MOSE: ganz und gar unheilig
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Über dieses E-Book
und dem Versuch diese zu bewältigen eine scheiternde Liebe , eine Beobachtung der sozialen Bedingungen. Wir treffen zwei Jugendliche die aus ganz unterschiedlichen Familien kommen, einen sympathischen Busfahrer, Angler und den Erzähler selbst.
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Buchvorschau
MOSE - Thomas Ludwig-Kelley
Steine
Steine so weit das Auge reicht , dicht an dicht zwar aber mit grossen Spalten zwischen ihnen. Wie ängstliche Tiere aneinander gedrängt und doch hat man sie hier zum Schutze angehäuft , das Meer kennt kein Pardon und frisst den Sand des Strandes ohne Unterlass. Und wirft Müll, Bäume , auch ganze Boote zurück auf ihn, als Ausgleich sozusagen .Selbst aussortierend was da
nicht hineingehört. Eine leichte kühle Brise weht von Nord, aber das hält einige Leute nicht davon ab mit nackten Beinen Muscheln oder Würmer im Watt zu suchen. Die Stille hat Rhythmus, die heran drängenden Wellen schlagen als wollten sie sich an diesen Steinen versuchen , als wollten sie sich lustig machen über die Arbeit der Menschen , über den Versuch Festigkeit in ewige Bewegung zu bringen.
Weiter draussen ist der lange Arm des Damm’s zu sehen der sich in die Lagune streckt und dort stählerne Klappen stützt die sich bei Hochwasser gegen die Flut stemmen sollen. Bislang hatte immer das Wasser gesiegt , hatte die Stadt geflutet, war in Häuser eingedrungen , hat Mauern geknabbert wie Salzstangen .Hatte die Bewohner gezwungen Gummistiefel zu tragen und sich in merkwürdig tastenden Schritten langsam vorwärts zu bewegen . Die Art der Schön-Wetter-Touristen blieben dann aus, Andere suchten gerade diesen Kick wie ein Disneyland-Abenteuer .Hatten endlich etwas zu erzählen, hatten Beweisfotos die sie ins Internet stellten als wären sie Zeugen eines Prozesses geworden der kein Ende hat. Doch davon liess sich das Wasser nicht wirklich beeindrucken , schon auch weil es nicht ins Internet schaute, nicht die WhatsApp-Nachrichten las. Es hörte auch nicht die Sirenen die vier Stunden vorher die Ankunft angekündigten wie Militär-Trompeter kurz vorm Sturmangriff. Es schaut einfach auf den Mond der spätestens nach drei Stunden zum Rückmarsch pfeift , Dreck, Schlamm und vor Allem viel Salz hinterlassend welches sich dann in die Wände der Häuser frisst wie Karies. Löcher macht die nicht immer gefüllt werden können.
Jetzt liegt die Lagune grau-schwer vorm Horizont und tut so als könne sie kein Wässer’chen trüben. Möwen segeln kreischend unter den kleinen Wolken als störe sie die Stille , als wollten sie die Wellen übertönen. Ab und zu bricht der eine oder andere Sonnenstrahl durch den Wolkenfilter , noch zaghaft, noch fehlt die Kraft die der Sommer bringt auch wenn der Leuchtturm dahinten mit seiner roten Farbe versucht das Ganze etwas anzufeuern..
Irgendwann muss schliesslich ein Anfang gemacht werden .
Rot
Rot wie das in Fetzen gerissene Kleid welches nur noch zaghaft den einst so lebendigen Körper bedeckte . Rot wie der verschmierte Lippenstift der sich später unter der Lupe zeigte. Die geschwollenen Lippen hatten mittlerweile ins Blau gewechselt im vollen Kontrast der kalkweissen Haut die sich schlabberig um des Rest dessen was der Körper einst war wickelte . Schwer vorzustellen , hier schlug einst ein Herz, hier wohnte einmal ein herzhaftes Lachen . Nichts war übrig vom warmen Schoss der einmal Platz für das volle Leben bot. Das dreckig strähnige Haar hatte sich grosszügig über das verzerrte Gesicht gelegt ,verbarg aber nicht die verkrustete Wunde am Hinterkopf . Hier musste so einiges Blut ausgetreten sein denn trotz der Zeit im Lagunenwasser war diese Stelle deutlich rostrot geblieben.
