G. M. Vischer, Topographia Ducatus Stiriae, Graz 1681
SchloSS hanfelden
einSt & Jetzt
4. Jahrgang
auSgabe 4/2023
Schnitt: M. Aigner 2023 Grafik: B. Wimmer 2023
hrSg: interdiSziplinärer arbeitSkreiS SchloSS hanfelden / unterzeiring
Inhalt
Die Dachwerke von Schloss Hanfelden
(M. Aigner)
03
Eine frühneuzeitliche Halde von Küchenabfällen im Schloss Hanfelden
(S. Karl)
Mit einem Beitrag von B. Wimmer und R. Irovec
33
Ein Kreuzanhänger mit Christusdarstellung aus dem Schloss Hanfelden
(M. Sulzer)
41
Einsatz von Photogrammetrie und terrestrischem Laserscanning zur Erfassung
oberflächlicher Verwitterungsschäden an der Fassade des Schlosses Hanfelden
(W. Sulzer et al.)
43
Die römische Straßenstation Viscellis in Unterzeiring
(P. Bayer)
53
Zur Geschichte der Sammlung Hußlik-Kneißl, Enzersdorf bei Pöls
(R. Fürhacker)
57
Literaturverzeichnis
72
Vom „Interdisziplinären Arbeitskreis Hanfelden“ zum „Arbeitskreis Schloss Hanfelden plus“
(R. Fürhacker und W. Sulzer)
76
Die Dachwerke von Schloss Hanfelden
Martin Aigner
Schlagworte: Hanfelden, Bauforschung, historische Dachwerke, Spätmittelalter, Österreich
Abstract
In Hanfelden hat sich nicht nur ein fast unveränderter Wohnbau aus der Zeit um 1500 erhalten, auch die
gesamte Dachkonstruktion stammt, bis auf wenige Ausbesserungen, aus der Erbauungszeit. Durch die
Analyse der Dachkonstruktion sowie deren dendrochronologischer Beprobung lassen sich daher wichtige Rückschlüsse auf den Bauablauf gewinnen, der 1498 mit dem Wiederaufbau eines beschädigten
Turmes begann. In mehreren, kurz aufeinanderfolgenden Bauetappen wurden entgegen dem Uhrzeigersinn Trakte angebaut, bis um 1530 ein Vierflügelbau um einen rechteckigen Hof vollendet war.
Auffällig ist, dass es zwar einen Gesamtplan für den Ausbau gegeben haben muss, aber immer wieder nur
wenige Jahre alte Teile des Dachwerks abgebrochen und umgebaut wurden, weil sie nicht zur nächsten
Bauetappe passten.
Durch die große Menge an Dendrodaten (über 90 nur im Bereich der Dachwerke) konnte festgestellt werden,
dass nicht ausschließlich saftfrisches Holz, sondern auch Restholz aus der letzten Bauetappe verwendet
wurde. Weiters wurde bei Ausbesserungen Altholz verwendet, das älter ist als das Gebäude selbst und daher
aus anderen Gebäuden stammen muss.
Einleitung
Pläne
20 Jahre nach meiner ersten Bauuntersuchung von
Schloss Hanfelden1 habe ich die Gelegenheit mich
nun intensiv mit einem Teilaspekt, nämlich dem
Dachwerk des Gebäudes zu beschäftigen. Die Bedingungen sind denkbar günstig, weil im Rahmen einer
mehrjährigen Forschungskampagne durch das Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie
Wien zahlreiche Untersuchungen vorgenommen
wurden, das Dachwerk dabei aber nicht detailliert
behandelt wurde.2 Insbesondere stehen die Ergebnisse der dendrochronologischen Untersuchung zur
Verfügung, bei der über 300 Proben genommen
wurden, von denen etwa 90 aus dem Dachstuhl
stammen.3
Einen wahren Luxus für den Bauforscher stellt es
dar, dass die Ergebnisse der dendrochronologischen
Untersuchung mittels Schildern an den Balken des
Dachwerks angebracht wurden und ich mich so durch
ein mit Jahreszahlen beschriftetes Bauwerk bewegen
konnte.
Zur Erfassung der teilweise ineinander verschränkten
Dachwerke hat sich die Erstellung eines Grundrisses als
sinnvoll erwiesen, in dem die einzelnen Bauabschnitte
farblich abgesetzt dargestellt werden (Abb.1).
Dabei wurde nur die unterste Balkenebene erfasst,
also Bundtrame, Mauerbänke, Stuhlwände und die
Sparrenfußpunkte. Die Schnittebene liegt daher
knapp oberhalb der Bundtrame. Da die Sparren üblicherweise senkrecht über den Bundtramen liegen,
konnte auf deren Darstellung im Grundriss verzichtet
werden. In den wenigen Fällen wo das nicht so ist,
wurden die versetzten Sparren als punktierte Linie
dargestellt. Offensichtlich rezente statische Ausbesserungen und Ergänzungen sind im Plan nicht berücksichtigt.
Der Grundriss wurde vor Ort im Maßstab 1:33 1/3
gezeichnet und dann auf ein Computermodell übertragen. Da Hanfelden in einem 45 Grad Winkel zu den
Himmelsrichtungen angeordnet ist, wird in diesem
Text zur Vereinfachung ein Ideal-Nord verwendet,
das auf den Plänen immer links liegt.
1 Aigner 2002, 5-20.
2 Theune 2018, 9-16; Theune/Winkelbauer 2019; Winkelbauer 2021; Bizzarri 2021.
3 Dendrochronologische Altersbestimmung - Unterzeiring, Schloss Hanfelden durch die Universität für Bodenkultur,
Di. Dr. Michael Grabner, 2019-2023.
3
Abb. 1: Übersichtsplan über die Dachwerke von Schloss Hanfelden: Wohnturm orange, Nordwest-Trakt lila, Westtrakt hellblau,
Südtrakt rot, Osttrakt grün (Plandarstellung: M. Aigner 2023).
4
Die Gespärre und Mauerbänke sind im Plan nummeriert. Da das Gebäude ausgehend vom Wohnturm
in mehreren gegen den Uhrzeigersinn verlaufenden
Bauphasen erweitert wurde, sind auch die Gespärre
in jedem Dachwerk gegen den Uhrzeigersinn durchnummeriert. Die Mauerbänke sind mit aufsteigender
Buchstabenfolge, beginnend mit A an der Gebäudeaußenseite bezeichnet.
Zusätzlich wurde von jedem Bauteil ein Gespärre im
Schnitt gezeichnet.
ner vollen Tiefe in eine entsprechende Aussparung
(Sasse) im anderen Holz passt. An der Abbundseite
haben beide Hölzer dasselbe Niveau (Abb 2).
Das Schwalbenschwanzblatt oder Weißschwanzblatt
kann hauptsächlich Drucklasten aufnehmen, für
die Ableitung von Zuglasten ist es kaum geeignet.5
Die Kraftableitung verläuft fast ausschließlich über
die auf Druck belastbare, neben dem Blatt verbliebene Stirnfläche des Balkens. Das Blatt selbst dient
hauptsächlich zur Positionierung und Fixierung der
Druckflächen. In Hanfelden findet man das Weißschwanzblatt an der Verbindung Sparren-Kehlbalken,
Dendrodaten
Sparren-Sparrenknecht, Sparrenknecht-Bundtram
Während der Grundrissplan bestenfalls relativchro- und Stuhlsäule-Strebe.
nologische Schlüsse auf den Bauablauf erlaubt, Ein Vorteil des Blattes gegenüber der Zapfenkann „das Wunder der Dendrochronologie“ für verbindung ist, dass es im Bauablauf auch
jedes beprobte Bauholz ein absolutes Fälldatum nachträglich von der Seite in das schon aufangeben. Daraus ergibt sich eine eng gefasste Datie- gerichtete Gespärre eingesetzt werden kann.
rung für jeden einzelnen Bauteil. Die große Anzahl an
Proben gewährt hier eine gewisse Sicherheit und die Zapfenverbindungen werden in Hanfelden vor allem
Möglichkeit völlig aus der Reihe fallende Datierung am Sparrenfuß eingesetzt, der mit abgestirntem
als Ausnahmen einzuordnen und Erklärungsansätze Zapfen in den Bundtram eingezapft ist. Dazu wird
für die Abweichung zu suchen. Die Gefahr, ein ganzes aus dem Sparrenende ein Zapfen von etwa 1/3 der
Gebäude an einer einzigen Dendrodatierung aufhän- Balkenbreite herausgearbeitet. Die Lastabtragung
erfolgt über den Druckkontakt zwischen der Zapfengen zu müssen, bestand also in keinster Weise.
Die Proben sind im Text in der Formatierung stirnfläche und der Stirnfläche des Zapfenlochs. Bei
(#Probennummer, Jahr, WK = Waldkante/oWK= ohne Vorholzlängen (also der Distanz zwischen Zapfenloch und Bundtramende) unter 20 cm besteht die
Waldkante) angegeben, also etwa (#24, 1498, WK).
Gefahr, dass der längs der Faser belastete Bundtram
abschert.6
Zimmermannsmäßige Verbindungen
In Hanfelden ist die Vorholzlänge durchwegs unter
Unter zimmermannsmäßigen Verbindungen versteht diesem Limit, zusätzlich ist unterhalb des Zapfenman Verbindungen aus Hölzern die ohne Zuhilfe- lochs noch ein Schwalbenschwanz herausgearbeitet.
nahme anderer Materialien auskommen. Bis Ende Trotzdem sind aber keine entsprechenden Schäden
des 19. Jahrhunderts waren sie die einzige, oder zu beobachten.
zumindest bevorzugte Methode Bauhölzer miteinanDie Kammverbindung verbindet zwei liegende über
der zu verbinden um damit Tragwerke zu bauen.4
Der generelle Nachteil zimmermannsmäßiger Verbin- Kreuz gelegte Balken. Dazu werden Aussparungen in
dungen besteht darin, dass sie große Querschnitts- beide Balken eingeschnitten, die zusammen weniger
minderungen erfordern. Endet z.B. ein Sparren von hoch sind als der Balkenquerschnitt, wodurch die
15 x 15 cm in einem Zapfen, so ist dessen auf Druck beiden Balken an der Abbundseite nicht dasselbe
belastete Stirn nur noch etwa 5 cm breit. Generell Niveau haben.
sind zimmermannsmäßige Verbindungen besser zur In Hanfelden finden sich Kammverbindungen hauptAbleitung von Drucklasten geeignet, als für Zuglas- sächlich als Überkämmung der Bundträme auf die
Mauerbank. Dabei wird ein Schwalbenschwanzten.
kamm verwendet, bei dem an der Unterseite des
Bei der Verblattung wird am üblicherweise schwä- Bundtrams ein sich zum Balkenende hin verbreicheren Holz ein dünnes Blatt geschaffen, das in sei- terndes Dreieck herausgearbeitet wird, das in eine
4 Meisel 2025, 75.
5 Meisel 2015, 108.
6 Müller 2016, 21.
5
Abb. 2: Zimmermannsmäßige Verbindungen an einem Sparrenfuß im Westtrakt (Explosionszeichnung: M. Aigner 2023).
Dreieck, gebildet aus Bundtram als Dreiecksbasis
und zwei am First miteinander verbundenen Sparren
als Schenkel. Die Dachlast tendiert dazu, das Dreieck
an der Basis auseinanderzudrücken, was vor allem
durch den auf Zug belasteten Bundtram, in den die
Sparren mit einem Zapfen eingebunden sind, verhindert wird. Das Sparrendreieck wird daher in der Regel
durch weitere Bauteile zusätzlich ausgesteift:
Der Sparrenknecht ist ein senkrechter Balken, der
Grundprinzip des Sparrendaches
den Sparren im unteren Drittel mit dem Bundtram
verbindet. Der etwa auf halber Höhe des SparrenIn Hanfelden werden ausschließlich Sparrendächer
dreiecks angebrachte Kehlbalken ist ein waagrechverwendet. Beim Sparrendach wird die Dachlast
ter Balken der hauptsächlich auf Druck belastbar ist
durch eine Reihe von parallel zueinanderstehenden
und die Sparren gegenseitig abstützt. So können die
formstabilen Dreiecken, den sogenannten GespärWindlast und andere einseitige Durchbiegungen des
ren, direkt auf die traufseitigen Außenseiten des
Sparrens (etwa durch ungleiche Schneelasten) auf
Gebäudes abgeleitet (Abb.3).
beide Sparren aufgeteilt werden.8
Solange das Sparrendreieck in sich stabil ist, entsteKreuzstreben verbinden die beiden Sparren in Form
hen keine Schubkräfte auf die Gebäudemauern, denn
eines Andreaskreuzes. Die Sparren sind auf die
alle Kräfte werden senkrecht nach unten abgeleitet.
Mauerbänke aufgekämmt, die direkt auf dem traufDas Gespärre ist in seiner einfachsten Form ein
seitigen Mauerwerk des Gebäudes liegen und so
entsprechende Sasse in der Mauerbank passt. Diese
Verbindung kombiniert den auf Druck belastbaren
Vollkamm mit dem auf Zug belastbaren Schwalbenschwanz (Abb.2).
Der an vielen Holzverbindungen angebrachte Holznagel dient ausschließlich zur Lagesicherung der
Verbindung und kann selbst keine großen Lasten
aufnehmen.7
7 Meisel 2015, 104.
8 Meisel 2015, 30.
6
Abb. 3: Bezeichnung der Bestandteile des Sparrendachs mit Walm im Westtrakt (Schrägriss: M. Aigner 2023).
die Last der einzelnen Sparren gleichmäßig auf die
Außenmauern verteilen, um Punktlasten zu vermeiden.
Der Walm ist eine dreieckige, nach innen gekippte
Dachfläche an der Schmalseite des Gebäudes. Die
Gratsparren laufen von der Gebäudeecke zum First.
Als Schifter werden Balken bezeichnet, die am Walm
nicht bis zum First laufen, sondern nur bis zu den Gratsparren. An dem Gespärre an dem der Walm anliegt
wird oft noch ein zusätzlicher Kehlbalken angebracht,
der als Hahnenbalken bezeichnet wird. Von der Mitte
des Hahnenbalkens führt eine senkrechte Strebe, der
sogenannte Kaiserstiehl, zum First um die Auflagefläche für die diversen Walmhölzer zu vergrößern.
Der Wohnturm in der Mitte der Nordfassade ist der
älteste und mit einer Fläche von etwa 10,40 x 10,40
m der mit Abstand breiteste Bauteil von Schloss
Hanfelden. Das etwa 7 m hohe Dach des ursprünglich
freistehenden Gebäudes erforderte die aufwändige
Dachkonstruktion eines Sparrendachs mit drei Kehlbalkenebenen und doppelt stehendem Stuhl. Durch
den beidseitigen Vollwalm reduzierte sich die Firstlänge auf knapp 6 m, weshalb das Dachwerk nur 5
Gespärre aufweist (Abb. 4).
An der Traufe war eine umlaufende, leicht auskragende Schildwand mit Schießscharten integriert.
Schildwand
Die Schildwand ist eine im späten 15. Jahrhundert
in Mode gekommene Verteidigungseinrichtung aus
unterhalb der Dachtraufe liegenden Holzbalken,
in die Schießscharten für Feuerwaffen integriert
waren.9 Mit einer Schildwand konnten auch nicht
militärische Gebäude wie Kirchen, Kirchhofmauern
oder Wohnschlösser mit einer bedingten Wehrhaf-
Wohnturm
Spannweite: 10,40 m
Länge:
10,40 m
Höhe:
6,95 m
9 Ein gut datiertes Beispiel (1495) findet sich im Torturm von Schloss Pöggstall/NÖ, siehe Aichinger-Rosenberger 2017, 74-75.
7
Abb. 4: Grundriss Dachwerk über dem Wohnturm, Bauphase 1499 orange (Grundriss: M. Aigner 2023).
tigkeit ausgerüstet werden10, allerdings erforderte Die Schildwand besteht also aus zwei übereinanderder Einbau einer Schildwand meist einen kompletten gestapelten Holzbalken von etwa 17x 21 cm. An jeder
Gebäudeseite waren 4 Scharten angebracht, die je
Neubau des Dachwerks.
zur Hälfte aus jedem der beiden Balken geschnitIn Hanfelden war die Schildwand an allen 4 Seiten ten sind. Sie haben innen eine Breite von 26 cm und
des Wohnturmes knapp unterhalb der Dachtraufe verjüngen sich nach außen bis auf 7 cm (Abb. 6).
mit einem Abstand von 50 cm zur Außenmauer des Durch die Auskragung der Schildwand entstand
Gebäudes angebracht.
zwischen Mauer und Schildwand über die gesamte
Sie liegt auf einer untersten Balkenebene auf, die Gebäudelänge ein etwa 30 cm breite „Wurfspalte“,
heute im Dachraum kaum sichtbar ist, weil sie von der die wohl für eine Wehrfunktion (Sehen, Schießen,
Estrichschicht überdeckt wird. Auf jeder Gebäudeseite Werfen) genutzt wurde. Diese ist heute mit einem
kragen 3 Balken 50 cm weit über die Gebäudeflucht von unten angenagelten Abdeckbrett verschlossen.
vor und werden an ihrem Kopfende von dem unteren Da der Sparrenfußpunkt direkt an der Innenseite
Balken der Schildwand überkämmt (Abb. 5).
der Schildwand liegt, würden die Scharten durch die
Auch die Mauerbänke des Dachwerks überkämmen Dachhaut verdeckt werden. Hier sorgen die Dachdiese untere Balkenebene und werden ihrerseits latten mit etwa 10 cm Durchmesser dafür, dass die
von den ebenfalls auskragenden Bundtramen über- Dachhaut gerade noch an der Oberkante des oberen
kämmt. Der obere Balken der Schildwand überkämmt Schildwandbalkens endet. Es gab hier also keinerwiederum die Bundtrame. Dadurch entsteht ein drei- lei Dachüberstand, der das ohnehin schon mäßige
lagiger sehr massiver und starrer Rahmen, der den Schussfeld weiter eingeschränkt hätte.
über die Mauerflucht auskragenden Holzkranz der
Schildwand sowie das Sparrendach trägt.
10 Zur Wehrkirche Diex in Kärnten siehe Kafka 1957, 390-408.
8
Abb. 5: Konstruktionsdetail der Schildwand (Schnitt: M.
Aigner 2023).
Abb. 6: Scharte in der Schildwand (Foto: M. Aigner 2023).
