Sonderdruck
JAHRGANG 77
2013
HERAUSGEBER:
M. GROTEN
A. PLASSMANN · C. WICH-REIF
VERÖFFENTLICHUNG
DER ABTEILUNG FÜR RHEINISCHE LANDESGESCHICHTE
DES INSTITUTS FÜR GESCHICHTSWISSENSCHAFT DER UNIVERSITÄT BONN
HABELT VERLAG
,DAS DIGITALE HISTORISCHE ARCHIV KÖLN.
DIGITALE PRÄSENTATION DER ARCHIVALIEN UND VIRTUELLE
REKONSTRUKTION DER BESTÄNDE DES HISTORISCHEN ARCHIVS
DER STADT KÖLN‘
Ein neues DFG-Projekt der Abteilung für Rheinische Landesgeschichte1
Von M a n u e l H a g e m a n n und A n d r e a s R u t z
Der Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln (HAStK) am 3. März 2009 bedeutete für die (rheinische) Stadt- und Landesgeschichte einen unermesslichen Verlust. Sie
war und ist auf die dort lagernden Archivalien zwingend angewiesen, denn nur ein geringer Teil derselben ist als Edition greifbar2. Zwar konnten in den auf das Unglück folgenden Monaten große Teile des Archivguts geborgen werden, bis hin zu der von Oktober
2010 bis August 2011 erfolgten Bergung der unterhalb des Grundwasserspiegels liegenden Stücke. Die Archivalien haben jedoch zum Teil schwerste Beschädigungen erlitten
und wurden fragmentiert, die Bestände sind in völlige Unordnung geraten, vielfach fehlen Signaturen oder andere Hinweise, die eine schnelle Identifizierung ermöglichen. Das
Ausmaß der Verluste und der irreparablen Schäden an Akten, Urkunden und Amtsbüchern, Plänen, Plakaten, Fotos und Filmaufnahmen wird erst in einigen Jahren näher zu
überblicken sein. Nach der Bergung wurde das Archivgut, sofern es nicht aufgrund von
Feuchtigkeitsschäden einer speziellen Behandlung bedurfte, grob gereinigt, verpackt und
schließlich in 20 über ganz Deutschland verteilten Asylarchiven zwischengelagert. Hier
werden die einzelnen Bergungseinheiten von Mitarbeitern des HAStK gesichtet, nach
Möglichkeit identifiziert sowie bei Bedarf beschrieben und in Schadensklassen eingeteilt.
Nach ihrer Verbringung in das Restaurierungs- und Digitalisierungszentrum (RDZ) in
Köln-Porz erfolgt die Reinigung und gegebenenfalls Restaurierung der Archivalien. An
diese Maßnahme schließt sich eine erneute Sichtung durch die Archivarinnen und Archivare und unter Umständen ein weitergehender Identifizierungsversuch sowie schließlich
die Digitalisierung an. Erst nach Ablauf dieser Arbeitsschritte können die Archivalien den
Benutzern im provisorischen Lesesaal des RDZ vorgelegt werden, sofern dem keine konservatorischen Bedenken entgegenstehen. Die Reihenfolge, in der das Archivgut bearbeitet wird, ergibt sich vor allem aus den konservatorischen Notwendigkeiten sowie dem
vom HAStK definierten und logistisch zwingenden Workflow und kann sich daher nicht
nach möglichen Nutzerinteressen richten. Der Forschung – wie auch allen weiteren Interessierten – werden die geretteten Originale somit in der Regel noch auf viele Jahre entzogen bleiben.
Um die Archivalien dennoch der Öffentlichkeit verfügbar zu machen und den Wiederaufbau des Kölner Stadtarchivs nachhaltig zu fördern, hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Juni 2012 einen Projektantrag bewilligt, der gemeinsam vom
1
,Das digitale Historische Archiv Köln‘ ist im Internet unter www.historischesarchivkoeln.de frei
zugänglich.
