STADTENTWICKLUNG:
BERLIN SIEHT SCHWARZ-ROT
STADTPOLITIK TRIFFT STADTFORSCHUNG –
DIALOGE ZUR STADTENTWICKLUNG AN DER TU BERLIN
ERSTER DIALOG
18. APRIL 2012
think BeRl!n
aljoscha hofmann, cordelia Polinna, Jana Richter, Johanna schlaack
centeR foR MetRoPolitan studies deR tu BeRlin
Prof. dr. harald Bodenschatz
fachgeBiet Planungs- u. aRchitektuRsoziologie deR tu BeRlin
Prof. dr. cordelia Polinna
Abb. 1 l Wie kann dem langsamen sozialen Verfall ehtgegen gewirkt werden? Foto: Harald Bodenschatz
Rot-schwaRze Botschaften
deR stadtentwicklung
Harald Bodenschatz
Berlin hat sich seit dem fall der Mauer so stark verändert wie keine andere großstadt des westlichen
europas. die dynamik war am stärksten in den
1990er Jahren, sie verlangsamte sich merklich im
letzten Jahrzehnt. doch nunmehr steht ein neuer,
ein zweiter großer wandel bevor, oder genauer: er
hat bereits eingesetzt. das wichtigste aktuelle großprojekt in der Berliner stadtregion ist die neuordnung der flughäfen, ein Jahrhundertprojekt für Berlin. als folge dieser neuordnung verschieben sich
die gewichte in der stadtregion – die bevorzugten
lagen für das wohnen, die bevorzugten lagen für
private wirtschaftliche aktivitäten. die flächen der
zwei nicht mehr genutzten flughäfen tempelhof und
tegel eröffnen neue chancen, aber notwendigerweise auch streitfelder für die stadtgesellschaft. im
schatten und Vorfeld der flughafenrochade wurde
ein zweites für Berlin grundlegendes infrastrukturProjekt auf den weg gebracht: die neuordnung der
Bahnhöfe. der hauptbahnhof wie der Bahnhof süd2
kreuz markieren neue, gewichtige orte in der stadtregion.
zu all diesen lokalen entwicklungen kommen noch
herausforderungen auf nationaler, ja internationaler
ebene: der klimawandel, die energiekrise, der demographische wandel und vieles mehr. auf Bundesebene wurde die energiewende zum zentralen
thema. doch wo sonst als in den städten sollte sie
umgesetzt werden? was heißt das aber für Berlin?
eine schlüsselfrage, die nicht angemessen gestellt
geschweige denn beantwortet worden ist.
die neue welle der Veränderungen, die wir gerade
erleben, erschüttert unübersehbar die lokalen gesellschaftlichen Verhältnisse. Berlin nähert sich – nicht
zuletzt wegen des wandels der eigentümerstruktur
– in der Mietenentwicklung städten wie München
oder hamburg. die flächenhaften Mietsteigerungen
werden angesichts des geringen durchschnittseinkommens der Berliner haushalte von vielen ver-
Abb. 2 l Das Tempelhofer Feld. Foto: Harald Bodenschatz
Abb. 3 l Auf der Suche nach einer Zukunft für die alte Mitte.
Foto: Harald Bodenschatz
ständlicherweise als bedrohlich wahrgenommen
und auf breiter front kritisiert. dazu kommen die
Proteste gegen größere und kleinere Projekte, die
entweder als Motoren der gentrifizierung oder als
Vernichter von freiräumen angesehen werden.
wenn man den stand der dinge in Berlin betrachtet,
so scheint es immer noch, dass die großen Projekte
der stadtentwicklung durch Politik und Verwaltung
isoliert betrachtet werden. Vernetztes denken und
handeln ist in Berlin wenig verbreitet. das betrifft
nicht nur die zuständige senatsverwaltung, deren
spitze neu besetzt wurde und der daher noch einarbeitungsbedarf zugebilligt werden muss. das betrifft auch den koalitionspartner cdu, der in stadtentwicklungspolitischer hinsicht noch wenig flagge
gezeigt hat; das betrifft, soweit das in der Öffentlichkeit sichtbar wird, auch die oppositionsparteien.
die Berliner stadtentwicklungspolitik ist daher wieder mit großen herausforderungen konfrontiert. Von
ihr werden strategische antworten erwartet, die
konkrete Räume in der stadt betreffen, aber auch
antworten darauf, wie eine neue kultur der strategiefindung, des öffentlichen dialoges aussehen
könnte. doch was waren die bisherigen antworten?
im umfeld des wahlkampfes konnten wir die lange bekannten Manöver beobachten: die politischen
Parteien schreiben in mehr oder minder isolierten
zirkeln wahlprogramme. ist das aber angesichts der
großen debatten um eine bessere einbindung der
stadtbürger, der zivilgesellschaft nicht völlig anachronistisch? Müssten gerade stadtentwicklungspolitische ziele nicht breiter diskutiert und vorbereitet werden? nach der wahl diente ein Projekt, das
ja auch innerhalb der sPd keineswegs unumstritten
war, als leitprojekt der künftigen stadtentwicklung,
das sogar als koalitionsentscheidend deklariert wurde: der Bau eines autobahnabschnitts im osten
Berlins. das war zweifellos ein taktisches Manöver,
doch mit einer schwierigen Botschaft: der Botschaft
nämlich, dass Berlins zukunftsprojekt ein stück autobahn ist, und dies in einer zeit des Ringens um
eine neue Mobilität. doch nach der koalitionsentscheidung wurde uns im handumdrehen ein neues
leitprojekt präsentiert: der neubau der zentral- und
landesbibliothek in Berlin auf dem tempelhofer
feld. dies war ein schnellschuss, ohne gründliche
abwägung der alternativen in stadtentwicklungspolitischer und kostenhinsicht. unübersehbar war
aber schon im wahlkampf eine neue sensibilität für
die neue wohnungsfrage, für die notwendigkeit einer neuen wohnungspolitik.
der flughafen tempelhof war eine riesige Barriere
in der innenstadt Berlins, seine entwicklung muss
auch dazu beitragen, die stadt im süden besser zu
vernetzen. der flughafen tegel ist äußerst mangelhaft erschlossen, hier ist die anbindung an die innenstadt eine schlüsselaufgabe. die große aufgabe
der Vernetzung des zentrums mit Moabit und wedding über das neue hauptbahnhofsviertel war bislang kein wichtiges thema, auch die Vernetzung des
Bahnhofs südkreuz mit schöneberg und tempelhof
wurde bis vor kurzem vernachlässigt.
die großen Veränderungen erfordern in erster linie
Vernetzungsarbeit, und zwar nicht in abstrakter weise, sondern konkret, etwa über die Qualifizierung
von hauptstraßen und hauptplätzen, über die Revitalisierung der großen Radialstraßen, die zu den
flughäfen und weiter in die stadtregion führen. die
neue Bibliothek, ja die entwicklung des flughafens
tempelhof ist ohne konzept für den tempelhofer
damm und insbesondere für den Platz der luftbrücke eigentlich nicht denkbar. und die entwicklung
des flughafens tegel ist ohne ein konzept für die
Müllerstraße und insbesondere für den kurt-schumacher-Platz nicht denkbar. dazu kommen die
beiden großen gesamtstädtischen aufgaben der
erneuerung des historischen kerns von Berlin, der
3
Abb. 4 l Auf der Suche nach einer Zukunft für die City West.
