Biogen (Unternehmen)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Biogen

Logo
Rechtsform Corporation
ISIN US09062X1037
Gründung 1978 als Biogen NV[1]
Sitz Cambridge (Massachusetts), USA
Leitung Michel Vounatsos, CEO, (zurückgetreten)[2][3] Stelios Papadopoulos, Chairman of the Board
Mitarbeiterzahl 9.610 (2021)[4]
Umsatz 10,2 Mrd. US-Dollar (2022)[5]
Branche Biotechnologie, pharmazeutische Industrie
Website www.biogen.com

Biogen ist ein US-amerikanischer Biotechnologiekonzern mit Sitz in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts. Der Konzern ging aus dem Unternehmen Biogen Idec hervor, wozu sich die Firmen Biogen (gegründet 1978) und Idec Pharmaceuticals (gegründet 1985) im Jahr 2003 zusammengeschlossen hatten.[1] Seit März 2015 firmiert das Unternehmen wieder weltweit unter Biogen.[6]

Biogen arbeitet und forscht in den Indikationsbereichen Neurologie, beschäftigt sich hier insbesondere mit der Alzheimer-Krankheit, Multiplen Sklerose, Immunologie und Hämatologie.[7] In Deutschland vertreibt Biogen ein Präparat zur Behandlung der Schuppenflechte.[8]

Die Gesamteinnahmen betrugen im Jahr 2022 ca. 10,2 Mrd. USD.[5] Das Unternehmen betreibt Niederlassungen in Australien, Europa, Japan und Kanada. Die internationale Zentrale für Märkte außerhalb der USA befindet sich im schweizerischen Zug.[9] Weltweit beschäftigt Biogen mehr als 9.600 Mitarbeiter.[4]

Produktentwicklung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Konzern nutzt rekombinante-DNA-Technologie, auch Biotechnologie genannt. Diese ermöglicht es, humane Proteine und damit Arzneimittel mithilfe von Mikroorganismen zu produzieren. Das Unternehmen entwickelt sowohl neue Substanzen als auch bereits zugelassene Moleküle weiter.[10]

Unternehmensgeschichte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Biogen wurde im Jahre 1978 durch eine Gruppe von international renommierten, europäischen und amerikanischen Wissenschaftlern als niederländisches Unternehmen (NV) in Genf gegründet. Unter den Gründungsmitgliedern befanden sich unter anderem die späteren Nobelpreisträger Walter Gilbert (Nobelpreis für Chemie 1980) und Phillip Sharp (Nobelpreis für Medizin 1993) sowie die Wissenschaftler Heinz Schaller und Charles Weissmann. Schon bald zeigten sich erste Erfolge in der Entwicklung von rekombinanten Impfstoffen gegen die viralen Erreger der Hepatitis B (HBV, mit Kenneth Murray, EMBL/Edinburgh) und der Maul- und Klauenseuche (MKSV, mit Peter Hans Hofschneider, Martinsried).

Zunächst verfügte Biogen über keine eigenen Vertriebskapazitäten: So wurde 1980 ein von Biogen entwickeltes Verfahren zur Herstellung von Alpha-Interferon an die Firma Schering-Plough (heute MSD) auslizenziert. Im Jahr 1989 erfolgte die Markteinführung des von der Firma SmithKline Beecham (heute GSK) hergestellten Impfstoffs gegen Hepatitis B, dessen Produktion auf einem von Biogen patentierten gentechnischen Verfahren beruht.

1983 erfolgte der Börsengang von Biogen an der NASDAQ. Idec Pharmaceuticals wurde 1985 in San Francisco, Kalifornien (USA) gegründet und ging 1991 an die Börse. 2003 schlossen sich Biogen und Idec Pharmaceuticals zu Biogen Idec zusammen.