Die Scharten liegen heute nur wenige cm über dem
Dachestrich, sind so also gar nicht oder zumindest
nur schwer verwendbar. In zeitgleichen Vergleichsbeispielen wie Schloss Goldegg/SBG (um 1530) oder
Schloss Grades/KTN kragt die Schildwand auf einem
etwa 1 m hohen Kniestock aus und die Dachlinie
kreuzt die Außenwand etwa 2 m über dem Fußbodenniveau, wodurch ein hoher Gang entsteht auf
dem man sich problemlos entlang der Schildwand
bewegen kann.11 Das Problem der die Scharten
verdeckenden Dachhaut wurde gelöst, indem die
Schildwand oberhalb der Scharten um einen dritten
Balken erhöht wurde wodurch sich der Abstand zur
Dachtraufe erhöht.
In Hanfelden dagegen sitzt die gesamte Dachkonstruktion gute 2 m tiefer als in Goldegg und Grades. Daher
kann man hier bestenfalls liegend schießen und auch
die Bewegung von einer Scharte zur anderen ist nur
erschwert möglich. Aber auch für diese wenig ergonomische Variante gibt es Vergleichsbeispiele, etwa
auf dem ehemaligen Wohnturm der Festenburg/
STMK, bei dem aber die oberste Geschoßdecke beim
Umbau vom Wohnturm zur Kirche nachträglich angehoben wurde.12 So wäre auch in Hanfelden zu prüfen,
ob zu einem Zeitpunkt als die Schildwand nicht mehr
benötigt wurde, die Decke über dem 2.Obergeschoß
unter Wiederverwendung der originalen, auf 1498
dendrodatierten Deckenbalken angehoben wurde.
Heute ist die Schildwand nur noch an der Nordseite
in vollem Umfang erhalten. An der Hofseite, wo nach-
träglich mit Anschieblingen ein größerer Dachüberstand geschaffen wurde, musste der obere Balken
der Schildwand entfernt werden. An der Westseite
fehlt die Schildwand heute zur Gänze, an der Ostseite
ist nur die obere Hälfte erhalten.
Gespärre
Wegen der oben beschriebenen Schildmauer hat das
Dachwerk über dem Wohnturm als einziger Bauteil
in Hanfelden einen Dachüberstand von etwa 50 cm.
Die Auflagepunkte des Sparrenfußes liegen also nicht
über der Mauerbank, sondern auf der Auskragung
des Bundtrams zwischen Mauerbank und Schildwand, wo die Sparren mit schrägem Zapfen eingezapft sind (Abb. 5).
Die Gespärre haben drei Kehlbalkenlagen: Der
unterste Kehlbalken ist in einer Höhe von 2,7m (über
der Unterkante Bundtram) mit Weißschwanz an die
Sparren angeblattet und wird von den beiden Stuhlwänden unterstellt (Abb. 7). Der mittlere Kehlbalken
liegt in einer Höhe von 4,5 m, der oberste in 5,8 m
also ca. 1 m unterhalb des Firsts.
An der Oberseite des untersten Kehlbalkens sind
schräge Sparrenknechte angeblattet, die knapp
unterhalb des mittleren Kehlbalkens mit dem Sparren
verblattet sind. Schräge Sparrenknechte finden sich
schon an den wenigen erhaltenen romanischen
Dachwerken, etwa an der Johanneskapelle in Pürgg
11 zu Goldegg siehe Schlegel 1941, 193-202.
12 Mayrhofer 2022, 45.
9
Abb. 7: Wohnturm Gespärre 3, Schnitt gegen Westen (Schnitt: M. Aigner 2023).
/STMK, haben aber eine Laufzeit bis in das späte 15.
Jahrhundert.13
Die Gespärre 1 und 5, an denen der Ost- und Westwalm anschließen, haben zusätzlich noch einen
Kaiserstiel, der an der Ostseite, wo der Walm vollständig aber ohne Dachhaut erhalten ist, noch
vorhanden ist. An der Westseite, wo der Walm bei
der Erweiterung um 1504 abgetragen wurde, ist er
anhand der leeren Sasse rekonstruierbar.
Die Gespärre 2 und 4 haben an Stelle des durchgehenden Bundtrams nur kurze Stichbalken zwischen
der auskragenden Schildwand und der Mauerbank.
Am Gespärre 3, das in der Gebäudemitte liegt, wurde
der Bundtram mit einem zweiten Balken verstärkt,
der die Stuhlschwellen überkämmt und an den
Enden in den dreieckigen Zwickel zwischen Bundtram und Sparren eingepasst wurde (#301, 1497
WK). Der Balken besteht aus zwei Teilen, die in der
Mitte mit geradem Blatt verbunden sind. Möglich
wäre ein Zusammenhang mit der auf diesem Balken
stehenden Göpelwinde.
Stuhlwand
Als einziges Dachwerk von Hanfelden verfügt der
Wohnturm über einen doppelt stehenden Stuhl. Zwei
identisch ausgeführte Stuhlwände stehen firstparallel
mit einer Schwelle direkt auf den Bundtramen. Zwei
Stuhlsäulen, jede gestützt von einem Steigband und
einer Kopfstrebe tragen den Stuhlrähm, auf dem die
untere Kehlbalkenreihe aufliegt (Abb. 20). Die Stuhlwand hat keinerlei firstnormale Aussteifungen.
Wichtig zum Verständnis eines Sparrendaches ist,
dass der Stuhl nur den Kehlbalken unterstellt, aber
nicht die Sparren trägt. Er dient also in erster Linie
der Längsaussteifung des Daches und nicht der Ableitung der Dachlast.14
13 Fuchsberger 2020, 115.
14 Meisel 2015, 27.
10
Walm
eine stabile Arbeitsplattform für die Zimmerleute
entsteht. Dann werden die Sparren in den Bundtram
An der Ost- und Westseite lag ursprünglich jeweils eingezapft, am First mit einem Scherzapfen verbunein etwa 70 Grad steiler Vollwalm auf der auskra- den und an den auf der Stuhlwand liegenden Kehlbalgenden Schildwand auf, der heute von außen nicht ken angeblattet. Die Blattverbindung hat gegenüber
mehr sichtbar, aber am Tragwerk des Daches noch der Zapfenverbindung den wesentlichen Vorteil, dass
klar nachweisbar ist: Das Tragwerk des Ost-Walms ist man die Kehlbalken und Streben von der Seite in das
noch zur Gänze erhalten, beim Anbau des Osttrak- schon stehende Gespärre einsetzen kann. Folglich
tes wurde nur die Dachhaut (Lattung und Deckung) wurden der mittlere und obere Kehlbalken, sowie
entfernt. Der West-Walm dagegen wurde nur 4 Jahre die Sparrenknechte wahrscheinlich erst nachträglich
nach seiner Errichtung beim Anbau des Nordwest- montiert.15
Traktes abgebrochen.
Winde
Dachlattung
Obwohl die Dachlatten nicht dendrodatiert werden
konnten, lässt sich sagen, dass ein guter Teil davon
noch aus der Bauzeit um 1500 stammt, denn an der
nördlichen Dachfläche enden die Dachlatten genau
am Gratsparren des ursprünglichen östlichen Walms.
Das Dach des um 1525 angebauten Osttraktes hat
zwar genau dieselbe Neigung wie die nördliche Dachfläche des Wohnturms, jedoch sind die Dachlatten an
der Schnittstelle der beiden Dachwerke gestückelt.
Das macht nur Sinn, wenn 1525 auf eine schon bestehende Dachlattung Rücksicht genommen wurde.
Diese originalen Dachlatten aus 1499/1500 sind nur
grob glattgehackte Rundlinge, von etwa 10 cm Durchmesser. Spätere Ergänzungen und Ausbesserungen
sind deutlich schwächer dimensioniert und kantiger
im Querschnitt.
An der Hofseite wurde die Dachtraufe mit Aufschieblingen, die etwa auf Höhe des ersten Kehlbalkens
ansetzten, nach außen verschoben. Hier liegen die
jüngeren, gesägten Dachlatten also nicht direkt an
den Sparren, sondern an den Aufschieblingen auf.
In der Mittelachse des Gebäudes, aber etwa 1m nach
Süden versetzt, steht eine Göpelwinde für einen
Lastenaufzug, auf die hier nicht näher eingegangen
werden soll.
Datierung
Die Dendrodaten für das gesamte Dachwerk über
dem Wohnturm liegen zwischen 1497 und 1499. Als
Baujahr kann folglich das Erste, dem letzten Jahresring folgende Jahr, also 1500 angenommen werden.
Das ist unmittelbar nach der Deckenkonstruktion
über dem 2. Obergeschoß, die Dendrodaten von
1497 bis 1498 aufweist
Nord-Westtrakt
Spannweite: 11,88 m
Länge:
ca. 7,50 m
Höhe:
ca. 6, 90 m
Der Nord-West-Trakt wurde als zweite Bauphase nur
wenige Jahre nach dem Wiederaufbau des Wohnturms errichtet und mit dem Turm unter einem
Bauablauf
gemeinsamen Walmdach zusammengefasst.
Stuhlwände haben neben ihrer statischen Funk- Dabei wurde nach nur 4 Jahren der westseitige Walm
tion auch den Vorteil, dass während der Errichtung des Wohnturms wieder abgebrochen und die Firstlieine Hilfskonstruktion zur Verfügung steht, die das nie um 3 Gespärre nach Westen verlängert, wo das
Aufrichten großer Dachwerke wesentlich erleichtert. Dach wieder mit einem steilen Walm endete (Abb. 8).
Das Aufrichten ganzer Gespärre stößt bei sehr hohen
Dachwerken bald an die Grenzen des Möglichen.
Konstruktionsprinzip
Daher wurde der Stuhl auch als Hilfskonstruktion
während des Baus eingesetzt.
Für das Dachwerk über dem Nordwest-Trakt wurde
So werden zuerst die Bundtrame verlegt, dann die keine Konstruktion aus dem Lehrbuch verwendet wie
beiden Stuhlwände errichtet und die unterste Kehl- in den anderen Teilen des Schlosses, sondern eine
balkenlage auf den Stuhlrähm gelegt, wodurch eher unorthodoxe Konstruktion. Der Grund dürfte
15 Meisel 2015, 32-34.
11
Abb. 8: Grundriss Dachwerk über dem Nordwest-Trakt:
Bauphase 1503 untere Ebene hell-lila, obere Ebene (Stuhlwand und darüber) dunkel-lila, Umbauten von 1727 braun.
(Grundriss: M. Aigner 2023).
in den ungewöhnlichen Proportionen liegen. Die
Erweiterung war in Firstrichtung nur 6,5 Meter lang,
wovon etwa die Hälfte als Walm ausgebildet wurde,
aber wegen der auskragenden Nordfassade 12 Meter
breit. Folglich hat man die Mauerbänke, auf denen
die Sparrenfüße stehen, mit zwei im rechten Winkel
zum First stehenden Stuhlwänden um etwa 1,5 m
aufgeständert (Abb. 9).
Auf einem Raster aus Schwellen und Mauerbänken
stehen 2 Stuhlwände nicht parallel zur Firstlinie, wie
das üblich wäre, sondern im rechten Winkel dazu.
Diese sind auf Höhe des Stuhlrähms mit massiven
Balken überkämmt, welche die Funktion einer aufgeständerten Mauerbank haben, weil auf ihnen die
Gespärre aufliegen.
Walm an der Westseite
im Bereich des westlichen Walms eine etwas andere
Konstruktion, als sie heute existiert (Abb. 10).
Bei Vischer liegt über Wohnturm und Nordwest-Trakt
ein durchgehendes Satteldach mit westseitigem
Walm, an das ein etwas niedrigeres Satteldach über
dem Westtrakt anschließt. Der Walm des Daches
über Wohnturm und Nordwest-Trakt ist steiler als die
Neigung des Daches über dem Westtrakt. Heute ist
die Neigung des Walms an die Neigung des Daches
über dem Westtrakt angepasst, d.h. die Firstlinie des
Nordwest-Traktes wurde gekürzt und dadurch die
Neigung des Walms reduziert. Der wahrscheinlichste
Grund für die Mühe dürfte der Wegfall einer Ichse
im Anschluss an den Westtrakt sein, die immer eine
Schwachstelle in der Dichtheit des Daches darstellen.
Wesentlich für das Verständnis der Dachkonst- Viele der unerklärlichen Eigenheiten des Daches
ruktion ist ein Umbau, der auf der Darstellung bei über dem Nordwest-Trakt dürften auf diesen Umbau
Vischer aus dem Jahr 1681 erkennbar ist.16 Sie zeigt zurück zu führen sein.
16 Vischer 1681, 158.
12
Abb. 9: Nord-West-Trakt: Stuhl 2 und Gespärre 3. Schnitt gegen Osten.
Stuhlwand 2 von 1504 lila, wiederverwendetes Gespärre von 1504 mit Kaiserstil hell-lila, Schleppdach braun, statische Ergänzung
grün (Schnitt: M. Aigner 2023).
Mauerbänke
Schwellen
Da die gesamte statische Konstruktion im Vergleich
zu einem herkömmlichen Dach um 90 Grad gedreht
ist, bezeichne ich hier die Nord-Süd verlaufenden
untersten Hölzer als Mauerbänke (Abb. 8).
Zwei Mauerbänke sind parallel zu den Gespärren
angeordnet, was höchst ungewöhnlich ist.
Mauerbank A liegt auf der Westwand des NordwestTraktes auf und ist mit 1499 dendrodatiert (#14,
1499, WK), also gleichzeitig mit dem Wohnturm, aber
3 Jahre älter als die Deckenbalken im 2. Obergeschoß
der Erweiterung.
Die Mauerbank A wurde 1727, wahrscheinlich wegen
Bauschäden, mit einem etwas stärkeren Balken überbaut (#13, 1727 WK), wobei der ältere, beschädigte
Balken in situ belassen wurde.
Als Mauerbank B wurde die westliche Walmschwelle
des Wohnturms aus dem Jahr 1499 verwendet. Sie
liegt auf der Innenkante der Westwand des Wohnturms auf.
7 Schwellen liegen in Ost-West-Richtung (also parallel zur Firstlinie) und sind auf die originale (untere)
Mauerbank A aufgekämmt und überkämmen die
östliche Mauerbank B um etwa einen Meter. Die
Erneuerung der Mauerbank A aus dem Jahr 1727
liegt über diesen Schwellen.
Schwelle 1 liegt auf der Nordwand auf, die gegenüber
der Nordwand des Wohnturms etwa 3 m auskragt
und ist wahrscheinlich eine Auswechslung aus dem
Jahr 1727. Auf ihr liegt das Schleppdach auf, das
diese Auskragung überdacht.
Schwelle 2 (#295, 1502+1 WK) und 3 (#294, 1502
WK) sind mit 30 cm Breite deutlich stärker dimensioniert als die Schwellen 4-7 und haben an der Westseite 2 schräge Sassen im Winkel von ca. 45 Grad, die
wahrscheinlich als Fundament des heute nicht mehr
existierenden Ecktürmchens zu interpretieren sind.
Schwelle 4 (#159, 1502 WK) und Schwelle 5 (#157,
1499+mind. 1 o. WK) haben etwa 80 cm vor der
Mauerbank A an der Oberseite ein Zapfenloch, wahr-
13
Abb. 10: Vischer’s Ansicht von 1681 mit dem steileren Walm und Ecktürmchen. Rechts der heutige Zustand mit dem abgeflachten
Walm über dem Nord-West-Trakt (Stich: G. M. Vischer 1681).
scheinlich im Zusammenhang mit dem ursprünglich
steileren Walm.
Schwelle 7 (von Süden gezählt) liegt direkt an der
Grenze zum Dachwerk des Westtraktes auf der
Mauerbank A auf (Abb. 11). Die Verbindung zur
Mauerbank A lohnt eine nähere Betrachtung, weil sie
auch Aufschlüsse zur Baufuge zwischen Nord-West
und Westtrakt gibt:
Von außen ist zu erkennen, daß die Schwelle die
untere Mauerbank A von 1499 nicht überkämmt,
sondern stumpf auf der Kammsasse aufliegt, die
doppelt so breit ist wie die Schwelle. Der Rest der
Kammsasse ist mit einem zweiten Balkenstück
„zugestopft“, das von innen als Rest einer Kammverbindung erkennbar ist. Dieser zweite Balken wurde
auf Breite der Mauerbank abgeschnitten und um 90
Grad gedreht eingebaut um die Lücke zu schließen.
Es scheint also, dass hier ursprünglich eine doppelt
so breite Schwelle verbaut war, die zur Aufnahme der
Gespärre ausreichend dimensioniert gewesen wäre.
Diese wurde dann zu einem unbekannten Zeitpunkt
durch den jetzigen, nur 15x15 cm messenden Balken
ersetzt. Da die obere Mauerbank von 1727 ebenfalls
die breite Kammsasse aufweist, scheint dieser Zeitpunkt nach 1727 zu liegen.
Ein weiterer Hinweis auf den Austausch des Balkens
ist der Mörtelabdruck in der Westwand, der bei der
Errichtung des Westtraktes entstand und nicht zu
dem jetzigen Balken passt
Die Mauerbank A kragt in diesem Bereich etwa 20-30
cm über die durch eine Baufuge klar definierte südliche Mauerflucht des Zubaus hinaus. Anscheinend
wurde auch hier – wie im Osttrakt- die wegen der
Schildwand nach außen versetzte Traufkante des
Abb. 11: : Baufuge Nordwest-Trakt und Westtrakt von außen
gesehen(Umzeichnung: M. Aigner 2023).
Wohnturms aufgenommen, jedoch ohne die Funktion einer Schildwand.
Die Schwelle 7 wurde an der Hofseite durch den
Einbau des Kamins gestört, bzw. dort abgesägt.
Zwischen Schwelle 6 und 7 ist an der Westseite ein
Wechselbalken angenagelt, der wahrscheinlich zu
einem Kragbalken für einen Lastenaufzug gehört,
mit dem Lasten in das darunterliegende Geschoß
gehoben werden konnten. Dieser ist auf Fotos um
1960 zu sehen.
Stuhlwände
Drei Stuhlwände unterschiedlicher Bauart stehen in
Nord-Südrichtung (also im 90 Grad Winkel zum First
und im 90 Grad Winkel zu den beiden Stühlen über
dem Wohnturm!!).
14
Stuhlwand 1, mit einer Länge von 7,5 m steht etwa
an der Innenkante der Westwand des Wohnturms
auf einer Stuhlschwelle, die die Schwellen 3-6 überkämmt. Er steht leicht schräg zur Mauerflucht des
Turms, die durch die Mauerbank B definiert ist. Es
scheint als wollte man der Nord-Ost-Ecke des erst
nach 1512 errichteten Westtraktes ausweichen.
Drei senkrechte Stuhlsäulen, die mittlere über der
Schwelle 5, die beiden äußeren ohne Bezug zum
Schwellenraster, tragen den Stuhlrähm, der auf etwa
1504 datiert ist (#253, 1503+1 WK). Zwei Kopfbänder
an der mittleren Säule und jeweils ein Kopfband und
ein das Kopfband überkreuzendes Fußband an den
beiden äußeren Säulen steifen die Stuhlwand aus.