Foto Harald Bodenschatz
Abb. 5 l Wie kann das großartige Netz der Radialstraßen reurbanisiert
werden? Abbildung: Think Berl!n
ehemaligen mittelalterlichen altstadt, und der stabilisierung der city west, eine aufgabe, die neben
dem kurfürstendamm und dem Breitscheidplatz vor
allem auch den ernst-Reuter-Platz betrifft.
nicht minder vage waren: wissenschaft, wirtschaft
und wohnen. nach der senatsbildung verkündete
der zuständige senator, dass die iBa vor allem das
thema wohnen aufgreifen solle. diese Vorgeschichte einer neuen iBa war zweifellos noch nicht sehr
professionell. eine iBa in Berlin muss sich an den
historischen Bauausstellungen messen lassen, den
ausstellungen 1910, 1931, 1957 und 1987, denn
Berlin ist die welthauptstadt der Bauausstellungen.
wir haben vorgeschlagen, als thema einer künftigen
iBa die Reurbanisierung der großen ausfallstraßen
zu prüfen, also derjenigen linearen öffentlichen Räume, die die großstadt strukturieren und am leben
halten, die aber in der Vergangenheit oft zu autoverkehrstrassen verkümmert sind. entlang dieser
straßen bündeln sich die herausforderungen von
morgen – die suche nach einer neuen Mobilität,
nach einer stadt der kurzen wege und vielfältigen
nutzungen, auch des wohnens, das Ringen um weniger lärm und abgase, die Minderung der unfallgefahren, die stärkung des soziale zusammenhalts
in der stadtregion, die stärkung und Verbesserung
der außenstadt. an den Radialstraßen bündelt sich
zugleich die zentrale bundespolitische aufgabe: die
lokale umsetzung der energiewende. hier könnte
Berlin beispielgebend sein, auch international. drei
dieser Radialstraßen dienen zur Vernetzung der
alten und des neuen flughafens. sie könnten gegenstand einer künftigen iBa werden. sie sind aber
auch jenseits einer iBa ein zentrales thema künftiger stadtentwicklungspolitik.
doch Berlin braucht nicht nur vernetzte schlüsselprojekte, sondern auch eine Vision, in der sich diese
Projekte bündeln, die diesen Projekten einen komplexeren sinn gibt. das erfordert zwingend andere,
innovative Verfahren, die zentrale akteure einbindet, das erfordert einen abschied von der Routine
der Vergangenheit. ist die Verwaltung dafür angemessen ausgestattet, organisatorisch gut aufgestellt und durch und durch motiviert? wir meinen:
sie ist es noch nicht, müsste es aber sein. hier ist
erst aufbauarbeit zu leisten. da aber die aufgaben
nicht warten können, sollte geprüft werden, ob nicht
für einen Übergangszeitraum eine art urban task
force eingerichtet werden kann. das Ringen um
die zukunft Berlins soll, so die Verkündung des Regierenden Bürgermeisters, in einem stadtentwicklungskonzept sichtbar werden. dies ist eine große
aufgabe, die allerdings nur dann annähernd gelöst
werden kann, wenn sie nicht einsam am schreibtisch einer Behörde bearbeitet wird, sondern im öffentlichen dialog, unter einbindung zentraler akteure, auch aus der zivilgesellschaft. für diese aufgabe
könnte ein neuer typus des stadtforums entwickelt
werden, ein stadtforum 3.0.
schließlich bleibt eine weitere trumpfkarte der
stadtentwicklung, die aber nur stechen wird, wenn
sie richtig eingesetzt wird: eine neue internationale
Bauausstellung. für eine solche iBa wurde vor der
wahl ein sehr, sehr allgemeines konzept entwickelt,
das unter dem Motto hauptstadt Raumstadt sofortstadt antrat. dieses konzept wurde mit der koalitionsvereinbarung zu den akten gelegt. dort wurde
ein neues konzept verkündet, dessen schlagworte
4
Berlin braucht neue formate der Verständigung
über stadtentwicklungspolitische Visionen, strategische ziele und schlüsselprojekte. es braucht
das konstruktiv-kritische engagement aller akteure,
auch der wissenschaft, auch aller politischen Parteien, jenseits ritueller grabenkämpfe.
Abb. 1 l Postkarte „775 Jahre Berlin“. Gestaltung: Jana Richter, 2012
775 JahRe BeRlin –
deR ignoRieRte stadtkeRn
Jana Richter
775 Jahre Berlin, so das thema des folgenden Beitrages das hier aus sicht der touristischen entwicklung betrachtet wird. das 775. Jubiläum, welches
im sommer mit einem ausstellungs- und festprogramm begangen wird, gibt anlass eine neue
diskussion über den umgang mit dem ehemaligen
stadtkern zu beginnen. es gibt weiterhin anlass
über die tourismusentwicklung der stadt und des
zentrums nachzudenken.herausforderungen auf
nationaler, ja internationaler ebene: der klimawandel, die energiekrise, der demographische wandel
und vieles mehr. auf Bundesebene wurde die energiewende zum zentralen thema. doch wo sonst als
in den städten sollte sie umgesetzt werden? was
heißt das aber für Berlin? eine schlüsselfrage, die
nicht angemessen gestellt geschweige denn beantwortet worden ist.
tiges ausstellungs- und festprogramm, aber vor
allem wurden nachhaltige bauliche Projekte durchgesetzt. so wurde beispielsweise der öffentliche
Raum in der city-west fußgängerfreundlich umgestaltet.
das zentrum ost wurde als historischer ort neu
inszeniert. Restaurierungen historischer gebäude, wie in der friedrichstadt, am gendarmenmarkt
oder auf der Museumsinsel und einige neubauten,
wie der friedrichstadtpalast wurden umgesetzt.
das spektakulärste Projekt war der wiederaufbau
des nikolaiviertels als gründungsort Berlins mit
wohnen, läden und zahlreichen gastronomischen
einrichtungen.
diese Maßnahmen führten schon damals zu einer
wiederbelebung des historischen zentrums. sie
erinnern wir uns, die 750. Jahrfeier 1987 wurde bildeten außerdem die erste grundlage für den einauf beiden seiten der stadt für wichtige Projekte zigartigen touristischen Boom, den das zentrumder stadtentwicklung genutzt. es gab ein vielfäl5
Abb. 2 l Rathausforum. Foto: Jana Richter, 2011
Abb. 3 l Analyse der touristischen Nutzung des Stadtkerns.
