht. Bei Zuschüssen besteht keine Rückzahlungsverpflichtung, erfolgsbedingt rückzahlbare Darlehen müssen dagegen im Erfolgsfall (beispielweise bei Veräußerung von Filmrechten oder ab einem bestimmten Einspielergebnis) getilgt werden.
1.1 Das Dilemma der Filmförderung
Der duale Charakter des Films (Film als Kultur- und Wirtschaftsgut), der ein Pendant in der Filmförderung findet (Filmförderung als Kultur- und Wirtschaftsförderung), führt zu einer paradoxen Situation: Einerseits kann man in der Möglichkeit, den Film als Wirtschaftsgut zu deklarieren, den Grund dafür ausmachen, dass der Filmförderung im Vergleich zu anderen öffentlich subventionierten Kultursparten relativ geringe Mittel zur Verfügung gestellt werden. Andererseits bedarf der Kulturförderaspekt der Filmförderung zunehmend einer Legitimation durch wirtschaftliche Kriterien. Diese Tendenz tritt beim Film deutlicher zutage als in anderen Kulturbereichen und hat die Konsequenz, dass die Filmförderung in ihrer Rolle als Wirtschaftsförderung prägnanter und effektiver auftreten kann, als im Gewand der Kulturförderung. Die Gefahr, die dieser Entwicklung innewohnt, liegt auf der Hand: Die wirtschaftliche Seite der Filmförderung droht die kulturelle Seite zu marginalisieren und könnte im Extremfall dazu führen, diese vollends zu verdrängen.
Die ökonomischen Effekte der Filmherstellung können genau beziffert werden. In der zuletzt im Jahr 2015 erschienenen Studie der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung wird der volkswirtschaftliche Anteil der Filmwirtschaft belegt.⁵ Diese erzielte demnach im Jahr 2014 einen Umsatz von 9,28 Milliarden Euro und hatte damit einen Anteil am Gesamtumsatz der Kultur- und Kreativwirtschaft von 6,34 Prozent. In absoluten Beträgen ausgedrückt lag dieser 2014 bei rund 146 Milliarden Euro. Wenn man diesen Betrag in Relation zu anderen Wirtschaftsbereichen setzt, dann hat die Kultur- und Kreativwirtschaft 2014 im Hinblick auf ihrem Umsatz einen Anteil von 2,39 Prozent an der Gesamtwirtschaft. Auch wenn dieser Prozentsatz auf den ersten Blick gering erscheint, ist er dies nicht. Die Bruttowertschöpfung der Kultur- und Kreativwirtschaft befindet sich im Vergleich zu anderen großen Industriesektoren im Mittelfeld (sie ist beispielsweise höher als in der chemischen Industrie und bei Energieversorgern, aber geringer als im Maschinenbau und der Automobilbranche).⁶
Die Studie zur Kultur- und Kreativwirtschaft liefert wichtige Erkenntnisse für die Filmbranche, zur Legitimation von Filmförderung eignet sie sich jedoch nicht. Denn dies kommt einer »Ökonomisierung von Kultur«⁷ gleich, welche sich auch in anderer Hinsicht ausdrückt:
Die Tendenz, den Erfolg der Kultur an ökonomischen Parametern zu messen, begann in den siebziger Jahren, erfährt gegenwärtig aber eine entscheidende Zuspitzung. In den siebziger Jahren bahnte sich die Ökonomisierung der Kultur darin an, dass Besucherzahlen zum Kriterium einer scheinbaren Rentabilität gemacht wurden.⁸
Walter Grasskamp schreibt in Kunst und Geld, dass Kultur sich nicht betriebswirtschaftlich darstellen ließe. Sie sei, wenn überhaupt, eine Angelegenheit der Volkswirtschaft und erfordere daher einen ganz anderen Hintergrund für die Diskussion von Daten, als das bei der Innenansicht konkurrierender Wirtschaftsbereiche nötig sei.⁹
Den Erfolg von Filmförderung mit wirtschaftlichen Parametern wie Besucherzahlen zu messen, wird der Sache nicht gerecht. Dennoch wird eine solche Gleichung immer wieder aufgestellt. Unter anderem von Alan Posener, der im November 2014 in Die Welt einen Artikel mit dem Titel »Die bittere Bilanz der deutschen Filmwirtschaft« verfasste. Darin setzte er die Fördersumme von neun im Jahr 2013 geförderten Filmen (unter anderem KOKOWÄÄH, FRAU ELLA, FÜNF FREUDE 2 und DAS KLEINE GESPENST) ins Verhältnis zu deren Zuschauerzahlen. Besonders schlecht, wird proklamiert, schneide dabei DAS KLEINE GESPENST ab, das mit rund 3,90 Millionen Euro gefördert wurde und lediglich 908.000 Kinobesucher hatte.¹⁰
Auf diesen Artikel gab es empörte Reaktionen aus der Filmbranche. Eine stammte von Prof. Dr. Klaus Schaefer, dem Geschäftsführer des FFF Bayern. Er warf Posener eine bedauerliche Stimmungsmache vor, die überwiegend auf falschen Erkenntnissen, schlechter Recherche oder unzutreffenden Rückschlüssen beruhe. Bei der Filmförderung ginge es nicht um eine Subventionierung der Filmindustrie, sondern um die Förderung des Kulturguts Film. Schaefer sagt Filmförderung sei Kulturförderung und als Maßstab für den Erfolg von Filmförderung dürften keineswegs nur Besucherzahlen herangezogen werden.¹¹ Der künstlerische Wert eines Filmwerks, »der sich weniger an verkauften Tickets, als an Festivalteilnahmen und Preisen oder auch am Echo in den Feuilletons […] und in der öffentlichen Debatte misst, und vor allem die inhaltliche Relevanz des Themas in historischer, gesellschaftlicher oder auch sozialer Hinsicht«¹² seien mindestens genauso wichtig.
