Die 12 Stationen der Odyssee - Hürden auf dem Weg zur Berufung: Ein mythologischer Beitrag zur Überwindung von Täuschung und Irrtum
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Die zwölf Stationen der Heimreise des Odysseus, so wie sie Homer erzählt, werden in Verbindung gebracht mit dem archetypischen Lebensweg eines jeden Menschen. Jede Station der Irrfahrt ist dabei eine Geschichte für sich, in der Homer uns von einem menschlichen Irrtum erzählt, dem eine Täuschung zugrunde liegt.
Die hier erfolgte Deutung dieser zwölf Stationen ergibt einen deutlichen Hinweis, um welchen grundlegenden Irrtum es sich hierbei handelt.
In der Erzählung von der heldenhaften Reise des Odysseus offenbart sich nicht nur der Irrtum, sondern auch der Weg heraus aus Irrtum und Täuschung. Wer bereit ist, sich auf die hier beschriebenen zwölf Stationen der Heimreise einzulassen, dem kann es gelingen - frei von Täuschung und Enttäuschung - in der Heimat seiner Seele anzukommen und seine Berufung zu erfüllen.
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Rezensionen für Die 12 Stationen der Odyssee - Hürden auf dem Weg zur Berufung
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Buchvorschau
Die 12 Stationen der Odyssee - Hürden auf dem Weg zur Berufung - Johann Wolfgang Denzinger
1. Station: Der Kampf mit den Kikonen
Als mit Trojas Fall der zehnjährige Krieg sein Ende findet, heißt es für die Sieger, nach Hause zurückzukehren. Auch Odysseus und seine Gefährten besteigen die Schiffe, um ihre Heimreise nach Ithaka anzutreten. Ein starker Wind lenkt zunächst die Flotte von 12 Schiffen nach Ismaros ins Land der Kikonen. Die Kikonen waren Verbündete der Trojaner, daher greifen Odysseus und seine Mannen die Kikonen ohne jegliche Vorwarnung an, zerstören die Stadt und töten die Männer. Dann verteilt Odysseus die erbeuteten Güter an alle zu gleichen Teilen und treibt die Gefährten an, das Land so schnell wie möglich zu verlassen. Doch jene hören nicht auf ihn, vielmehr lassen sie sich genüsslich nieder, sprechen dem wohlschmeckenden Wein zu und schlachten reichlich Schafe und Rinder. Währenddessen holen die entkommenen Kikonen Verstärkung. Überlegen an Zahl und Kampfeskraft eilen sie am anderen Morgen herbei, um nach Zeus Willen ein schlimmes Schicksal über die Heimreisenden zu bringen. Odysseus und seine Gefährten wehren sich anfangs zwar tapfer, doch gegen Abend nötigt sie die erdrückende Überlegenheit der Kikonen zur Flucht. Sechs Gefährten von jedem Schiff gehen im Kampf zugrunde, alle anderen entkommen dem bösen Verhängnis.
Betrübt über die Verluste und doch froh, dem Tod entronnen zu sein, segeln sie weiter - der Heimat entgegen. Ein stürmischer Nordwind jedoch, vom Wolkensammler Zeus erregt, treibt die Schiffe mit herabgedrücktem Bug wie Spielzeuge vor sich her, zerfetzt die Segel und zwingt alle festes Land anzusteuern. Zwei Tage und zwei Nächte hält sie der Sturm gefangen, dann - am dritten Tag - kündet Eos, die rosenfingrige Morgenröte, das Ende des schlechten Wetters und verheißt eine erfolgversprechende Weiterfahrt. Schnell sind die Segel gehisst und die Ruderbänke besetzt - die Reise nach Ithaka wird fortgesetzt. Und die glückliche Heimkehr wäre wohl gelungen, wenn nicht Strömung und Nordwind bei der Umrundung von Maleia Odysseus und seine Gefährten an Kythera vorbei aufs offene Meer hinausgetrieben hätten - fernen Ländern und unbekannten Abenteuern entgegen.
Bei den Kikonen
Jede Begegnung im Leben hat ihre Vergangenheit und wird - oft nachhaltig - von ihr beeinflusst. Alle Erlebnisse hinterlassen Eindrücke, sind die Erlebnisse besonders tiefgreifend, prägen sie uns und unseren Charakter. Im Laufe der Zeit formt sich so unsere „eigene Art, jene Eigenart, mit der wir der Welt begegnen und auf sie reagieren. Was dabei für uns oft selbstverständlich ist - unser ganz normales Verhalten -, kann gleichwohl von Fremden als „eigenartig
empfunden werden. Uns geht es dabei nicht anders, oft befremdet uns die Art der anderen - und nicht selten möchten wir den „Fremden" aus unserem Lebensbereich verbannen.