2
Vgl. dazu Bettina S c h m i d t - C z a i a , Ulrich S. S o é n i u s (Hrsg.), Gedächtnisort. Das Historische Archiv der Stadt Köln, Köln, Weimar, Wien 2010, insb. den Beitrag von Manfred G r o t e n ,
Forschungen zur rheinischen Geschichte, S. 151–158.
310
Manuel Hagemann und Andreas Rutz
HAStK (Dr. Bettina Schmidt-Czaia), dem digitalen Bildarchiv ‚prometheus‘ (PD Dr.
Holger Simon) und der Abteilung für Rheinische Landesgeschichte (Prof. Dr. Manfred
Groten) mit dem Ziel der digitalen Präsentation der Archivalien und der virtuellen Rekonstruktion der Bestände des HAStK gestellt worden war. Das mit 511.000 EUR geförderte Projekt läuft in der DFG-Förderlinie ,Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und
Informationssysteme (LIS)‘ und hat eine Laufzeit von zwei Jahren. Zum Projektstart am
1. November 2012 wurden zwei wissenschaftliche Mitarbeiter (Jochen Hermel M.A. und
Manuel Hagemann M.A.), ein Redakteur (Janusch Carl M.A.) sowie drei studentische
Hilfskräfte eingestellt. Organisatorisch verteilt sich das Projekt auf zwei Standorte: Projektmanagement und Redaktion sowie das Teilprojekt ,Digitale Präsentation der Bestände‘ arbeiten am HAStK, während der Bereich der virtuellen Beständerekonstruktion
an der Abteilung für Rheinische Landesgeschichte des Bonner Instituts für Geschichtswissenschaft angesiedelt ist.
,Das digitale Historische Archiv Köln‘ (DHAK) hat bereits eine längere Geschichte, die
im Folgenden skizziert werden soll, um anschließend das neue DFG-Projekt genauer vorzustellen3. Das drohende Szenario eines Totalverlusts der Kölner Archivbestände bewog
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von prometheus unmittelbar nach dem Einsturz,
eine Internetplattform aufzubauen, die eine Ersatzüberlieferung schaffen sollte. Ehemalige Nutzer des Archivs wurden dazu aufgerufen, Kopien und Fotos von Archivalien
im Internet hochzuladen, aber auch Hinweise auf Exzerpte, vorliegende Mikrofilme und
weitere mögliche Überlieferungsformen in die entstehende Datenbank einzupflegen. Mit
dem Einstieg von Prof. Dr. Manfred Groten und Dr. Andreas Rutz von der Bonner Landesgeschichte in das Projekt wurden unmittelbar nach der Onlinestellung des DHAK die
langjährigen Erfahrungen von prometheus im Bereich der Bildwissenschaft und Informationstechnologie um die unabdingbaren geschichts- und archivwissenschaftlichen
Kompetenzen ergänzt. Durch einen am 2. April 2009 mit dem HAStK geschlossenen
Kooperationsvertrag konnten die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt und die
Grundlagen für eine Weiterentwicklung des Portals gelegt werden. Von Anfang an erfuhr
das Projekt positiven Zuspruch und engagierte Unterstützung von Seiten der Wissenschaft und der interessierten Öffentlichkeit. Zentrale Meilensteine waren in der Frühphase die Nominierung für den Grimme Online Award im Mai 2009 sowie die Feststellung der Expertenanhörung zum Kölner Archiveinsturz im Juni 2009, dass das DHAK für
den Wiederaufbau des Kölner Stadtarchivs unverzichtbar sei4.
Noch im Jahr des Einsturzes begann das HAStK mit der vollständigen Digitalisierung
der Mikrofilme, die seit 1961 im Rahmen eines Projekts des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe erstellt worden waren. Diese Maßnahme ist mittlerweile abgeschlossen, so dass die Archivbestände aus der Zeit bis 1815 nunmehr fast vollständig in digitaler Form vorliegen – wenn auch nicht immer in zufriedenstellender
Qualität. Hinzu kommen einige wenige Bestände aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert
sowie aus der Abteilung ,Nachlässe und Sammlungen‘. Die digitalisierten Mikrofilme (ca.