Ob Filmförderung als Kultur- oder Wirtschaftsförderung wahrgenommen wird, hängt auch von der Art der geförderten Filme ab: Werden kulturell anspruchsvolle Filme gefördert, ist von Kulturförderung die Rede. Werden kommerziell ausgerichtete Filme gefördert, von Wirtschaftsförderung. Nach Wolfgang Längsfeld, dem ehemaligen Professor der Abteilung III Kino- und Fernsehfilm der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF München), werden »›Kunst‹ und ›Kommerz‹ häufig als sich ausschließende Gegensätze empfunden, wobei letzterem bestenfalls das Etikett ›gute Unterhaltung‹ zugedacht wird. Der Film ist demnach entweder eigentlich verachtete Marktware oder geliebhaßtes Kulturgut.«¹³
»Kunst« und »Kommerz« müssen sich aber nicht ausschließen. Viel wichtiger ist, dass sich beides nicht eindeutig voneinander trennen lässt. Denn sind kommerzielle Filme wie KEINOHRHASEN, FACK JU GÖHTE 1 und 2 oder FÜNF FREUNDE 1 bis 4 nicht auch Kunst? Und können Arthousefilme, denen ein besonderer künstlerischer Wert zugesprochen wird, wie beispielsweise OH BOY, VICTORIA oder TONI ERDMANN nicht auch kommerziell sein?
Mit dieser Dissertation möchte ich Argumente dafür liefern, dass die Filmförderung ebenso eine Daseinsberechtigung als Kulturförderung hat und dass es gilt, diese nicht nur zu bewahren, sondern auch zu pflegen. Um diese These zu überprüfen, bediene ich mich eines gedanklichen Experiments: Ich diskutiere Filmförderung anhand von Mäzenatentum und vergleiche hierbei fünf unterschiedliche Mäzene. Dies mag zunächst verwundern, handelt es sich bei der Filmförderung doch um eine institutionalisierte Form von Kulturförderung und beim Mäzenatentum (im klassischen Sinne) um eine private Form von Kulturförderung. Es besteht also in Bezug auf die Mittelherkunft und -vergabe eine eindeutige Diskrepanz. Dennoch gibt es einen klaren Bedeutungszusammenhang zwischen Filmförderung und Mäzenatentum, der sich aus der genaueren Betrachtung des eingesetzten Kapitals und der damit zu erzielenden Effekte ergibt. Denn sowohl bei der Filmförderung als auch beim Mäzenatentum spielt kulturelles Kapital eine prägnante Rolle. Der Begriff entstammt Bourdieus Kapitaltheorie. Was genau darunter zu verstehen ist und welche weiteren Kapitalkategorien Bourdieu benennt, wird in Kapitel 2 ausgeführt. Zunächst sei jedoch festgehalten: Filmförderung und Mäzenatentum operieren mit kulturellem Kapital und darin liegt eine grundlegende Gemeinsamkeit.
1.2 Aktueller Forschungsstand
Ein Blick in die wissenschaftliche Literatur zeigt, dass es bisher keine Arbeit gibt, in welcher der Wert der Filmförderung als Kulturförderung explizit hervorgehoben wird.
Filmförderung wird vor allem im Bereich der Medien-, Rechts- und Sozialwissenschaften thematisiert.
Hier finden sich vornehmlich Überblickswerke mit einem ökonomischen oder geschichtlichen Fokus, in denen Filmförderung lediglich in Unterkapiteln behandelt wird.¹⁴ Zu den Standardwerken zählen: Filmproduktion, Filmförderung und Filmfinanzierung von Knut Hickethier und Jan Berg, Einführung in die Medienwirtschaft ebenfalls von Knut Hickethier, Filmfinanzierung von Dirk Eggers sowie das Handbuch der Mediengeschichte von Helmut Schanze.
