Mühlengeheimnisse
Von Susi Menzel und Brigitta Rudolf
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Über dieses E-Book
Liebe, Abenteuer und Historisches spielen eine Rolle. Natürlich sind auch Katzen, Hexen, Gespenster und ein Vogel dabei.
Mit schwarz-weiß Fotos und Zeichnungen.
Susi Menzel
Susi Menzel liebt die Natur und schreibt gerne über Tiere aller Art. Sie lebt in Minden in Ostwestfalen und bekommt viele Inspirationen durch ihren wilden Garten, aber auch durch Reisen.
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Buchvorschau
Mühlengeheimnisse - Susi Menzel
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Müller Fritz und der Apfelbaum
„Kaspar, der Mühlenkater"
Das Geheimnis der alten Mühle
Die Mühlenhexe Zirphaela
Schattenkünstler
Kater Elvis und die Jubiläumsfeier in der Windmühle
Es klappert die Mühle am rauschenden Bach…
Emmi, das Mühlengespenst und das weiße Kleid
Die Zwillingsmühlen von Greetsiel
Hajo
Der Müller und der Spatz
Die kleine Wassernixe
Mia, die Mühlenkatze
Die Familienfeier der Gespenster
Begegnung auf der Schiffmühle
Der garstige Müller
Neues Leben in der alten Mühle
1869 – Das Versteck der Nachtigall
Über die Autorin Brigitta Rudolf
Über die Autorin Susi Menzel
Vorwort
„Im Mühlengebälk es knarrt und kracht und rumpelt und knarzt bei Tag und Nacht"
So war es früher einmal. Doch wie ist es heute?
Während heute Mehl in Fabriken hergestellt wird, sind viele Wind- und Wassermühlen aus alter Zeit nur noch als Denkmal erhalten. Viele wurden restauriert und dadurch für Mühlentage zu neuem Leben erweckt.
Da die beiden Autorinnen im Mühlenkreis Minden – Lübbecke leben, liegt es nahe, dass sie auch Geschichten und Märchen schreiben, die in Mühlen spielen, denn immerhin regen diese alten Baudenkmäler schon immer die Fantasie der Menschen an – und die von Autorinnen natürlich sowieso.
Achtzehn Geschichten sind entstanden, in denen Liebe, Abenteuer, historische Ereignisse eine Rolle spielen, aber auch Gespenster, Hexen, Nixen, Katzen, Hunde und sogar ein Spatz die Helden sind.
Wir wünschen allen Lesern viel Spaß beim Erkunden des Mühlenlebens.
Susi Menzel und Brigitta Rudolf
Susi Menzel
Müller Fritz und der Apfelbaum
Fritz schmiegte sich an den Stamm des Apfelbaums. Die rissige Rinde fühlte sich hart und weich zugleich an. Dieser Apfelbaum war SEIN Baum. Der war jetzt 18 Jahre alt. Das wusste er so genau, weil er ihn selber aus Apfelkernen gezogen hatte. Aus den letzten drei Kernen des Apfels, der ihm vor 18 Jahren das Leben gerettet hatte. Erst vor kurzem hatte er erfahren, dass sein Baum noch einige Geschwister hatte, wenn man es bei Bäumen denn so nennen mag.
