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Star Trek - Deep Space Nine: Mysterien
Star Trek - Deep Space Nine: Mysterien
Star Trek - Deep Space Nine: Mysterien
eBook348 Seiten4 Stunden

Star Trek - Deep Space Nine: Mysterien

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Über dieses E-Book

Elim Garak ist zum Kastellan der Cardassianischen Union aufgestiegen ... dich die unmuttelbar bevorstehende Veröffentlichung eines Berichts, der die Kriegsverbrechen seines Volkes während der Besatzung von Bajor enthüllt, droht das Militär gegen ihn aufuzbringen. Und die Entdeckung eines verborgenen Archivs aus den letzten Jahren vor dem Dominion-Krieg könnte die Reputation Natima Langs, der Spitzenkandidatin für den Leitungsposten der prestigeträchtigen Universität der Union, zerstören.
SpracheDeutsch
HerausgeberCross Cult
Erscheinungsdatum2. März 2020
ISBN9783966580090
Star Trek - Deep Space Nine: Mysterien

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    Buchvorschau

    Star Trek - Deep Space Nine - David R. George III

    Autorin

    Historische Anmerkung

    Diese Geschichte spielt im Jahr 2386, sieben Jahre nach dem Aufeinandertreffen der U.S.S. Enterprise-E mit dem romulanischen Praetor Shinzon (STAR TREK – NEMESIS) und ein Jahr nach dem Besuch der Athene Donald auf Deep Space 9 (STAR TREK – DEEP SPACE NINE »Misstrauen«). Diese Ereignisse tragen sich nur wenige Wochen nach Julian Bashirs Mission zu, die zur explosiven Enthüllung von Sektion 31 und ihrer verborgenen Machenschaften durch die von Trill stammende Reporterin Ozla Graniv geführt haben (STAR TREK »Sektion 31 – Kontrolle«).

    Ein Roman über die Vergangenheit,

    die Zukunft und alles, was dazwischenliegt.

    Mein lieber Doktor,

    ich stelle mir oft vor, wie Ihr erster Besuch auf Cardassia Prime wohl wäre. Bei unserer ersten Begegnung habe ich mir vorgestellt, wie wir durch die Hauptstadt schlendern und Abkühlung im Schatten der großen, uralten Ithianen, die den Tarlak Boulevard säumen, suchen, in den Eckhäusern von Torr bitteren Gelat trinken und zusammen auf den höchsten Punkt in Coranum steigen, um die Pracht meiner Stadt, des Herzens des Imperiums, das ich so sehr geliebt und dem ich gedient habe, zu bewundern. Ich habe mir ausgemalt, wie wir in die ländlichen Gegenden reisen, zu einem der großen Häuser, damit Sie unsere Welt in all ihrer strahlenden Schönheit erleben können und verstehen, wie uns das Land geformt und was es uns abverlangt hat.

    Ein schöner Wunschtraum und einer, der mir während meiner ersten Tage des Exils beachtlichen Trost gespendet hat. Als Cardassia mir für alle Zeiten verloren schien und Sie einer meiner wenigen Freunde waren. Über die Jahre habe ich die Geschichte immer wieder angepasst und Cardassia wurde für mich mehr und mehr zu einem Mythos, einem Ort, von dem ich kaum glauben konnte, dass er wirklich existierte. Ganz zu schweigen davon, dass ich dorthin zurückkehren könnte.

    Letztendlich bin ich zurückgekehrt, aber nicht auf das Cardassia, das ich kannte.

    Ich war froh, dass Sie damals nicht gekommen sind. Ich wollte nicht, dass Sie unsere Ruinen und unsere Schande sehen. Ich wollte nicht, dass Sie sehen, wie wir dem Rest des Quadranten bettelnd eine Schüssel entgegenstrecken. Und ich wusste, würden Sie kommen, würden Sie alles sehen wollen. Sie würden sich nicht zurückhalten und versuchen zu helfen. Sie sind nicht in der Lage, untätig danebenzustehen. Ich wollte nicht, dass Sie Hunger, Entbehrung und Angst sehen. Ich wollte nicht, dass Sie mit ansehen, wie wir während der Staubstürme leiden, für Wasser anstehen und mit letzter Kraft Leichen bergen, um sie dann zu beerdigen. Das alles wollte ich Ihnen nicht zeigen. Ich wollte Ihre Hilfe nicht.