Odysseus und seine Gefährten haben zehn schier endlos lange Jahre des Kampfes um Troja hinter sich - das würde jeden Menschen prägen. Kampf, Eroberung und Sieg sind zum erstarrten inneren Muster geworden, andere Möglichkeiten sind unbekannt, vergessen, im tiefsten Inneren vergraben. Sich allem zu bemächtigen, alles zu nehmen und an sich zu reißen, ist ebenso „normal" wie Schwache und Wehrlose auf die Seite zu drängen oder gar aus dem Weg zu räumen.
„Es lebe der Kampf und der Sieg!", so lautet das Motto.
In der ersten Station der Odyssee beschreibt Homer die Begegnung mit den Kikonen. Vor allem die kampferprobten Gefährten des Odysseus morden und plündern, ganz wie es ihnen gefällt. Was im Wege steht, wird niedergemacht, was Widerstand bietet, wird umgebracht, was nicht niet- und nagelfest ist, wird an sich gerissen. Auf die besonnenen Worte des klugen Odysseus, so schnell wie möglich abzuziehen und weiterzusegeln, hört niemand. So kommt es wie es kommen muss: Die Kikonen, ein mit den Trojanern verbündeter Volksstamm, setzen sich zur Wehr, sie holen Verstärkung und überwältigen die heimfahrenden Griechen. Mit Müh und Not entkommt Odysseus, verliert aber viele seiner Gefährten.
Danach treiben Stürme ihn ab, er verliert die Orientierung und die eigentliche Irrfahrt beginnt. Alle nachfolgenden elf Stationen, die auf ihn noch zukommen, sind ihm fremd - eine Zeitlang verweilt er dort und zieht irgendwann weiter, ohne wirklich zu wissen, wo sein geliebtes Ithaka liegt.
Odysseus und seine Gefährten
Hier bereits macht uns Homer den Zwiespalt zwischen Odysseus und seinen Gefährten deutlich. Klugheit und Besonnenheit - die Attribute der Göttin Athene - mahnen Odysseus, schnellstmöglich weiterzufahren, doch die Gefährten denken und handeln anders. Und Odysseus, der eigentlich nur Troja hinter sich lassen und auf dem schnellsten Wege in seine Heimat zurückkehren wollte, hört auf seine Gefährten und nicht auf Athenes Rat. Die Folgen kennen wir, doch auch die Niederlage hat ihr Gutes: Odysseus ist von seiner Unvernunft geheilt.
Lösen wir die Geschichte mit den Kikonen aus ihrer „Verpackung, betrachten wir ihren Inhalt und übertragen wir sie auf unsere Zeit. Ist uns dieser Ablauf wirklich fremd: Irgendwohin kommen, sich soviel wie möglich aneignen oder in Besitz nehmen, den scheinbar „Schwächeren
an die Wand drängen oder wenn möglich ganz aus dem Felde schlagen?
Schauen wir in die große Welt, dort wo „menschliche Haie und Raubtiere" ihre Plätze eingenommen haben. Hier - im Außen - erkennen wir Homers Botschaft besser. Kampf und Krieg, Eroberung und Unterdrückung finden überall statt, sie sind nicht schwer auszumachen. Beängstigend ist jedoch ganz etwas anderes: Dass wir zustimmen und einverstanden sind. Niemand entdeckt darin etwas Ungehöriges. Wir sind davon überzeugt, dass die Welt so ist und schon immer so war, Kampf und Krieg gehören zu ihr wie Sturm und Hagel zum Wetter - und schon alleine deswegen ist dagegen nichts zu machen.
Es ist an der Zeit, sich an die Klugheit und Besonnenheit der jungfräulichen Athene anzuschließen. Die Bekämpfung eines Gegners, er mag heißen wie er will, ist ein untaugliches Mittel, weil sie sich gegen die Menschlichkeit und damit gegen die ganze Menschheit richtet. Hier ist eine wichtige Botschaft versteckt: Alles Unmenschliche ist immer gegen die Gesamtheit aller Menschen gerichtet. Deshalb lässt Homer am Ende alle Kikonen gegen Odysseus und seine Mannen ziehen. Ein Angriff auf einen einzelnen Kikonen wird dort empfunden als Angriff auf alle und ruft die gemeinsame Gegenwehr