Stuhlwand 2, mit einer Länge von 9,4 m, steht etwa
in der Mittelachse des Westtraktes ohne Stuhlschwelle direkt auf den Schwellen 3, 5 und 7. Sie hat
ebenfalls drei Säulen, die mit Kopfbändern den mit
1504 datierten Stuhlrähm (#254, 1503+1, WK) tragen
(Abb. 9). Bei der südlichen Stuhlsäule fällt auf, dass
die Kopfbänder am Rähm mit Weißschwanz verblattet sind, an der Stuhlsäule aber mit einem Hakenblatt mit geschweifter Stirn, einer Detailform die in
Hanfelden nur an dieser einen Stelle vorkommt und
eher in das 17. Jahrhundert zu datieren ist.17
Im Gegensatz zu Stuhl 1 ist Stuhl 2 zu lang um unter
die Dachfläche des Gebäudes zu passen, denn die
südliche Stuhlsäule steht schon außerhalb der durch
die Sparren definierte Dachfläche (Abb. 9). Stuhl
1 und Stuhl 2 sind auf Höhe des Stuhlrähms mit 4
Querbalken überkämmt die um 1502 datieren (#300,
1502+1 und #16, 1502 WK). Erst auf diesen Balken
liegen die Sparrenfüße auf.
Die gesamte Konstruktion wird durch die Dendroproben also um 1504 datiert, passt aber nicht unter das
Dach von 1504. Eine schlüssige Erklärung für diesen
Widerspruch konnte nicht gefunden werden.
Der Querschnitt durch Stuhl 2 und Gespärre 3 zeigt,
dass die Auflagepunkte des Stuhls genau dort liegen,
wo die Sparrenfüße eines „normalen„ Sparrendaches auf die Mauerbank treffen würden (Abb. 9).
Warum man sich also die Mühe gemacht hat, die
Gespärre auf „zwischengeschaltete“ Stuhlwände zu
stellen, bleibt rätselhaft. Ein möglicher Grund wäre,
dass 1504 die Westseite des neu errichteten Traktes
nicht stabil genug gewesen war um die Mauerbank
zu tragen.
Stuhl 3 ist nur eine schwache Hilfskonstruktion die
etwa 1,5 m innerhalb der Westmauer steht. Sie
besteht nur aus einem einzelnen Balken, der die
Schwellen 2, 3, und 4 überkämmt und 4 Streben, die
ohne Stuhlrähm die Walmschifter abstützen.
Gespärre
Drei Identische Gespärre verlängern die Firstlinie des
Wohnturms gegen Westen.
Sie haben 2 Kehlbalkenlagen, die aber nicht mit den
Höhen der Gespärre des Wohnturms korrespondieren, keinen Bundtram und keine Fußstreben. Die
Dachneigung beträgt etwa 55 Grad.
Alle 3 Gespärre stehen ohne Bundtram auf den
beiden von den Stuhlwänden aufgeständerten
Mauerbänken auf.
Gespärre 3, (#252, 1504 WK) das zwischen Hahnenbalken und First den für den Walm typischen Kaiserstil hat, steht nicht im rechten Winkel zur Firstlinie,
sondern leicht verdreht. Außerdem steht es nicht in
der Lotrechten, sondern wurde leicht nach hinten
(Osten) gekippt. Es scheint also, dass beim Umbau
des Walms vom „Vischer-Walm“ auf den heutigen,
flacheren Walm das ursprüngliche Gespärre wiederverwendet aber gekippt wurde, um die Firstlänge zu
verkürzen.
Ein firstparalleler Balken, der die 3 Gespärre auf Höhe
des Hahnenbalkens verbindet, könnte eine improvisierte Kippsicherung darstellen.
Die wesentlichste Eigenheit der gewählten Konstruktion ist, dass die Sparrenfußpunkte nicht auf der
Mauerkrone des Gebäudes aufliegen, sondern etwa
1,5 m höher und etwa 1,1 m innerhalb der Mauer.
Daher kann das Dach seine wesentlichste Aufgabe,
das Tragen einer Dachhaut, nicht vollständig erfüllen und es verbleibt ein etwa 1,1 m breiter Streifen
der nicht überdacht ist. An der Nordseite wird das
durch das Schleppdach kompensiert, an der Südseite
durch das angrenzende Dach des um 1512 errichteten Westtraktes. Das Dachwerk kann in dieser Form
also erst frühestens mit Errichtung des Westtraktes
entstanden sein. Es kann daher trotz der zahlreichen
Dendrodatierungen um 1504 nicht die primäre Konstruktion darstellen.
17 Einige gut datierte Beispiele für diese Verbindung in der Pfarrkirche Hl. Martin in Sallingstadt (NÖ), um 1651(d). Buchinger/
Grabner 2017, 255.
Pfarrkirche Hl. Leonhard in Grossgöttfritz (NÖ), um 1683(d). Buchinger/Grabner 2017, 114.
15
Schleppdach
Der gegen Norden auskragende Bereich des Westtraktes mit der Abtrittanlage ist mit einem Schleppdach überdacht. Die Rofen mit der beeindruckenden
Länge von 10 m sind unmittelbar unterhalb des Firsts
an den nordseitigen Sparren der Gespärre 1-3 befestigt, wahrscheinlich genagelt. An den nördlichen
Sparren findet sich knapp über dem Sparrenfuß eine
leere Blattsasse, wahrscheinlich für eine Strebe, um
die Rofen des Schleppdaches in der Mitte abzustützen.
Die nordseitigen Sparren der Gespärre 1-3 zeigen
keine Nagellöcher oder abgebrochene Nägel, die
auf eine herausgerissene Dachlattung hinweisen
könnten. Das kann als Hinweis dienen, dass die Nordseite nie eine Dachhaut hatte und das Schleppdach
zeitgleich mit dem Sparrendachwerk über dem Nordwest-Trakt errichtet wurde.
Gleichzeitig fehlt aber mit der Dachlattung jede
Querversteifung und Kippsicherung des ohnedies
eher wackelig stehenden Daches, bei dem wie oben
beschrieben einzelne Gespärre absichtlich nicht in
der Senkrechten verbaut wurden.
Walm
Die Gratsparren und Schifter des heutigen Walms
liegen auf dem oberen, auf 1727 datieren Balken der
Mauerbank A auf, wobei die Auflagepunkte keinen
Bezug zu den Schwellen haben. An den Schwellen
3 und 4 sind aber etwa 80 cm vor der Mauerbank
Zapfenlöcher, wahrscheinlich für senkrechte Streben
des älteren Walms, zu sehen. Heute werden die Gratsparren mit Streben gestützt, die auf den Stuhlwänden 2 und 3 stehen und auch zum Erstbau gehören,
aber gekürzt wurden. (#255, 1502+1 WK). All dies
sind Resultate aus dem massiven Umbau des Walms,
der wohl mit der Aufdoppelung der Mauerbank A um
1727 zu datieren ist.
Eckhäuschen an der Nordwest-Ecke
Ebenfalls bei Vischer ist ein heute nicht mehr existierendes Ecktürmchen an der Nordwestecke des
Gebäudes zu sehen, das sich jedoch an Hand von
Befunden im Dachwerk noch nachweisen lässt. In
den Schwellen 2 und 3 (#294, 1502, WK) sind jeweils
zwei leere Sassen zu beobachten, die schräg in Richtung der Nordwest-Ecke des Gebäudes angelegt sind.
Dort waren anscheinend drei massive Balken aufgekämmt, die links und rechts der Gebäudeecke über-
Abb. 12: Goldegg (SBG): erhaltenes Ecktürmchen und Schildwand an einem Dachwerk um 1530 (Foto: M. Aigner 2023).
standen und so als Fundament für das Ecktürmchens
dienten.
Ähnliche Ecktürmchen haben sich, ebenfalls in
Verbindung mit einer hölzernen Schildwand, im
Schloss Goldegg/SBG (Dachwerk um 1530) oder
Schloss Grades/KTN erhalten (Abb. 12).
Datierung
Das Dachwerk über dem Nordwest-Trakt wurde kurz
nach 1504, also nur wenige Jahre nach der Eindeckung des Wohnturms errichtet. Der Grund für die
eigentümliche Konstruktion ist ebenso ungeklärt wie
die Frage, ob die beiden Stuhlwände zum ursprünglichen Bestand gehören oder ein aus alten Bauteilen
zusammengezimmerter Umbau sind.
Um 1727 wurde der westliche Walm abgeflacht
und der Dachneigung des Westtraktes angepasst,
wodurch die Westansicht des Dachwerks deutlich
beruhigt wurde. Dabei wurden Großteils die Bauteile
von 1504 wiederverwendet.
Westtrakt
Spannweite : 7,95 m
Länge:
15,60 m
Höhe:
ca. 5,15 m
Was auf den ersten Blick wie zwei getrennte Dachwerke über den Räumen R04 und R05 wirkt, ist bei
näherer Betrachtung eine ursprünglich durchge-
16
Abb. 13: Grundriss Dachwerk über dem Westtrakt. Bauphase 1511 hellblau (Grundriss: M. Aigner 2023).
hende Konstruktion, die nachträglich durch Umbauten stark verändert wurde (Abb. 13).
Konstruktionsprinzip
weit auskragte.
Jede der vier Mauerbänke ist einmal gestückelt,
wobei der längere Teil immer an der Südseite liegt.
Die Verbindung der beiden Teile ist als gerades Blatt
ausgeführt, das zusätzlich mit 2 Holznägeln fixiert
wurde.
Das Dachwerk über dem Westtrakt ist ein Sparrendach mit Kehlbalken und Kreuzstreben mit Ost-West
verlaufender Firstlinie und südseitigem Walm. Die Gespärre
Spannweite beträgt einheitlich 795 cm, die Dachneigung ca. 50 Grad.
Die 11 Gespärre überkämmen mit einem durchschnittlichen Abstand von 1,3 m die 4 Mauerbänke (Abb. 14).
Mauerbänke
Alle 11 Gespärre haben einen Kehlbalken in einer
Höhe von 2,9 m (gemessen ab der Unterkante des
Die Gespärre liegen auf 4 Mauerbänken auf:
Bundtrams) und senkrechte Sparrenknechte knapp
Mauerbank A liegt über der Westmauer des Gebäuaußerhalb der Mauerbank B und C, die am Bunddes, Mauerbank B ohne Unterstützung von Mauertram und den Sparren mit Weißschwanz angeblattet
werk etwa 1,1 m östlich der Westmauer.
und mit einem Holznagel gesichert sind. Heute ist der
Bundtram nur noch an den Gespärren 1, 7, 9 und 11
Mauerbank C liegt auf der Ostmauer des Gebäudes
erhalten, die anderen Gespärre haben nur kurze Stichauf, Mauerbank D liegt heute auf dem Arkadengang
balken.
auf. Es besteht jedoch der Verdacht, dass der DachJedes zweite Gespärre (1, 3, 5, 7, 9 und 11) hat
stuhl älter ist als der Arkadengang, d.h. dass auch
zusätzlich überkreuzte Kreuzstreben, die an den
Mauerbank D ursprünglich nicht auf einer Mauer
Sparren angeblattet sind, sowie den Kehlbalken und
auflag und das Dachwerk an der Hofseite ca. 1,2 m
sich selbst überblatten.
17
Abb. 14: Westtrakt, Dachgeschoß und 2. Obergeschoß, Schnitt gegen Norden (Schnitt: M. Aigner 2023).
St. Leonhard in Tamsweg (SBG): um 1433, Kehlbalkendach, Bundtram, 2 Kehlbalken, Kreuzstreben und schräge Sparrenknechte.21
Im Waldviertel in Hl. Lorenz in Friedersbach (um
1434)22, Hll. Peter und Paul Strögen (um 1425).23
Ein seltenes Beispiel aus einem Profanbau im
Palas von Heidenreichstein (NÖ) konnte leider
nicht genau datiert werden (nach 1344 ohne
Pfarrkirche Hl. Jakob auf Frauenburg, Langhaus:
Waldkante).24
Kehlbalkendach mit 2 Kehlbalken, Kreuzstreben,
aber ohne Bundtram und ohne Sparrenknechte, • In Wien findet sich Kreuzstreben in den großen
Kirchenbauten des 14. Jahrhunderts: StephansSpannweite 11 m. Datierung um 1428.19
dom Chor (1340), Maria am Gestade Chor (1353),
Hl. Maria in Mariahof, Chor: Kehlbalkendach mit
Malteserkirche (1312).25
Kreuzstreben und doppelt stehenden Stühlen in
zwei Etagen. Spannweite 11,7 M, Datierung um Die Bundtrame überkämmen die mittleren Mauerbänke (MB-B und MB-C) und sind an den beiden
1438.20
Kehlbalkendächer mit Kreuzstreben sind eher selten. •
Die wenigen Beispiele finden sich an Kirchendachstühlen, die deutlich größere Spannweiten haben
als der Wohntrakt von Hanfelden. Auch datieren die •
steirischen Beispiele in das frühe 15. Jahrhundert,
gehören also zu den wenigen Dachwerken, die in den •
Türkeneinfällen um 1470 nicht zerstört wurden:18
•
•
18
19
20
21
22
23
24
25
Es ist wohl kein Zufall, dass die 3 überlebenden Beispiele aus dem Murtal in befestigten Anlagen stehen.
Fuchsberger 2020, 47-50.
Fuchsberger 2020, 101-109.
Binding 1991, 78; Abb. 86.
Buchinger/Grabner 2017, 77.
Buchinger/Grabner 2017, 278.
Buchinger/Grabner 2017, 351.
Liebich 2021, 40, 108, 381.
18
äußeren Mauerbänken (MB-A und MB-D) mit einem
über die gesamte Breite der Mauerbank reichenden
Schwalbenschwanzkamm fixiert. Die Sparrenfüße
sind im Bundtram direkt über der Mauerbank mit
schrägem Zapfen eingezapft, es gibt also kein Vorholz
(Abb. 2).
Auch im Westtrakt gibt es keine Windrispen zur
Querversteifung. Die Sparren werden nur durch den
Walm an der Südseite und durch die Dachlattung am
Kippen gehindert.
Anschieblinge
Da das Sparrendreieck kein Vorholz hat und wenige
cm innerhalb der Mauerstärke endet, musste ein
Dachüberstand mit Anschieblingen geschaffen
werden. Diese sind teils an einer Seite, teils an beiden
Seiten der Sparren angebracht.26 Die Anschieblinge
sind in handwerklich bescheidener Qualität aus etwa
armdicken Pfosten gearbeitet, die nur grob geglättet sind. Die Befestigung am Sparren erfolgte mittels
geschmiedeter Nägel. An der Mauerbank liegen sie in
einer kleinen, grob herausgearbeiteten Ausnehmung
auf.
An der Hofseite, also über dem Arkadengang, sind
die Anschieblinge unter der Mauerbank durchgesteckt und eingemauert.
Walm
Der südliche Abschluss des Daches ist als Walm
ausgebildet. Eine Schwelle ist über der südlichen
Schmalseite des Gebäudes angebracht, sie überblattete ursprünglich alle 4 Mauerbänke.
Zur Aufnahme der Schublast des Walms wurden
zusätzliche Binder zwischen der Schwelle und dem
Bundtram 11 eingebaut. Diese sind an der Schwelle
und am Bundtram 11 mit Schwalbenschwanz angeblattet, wobei auffällt, dass die Verbindung an der
Schwelle handwerklich besser ausgeführt ist als am
Bundtram. Hier wurde also die auf Zug belastbarere
Blattverbindung gewählt, bei der der Schwalbenschwanz, im Gegensatz zu der bei den Bundtramen
verwendeten Kammverbindung, über die gesamte
Balkenhöhe reicht.
Zwischen First und Kehlbalken von Gespärre 1 war
ein zusätzlicher Kaiserstiel angebracht, der heute nur
noch an Hand der leeren Sasse nachweisbar ist.
Der Walm über dem Westtrakt ist der Einzige in
Hanfelden, der nicht nachträglich an die Neigung
eines später angebauten Daches angepasst werden
musste, ein Hinweis, dass West- und Südtrakt in
einem Zug errichtet wurden.
Abschluss an der Nordseite
An der Nordseite endet das Dachwerk mit dem Vollgespärre 11, dessen Bundtram mit 1511 dendrodatiert
ist (#155, 1511WK). Es gibt hier keinerlei Anzeichen
für einen Walm, was den Befund unterstützt, dass
das Dachwerk über dem Westtrakt nachträglich an
das schon bestehende Dachwerk des Nord-Westtraktes angebaut wurde.
Erker und Ecktürmchen lt. Vischer
Die Bauhölzer des zweigeschoßigen Erkers an der
Südseite konnten nicht datiert werden. Der Erker
hat ein kleines Pultdach, dessen Kragbalken von der
Walmschwelle überkämmt werden. Es scheint also,
daß der Erker zusammen mit dem Gebäude errichtet
und zusammen mit dem Dachwerk um 1512 eingedeckt wurde.
Vom dem bei Vischer 1681 gezeigten Ecktürmchen
an der Südwest-Ecke haben sich keinerlei Hinweise
erhalten.
Bauablauf
Da das Dachwerk über dem Westtrakt keinen Stuhl
aufweist, war der Bauablauf ein anderer als über dem
Wohnturm. Zuerst wurden die einzelnen Gespärre
am Abbundplatz, einer ebenerdigen, ebenen Fläche
in der Nähe des Gebäudes, vorgefertigt. Dazu wurde
zuerst ein Lehrgespärre, eine Art Schablone angefertigt und darauf liegend die Einzelteile des Gespärres
und die Blatt- und Zapfenverbindungen angefertigt.
Daher sind alle Blattverbindungen an der Oberseite
des liegenden Gespärres, der sogenannten Abbundseite. Danach wurde das Gespärre wieder in seine
Einzelteile zerlegt und diese einzeln auf das Dach
gehoben. Zuerst wurden die Bundtrame auf die
Mauerbänke aufgekämmt, um eine ebene Arbeitsfläche für die Zimmerleute zu schaffen. Dann wurde
ein Gespärre nach dem anderen wieder liegend mit
der Abbundseite nach oben zusammengebaut und
das fertige Gespärre „aufgeschlagen“, also um 90
Grad in die Senkrechte gedreht und in den Bundtram
eingezapft. Abbundzeichen, die dafür sorgen, dass
die Einzelteile wieder dem richtigen Gespärre zuge-
26 daher ANschiebling und nicht AUFschiebling
19
ordnet werden können, fehlen auf allen Dächern von
Hanfelden, mit Ausnahme einiger weniger in offensichtlich zweitverwendeten Bauteilen des Osttraktes.
