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Partialbruchzerlegung

Zerlegung eines Bruchs in eine Summe einfacherer Brüche mit Linearfaktoren als Nenner

Die Partialbruchzerlegung oder Partialbruchentwicklung ist eine standardisierte Darstellung rationaler Funktionen. Sie wird in der Mathematik verwendet, um das Rechnen mit solchen Funktionen zu erleichtern. Insbesondere kommt sie bei der Integration der rationalen Funktionen zur Anwendung.

Hier liegt die Tatsache zugrunde, dass jede rationale Funktion als Summe einer Polynomfunktion und Brüchen der Form

dargestellt werden kann. Die sind dabei die Polstellen der Funktion.

Sind die Polstellen bereits bekannt, so ist die Bestimmung der Zähler die eigentliche Aufgabe der Partialbruchzerlegung.

Bei reellwertigen Funktionen müssen die Polstellen und infolgedessen auch die Zahlen nicht unbedingt reell sein, denn die reellen Zahlen sind nicht algebraisch abgeschlossen. Man kann das Rechnen mit komplexen Zahlen aber vermeiden, weil mit jeder komplexen Nullstelle auch die konjugiert komplexe Zahl Nullstelle ist.

Statt und verwendet man dann einen Term , wobei ein reelles quadratisches Polynom ist und auch und reell sind.

Geschichte

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Die Partialbruchzerlegung wurde ab 1702 in Arbeiten zur Infinitesimalrechnung von Gottfried Wilhelm Leibniz und Johann I Bernoulli entwickelt. Beide Gelehrten nutzten diese Methode zur Integration von gebrochenrationalen Funktionen. Da zu dieser Zeit der Fundamentalsatz der Algebra noch nicht bewiesen war – er wurde damals aber schon vermutet –, behauptete Leibniz, dass es für das Nennerpolynom   keine Partialbruchzerlegung gebe. Johann Bernoulli schloss sich dieser Meinung nicht an. Dieses Beispiel wurde in den Folgejahren von verschiedenen Mathematikern diskutiert und um 1720 erschienen mehrere Arbeiten, die das Beispiel als fehlerhaft nachwiesen und das (unbestimmte) Integral

 

korrekt berechneten.[1]

Verfahren

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Die Partialbruchzerlegung einer reellen rationalen Funktion   wird in mehreren Schritten bestimmt:

  1. Man vergleicht den Grad des Zählers mit dem des Nenners von  :
    • Ist der Zählergrad größer oder gleich dem Nennergrad, so dividiert man den Zähler durch den Nenner. Man erhält daraus das Polynom   und möglicherweise eine rationale Restfunktion  , sodass gilt:  .
      • Ist  , ist das Verfahren abgeschlossen.
      • Andernfalls hat der Zähler   von   einen kleineren Grad als der Nenner  . Man arbeitet dann nur mehr mit der Restfunktion   weiter.
    • Ist der Zählergrad kleiner als der Nennergrad, so kann man die Funktion   direkt betrachten. Um im Folgenden eine einheitliche Bezeichnungsweise zu ermöglichen, setzen wir in diesem Fall  .
  2. Anschließend betrachtet man die Nullstellen von  . Abhängig von der Art der Nullstellen wird ein geeigneter Ansatz verwendet.
  3. Die Konstanten  ,   und   erhält man dann zum Beispiel durch Koeffizientenvergleich nach Multiplikation der Zerlegung mit dem Nennerpolynom.

Die beiden letzten Schritte sollen nun im Detail erläutert werden.

Vorausgesetzt wird hier, dass   in der Form   gegeben ist, wobei der Grad von   kleiner als der Grad des Nennerpolynoms   ist und sämtliche Nullstellen von   bekannt sind. Sind, wie oben angenommen, die   verschiedenen Nullstellen   und ihr jeweiliger Grad   bekannt, so kann das Nennerpolynom auf folgende Form gebracht werden:

 

Zu beachten ist, dass einige der   nicht-reell sein können.

Der Ansatz ist nun folgendermaßen aufgebaut:

  • Für jede einfache reelle Nullstelle   enthält der Ansatz einen Summanden  .
  • Für jede  -fache reelle Nullstelle   enthält der Ansatz   Summanden  .