Alvise
Er war wie so oft am Wochenende an den Lido gefahren , hatte sein deutlich in die Jahre gekommenes Damenfahrrad , dem sowohl das vordere Schutzblech wie auch die Gummigriffe fehlten , aus dem Schuppen hinter dem Gemüsehändler geholt , hatte wie immer das Netz und den Plastik-Eimer in die hinten befestigte hölzerne Kiste mit der Aufschrift Etna Arance
gelegt, war wie immer nicht gleich zum Strand geradelt. Erst einmal eine Ombretta
(Gläs’chen Wein) bei seinem Bekannten Gigi an der Bar. Dazu stieg er , auch wie immer , nicht einmal von Rad, trank und grüsste kurz mit einem Kopfnicken und dem gemurmelten Se vedemo - wir sehen uns
. Wie immer ohne zu bezahlen, das tat er am Monatsende wenn er seinen Lohn von der Ferrovia (Eisenbahn) bezog . Dieser war nicht sehr beeindruckend , aber mit dem was seine Frau Betta als Krankenschwester verdiente reichte es für das kinderlose Paar.
Nie hatte es wirklichen Streit zwischen den Beiden gegeben, wenngleich sehr oft Spannung wie vor einem Gewitter in der Luft lag. Aber es kam nie zu Blitzen, dafür waren beide zu schüchtern., zu kontrolliert. Auch hatten sie beide Angst vor den Konsequenzen die es hätte haben können ,derermassen aus sich herauszugehen . Die Worte die man sich hätte an den Kopf werfen können mussten noch formuliert werden, beiden lag das Sprechen nicht sonderlich.
Begünstigt auch von der Schichtarbeit der beiden trafen sie sich nur ganz selten im gleichen Moment in der kleinen Wohnung. Diese hatte er von einem Onkel geerbt den er Zeit seines Lebens nur ein paar Mal gesehen hatte als er noch ein Kind war. Dieser Onkel war schon während seines Studiums weggegangen und nur noch einige Male zurückgekehrt um sich jedesmal über die Nachbarn, deren Lärm und die Unordnung dieser zu beschweren . Hatte aber weiterhin die Wohnung behalten, wohl als Rettungsboot für den Fall des Falles den niemand kannte und der auch nie eintrat.
Als dann das Schreiben eines Anwalts eintraf welches sowohl den Tod des Onkels in Turin wie auch die Erbschaft verkündete, hatte Alvise und seine seit sieben Jahren Verlobte geheiratet , so ganz auf die Schnelle und ohne Kirche, Gäste oder Feier . Waren eingezogen nach der Trauung im Standesamt . Bis zum heutigen Tage hatte sich dort in dieser Wohnung weder bei den Möbeln noch beim Anstrich der Wände irgendetwas geändert, das war mehr wie deutlich zu erkennen. Lediglich der Fernsehapparat war neuerem Datums . Selbst der Telefonanschluss lief noch auf den Namen des Onkels. Nachdem beide den Familiennamen Scarpa trugen gab es keinen Grund dort etwas zu ändern, die sehr sehr kleinen Rechnungen wurden wie immer und wie vor 50 Jahren auf der Post in der Schlange wartend mit alten Leuten die ihre Rente abholten, bezahlt und damit war es für sie beide , ihn und die Telekom in Ordnung.
Heute hatte er sich eine Restpackung Grissini und einen Zipfel Salami in die Tasche seiner abgewetzten Jacke gepackt, er wollte den ganzen Tag am Strand bleiben. Sowohl das durchwachsene Wetter als auch die abgelegene Zone trugen dazu bei , das es hier menschenleer war um diese Zeit . Auch muss gesagt werden , er genoss im Allgemeinen das Alleinsein . Und hasste es im gleichem Moment ! Hätte lieber geschrien , auf den Tisch geschlagen mit der Faust