Abbildung: Jana Richter, eigene Darstellung, 2011
ost nach dem Mauerfall und besonders ab dem tel) gibt es große defizite. zweitens: es bestehen
Jahr 2000 erlebte.
große „löcher“ im urbanen gefüge. Besonders das
klosterviertel und das ehemalige cölln sind zurzeit
zum diesjährigen 775. Jubiläum der gründung touristisch und städtisch isoliert. es gibt wenig seBerlins stellt sich die große frage erneut: „was für henswürdigkeiten und außerdem eine ungenügenein zentrum wollen wir entwickeln“? während der de Vernetzung. daneben stellen das Marx-engels
Besucherandrang boomt und das interesse am forum und das Rathausforum derzeit einen ungründungskern Berlins stetig wächst, stellt sich übersichtlichen grünraum ohne erkennbare ziele
der stadtkern baulich noch immer als urbane und dar und bilden so weitere „löcher“ im touristischen
touristische Brache – als eine art flickenteppich Raum die weder urbane- noch freiraumqualitäten
– dar. städtische und stadtgeschichtliche zusam- bieten.
menhänge sind für Besucher und selbst für Berliner
schwer nachvollziehbar.
die erarbeitung eines touristischen konzeptes für
den hist. stadtkern könnte zur urbanen ideenfinnach der langen debatte, vielen vorgelegten ent- dung und entwicklung des Bereichs gute impulse
würfen und wettbewerben zur gestalt des histo- setzen, denn dies wäre ein entwicklung aus den
rischen kerns steht zumindest der Bau des hum- anforderungen des öffentlichen Raums heraus,
boldtforums fest. Jedoch ein übergeordnetes Bild, der gleichzeig der touristische Raum ist. die erste
ein konsens wie dem ehemaligen stadtkern umge- Maßnahme wäre die fußläufig attraktive einbindung
gangen werden soll, gibt es nicht. stattdessen gibt des stadtkerns in das städtische und touristische
es viele offene teilprojekte.
wegenetz.erstens, durch eine wirkliche Öffnung
und gestaltung der spreeuferpromenaden als urBeispielhaft für die anstehenden herausforderun- banen barrierefreien Raum der die historischen teigen möchte ich auf die analyse der touristischen le verbindet und ufer, Brücken und den alten hanutzung des ehem. stadtkerns eingehen (siehe fen aktiviert. zweitens, durch die Überwindung der
abb. 3). in dunkelrot sind die sehenswürdigkei- Verkehrsschneisen durch fußgängerfreundlichere
ten gekennzeichnet. in den Blautönen werden die Übergange über die straße unter den linden, die
urbanen und touristischen funktionen, wie shop- spandauer straße und den Molkenmarkt. drittens,
ping, gastronomie, kultur- und stadtinformation durch die sichtbarmachung der historischen spuoder straßenverkäufer erkennbar. in hellrot sind ren durch ausgrabungen, die wiederherstellung
die fußläufigen touristischen Bewegungsströme von markanten teilen und ausstellung zur stadtgemarkiert, die gleichzeitig die übergeordneten urba- schichte, z.B. auf der bisher touristisch isoliert lienen zusammenhänge sehr gut sichtbar machen.
genden fischerinsel, die eine wichtige Verbindung
zum alten hafen und zum köllnischen Park schliedeutlich wird: erstens, die ehemalige altstadt wird ßen könnte. das sichtbarmachen der historischen
nur im norden und westen stark von touristischen spuren der ehemaligen altstadt bietet ein sehr groBewegungströmen frequentiert. Bei der Vernet- ßes Potential, denn 70% der historischen altstadt
zung zwischen nördlichem teil (Museumsinsel Berlins sind bisher noch nicht archäologisch aufgeund dom Quarre) und südlichem teil (ehemaliges nommen. es gibt noch viel stadtgeschichte zu entcölln, Breite straße, fischerinsel und klostervier6
Abb. 4 l Maßnahmen zur touristischen Entwicklung des Stadtkerns. Abbildung: Jana Richter, eigene Darstellung, 2011
decken und in städtische und touristische Projekte
zu entwickeln.
die stadt hat auch schon begonnen. die abb. 5
zeigt die teile des geplanten „archäologischen
Pfades“ mit dem archäologischem zentrum am
Petriplatz, dem archäologischen fenster an der uBahn Rotes Rathaus, usw. und die geplanten neubauten auf historischem grund, wie beispielsweise
das humboldtforum und den Molkenmarkt. dies
schafft zumindest schon eine neues Bewusstsein
bei Berlinern und Besuchern für die existenz einer
ehemaligen altstadt, und verortet diese räumlich
sichtbar.
Mit diesen Baumaßnahmen wird die „historsiche
altstadt“, nach dem Potsdamer Platz und dem
Regierungsviertel, zur neuen großen „schaustelle“
Berlins werden. die ausgrabungen wie am Roten
Rathaus, am Petriplatz oder am schlossplatz sind
schon heute von Besuchern überrannt. der historische stadtkern wird mehr und mehr zum toptouristenziel.
unverkennbar ist aber auch. ein touristisches oder
stadtgeschichtliches konzept und einige neubauten bleiben stückwerk ohne ein städtebauliches
gesamtkonzept, das Bebauung, Verkehr, tourismus, stadtgeschichte integriert.
die 750-Jahr-feier hatte teile des zentrums nachhaltig entwickelt. das diesjährige Jubiläum sollte zu
mindestens genutzt werden, um im stadtkern neue
akzente zu setzen und eine breite debatte - zwischen stadtöffentlichkeit, architekten, stadtentwicklern, denkmalschützern zu beginnen, die kontinuierlich und strukturiert die isolierten stückwerke
zusammenführt.
