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Calciumoxid, auch gebrannter Kalk, Branntkalk, ungelöschter Kalk, Kalkerde, Ätzkalk oder Freikalk ist eine chemische Verbindung aus Calcium und Sauerstoff mit der Formel CaO. Die weiße kristalline Substanz reagiert mit Wasser unter starker Wärmeentwicklung. Bei dieser Reaktion wird Calciumhydroxid (Löschkalk) nach der Reaktionsgleichung

Kristallstruktur
Struktur von Calciumoxid
_ Ca2+ 0 _ O2−
Kristallsystem

kubisch

Raumgruppe

Fm3m (Nr. 225)Vorlage:Raumgruppe/225

Koordinationszahlen

Ca[6], O[6]

Allgemeines
Name Calciumoxid
Andere Namen
  • gebrannter Kalk
  • Branntkalk
  • ungelöschter Kalk
  • Ätzkalk
  • Freikalk
  • Kalkerde
  • Calciumoxyd
  • Kalk
  • E 529[1]
  • CALCIUM OXIDE (INCI)[2]
Verhältnisformel CaO
Kurzbeschreibung

weißes, geruchloses Pulver[3]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 1305-78-8
EG-Nummer 215-138-9
ECHA-InfoCard 100.013.763
PubChem 14778
DrugBank DB15648
Wikidata Q185006
Eigenschaften
Molare Masse 56,08 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

3,37 g·cm−3 (20 °C)[3]

Schmelzpunkt

2580 °C[3]

Siedepunkt

2850 °C (100 hPa)[3]

Löslichkeit

schwer in Wasser (1,65 g·l−1 bei 20 °C, heftige Reaktion)[4]

Brechungsindex

1,8396[5]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 315​‐​318​‐​335
P: 261​‐​264​‐​271​‐​280​‐​302+352​‐​305+351+338[3]
MAK

Schweiz: 2 mg·m−3 (gemessen als einatembarer Staub)[6]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

gebildet. Gebrannter Kalk wird in Weichbrannt-, Mittelbrannt- und Hartbranntkalk unterschieden.

Herstellung

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In größerer Menge wird Calciumoxid durch Kalkbrennen (Kalzinierung) im Kalkofen hergestellt. Ab einer Temperatur von etwa 800 °C wird Calciumcarbonat (in aller Regel Calcit in Form von Kalkstein) entsäuert, das heißt Kohlendioxid wird ausgetrieben und es entsteht Calciumoxid. Dabei werden 1,8 Teile Kalkstein benötigt, um 1 Teil Branntkalk zu gewinnen.[7]

 
CaCO3-Entsäuerung in der DTA
 

Man unterscheidet die Branntkalke u. a. nach ihrer Reaktionsgeschwindigkeit (Reaktivität) des Kalkes mit Wasser während des Löschvorgangs:

< 2 min Reaktionsdauer: Weichbranntkalk
2–6 min Reaktionsdauer: Mittelbranntkalk
> 6 min Reaktionsdauer: Hartbranntkalk

Es gibt keine präziseren Definitionen.

Weichgebrannter Kalk entsteht bei Temperaturen von 900 bis 1000 °C, hartgebrannter Kalk bei bis zu 1400 °C, wobei auch die petrographische Beschaffenheit des Kalksteins und die Zeitdauer der Temperatureinwirkung eine Rolle spielen. Die Reaktivität nimmt also mit höherer Brenntemperatur ab. Die Unterschiede sind eine Folge von Kristallitgröße des CaO, Porenvolumen und spezifischer Oberfläche, die durch Brenntemperatur und -dauer beeinflusst werden (diese Parameter des Brennvorgangs nennt man zusammenfassend auch Brenngrad).[8]

Calciumoxid erhält man auch durch thermisches Zersetzen von Calciumhydroxid; dieses zerfällt bei 550 °C unter Atmosphärendruck in Calciumoxid und Wasser. Das unter diesen Bedingungen entstandene Calciumoxid ist wenig kristallin, also gut reaktionsfähig.

Calciumoxid (und Calciumnitrid) entstehen auch bei der Verbrennung von Calcium an der Luft. Weil elementares Calcium selten ist, wird diese Reaktion nur im Rahmen von Laborversuchen durchgeführt.

