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Tödliches Rysum. Ostfrieslandkrimi
Tödliches Rysum. Ostfrieslandkrimi
Tödliches Rysum. Ostfrieslandkrimi
eBook262 Seiten3 Stunden

Tödliches Rysum. Ostfrieslandkrimi

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Über dieses E-Book

Das beschauliche Ostfriesland erlebt stürmische Zeiten. Eine Rentnerin wird in ihrem Haus tot aufgefunden. Der Tatort gleicht einem Schlachthaus, die Wände blutbeschmiert – hier hat jemand vollständig die Kontrolle verloren. Kurze Zeit später stirbt eine Schülerin an der Überdosis einer neuen synthetischen Droge. In Wirklichkeit sind die zwei Todesfälle nur der traurige Höhepunkt einer Reihe an erschreckenden Ereignissen. Die Kommissare Richard Faber und Rike Waatstedt von der Kripo Emden/Leer ermitteln in alle Richtungen. Besteht zwischen den Geschehnissen überhaupt ein Zusammenhang? Und welche Rolle spielt der Mann, der in Insiderkreisen nur „der Bluthund“ genannt wird? Die Spur führt in den idyllischen Nordseeort Rysum. Es passiert, was nie hätte passieren dürfen, und für die Ermittler wird dieser Fall zu einer persönlichen Angelegenheit...

SpracheDeutsch
HerausgeberKlarant
Erscheinungsdatum12. Feb. 2019
ISBN9783955739324
Tödliches Rysum. Ostfrieslandkrimi
Autor

Elke Nansen

Elke Nansen ist das Pseudonym einer Autorin, die den Norden und Ostfriesland liebt. Die Nordsee, die unendliche friesische Weite, das platte Land mit seinen ganz speziellen Charakteren – diese Region hat ihren eigenen rauen Charme, hier kann Elke Nansen ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Und so schreiben sich die spannendsten Geschichten manchmal wie von selbst … Besonders angetan haben es der Autorin die ostfriesischen Inseln, die sie alle schon besucht hat. Als leidenschaftliche Taucherin liebt Elke Nansen die See und das Wasser. 8 Jahre hat sie im niedersächsischen Städtchen Verden an der Aller gelebt.

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    Buchvorschau

    Tödliches Rysum. Ostfrieslandkrimi - Elke Nansen

    Kapitel 1

    „Hallo, Opi Urgestein, sagte Malte lachend und drückte dem alten Mann einen Kuss auf die Wange. „Uh, du kratzt, und einen Ölwechsel brauchst du auch, bemerkte der Junge. Er strich seinem Urgroßvater liebevoll durch die spärlichen Haare, die mit Brisk nach hinten gegelt waren.

    „En bietje Respekt! Ik bün dien Urgrootvader, Gotts verdori!, schimpfte Hannes, jedoch mit einem Schmunzeln, und fügte an: „Magst en Koffje un Krinthstuut?

    „Ein Pharisäer wäre mir lieber, antwortete sein fünfzehnjähriger Urenkel und setzte sich zu Hannes. Der gab ihm einen scherzhaften Klaps ins Genick. Er stellte dem Jungen das frisch gebackene Rosinenbrot, Butter und eine Tasse Kaffee auf den Tisch. Sofort bestrich Malte eine Scheibe Stuten dick mit Butter und biss herzhaft hinein. „Mhm! Yummy, Opilein, nuschelte der Junge mit vollem Mund.

    „Na, was gibt es Neues, mien Jung? Wie geht es dir? Wie ist es in der Schule?", bombardierte Hannes den Jungen mit Fragen und blickte stolz auf seinen hübschen Urenkel. Malte war mittlerweile auf dem Gymnasium in Emden und machte sich sehr gut. Er hatte sich endlich gefangen, und das Schwänzen und die Faulheit des Jungen waren wie weggeblasen.

    Der schluckte seinen Bissen herunter und spülte ihn mit Kaffee nach. „Alles cool, Opi. Hab gestern eine Eins in Mathe geschrieben. Ich hätte nicht schlecht Lust, später Mathematiker zu werden, meinte er zufrieden, dann verdüsterte sich sein Blick etwas. „Mein Freund, Jannus, war auch immer gut in Mathe, weißt du noch?, sagte er bedauernd und sprach dann endlich aus, warum er seinen Urgroßvater eigentlich besuchte. „Jannus ist schon wieder weggelaufen."