7
Abb. 1 l BER, TXL und THF: Flughafenrochade im Zusammenhang.
Abbildung: Johanna Schlaack, eigene Darstellung, 2012
BeR, tXl und thf:
BeRlin wiRd auf den koPf gestellt
Johanna Schlaack
die neuordnung der Berliner flughäfen ist ein sehr
prominentes, brisantes und viel diskutiertes thema
in unserer stadtregion. denken wir nur an die flugroutendebatte oder den heißen diskurs zur schließung und nachnutzung der flughäfen tempelhof
und tegel.
die debatten sind von großer emotionalität geprägt,
da die flughäfen mit ihren positiven und negativen
auswirkungen zum einen die lebensqualität der
Menschen und zum anderen die wirtschaftskraft
der umgebenden Bereiche und nicht zuletzt der gesamten stadtregion im internationalen wettbewerb
maßgeblich beeinflussen. die einen beispielsweise
in Pankow feiern mit der eröffnung des neuen flughafens BeR und der schließung des flughafens
tegel die neu gewonnene Ruhe und die steigenden
Preise ihrer wohnimmobilien und einfamilienhäuser.
die anderen zum Beispiel in der flughafennachbargemeinde Blankenfelde-Mahlow sind eher verzweifelt in weltuntergangsstimmung und befürchten den
8
tag X, in folge dessen ihre kinder nicht mehr ohne
Risiko im freien spielen können und flächendeckend herz-kreislauf- erkrankungen im flughafenumfeld durch den lärmstress zunehmen.
erinnern wir uns an den konsensbeschluss von 1996,
eine klare „top-down-entscheidung“ der damaligen
Verantwortlichen diepgen, stolpe und wissmann
kurz nach dem scheitern der Berlin-Brandenburg
fusion, entgegen dem ergebnis des vergleichenden
Raumordnungsverfahrens von 1994. damals wurde
der ausbau von schönefeld zum neuen großflughafen und die schließung der innerstädtischen flughäfen zur Bündelung des flugverkehrs, dem 90er Jahre konzept von hubflughäfen folgend, empfohlen.
nur so konnte ein derartiger ausbau mit den argumenten der nähe zur hauptstadt und zum Regierungssitz Berlin gerechtfertigt werden. hintergrund
für die entscheidung waren jedoch auch die bereits
kurz nach der wende für einen dreistelligen Millionenbetrag durch die öffentliche hand erworbenen
Abb. 2 l BER: Bau und Inbetriebnahme unter großem Protest.
Foto: Johanna Schlaack, 2012
Abb. 3 l Blankenfelde-Mahlow: Nachbargemeinde im Dauerstress.
Foto: Johanna Schlaack, 2011
enormen flächenreserven von über 100 hektar für
eine potenzielle erweiterung des Bestandsflughafens an der südlichen grenze des heutigen Bezirkes
treptow-köpenick, der jetzige Business Park Berlin.
diese entscheidung legte den grundstein für eine
von auseinandersetzungen, klagewellen bis hin zur
Besetzung von tempelhof durch linke gruppen geprägten neuordnungsprozess der Berliner flughäfen.
und die innenstadt sowie weiter entfernte standorte
müssten dann, bezogen auf ihre erreichbarkeit, eher
als Peripherie eingeordnet werden.
die politischen Verantwortlichen und auch die Verwaltung sind unterdessen heftig damit beschäftigt
an den verschiedenen standorten Brände zu löschen, Beteiligung oder zumindest information mit
online-dialogen, werkstattverfahren oder standortkonferenzen zu ermöglichen, weiteren Vertrauensverlust in der Bevölkerung zu verhindern und
impulse für wirtschaftswachstum zu setzen. zu selten wird jedoch der gesamte Prozess der, wie wir es
genannt haben flughafen-Rochade, im zusammenhang gesehen.
Veranschaulichen wir uns beispielsweise die veränderten erreichbarkeiten in der stadtregion: als direkter knotenpunkt bzw. „shortcut“ zwischen globalem
und lokalem Maßstab verleiht der flughafen seinem
gut erreichbaren umfeld einen klaren standortvorteil
und verschärft damit oftmals die konkurrenz unter
den verschiedenen zentren in der stadtregion. Bemisst man beispielsweise die entfernung von Paris
und Berlin nicht nach räumlichem abstand, sondern
nach zeitlicher entfernung so liegen die innenstädte
doppelt soweit voneinander entfernt wie ihre flughäfen charles de gaulle und der zukünftige BeR, da
zu den zwei flugstunden jeweils noch eine knappe
stunde fahrtzeit in das stadtzentrum hinzugerechnet werden muss. dieser dem Mobilitätsfaktor „zeit“
angemessenen lesart folgend, könnten der flughafen und sein umfeld sozusagen zum zentrum globaler erreichbarkeit innerhalb der Region aufsteigen
die radikale umstrukturierung des Berliner luftverkehrs hat demnach auch auf dem Boden deutliche
auswirkungen, die sich etwa in veränderten Verkehrsströmen, der Verlagerung von logistik- und
anderen gewerbebetrieben oder neuartigen zentralitäten in der stadt manifestieren werden. es ist
daher anzunehmen, dass der norden Berlins aufgrund der schließung des flughafens tegel und der
daraus resultierenden abwanderung von geschätzt
etwa 10.000 arbeitsplätzen wirtschaftlich weiter geschwächt wird.
im zuge dieser entwicklung und der bisherigen strategischen Planungen wie der entwicklungsachse
„BeR – hauptbahnhof“ zeichnet sich zunehmend
ein kraftdreieck zwischen den Polen „stadtmitte –
BeR – Potsdam“ ab, in dem sich ein großteil der
wirtschaftlichen entwicklung der stadtregion Berlin
abspielt und auch zukünftig konzentrieren wird. die
beiden seiten des dreiecks, zum einen die historisch
gewachsene süd-west-achse zwischen der Berliner innenstadt und Potsdam und zum anderen der
wirtschaftlich zu vermarktende süd-ost-korridor
vom hauptbahnhof über adlershof zum neuen BeR,
haben sich bereits in den köpfen etabliert. die entwicklungsachse im südlichen Berliner umland vom
BeR nach Potsdam wird bisher jedoch kaum wahrgenommen und nicht in die Planung und Vermarktung miteinbezogen. Über die bloße wahrnehmung
hinaus fehlt es vor allem an Mut für klare räumliche
und städtebauliche Visionen für die entwicklungsachsen in der stadtregion, die im fall des süd-ostkorridors nur zweidimensional in Plänen existieren
im interesse einer Balance zwischen den Berliner
Bezirken sollten daher Berlin-Brandenburg übergreifende strategien gegen den gewichtsverlust der
9
Abb. 4 l Kraftdreieck: Innenstadt - Flughafen BER - Potsdam.