3
Zur Entwicklung des DHAK ausführlich Janusch C a r l , Andreas R u t z , Bits and Bytes statt Pergament und Papier? Das digitale Historische Archiv Köln und die Zukunft des Kölner Stadtarchivs
im Web 2.0, in: Archivar. Zeitschrift für Archivwesen 65 (2012), S. 143–153.
4
Wilfried R e i n i n g h a u s , Andreas P i l g e r (Hrsg.), Lehren aus Köln. Dokumentation zur
Expertenanhörung „Der Kölner Archiveinsturz und die Konsequenzen“ (Veröffentlichungen des
Landesarchivs Nordrhein-Westfalen 25), Düsseldorf 2009, S. 11, 38–43.
Das digitale Historische Archiv Köln
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acht Millionen Bilder) werden seit 2010 sukzessive in das DHAK eingepflegt und mit den
ebenfalls auf der Seite recherchierbaren Online-Findmitteln des Archivs verknüpft. Eine
enorme quantitative Erweiterung des digitalen Angebots stellte die Einbindung von
1,5 Millionen Digitalisaten der Kölner Zivilstandsregister und Zweitschriften der Personenstandsregister aus den Beständen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen im
Januar 2013 dar. Durch die freie Verfügbarkeit der Einträge aus der Zeit ab 1833 bildet das
DHAK ein wichtiges Arbeitsmittel für die personengeschichtliche und genealogische Forschung. Zugleich ist damit eine wesentliche Entlastung des Personenstandsarchivs in
Brühl verbunden, das seit dem Kölner Archiveinsturz die Funktion als zentrale Anlaufstelle für entsprechende Anfragen eingenommen hatte.
Mit der zunehmenden Online-Stellung von Digitalisaten durch das Kölner Stadtarchiv
selbst hat sich das Profil des DHAK seit seinen Anfängen gewandelt bzw. erweitert. Freilich ist die Bedeutung des Portals als Sammelstelle für von Benutzern eingestellte Reprographien, die mittelfristig eine Ersatzüberlieferung für verlorengegangenes Archivgut
bilden sollen, nach wie vor gegeben. Allerdings wird erst nach Abschluss der Bergungserfassung im HAStK abzuschätzen sein, in welchem Ausmaß die Digitalisate tatsächlich
Verluste in den Beständen abmildern oder schwer beschädigte Archivalien ergänzen können. Hier sollte in Zukunft durch gezielte Anfragen versucht werden, weitere Lücken zu
schließen. Die Leserinnen und Leser dieser Zeitschrift mögen sich jederzeit gerne an die
Projektmitarbeiter wenden, um auf Kopien von Archivalien in ihrem Besitz aufmerksam
zu machen5. Über die ursprüngliche Funktion hinaus bietet das DHAK mittlerweile einen
Zugang zu einem namhaften Teil der Archivbestände und damit die Möglichkeit, unabhängig vom Aufenthaltsort mit Quellen des HAStK zu arbeiten. Viele Fragestellungen
können natürlich nur anhand der Originale bearbeitet werden und Digitalisate, insbesondere wenn es sich um Schwarz-Weiß-Aufnahmen minderwertiger Qualität handelt, bieten keinen vollwertigen Ersatz. Will man aber angesichts der Perspektive, dass für eigene
Arbeiten benötigte Archivalien möglicherweise noch auf Jahrzehnte nicht greifbar oder
auch zukünftig nur eingeschränkt nutzbar sein werden, nicht resignieren, stellt die virtuelle Archivarbeit im DHAK mehr als nur eine pragmatische Ausweichlösung dar. Im
Internet können die Bestände des Archivs nicht nur präsentiert werden, sondern es ist
über die Einbindung von Web 2.0-Funktionalitäten auch möglich, die Nutzerinnen und
Nutzer aktiv an der tieferen Erschließung des Materials und der Erhebung weiterer Informationen zu beteiligen. Der so entstehende Mehrwert kommt anderen Benutzern gleichermaßen zugute wie dem HAStK. Denn dessen personelle Kapazitäten lassen eine
Intensivierung der Bestandserschließung und insbesondere eine nachträgliche Vertiefung
bereits abgeschlossener Verzeichnungen nicht zu. Darüber hinaus bietet das Internet die
Möglichkeit, die Identifizierung geborgener Archivalien, die in der analogen Einzelstückbeschreibung vielfach an Grenzen stößt, mit Hilfe der Online-Nutzer voranzutreiben.