Darüber hinaus gibt es explizite Überblickswerke zur Filmförderung – meist in einem deutschen und/oder europäischen Kontext.¹⁵ Der Großteil dieser Arbeiten ist jedoch nicht mehr zeitgemäß. Das aktuellste Werk stammt aus dem Jahr 2009, es heißt Filmförderung in Deutschland und der EU 2009 und wurde von dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG herausgegeben.
Hinzu kommen Arbeiten, in denen die Filmförderung einer speziellen Region betrachtet wird.¹⁶ Dies können sowohl einzelne Bundesländer sein oder auch das Fördersystem anderer Länder, beispielsweise das der Schweiz.
Vereinzelt finden sich ebenso Vergleiche der Filmfördersysteme unterschiedlicher europäischer Länder.¹⁷ Insbesondere Deutschland und Frankreich stehen dort im Fokus der Betrachtung.
Außerdem wird das Thema Filmförderung in diversen Monografien aus verschiedenen Perspektiven dargestellt.¹⁸ Eine vielschichtige Analyse liefern hierbei Gisela Hundertmark und Louis Saul in Förderung essen Filme auf … und Steffen Wolf in Filmförderung oder Zensur? Beide Werke sind allerdings nicht mehr auf dem neuesten Stand: Sie stammen aus den Jahren 1984 beziehungsweise 1986.
Ferner gibt es zum wirtschaftlichen Erfolg oder auch zur Effizienz von Filmförderung diverse Arbeiten.¹⁹ Diese Evaluationen finden meist in einem wirtschaftswissenschaftlichen Zusammenhang statt. Der Erfolg von Filmförderung bemisst sich hierin anhand von konkreten Besucherzahlen und Einspielergebnissen. Oft wird auch der Marktanteil deutscher Filme als Erfolgskriterium gewertet. Manche dieser Evaluationen setzen sich mit dem kulturellen Effekt von Filmförderung auseinander. ²⁰ Die Tatsache, dass ein Film auf einem Festival zu sehen ist, einen Preis gewinnt oder mit einem Prädikat der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) ausgezeichnet wird, gilt dort bereits als Beleg für seinen kulturellen Wert. Als besonders detaillierte Evaluation ist Oliver Castendyks Die deutsche Filmförderung zu nennen.
Darüber hinaus gibt es diverse Studien zur Filmförderung. Allen voran die jährlich erscheinende FFA Info²¹ sowie die für die Jahre 2010 bis 2012 publizierte Studie zur Filmförderung des Erich Pommer Instituts (EPI)²².
Im Bereich der Rechtswissenschaft findet man eine Vielzahl von Arbeiten, in denen Filmförderung im Kontext eines bestimmten Rechtsrahmens analysiert wird, wie beispielsweise dem Grundgesetz, europäischen Beihilfenrecht oder Welthandelsrecht, aber auch hinsichtlich ihrer Rechtsgrundlage, dem Filmförderungsgesetz (FFG).²³
Hier gibt es ebenso Überblickswerke, das Thema Filmförderung ist dabei häufig eine Unterkategorie.²⁴ Ein Beispiel ist das umfangreiche Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts von Holger von Hartlieb und Mathias Schwarz.
Die Spannbreite der sozialwissenschaftlichen Abhandlungen zum Thema Filmförderung ist groß. Hierin werden sowohl Identität, die Zukunft von Filmförderung, als auch eine Analyse der Machtverhältnisse im Filmbereich beleuchtet.²⁵.
Es finden sich zusätzlich zahlreiche Publikationen der jeweiligen Förderinstitutionen, die informativen Charakter haben und einen Eindruck von der entsprechenden Fördertätigkeit liefern sollen.²⁶ Daneben veröffentlichen diese die rechtlichen Grundlagen ihres Schaffens in Form von Richtlinien.²⁷
Während die wissenschaftliche Literatur zum Thema Filmförderung überschaubar ist, gibt es zum Mäzenatentum zahllose Werke.
Mäzenatentum wird vornehmlich in der Kunstwissenschaft thematisiert, wo es überwiegend der Illustration einer bestimmten Epoche dient. Dabei liegt der Fokus häufig auf einer Einzelperson²⁸, wie beispielsweise in Das Pseudomäzenatentum Adolf Hitlers von Winfried Nerdinger oder in Sammler, Stifter und Mäzene des Handels von Bernd Hallier. Das Mäzenatentum einer bestimmten Epoche wird auch anhand von Personengruppen beschrieben,²⁹ zum Beispiel das Mäzenatentum des aufkommenden Bürgertums. Darüber hinaus kann sich die Epochenanalyse ebenso auf Kunstgattungen und/oder Kulturkreise beziehen,³⁰ wie in Literarisches Mäzenatentum von Joachim Bumke oder Patronage and Italian Renaissance Sculpture von Kathleen Wren Christian und David J. Drogin zu lesen ist. Zudem wird Mäzenatentum immer wieder zur Veranschaulichung einer kunsthistorischen Entwicklung aufgegriffen.³¹ Ein Beispiel hierfür ist Fürstliche Mäzene und Sammler in Deutschland von 1500–1620 von Gerhard