    Dann, eines Tages, wachte ich auf und es war Frühling. Die Sonne schien. Die Kinder lebten, anstatt zu sterben. Die Gebäude ragten hoch hinauf und alles war geschäftig und lag nicht verlassen und in Trümmern da. Es gab Leben. Es gab Hoffnung. Leute ändern sich, sagt der Dichter, und lächeln. Ich hoffte, Sie würden kommen und uns lächeln sehen.

    Jetzt sind Sie hier, Julian, und es ist nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Trotzdem wünschte ich mir, ich könnte Ihnen Cardassia zeigen. Ich wünschte, ich könnte Ihnen irgendetwas zeigen.

    Ihr Freund

    Garak

    [nicht gesendet]

    Eins

    Es gibt nichts, was sich mit der Ankunft auf einer neuen Welt vergleichen lässt. Wenn das Schiff in den Orbit einschwenkt, unterbricht selbst der Erfahrenste seine Lektüre oder das Staubansetzen und sieht zu, wie der Planet langsam in Reichweite rückt. Fragen beginnen Form anzunehmen: Was werde ich Neues sehen? Werde ich etwas lernen? Werde ich überrascht werden? Wird mich mein Besuch auf irgendeine winzige, unbedeutende Weise verändern? Wenn es so weit ist, geht man an Bord des Landeshuttles und eine Weile sieht man kaum mehr als sein Innenleben und hört wenig mehr als das Summen der Triebwerke, während man in Richtung des Planeten stürzt. Aber bald darauf ist man unten, die Sicherheitsgurte werden gelöst, man steht auf, streckt sich, schnappt sich sein Gepäck und endlich betritt man den Raumhafen mit seinem Durcheinander aus Geräuschen und tausend Fremden aller möglichen Spezies, die mit ihrem eigenen Leben beschäftigt sind und sich nicht für deine Sorgen interessieren. Sie haben Angst, ihren Anschluss zu verpassen, suchen Freunde oder wollen einfach nur nach Hause. Langsam findest du dich zurecht. Deine Reise in eine neue Welt beginnt. Du bist angekommen.

    Nein, nichts kommt dem auch nur nahe. Du bist erschöpft. Du bist desorientiert. Und du bist aufgeregt. Es fällt dir schwer zu entscheiden, was du zuerst tun sollst. Und wenn es sich bei der fraglichen Welt um Cardassia Prime handelt, liegt ein Schleier des Mysteriösen über deiner Ankunft. Du weißt, dass zwischen Cardassia und dem Rest des Quadranten seit über einem Jahrzehnt Frieden herrscht und alle Anzeichen deuten darauf hin, dass es auch so bleibt. Du weißt, es herrscht jetzt eine Allianz, eine besondere Beziehung, zwischen diesem Volk und deinem, aber letztendlich bleibt es eine fremde Welt und man kann nie vorsichtig genug sein. Das alles weißt du, aber der Krieg ist noch immer Teil deiner Erinnerungen und dahinter lauert die Besatzung, eine Narbe, die nie ganz verheilt ist. Du weißt, die cardassianische Gesetzgebung und Rechtsprechung wird als die transparenteste, gerechteste und effizienteste im ganzen Quadranten betrachtet. Und du verstehst, der Polizeidienst heutzutage ist der Inbegriff von Ehrlichkeit und Fairness. Bildung, Gesundheitswesen, Sozialfürsorge – alles blüht und gedeiht unter der Philosophie, die die Fürsorge über die damit verbundenen Kosten stellt. Und das Allerwichtigste: Heutzutage leidet niemand in der Cardassianischen Union Hunger, und auch wenn es für die abgelegeneren Gegenden auf Prime oder den Randwelten immer noch robusterer Leute bedarf, die mit Entbehrungen besser zurechtkommen, wird niemand den Wölfen zum Fraß vorgeworfen. Du versuchst, deine Zweifel abzuschütteln. Das ist eine neue Welt. Und trotzdem bewahrt Cardassia Prime einen düsteren Zauber, das anhaltende Gefühl, dass sich in den Schatten nach wie vor etwas Grausames verbergen könnte. Vielleicht fragst du dich, ob du hier sicher bist. Vielleicht ist es gut, dass du dir diese Frage stellst.