Bemerkenswert ist, dass weder der Schwalbenschwanzkamm zwischen Bundtram und Mauerbank,
noch die Zapfenverbindung zwischen Sparren und
Bundtram auch nur die geringste Toleranz bei der
Breite des Gespärres erlauben. Ist das Gespärre auch
nur einen cm zu breit oder zu kurz, passt es nicht
mehr an die vorgesehene Stelle (Abb. 2).
An Hand der Lage der Abbundseite lässt sich sagen,
dass mit dem nördlichsten Gespärre 1 begonnen
wurde und dann bis Gespärre 8 in Richtung Süden
weitergearbeitet wurde. Bei Gespärre 8 bis 11 wechselt die Abbundseite.
Umbauten
Das in seinem Konzept ursprünglich äußerst stabile
Dachwerk über dem Westtrakt wurde durch mehrere
Umbauten statisch massiv geschwächt.
Für den Einbau des Treppenhauses zum Dachboden
Ende des 17.Jahrhunderts27 wurde die Mauerbank
D zwischen der Walm-Schwelle und Bundtram 10
abgesägt. Weiters wurde der Bundtram 11 zwischen
Mauerbank C und D abgesägt. Daher musste für das
Gespärre 11 nach Wegfall des Sparrenfußes eine
Hilfskonstruktion geschaffen werden.
Außerdem wurde - ohne erkennbaren Grund - der
Bundtram 10 zwischen Mauerbank B und C abgesägt.
Ein weiterer massiver Eingriff war für den Einbau des
Kamins im Bereich Gespärre 4-6/ Mauerbank C bis D
nötig. Der Kamin wurde offenbar erst nach Errichtung
des Dachstuhls eingebaut und versorgt mit 2 Zügen
den Kachelofen in Raum EG_R03a (südlicher Zug),
den Kachelofen in der großen Stube Raum 1OG_R04
(nördlicher Zug) und den Ofen in Raum 2OG-R05.
Für die Errichtung des aus Ziegeln gemauerten
Kamins musste die Mauerbank C zwischen Bundtram
7 und 9 abgesägt werden. Weiters wurde die Mauerbank B zwischen Bundtram 7 und 10 abgesägt, wobei
dafür kein zwingender Grund erkennbar ist.
Der Bundtram 8 zwischen Mauerbank B und D wurde
abgesägt, wobei an Mauerbank D ein kurzes Stück in
situ verblieb. Hier fällt auf, dass die Bundtrame 8 und
10 mit einem Vorholz abgesägt wurden, weshalb die
Kammverbindung ihre Funktion als zugfeste Verbindung behält.
Am Gespärre 7 wurde der Bundtram aus der Fixierung durch Mauerbank B, C und D gelöst, und das
gesamte Gespärre mit der einzigen verbleibenden
Fixierung an Mauerbank A als Drehpunkt um etwa 2
Grad gedreht um dem Kamin auszuweichen. Daher
liegt der Bundtram an der hofseitigen Mauerbank
D etwa 20 cm neben der jetzt leeren Schwalbenschwanz-Sasse. Der Bundtram des gedrehten Gespärres 7 wurde mit einer kleinen Mauer unterstellt, die
direkt auf dem Estrich steht.
Beim Einbau des Ofens im darunterliegenden Raum
2OG-R05 wurde der Deckenrahmen der Stube durchgeschnitten und mit einer metallenen Schließe,
bestehend aus Bolzen, Beilagscheibe und Splint,
am leicht verdrehten Bundtram 7 abgehängt.28 Der
Einbau des Ofens muss also gleichzeitig oder nach der
durch den Einbau des Kamins verursachten Drehung
des Gespärre 7 erfolgt sein.
Aus Gründen, die nicht nachvollziehbar sind, wurden
die Bundtrame an den Gespärren 2 bis 6 zwischen
Mauerbank B und C abgesägt, was natürlich eine
wesentliche Schwächung des statischen Systems
darstellt. Nach der Durchtrennung des Bundtrams
wird die gesamte Dach- und Windlast nur noch vom
Kehlbalken, dem durch die Sparrenknechte gebildeten Dreieck und bei 2 Vollgespärren von den
Kreuzstreben getragen. Zur Verstärkung wurden die
verbleibenden Binderstummel an den Mauerbänken
mit zusätzlichen Holznägeln fixiert, was nur teilweise
erfolgreich war, weil die Bundtrame bündig mit der
Mauerbank, also ohne jedes Vorholz abgeschnitten
wurden, wodurch die Kammverbindung nicht mehr
auf Zug belastbar ist. (An den „geplanten“ Stichbalken im Wohnturm ist dagegen eine funktionierende
Kammverbindung mit Vorholz zu beobachten). An
einigen Gespärren wurde das Sparrendreieck daher
in Lauf der Jahre so weit auseinandergezogen, dass
das Holz im Bereich der Nägel abgeschert ist und die
Sägekante des Bundtrams nun innerhalb des Mauerbank liegt (Abb. 15).29
27 Ein Mauerbalken über dem Treppenhaus ist mit 1690 datiert (#48, 1690 WK).
28 Eine vergleichbare Schließe in Wien konnte auf 1755 datiert werden, siehe Liebich 2021, 87.
29 In einer Auflistung von Dachwerken mit Kreuzstreben im Süddeutschen Raum finden sich zahlreiche Beispiele, in denen
diese nachträglich mit Sprengwerken, Spannschlössern etc. verstärkt werden mussten. Fischer-Kohnert 1999, 36-47.
20
Abb. 15: Abgeschnittener Bundtram im Westtrakt (Foto: M.
Aigner 2023).
Wahrscheinlich in Verbindung mit dem Absägen der
Bundtrame steht die Auskleidung des Dachraums mit
Brettern, die an den Fußstreben, Sparren, Kreuzstreben und Kehlbalken angenagelt wurden, wodurch
ein tonnenartig gewölbter Raum von 7,5 m Länge,
5,5 m Breite und einer maximalen Höhe von 3,3 m
entstand. Die Bretter sind durchwegs gesägt, mit
glattem Stoß aneinandergelegt und mit geschmiedeten Nägeln an der Gespärre-Innenseite fixiert.
Sie weisen im Gegensatz zu den Gespärren keinerlei
Rußspuren auf. An einigen wenigen Stellen sind Reste
einer Isolierung der Stoßfugen zu sehen. Die Wölbdecke und der Versuch nicht nur den Zwischenraum
zwischen Estrich und Bundtram 7 sondern auch die
kleine Lücken zwischen Mauerbank und Bundtram
zu vermauern, könnte auf eine „Mauswehr“, einen
mäusesicheren Lagerraum, hinweisen.30 Auch wenn
der Raum nur zur Lagerung oder auch einfachen
Wohnbedürfnissen gedient haben sollte, ist unerklärlich warum man dafür die Bundtrame geopfert
hat, denn auch mit den Balken wäre die Raumhöhe
mit 2,5 m noch ausreichend gewesen. Vor allem wäre
die Bundtramlage als Fußbodenkonstruktion deutlich belastbarer gewesen als die Stubendecke über
dem 2. Obergeschoß, die wie die Erfahrung zeigt, der
Belastung nicht gewachsen war.
Da die Bretter am gedrehten Gespärre 7 befestigt
sind, kann die Holztonne erst nach der Errichtung des
gemauerten Kamins entstanden sein.
Eine weitere Voraussetzung für die Benutzbarkeit des
Raumes ist die Errichtung des gemauerten, auf 1690
datierten Treppenhauses in das Dachgeschoß. Davor
war der Dachraum über eine schmälere Treppe an
derselben Stelle erreichbar, was noch über 2 Angeln
für eine Falltüre nachweisbar ist. Weites gab es noch
Luken, wie sie sich im Osttrakt bei Gespärre 4-5 und
im Südtrakt bei Gespärre 2-3 erhalten haben.
Ein sich aus der Statik ergebender logischer „terminus post quem“ für das Absägen der Bundtrame
wäre die Errichtung des Arkadenganges, der mit den
toskanischen Säulen im 2. Obergeschoß nicht vor
der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, also mindestens
50 Jahre nach dem Dachwerk denkbar ist. Bis dahin
kragte das Dachwerk an der hofseitigen Traufe aus
und die Mauerbank D war wahrscheinlich nur punktuell mit Streben unterstellt, was ohne durchgehende Bundtrame wohl nicht funktioniert hätte. Mit
Errichtung des Arkadenganges wäre es dann statisch
möglich gewesen, die Bundtrame in der Gebäudemitte zu Gunsten einer größeren Raumhöhe herauszunehmen.
Als weiterer Hinweis für die nachträgliche Errichtung
des Arkadenganges zeigt die Gebäudeaußenseite
unterhalb der Mauerbank C einen groben, weißen
Verputz, während die Innenseite der Arkadenwand
keinerlei Verputz hat. Weiters sind die hofseitigen
Anschieblinge in diesem Bereich unterhalb(!) der
Mauerbank angebracht und in der Wand über dem
Arkadengang eingemauert.31
Zusammenwirken mit den Stuben im 2. OG (Raum
R04 und R05/R06)
Dass man die aus den fehlenden Bundtramen resultierenden statischen Probleme unterschätzt hat,
bezeugt die Verformung des Gebäudes in diesem
Bereich.
Die Mauerbank A liegt nur wenige cm über dem
Deckenrahmen der Stube in Raum 2OG-R05/R06.
Durch die oben beschriebene Verformung der Sparrendreiecke hat sich das den Deckenrahmen der Stube
umgebende Mauerwerk nun gute 10 cm von seiner
ursprünglichen Lage nach außen bewegt. Im Bereich
der Gespärre 4 bis 5 ist dadurch der Dachbodenestrich im Anschluss an die westliche Sargmauer so weit
aufgeplatzt, dass man durch den Spalt bis in die Stube
im 2. Obergeschoß schauen kann. Die Stückelung
30 Moser 1985, 137; 231.
31 Ein Beispiel für einen traufseitig auskragenden Dachstuhl findet sich im Hinterhaus des spätgotischen Hauses Hauptplatz 6
in St. Veit an der Glan.
21
der Mauerbank A in diesem Bereich dürfte weiter zu
dieser Verformung beigetragen haben.
Etwa 20 cm nördlich von Gespärre 8 wurde wohl
schon zur Bauzeit eine zusätzliche Versteifung in Form
eines Balkens eingebaut, der von Mauerbank A und B
überkämmt wird und an der Außenseite der Mauer
mit einer Art hölzernem Maueranker auf Zug gesichert wird.
Datierung
Alle Dendrodaten des Westtraktes liegen einheitlich
bei 1511 und 1512. Das Dachwerk über dem Westtrakt wurde also kurz nach 1512 als Satteldach mit
südseitigem Walm errichtet und ist, mit diversen
durch Umbauten des Gebäudes bedingten Veränderungen, bis heute erhalten.
Südtrakt
Spannweite: 5,00 m
Länge:
17,60 m
Höhe:
ca. 4,00 m
Konstruktionsprinzip
Über dem Südtrakt liegt ein Sparrendach mit OstWest verlaufender Firstlinie und ostseitigem Walm.
Der ursprüngliche Walm war wesentlich steiler als
heute, die Neigung wurde erst um 1530 beim Anbau
des Osttraktes an dessen Dachneigung angepasst
(Abb. 16).
Mauerbänke
Die Gespärre liegen auf 2 Mauerbänken auf:
Mauerbank A liegt auf der Südmauer und besteht
aus 2 Teilen. Der östliche längere Teil begann an der
Südwest-Ecke im Bereich des heutigen Erkers und hatte
ursprünglich eine Länge von 11,5 m. Zwischen Gespärre
3 und 4 wurde die Mauerbank A mit einem zweiten
Balken um 5,2 m verlängert (#260, 1476+1 WK).
Der längere durchgehende Balken der Mauerbank A
dient als Nachweis, dass das Dach nicht an ein bestehendes Zeltdach über dem Süd-Ostturm angebaut
wurde, sondern ab 1512 ein durchgehendes Satteldach über dem gesamten Südtrakt errichtet wurde.
Mauerbank B liegt auf der Nordmauer (Hofseite)
auf und ist mehrfach gestückelt und verlängert. Der
östliche Teil ist auf 1511 dendrodatiert (#40 auf 1511
WK). Zwischen Gespärre 5 und 7 ist ein kurzes Stück
22
Abb. 16: : Grundriss Dachwerk über dem Südtrakt: Bauphase
kurz nach 1512 rot, Umbauten und Osttrakt um 1530 grün
(Grundriss: M. Aigner 2023).
aus 1477 eingeschoben (#272, 1476+1, WK) .
Bei Gespärre 5 wurde, anscheinend im Zuge der
Errichtung des Küchenkamins, ein etwa 2 m langes
Stück entfernt und durch einen etwas kürzeren
Balken ersetzt. Der westlichste Teil der Mauerbank
(#261, 1510+1 WK) läuft bis zum Westtrakt durch
und überkämmt dort die hofseitige Mauerbank D des
Westtraktes.
Die Mauerbank B liegt leicht schräg auf der hofseitigen Mauer auf, weil sich die Gebäudebreite von
5,0 m im Osten auf 5,4 m im Westen erhöht. Da die
Gespärre eine konstante Breite von 5,0 m haben,
liegt die Mauerbank im Osten an der Außenseite der
Mauer, beim Anschluss an den Westtrakt aber schon
so weit an der Innenseite der Mauer, dass sie nicht
mehr zur Gänze am Mauerwerk aufliegt. Weiters
ist auffällig, dass beide Mauerbänke im Bereich
zwischen Gespärre 1 bis 4 nicht direkt auf der Mauerkrone aufliegen sondern mit punktuell angebrachten
Ziegelstapeln unterstellt wurden.
Gespärre
Alle 9 Gespärre haben dieselbe Geometrie: Das Sparrendach hat in 2,20 m Höhe einen Kehlbalken, an
beiden Seiten ist ein senkrechter Sparrenknecht mit
Weißschwanz angeblattet und mit Holznägeln gesichert.
Die Kehlbalken haben oben mittig eine leere Sasse für
einen aufgekämmten Balken, der heute nicht mehr
vorhanden ist. Dabei könnte es sich um eine „Kehlscheibe“ gehandelt haben, die für eine Längs- und
Queraussteifung des Dachwerks sorgt. Diese würde
aber an ihren Enden eine Rückverankerung erfordern, die sich heute nicht mehr nachweisen lässt.32
Die Gespärre liegen mit einem durchschnittlichen
Abstand von 1,6 m auf den Mauerbänken auf und
haben eine konstante Breite von 5,0 m. Die Dachneigung beträgt 55 Grad.
Wie im zeitgleichen Westtrakt sind die Bundtrame
an den beiden Mauerbänken mit einem über die
gesamte Breite der Mauerbank reichenden Schwalbenschwanz aufgekämmt und die Sparrenfüße in den
Bundtram eingezapft.
Die Abbundseite liegt bei den Gespärren 1 bis 5
ostseitig, bei Gespärre 6 bis 9 westseitig.
Ungewöhnlich und auch unerklärlich ist, dass bei
Gespärre 2 und 3 der Bundtram an der Nordseite
(Richtung Hof) aufgedoppelt wurde. Dort ist parallel
zum „normal“ durchlaufenden Bundtram ein zweiter
Balken von leicht unterschiedlicher Dimension mit
der Mauerbank B verkämmt und am durchlaufenden
Bundtram mit langen geschmiedeten Nägeln fixiert.
Der Sparren und die Fußstrebe sind an der Nordseite
(hofseitig) an dieser Verstärkung eingezapft bzw.
angeblattet, an der Südseite aber am durchlaufenden Bundtram. Die Sparren stehen hier also leicht
schräg zur Bundtramachse. Da der durchlaufende
Bundtram an der Nordseite kein leeres Zapfenloch
für einen Sparrenfuß hat, kann es sich dabei nicht um
eine nachträgliche Verstärkung handeln. Die Verstärkung war also von Anfang an so konzipiert.
Bei Gespärre 2 gibt es Dendrodaten, die aber auch
nicht zur Klärung beitragen können: Der nördliche
Sparren ist mit 1511 datiert (#45, 1511 WK) und
passt damit in die Gesamtdatierung des Südtraktes.
Der durchlaufende Bundtram fällt jedoch mit 1476
völlig aus der Reihe (# 46, 1476 WK). Wahrscheinlich
handelt sich um Verwendung von Altholz.
An mehreren Gespärren sind die Sparrenknechte
offensichtlich ausgewechselt: Sie haben stark abweichende Farben, ein gerades Blatt sitzt in einer Blattsasse mit Schwalbenschwanz, der Holznagel fehlt
oder wurde durch einen Stahlnagel mit rundem Kopf
ersetzt. Die Dendrodaten dieser offensichtlich nachträglich verbauten Teile haben eine Bandbreite von
1475 bis 1511.
Am Bundtram von Gespärre 8 sind mehrere leere
Sassen zu sehen, die nicht zum bestehenden Dachwerk gehören können. So befinden sich direkt neben
dem südlichen Sparrenfuß zwei unerklärliche Zapfenlöcher sowie eine leere Sasse in Form eines Schwalbenschwanzes und neben der nördlichen Fußstrebe
eine Sasse für eine gerade Überkämmung.
Walm
Der östliche Abschluss des Daches ist als Walm ausgebildet.
Eine Schwelle (#164, 1511+1, o. WK) ist als Auflage
für den Walm über der östlichen Schmalseite des
Gebäudes angebracht. Beide Anschlüsse an die
Mauerbänke A und B sind heute zerstört, wahrscheinlich bestand eine Überblattung, wie sie am
32 Pech / Hollinsky 2005, 97.
23
Dachstuhl des Westtraktes noch erhalten ist.
Zur Aufnahme der Schublast des Walms wurden
zwei zusätzliche Binder zwischen der Schwelle und
Bundtram Nr. 9 angeblattet, die heute nicht mehr
existieren, aber an Hand der Blattsassen mit Schwalbenschwanz noch nachweisbar sind.
Die Walmhölzer (Schifter) waren ursprünglich –
analog zum Westtrakt – an der Oberseite dieser
Binder eingezapft. Heute sitzen die Schifter direkt
auf der östlichen Schwelle und sind folglich sekundär.
Die beiden Sparren von Gespärre 9 fehlen heute. An
ihnen waren die Gratsparren und Walmhölzer (Schifter) des ursprünglichen, steileren Walms befestigt.
Als die Neigung des Walms auf die flachere Dachneigung des später angebauten Osttrakts geändert
wurde, wurden sie entfernt und der Anfallpunkt des
Walms auf das Gespärre 8 verlegt. Für den flacheren Walm war ein neuer, längerer Gratsparren nötig.
Dieser ist dendrodatiert auf 1517 (#41, 1517 WK)
und sitzt heute auf der etwa 20 cm höheren Mauerbank des Osttraktes auf, kann also erst mit Errichtung
des Osttraktes verbaut worden sein.
das um 1530 für den Eckerker abgebrochen wurde und
daher auch bei Vischer 1681 nicht mehr zu sehen ist.