Abbildung: Johanna Schlaack, eigene Darstellung, 2011
Abb. 5 l TXL: Schließung voraussichtlich 2013.
Foto: Johanna Schlaack, 2012
nördlichen Metropolregion z.B. im Rahmen des aktuellen stadtentwicklungskonzept (stek) 2030 Prozesses vorangetrieben werden, damit isolierte Projekte wie der campus Buch nicht die einzige antwort
auf ein mögliches zurückfallen des nordens bleiben.
die weitere konkretisierung des nachnutzungskonzeptes für den flughafen tegel als neuer attraktor
mit klarem standortprofil und guter erschließung auf
hohem niveau ist dafür unabdingbar, damit die dort
angesiedelten nicht direkt flughafen-affinen Branchen am standort gehalten werden können.
um es zusammenzufassen: es gibt an den drei
„Baustellen“ der flughäfen jeweils handfeste herausforderungen, die eines guten Prozesses und einer klaren Vision, aber auch eines guten Produktes
beziehungsweise ergebnisses in form von städtebaulicher und architektonischer Qualität bedürfen.
am flughafen tempelhof ist es das virulente thema
der Bebauung versus freiraumgestaltung und auch
die gleich von Prof. hascher ausgeführten frage
zur standortwahl der zentral- und landesbibliothek
(zlB) als neubau und nicht im altbau des terminals. im falle von tegel ist es die frage, wie nach
fünf standortkonferenzen und zwei werkstätten in
einem scheinbar demokratischen Prozess unter einbindung vieler Beteiligter, Bürger und renommierter
Büros wie MVRdV oder west 8, das am schluss im
flächennutzungsplan ausgewiesene industrie- und
gewerbegebiet zukunftsfähig gestaltet und schrittweise entwickelt werden soll. und im BeR-umfeld
ist es das zweischneidige thema der kombinierten
neuen lärmbelastung und anwohnerbetroffenheit
bei gleichzeitigem wirtschaftswachstum und aufkeimender konkurrenz in anbetracht der im gemeinsamen strukturkonzept (gsk) ausgewiesenen
2100 hektar siedlungserweiterungsfläche allein im
flughafenumfeld. Bei all diesen drängenden herausforderungen an den drei verschiedenen flughafenstandorten und der herkulesaufgabe der zügigen eröffnung des neuen flughafens BeR inklusive
anbindung darf der Blick für das ganze, für den
zusammenhang in der stadtregion Berlin- Brandenburg nicht verloren gehen.
da das flughafen- und damit das globale erreichbarkeitssystem in Berlin nun auf einen Pol an der
südöstlichen Berliner stadtgrenze in schönefeld
beschränkt wird, sollte die Vernetzung der innenstadtbereiche, vor allem der nun abgehängten city
west sowie der ehemaligen flughäfen tempelhof
und tegel im Berliner stadtgewebe unbedingt qualifiziert werden. die bereits von harald Bodenschatz
erwähnten Radialstrassen mit ihren parallelen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPnV)-strängen
bilden dafür ein solides Rückgrat, um die Berliner
innen- und außenstadtbereiche zu verbinden sowie
die beiden ehemaligen flughafenareale in Richtung
kurt-schumacher Platz und u6 sowie in Richtung
tempelhofer damm, u6 Platz der luftbrücke und
u- und s-Bahnhof tempelhof sinnvoll anzubinden.
außerdem muss aus Berliner sicht dringend eine
gute Übergangslösung für die momentan desolate
anbindung des neuen BeR bis 2019 mit maximalen
ÖPnV-fahrtzeiten von 20-40 Minuten in den großteil
des Berliner stadtgebietes gefunden werden, damit
der Modal split des BeR nicht endgültig in Richtung
Motorisierter individualverkehr (MiV) kippt, sich die
Vorbehalte gegenüber dem flughafenstandort nicht
weiter erhärten und die impulse nicht allein ins Brandenburger umfeld abwandern.
10
anm. d. R.: wegen der dramatischen Verschiebung
der eröffnung des flughafens BeR rücken die hier
angesprochenen themen zwar kurzfristig in den
hintergrund, bleiben aber langfristig entscheidend.
Abb. 1 l Energiewende – ein vor allem städtisches Thema mit sozialen, ökonomischen und kulturellen Folgen. Abbildung: Tagesspiegel, 16. April 2012
iMPuls-stateMent
Cordelia Polinna
die themen, die in den vorangegangenen Vorträgen
angerissen wurden, stehen paradigmatisch für die
großen stadtplanerischen herausforderungen, die •
Berlin meistern muss. die stichworte klimawandel
und energiewende sind in aller Munde. doch vor allem beim thema energiewende muss in der debatte
noch deutlicher hervorgehoben werden, dass diese
ein ganz explizit städtisches thema ist. für Berlin
stellen sich dabei folgende fragen:
•
wie werden die vorhandenen großen bauli- •
chen Bestände aus der zweiten hälfte des 20.
Jahrhunderts qualifiziert – die großsiedlungen,
aber auch die großen einfamilienhausgebiete in
Rudow und lichterfelde, die gebiete der „zwi- •
schenstadt“ mit dänischem Bettenlager und
Mcdrive? wie schafft man es, aus diesen gebieten nachhaltige stadtquartiere zu machen, in
denen Bewohner und nutzer nicht auf das auto •
angewiesen sind? und wie werden die kosten
eines solchen umbaus verteilt? die energiewen-
de ist nicht nur ein ökologisches und ein ökonomisches, sondern auch ein soziales thema.
ganz eng verknüpft mit den themenkomplex
der Bestandsqualifizierung sind die fragen,
die sich aufgrund der entwicklung einer neuen,
nachhaltigen urbanen Mobilität stellen - mit all
den konsequenzen, die das für die gestaltung
von öffentlichen Räumen, für den Übergang
zum öffentlichen nahverkehr oder für die großen
ausfall- und hauptstraßen, die Radialen, hat.
die kulturellen dimensionen der energiewende
werden bislang noch kaum diskutiert, etwa in
Bezug auf den umgang mit unserer geschätzten
historischen Bausubstanz.
sehr Berlin-spezifisch ist die Verschiebung des
gravitationszentrums der stadt, die vor allem
infolge der neuausrichtung des flughafensystems zu erwarten ist.