    Katherine Pulaski war nicht immun gegen diese Art von Zauber, aber wie die meisten Dinge musste er sich verdammt viel Mühe geben, um sie in seinen Bann zu ziehen. Ganz als würde es einen würdigen Gegner spüren, gab Cardassia Prime alles, was es zu bieten hatte. Der frühlingshafte Sonnenaufgang jenseits der Wände und Decken aus transparentem Aluminium des Raumhafens war die reinste Farbensymphonie. Eine Basslinie aus rosigem Pink wärmte den Himmel. Sanfte Akkorde aus Gelb durchwoben ihn und begegneten dabei klar abgegrenzten, plötzlichen Leitmotiven in Lila. Das Ganze öffnete sich zu einem makellosen, finalen Reigen: dem unendlichen, ungebrochenen Blau des Frühlings über der cardassianischen Hauptstadt. Willkommen, Katherine Pulaski!, schien ihr Cardassia Prime zuzurufen. Tada! Diese Welt ist einzigartig. Genießen Sie Ihren Aufenthalt hier. Wir versprechen Ihnen die Reise Ihres Lebens.

    Pulaski gähnte, streckte und kratzte sich. »Sieh mal«, sagte sie zu ihrem Reisegefährten und wies nach vorne. »Kaffee. Verdammt, Peter, wir sind also doch noch in der Zivilisation.«

    Ihr Begleiter, ein schlanker Mann Mitte dreißig mit schwarzem Haar und von der Reise genauso erschöpft wie sie, sah über den Rand seiner dunklen Sonnenbrille hinweg und murmelte: »Gott sei’s gelobt.« Er hieß Doktor Peter Alden, und er und Pulaski waren Kollegen und manchmal, bei Besprechungen, Erzfeinde. Mit ihren Reisetaschen durchquerten sie die Empfangshalle zu dem kleinen Café, das Pulaski entdeckt hatte. Sie wartete, bis sich Alden mit ihrem Gepäck an einen Tisch gesetzt hatte. Dann bestellte sie bei einem jungen Cardassianer, der begeistert war, zwei Menschen als Gäste zu haben, und freudig von dem menschlichen Lehrer, der in seiner Kindheit an seiner Schule unterrichtet hatte, erzählte. Pulaski nickte lächelnd und schaffte es, freundlich zu bleiben – etwas, das ihr nicht besonders schwerfiel. Als sie ihre Bestellung bekamen, tranken sie und Alden schweigend, bis er fertig war, sich zurücklehnte und die Sonnenbrille abnahm.

    »Natürlich«, sagte er, »ist es uns zu verdanken, dass es hier Kaffee gibt.«

    »Was? Ich bin ja bereit, für vieles die Lorbeeren einzuheimsen, aber ich wüsste nicht, wie ich das jetzt rechtfertigen könnte.«

    »Die Sternenflotte – die Föderation –, wir haben Jahre hier verbracht. Der Wiederaufbau. Dass wir uns unter die Einheimischen gemischt haben – wie der junge Mann, der uns gerade unsere Getränke gebracht hat. Ich wette, wir werden problemlos menschliche Speisen und Getränke finden.« Er wirkte nachdenklich. »Ich könnte ein Curry verschlingen.«

    Pulaski lächelte. »Wenn du mir eine Analyse anbietest und Hunger hast, gehe ich mal davon aus, dass du dich langsam von den Reisestrapazen erholt hast.«

    Alden streckte sich und richtete seinen Blick auf die durchsichtige Decke. »Nun, es ist ein schöner Morgen.«