2006 übernahm Biogen Idec die Fumapharm AG und deren Fumarsäureester zur Behandlung der Schuppenflechte, sowie das in der klinischen Prüfung befindliche (Stand 2011) orale Fumaratderivat.[1]

Seit März 2015 firmiert das Unternehmen wieder weltweit unter Biogen.[6]

Die Erprobung des monoklonalen Antikörpers Aducanumab (Indikation: Alzheimer-Demenz; Handelsname in den USA: Aduhelm) wurde wegen fehlender Endpunktdaten im März 2019 gestoppt.[11] Dies verringerte den Biogen-Börsenwert sofort um 17 Milliarden US-Dollar.[12] Im Oktober 2019 gab Biogen bekannt, aufgrund neuer Daten die Zulassung bei der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA zu beantragen.[13] Im November 2020 empfahlen die Berater der FDA, die Zulassung abzulehnen.[14] Trotzdem ließ die FDA den Antikörper im Juni 2021 ohne Gegenanzeige zu.[15] Aducanumab ist die erste neue[16] Alzheimer-Arznei seit fast 20 Jahren.[17] In der Zulassungsstudie durften dagegen Patienten mit einer Blutverdünnung kein Aducanumab erhalten aufgrund der Risiken von Hirnblutungen. Die Zulassung war von großer wirtschaftlicher Bedeutung, da das Medikament (Handelsname: Aduhelm) zunächst ca. 56.000 Dollar / Jahr kostete. Mit der Zulassung ging ein Kursprung der Aktie um ca. 40 % einher. In den USA geht man von rund sechs Millionen Alzheimerpatienten aus.[18] Im April 2022 gab u. a. Medicare, eine staatliche Krankenversicherung in den USA, bekannt, die Kostenübernahme für das Mittel Aduhelm drastisch einzuschränken. Laut anschließender Pressemeldung des Unternehmens hat sich Biogen aufgrund dieser Einschränkungen entschlossen, die Vermarktung von Aduhelm einzustellen und nur noch minimale Ressourcen für Medikamentenprogramme für Patienten, die derzeit in den USA behandelt werden, zur Verfügung zu stellen. Der CEO des Unternehmens, Michel Vounatsos, kündigte seinen Rücktritt an. Die Markteinführung war offenbar nicht erfolgreich. Die Erwartungen haben sich nicht annähernd erfüllt. In der EU kam es zu keiner Zulassung. Dort zeichnete sich eine Ablehnung ab.[19][2]

Im September 2022 meldeten Biogen und ihre japanische Parterfirma Eisai Erfolge in der klinischen Studie des Antikörpers Lecanemab für die Behandlung von Alzheimer.[20]

  • Avonex (Wirkstoff: Interferon beta-1a) wird seit 1996 zur Behandlung der schubförmigen multiplen Sklerose (MS) eingesetzt und/oder zur Behandlung nach einem einmaligen demyelinisierenden Ereignis mit entzündlichem Prozess. Als Darreichungsformen stehen Avonex PEN, Lyophilisat (Trockensubstanz) und Fertigspritze zur Verfügung.[23] Es war das erste von Biogen selbst vertriebene Produkt.[1]
  • Fampyra (Wirkstoff: Fampridin) ist als erstes Medikament zur Verbesserung der Gehfähigkeit von erwachsenen MS-Patienten (EDSS 4 – 7) bei allen Verlaufsformen der MS.[27]
  • Fumaderm (Wirkstoff: Dimethylfumarat und Calcium-, Magnesium- und Zink-Salze von Ethylhydrogenfumarat) ist zugelassen zur Behandlung von mittelschweren bis schweren Formen der Psoriasis vulgaris (Schuppenflechte), sofern eine alleinige äußerliche Therapie nicht ausreichend ist.[29]
  • Tysabri (Wirkstoff: Natalizumab) wurde als erster monoklonaler Antikörper zur Behandlung der Multiplen Sklerose in Zusammenarbeit mit der Elan Corporation entwickelt. Tysabri wurde aufgrund dreier Fälle von Progressiver multifokaler Leukenzephalopathie (PML) im Februar 2005 durch Biogen Idec in Absprache mit der FDA vom Markt zurückgezogen. Am 6. Juni 2006 wurde Tysabri nach umfangreichen Überprüfungen aller bisher mit Tysabri therapierten Patienten durch die FDA wieder zugelassen. Am 27. Juni 2006 erfolgte auch die europäische Zulassung durch die Europäische Kommission und im Folgenden die Markteinführung von Tysabri zuerst auf dem deutschen Markt.[35][37][38]
  • Der Wirkstoff Rituximab wurde seitens Idec Pharmaceuticals (s. Einleitung, also noch vor dem Merger mit Biogen) zusammen mit Genentech entwickelt und ist das erste auf einem monoklonalen Antikörper beruhende Krebstherapeutikum zur Behandlung bestimmter Formen des B-Zell Non-Hodgkin Lymphoms (NHL). Der Antikörper ist gegen das CD20 Antigen gerichtet, welches sich auf normalen und malignen Lymphozyten befindet.[1] Handelsname in den USA ist Rituxan. In Europa wird Rituximab von Roche unter dem Handelsnamen MabThera vermarktet.[39]
  • Der monoklonale Antikörper Daclizumab (MS) wurde – aufgrund unvertretbarer Nebenwirkungen – im März 2018 weltweit vom Markt genommen.[41]