    „Ach, mien Jung. Jannus hat immer nur Ärger gemacht, halte dich fern von ihm. Fast hätte er dich mit in den Schlamassel gezogen, redete Hannes gut auf ihn ein. „Wenn du auch angefangen hättest, Drogen zu nehmen, ich weiß nicht, was ich dann gemacht hätte.

    „Nein, Opi, das hätte ich nie getan. Aber ich habe ja auch dich, Mama und Paps. Ihr seid so ganz anders als Jannus’ Familie, hielt Malte dagegen. „Den Hollmanns ging es immer nur um ihren guten Ruf. Jannus durfte doch nie er selbst sein, bloß weil sein Vater Ortsvorsteher ist und im Gemeinderat der Krummhörn. Und wenn es nicht die Politik war, dann ihr Hotel und Restaurant in Greetsiel. Die hatten für Jannus nie Zeit. Außer seiner Mutter mochte ihn doch keiner von der Familie!

    „Vielleicht hast du recht. Was ist denn passiert? Ich dachte, Jannus wäre nach seinem Entzug zurück auf der Schule und könnte die letzten zwei Klassen wiederholen."

    „War er auch, bestätigte sein Urenkel. „Aber dann fing er wieder mit dem Scheißzeug an. Er hat erneut Meth geschnupft und es ging sofort bergab.

    „Meth?", fragte Hannes und runzelte seine faltige Stirn.

    „Crystal Meth, das ist so etwas wie Heroin, nur schlimmer. Ein Teufelszeug! Macht dich sofort abhängig und zerstört deinen Körper in kurzer Zeit, erklärte Malte dem alten Mann. „Als Jannus nach seinem Entzug zurückkam, da sah er schon beschissen aus. Als er dann wieder anfing …! Opilein, ich schwör dir, er lief rum wie ein Zombie.

    „Und jetzt ist er verschwunden. Wieder einmal!", stellte Hannes betrübt fest. Er musste an die Zeit denken, damals 1953, als er selbst fünfzehn Jahre alt war. Seinen Eltern hatten die Kriegsjahre in den Knochen gesteckt. Und er selbst hatte als Kind auf der Flucht von Königsberg noch den quälenden Hunger kennengelernt. Auch die Anfangsjahre in Ostfriesland waren kein Zuckerschlecken gewesen und für einen Jungen wie ihn von harter Arbeit geprägt. Wie froh war er gewesen, dass er seinem eigenen Sohn in den Zeiten des Wirtschaftswunders ein anderes Leben hatte bieten können. Keiner in seiner nachfolgenden Familie war jemals mit einem knurrenden Magen eingeschlafen. Außer vielleicht seine Schwiegertochter, die mehr Diäten hinter sich hatte als andere einen Schnupfen. Daher fragte er sich, warum ein Teenager sein Leben mit Drogen kaputtmachte. Nur wegen liebloser Eltern? Immerhin hatte Jannus Eltern, nicht wie die halbe Million Kriegswaisen nach Ende der furchtbaren Naziherrschaft.

    Sein Enkel nickte und riss ihn aus den Gedanken. „Ja, ich nehme an, er ist wieder in Amsterdam. Dort ist es für ihn einfacher, sich das Geld zu beschaffen."

    „Gotts verdori!, fluchte Hannes nur. Er konnte sich schon denken, wie Jannus sich das Geld beschaffte, doch sprach es nicht aus. „Aber hat er denn keine anderen Möglichkeiten?

    Sein Urenkel sah ihn skeptisch an. „Was denn? Glaubst du, der Herr Ortsvorsteher gibt ihm das Geld dafür?, fragte Malte sarkastisch. Doch dann legte er liebevoll eine Hand auf die seines Urgroßvaters. „Tut mir leid, es macht mich so wütend, entschuldigte er sich.

    „Das verstehe ich doch, mien Jung, erwiderte Hannes und tätschelte seine Wange. „Also ist er wieder dort angekommen, wo er schon einmal war. Du scheinst jedoch viel besorgter als beim ersten Mal!

    Malte nickte bestätigend. „Als er das erste Mal nach Amsterdam abhaute, da konnte ich ihn erreichen oder er meldete sich bei mir. Dieses Mal ist er wie vom Erdboden verschluckt. Seine Eltern haben ihn bei der Polizei als vermisst gemeldet, aber die alle tun nichts, weil sie Jannus aufgegeben haben, sagte Malte traurig, dann sah er auf und meinte energisch: „Ich habe ihn nicht aufgegeben! Wir müssen ihn finden, Opilein!