    »Geradezu herrlich. Wer hätte das auf Cardassia Prime erwartet?«

    Alden schnaubte. »Vermutlich hat es seinen Charme.«

    Pulaski musterte ihren Begleiter, als er sich vorlehnte und mit den glasierten Brötchen, die sie zusammen mit dem Kaffee gekauft hatte, kurzen Prozess machte. Pulaski war aktuell auf einem wissenschaftlichen Forschungsschiff stationiert, der Athene Donald. Natürlich gab es in der Föderation viele Wissenschaftsschiffe, aber die Athene Donald war etwas Besonderes. Ihre Besatzung war die vielfältigste, die es gab, und bestand nicht nur aus Spezies der Föderation, sondern auch aus Vertretern verbündeter und nicht ganz so verbündeter Welten. Ferengi, Cardassianer, sogar Tzenkethi bewegten sich ungezwungen unter den Menschen, Trill und Vulkaniern. Der Gedanke dahinter war, dass eine uneingeschränkte Gemeinschaft aus Wissenschaftlern zusammenarbeiten konnte, ohne sich von diplomatischen Notwendigkeiten und Zwängen behindern zu lassen. Es war eine wahrhaftig utopische Vision. Und selbstverständlich hatte es diverse Komplikationen gegeben. Aber Pulaskis Meinung nach war eine der nervenaufreibendsten gleich zu Beginn der Mission des Schiffs in der Gestalt von Peter Alden vom Geheimdienst der Sternenflotte an Bord gekommen.

    Pulaski wollte keine Spione an Bord ihres Schiffs haben. Sie mochte ihre Spielchen nicht und ihrer Ansicht nach machte das ihre ganze Mission zu einer Farce. Alden kam dennoch. Allerdings war er gegen Ende ihrer ersten Reise »geheilt«, wie Pulaski es nannte. Er reichte seinen Abschied beim Geheimdienst ein, heuerte auf der Athene Donald an und machte mit der Hilfe von Beratern der Ferengi und Tzenkethi in Rekordzeit seinen Doktor in Xenosoziolinguistik. Seitdem genossen Pulaski und Alden, wann immer sie konnten, ihre kleinen Geplänkel. Als man sie nach Cardassia Prime eingeladen hatte, hatte sie ihn eingeladen, sie zu begleiten. Zur allgemeinen Belustigung ihrer Kollegen hatte Alden augenblicklich eingewilligt. Keiner von beiden wusste, dass es auf dem Schiff einen Wettpool gab, wie bald sie ihn zum vierten Mr. Pulaski machen würde. Es gab noch einen weiteren Pool (von dem sie zwangsläufig auch nichts wussten), wie schnell sie sich wieder von ihm scheiden lassen würde.

    Ihr stilles, stärkendes Frühstück wurde plötzlich unterbrochen, als ein etwas heruntergekommen aussehender Cardassianer zu ihrem Tisch gestürzt kam. Er war außer Atem und hielt in der Hand ein Stück Pappe, auf dem in großen Blockbuchstaben PULASKI stand.

    »Doktor Pulaski!«, rief er. »Doktor Pulaski!«

    »Pass auf, Kitty«, warnte Alden. »Ich glaube, da will jemand ein Autogramm.«

    Der Cardassianer blieb abrupt neben ihr stehen. »Was für ein Glück!«, japste er. »Ich hatte befürchtet, ich hätte Sie verpasst.«

    »Nun, Söhnchen, keine Bange«, beruhigte ihn Pulaski. »Jetzt haben Sie mich ja gefunden.«

    »Was für ein Glück!«

    Sie schenkte ihm ein Lächeln. »Wer genau sind Sie?«

    »Ich? Oh ja, ich heiße Metok Efheny. Der oberste Studienleiter der Universität schickt mich. Man hat mich damit beauftragt, Sie während Ihres Aufenthalts zu begleiten, und ich bin hergekommen, um Sie in die Stadt zu bringen. Wir haben alles …« Nervös warf er einen Blick in ihre Tassen. »Meine Güte, bestimmt finden wir etwas Besseres für Sie zu trinken als dieses widerliche Gebräu … Na ja, auf alle Fälle bin ich froh, dass ich Sie gefunden habe. Professor Therok wäre außer sich, wenn ich Sie verpasst hätte.«

    »Sonst hätte er Sie einen Kopf kürzer gemacht, hm?«, fragte Pulaski.