Da   reell ist, gehört zu jeder nicht-reellen Nullstelle   notwendigerweise auch die konjugiert komplexe Nullstelle  . Sei   das quadratische Polynom mit den Nullstellen   und  , also  .

  • Für jede einfache nicht-reelle Nullstelle   enthält der Ansatz nun einen Summanden  .
  • Entsprechend enthält der Ansatz für jede  -fache nicht-reelle Nullstelle   (und die zugehörige, ebenfalls  -fache, konjugiert komplexe Nullstelle  ) die   Terme  .

Jeder Ansatz enthält somit genau   unbekannte Koeffizienten  .

Bestimmung der Konstanten

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Um die Konstanten  ,   und   zu ermitteln, wird   mit dem Ansatz gleichgesetzt und diese Gleichung mit dem Nennerpolynom   multipliziert.

Auf der einen Seite der Gleichung steht dann nur noch das Zählerpolynom  , auf der anderen ein Ausdruck mit allen Unbekannten, der ebenfalls ein Polynom in   ist und entsprechend nach den Potenzen von   geordnet werden kann. Ein Koeffizientenvergleich der linken mit der rechten Seite ergibt dann ein lineares Gleichungssystem, aus dem sich die unbekannten Konstanten berechnen lassen. Alternativ kann man bis zu   beliebige verschiedene Werte für   in diese Gleichung einsetzen, was wie der Koeffizientenvergleich zu einem aus   Gleichungen bestehenden linearen Gleichungssystem führt. Sinnvoll ist das Einsetzen der zuvor berechneten (reellen) Nullstellen, was sofort jeweils einen Koeffizientenwert liefert.

Diese beiden Möglichkeiten können auch kombiniert werden.

Beispiele

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Einfache Polstellen

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Gegeben sei die rationale Funktion

 .

Es gibt zwei einfache Polstellen   und  . Der Ansatz lautet also

 ,

wobei   und   unbekannte, noch zu ermittelnde Konstanten sind. Multipliziert man beide Seiten der Gleichung mit  , erhält man

 .

Sortiert man die rechte Seite nach Gliedern mit   und Gliedern ohne  , so ergibt sich

 .

Koeffizientenvergleich: Der Koeffizient von   ist Eins:   und das absolute Glied Null:  . Hieraus lässt sich berechnen:   Die gesuchte Partialbruchzerlegung ist also

 

Doppelte Polstellen

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Gegeben sei die rationale Funktion

 .

Mittels Polynomdivision und Faktorenzerlegung des Nenners folgt

 .

Die einzige, allerdings doppelte Nullstelle des Nenners ist  . Ansatz:

 
 
 

Koeffizientenvergleich:

 
 

Lösung:

 ,

also erhalten wir die Partialbruchzerlegung

 .

Komplexe Polstellen

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Gegeben sei die rationale Funktion

 .

Der Nenner hat hier die reelle Nullstelle  , die komplexe Nullstelle   und deren konjugiert komplexe  . Das quadratische Polynom mit den Nullstellen   und   ist  

Ansatz:

 
 
 

Koeffizientenvergleich:

 

Lösung:

 ,

Partialbruchzerlegung:

 

Kubische und quartische Nenner

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Kubische Nenner:

Für Brüche mit kubischem Nenner gilt unter der Bedingung a²e + b²c − abd ≠ 0 folgende Partialbruchzerlegung:

 

Beispielsweise kann dieser Bruch mit der genannten Formel zerlegt werden:

 

Hiermit kann ein kubisches Analogon zur Leibniz-Reihe ermittelt werden:

 
 

Quartische Nenner:

Die Partialbruchzerlegung von Brüchen mit quartischem Nenner kann mit einer Matrix ermittelt werden:

 

Für diese Form muss folgendes Produkt von reziproker Matrix und Vektor ermittelt werden:

 

mit den Abkürzungen

 
 
 

Beispielsweise soll folgender Bruch zerlegt werden:

 

Hierfür muss nach diesem Verfahren folgende Rechnung durchgeführt werden:

 

Daraus folgt:

 

Der Hauptsatz der Partialbruchzerlegung

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Reellwertige Funktionen

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Jede rationale Funktion   mit den   verschiedenen reellen Polstellen   der Ordnung   und den   bis auf Konjugation verschiedenen komplexen Polstellen   der Ordnung   hat eine eindeutig bestimmte Darstellung

 

mit einer Polynomfunktion   und reellen Konstanten  ,   und  . Diese wird die Partialbruchzerlegung (abgekürzt PBZ) von   genannt.