    Hannes blickte nachdenklich in seine Kaffeetasse. „Weißt du was, mien Jung?, fragte er plötzlich. „Wie wäre es, wenn wir beide mal zu meinem Freund Knut gehen? Seine Tochter und auch sein Nachbar sind bei der Kriminalpolizei in Emden. Wenn ich Knut bitte, dann werden die beiden sich die Angelegenheit ansehen.

    Malte drückte seinem Uropa einen Schmatzer auf die Wange. „Das wäre echt lit! Hannes sah ihn an und verzog den Mund, weil er kein Wort verstanden hatte. „Das bedeutet cool, total super. Oder, wenn du das besser verstehst: Dat is hunnert!, übersetzte der Teenager ins Platt.

    ***

    „Na, Wikinger, alles klar? Lief der Laden auch ohne mich?", fragte Kriminalhauptkommissar Richard Faber vom Emder Revier. Er war auf dem Rückweg von einer viertägigen Besprechung in Oldenburg. Sein Chef Sinus Miedler arbeitete von dort aus und hatte ihn um häufigere Besuche gebeten. Der Plan war, Richard Faber zum Ersten Kriminalhauptkommissar zu befördern, wenn Miedler im nächsten Jahr in Pension ging. Er sollte seinen Job übernehmen und von Emden aus das Team leiten. Dafür war es natürlich wichtig, sich mehr in Oldenburg sehen zu lassen. Immerhin waren dort der Kriminalrat und auch der Polizeipräsident von Niedersachsen. Eine gewisse Präsenz bei diesen Vorgesetzten gehörte einfach mit zum Geschäft. So hatte es EKHK Miedler jedenfalls erklärt, nur dass Faber selbst nichts von Vitamin B und interner Politik hielt. Solche Dinge fielen ihm ausgesprochen schwer.

    „Wikinger gefällt mir immer besser, erwiderte sein Mitarbeiter am Telefon. Der Mann hieß im realen Leben Kommissar Tamme Hehler und war für Faber mittlerweile ein richtiger Freund geworden. Als herausragender EDV-Experte und als Ermittler ließ er nichts zu wünschen übrig. Übersehen konnte man ihn auch nicht, mit seiner Größe von ein Meter neunzig und den einhundertzwanzig Kilo. Sein langes rötliches Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz gebunden, und all diese Attribute hatten ihm seinen Spitznamen beschert. Wenn Tamme normal sprach, war sein Bariton unvergleichlich laut. Erhob er seine Stimme, dann stand selbst sein Vorgesetzter stramm. „Na, hast du dich bei den Bossen richtig eingeschleimt?, zog er Faber auf.

    „Was denkst du denn, stimmte Richard völlig unbeirrt zu. „Ich tropfe immer noch! Aber dann wurde er ernst und fragte: „Gab es etwas Besonderes auf dem Revier?"

    „Nicht wirklich. Obwohl, die nächtlichen Einbrüche auf den Dörfern vermehren sich. Da ist jemand ganz gezielt unterwegs, berichtete Tamme. „Ich bin mit unseren beiden jungen Kriminalmeistern an der Sache dran, doch wir haben keine Spur. Sonst gab es nur Routine. Heute hat sich Polizeimeister Husman in die Karibik verabschiedet und ich soll grüßen. PM Steiner hast du in Oldenburg wahrscheinlich getroffen. Der war ja die ganze Woche auf dem Spurensicherungsseminar.

    „Ja, ich weiß, wir haben miteinander gesprochen. Er fährt heute Abend später los. Die haben noch ein Abschiedsessen, erwiderte Faber. „Also ist nicht wirklich etwas passiert, fasste er die berufliche Situation zusammen.

    „Nein, totale Ebbe. Rike ist völlig gelangweilt. Sie sitzt in deinem Büro und kümmert sich um das Tagesgeschäft und die Verwaltung. Wenn sie das noch länger machen muss, dann geht sie uns bald an die Kehle", berichtete Tamme. Faber lachte laut auf. Er hatte die Kriminalkommissarin während seiner Abwesenheit zur Leiterin des Kriminal- und Ermittlungsdienstes Emden gemacht. Natürlich konnte er sich nur zu gut vorstellen, dass Rike Waatstedt von der Routine völlig genervt war. Sie war der Typ, der Action und am besten einen blutigen Mord brauchte, um als Ermittlerin richtig aufzugehen.