    Efheny wurde bleich. Hastig widersprach er: »Ich kann Ihnen versichern, Doktor, heutzutage wird auf Cardassia nicht …«

    Alden verbarg sein Lachen. Geduldig erklärte Pulaski: »Das ist nur eine Redewendung. Ich rechne nicht mit der Todesstrafe – zumindest nicht so kurz nach unserer Ankunft.«

    »Wirklich, wir machen so was nicht, nicht mehr …«

    »Söhnchen«, bat Pulaski, »beruhigen Sie sich. Das ist ein toller Empfang, der Kaffee ist klasse und Sie machen das ganz großartig.«

    Das half, Efheny wirkte entspannter und sehr dankbar. Pulaski stand auf und Alden folgte ihrem Beispiel. Es entstand etwas Unruhe, als Efheny ihr Gepäck einsammelte und seine Gäste dann in den strahlenden Morgen hinausführte. Alden setzte seine Sonnenbrille wieder auf, Pulaski hingegen genoss die warme Sonne auf ihrer Haut. Sie hatte die letzten Monate zu viel Zeit an Bord von Schiffen verbracht.

    »Was für ein großartiger Morgen!«, erklärte sie und Efheny lächelte zufrieden. Netter Junge.

    Mit noch etwas mehr Aufruhr brachte Efheny sie zu ihrem Skimmer, verstaute das Gepäck und verfrachtete sie auf die Rückbank. Zufrieden stellte Pulaski fest, dass es sich um einen sehr hübschen Skimmer handelte. Ausreichend Platz für sie drei, wobei Alden und sie Efheny gegenübersaßen und eine Barriere sie vom Fahrer trennte. Eine wichtige Persönlichkeit zu sein, war sehr angenehm, fand Pulaski. Alden stieß sie an und sie bemerkte, wie Efheny sie beunruhigt ansah. »Sag was Nettes«, murmelte Alden.

    »Herrlicher Skimmer«, lobte sie. »Ich fühle mich wie eine Berühmtheit.«

    Efheny wurde vor Freude ganz bleich. »Sie sind in der Tat ein hochgeschätzter Gast. Was Sie geleistet haben, um die genetische Krise der Andorianer …«

    Das war Pulaski peinlich. »Nun, das war eine Gemeinschaftsarbeit«, stellte sie brüsk klar. Um ganz ehrlich zu sein, wusste sie nicht, warum ausgerechnet sie auf Cardassia Prime war. Aber die Unionsuniversität wollte jemandem eine Medaille anstecken, und da Julian Bashir … Katherine Pulaski war immer bereit, sich für das Team zu opfern. Eine Grundsatzrede über biomedizinische Ethik, eine Medaillenverleihung, ein paar Empfänge und Abendessen – es gab Schlimmeres. Allerdings wusste sie, eigentlich gebührte diese Ehrung Julian Bashir.

    »Die Medaille für herausragende Leistungen ist die höchste Ehrung, die einem die Universität verleihen kann«, erklärte Efheny. »Ich hoffe, wir können Ihnen und Ihrer Arbeit gerecht werden.«

    »Ich weiß, das werden Sie«, versicherte ihm Pulaski. Sie blätterte durch den Reiseplan, den Efheny an ihr Padd geschickt hatte. »Ich hatte gehofft, ich könnte Julian Bashir besuchen. Sehen, wie es ihm geht.«

    Sie hob den Blick. Efheny öffnete und schloss wie ein Fisch auf dem Trockenen den Mund. »Ich fürchte, dass ich … ich bin mir nicht sicher, ob ich …«

    Pulaski bemerkte Aldens Hand auf ihrem Arm. »Ich vermute«, sagte er, »dass wir auch darüber mit dem obersten Studienleiter reden können. Oder vielleicht mit dem Kastellan selbst, sobald wir ihn sehen.«

    Efheny schenkte Alden einen dankbaren Blick, während dieser Pulaski erneut am Ellbogen anstieß.