Biogen forscht unter anderem in den Indikationen CLL, Hämophilie, MS und Spinale Muskelatrophie (SMA) und hat zahlreiche Produktkandidaten in der klinischen Erforschung. Folgende Präparate befinden sich bereits im Zulassungsverfahren:

Commons: Biogen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c d e biogen.com: History – A biotech pioneer (Memento vom 2. April 2015 im Internet Archive)
  2. a b Umstrittenes Alzheimer-Medikament wird nicht weiter vermarktet, SPON vom 4. Mai 2022, abgerufen am 5. Mai 2022
  3. biogen.com: About Us (Memento vom 2. April 2015 im Internet Archive)
  4. a b Biogen: Annual Report 2021. 31. Dezember 2021, abgerufen am 22. Januar 2023 (englisch).
  5. a b Company reports full year 2022 results andprovides full year 2023 guidance, PM Biogen vom 15. Februar 2023, abgerufen am 17. Februar 2023
  6. a b The new Biogen (Memento vom 2. April 2015 im Internet Archive), globale Website biogen.com, abgerufen am 25. Februar 2016
  7. Therapien (Memento vom 25. Februar 2016 im Internet Archive), deutsche Website biogen.de, abgerufen am 25. Februar 2016
  8. Anwendungsgebiete (Memento des Originals vom 25. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.biogen.de, deutsche Website biogen.de, abgerufen am 25. Februar 2016
  9. Contact (Memento des Originals vom 2. April 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.biogen.com, globale Website biogen.com, abgerufen am 25. Februar 2016
  10. Product Pipeline (Memento des Originals vom 2. April 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.biogen.com, globale Website biogen.com, abgerufen am 25. Februar 2016
  11. Biogen and Eisai to Discontinue Phase 3 ENGAGE and EMERGE Trials of aducanumab in Alzheimer’s Disease, PM Biogen vom 21. März 2019, abgerufen am 22. März 2019
  12. Alzheimer-Rückschlag von Biogen vernichtet 17 Milliarden Dollar Börsenwert, Handelsblatt vom 21. März 2019, abgerufen am 22. März 2019
  13. Biogen Plans Regulatory Filing for Aducanumab in Alzheimer’s Disease Based on New Analysis of Larger Dataset from Phase 3 Studies; PM Biogen vom 22. Oktober 2019, abgerufen am 22. Oktober 2019
  14. Pam Belluck: F.D.A. Panel Declines to Endorse Controversial Alzheimer’s Drug. In: New York Times. 6. November 2020, abgerufen am 7. November 2020 (englisch).
  15. FDA Grants Accelerated Approval for Alzheimer’s Drug, PM FDA vom 7. Juni 2021
  16. Bruno Knellwolf: USA erteilt Alzheimer-Therapie Zulassung: Der Wirkstoff könnte in Luterbach produziert werden – und er ist umstritten. Die amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) hat der ersten Therapie, die den Krankheitsverlauf bei Alzheimer abbremsen könnte, die Zulassung erteilt. Doch der Wirkstoff von Biogen ist erst wenig getestet und es gibt einige offene Fragen. 8. Juni 2021, abgerufen am 17. Oktober 2021.
  17. Daniel Koller, Head Investment Team, BB Biotech: Aduhelm: Hoffnung für Alzeihmerpatienten? Die FDA erteilt die Zulassung für das Alzheimermedikament Aduhelm. 8. Juni 2021, abgerufen am 17. Oktober 2021.