Das neue DFG-Projekt dient dazu, das DHAK den stark gewachsenen Anforderungen
anzupassen und seine Funktionalitäten mit Blick auf die digitale Präsentation der Archivalien und die virtuelle Rekonstruktion der Bestände auszubauen. Für eine komfortable
Lesbarkeit der Archivalien im Digitalen Lesesaal des DHAK ist die Optimierung der Anzeigefunktionen unabdingbar. Dies beinhaltet vor allem die Möglichkeit einer stufenlosen
Vergrößerung der Digitalisate und deren Drehbarkeit. Daneben sollen weitere Funktio-
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Unsere Email-Adresse lautet: info@historischesarchivkoeln.de
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Manuel Hagemann und Andreas Rutz
nen, wie beispielsweise die Negativansicht oder ein Kontrastregler, individuellen Bedürfnissen entgegenkommen. Eine Erweiterung der herkömmlichen ,read-only‘-Funktionen
des Viewers stellt die Anreicherung der Digitalisate mit zusätzlichen Informationen dar,
die unmittelbar mit den Bildern verknüpft werden. Dabei handelt es sich etwa um das
Markieren von Orts- und Personennamen oder auch von graphischen Elementen wie
Notariatssigneten, Schmuckinitialen, Zeichnungen oder Briefköpfen, die damit über eine
ausgebaute Suchfunktion recherchierbar werden. Ferner sollen künftig auch textliche
Informationen wie Transkriptionen, Hinweise auf Editionen und abschriftliche Überlieferungen oder zusätzliche Erschließungsinformationen wie Regesten oder Schlagwörter
in das DHAK eingepflegt werden können. Dies wäre sowohl auf der Ebene der Verzeichnungseinheit wie auch am jeweiligen Einzelbild denkbar. Alle Veränderungen an den
Metadaten müssen – im Sinne einer Versionierung – nachverfolgbar bleiben und gegebenenfalls revidierbar sein, um Vandalismus und unsachgemäßen Eintragungen begegnen
zu können. Das Arbeiten im Digitalen Lesesaal wird nach wie vor ohne Registrierung
möglich sein, Nutzerinnen und Nutzer können also die Findbücher und Archivalien des
HAStK frei recherchieren und einsehen. Eingeloggten Usern stehen darüber hinaus komfortable Werkzeuge zur Verfügung, die das individuelle Arbeiten mit den Archivalien
erleichtern. Auch diese Funktionen werden frei verfügbar sein. Im persönlichen Bereich
können Verzeichnungseinheiten abgespeichert und bei Bedarf thematisch in Gruppen
oder Projektordner sortiert werden, so dass sie jederzeit wiederaufzufinden und ohne
erneute Recherche nutzbar sind. Ferner wird die Möglichkeit bestehen, persönliche Notizen oder Transkriptionen zu Archivalien anzulegen sowie eigene Dateien hochzuladen,
die nur für den Eigentümer sichtbar sind, bei Bedarf aber auch für andere Nutzer freigeschaltet oder öffentlich zur Verfügung gestellt werden können. Stärker als bisher soll
das DHAK auch Plattform für einen intensiven Austausch zwischen seinen Nutzern sein
und zum kollaborativen Arbeiten an den Archivbeständen einladen. Zu diesem Zweck
erhalten registrierte User die Möglichkeit, ein Nutzerprofil zu erstellen, in dem sie Angaben zu ihrer Person, vor allem aber zu ihren Forschungsinteressen und etwaigen Projekten machen können. Der Kommunikation soll neben einem internen Mailingsystem vor
allem ein Forum dienen, in dem Fragen zu einzelnen Archivalien und Beständen oder
stadtgeschichtlichen Themen diskutiert sowie Forschungsprojekte vorgestellt werden
können. Routinierte Archivbenutzer können hier ihre Erfahrungen mit Neulingen teilen
und Hilfestellungen bei der Recherche oder Leseschwierigkeiten anbieten, Genealogen
ihre Ergebnisse austauschen und interessierte Bürger einen Einblick in die vielfältigen
Fragestellungen, die sich an das Kölner Archivgut stellen lassen, erlangen.