    »Natürlich«, lenkte sie ein. »Na schön, Söhnchen. Dann sehen wir uns mal an, was Sie für mich vorbereitet haben.«

    Professor Natima Lang hob den Blick von ihrem Padd und brachte ihren Vortrag zu Ende. »Und daran erkennen wir, dass die Rätselgeschichte eine komplexere, verstörendere Gattung darstellt, als wir vielleicht vermuten würden, und eine, die auf alle Fälle an der Schwelle entscheidender Veränderungen steht. Eine Gattung, die sich wie keine andere mit einem bestimmten cardassianischen Charakterzug befasst – Schuld.«

    Ihr Publikum lachte wissend. Lang lächelte ihnen entgegen. Dies war der letzte in ihrer Reihe von Vorträgen über zeitgenössische Literatur und, wie jedes Mal, war der Saal bis auf den letzten Platz besetzt. Langs Vorträge weckten nicht nur das Interesse ihrer Studenten. Sie sah Kollegen, die auf ihren eigenen Gebieten hohes Ansehen genossen und jede Woche gekommen waren, um zu hören, was Lang über die Bücher, die sie las, zu sagen hatte. Sie freute sich über den Gedanken, dass ihre Zivilisation an einem Punkt angekommen war, an dem Überlegungen über Literatur solches Interesse und lebhafte Reaktionen hervorrufen konnten anstatt Misstrauen und offen zur Schau gestellten Hass. Sie platzte fast vor Stolz über die Verwandlung, die ihr Volk durchlaufen hatte.

    »In der Rätselgeschichte, wie wir sie gekannt haben«, fuhr sie fort, »haben wir den Beweis dafür, dass Literatur – dass Kunst – trotz der Versuche, sie auszumerzen, Kritik an der Welt übt, in der sie geschaffen wurde. In den Rätselgeschichten haben die Autoren versucht – durch das Medium des Rätsels –, das anzusprechen, worüber wir öffentlich nicht reden konnten: die Natur unserer Schuld, ihre Rolle in unserer Vergangenheit und ihre Auswirkung auf unsere Zukunft.«

    Sie machte eine Pause, um einen Schluck Wasser zu trinken. Fast geschafft. Aber sie wollte, dass man ihr bis zum Schluss zuhörte – wirklich zuhörte. Darum wartete sie noch etwas länger und räusperte sich leise. Als sie sich sicher war, die volle Aufmerksamkeit zu genießen, sprach sie weiter. »Literatur wie diese erschafft innerhalb ihrer Grenzen einen Mikrokosmos der Gesellschaft. In den Landhäusern der Zweiten Republik, den Herrenhäusern in Coranum oder«, verschmitzt deutete sie auf ihre Umgebung, »den Vorlesungssälen und Versammlungsräumen der Universität erkennen wir unsere Welt wieder. Die Verbrechen und die Vergehen der größeren Welt, die Verbrecher und Straftäter werden zusammengefasst und unserer Betrachtung überlassen.«

    Sie lächelten. Sie stimmten ihr zu.

    »Aber Cardassia hat sich verändert, fast bis zur Unkenntlichkeit verändert. Zugegeben, ein paar von uns alten Schurken sind noch da.« Lachend tippte sie sich auf die Brust. »Aber meine Frage lautet jetzt: Wie könnte eine Rätselgeschichte in diesem neuen Zeitalter aussehen? Wir haben nun gesehen, früher lautete die Frage nicht, welche der Figuren der Schuldige ist, sondern was hat sich jeder Einzelne zuschulden kommen lassen? Ist es möglich, dass Rätselgeschichten in Zukunft eine Figur enthalten, die – es fällt mir schwer, mir das überhaupt vorzustellen – unschuldig ist?«

    Mehr Lachen. Gut.