Der „Südost-Turm“
Das einheitliche Dachwerk über dem Südtrakt überrascht zunächst, weil aus der Analyse der Grundrisspläne der darunterliegenden Etagen der Verdacht
entstand, der östlichste Teil sei ein älterer, quadratischer Turm der durch eine Ringmauer mit dem
Westtrakt verbunden war, während die Gebäude
zwischen Turm und Westtrakt erst später errichtet
worden wären. Dabei springt die Gebäudeflucht an
der Hofseite um etwa einen Meter ein, was durch
den Anbau des Küchenkamins von außen nur schwer
erkennbar ist.
Der Südost-Turm ist im Bereich zwischen Gespärre 7
und Walm im Dachgeschoß noch deutlich zu sehen.
Insbesondere an der Westseite tritt er als über das
Estrichniveau des Südtraktes vorstehende Mauerkrone
in Erscheinung. An der Nordseite, also im Anschluss
an den Osttrakt fehlt diese Mauerkrone zur Gänze.
Der Estrich ist im Bereich des Südost-Turmes an die
Mauerbank A angeschmatzt, wurde also erst nach
Traufe an der Nordseite
dem Dachwerk angebracht. Das könnte erklären,
Im Bereich des angebauten Osttraktes sind bei den warum die Deckenbalken des darunterliegenden
Gespärren 7 bis 9 neben den Sparrenfüßen ausge- Raums 2OG_R15 mit 1532 (#32, 1531 WK und #33,
stemmte Ausnehmungen für Anschieblinge zu sehen. 1532 WK), also erst 20 Jahre nach dem Dach, datiert
Das kann als Beweis gewertet werden, dass an dieser sind. Es scheint, dass bei der Errichtung des OsttrakStelle ursprünglich eine Dachtraufe bestand, der tes (nach 1524) die Ostwand des Südost-Turms im 2.
Obergeschoß komplett entfernt wurde und gleichOsttrakt also erst nachträglich angebaut wurde.
Das wird auch durch die Dendrodaten gestützt, die zeitig eine neue Dippelbaumdecke über dem nun
im Südtrakt um 1511/1512 liegen, im Osttrakt um zum „Maximilian-Zimmer“ erweiterten, je zur Hälfte
im „Südost-Turm“ und im Osttrakt liegenden Raum
1517/1524/1530.
2OG_R15, eingebaut wurde.
Erker an der Südost-Ecke
Vordach an der Hofseite
Für den schräg an der Südost-Ecke angebrachten
Erker wurden die Mauerbank A und die Schwelle des An der, durch den nachträglichen Einbau des TrepWalms schräg abgesägt. Mehrere im rechten Winkel penhauses und des Küchenkamins verkürzten
übereinandergeschichtete Balken, die auf 1530 Hofseite wurden an den Gespärren 1 bis 4 fast 3 m
datiert werden konnten (#267, 1531+1 WK), liegen lange Aufschieblinge angebracht, um die Traufkante
statisch am Ziegelmauerwerk des Erkers auf, nur die um ca. 1,5 m nach Norden zu verschieben. Zwischen
oberste Lage überblattet die Mauerbank A und die der Spitze der Aufschieblinge und der GebäudeSchwelle des Walms.
mauer sind gerundete Bretter angebracht, die wohl
Eine Ausstemmung für einen Anschiebling in der als Unterkonstruktion für einen konkaven DachkasMauerbank A östlich von Gespärre 9 kann als weiterer ten dienten, der heute aber vollständig verschwunNachweis gewertet werden, dass das Dach ursprünglich den ist. In der benachbarten Propstei Zeiring hat
auch im Bereich des heutigen Erkers eine Traufe hatte, sich eine ähnliche Konstruktion noch erhalten. Dort
der Erker also erst sekundär angebracht wurde.
ist die Unterseite verputzt und in der Gebäudefarbe
Schräg zur Gebäudeecke verlaufende Blattsassen am bemalt, wodurch der Eindruck einer riesigen HohlBundtram 9 könnten auf ein Ecktürmchen hinweisen, kehle entsteht (Abb. 17).
24
Abb. 17: Südtrakt, Gespärre 3, Schnitt gegen Osten (Schnitt: M. Aigner 2023).
Abb. 18: Südtrakt: Verbindungsgespärre zum Westtrakt (Schnitt: M. Aigner 2023).
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Osttrakt
Verbindungsgespärre zum Westtrakt
Um die Firstlinie des Südtraktes bis zum Anschluss
an das im rechten Winkel dazu stehende Dach des
Westtraktes weiter zu ziehen, wurde am Südtrakt ein
zusätzliches Gespärre angebaut, das aber schon im
Westtrakt steht.
Die Konstruktion kommt in Hanfelden nur bei diesem
einen Gespärre vor (Abb. 18).
Ein Kehlbalken wird von Kreuzstreben überblattet
und Blattsassen knapp unterhalb der Kreuzstreben
weisen auf heute nicht mehr vorhandene, schräg
nach innen laufende Sparrenknechte hin. Schräge
Sparrenknechte gibt es in Hanfelden sonst nur beim
ältesten Dachstuhl, dem über dem Wohnturm,
datiert mit 1498/1499. Ein Bundtram muss wegen
der Sparrenknechte existiert haben, fehlt aber heute,
wohl weil die Sparren oberhalb des Sparrenfußes
abgeschnitten wurden.
Die Dachneigung von 52 Grad passt nicht zum Südtrakt
und musste mit bis zum First reichenden Aufschieblingen auf etwa 55 Grad korrigiert werden. Das Dendrodatum des südseitigen Sparrens (#47, 1502 ohne
Waldkante) ist leider nicht eindeutig. Wahrscheinlich
handelt es sich dabei um ein spoliertes Gespärre, das
in Höhe und Neigung korrigiert werden musste um
im Südtrakt wiederverwendet werden zu können.
Wenn es ursprünglich aus Hanfelden stammt, was
nicht gesichert ist, könnte es sich dabei um einen Rest
des alten Daches über dem Südost-Turm handeln,
der um 1511 zugleich mit dem Südtrakt neu überdeckt wurde.
Spannweite: zwischen 6,20 m und 7, 55 m
Länge:
20,85 m
Höhe:
ca. 4,20 m
Konstruktionsprinzip
Das Dachwerk über dem Osttrakt ist ein Sparrendach
mit Nord-Süd verlaufender Firstlinie und nordseitigem Walm (Abb. 19).
Der Osttrakt hat von allen Gebäudeteilen den unregelmäßigsten Grundriss. Die Gebäudebreite beträgt
am südlichen Ende 7,55 m, am nördlichen Ende aber
nur 6,20 m. Hier offenbart sich ein grundlegender
Nachteil des Sparrendaches, nämlich dass es nur
schwer auf nicht rechtwinkelige Grundrisse anwendbar ist. Normalerweise wird am Abbundplatz mit
Hilfe des Lehrgespärres eine Serie von Gespärren
gleichen Querschnitts angefertigt. Hat das Gebäude
aber unterschiedliche Breiten muss jedes einzelne
Gespärre einzeln ausgemessen und konstruiert
werden. Bei konstanter Firsthöhe ist dann nicht nur
die Breite, also die Länge des Bundtrams, sondern
auch die Dachneigung bei jedem einzelnen Gespärre
unterschiedlich.
Leider konnte der Osttrakt nur eingeschränkt planlich
dokumentiert werden, weil die Begehung wegen der
eingebrochenen Balkendecken über dem 2.Obergeschoß nur eingeschränkt möglich war.33
Diese offensichtlichen Bauschäden zusammen mit
dem unregelmäßigen Grundriss resultieren in einer
Datierung
Unzahl von improvisierten Lösungen und Ausbesserungen, die leider wegen der erschwerten ZugängDie Dendrodaten für das Dachwerk des Südtrakts
lichkeit nicht in letzter Konsequenz erforscht werden
liegen zwischen 1476 und 1511. Da es aber den
konnten. Dennoch will ich versuchen das Chaos zu
Westtrakt überbaut, kann es erst kurz nach dem
beschreiben.
Westtrakt, also kurz nach 1512 errichtet worden
sein. Dabei wurde der ältere Süd-Ost-Turm in das Mauerbänke
Satteldach mit Walm integriert. Abweichende Dendrodaten stammen entweder aus der Verwendung Das Dachwerk über dem Osttrakt hat zwar eine
von Altholz, Ausbesserungen oder der Abflachung einheitliche, gerade Firstlinie, teilt sich intern aber
des Walms in Zusammenhang mit der Errichtung des in zwei Teile, die aus Rücksicht auf den Bestand an
Osttraktes ab frühestens 1517. Der Erker an der Süd- den es angebaut wurde, unterschiedliche Strukturen
Ost-Ecke wurde nach 1530 gebaut und ersetzte ein aufweisen:
Ecktürmchen auf Höhe des Dachgeschoßes.
Die südliche Hälfte (Gespärre 1 bis 8) steht im Bereich
des Arkadenganges und hat 3 Mauerbänke:
Mauerbank A liegt auf der Ostmauer des Gebäudes
auf. Da diese mehrere Knicke aufweist, ist auch die
33 Zu den Bauschäden im Osttrakt siehe Fürhacker / Schnabl 2021, 22.
26
Abb. 19: Grundriss Dachwerk über dem Osttrakt:
Bauphase um 1530 grün, die zahlreichen Ausbesserungen sind nicht kartiert (Grundriss: M. Aigner 2023).
Abb. 20: Schnitt Osttrakt: Gespärre 13 und Anschluss zum Wohnturmdach: Osttrakt grün, Wohnturm Stuhlwand dunkel-orange,
Wohnturmgespärre orange, Schildwand braun (Schnitt: M. Aigner 2023).
27
Reparatur eines großflächigen Schadens in diesem
Bereich hinweist.
Bei Gespärre 4 bis 7 ist der Bundtram an der Hofseite
gestückelt: Ein durchgehender Bundtram liegt
zwischen den Mauerbänken A und B, überspannt also
das eigentliche Gebäude, wobei die Bundtrame bis zu
80 cm über die Mauerbank B hinausreichen. Zwischen
Mauerbank B und C, also über dem Arkadengang,
ist ein zweiter Bundtram verlegt, der bündig neben
Im nördlichen Teil, wo das Gebäude an den älteren dem Hauptbundtram liegt. Bei Gespärre 6 konnte der
Wohnturm angebaut wurde, sind die beiden Dach- längere Bundtram auf 1476 datiert werden (#35,1476
werke ineinander verschränkt. Hier fehlt die Mauer- WK), also deutlich vor Errichtung des Gebäudes.
bank B, dafür wurde der obere Balken der östlichen Die Sparrenknechte sind dabei bei allen 4 Gespärren
Schildwand des Wohnturmes als Mauerbank zweck- an dem kürzeren Bundtram (zwischen Mauerbank B
entfremdet. Mauerbank C liegt hier schon 2 m inner- und C) angeblattet. An der Hofseite (Westen) haben
halb des Wohnturms nicht auf einer Mauer auf, die Bundtrame zwar die zur Aufnahme der Sparsondern auf der äußerst stabilen Rahmenkonstruk- renköpfe vorgesehenen Zapfenlöcher, an den Spartion des Wohnturm-Daches (Abb. 20).
renköpfen fehlen aber die entsprechenden Zapfen.
Vielmehr sitzen die Sparren stumpf auf dem BundGespärre
tram auf, teilweise auch etwas neben den ZapfenDie Gespärre, die mit einem Abstand von 1,2 m bis 1,6 löcher (Abb. 21). Dies ist ein weiterer Hinweis auf
m auf den Mauerbänken aufliegen, sind durchwegs massive Sanierungs- oder Umbaumaßnahmen.
einfache Konstruktionen mit nur einem Kehlbalken
und senkrechten Sparrenknechten. Es gibt keinen Zwischen den Gespärren 4 und 5 ist an den ostseiStuhl und keine Querverstrebungen, die Sparren tigen Enden der kurzen Bundtrame ein zusätzlicher
werden nur durch die Dachlattung am Kippen gehin- Wechselbalken angebracht. Dabei könnte es sich
um eine Dachbodenluke handeln, wie sie auch im
dert.
Südtrakt noch erhalten ist.
Mauerbank geknickt, was durch Stöße zwischen den
Gespärren 3 und 4, sowie 6 und 7 möglich ist.
Mauerbank B liegt auf der hofseitigen Mauer des
Gebäudes auf. Sie überkämmt im Norden die hofseitige Schildwand des Wohnturms (1498d) und endet
im Süden an einem nachträglich eingebauten Kamin.
Mauerbank C liegt auf der Mauer über den hofseitigen Arkaden auf.
Die Gespärre der südlichen Hälfte des Osttraktes
weisen von allen Dachwerksteilen in Hanfelden
den größten Grad an Ausbesserungen und Verwendung von Althölzern auf, der aber leider wegen der
Unzugänglichkeit nicht vollständig erforscht werden
konnte.
Schon mit freiem Auge ist zu erkennen, dass Bauteile
einzelner Gespärre stark unterschiedliche Farben
und Verrußungsgrad aufweisen. Die Abbundzeichen,
die nur in diesem Dachwerk zu findet sind, deuten
darauf hin, dass Bauteile teilweise am falschen
Gespärre verbaut wurden.
Bei Gespärre 1 bis 3 wurde der Bundtram an der
Ostseite im Bereich des Sparrenknechts gestückelt.
Die Gespärre haben unlogische Abbundzeichen,
was auf die Verwendung von Altholz hinweist. Bei
Gespärre 2 fehlt der Kehlbalken, der nach Maßgabe
der Abbundzeichen wahrscheinlich auf das Gespärre
1 übertragen wurde.
Bei Gespärre 4, 5 und 6 sind der östliche Sparren
und der östliche Sparrenknecht ergänzt, was auf die
Bei Gespärre 8 ist der Bundtram an der Hofseite
gestückelt. An der Mauerbank C (Arkadengang/
Hofseite) ist noch der Rest des älteren, sauber aufgekämmten Bundtrams zu sehen, in den der Sparren
eingezapft ist. Der Bundtram ist aber unmittelbar
hinter der Mauerbank abgesägt worden. Der heutige
Bundtram liegt nur auf den Mauerbänken A und
B auf und endet wenige cm vor dem Stummel des
älteren Bundtrams, hat also keine kraftschlüssige
Verbindung zur hofseitigen Mauerbank C (Abb. 22).
Das dürfte wohl der Grund sein, warum die Wand
über dem Arkadengang in diesem Bereich massive
Risse aufweist.
Bei Gespärre 1 bis 4 ist an der Ostseite in den Zwickel
zwischen Sparren und Bundtram ein massiver Balken
von 15x15 cm eingeschoben, der wahrscheinlich die
stark verrottete Mauerbank A ersetzen soll.
Die Gespärre 9 bis 14 gehören zur nördlichen Hälfte
des Osttraktes, der mit dem Dachwerk des Wohnturms verschränkt ist. Hier ist der Grad an Ausbesserungen und Umbauten deutlich geringer als im
Südteil. Die Gespärre haben auch hier einen Kehl-
28
balken, aber nur einen senkrechten Sparrenknecht
an der Ostseite. Der westliche Sparrenknecht wurde
weggelassen, wohl weil das Dach an dieser Seite
keine Dachhaut hat und daher keine Lasten anfallen.
Die Ausbesserungen beschränken sich hier auf den
nachträglichen Einbau eines Kamins, wofür der Bundtram von Gespärre 10 abgeschnitten wurde.
Gespärre 12 wurde ohne ersichtlichen Grund leicht
verdreht.
Bei Gespärre 14 wurden die Sparren nachträglich
um etwa 50 cm nach Süden versetzt. Sie stehen also
neben dem dazugehörenden Bundtram, an dem
noch das jetzt leere Zapfenloch für den Sparrenfuß
zu sehen ist. Folglich musste auch der Sparrenknecht
entfernt werden. Da an diesem Gespärre der Walm
anliegt ist ein Zusammenhang mit der Anpassung der
Walmneigung an die Neigung des Wohnturmdaches
zu vermuten.
Abb. 21: Osttrakt, Bundtram mit Zapfenloch aber Sparren ohne
Zapfen (Foto: M. Aigner 2023).
Dass bei der Verbindung mehrerer schräger im Raum
verlaufender Bauteile aus unterschiedlichen Dachwerken auch der begabteste Zimmermann an seine
Grenzen stoßen kann, zeigt die Verschneidung von
Gespärre 9 mit dem südöstlichen Gratsparren des
Wohnturms, bei der die Balken eher brachial in ihrem
Querschnitt reduziert werden mussten (Abb. 23).
Walm
An der Nordseite endet der Dachstuhl mit einem
Walm, dessen Neigung an die Neigung der Nordseite
des Wohnturmdaches von 1500 angeglichen ist. Da
in diesem Bereich die Schildwand des Wohnturmes
50 cm weit auskragt, wurde auch an der Schmalseite des Osttraktes eine auskragende Walmschwelle
konstruiert, die aber keinerlei Wehreinrichtungen
(Wurfspalte, Scharten) aufweist.
Abb. 22: Osttrakt Gespärre 8. Sparrenfuß und erneuerter, nicht
kraftschlüssiger Bundtram (Foto: M. Aigner 2023).
Ostwalm des Wohnturms
Da der First des Osttrakt um etwa 2,10 m niedriger
ist als der des Wohnturms, wurde die Firstlinie des
Wohnturms mit auf den Gratsparren ausgesetzten
Schiftern nach Osten verlängert. Auf dem First des
Osttraktes wurde außen eine Art Firstpfette angebracht, von der Schifter bis zum verlängerten Firstansatz des Wohnturms laufen (Abb. 20).
29
Abb. 23: Osttrakt: Verschneidung von Gespärre 9 (links oben)
und Gratsparren des Wohnturms (rechts oben) (Foto: M. Aigner 2023).
Überzug
Zwischen den Gespärren 1 und 4 liegt ein massiver
Balken von 25 x 25 cm auf den Bundtramen auf. An
diesem Überzug sind 3 eiserne Abhängestangen
befestigt, an denen die Dippelbaumdecke über dem
„Maximilianzimmer“ (2OG_R14 und 2OG_R15) abgehängt ist (# 271, nicht datiert).
Decken über 2. Obergeschoß
rodaten vorliegen. Das Dendrodatum liefert also
nicht unbedingt einen konkreten Hinweis auf den
genauen Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes,
sondern muss immer im Zusammenhang mit der
allgemeinen Bauforschung beurteilt werden.34
So wechseln sich etwa im Westtrakt Sparren mit
Dendrodatum 1511 und 1512 ab. Anscheinend
wurden größere Mengen an Bauholz auf Vorrat
beschafft, die dann über einen längeren Zeitraum
aufgebraucht wurden. Die Annahme, dass Bauholz
immer saftfrisch verarbeitet wurde und daher das
Dendrodatum direkte Rückschlüsse auf die Errichtung des Gebäudes erlaubt, lässt sich also nicht
aufrechterhalten.