  18. Alzheimer-Medikament, Wirtschaftswoche vom 9. Juni 2021, abgerufen am 9. Juni 2021
  19. BIOGEN REPORTS FIRST QUARTER 2022 RESULTS, PM Biogen vom 3. Mai 2022, abgerufen am 5. Mai 2022
  20. https://www.washingtonpost.com/health/2022/09/27/alzheimers-drug-slows-cognitive-decline/
  21. biogen.com: Biogen and Sobi Announce European Medicines Agency Validates ALPROLIX (rFIXFc) Marketing Authorization Application (Memento vom 25. Februar 2016 im Internet Archive)
  22. Alprolix Fachinformation (PDFB), Fachinfoservice, abgerufen am 13. Juli 2018
  23. www.avonex.de, abgerufen am 25. Februar 2016
  24. Etanercept-Similar: Ab 15. Februar auf dem Markt, Ärztezeitung vom 15. Februar 2016, abgerufen am 22. März 2016
  25. Benepali macht Enbrel Konkurrenz, Deutsche Apotheker Zeitung vom 16. Februar 2016, abgerufen am 22. März 2016
  26. biogen.com: Sobi and Biogen’s ELOCTA (rFVIIIFc) Approved in Europe for the Treatment of Haemophilia A (Memento vom 25. Februar 2016 im Internet Archive)
  27. www.fampyra.de, abgerufen am 25. Februar 2016
  28. biogen.com: FLIXABI, Biogen’s Infliximab Biosimilar Referencing Remicade, Approved in the European Union (Memento vom 31. Mai 2016 im Internet Archive)
  29. Fumaderm initial / Fumaderm Fachinformation (PDF; 57 kB), Fachinfoservice, abgerufen am 25. Februar 2016
  30. PLEGRIDY™ (Peginterferon beta-1a) Approved in the European Union for the Treatment of Multiple Sclerosis, PM Biogen Idec vom 23. Juli 2014, abgerufen am 25. Februar 2016 (über www.businesswire.com)
  31. Office of the Commissioner: FDA approves first drug for spinal muscular atrophy. 18. März 2019, abgerufen am 4. Juni 2019 (englisch).
  32. Anonymous: Spinraza. 17. September 2018, abgerufen am 4. Juni 2019 (englisch).
  33. SPINRAZA™ (nusinersen) Approved in U.S. to Treat Broad Range of Patients with Spinal Muscular Atrophy. Abgerufen am 4. Juni 2019 (englisch).
  34. Summary of the European public assessment report (EPAR) for Tecfidera, EPAR (nur englisch verfügbar), Quelle: EMA, abgerufen am 25. Februar 2016
  35. a b Fumarsäureester: PML in der Psoriasis-Behandlung, Deutsches Ärzteblatt vom 26. April 2013, abgerufen am 25. Februar 2016
  36. Tecfidera (Dimethyl Fumarate) Approved in the European Union as a First-Line Oral Treatment for Multiple Sclerosis, PM von BiogenIdec vom 4. Februar 2014, abgerufen am 25. Februar 2016 (über www.businesswire.com)
  37. Summary of the European public assessment report (EPAR) for Tysabri, EPAR (nur englisch verfügbar), Quelle: EMA, abgerufen am 25. Februar 2016
  38. www.tysabri.de, abgerufen am 25. Februar 2016
  39. MabThera Fachinformation (PDF; 349 kB), Fachinfoservice, abgerufen am 25. Februar 2016
  40. FDA approves Gazyva for chronic lymphocytic leukemia, PM FDA vom 1. November 2013, abgerufen am 21. März 2016
  41. Biogen and AbbVie Announce the Voluntary Worldwide Withdrawal of Marketing Authorizations for ZINBRYTA® (daclizumab) for Relapsing Multiple Sclerosis, PM Biogen vom 2. März 2019, abgerufen am 22. März 2019
  42. biogen.com: Biosimilars (Memento vom 15. März 2016 im Internet Archive)