    »Die cardassianische Lebensart hat sehr lange beinhaltet, dass wir uns alle auf die eine oder andere Art schuldig gefühlt haben. Wie wir einander behandelt haben, was wir auf Bajor getan haben, unsere Niederträchtigkeit während des Dominion-Kriegs. Aber wird das in Zukunft verblassen? Und nachdem wir uns erfolgreich und ehrlich mit unserer Vergangenheit befasst haben – wohin könnte uns das führen? Wohin könnte das unsere Kultur, unsere Geschichten, uns selbst – und unsere Union – führen? Was ist der nächste Schritt für die Rätselgeschichte – für die Union?«

    Sie schlug die letzte Seite auf und legte die Hände auf ihr Padd. »Im Moment habe ich keine Antwort auf diese Fragen. Ich kann sie nur an Sie weitergeben.« Lang ließ den Blick über ihr Publikum schweifen – dass die meisten von ihnen noch so jung waren und eine konstruktive Zukunft vor sich hatten, ließ sie lächeln. »Ich denke, es wird Ihre Aufgabe sein, diese Fragen zu beantworten. Bis es so weit ist – danke für Ihre Aufmerksamkeit.«

    Sie erntete stürmischen Applaus. Lang war das fast peinlich. Ihrer Meinung nach war ihr Vortrag eine gute Leistung, aber keinesfalls ihre beste. Die hatte sie vor Jahren abgeliefert, im Schatten der alten Union, als sie sich jeden Tag vor dem Klopfen an der Tür, der Verhaftung, Folter, Zwangsarbeit und vielleicht sogar der Hinrichtung gefürchtet hatte. Auf keinen Fall wünschte sie sich diese Tage zurück. Aber sie wusste, ihre beste Arbeit hatte sie damals geschrieben. Die Verzweiflung über die Notlage der Union und das Wissen, dass die Selbstzerstörung unausweichlich war, hatten sie dazu angetrieben zu schreiben, als würde das Leben aller davon abhängen. Viele hatten diese Schriften, diese Worte gelesen und sie hatten viele bewegt. Es hieß, sogar der Kastellan habe ihre Arbeiten im Regal stehen – andererseits hieß es aber auch, dass er sehr belesen sei.

    Lang hob die Hand, um den Applaus zum Verstummen zu bringen, und sah zum Chronometer an der Wand. Fast Mittag. Sie hatte diese jungen Leute lange genug festgehalten. Sie mussten müde und hungrig sein. Sie war es auf jeden Fall. Aber ein paar Hände warteten bereits darauf, sich zu heben. »Nur ein paar Fragen.«

    Acht oder neun Hände schossen in die Höhe und sie nahm sie nacheinander dran, womit sie ihre Zeit ein wenig überzog. Niemand ging. Der Tiefgang der Fragen und die aufrichtige Auseinandersetzung mit ihren Worten und Ideen beeindruckten Lang. Sie dachte an ihre eigene Zeit an der Unionsuni zurück und wie schwer es ihr gefallen war, innerhalb der gestatteten Ansichten ihre eigene Stimme zu finden. Sie war stolz, Teil dieses neuen Erblühens von Ideen und Freiheit zu sein. Diese neue Generation, dachte sie. Wir sind ihrer wahrlich nicht würdig.

    Aber irgendwann waren sie fertig und Lang beendete den Vortrag unter weiterem stürmischen Applaus. Ein paar der zurückhaltenderen Studenten blieben, um ihre Fragen zu stellen, die Lang zur Gänze und freundlich beantwortete, während sie sie behutsam zur Tür führte. Bald darauf war auch das geschafft und sie rannte die Stufen des Studiengebäudes hinunter und auf den Hauptplatz des Campus. Es war ein schöner Frühlingstag, den man draußen verbringen sollte, bevor die sommerlichen Staubstürme die Berge heruntergerollt kamen. Die Mittagssonne stand hoch am Himmel und überall saßen Studenten und genossen ihr Mittagessen und die Gesellschaft. Auf einer Seite des Platzes zeigte ein großer Bildschirm aktuelle Nachrichten. Mehr als alles andere – mehr als den Wetterbericht, sogar noch mehr als Hunderennen – liebten Cardassianer Nachrichten. Das Novum einer freien Presse hatte seinen Reiz noch nicht verloren.