Im Bereich zwischen Gespärre 7 und 8 liegen durch
den Einsturz der Decke über dem 2. Obergeschoß
zwei Deckenbohlen frei, die mit 1488 bzw. 1475
datiert werden konnten (#31, 1488 WK und #34,
1475 WK). Diese Daten liegen deutlich vor der Errichtung des Gebäudes und können daher nur durch die Die im Abstand weniger Jahre aufeinanderfolgenden
Bauetappen in Hanfelden lassen auch den Schluss zu,
Verwendung von Altholz erklärt werden.
dass Restbestände einer Etappe erst bei der nächsten, also 3-5 Jahre später, verwendet wurden, was
Datierung
wohl auch der allgemein üblichen wirtschaftlichen
Die Dendrodaten im Osttrakt liegen zwischen 1476 Praxis entspricht. So lässt sich z.B. erklären, dass die
und 1525. Nach dem Prinzip, dass immer das jüngste Mauerbank A des Nordwest-Traktes mit 1499, also
Datum das gesamte Bauwerk datiert und die schwer zeitgleich mit dem Wohnturm datiert (#14,1499 WK),
auszutauschenden Mauerbänke für eine Datie- während alle anderen Daten des Gebäudes, auch der
rung relevanter sind als leichter auszutauschende darunterliegenden Geschoße, bei 1504 liegen.
Bauteile, dürfte der Osttrakt nach 1525 unter Dach
gebracht worden sein. Abweichende Daten stammen Auch ist es anscheinend möglich ganze Decken in
aus Altholz, wobei ein massiver Schaden in der Mitte einem Gebäude nachträglich auszuwechseln: So
des Traktes auch mit Altholz saniert wurde.
datiert im Osttrakt die Mauerbank mit 1524, der
darauf liegende Bundtramstummel mit 1513, der
Zusammenfassung
daneben liegende Bundtram mit 1517, ein wahrscheinlich aus einem anderen Gebäude übertrageDie Dachwerke wurden in fünf Bauetappen zwischen ner Bundtram mit 1476 und die Deckenbalken des
1500 und 1525 errichtet und sind in der zeittypischen darunterliegenden Geschoßes mit 1532.
hohen handwerklichen Qualität mit genau sitzenden
Blatt-, Kamm- und Zapfenverbindungen ausgeführt. Architektonisches Gesamtkonzept
Die geringe Spannweite ermöglichte, mit Ausnahme
des Wohnturms, die Anwendung einfacher Kahlbal- Obwohl es anscheinend schon früh das Gesamtkendächer ohne Stuhl. Warum man im Westtrakt die konzept eines Vierflügelbaus um einen rechteckigen
aufwändige Konstruktion mit Kreuzstreben gewählt Hof gegeben hat, fällt doch eine gewisse Unsicherhat, bleibt rätselhaft. Möglich wäre ein Zusammen- heit bei der Umsetzung auf. So gelang es im Rahmen
des Ausbaus nur bei einer von vier Gelegenheiten
hang mit den darunter eingebauten Bohlenstuben.
die Walmneigung des Daches so zu wählen, dass
sie der Dachneigung des Satteldaches der nächsten
Kritische Beurteilung von Dendrodaten:
Bauetappe entspricht. Wenige Jahre später stand
Wegen der sehr hohen Zahl an Dendrodaten stellt man dann vor dem Dilemma entweder eine Ichse
sich das „Luxusproblem“ wie mit der Tatsache umzu- (Kehle) einzubauen, oder den erst wenige Jahre
gehen ist, dass an Dachwerken, die offensichtlich in alten Walm wieder abzutragen und mit verringerter
einem Zug errichtet wurden, unterschiedliche Dend- Neigung wieder aufzubauen. Die Entscheidung fiel in
34 Liebich 2021, 95-97.
30
allen Fällen zu Gunsten der Vermeidung einer Ichse,
im Falle des Anschlusses Nordwest-Trakt an den
Westtrakt erst bei einem Umbau nach 200 Jahren.
Das aufwendige Konzept der Schildwand im Dachwerk des Wohnturms wurde schon 5 Jahre später bei
der Erweiterung durch den Nordwest-Trakt wieder
aufgegeben.
Auch ist unverständlich warum man in jedem Trakt
unterschiedliche Geschoßhöhen in Kauf genommen
hat, obwohl die Dachwerke eine recht einheitliche
Traufhöhe haben.
Alle vier Schornsteine wurden erst nach dem Dachwerk errichtet, was mit erheblichen, die Statik der
Dachwerke schwächenden Umbauten verbunden
war. Das wirft die in zukünftigen Texten zu klärende
Frage auf, wie die Rauchentsorgung der Kachelöfen
in den Stuben des Westtraktes vor der Errichtung der
über Dach geführten Schornsteine funktioniert hat.
Autor
Martin Aigner
Reidlaweg 268
8940 Weißenbach bei Liezen
martin.aigner@twin.at
www.burgenseite.com
31
32
Eine frühneuzeitliche Halde von Küchenabfällen im Schloss Hanfelden
Stephan Karl
Mit einem Beitrag von Benjamin Wimmer und Ruth Irovec
Schlagworte: Hanfelden, Küchenabfälle, frühe Neuzeit, archäozoologische Analysen, Koch- und Tafelgeschirr
Einleitung
Seit 2016 finden archäologische Grabungen und
bauhistorische Untersuchungen im Schloss Hanfelden durch das Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie der Universität Wien statt (Claudia
Theune und Iris Winkelbauer). Die aktuelle archäologische Maßnahme im Jahr 2022 war hingegen
anlassbedingt, da die Verlegung einer Strom-, Trinkund Abwasserleitung vom bestehenden Anschluss
außerhalb des Schlosses Hanfelden zum Nebengebäude des Schlosses innerhalb der Umfassungsmauer in Planung stand und eine archäologische
Baubegleitung respektive Grabung erforderte. Die
Grabung wurde schließlich von Archaeogon, Bayer &
Karl GesbR (Graz) in Zusammenarbeit mit Iris Winkelbauer und Robert Fürhacker vom 2. bis 29. Oktober
durchgeführt. Der für den Leitungskanal notwendige
Grabungsschnitt besaß insgesamt eine Länge von
11,9 m und wurde mit einer Breite von 0,6 m relativ
schmal angelegt, um den archäologischen Bodeneingriff möglichst gering zu halten.
mauer des Zubaus sprang beidseitig etwas vor, reichte
ca. 40 cm in die Tiefe und saß auf dem gewachsenen Boden auf. Der gewachsene Boden besteht im
Bereich Hanfelden aus bis zu 1 m großen Geschiebegeröllen der fluvioglazialen Sedimente. Für den Bau
des Zubaus wurde eine Baugrube bis zum gewachsenen Boden ausgehoben, das Fundament errichtet
und im Innenraum ein Bodenaufbau für die Pflasterung hergestellt.
Bauliche Befunde
Etwa mittig zwischen der Ostmauer des Nebengebäudes und der Umfassungsmauer kam die aufgrund
des südlich anschließenden, oberflächlich erhaltenen Mauerrests zu erwartende Ausrissoberfläche der
Ostmauer des Zubaus zutage. Diese Mauer verläuft
parallel in einem Abstand von 3,1 m zur Ostmauer
des Nebengebäudes (lichtes Maß) und besteht aus
einem gemörtelten Mauerwerk aus kleinteiligen
Bruchsteinen und gerundeten Steinen aus dem
lokalen Gestein (zumeist Granitgneis und Pegmatite).
Nach innen, das heißt zum Nebengebäude, wurde
ein bis auf einen Graben unterbrochenes, ansonsten
aber durchgehendes Pflaster aus großen plattenförmigen Granitgneisen freigelegt (Abb. 24). Das Pflaster schloss am Fundament des Nebengebäudes so
an, dass ihre Oberseiten auf derselben Höhe lagen,
während es an der Ostmauer des Zubaus auf dessen
Fundamentvorsprung lag. Das Fundament der Ost-
33
Abb. 24: Grabungsschnitt zwischen östlicher Umfassungsmauer (im Bild oben) und Ostwand des Nebengebäudes (im
Bild unten), in Bildmitte freigelegtes Pflaster im ehemaligen
Innenraum des an das Nebengebäude angebauten Zubaus
(Foto: S. Karl 2022).
Abfallhalde SE 1399
Für die zeitliche Bestimmung der Errichtung des
Zubaus ist eine außerhalb der Baugrube liegende
Schicht relevant, die von dieser angeschnitten wurde.
Diese Schicht (SE 1399) zieht von der Grubenwand
der Baugrube bis zur östlichen Umfassungsmauer,
wo sie durch einen nach 1952 erfolgten Ausriss eines
hier im Zwickel des Südost-Turms und der östlichen
Umfassungsmauer wachsenden Baums gestört ist.
Bei SE 1399 handelt es um eine unterhalb einer
Planierschicht – dem Gehniveau zur Zeit des Zubaus –
liegende, lockere dunkelbraune, ca. 10–15 cm starke,
humose Schicht, die auffällig viele Funde enthielt,
neben viel Holzkohle hauptsächlich Koch- und Tafelgeschirr und zahlreiche Tierknochen. Darüber hinaus
fanden sich noch einige Eisennägel – darunter
Hufnägel des frühneuzeitlichen Kreuzkopf-Typs –
und Eisenschlacken sowie einzelne Glasfragmente,
jedoch kaum die sonst in anderen Schichten omnipräsenten Ofenkacheln. Diese Schicht kann aufgrund
ihrer signifikanten Funde als Halde von Küchenabfällen angesprochen werden, die an der östlichen
Umfassungsmauer unmittelbar an den Südost-Turm
anschließend aufgeschüttet wurde. Diese Halde lag
demnach unmittelbar neben dem Durchgang durch
den Südost-Turm, der den Zutritt in den Garten des
Schlosses außerhalb der Umfassungsmauer ermöglichte. Wie weit sich die Halde nach Norden entlang
der Umfassungsmauer erstreckt, bleibt aufgrund des
kleinflächigen Bodeneingriffs bei dieser Grabungsmaßnahme unbekannt. Nach Westen parallel zur
Südwand des Nebengebäudes dürfte die Halde auf
der gesamten Länge durch die Baugrube des Zubaus
unterbrochen sein.
Koch- und Tafelgeschirr aus SE 1399
Bei der Gefäßkeramik aus der Abfallhalde SE 1399
handelt es sich um ein relativ homogenes Material
aus dem Zeitraum vom 16. bis zum fortgeschrittenen
17. Jahrhundert, mit nur einzelnen älteren, kleinteilig zerbrochenen Stücken, vorwiegend aus dem
Spätmittelalter (15. Jahrhundert). Das Gros bildet
reduzierend gebrannte Irdenware, vor allem Lavanttaler Schwarzhafnerware und deren Nachahmungen
(Abb. 25). Bei der Lavanttaler Schwarzhafnerware
handelt es sich um eine karbonatgemagerte, reduzierend gebrannte, unglasierte Irdenware, die im
Kärntner Lavanttal seit dem späten 15. Jahrhundert
aus einem Töpferton, der bei St. Andrä im Lavanttal
abgebaut wurde, hergestellt wurde. Sie ist insbesondere durch dünnwandige und dennoch bruchfeste
sowie hitzebeständige Gefäße gekennzeichnet und
war speziell als Kochgeschirr ein begehrtes Produkt
vom ausgehenden 15. Jahrhundert bis in die erste
Hälfte des 18. Jahrhunderts in und außerhalb Kärntens. Als Handelsgut wurden insbesondere die Kochtöpfe außerhalb Kärntens vertrieben, wie sich dies
auch am Befund der Abfallhalde im Schloss Hanfelden zeigt. Es fanden sich darin ausschließlich Töpfe
der Lavanttaler Schwarzhafnerware. An den Randformen dieser Töpfe lassen sich wenige frühe Formen
mit klobigem Kragenrand aus dem 2. Drittel des 16.
Jahrhunderts erkennen. Die meisten Töpfe besitzen
jedoch bereits einen dreiecksförmigen bzw. langgezogenen ausladenden Kragenrand, der für das späte
16. bis frühe 17. Jahrhundert charakteristisch ist. Die
Nachahmungen von Töpfen der karbonatgemagerten
Lavanttaler Schwarzhafnerware entsprechen formal
ihren Vorbildern mit langgezogenen ausladenden
Kragenrand des späten 16. bis frühen 17. Jahrhunderts, sind jedoch am rotbraunen Farbstich der
Oberfläche und einer anderen Zusammensetzung
des verwendeten Töpfertons (u. a. vermehrt Quarz
als Karbonat, reichlich Glimmer) von den Originalprodukten zu unterscheiden. Ihre Herstellung wird
man in derzeit nicht näher lokalisierten Töpferwerkstätten im kärntnerisch-steirischen Raum annehmen. Zwei zum Teil angekohlte Hohldeckel ergänzen
das Formenspektrum der reduzierend gebrannten
Irdenware. Zum Verschließen der Töpfe beim Kochen
benutzte man allgemein in der Frühneuzeit entweder flache Holzdeckel, die sich aber aufgrund ihres
organischen Materials heute kaum erhalten haben,
oder keramische Deckel. Die beiden Hohldeckel aus
der Abfallhalde sind jedoch mit ihrem Randdurchmesser von nur 12 bzw. 15 cm nicht für die großen
Töpfe der Lavanttaler Schwarzhafnerware und deren
Nachahmungen bestimmt gewesen, die Randdurchmesser von deutlich über 15 cm haben (der Durchschnitt liegt bei den 17 dokumentierten Randstücken
bei 23 cm). Sie lagen offenbar auf kleineren Töpfen
der Lavanttaler Schwarzhafnerware bzw. weiterer
reduzierend gebrannter Irdenware auf, die auch in
einzelnen Stücken in der Abfallhalde SE 1399 vorhanden sind.
Anteilsmäßig geringer waren Gefäße der oxidierend
gebrannten Irdenware, wie Malhornware, glasierte
Irdenware (darunter Stücke mit Träufeldekor) und
unglasierte Ware (Abb. 26). Dekoriertes Keramik-
34
Abb. 25: Signifikante Fragmente von Lavanttaler Schwarzhafnerware sowie deren Nachahmungen und von weiterer
reduzierend gebrannter Irdenware aus der Abfallhalde SE 1399, 16. bis frühes 17. Jahrhundert (Foto: P. Bayer 2022).
Abb. 26: Signifikante Fragmente von Malhornware, glasierter Irdenware (darunter Stücke mit Träufeldekor) und
von oxidierend gebrannter, unglasierter Ware aus der Abfallhalde SE 1399, 16. bis fortgeschrittenes 17. Jahrhundert
(Foto: P. Bayer 2022).
35
geschirr kam im 16. Jahrhundert durch veränderte
Speisegewohnheiten in den gehobenen Bevölkerungsgruppen auf, die dazu überging, das Essen
vom eigenen Geschirr und nicht mehr direkt aus
der gemeinsamen Schüssel bzw. von einer anderen
gemeinschaftlich genutzten Unterlage zu sich zu
nehmen. Flache Gefäßformen, wie Teller oder Schüsseln, kamen dadurch verstärkt auf und wurden bevorzugt dekoriert, wie sich dies auch an den Stücken aus
der Abfallhalde SE 1399 zeigt. Unter ihnen finden
sich Fragmente der Malhornware, bei der es sich
um eine polychrome Unterglasurdekor handelt, die
in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und im
frühen 17. Jahrhundert einsetzt. Dabei wurde das
Gefäß im lederharten Zustand auf der Oberseite mit
einer farbigen Engobe überzogen, nach dem Trocknen mit dem Malhorn dekoriert und abschließend
farblos glasiert.
Weitere Fragmente von Tellern bzw. Schüsseln aus
der Abfallhalde SE 1399 gehören der glasierten Irdenware mit Träufeldekor an. Weißer Träufeldekor auf
grüner oder brauner Glasur kommt erst im Laufe des
17. Jahrhunderts auf. Ein Teller dieser Ware konnte
aus mehreren Einzelfragmenten zu einem nahezu
vollständigen Gefäßprofil zusammengesetzt werden;
er dürfte in die 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts zu datieren sein (Abb. 27). Dieses Exemplar, wie auch wenige
weitere, zählt zu den jüngsten datierten Objekten
aus dieser Schicht. Der Rest der oxidierend gebrannten Irdenware ist entweder monochrom glasiert (z.
B. grün oder türkis) oder verblieb gänzlich unglasiert.
Zu diesem eher einfachen Geschirr gehören neben
einfachen Schüsseln auch andere Formen wie innen
glasierte Töpfe oder Kannen.
Abb. 27: Teller der glasierten Irdenware mit Träufeldekor mit einem Randdurchmesser von 31 cm, 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts
(Foto: P. Bayer; Zeichnung: S. Karl 2022).
36
Tierknochen aus SE 1399
(Benjamin Wimmer und Ruth Irovec)
Insgesamt wurden 608 archäozoologische Funde mit
einem Gesamtgewicht von 3713,9 g aus der Abfallhalde SE 1399 untersucht. Bis auf die Tierart bestimmbar war mit 195 Stücken (32,1 %) nur rund ein Drittel
der Funde, das jedoch rund zwei Drittel des Gewichts
(2434,9 g bzw. 65,6 %) ausmacht (Abb. 28). Weitere
102 Funde (16,8 %) mit einem Gewicht von 719,1 g
(19,5 %) waren wenigstens einer Größenklasse zuzuordnen. Der Rest blieb gänzlich unbestimmt.
Die kleinteilig überlieferten Küchenabfälle zeigen
mäßig erhaltene Oberflächen und häufig Hackspuren
von ihrer Zerkleinerung (Abb. 29, 30). Die portionierten Stücke wurden möglicherweise gekocht, denn an
den Knochen finden sich keine Verbrennungsspuren.
Nur sechs Zähne sind angekohlt oder verbrannt. Auch
weitestgehend fehlende Verbissspuren könnten in
diese Richtung deuten. Einige Körperteile, die wohl
nicht auf dem Tisch landeten, gelangten im Sehnenverbund in den Abfall. Nach ihrem Gewichtsanteil zu
schließen, stand besonders Rindfleisch auf dem Speiseplan, abgeschlagen gefolgt von Schwein und Schaf/
Ziege. Neben erwachsenen bis alten Rindern belegt
wenigstens ein Kalb, dass auch qualitativ hochwertiges Fleisch auf den Tisch kam. Die Reste eines Ferkels
und eines Lammes unterstreichen dies. Singuläre
Knochen vom Rotwild und von einer Gans zeigen
an, dass auch diese Tiere wenigstens gelegentlich
verspeist wurden. Eindeutig ist die Zerkleinerung
einer Sumpfschildkröte belegt, die besonders als
Fastenspeise in der Frühen Neuzeit auch aus Küchenrechnungen und anderen archäologischen Fundkontexten bekannt ist. Auch der Rest einer jungen
Hauskatze findet sich im Material.