Ein einziger Apfel hatte reichen müssen, ihn damals bei Kriegsende im Jahr 1918 ein ganzes Stück weiter nach Hause zu bringen. Fritz war von Süden aus, wo er stationiert gewesen war, bereits bis Kassel gekommen. Auf dem Marktplatz hatte ein Bauer den Apfel achtlos zur Seite geworfen, weil er schon leicht angefault war. Er war hinter das Bein einer Sitzbank gerollt, sodass ihn bislang niemand entdeckt hatte. Die anderen Kriegsheimkehrer lungerten genau wie er mit knurrendem Magen an den Marktständen herum, in der Hoffnung, dass die Bauern ihnen etwas zu essen gaben. Fritz hatte zwei Möhren ergattert und setzte sich erschöpft auf die Bank, um genüsslich eine Möhre sorgfältig zu kauen. Die andere hatte er vorsichtshalber unter dem Hemd versteckt. Dort war sie wenigstens halbwegs sicher. Vor Flüchtlingen mit Hunger musste man sich in Acht nehmen. Diese ausgezehrten Kreaturen, die ein erbarmungsloser Krieg ausgespuckt hatte, kämpften ums Überleben – mit jedem Bissen, den sie überhaupt bekommen konnten. Ausgemergelt nur noch Haut und Knochen, viele mit nur einem Arm oder Bein, noch mehr mit grässlich schlecht verheilten Narben am Körper war es ein Wunder, dass sie überhaupt noch lebten. Es schien fast so, als hätte der Tod vergessen, sie mitzunehmen.
Die meisten versuchten, genau wie auch Fritz, irgendwie nach Hause zu kommen. Zu Fuß, ohne Verpflegung, ohne zu wissen, ob es das Zuhause überhaupt noch gab, stolperten sie Kilometer für Kilometer vorwärts. Durch eine Landschaft, in der so vieles zerstört worden war. Auch die Daheimgebliebenen, zumeist waren es Frauen, hatten kaum noch Lebensmittel. Obwohl sie es gern getan hätten, hatten sie kaum etwas abzugeben. Es gab zu wenig Essen und es gab außerdem viel zu viele hungrige Kriegsheimkehrer.
Fritz sah den Apfel unter der Bank, als ihm ein Stück Möhre heruntergefallen war. Schnell steckte er ihn in seine löcherige Manteltasche. Dann stapfte er blicklos weiter nach Norden. Dort oben war seine Mühle, sein Zuhause. Hoffentlich stand sie noch. Und hoffentlich lebte noch jemand von seiner Familie.
Drei Tage lang hatte er nur zerstörte Häuser und keinen noch einzigen Menschen gesehen. Drei Tage lang war der Apfel seine einzige Nahrung gewesen. Es war Mitte November und schon recht kalt. Kein Baum hatte noch Früchte, auch die Nüsse waren bereits abgeerntet. In diesen schweren Zeiten würde niemand irgendetwas Essbares übersehen. Durch den Frost gab es leider auch keine essbaren grünen Blätter irgendwelcher Art mehr. Der Dauerregen der letzten Tage hatte seine Kleidung völlig durchnässt. Am dritten Tag hatte er gemerkt, dass er keine Kraft mehr hatte. Wieder einmal, wie so oft im Krieg, hatte er mit dem Leben abgeschlossen, als er unter einem Baum Rast gemacht hatte und nicht mehr hatte aufstehen können. Alles um ihn herum war schwarz geworden.
Als er wieder aufgewacht war, lag er auf einem Bett. Zugedeckt mit einer weichen Decke. Ein Glas Wasser stand auf dem Schränkchen neben ihm. Er trank es gierig aus. Dabei überlegte er, dass er wohl kein Kriegsgefangener geworden sei, denn die Siegermächte gingen mit ihren Gefangenen nicht gerade zimperlich um. Eine warme Decke würden sie ihnen auf keinen Fall überlegen.
Als die Zimmertür geöffnet wurde, war Fritz wie elektrisiert in die dunkle Ecke des Zimmers gesprungen und hatte sich zitternd zusammengekauert. Niemandem konnte man trauen!
Eine Frau war hereingekommen. Sie hatte eine Schale mit heißer, dampfender Suppe in der Hand. Kurz stutzte sie, als sie Fritz in der Ecke sitzen sah, beachtete ihn aber nicht weiter. Die herrlich riechende Suppe stellte sie auf den Nachttisch. „Ich hoffe, dass meinem Mann auch jemand hilft, nach Hause zu kommen. Ich brauche ihn so dringend hier. Zwar hatte ich Glück, dass sie ein Feld nicht entdeckt haben. Ich konnte sehr viele Kartoffeln ernten. Sie werden uns durch den Winter bringen. Damit sie sie nicht finden, habe ich sie hier wieder eingebuddelt und sogar Holz auf die Stelle gelegt."