Die zweite Aufgabe des Projekts ist die virtuelle Rekonstruktion der Bestände des Kölner Stadtarchivs. Das HAStK ist im Bereich der Identifizierung von Archivalien, die aus
ihrem ursprünglichen Überlieferungskontext gerissen wurden, dringend auf externe
Hilfe angewiesen. In bis zu 40% der Fälle gelingt es bei der händischen Identifizierung
durch das Archiv nicht, die exakte ursprüngliche Signatur der geborgenen Archivalien zu
ermitteln. Dabei kann es sich um völlig aus dem Zusammenhang gerissene Einzelblätter,
aber auch um (fast) vollständig erhaltene Akten handeln. Um diesen Stücken einen Platz
in der Archivtektonik zuweisen zu können, richten die Archivarinnen und Archivare des
HAStK parallel zu den originären Beständen sogenannte x-Bestände ein, in die das nicht
oder nur unzureichend identifizierte Archivgut eingeordnet wird. Um auch solche Dokumente in der Archivtektonik abbilden zu können, die nicht einem konkreten Bestand, aber
immerhin mehr oder weniger eingrenzbaren Provenienzen oder im Archiv gebildeten
Das digitale Historische Archiv Köln
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Pertinenzen zuzuordnen sind, müssen darüber hinaus auf allen Gliederungsebenen der
Tektonik x-Bestände geschaffen werden. Ein Archivale etwa, das mit Sicherheit dem
Bestand ,St. Ursula‘, aber nicht der ursprünglichen Verzeichnungseinheit in diesem
Bestand zugewiesen werden kann, wird dementsprechend im x-Bestand ,St. Ursula‘ abgelegt; ein Stück, das zwar eindeutig aus dem Archiv einer geistlichen Institution des Ancien
régime stammt, aber keinem bestimmten Kloster zugeordnet werden kann, gelangt in den
x-Bestand ,Einzelne Stifte und Klöster‘. Lässt sich die Zugehörigkeit einer Bergungseinheit überhaupt nicht näher einkreisen, da sie beispielsweise sowohl einem amtlichen
Kontext wie auch einem privaten Nachlass entstammen könnte, erhält sie einen Platz im
x-Bestand ,Unterlagen ohne Zuordnung zur Tektonik‘.
Nach ihrer Digitalisierung werden diese Archivalien als Verzeichnungseinheiten in
ihren jeweiligen x-Beständen im DHAK zur Verfügung stehen. Um diese Bestände möglichst umfassend und zielgerichtet durchsuchbar zu machen, müssen zu jeder Verzeichnungseinheit tiefgehende Informationen erhoben und in die Datenbank eingegeben
werden. Genau hier bieten sich den Nutzerinnen und Nutzern des DHAK vielfältige
Mitwirkungsmöglichkeiten. Neben der Typisierung beispielsweise als Akte, Urkunde,
Druckwerk oder Plan sind zum einen Angaben zu äußeren Merkmalen, wie dem Beschreibstoff, der Art der Beschriftung, der An- bzw. Aufbringung von Siegeln und Stempeln oder auch spezifischen Beschädigungen zu machen. Zum anderen wären die inneren
Merkmale, wie Textsprache oder (vor-)archivische Ordnungsmerkmale, aufzunehmen.