Im Jahr 2007 wurden weltweit rund 280 Millionen Tonnen Branntkalk produziert, mit 170 Millionen Tonnen mehr als die Hälfte davon in China und nur 20 Millionen Tonnen in den USA als dem zweitgrößten Produzenten.[9]

Natürliches Vorkommen

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Unter den Bedingungen der Sanidinit-Fazies kann reiner Kalkstein, wenn er etwa unter geringem Druck (d. h. in der Nähe der Erdoberfläche) in basaltische Lava hoher Temperatur gerät, zu Calciumoxid zersetzt werden. Solche Vorkommen sind sehr selten, und aufgrund der hohen Reaktivität von Calciumoxid werden in natürlichen Gesteinen nur Pseudomorphosen beobachtet.[10]

Eigenschaften

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Gebrannter (ungelöschter) Kalk (früher auch als lebendiger Kalk[11] bzw. lateinisch calx viva bezeichnet[12]) ist stark ätzend, daher kann der Kontakt mit den Augen zur Erblindung führen.

Branntkalk ist chemisch nicht stabil und reagiert spontan mit dem CO2 aus der Luft, bis er vollständig in Calciumcarbonat übergegangen ist, sofern er nicht zuvor mit Wasser zu Calciumhydroxid abgelöscht wurde.

Bei der Reaktion mit Wasser vergrößert sich das Volumen um wenigstens das Zweieinhalbfache.[7]
Der Verlauf des Löschvorgangs und die Eigenschaften des dabei gebildeten Löschkalks hängen von der Zusammensetzung und Beschaffenheit des Branntkalks ab. Die Löschreaktion kann bereits nach einigen Sekunden abgeschlossen sein, kann aber auch mehr als eine Viertelstunde andauern, abhängig etwa von der inneren Oberfläche (Porosität), der Primärkristallitgröße, dem Versinterungsgrad und der Zusammensetzung des Branntkalks. Der Verlauf der Kalzination beim Brennen von Kalkstein zu Branntkalk ist weitgehend beherrschbar und vorhersagbar. Dagegen ist es (Stand 2005) noch nicht möglich, eine befriedigende Prognose über die Reaktivität des entstehenden Branntkalks alleine durch Kenntnis der Zusammensetzung des Ausgangsmaterials zu treffen. Sie hängt von den genauen Bedingungen ab, unter denen der Brennvorgang stattfindet.[13]

Branntkalk ist hydrophil und ein effizienteres Trocknungsmittel als Silikagel.

Verwendung

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Gebrannter und anschließend (mit Wasser) gelöschter Kalk wird in der Bauindustrie als Beimischung zu Mörtel und Putzen verwendet sowie zur industriellen Fertigung von Kalksandsteinen.[14] Er ist ein untergeordneter Bestandteil von Zementklinker. In der Chemie nutzt man die Substanz außerdem als Trocknungsmittel, zur Absorption von Kohlenstoffdioxid und als Neutralisationsmittel. Weitere Einsatzbereiche von Branntkalk sind z. B. Düngekalk, die Produktion von Calciumcarbid sowie seine Nutzung zur Herstellung von Kalkmörtel, Kalkputz und Kalkfarbe.

Einer der wesentlichen Einsatzbereiche ist die Entschwefelung von Roheisen, bei dem der Schwefel [S] als Begleiter [ FeS ] vorkommt und bei der Stahlerzeugung im Konverter herausgelöst werden muss. Dabei wird Kalk (CaO) entweder in das Roheisen eingeblasen oder mit einem Rührer eingemischt. Der Kalk verbindet sich mit dem Schwefel zu Calciumsulfid [CaS], steigt zur Oberfläche auf, setzt sich dort als Schlacke ab und kann dann entfernt werden.

Der gelöschte Kalk wird unter anderem als Alternative zum Kalkstein in der Rauchgasentschwefelung eingesetzt. Die Einsatzmenge ist hierbei ca. 1,8-fach geringer als die von Kalkstein. Der dabei aus Branntkalk gewonnene Gips (Calciumsulfat) hat einen Weißgrad von 80 % und kann kommerziell weiterverwendet werden. Durch seine hohe Reaktivität werden geringere Verbrauchsmengen benötigt. Nachteil ist sein deutlich höherer Preis gegenüber Kalkstein.