Fritz schmunzelte. „So hat es meine Mutter auch gemacht. Ich habe ihr geholfen, bis ich doch noch in den letzten Wochen des Krieges eingezogen worden bin. Er wurde ernst. „Hoffentlich haben sie es auch ohne mich geschafft.
Die Suppe tat ihm gut. Aber er wollte auch gleich weiter. Er zog den Mantel an und fühlte in der Tasche die Reste des Apfels. Das Kerngehäuse lutschte er noch einmal komplett aus. Da er nichts anderes hatte, wusch er die verbliebenen Kerne ab und legte fünf Stück als Dankeschön auf den Nachttisch. Die Frau würde es schon richtig verstehen. Die restlichen Kerne wanderten in seine Hosentasche.
Er bedankte sich noch einmal herzlich bei der Bauersfrau, die ihm den Weg nach Norden zeigte. Das war jetzt achtzehn Jahre her. Aus den Kernen hatte er Bäumchen gezogen. Drei waren aufgegangen, aber nur einer, eben dieser, an dem er gerade lehnte, war groß geworden und trug Äpfel. Köstliche Äpfel, die man lange lagern konnte und die ihm den Winter versüßten.
Erst vor einigen Jahren war in die Gegend gefahren, um die Bauersfrau, die ihm damals geholfen hatte, und den Hof zu suchen. Er hatte ihn auch gefunden. Die Frau hatte vergeblich auf ihren Mann gewartet. Er war gefallen und sie hatte später wieder geheiratet. Sie erzählte ihm stolz, dass auch sie aus den Apfelkernen Bäume hatte ziehen können. Bei ihr waren drei Stück groß geworden. Sie trugen so reichlich Früchte, dass sie der Grundstein für die große Streuobstwiese geworden sind, die dazu geführt hat, dass sie eine Mosterei hatten gründen können.
Die Frau und Fritz freuten sich, dass sie sich damals in der schweren Zeit kennengelernt hatten und durch den kleinen, fast verfaulten Apfel beide eine Zukunft bekommen hatten.
Daran dachte Fritz, als er traurig an seinem Apfelbaum lehnte und auf die Kinder, die ihn geärgert hatten, wütend war. Natürlich kannten die Kinder seine Geschichte nicht. Diese Kinder ärgerten ihn in der Erntezeit fast täglich. Wenn sie aus der Schule kamen und an seiner großen Streuobstwiese vorbei nach Hause gingen, kletterten sie immer zielgerichtet auf „seinen" Apfelbaum, knickten Äste ab und rissen die Äpfel herunter, ohne dass sie sie essen wollten. Nur so aus Lust am Ärgern machten sie das und nicht, weil sie Hunger hatten. Einmal hatte er vor Wut sogar die Hunde auf sie gehetzt. Gottseidank hatten die keinen gebissen, sondern sie nur verjagt. Aber er konnte es einfach nicht verstehen, warum diese Kinder ihn immer wieder so ärgern mussten.
Er weinte, als er daran dachte. „Vielleicht hat es morgen endlich die 25°, damit sie Hitzefrei haben. Dann hätten wir mal einen Tag lang frei und sie ließen uns in Ruhe."
Zärtlich strich er dem Baum über die raue Rinde.
Er versuchte aufzustehen. Das klappte nicht gleich. „Ach Baum, die armen Knochen und die Narben tun mir so weh. Warum war der Krieg nur so grausam", heulte er laut. Das hörte Frieda. Sie hatte sich von der Gruppe, der ihre kleine Schwester angehörte, abgesondert.
Dieses „Müllerärgern" machte ihr schon lange keinen Spaß mehr. Als die anderen Kinder weggerannt waren, hatte sie sich in den Busch am Rand der Wiese gesetzt. Sie wollte nicht schon wieder Ärger mit den Eltern bekommen. Frieda schämte sich plötzlich sehr, als sie diesen grummeligen, scheinbar starken Mann so weinen hörte. Langsam ging sie zu ihm hin und setzte sich neben ihn.