Bei all diesen fragen müssen die sozialen dimensionen nicht außer acht gelassen werden,
die sich verstärkende soziale ungleichheit und
11
Abb. 2 l Blick auf den potenziellen Standort der ZLB am Tempelhofer Damm.
Foto: Cordelia Polinna, 2010
Abb. 3 l Eine große Aufgabe: Qualifizierung der baulichen Bestände aus dem 20.
Jahrhundert, Foto: Cordelia Polinna, 2010
die tatsache, dass Berlin auf dem wohnimmobilienmarkt offenbar eine entwicklung nachholt,
die in vielen anderen deutschen und europäischen Metropolen bereits stattgefunden hat
und die zu deutlichen Preissteigerungen, zu einer Verdrängung finanziell schwächerer Bevölkerungsgruppen aus der innenstadt und damit
einhergehenden segregationsprozessen führt.
cken sowie am unwirtlichen t-damm eine nicht zu
unterschätzende städtebauliche herausforderung
dar. hier sollten zunächst neue herangehensweisen entwickelt werden, wie eine solche Bibliothek
geplant werden kann, nicht als solitär, sondern als
nukleus eines sich neu entwickelnden Quartiers,
der eine neudefinition der bislang von Verkehr dominierten Räume ermöglicht.
an einigen zentralen Projekten lässt sich ablesen,
wie Berlin mit diesen herausforderungen umzugehen gedenkt und wie sich die stadt auch im internationalen Vergleich positionieren will.
Mit dem näher rückenden Baubeginn des humboldtforums in Mitte, dem undurchschaubaren hin-undher bei den Projekten wie dem archäologischen
zentrum oder dem umbau des Molkenmarktes wird
auch für die ehemalige altstadt die notwendigkeit
neuer planerischer Verfahren und instrumente ganz
deutlich sichtbar. wie viele ideen wurden schon
entwickelt, von mittelalterlicher neubebauung bis
hin zum gigantischen wasserbecken – doch keine
dieser ideen wurde je im sinne eines konstruktiven
entwurfsprozesses weiterentwickelt, modifiziert und
dann schließlich mit breiter akzeptanz realisiert.
notwendig ist zunächst ein ganz grundlegender
Verständigungsprozess darüber, welche Rolle dieses gebiet innerhalb Berlins überhaupt spielen soll,
bevor städtebaulich reagiert werden kann. hier sind
Verfahren unabdingbar, die sich nicht nur durch ein
kleines bisschen mehr an Bürgerbeteiligung pro forma auszeichnen lassen, sondern die neue ansätze
für wirkliche Mitwirkung unterschiedlicher akteure
und ein kontinuierliches weiterentwickeln von ideen
ermöglichen.
die neue zentral- und landesbibliothek wurde zum
leitprojekt der neuen landesregierung erkoren. angesichts der prekären haushaltslage werden neben
diesem großprojekt kaum weitere größere Projekte
auf den weg gebracht werden können. Prinzipiell
ist natürlich zu begrüßen, dass ein Bildungsleuchtturm eine so hohe politische Priorität eingeräumt
bekommt und dass der Regierende Bürgermeister
überhaupt einem stadtplanerischen Projekt Rückenwind verleiht.
ein aus der dauer der legislaturperiode begründeter zeitdruck und eine gewisse „großmannssucht“
einzelner akteure führen jedoch dazu, dass das Projekt schon festgezurrt scheint, bevor eine wirkliche
debatte überhaupt begonnen hat. wie sieht überhaupt ein architektonisches, städtebauliches und
soziokulturelles Programm für eine solche Bibliothek des 21. Jahrhunderts in einer zunehmend multiethnisch geprägten stadt aus? wie können die impulse eines solchen Projektes für die umgebung am
südwestlichen Rand des tempelhofer feldes maximiert werden? auch das ist eine thema, bei dem
eine ganz enge Verzahnung mit fragen des Verkehrs
von zentraler Bedeutung ist, stellt die situation am
s-Bahn- und autobahnring mit seinen großen Brü12
ob Berlin sich als Modellstadt für die energiewende und für eine neue urbane Mobilität positionieren
kann, wird sich jedoch im ganz alltäglichen leben
vor allem auf den Plätzen der stadt und entlang
der großen hauptstraßen, der Radialen, entscheiden. an orten wie dem ernst-Reuter-Platz, an dem
das auf den ersten Blick völlig unmöglich erscheint,
muss ausgetestet werden, wie man den einstieg in
Abb. 4 l Umfeld des ZLB-Standortes: Eine Neudefinition der bislang von Verkehr
dominierten Räumen ist notwendig, Foto: Cordelia Polinna, 2012
Abb. 5 l Umbau der Radialen: Berlin als Modellstadt für nachhaltige
Mobilität. Grafik: Malte Wittenberg, 2011
boomenden Potsdam auch über die landesgrenzen
hinaus blicken. es muss aber auch antworten darauf finden, wie verhindert werden kann, dass die
stadt in
• viele kieze zerfällt, die immer mehr nach dem
Motto „not in my backyard“ agieren,
• in ein innen und außen oder in
• einen aktiven, dynamischen Bereich südlich und
einen passiven, abgehängten Bereich nördlich
an den Radialen müssen radikale schritte gewagt
des „spree-Äquators“ zerfällt.
werden. weniger autoverkehr, attraktivere koppelungen von öffentlichem nahverkehr, fußgängerund Radverkehr, attraktive öffentliche Räume – dies ein solches stadtentwicklungskonzept muss im
sind die zentralen Voraussetzungen für eine Renais- organisierten dialog zwischen Politik, Verwaltung,
sance der hauptstraßen und der an ihnen liegenden wirtschaft, zivilgesellschaft und wissenschaft erstadtteilzentren und somit für den erhalt der poly- stellt werden – das ist ja offenbar auch so bereits
angedacht. für einen solchen dialog wäre ein neuer
zentralen, nachhaltigen stadt der kurzen wege.
typus des stadtforums wünschenswert.
Bei vielen der aufgerufenen themen wird deutlich,
dass die Verwaltung mit ihren Verfahrensweisen die umsetzung des Planes wird weitgehend über
und Ressortaufteilungen an ihre grenzen stößt. in strategisch bedeutsame schlüsselprojekte erfolgen
zukunft wird vor allem eine viel stärkere Vernetzung müssen, für die beispielsweise fördergelder von
von städtebau, stadtentwicklungsplanung und dem land, Bund oder eu zur Verfügung stehen oder wo
Verkehrsressort, aber auch mit den Bereichen Bil- private investitionen im sinne des Plans gesteuert
dung oder wirtschaftsförderung, notwendig sein, werden müssen. doch wie können zukünftig besseals wir sie bislang aus der Verwaltung gewohnt wa- re konzepte für solche strategischen Projekte entwickelt und umgesetzt werden? in den vergangenen
ren.