    „Okay, wir sehen uns dann morgen, ich rufe Rike jetzt an und melde mich zurück", erwiderte Faber und legte auf. Eigentlich brauchte er sich nicht zurückzumelden. Rike wusste bereits, dass er unterwegs war, und würde sehnlichst auf ihn warten. Seit Kurzem teilten die beiden nicht nur das Büro. Mittlerweile war es auch das Bett und Rike wohnte nun mehr oder weniger in seinem Haus. Eine Tatsache, die beide geflissentlich vor ihren Kollegen geheim hielten. Der Einzige aus dem Berufsumfeld, der davon wusste, war ihr Freund und Pathologe Doktor Philipp Schorlau.

    Als Faber vor eineinhalb Jahren auf eigenen Wunsch nach Ostfriesland versetzt wurde, war Kriminalkommissarin Rike Waatstedt alles andere als begeistert gewesen. Erstens hatte er die Leitung des KED Emden übernommen, den Posten, auf den sie schon lange spekuliert hatte. Und zweitens hatte ihr neuer Chef auch noch die Alte Schule in Klein Hauen gekauft. Damit war Richard Faber ihr Boss und direkter Nachbar geworden und am liebsten hätte sie ihm damals die Augen ausgekratzt.

    „Waatstedt", meldete Rike sich, nachdem er mit der Freisprechanlage seines Dienstwagens ihr Handy angewählt hatte.

    „Bist du allein?", fragte er sicherheitshalber.

    „Ja, mutterseelenallein in einem Streifenwagen auf dem Weg nach Hause!"

    „Das bin ich auch und in etwa einer halben Stunde komme ich an. Hast du mich vermisst?", fragte er dann entspannter.

    „Nicht die Bohne, gab Rike frech zurück und fügte an: „Dass ich dich die nächsten Wochen wieder weglasse, das kannst du vergessen. Ich brauche dringend jemanden, der mich bei dem Wetter warm hält, mir Kaffee ans Bett bringt und mich mit der einen oder anderen Massage verwöhnt.

    „Du hast deinen Haussklaven also vermisst. Gut, ich dich nämlich auch. Ich freue mich auf dich, und falls ich es noch nicht erwähnt habe: Ich liebe dich!" Faber konnte ihr Lächeln regelrecht vor sich sehen.

    „Ich dich auch, von ganzem Herzen, sagte sie nach einer Weile. „Fahr langsam.

    „Mach ich. Haben wir den Abend für uns oder steht etwas an?", fragte er dann. Richard wusste, dass Knut, Rikes Großvater, ihn fast genauso vermisst hatte wie Rike. Knut hatte Faber vom ersten Moment an wie einen Sohn behandelt. Er war der andere der wenigen Eingeweihten. Und Opa war mehr als nur froh, dass Faber und seine Enkelin nach etlichen Anlaufschwierigkeiten zusammengekommen waren. Daher hatte Knut es sich zur Angewohnheit gemacht, ihn bei seiner Rückkehr von Dienstreisen immer mit einem leckeren ostfriesischen Essen zu überraschen.

    „Du kennst doch Opi, er kocht für uns beide heute Abend, bestätigte sie seine Vermutung. Faber seufzte leise, als sie anfügte: „Außerdem kommt Hannes mit seinem Urenkel vorbei. Die beiden haben Knut angerufen. Wie es scheint, brauchen sie unsere Hilfe. Die Hilfe der Polizei.

    „Die sie nicht auf offiziellem Weg bekommen können?", fragte Faber etwas zynisch. Eigentlich hatte er mit einem kurzen Abendessen gerechnet und sich dann darauf gefreut, mit Rike früh schlafen zu gehen.

    „Wir sind hier in Ostfriesland, du Utlander, schimpfte sie auf Platt. „Hier bittet man Freunde um Hilfe, wenn man im Leben nicht vorankommt. Außerdem sind wir Hannes noch etwas schuldig. Immerhin haben wir drei Wochen Urlaub in seinem Ferienhaus auf Langeoog gemacht, för nix!

    „Stimmt. Mea culpa!", gab er sofort klein bei. Mit Rike über solche Kleinigkeiten zu streiten, vermied Richard, denn mittlerweile liebte er sie einfach zu sehr. Privat wollte Faber vor allem Harmonie.