Nachdem sie ihn gefragt hatte, warum er sich so über die paar Äpfel, die die Kinder klauten, aufregte, erzählte Fritz seine Geschichte.
„Ich hoffe, dass ihr Kinder das nie erleben müsst. Aber leider, jetzt im Jahr 1937, riecht es schon wieder nach Krieg. So wie jetzt war es vor dem 1. Weltkrieg. Man hört immer öfter von Panzern, die Soldaten haben immer mehr Manöver und man spricht von Feinden. Fritz schaute Frieda traurig an. Sie starrte ihn ungläubig an. „Krieg? Hier? Warum sollte das so sein?
„Nie weiß jemand letzt-endlich, warum es Krieg gibt. Niemand will, dass Millionen Menschen sterben. Und doch ist es so."
Frieda war schockiert. Sie nahm sich vor, ihre Schwester und deren Freunde davon abzuhalten, den Müller weiter zu ärgern. Äpfel würde sie fortan auch anders ausschauen.
Zwei Jahre später, 1939, begann der Zweite Weltkrieg.
Fritz wurde 1944 eingezogen. Bis dahin galt er als Müller mit Mühle als lebenserhaltend für das Dorf und durfte zuhause bleiben. Aber die Menschen, die das Land verteidigten, wurden immer weniger. Schließlich wurde alles eingezogen, was irgendwie laufen konnte, egal wie alt oder krank er war.
Noch 1944 fiel Fritz in seinem ersten Einsatz an der Front. Das Land wurde wieder völlig zerstört.
Sein geliebter Apfelbaum hingegen half der gesamten Müllerfamilie noch viele Jahre lang, die harten Winter zu überstehen.
Diese Geschichte ist historisch an das Schicksal des Müllers Heinrich Hohmeyer von der Windmühle Meißen bei Minden angelehnt, der 1944 bei seinem ersten Fronteinsatz gefallen ist.
Brigitta Rudolf
„Kaspar, der Mühlenkater"
Hier in unserer Mühle in Meißen kann man gut leben, auch als Kater. Der Müller ist ein fleißiger, etwas wortkarger Mann, die Hausfrau ist gutmütig und gibt mir sogar ab und zu ein Schälchen Milch, wenn ich ihr mal wieder eine besonders fette Maus gebracht habe. Dann gibt´s hier noch zwei bildhübsche Töchter. Die Kathrin, meistens wird sie nur kurz Trin gerufen, und die Liese, das ist die Ältere. Ja, und Mäuse, die gibt´s hier natürlich im Überfluss, da werde ich nie arbeitslos, und zu beißen habe ich auch immer genug. Aber jetzt liegt was in der Luft – ich spüre es genau, auch wenn ich nicht weiß, was es sein wird, aber mit unserem schönen, ruhigen Leben wird es sicher bald vorbei sein, fürchte ich.
Jetzt ist es geschehen, auf den Barthelhof ist ein neuer Knecht gekommen und der hat ein Auge auf meine Trin geworfen. Ich habe es genau gesehen. Sie saßen zusammen am Mühlenweiher und hielten Händchen in der letzten Nacht. Heimlich hat sie sich aus ihrer Kammer geschlichen, um ihn zu treffen.
„Er ist ein so schmucker Bursche, das hat sie zu Liese gesagt – ich hab´s genau gehört. „Aber der hat doch nix in den Taschen, oder?
, hat die Liese ihr geantwortet. Daraufhin hat die Trin nur mit den Schultern gezuckt und gesagt, das sei ihr ganz egal. Was bloß die Müllerleute dazu sagen werden?
Wusste ich es doch, der fesche Bursche hat sie eine Weile später ins Unglück gestürzt, meine Trin. Sie sitzt nur noch in ihrer Kammer und heult