Monaten, nach der Veranstaltung „ist stadtentwickdas stadtentwicklungskonzept 2030 soll, ja muss lung nach der wahl egal?“, haben wir – mit anreguneinen ersten mutigen schritt in Richtung einer sol- gen aus dem ausland – überlegt, wie die Verwaltung
chen Vernetzung unternehmen. der sehr gelungene neue wege gehen könnte.
steP Verkehr aus dem Jahr 2011 bietet hier schon
viele mögliche anknüpfungspunkte. das stadtent- wir schlagen vor, zunächst temporär eine neuartiwicklungskonzept 2030 muss sich zudem trauen, ge, kleine, operative Planungsabteilung in der sestrategisch wichtige Räume zu identifizieren und natsverwaltung für stadtentwicklung und umwelt
Prioritäten zu setzen, wo beispielsweise wirklich zu- einzurichten, die versucht, an orten mit besonderen
kunftstechnologien angesiedelt und auch gefördert herausforderungen mittels strategischer Planungswerden sollen. es muss die gesamte stadt ins auge projekte die ziele des Berliner stadtentwicklungsfassen, dem Bereich außerhalb des s-Bahnringes programms umzusetzen. diese abteilung, eine art
mehr aufmerksamkeit widmen und vor allem in der urban task force – wir haben sie „BeRlin gestalwachstumszone zwischen schönefeld und dem
eine neue, nicht mehr autoabhängige urbane Mobilität umsetzen kann. dazu gehört auch, die baulichen strukturen aus der zweiten hälfte des 20.
Jahrhunderts so anzupassen, dass hier eine neue
aufenthaltsqualität entsteht, die den Platz als zentrum eines Quartiers für wissen, technologie und
innovation erblühen lässt.
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Abb. 6 l Radialstraßen - Thema für eine IBA? Grafik: Malte Wittenberg, 2011
ten“ genannt – könnte sich in ihrer arbeit auf orte
konzentrieren,
• die für die zukünftige entwicklung Berlins von
herausragender Bedeutung sind,
• auf orte, die Präzedenzfälle für neuartige herangehensweisen darstellen,
• auf orte, die schon lange als „Problemfälle“ der
stadtentwicklung gelten, wo konflikte schwelen,
• auf orte, wo Bezirke und die senatsverwaltung
nicht zueinander finden.
BeRlin gestalten soll die arbeit der senatsverwaltung und der Bezirke nicht ersetzen, aber um
eine option ergänzen, die ohne scheu vor eingefahrenen strukturen und vor bürokratischen hürden
konkrete lösungen für die planerischen Probleme
vor ort findet – ressortübergreifend, in zusammenarbeit mit den Planungsämtern der Bezirke und anderen akteuren aus wirtschaft und zivilgesellschaft.
programms sein. eine iBa ist ein scharfes städtebauliches instrument, mit dessen hilfe auch experimentelle, innovative ideen und strategien umgesetzt
werden können. umso mehr gilt es, dieses instrument nicht durch unausgegorene themenvorschläge, die nicht den hohen anforderungen an eine iBa
gerecht werden, abstumpfen zu lassen. die suche
nach städtebaulichen antworten auf die energiewende mit all ihren eben skizzierten implikationen
wäre unserer Meinung nach ein äußerst spannendes
und herausforderndes thema für eine iBa in Berlin,
auch mit internationaler ausstrahlung.
Berlin muss sich den neuen herausforderungen stellen, vor allem den folgen der neuordnung von flughäfen und Bahnhöfen, den anforderungen an eine
lokale energiewende und an eine neue wohnungspolitik, dafür braucht es realistische Visionen, und
dafür braucht es neue instrumente und Verfahren,
etwa ein stadtentwicklungskonzept neuen typus,
eine art urban task force, ein neues stadtforum
die iBa könnte ein großartiger katalysator für die und – wenn es den hohen anforderungen wirklich
umsetzung eines ehrgeizigen stadtentwicklungs- entspricht – eine internationale Bauausstellung.
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think
berl!n
STADTPOLITIK TRIFFT STADTFORSCHUNG – DIALOGE ZUR STADTENTWICKLUNG AN DER TU BERLIN
STADTENTWICKLUNG:
BERLIN SIEHT SCHWARZ-ROT
18. APRIL 2012 – TU BERLIN, ARCHITEKTURGEBÄUDE
HÖRSAAL A151,
STRAßE DES 17. JUNI 152, 10623 BERLIN
VERANSTALTER DES ERSTEN DIALOGES:
THINK BERL!N (A. Hofmann, C. Polinna, J. Richter, J. Schlaack) CENTER OF METROPOLITAN STUDIES DER TU BERLIN (Prof.
Dr. H. Bodenschatz) FACHGEBIET PLANUNGS- UND ARCHITEKTURSOZIOLOGIE DER TU BERLIN (Prof. Dr. C. Polinna)
Veranstaltungsflyer. Grafik: Think Berl!n/Jana Richter, 2012
PROGRAMM
17:15 BegRÜßung
Johannes cramer (geschäftsführender direktor des instituts für architektur, tu Berlin)
17:20 einfÜhRung
aljoscha hofmann (tu Berlin, think Berl!n)
17:30 Rot-schwaRze Botschaften deR stadtentwicklung
harald Bodenschatz (tu Berlin, think Berl!n plus)
17:40 eRnst-ReuteR-Platz: kann sich ein VeRkehRsknoten zuM stadtPlatz MauseRn?
angela uttke (tu Berlin, institut für stadt- und Regionalplanung)
17:50 BeR, tXl und thf: BeRlin wiRd auf den koPf gestellt
Johanna schlaack (tu Berlin, think Berl!n)
18:00 die neue zlB: eine chance fÜR BeRlin
Rainer hascher (tu Berlin, institut für architektur)
18:10 775 JahRfeieR BeRlin: deR ignoRieRte stadtkeRn
Jana Richter (tu Berlin, think Berl!n)
18:20 30.000 neue wohnungen in BeRlin. was heißt das eigentlich?