Insbesondere müssen auch die Inhalte der Stücke erfasst werden. Dazu gehören eine
sachthematische Verschlagwortung und die Aufnahme von Schlüsselbegriffen ebenso
wie die Indizierung von Personen- und Ortsnamen oder auch Angaben zur Datierung, die
sich aus dem Text, aber z. B. auch über eine zeitliche Ein-ordnung der Schrift ergeben
können. Die Archivalienidentifizierung kann mit diesem Werkzeug als kollaborativer
Prozess ablaufen, in den verschiedene Nutzergruppen ihre individuellen Fähigkeiten und
ihr spezifisches Wissen einbringen. Dies reicht von der simplen Unterscheidung zwischen
hand-, maschinenschriftlicher oder gedruckter Beschriftung über die komplexere Ermittlung inhaltlicher Angaben bis hin zur Einbringung von Expertenkenntnissen aus der
Arbeit mit dem Archiv oder einzelnen Beständen vor dem Einsturz. Die Einstiegsmöglichkeiten in das Werkzeug müssen daher so angelegt sein, dass Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler über eine differenzierte Suchmaske schnell zu denjenigen Stücken
gelangen, bei deren Bestimmung ihre Kompetenzen besonders zielführend eingesetzt
werden können. Zugleich muss aber auch der interessierte Laie angesprochen werden,
sich an der Wiederherstellung der Kölner Archivbestände zu beteiligen. Dem Forum
kommt auch in diesem Zusammenhang eine wichtige Funktion zu, da hier die Möglichkeit besteht, gezielt andere Nutzer um Hilfe bei ungelösten Fragen zu bitten oder Vorschläge zur Bestimmung von Archivalien zur Diskussion zu stellen und so gemeinsam
deren Identifizierung voranzutreiben. Sobald konkrete Vorschläge vorliegen, müssen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des HAStK aktiv werden, um die Identität einer x-Verzeichniseinheit (bzw. im Fall der Fragmentierung auch mehrerer Einheiten) mit der im
DHAK ermittelten Signatur zu verifizieren und den Archivalien ihren angestammten
Platz in der Tektonik des Hauses zurückzugeben. Eine solche Beständerekonstruktion ist
freilich nur als langfristig angelegtes Projekt sinnvoll umsetzbar. Je mehr Informationen
aus den Datenbanken des HAStK und aus der Arbeit der Nutzerinnen und Nutzer hier
online recherchierbar sind und je klarer fassbar wird, welche Archivalien noch nicht wiederaufgefunden bzw. bestimmt wurden, umso größer werden die Chancen sein, ausein-
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Manuel Hagemann und Andreas Rutz
ander-gerissene Teile eines Archivales wieder zusammenführen und seine ursprüngliche
Signatur ermitteln zu können.
Die Förderung durch die DFG erlaubt es, das DHAK zu einer attraktiven Plattform
weiterzuentwickeln, über die die Bestände des HAStK zeit- und ortsunabhängig frei
zugänglich sind. Das DHAK ist auf die spezifischen Kölner Anforderungen nach dem
Archiveinsturz von 2009 zugeschnitten; es bietet einen ersten Zugang zu den Kölner
Archivalien, der in vielen Fällen die Arbeit an den – vorläufig in der Regel unzugänglichen – Originalen wie auch die fachliche Beratung vor Ort nicht ersetzen kann und will.
Es erlaubt aber eine optimale Vorbereitung von Archivbesuchen und bietet dem HAStK
die Möglichkeit, im virtuellen Raum ein viel breiteres Publikum anzusprechen und für
seine Bedeutung als Gedächtnisort der Stadt Köln und des Rheinlandes zu sensibilisieren,
als es auf konventionellem Wege möglich ist. Indem die Nutzerinnen und Nutzer an der
Beständerekonstruktion mitwirken, können sie darüber hinaus den Wiederaufbauprozess
aktiv unterstützen und dabei ihre Fähigkeiten und ihr Wissen zielgerichtet einsetzen.