    Selbstverständlich war der Campus heute ganz anders als damals, als Lang hier studiert hatte. Zum einen hatte man seine Lage innerhalb der Stadt ein wenig verändert. Während der letzten Tage des Dominion-Kriegs hatten die Studenten eine mutige, wenn auch tollkühne Verteidigung ihrer Universität gegen die vorrückenden Jem’Hadar auf die Beine gestellt. Die Jem’Hadar hatten Befehl für einen besonders blutrünstigen Gegenschlag bekommen. Das Ergebnis war ein schreckliches Massaker gewesen, das durch die Tatsache, dass so viele der Toten noch so jung gewesen waren, umso schlimmer wurde. Zudem hatte man den Großteil der Universitätsgebäude eingerissen und der Einsatz von Chemikalien hatte große Teile des einstigen Campus unbrauchbar zurückgelassen. Lang war Teil des zuständigen Gremiums und wusste darum, dass die Entgiftung unerwartet gut voranschritt und das Land innerhalb der nächsten Jahre der Universität wieder zur Verfügung stehen würde. Das Gebiet wäre praktisch für eine Ausdehnung des Geländes und würde schon bald benötigt werden. Die Geburtenrate auf Cardassia war während der letzten Jahre anhaltend gestiegen, ein weiterer Beweis dafür, dass die Leute wieder optimistisch in die Zukunft blickten. Die Zukunft der Unionsuni schien strahlend. Es war eine Zukunft, von der Lang hoffte, sie würde an ihrer Gestaltung teilhaben.

    Sie nahm den üblichen Weg zum Skimmerparkplatz, der sie an einer hohen Hecke entlangführte. Dieser folgte sie bis zu einem Tor, durch das man in einen kleinen, abgeschiedenen Garten kam. Als sie durch das Tor getreten war, schloss sie es leise hinter sich. Der Garten selbst war voller Frühlingsblumen: Isca mit ihren winzigen, sternförmigen Blüten, Gruppen blassblauer Caroci und ein paar übrig gebliebene Nhemeni, deren strahlend gelbe Blüten das erste Anzeichen für das nahende Ende des Winters waren. In der Mitte des Gartens befand sich ein Teich, dessen stille Oberfläche mit Meya-Lilien bedeckt war. In der Mitte des Teichs stand auf einem Stein ein Mahnmal in Gedenken an die von den Jem’Hadar ermordeten Studenten.

    Lang blieb stehen, um es sich anzusehen. Es handelte sich um ein ungewöhnliches Stück, zwei solide Blöcke aus schwarzem Stein, höher als sie selbst, und jeder war mit Symbolen verziert, die Wissen repräsentierten: Gleichungen, Formeln, Teile alter Schriftstücke, hebitianische Zeichen, bekannte Zitate. Auf den Steinen ruhte ein Stück graues Metall in der Form des Unendlichkeitssymbols und verband sie miteinander. Und darum herum waren die Worte der regimekritischen Studentin und Poetin Lim P’Mar eingelassen, die auf Cardassia IV in einem Arbeitslager ums Leben gekommen war:

    Sie werden nicht alt, aber die Erinnerung

    an ihr Opfer wird nie vergehen

    An ihr niemals endendes Opfer.

    Lang hatte P’Mar gekannt. Sie hatte sie unterrichtet. Fast hätte sie sie gerettet, aber sie war zu spät gekommen. Täglich musste sie an sie denken und sie hatte sich dafür eingesetzt, dass ihre Worte nun Teil dieses Mahnmals waren. Viele Jahre lang hatte Cardassia seine Jüngsten und Brillantesten geopfert. So etwas, hoffte sie, würde es nie wieder tun. Lang legte sich eine Hand auf die Brust und neigte den Kopf. Sie war nicht religiös – wie der Großteil der Cardassianer –, aber sie stand inmitten ihrer eigenen Vergangenheit und der stille Grabgarten bewegte sie wie kaum ein anderer Ort. An den meisten Tagen verbrachte sie ein paar Momente hier, dachte an die Vergangenheit und hoffte auf die Zukunft.

    Ein kleiner Londub, ein schwarzer Vogel mit strahlenden Augen, hüpfte an ihr vorbei und sah dabei zu ihr auf. Sie schenkte ihm ein Lächeln, bevor sie den Garten verließ und dem Weg folgte, der daran entlang zum Skimmerparkplatz

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