    Auf dem Revier flogen des Öfteren die Fetzen zwischen ihnen, was auch vollkommen legitim war. Auch wenn sie als Ermittlerduo eingespielt und erfolgreich waren, so hatten sie ihre beruflichen Diskrepanzen. Vor allem am Anfang ihrer gemeinsamen Laufbahn, als beide nie in Betracht gezogen hätten, jemals Gefühle füreinander zu entwickeln. Weder Rike noch Faber waren vor einem Jahr auf der Suche nach Liebe oder einem Partner gewesen. Richard hatte sich in Frankfurt die Finger ordentlich bei seiner Ex-Freundin verbrannt. Er leckte noch seine Wunden, als er um die Versetzung bat. Deshalb wollte er damals nur so weit wie möglich weg von Frankfurt.

    Und Rike, sie war zufrieden gewesen, hatte mit ihrem Großvater zusammengelebt und war in ihrem Beruf aufgegangen. Ihre Verwicklungen mit dem anderen Geschlecht hatten sich auf den einen oder anderen One-Night-Stand beschränkt. Keiner von beiden hätte damit gerechnet, plötzlich die große Liebe zu finden.

    „Was kocht Knut denn?", fragte Faber. Eines musste man Opa lassen: Er war nicht nur ein kriminalistisches Ass. Er unterstützte die beiden regelmäßig bei ihren Fällen und zauberte in der Küche die leckersten Gerichte. Dabei respektierte er, dass Richard Faber Vegetarier war. Leider hatte er die Gabe des Kochens nie an Rike weitergegeben. Knut hatte seine Enkelin verwöhnt. Davon, einen Haushalt zu führen, hatte sie keine Ahnung. Leider auch kein Interesse, sodass es zwischen den beiden frisch Verliebten immer wieder Thema wurde.

    „En Pott blaue Mussels", erwiderte Rike im tiefsten Platt und Faber musste erst einmal nachdenken.

    „Opas Miesmuscheln?", vergewisserte er sich.

    „Richtig, dein Platt wird immer besser. Wenn du erst einmal unsere Sprache beherrschst, dann heirate ich dich, versprach Rike und Faber war irgendwie sprachlos. „Bis nachher, ich warte erst einmal zu Hause auf dich, dann gehen wir gemeinsam rüber zu Opa, verabschiedete sich Rike und legte auf. Mit einem Schmunzeln trat er aufs Gas, denn er wollte sie so schnell wie möglich wieder in seine Arme nehmen. Außerdem, wenn er so darüber nachdachte, gefiel ihm die Idee, mit Rike verheiratet zu sein.

    ***

    „Noch en bietje, mien Jung?", fragte Knut Richard und hielt die Kelle über den Topf.

    „Danke, Knut, ich platze, verneinte er sofort und hob die Hand. Er hatte mindestens zwei Kilo Miesmuscheln vertilgt, die Opa in einem köstlichen Sud aus Frischkäse, Kräutern und Weißwein gekocht hatte. „Das war sehr lecker, dank dir. Aber ich kann nicht mehr.

    Sie waren vor einer halben Stunde durch den Garten rüber zu Opa gegangen und hatten sich seitdem mit seinen Miesmuscheln vollgestopft. Wie immer saßen sie in Knuts kleiner Küche. Nachdem er die Teller weggeräumt hatte, stellte Knut ihnen ein Glas eiskalten Genever hin. Dann nahm er ein weiteres Glas aus dem Schrank und in dem Moment klopfte es bereits an der Haustür. „Moin, moin", meinte Hannes, der einfach reingekommen war, so wie er es immer machte. Hinter ihm folgte sein Urenkel Malte und hob grüßend die Hand. Knut klopfte seinem Freund herzlich auf die Schulter und sah sich dann den Jungen an.

    „Du büst groot worden, sagte er zu dem Jungen und wandte sich dann an Rike. „Na, wenn du dich mal angestrengt hättest, dann könnte ich auch schon so einen ordentlichen Urenkel haben, stichelte er. Warum Knut das auf Hochdeutsch gesagt hatte, wusste Faber sofort. Der Satz war auch für ihn bestimmt. Das war Opas typische Art, etwas durch die Blume zu sagen. Wobei man das bei Knut besser als Wink mit dem Zaunpfahl bezeichnete.

    Rike schüttelte Malte die Hand und meinte reichlich ungerührt: „Dann hätte ich mich aber anstrengen müssen! Wie alt bist du?"