Bernd hunger (Bundesverband deutscher wohnungs- und immobilienunternehmen- gdw)
19:00 PodiuMsdiskussion
Moderation: gerd nowakowski (der tagesspiegel)
impuls-statement: cordelia Polinna (tu Berlin, think Berl!n),
es diskutieren: ephraim gothe (staatssekretär für Bauen und wohnen), stefan evers (cdu),
antje kapek (die grünen), katrin lompscher (die linken), wolfram Prieß (Piratenpartei), cordelia
Polinna (tu Berlin, think Berl!n)
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wohin will der rot-schwarze senat Berlin füh-
bauliches ereignis, was aber wird der 775.
erkannt? was sind seine ziele, Botschaf-
bringen? und – für die tu Berlin vor allem
ren? hat er die zentralen herausforderungen
ten, schlüsselprojekte und Prioritäten in der
stadtentwicklung? wohnen – Mieten – Verdrängung: lange ignorierte themen werden
Jahrestag der gründung für die alte Mitte
interessant: gibt es neue chancen für eine
umgestaltung des ernst-Reuter-Platzes?
von der Politik wieder entdeckt, wird es aber
Mit der Reihe „stadtpolitik trifft stadtfor-
der flughäfen wird die gesamte stadtregion
ein neues format begründet: das regelmäßi-
auch spürbare taten geben? die Rochade
beeinflussen, doch wie sehen die antwor-
ten auf dieses Jahrhundertereignis aus? war
noch für die wahl der koalition die Verlängerung der a 100 ausschlaggebend, wurde
schung – dialoge zur stadtentwicklung“ wird
ge kritisch-konstruktive gespräch zwischen
Planungswissenschaften und Planungspolitik
an der tu Berlin.
mittlerweile die zentral- und landesbiblio-
thek zum lieblingsprojekt auserkoren. doch
weder ort, gestalt noch Programm dieses
wichtigen Projektes wurden öffentlich dis-
kutiert. die 750-Jahrfeier Berlins 1987 war
in beiden stadthälften ein großes städte-
unterstützt von:
ak nachhaltige stadtentwicklung des Bildungswerk der heinrichBöll-stiftung, Bund Berlin e.V., deutsche akademie für städtebau und landesplanung | landesgruppe Berlin-Brandenburg,
deutscher werkbund Berlin, hermann-henselmann-stiftung, initiative stadt neudenken, urbanophil. e.V., Vereinigung für stadt-,
Regional- und landesplanung sRl e.V. Berlin/Brandenburg
Harald Bodenschatz
Berlin Alexanderplatz. Photo:
Rot-schwaRze Botschaften
Berlin hat sich seit dem fall der Mauer so stark verändert
© 2012
wieThink
keine Berl!n
andereplus
großstadt des westlichen europas. die dynamik war am stärksten in den 1990er
Jahren,
die hier vorgelegten
sie verlangsamte
Beiträge
sich
sindmerklich
die überarbeiim letzten
Jahrzehnt.
teten Vorträge
doch
dernunmehr
ersten dialog-Veranstaltung
steht ein neuer, ein zweiter
„stadtentwicklung:
großer wandel bevor,
Berlinoder
siehtgenauer:
schwarz-rot“
er hatder
bereits
eingesetzt.
Reihe „stadtpolitik
das wichtigste
trifft stadtforschung“
aktuelle großprojekt
an der in der
Berliner
tu Berlin,
stadtregion
die am 18.ist
april
die2012
neuordnung
im architekturder flughäfen,
gebäude
ein Jahrhundertprojekt
der tu Berlin stattgefunden
für Berlin.hat.
als folge dieser neuordnung verschieben sich die gewichte in der
stadtregion
Herausgeber
– die
undbevorzugten
Redaktion:lagen für das wohnen,
die
Think
bevorzugten
Berl!n
(aljoscha
lagen fürhofmann,
private wirtschaftliche
cordelia
aktivitäten. die flächen
Polinna,
derJana
zweiRichter,
nicht mehr
Johanna
genutzten
flughäfen tempelhof
schlaack)
und tegel eröffnen neue chancen,
plus aber notwendigerweise
(harald Bodenschatz)
auch streitfelder für die
stadtgesellschaft. im schatten und Vorfeld der flughafenrochade
Satz und Layout:
wurde
franziska
ein zweites
Mühleis
für Berlin grundlegendes infrastruktur-Projekt auf den weg gebracht: die
weitere
Beiträge
der Veranstaltung
finden sich wie der
neuordnung
der Bahnhöfe.
der hauptbahnhof
unter
www.think-berlin.de
als neue,
audiomitschnitt.
Bahnhof
südkreuz markieren
gewichtige orte in
der stadtregion.
isBn:
(druck-Version)
zu all 978-3-7983-2447-3
diesen lokalen entwicklungen
kommen noch
isBn:
978-3-7983-2448-0
(online-Version)
herausforderungen
auf nationaler,
ja internationaler
ebene: der klimawandel, die energiekrise, der demoBerlin, august 2012
graphische wandel und vieles mehr. auf Bundesebene
wurde die energiewende zum zentralen thema. doch
wo sonst als in den städten sollte sie umgesetzt werden?Vertrieb/Publisher:
was heißt das aber für Berlin? eine schlüsselfrage,
universitätsverlag
die nicht angemessen
der tu
gestellt
Berlingeschweige denn
beantwortet
universitätsbibliothek
worden ist.
fasanenstr. 88 (im Volkswagen-haus)
die d-10623
neue welle
Berlin
der Veränderungen, die wir gerade
erleben,
e-Mail:
erschüttert
publikationen@ub.tu-berlin.de
unübersehbar die lokalen gesellschaftlichen
webseite:Verhältnisse.
http://www.univerlag.tu-berlin.de
Berlin nähert sich – nicht
zuletzt wegen des wandels der eigentümerstruktur –
in der
Veranstalter
Mietenentwicklung
des ersten
städten
Dialogs:
wie München oder
hamburg. die flächenhaften Mietsteigerungen werden
angesichts des
Thinkgeringen
Berl!n durchschnittseinkommens
der Berliner http://www.think-berlin.de
haushalte von vielen verständlicherweise
als bedrohlich wahrgenommen und auf breiter front
kritisiert. dazu kommen die Proteste gegen größere
und kleineretechnische
Projekte, die
universität
entwederBerlin
als Motoren der
gentrifizierung
fakultät
oder als
Vi |Vernichter
institut fürvon
soziologie
freiräumen angesehen werden.
FG Planungs- und Architektursoziologie
franklinstr. 28/29 | 10587 Berlin
Center for Metropolitan Studies
ernst-Reuter-Platz 7
tel 3-0
10587 Berlin