Durch Reaktion mit Chlor kann aus Calciumhydroxid Chlorkalk hergestellt werden.

Calciumoxid wird Lebensmitteln als Säureregulator zugesetzt. Es dient dabei in erster Linie als sogenannter technischer Hilfsstoff, der im fertigen Lebensmittel nicht mehr vorhanden ist. Es ist in der EU als Lebensmittelzusatzstoff unter der Bezeichnung E 529 ohne Höchstmengenbeschränkung, aber mit der Maßgabe, nur die technisch wirklich benötigte Menge zu verwenden (quantum satis), für Lebensmittel allgemein zugelassen.

Um die von ungelöschtem Kalk ausgehenden Gefahren zu mindern, wurden Anfang des 19. Jahrhunderts baupolizeilichen Verordnungen hinsichtlich zur Brandverhütung in Textform erlassen. Beispielsweise erlies die herzoglich-nassauische Regierung im November 1826 eine solche Verordnung für ihr Herrschaftsgebiet. Der Ort und die Art der Aufbewahrung musste dem Ortsschultheißen zur Anzeige gebracht werden, welcher eine polizeiliche Aufsicht veranlassen konnte.[15]

Früher wurde Calciumoxid zur Kaustifizierung von Soda und Pottasche eingesetzt, was für die Seifenherstellung von großer Bedeutung war. Man verwendete Calciumoxid auch als Ätzkalkladung von Geschützen und Blendtöpfen, die mit Katapulten geworfen wurden.

Ätzkalk hat eine geruchsbindende Wirkung, wenn er in den Sammelbehälter von offenen Feldtoiletten (Plumpsklo) eingestreut wird.

Ungelöschter Kalk wurde zur Desinfektion von Marktplätzen und Begräbnisstätten verwendet.[16][17] Er wird gelegentlich anstelle des Löschkalks zur Desinfektion von Ställen (dem „Kalken“ der Ställe) eingesetzt. Es sollte jedoch nicht mit Stroh oder ähnlichem leichtentzündlichen Material in Kontakt kommen, da die Temperatur von rund 180 °C, die sich bei der Reaktion mit Feuchtigkeit entwickelt, in seltenen Fällen zur Entzündung ausreichen kann.[18]

Als Desinfektionsmittel fand Ätzkalk in Pulverform oder Kalkmilch (Mischung von Ätzkalk mit Wasser) breite Anwendung im Eisenbahnbetrieb, einmal zur Desinfektion der Toiletten in Personenwagen, hauptsächlich aber zur Desinfektion der Viehwagen durch Tünchen der Wände und des Bodens mit Kalk.[19]

Nach einem Augenzeugenbericht wurde Ätzkalk in der Zeit des Nationalsozialismus zumindest im Bereich des Durchgangsghettos Izbica auf dem Boden von Zugwaggons verteilt, die Opfer des Holocaust zu den Vernichtungslagern transportierten. Beim Kontakt mit der feuchten menschlichen Haut verursachte es gefährliche Verätzungen.[20] Es gibt auch Berichte über die Ermordung von KZ-Häftlingen im KZ Auschwitz, indem die Opfer lebend in eine Grube mit Ätzkalk geworfen oder mit der Substanz überschüttet wurden und auf diese Weise qualvoll umkamen.[21]

Sicherheitshinweise

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  • Ungelöschter Kalk kann unter Wasserzufuhr (Kalklöschen) aufgrund von Hitzeentwicklung Brände verursachen.[22]
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  • www.nassloeschkurve.de Informationsportal zur Reaktivität von Calciumoxid mit detaillierten wissenschaftlichen Erläuterungen