    „Gerade fünfzehn geworden", erwiderte Malte, schüttelte auch Fabers Hand und setzte sich mit seinem Uropa zu den dreien. Knut stellte Hannes auch einen Genever hin, Malte eine Cola und dann prosteten sie sich zu und tranken erst einmal.

    „Hannes, Knut sagte, ihr braucht unsere Hilfe?, kam Faber direkt aufs Thema. „Was können wir für euch tun?

    Der nickte und sah seinen Urenkel an. „Malte braucht eure Hilfe, es ist besser, er erzählt euch, worum es geht." Dann ergriff Malte das Wort und berichtete ausführlich von seinem Freund Jannus, den er schon aus dem Kindergarten kannte. Sehr detailliert beschrieb er Jannus’ Familie, die Lieblosigkeit, die dort herrschte, und dass der Junge schon immer etwas Schwermütiges an sich hatte. Vor allem, als seine Mutter krank wurde und er für ein Jahr auf ein Internat musste. Als Jannus zwölf Jahre alt war, fing er an mit Alkohol. Malte gab zu, dass er sich damals hatte verleiten lassen und für eine Zeit mit seinem Freund die Schule schwänzte, um sich zu betrinken. Doch als Jannus dann mit Drogen anfing, nahm Malte Abstand. Aber das gelang ihm auch nur, weil seine Eltern, Großeltern und auch Hannes bedingungslos hinter ihrem Kind standen.

    „Jannus hatte nicht so viel Glück", bemerkte Faber und der Junge nickte bedrückt.

    „Erst war es Alkohol, dann rauchte er Shit. Als er das erste Mal Ice durchzog, habe ich mich zurückgezogen", erklärte Malte.

    Faber sah ihn entsetzt an. Aus seiner Zeit im Drogendezernat in Frankfurt wusste er genau, wovon der Teenager sprach. „Er fing mit dreizehn Jahren an, Meth zu rauchen?", musste er sich dennoch vergewissern.

    „Ja, er rauchte es, schnupfte es, egal wie. Hauptsache, er war high."

    „Wie viel hat er denn so am Tag verbraucht, weißt du das?", hakte Faber nach.

    „Bestimmt anderthalb Gramm Meth in seiner schlimmsten Zeit."

    „Das hat einen Marktwert von einhundertzwanzig Euro, im Monat sind das mehr als dreieinhalbtausend Euro, reagierte Rike sofort. „Hat er seine Eltern bestohlen, um das zu finanzieren?

    „Am Anfang. Er hat in die Kasse des Restaurants gegriffen, die Portemonnaies der Angestellten geplündert und auch die Gäste bestohlen. Doch irgendwann reichte es nicht mehr", berichtete ihnen Malte weiter. Plötzlich schwieg er.

    „Dann ging er auf den Babystrich?, fragte Faber ganz direkt, und Knut und Hannes zuckten sichtlich zusammen. „In Emden hat er vielleicht ein paar Freier gefunden, aber nicht genug, um seine Sucht zu bezahlen.

    „Er ist abgehauen nach Amsterdam. Er meinte, dort ist das ganz easy!"

    „Wussten seine Eltern Bescheid?", bohrte Rike weiter.

    „Die haben ihn als vermisst gemeldet. Jannus hat mich immer mal wieder per SMS kontaktiert. Als ich das meinen Eltern sagte, bestanden die darauf, Jannus’ Eltern zu informieren, erzählte der Teenager. „Die Polizei in Amsterdam hat ihn dann gesucht und zurückgebracht. Er war für ein paar Monate auf Entzug und es ging ihm viel besser. Aber kaum war er wieder bei seiner Familie und auf der Schule, fing er aufs Neue mit dem Meth an.

    „Das tut mir sehr leid für deinen Freund und auch für dich, Malte, meinte Faber ernst und spielte mit seinem leeren Schnapsglas in der Hand. „Glaube mir, ich habe genug Drogenabhängige gesehen. Wenn die nicht von selbst aufhören wollen und unglaublich viel Unterstützung bekommen, dann ist es kaum möglich, von dem Zeug wegzukommen. Vor allem, wenn es um Crystal Meth geht. Wahr­schein­lich hat das Sauzeug Jannus’ Körper schon stark geschädigt!

    „Ich weiß, aber seit Jannus wieder abgehauen ist, habe ich keinen Ton mehr von ihm gehört. Ich habe Angst, dass ihm was passiert ist. Seine Eltern sagten, dass sie mit ihm fertig sind, und bei Ihnen auf

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