Die Brüche   heißen Partial- oder Teilbrüche 1. Art, die Brüche   Partial- oder Teilbrüche 2. Art.

Komplexwertige Funktionen

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Jede rationale Funktion   mit den   verschiedenen Polstellen   der Ordnung   hat eine eindeutig bestimmte Darstellung

 

mit einer Polynomfunktion   und komplexen Konstanten  .

Dieser Satz lässt sich für Polynome über jedem anderen algebraisch abgeschlossenen Schiefkörper verallgemeinern.

Anwendungen

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Die Partialbruchzerlegung wird unter anderem zum Integrieren rationaler Funktionen benutzt. Da die Integrale sämtlicher Partialbrüche bekannt sind, ist die Integration immer möglich, wenn sich die Polstellen der betrachteten Funktion angeben lassen.[2]

Des Weiteren wird die Partialbruchzerlegung bei der Laplace- und der z-Transformation verwendet. Die Transformierten der einzelnen Partialbrüche können in Tabellen nachgeschlagen werden. Somit erspart man sich eine analytische Berechnung, wenn der zu transformierende Term in entsprechende Summanden zerlegt werden kann.

Integration der Partialbrüche

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Beim Auffinden der Stammfunktionen von Partialbrüchen lassen sich sechs Fälle unterscheiden, je nachdem, ob der Zählergrad 0 oder 1 ist, ob die Polstellen, also die Nullstellen des Nenners, reell oder nicht reell sind und ob sie einfach oder mehrfach sind.

Partialbrüche mit reellen Polstellen

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Bei Partialbrüchen mit reellen Polstellen gibt es zwei Fälle, da der Zähler nur den Grad 0 haben kann.

Damit ergibt sich bei reellen und einfachen Polstellen

 

und bei reellen und mehrfachen Polstellen ( )

 .

Partialbrüche mit komplexen Polstellen

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Bei Partialbrüchen mit komplexen Polstellen gibt es vier Fälle, da der Zählergrad sowohl 0 als auch 1 sein kann.

Damit ergibt sich bei komplexen und einfachen Polstellen und Zählergrad 0

 .

Der Fall mit komplexen und einfachen Polstellen und Zählergrad 1 lässt sich auf (3) zurückführen:

 

Für die beiden Fälle mit mehrfachen Polstellen lassen sich nicht direkt Stammfunktionen bestimmen, es lassen sich jedoch Rekursionsvorschriften finden. Damit ergibt sich für den Fall mit komplexen und mehrfachen Polstellen ( ) und Zählergrad 0

 .

Der Fall mit komplexen und mehrfachen Polstellen und Zählergrad 1 lässt sich auf (5) zurückführen ( )

 .

Laurent-Reihen-Entwicklung

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Ist für jede Polstelle eine Laurent-Reihen-Entwicklung der Funktion bekannt, so erhält man die Partialbruchzerlegung sehr einfach als Summe der Hauptteile dieser Laurent-Reihen. Dieser Weg steht im Zusammenhang mit dem Residuenkalkül.

Verallgemeinerung auf rationale Funktionenkörper

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Die Partialbruchzerlegung lässt sich für einen Körper   auf den rationalen Funktionenkörper   verallgemeinern. Bezeichnet man die normierten irreduziblen Polynome im Polynomring   mit  , so sind die rationalen Funktionen der Form   mit   linear unabhängig und bilden mit den Monomen   eine  -Basis des  -Vektorraums  .[3]

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Heinz-Wilhelm Alten: 4000 Jahre Algebra. Geschichte, Kulturen, Menschen. Springer, Berlin u. a. 2003, ISBN 3-540-43554-9, S. 285–286.
  2. Christoph Bock: Elemente der Analysis. (PDF; 2,2 MB) Abschnitt 8.35.
  3. Günter Scheja, Uwe Storch: Lehrbuch der Algebra. Teubner, Stuttgart 1988, ISBN 3-519-02212-5, S. 148.