Abb. 28: Die Fundzahlen der bestimmten Tierarten im Überblick (Grafik: B. Wimmer 2023).
37
Abb. 29: Gesamtkonvolut der Tierknochen aus der Abfallhalde SE 1399, u. a. vom Rind, Schwein und Schaf/Ziege, mit zahlreichen
Hackspuren von ihrer Zerkleinerung (Foto: P. Bayer 2022).
Abb. 30: Schematische Darstellung der aufgefundenen Elementanteile (schwarz) vom Rind (links) und vom Schwein (rechts) und
lokalisierbare Hackspuren (rot). Pfeile bezeichnen eine Spaltung entlang der angezeigten Kante, schematische Skelette umgezeichnet nach Helmer 1987, modifiziert durch Ruth Irovec (Grafik: B. Wimmer 2023).
38
zerteilten Fleischstücke oder auch der bereits vom
Fleisch getrennten Knochen dürften mit aller WahrAnhand des Fundmaterials kann die Abfallhalde scheinlichkeit die Kochtöpfe der Lavanttaler Schwarzschwerpunktmäßig in die 1. Hälfte des 17. Jahr- hafnerware bzw. deren Nachahmungen verwendet
hunderts datiert werden; einzelne Stücke stammen worden sein. Welche Gerichte schlussendlich auf
bereits aus dem fortgeschrittenen 17. Jahrhundert, dem Speiseplan standen, ist mit den derzeit vorhanandere gehören noch dem 16. Jahrhundert an. Der denen Daten nicht zu entscheiden, aufgrund des
Zubau wurde demnach frühestens in der 2. Hälfte des überwiegenden Anteils von Rinderknochen wäre
17. Jahrhunderts errichtet. Diese Datierung steht im gekochtes Rindfleisch oder Rindsuppe denkbar.
Einklang mit dem Vischer-Stich von Schloss Hanfel- Wild stand zumindest gelegentlich auf dem Tisch;
den (aufgenommen 1673 bzw. 1674; siehe Titel- die Jagd scheint jedoch keine größere Rolle für die
seite), der diesen Zubau oder einen (provisorischen) Bewohner*innen des Adelansitzes gehabt zu haben.
Anbau mit Pultdach an der Südseite des Nebenge- Der Verzehr von Sumpfschildkröten zeigt jedoch,
bäudes zeigt. Es ist weiters davon auszugehen, dass dass man sich diesen aufwändigen Fastenbrauch mit
eine Entsorgung von Küchenabfällen an dieser Stelle importierten Tieren leisten konnte.
zwischen dem Südosteck des Nebengebäudes und
dem Südost-Turm der Umfassungsmauer ab diesem Die durch die Kanalverlegung bedingte Maßnahme
Moment nicht mehr stattgefunden haben kann, als von 2022 hat diese Abfallhalde nur in einem kleinen
der Platz von diesem An- oder Zubau eingenommen Ausschnitt ergraben. Eine vollständige Ausgrabung
wurde. Übernimmt man die gängige Datierung der dieser Schicht ist ein Desiderat. Der Fundkontext
Errichtung der rechteckigen Umfassungsmauer mit wäre gerade für typochronologische Analysen von
den vier Ecktürmen am Ende des 16. Jahrhunderts frühneuzeitlichem Fundmaterial der Steiermark ein
– mit einem Abschluss der Baumaßnahme um 1600 wesentlicher Ankerpunkt. Eine Flotation des Erdma–, dann ist damit auch ein Zeitpunkt bestimmt, ab terials könnte auch archäobotanische Reste zum
dem Abfälle an dieser Stelle frühestens entsorgt Vorschein bringen und die Lücke zum Verzehr pflanzwurden, da der Verlauf der Umfassungsmauer licher Produkte schließen. Naturwissenschaftliche
diesen Platz vorherbestimmt hatte. Der Zeitrah- Untersuchungen von möglichen Speisereste an den
men für die Nutzung dieses Platzes als Abfallhalde, Innenseiten der Gefäße stellen eine weitere Möglichspeziell für Küchenabfälle, fällt damit zwischen ca. keit dar, Informationen zu den damals zubereiteten
1600 und 1673/1674. In der Keramikforschung sind Speisen zu erhalten. Die Existenz von Abfallhalde
solche eng durch äußere Faktoren datierte, stratifi- und Küche im Schloss Hanfelden stellt eine seltene
zierte Fundkomplexe ein wichtiges Hilfsmittel für die Möglichkeit dar, die frühneuzeitlichen SpeisegeErarbeitung der zeitlichen Stellung von bestimmten wohnheiten an diesem Ort zu erforschen.
Keramiktypen.
Auswertung
Neben den chronologischen Aspekten sind aus dem
Fundmaterial dieser Abfallhalde auch Rückschlüsse
auf das soziale Milieu und die Ernährungsgewohnheiten der Bewohner*innen des Schlosses Hanfelden im
betreffenden Zeitraum zu ziehen. Insbesondere im
Fall von Schloss Hanfelden bieten sich solche Überlegungen anhand der Küchenabfälle auch an, da die
ehemalige Schlossküche im Südosteck des Hauptgebäudes – in vier Räumen gegliedert – archäologisch
untersucht wurde. Diese relativ große Küchenanlage
bestand hier spätestens seit der barockzeitlichen
Umbauphase des 17. Jahrhunderts. Gekocht wurde
am offenen Feuer („Rauchküche“), wobei die Töpfe
auf einem Tischherd in die Nähe der Glut gerückt
wurden. Fallweise standen die Töpfe auch auf Eisengestellen mit drei Beinen. Für das Kochen der klein
Autoren
Dr. Stephan Karl
Archaeogon, Bayer & Karl GesbR, Graz
Benjamin Wimmer, MA MSc und
Ruth Irovec, MA MSc
OsteoArch GesbR, St. Aegidi
39
Weiterführende Literatur
Daniel Helmer, Fiches descriptives pour les relevés
d‘ensembles osseux animaux, in: Jean Desse und
Nathalie Desse-Berset (Hrsg.), Fiches d’ostéologie
animale pour l’archéologie, Série B: mammifères, n°
1 (Juan-les-Pins 1987).
Stephan Karl, Bericht zur Maßnahme im Schloss
Hanfelden 2022. Sog. Zubau und frühneuzeitliche
Halde von Küchenabfällen, Fundberichte aus Österreich 61 ebook, im Druck.
Johanna Kraschitzer, Karbonatgemagerte Lavanttaler
Schwarzhafnerware – eine Kärntner Keramikart in
der Steiermark, Beiträge zur Mittelalterarchäologie
in Österreich, Beiheft 10 (Wien 2019).
Alice Kaltenberger, Die Grabungen des Österreichischen Archäologischen Instituts im ehemaligen
Benediktinerkloster („Schloß“), Mondsee, III. Die
frühneuzeitliche Malhornware, Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines 141/I, 187–227.
Alice Kaltenberger, Frühneuzeitliches Fundmaterial
aus Wien 3, Barmherzigengasse 17, Fundort Wien 5,
2002, 198–239.
Erich Pucher, Der frühneuzeitliche Knochenabfall
eines Wirtshauses neben der Salzburger Residenz,
Salzburger Museum Carolino Augusteum, Jahresschrift 35/36, 1991, 71–135.
Iris Winkelbauer, Archäologische Untersuchungen in
der ehemaligen Schlossküche 2020, Schloss Hanfelden – Einst und Jetzt 3, 2021, 38–47.
40
Ein Kreuzanhänger mit Christusdarstellung aus dem Schloss Hanfelden
Magdalena Sulzer
Schlagworte: Neuzeit, Buntmetallobjekt, Kruzifix, Kreuz, Religion
Einleitung
Ein zentrales Thema der christlichen Ikonografie ist
das Bild des gekreuzigten Christus - es ist wohl das
seit dem Frühmittelalter am weitesten verbreitete
und charakteristischste Symbol des Christentums.
Schon früh wird dem Kreuz eine Art Schutz- bzw.
Abwehrfunktion zuteil, wie etwa das Ulrichskreuz
als Schutz gegen die Pest und die Hexerei oder das
Andreaskreuz als Schutz gegen Donner, aber Kreuze
sollen unter anderem auch bei der Heilung von
Krankheiten helfen.35 Anlässlich der archäologischen
Maßnahme im Oktober 2022 innerhalb der östlichen
Umfassungsmauer des Schlosses Hanfelden36 kam
eine solche Kruzifix-Darstellung in Form eines Kreuzanhängers aus Bronze zum Vorschein. Aufgefunden wurde das kleine Kreuz in der Verfüllung einer
Grube (SE 1392) entlang der Innenseite der östlichen
Umfassungsmauer, aus der auch zahlreiche andere
neuzeitliche Funde stammen (siehe Abb. 31 und vgl.
Abb. 24).
Abb. 31: Auffindungsort des Kreuzanhängers - weiß markierter Kreis (Orthofoto: Sulzer 2019)
35 Bebek 2009, 273-274.
36 vgl. Karl 2022.
41
Kreuzanhänger
Kreuze bestehen aus einem senkrechten (Patibulum)
und einem waagerechten (Antenna) Balken.37 Das
Kreuz aus Schloss Hanfelden mit kleeblattförmigen
Enden, könnte an einem Lederband um den Hals
getragen worden sein oder es könnte sich an einem
Rosenkranz als Abschluss befunden haben, wofür die
Öse am oberen Ende des Patibulums (z.B. für einen
Kettenring) sprechen würde. Kreuze mit Rosenkranzendung finden sich schon im 17. Jahrhundert und
werden im darauffolgenden Jahrhundert weitgehend
gebräuchlich.38
Beschädigte Kreuze wurden oft bewusst rituell
bestattet, insofern sie nicht mehr zu gebrauchen
waren. Dieses Kreuz weist jedoch keine offensichtlichen Beschädigungen, abgesehen von natürlichen
Abnützungspuren, auf.
Die schlichte formale Ausführung spricht auch für ein
Serienmodell. Es handelt sich also vermutlich nicht
um ein Einzelstück, sondern um eine Anfertigung in
einer Gussform.39 Die Einfachheit der Ausgestaltung
erschwert eine genaue Altersbestimmung. Vergleiche mit gleichartigen Kruzifix-Objekten, wie etwa
jenen aus dem Klostermarienberg, ermöglichen eine
Datierung in das 17. bzw. in das 18. Jahrhundert.40
Archäologische Ausgrabungen bei Kirchen bringen
nach und nach Hinweise zu Bronzekreuzen ans Licht:
So wurden in neuzeitlichen Gräbern der Pfarrkirche der HL. Magdalena in Čazma41 ähnlich einfache
lateinische Kreuze des 17. und 18. Jahrhunderts mit
dreiblättrigen Balkenenden, einem Loch auf dem
Patibulum und einer stilisierten Reliefdarstellung des
gekreuzigten Christus in Verbindung mit Rosenkränzen gefunden.
Solche Kreuzanhänger waren in Europa weit verbreitet und fanden ihren Weg wohl auch nach Schloss
Hanfelden im Pölstal.
Die Vorderseite des Kleeblattkreuzes (Länge 6,6 cm,
Breite 4,25 cm, Gewicht 8,1 g) weist eine figürliche
Reliefdarstellung auf. Auf der Rückseite ist es flach
gestaltet, ohne Darstellung oder Inschrift. Sie zeigt
Christus mit Lendenschurz am Kreuz im Dreinageltypus, das bedeutet Hände und Füße sind mit drei
Nägeln an das Kreuz geschlagen. Der Korpus ist in
einem flachen Relief in streng frontaler Haltung
mit seitlich gestreckten Armen wiedergegeben, die
Hände leicht aufwärts gewinkelt. Das dornengekrönte, der rechten Schulter zugeneigte Haupt ist
von einem Strahlennimbus umgeben. Die Buchstaben des Titulus INRI am oberen, kleeblattförmigen
Autorin
Kreuzbalkenende sind, wie auch der Strahlenkranz,
Magdalena Sulzer
eingetieft (Abb.32 und Abb. 33).
Archäologiestudentin an der Universität Graz
Abb. 32: Kreuzanhänger aus der Grubenverfüllung SE 1392,
Avers (Foto: Bayer 2022).
37
38
39
40
41
Abb. 33: Kreuzanhänger aus der Grubenverfüllung SE 1392
Revers (Foto: Bayer 2022).
Bebek 2009, 272-273.
Mit freundlicher Auskunft Heimo Kaindl, vgl. Bebek 2009, 276, 278, Bebek 2008.
Mit freundlicher Auskunft Heimo Kaindl.
vgl. Farka 2000, Kat. Nr. 28.10, 28.24, 28.25, 28.27.
vgl. Bebek 2009, 279, Abb. 2h, Kat. Nr. 11-15.
42
Einsatz von Photogrammetrie und terrestrischem Laserscanning zur Erfassung
oberflächlicher Verwitterungsschäden an der Fassade des Schlosses Hanfelden
Wolfgang Sulzer, Josef Gspurning, Justin Catau, Viktor Kaufmann, Robert Fürhacker, Fabian Wack
Schlagworte: Cultural Heritage; Fassadeninspektion; Photogrammetrie; Structure from Motion (SfM), Terrestrisches Laserscanning
Abstract
Das Schloss Hanfelden ist eines der wenigen Renaissanceschlösser in Österreich, dessen Erscheinungsbild
trotz Umbauten im 18. jahrhundert weitgehend jenem des 16. jahrhunderts entspricht. Dazu gehört die
Fassade mit Putzschichten aus dem 16. bis 18. Jahrhundert an der Süd- und Westseite. Im Hinblick auf die
Festlegung meist konservatorischer Maßnahmen – die Fassade soll in ihrem „gewachsenem Zustand“ erhalten bleiben – ist es wichtig, die Fassaden aus Putz, Naturstein oder Ziegel auf das Ausmaß oberflächlicher
Schäden – wie Verwitterung, Abplatzungen, Aufwölbungen oder Durchbiegungen – zu prüfen. Als Alternative zur visuellen Inspektion mit herkömmlichen Hubarbeitsbühnen oder Gerüsten stehen berührungslose
3D-Messsysteme zur Verfügung. Dazu gehören terrestrische Photogrammetrie, UAV-gestützte Photogrammetrie und terrestrisches Laserscanning (TLS). Die Ergebnisse der multitemporalen und multisensoralen
Erfassung und Analyse der Westfassade werden dargestellt.
werden zusätzliche Informationen zur Baugeschichte
durch die Visualisierung von Gebäudestrukturen
In den letzten Jahren sind Geospatial Technologies (Baufugen) mittels verschiedener hochauflösender
zu einem gängigen Werkzeug u.a. für Restauratoren, digitaler Oberflächenmodelle gewonnen. Die letztArchitekten, Archäologen und Maler, die sich mit endlich gewonnenen Informationen werden dazu
Aktivitäten im Bereich Cultural Heritage befassen, beitragen, Erhaltungs- und Wiederaufbauaktivitäten
geworden. Dies zeigt sich in zahlreichen nationalen zu unterstützen.
und internationalen Fallstudien.42
Einleitung
Ziel dieses Artikels ist es, eine spezifische Anwendung
von Photogrammetrie, Structure from Motion (SfM),
terrestrischem Laserscanning und objektbasierten
Klassifizierungstools vorzustellen, um detaillierte
Informationen über den historischen und aktuellen
Status der Fassade zu erhalten. Wäre es möglich,
mit den angewandten Methoden der Geospatial
Technologies neue Informationen über die Struktur
und Entwicklung von Fassaden zu gewinnen? Dieser
Beitrag geht über die reine Geovisualisierung des
untersuchten Kulturerbes hinaus, sondern es wird
versucht zusätzlich eine automatische Erfassung
verschiedener Fassadenstrukturen und -schichten
sowie der Veränderungen von 1986 bis 2022, die
hauptsächlich durch Witterungseinflüsse verursacht werden, durchzuführen. Mit dieser Methodik
Schloss Hanfelden
Was das Schloss Hanfelden (Lage in Abb. 34) besonders auszeichnet, ist sein unverfälschtes, authentisches Erscheinungsbild (Abb. 35). Dies ist darauf
zurückzuführen, dass am Gebäude seit rund 250
Jahren keine größeren Veränderungen vorgenommen wurden und es optisch weitgehend der ältesten bekannten Darstellung von G. M. Vischer im Jahr
1681 entspricht (Abb. 36). Abb. 37 stellt das Schloss
aus dem Jahr 1830 dar, wobei barocke Ornamente
sichtbar sind, die ebenfalls teilweise noch heute an
der Fassade zu sehen sind.43
Ziel der seit 2015 durchgeführten Konservierungsund Restaurierungsmaßnahmen ist vor allem die
42 El-Hakim et al. 2004, Kersten 2006, Kersten et al., 2012; Fassi et al., 2013; Micoli et al. 2013, Dostal 2014,
Erenoglu et al. 2017, Maietti et al. 2018, Doumit 2019, Galantucci & Fatiguso 2019, Sulzer et al. 2021.
43 Nähere Informationen zum Schloss Hanfelden finden sich in Fürhacker/Theune 2016; Holleger 2018; Theune/Winkelbauer
2019; Theune et al. 2020.
43
Erhaltung der Originalsubstanz. Beschädigte oder
fehlende Mauerteile werden stabilisiert oder
ergänzt, fehlende Teile werden rekonstruiert, um
einem weiteren Verfall vorzubeugen. Besonderes
Augenmerk wird auf die Unversehrtheit des Daches
des Hauptgebäudes gelegt.
oder Schlackestücken versehen und vermutlich nicht
weiter verputzt wurde.
Die Fassade der Süd- und Westseite des Schlosses
weist mehrere Putzschichten auf, die mehreren zeitlichen Phasen zugeordnet werden können.
(2) Die zweite Phase (um 1510/30), die sich über die
gesamte Süd- und Westfassade erstreckt, besteht
aus einem einfachen, weiß gefärbten Putz. An der
südöstlichen Ecke wurden ockerfarbene Quader mit
einer Umrandung aus rotem Eisenoxid aufgemalt.
Der Torrahmen in der Mitte der Westfassade ist
dieser Phase zuzurechnen.