Einzelnachweise

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  1. Eintrag zu E 529: Calcium oxide in der Europäischen Datenbank für Lebensmittelzusatzstoffe, abgerufen am 29. Dezember 2020.
  2. Eintrag zu CALCIUM OXIDE in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 28. Dezember 2020.
  3. a b c d e f Eintrag zu Calciumoxid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 20. Januar 2022. (JavaScript erforderlich)
  4. Datenblatt Calciumoxid bei Merck, abgerufen am 19. Januar 2011.
  5. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Index of Refraction of Inorganic Crystals, S. 10-245.
  6. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte (Suche nach 1305-78-8 bzw. Calciumoxid), abgerufen am 2. November 2015.
  7. a b Ullmanns Enzyklopädie der Technischen Chemie –- Tony Oates: Ullmann’s Encyclopedia of Industrial Chemistry. 7th Auflage. Wiley, 2007, ISBN 978-3-527-30673-2, Lime and Limestone, S. 1–32, doi:10.1002/14356007.a15_317 (englisch).
  8. Bonar Marbun: Kinetik der Hydratation von CaO und MgO, S. 2 und 4ff, Dissertation, Februar 2006, Fakultät für Natur- und Materialwissenschaften, Technische Universität Clausthal
  9. M. Michael Miller: Minerals Yearbook. U.S. Geological Survey, 2007, Lime, S. 43.13 (englisch, usgs.gov [PDF]).
  10. Walter Ehrenreich Tröger: Optische Bestimmung der gesteinsbildenden Minerale. 2. Auflage. Band 2. Schweizerbart, Stuttgart 1969, S. 69.
  11. Jürgen Martin: Die ‚Ulmer Wundarznei‘. Einleitung – Text – Glossar zu einem Denkmal deutscher Fachprosa des 15. Jahrhunderts. Königshausen & Neumann, Würzburg 1991 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 52), ISBN 3-88479-801-4 (zugleich Medizinische Dissertation Würzburg 1990), S. 141.
  12. Wilhelm Hassenstein, Hermann Virl: Das Feuerwerkbuch von 1420. 600 Jahre deutsche Pulverwaffen und Büchsenmeisterei. Neudruck des Erstdruckes aus dem Jahr 1529 mit Übertragung ins Hochdeutsche und Erläuterungen von Wilhelm Hassenstein. Verlag der Deutschen Technik, München 1941, S. 109.
  13. Bonar Marbun: Kinetik der Hydratation von CaO und MgO, S. 1 und 7f, Dissertation, Februar 2006, Fakultät für Natur- und Materialwissenschaften, Technische Universität Clausthal
  14. Universität Regensburg: Chemie des (Haus-)Baus (Memento vom 27. April 2015 im Internet Archive; PDF; 122 KB)
  15. Franz-Josef Sehr: Das Entstehen der Pflichtfeuerwehren im Heimatgebiet – Ein staatlicher Versuch zur Brandbekämpfung. In: Kreisausschuss des Landkreises Limburg-Weilburg (Hrsg.): Jahrbuch für den Landkreis Limburg-Weilburg 2024. Limburg 2023, ISBN 3-927006-61-0, S. 230–237.
  16. Hermann von Tappeiner: Lehrbuch der Arzneimittellehre und Arzneiverordnungslehre: Unter Besonderer Berücksichtigung der Deutschen und Österreichischen Pharmakopoe, Springer-Verlag, 15. Auflage, 1922, S. 126. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  17. Desinfektionsmittel, Antiseptica. In: Theodor Husemann: Handbuch der gesamten Arzneimittellehre. 2 Bände, Berlin 1873–1875; 2. Auflage. Springer, Berlin 1883, Band 1, S. 251. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  18. Ungelöschter Kalk als Brandrisiko. Stallbrand. In: ktnv1.orf.at. Kärnten ORF, 31. März 2006, abgerufen am 29. Juli 2024.
  19. Victor von Röll: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Band 3. Urban & Schwarzenberg, Berlin, Wien 1912, Desinfektion, S. 272–281 (zeno.org).
  20. Madeleine Janssen: Polnischer Geheimagent Karski: „Als würde ich mich durch eine Masse aus Tod und Verwesung kämpfen“. In: Spiegel Online. 16. Mai 2018, abgerufen am 17. Mai 2018.
  21. Wiesław Block, Leonhard Lehmann OFMCap: Der selige Anicet Koplin. Ein deutscher Patriot und Priester im Lager von Auschwitz. Christiana-Verlag im Fe-Medienverlag, Kisslegg-Immenried 2019, ISBN 978-3-7171-1311-9, S. 66.
  22. Dirk Hagebölling: Taschenbuch betrieblicher Brandschutz. Vulkan, 1999, ISBN 978-3-8027-3148-8, S. 42 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).