(1) Die älteste Phase (vor 1510), die sich soweit
erkennbar auf das Erdgeschoss beschränkt, zeigt ein
Bruchsteinmauerwerk aus mittelgroßen bis großen,
bearbeiteten Steinen (0), deren Zwickel nachträglich mit in den Mörtel gepressten kleinen Steinen
(3) Die dritte Phase, die auch im Vischer-Stich (1681,
Abb. 36) zu sehen ist, weist ebenfalls eine weiße
Färbung auf. Obwohl keine Eckquader aufgemalt
wurden, finden sich vor allem im südlichen Bereich
der Westfassade Reste einer flächigen Bemalung.
Abb. 34: Lage des Schloss Hanfelden (Grafik: Sulzer 2023).
Abb. 35: Perspektivische Ansicht von Westen (Foto: Sulzer
2023).
Abb. 36: Schloss Hanfelden (1681), (G. M. Vischer: Topographia
Ducatus Stiriae, 1681.
Abb. 37: Schloss Hanfelden (1830), J. F. Kaiser - lithographirte
Ansichten der Steyermärkischen Städte, Märkte und Schlösser,
Graz 1824-1833.
44
Da sich die Putzschichten von Phase 2 und Phase 3 Parallelprojektionen auf eine Referenzebene.46 Die
sehr ähneln, ist eine eindeutige Zuordnung nicht Erstellung solcher Orthofotos historischer Fassaden
ermöglicht deren Dokumentation und Analyse für
immer möglich.
zahlreiche Anwendungen wie Restaurierung, Denk(4) Die jüngste und letzte Putzschicht besteht aus malpflege, Visualisierung, Analyse des baulichen
einem barocken braungrauen Strukturputz (um Zustands und von Schäden.47 Diese stellen daher
1730), der auf den weißen Putz aufgetragen wurde. einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung des kultuIm Erdgeschoss befand sich eine große Sockelzone rellen Erbes oder kulturell wertvoller Objekte dar.48
mit Quaderdarstellungen, zwischen den Geschossen
verliefen horizontale Gesimsbänder und im ersten Die Frage nach der Bedeutung des (terrestrischen)
und zweiten Obergeschoss waren zwischen den weiß Laserscannings im Kulturerbe-Kontext und wie es
gefassten Fenstern rechteckige und profilierte Zier- im Vergleich zu anderen modernen Technologien
felder angebracht. Die südöstliche Ecke wurde erneut zu bewerten ist, kann als Gegenstand vieler grundsätzlicher Diskussionen angesehen werden. Stellmit Quadersteinen bemalt.
vertretend hierfür ist die Arbeit von Eppich und
Hadzic (2013), in der die Autoren auf der Grundlage
Multitemporale und multisensorale Analysen
einer Durchsicht der einschlägigen Kulturerbe-Liteder Westfassade
ratur versuchen, die Wechselwirkungen zwischen
Die Photogrammetrie ermöglicht die Erstellung Geotechnologie und deren Nutzbringung im Bereich
präziser 3D-Modelle aus zweidimensionalen Bildern. der „cultural heritages“ aufzuzeigen. Die Studie zeigt
Dabei handelt es sich um eine 3D-Technik, bei der deutlich, wie und in welchem Umfang bestimmte
mehrere aus unterschiedlichen Winkeln aufgenom- Technologien Einzug in den Bereich des Kulturerbes
mene Bilder verwendet werden, um ein 3D-Modell gehalten haben. Bemerkenswert ist einerseits die
eines Objekts oder einer Szene zu erstellen. Es ist ein lange Tradition konventioneller Vermessungsinstruvielseitiges Werkzeug, das in vielen Bereichen einge- mente wie Theodolit oder – mit einiger Verzögerung
setzt werden kann; beispielsweise in der Vermes- – Digitalkameras und GNSS; andererseits dokumensung, im Ingenieurwesen, in der Architektur, im tiert dies auch die rasant zunehmende Durchdrin3D-Druck und in der Entwicklung von Videospielen. gung des Forschungsgebiets durch Thermographie
Die Photogrammetrie ist auch eine Methode, die und Laserscanning. Betrachtet man die Arbeit aus
bei der Erhaltung von Kulturdenkmälern, Museums- der Perspektive der Anwendungen lässt sich erkenobjekten oder Baudenkmälern eingesetzt wird. Die nen, dass Laserscanning meist nur im ErfassungsproPhotogrammetrie bietet viele Vorteile (Genauigkeit, zess eine Rolle spielt; die Weiterverarbeitung findet
Präzision, Kosteneinsparungen und Geschwindig- in Geoinformationssystemen und die Visualisierung
keit) gegenüber herkömmlichen 3D-Modellierungs- meist mittels Augmented/Virtual Reality statt.
methoden. Bei der Suche nach einer effizienten und
kostengünstigen Möglichkeit, genaue 3D-Modelle Im Schloss Hanfelden konnten die Grazer Univerzu erstellen, kann die Photogrammetrie die perfekte sitäten (Institut für Geographie der Karl-Franzens-Universität Graz und Institut für Geodäsie der
Lösung sein.44
Technischen Universität Graz) im Rahmen der NAWI
„Structure from Motion“ (SfM) ist eine Technik, die Graz Kooperation verschiedene Methoden der FernPhotogrammetrie und Computer Vision kombiniert erkundung, wie Photogrammetrie und Laserscanund Orthofotos und 3D-Oberflächenmodelle basie- ning, sowie Geovisualisierung einsetzen. Ziel war
rend auf überlappenden Bildern von Drohnen (UAV) es, ihr Potenzial bei der Erfassung und Präsentation
oder herkömmlichen Kameras rekonstruiert.45 Ortho- eines einzigartigen kulturellen Erbes zu dokumentiefotos sind maßstabsgetreue und verzerrungsfreie ren.49 Klassische Aufnahmen des Schlosses stammen
44
45
46
47
48
49
Aicardia et al. 2018.
Sulzer et al. 2021.
Donath 2008.
Kersten et al. 2012.
Sulzer et al. 2021.
Sulzer et al 2021.
45
von Aigner (2002). Grundlegende photogrammetrische Messungen wurden 1986 von der Technischen
Universität Graz durchgeführt. Wiederholte photogrammetrische Messungen und Aufnahmen der
Fassade des Schlosses wurden 2019 durchgeführt.
Darüber hinaus wurden UAV-Flugkampagnen eingesetzt, um hochpräzise Orthofotos, Luftbildkarten und
Oberflächenmodelle zu erstellen. Daraus wurden
dreidimensionale Visualisierungen des Daches, der
Fassaden von den Jahren 2019 und 2022 abgeleitet. Diese Initiativen wurden durch terrestrisches
Laserscanning der Ringmauer, der Fassaden und des
Innenhofs unterstützt.
Structure from Motion (SfM) ist somit ein topographisches Vermessungsverfahren, das dreidimensionale (3D) Punktwolken und damit Orthophotos
und digitale Höhenmodelle (DHM) auf Basis zweidimensionaler (2D) Bilder erzeugen kann. Algorithmen werden verwendet, um passende Punkte aus
einer Auswahl überlappender Bilder – zum Beispiel
verschiedene Positionen und Winkel – eines untersuchten Objekts zu registrieren. Dadurch können die
Kamerapositionen und -ausrichtungen berechnet
und die Punktwolken bzw. Modelle in einem beliebigen Referenzsystem ausgegeben werden. Daher ist
der Bedarf an Referenzdaten und Bodenkontrollpunkten (GCP) für die Georeferenzierung und Skalierung
unumgänglich (Carravick et al., 2016). Grundsätzlich
ist SfM eine flexible und kostengünstige Alternative zu
TLS und ermöglicht die Erstellung von hochauflösenden Orthofotos und digitalen Oberflächenmodellen
auf Basis von UAV-Bildern. Anhand der Aufnahmen
aus den Jahren 2019 und 2022 können Veränderungen im Zustand der Fassade ermittelt werden.
Bei der Erfassung der Fassaden mittels terrestrischen
Laserscannings (TLS) musste natürlich die Scandichte
am Objekt (also der Fassade) möglichst hochgehalten
werden. Um dies zu erreichen, musste ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der einzustellenden ScanSchrittweite und dem Abstand zum Objekt gewählt
werden. Bei diesen Vorgaben (möglichst größer als
5m von der Fassade entfernt, ergab sich das Problem,
dass die Umfassungsmauer von Hanfelden die optimale Positionierung zu verhindern drohte. Die Mauer
hätte die unteren Teile des Gebäudes abgedeckt. Aus
diesem Grund wurde anstelle des üblichen Stativs
ein Teleskopstativ verwendet, mit dessen Hilfe die
Abb. 38: Scanposition befindet sich etwa 10 m vor der Fassade
in einer Höhe von 2,6 m.
Scanplattform auf eine Höhe von 2,6 m angehoben werden konnte und so eine freie Sicht auf die
gesamte Westfassade gewährleistet war (Abb. 38).
Die 2D-Darstellungen wurden anhand der entzerrten Bilder (Orthophotos) der Gebäudefassaden aus
den Jahren 2019 und 2022 erstellt, die im Rahmen
des SfM-Verfahrens entstanden sind. Zusätzlich zu
aktuellen digitalen Bildern ermöglichen referenzielle
Archivdokumente aus dem Jahr 1986 die Charakterisierung und Quantifizierung des Zustands des Fassadenverfalls im Laufe der Zeit. Darüber hinaus wurden
verschiedene Ebenen/Kategorien für die Kartierung
und Digitalisierung der Fassadenmerkmale verwendet (siehe Kapitel „Schloss Hanfelden“ und Legende in
Abb. 43). Zur Differenzierung der Merkmale wurden
die Materialien und der Zustand der Fassade berücksichtigt.50 Darüber hinaus wurden Liniensignaturen
für das Jahr 2022 verwendet, um Risse und Abblätterungsprozesse an der Fassade hervorzuheben.
Ergebnisse
In Sulzer et al. (2021) wird die Erstellung der Orthophotos und Luftbildpläne 2019 dokumentiert. Die
geometrische Auflösung des Orthofotos beträgt
2mm/Pixel (Abb. 39).
Mit der SfM-Methode für die UAV-Daten wurden
zusätzlich Oberflächenmodelle und Orthofotos der
50 Patias et al., 2011.
46
Abb. 39: Orthophoto mit einer Auflösung von 2mm (links) und ein Orthophotoplan (1:100) der Westfassade (Sulzer et al. 2021).
Westfassade des Schlosses für die Jahre 2019 und
2022 erstellt. Die Auflösung von 2022 im Vergleich
zu 2019 und 1986 ermöglicht einen hohen Detaillierungsgrad (Tab. 1). Einzelheiten zur Auflösung finden
sich in der Tabelle. Diese Unterschiede in der Auflösung – die der damaligen Technik und dem damaligen
Verwendungszweck der Fotos entsprach – müssen
bei der Interpretation berücksichtigt werden.
Tab. 1: Information zu UAV Bildern und SfM Statistiken
Jahr
2019
Auflösung
4.23mm/pix ortho & 1.69mm/pix DHM
Aufnahmen
539
Points Dense Cloud
3886370
2022
0.838mm/pix ortho & 3.35mm/pix DHM
1191
35953993
Abb. 40: Orthophotos und Oberflächenmodelle der untersuchten
Jahre; sowie eine Fassadenskizze von 1986.
47
Die Abb. 41 dokumentiert das Potenzial hochauflösender digitaler Oberflächenmodelle. Baugeschichtlich interessante Bauelemente wie der vertikale Riss
in der Mitte der Abbildung treten hervor. Rechts
davon befindet sich der neuere Teil des Schlosses.
Zudem können verschiedene Putzschichten unterschieden und identifiziert werden (siehe Abb. 44),
sowie Bereiche, in denen die Putzschichten aufquellen. Gerade diese Schäden müssen behoben werden,
um vor fortschreitender Zerstörung zu schützen.
Punktwolke mit einer Größe von ca. 1 GB. Nach der
Entfernung der für die Untersuchung nicht relevanten Streu- oder Hintergrundpixel blieben insgesamt
etwa 23 Millionen Messpunkte zur weiteren Verarbeitung übrig. An dieser Stelle ist zu beachten, dass
aufgrund des relativ großen horizontalen Scanwinkels naturgemäß unterschiedliche Abstände zum
detektierten Objekt auftreten, die im vorliegenden
Fall zwischen 7,8 m im Nadir und 18,8 m in den seitlichen Bereichen liegen. Anhand der Angaben des
Geräteherstellers errechnet sich für den ersten (optimalen) Fall ein ungefährer Punktabstand von 2,7
mm, was ca. 137.175 Punkten umgerechnet auf eine
Fläche von 1 m² entspricht.51 Abb. 43 zeigt sehr gut
die hohe Punktdichte und welche Details erkennbar
sind. Durch den unterschiedlichen Reflexionsgrad der
Wandflächen sind Strukturdetails wie Ornamente an
der Wand oder auch Bauschäden sehr gut erkennbar.
Der Jahresvergleich (1986, 2019 und 2022) zeigt
erwartungsgemäß, dass die Westfassade von 1986
bis 2019 die größte sichtbare Verschlechterung auf
der Mesoskala (cm bis m) erleidet.52 Allerdings zeigt
Abb. 41: Digitales Oberflächenmodell von 2022
(Detailausschnitt).
Die Aufnahme (Abb. 42) zeigt das erste Scanergebnis. Die Punktwolken, bestehend aus ca. 25 Millionen
Einzelpunkten wurden nicht verarbeitet, sondern
lediglich farbig zur besseren Visualisierung dargestellt. Die roten Kreise markieren die an der Wand
angebrachten Reflektoren, die zur Georeferenzierung dienen. Als Ergebnis des Scans der Westseite
des Hauptgebäudes von Hanfelden entstand bei
einer relativ kurzen Laufzeit von ca. 20 Minuten eine
Abb. 43: Digitales Oberflächenmodell von 2022
(Detailausschnitt).
Abb. 42: Rohscan der Westfassade.
51 Gspurning et. al., 2021.
52 Viles et al., 2011.
48
sich, dass insbesondere der südliche Teil - also der
rechte Teil der Fassade - anfälliger ist, was sich insbesondere an der Optik der unteren Schichten wie
dem Mauerwerk und der groben Beschaffenheit
zeigt. Auch der Vergleich der Jahre 2019 und 2022
zeigt, dass in diesem Teil die größten Unterschiede
auftreten und dass in diesem Bereich Handlungs-
bedarf besteht, auch wenn die Veränderungen auf
der Mikroskala (mm bis cm) stattfinden. Insgesamt
wurden zahlreiche Veränderungen im mm- und
cm-Bereich festgestellt, wobei zu berücksichtigen ist,
dass nicht sichtbare Verschlechterungen im Nanomaßstab (<mm) mit dieser Methode nicht untersucht werden können.
Abb. 44: Objektbasierte Klassifikation der Westfassade 1986 (oben), 2019 (mittig) und 2022 (unten).
49
Der Vergleich von 2019 und 2022 zeigt, dass der
Zustand der Fassade nur auf einer kleinen Fläche
bzw. im Detail erkennbar ist. Insgesamt wurden 70
Unterschiede (+) identifiziert, von denen jedoch
nicht alle von signifikanter Bedeutung sind (6 von
70 betreffen signifikante Veränderungen, die größer
und daher auffälliger sind; diese Kreuze sind in Abb.
45 markiert).
Abb. 46 dokumentiert eine Änderungserkennungsanalyse der Klassifizierungen 1986, 2019 und 2022.
2022 (grün) bedeutet, dass es intakte Schichten
(Ornamente und Putzschichten, 4a und 4b in Abb.
44) gibt, die im Jahr 2022 nicht mehr vorhanden
sind. Gelb (2019) repräsentieren die Veränderungen
zwischen 2019 und 2022 bzw. die Teile, die es im Jahr
2022 nicht gibt. Die rote Farbe stellt die Putzschichten
Abb. 45: Spots (+) an der Westfassade, an denen Veränderungen von 2019 bis 2022 auftraten.
Abb. 46: Veränderungen an der Westfassade 1986, 2019 und 2022 (Erklärungen siehe Text).
50
(4a, 4b in Abb. 44) dar, die 1986 noch intakt gewesen eingefärbte Bereiche stellen andere nicht sichtbare
sind. Die gräulich gefärbten Teile waren 1986 noch Teile der Fassade dar (z. B. Fenstermaske, Holz und
nicht vorhanden und vorher verwittert. Schwarz visuelle Einschränkungen, wie durch die Ringmauer).
Abb. 47: Detaillierte Veränderungen an der Westfassade (1986, 2019, 2022).
51
Diskussion und Schlussfolgerungen
Danksagung
Die implementierten Methoden der Geographischen
Technologien erwiesen sich als sehr geeignet für die
Daten- und Informationserfassung der Westfassade
des Schlosses Hanfelden. Eine multitemporale und
multisensorale Analyse liefert wichtige Informationen über den Zustand und die nahezu kontinuierliche Zerstörung durch Witterungseinflüsse. Das hier
besprochene Beispiel lässt gut abschätzen, bis zu
welchem Maßstab strukturelle Unregelmäßigkeiten
in der Bausubstanz oder deren Veränderungen mit
dieser Methode dokumentiert werden können.
Die Autoren danken allen Studierenden und Kollegen, die Feldforschung betrieben haben, sowie dem
Besitzer vom Schloss Hanfelden Georg Neuper für
seine hilfreiche Unterstützung und die Möglichkeit,
spannende Forschung anzuwenden.
Die mit Structure from Motion (SfM) erstellten
Orthophotos und Digitalen Oberflächenmodelle
repräsentieren eine optimale Dokumentation der
Fassadenoberfläche. Damit ermöglichen sie der
Bauforschung die Erfassung und Abbildung der
Verputzphasen, deren relative zeitliche Einordnung
und Materialbeschaffenheit. Darüber hinaus ist es
möglich, durch regelmäßig wiederholte Fotokampagnen Veränderungen zu überwachen und festzustellen, ob die Verschlechterung gestoppt worden ist
oder nach der Umsetzung von Erhaltungsmaßnahmen anhält. Die Methoden eignen sich somit für den
Einsatz im Rahmen der Fassadeninspektion.
Im Hinblick auf die in diesem Dokument vorgestellten
Methoden und Techniken ist deutlich geworden, wie
wertvoll die Zusammenarbeit von Geotechnologien
im Bereich der historischen Bauforschung sein kann.
Dies gilt vor allem für die unterschiedlichen Erfassungsmethoden, die hier nahtlos ineinandergreifen
und so das erzielbare Ergebnis optimieren. Darüber
hinaus ermöglicht diese Art der Datenerfassung auch
die problemlose Integration in Geoinformationssysteme. Sofern die entwickelten Arbeitsabläufe zur
Optimierung zukünftiger Arbeitsabläufe oder zur
Entwicklung von Musterabläufen genutzt werden,
können die Ergebnisse als Grundlage für eine permanente Überwachung der Bausubstanz dienen und
somit einen wertvollen Beitrag für die zukünftige
Forschung im Areal des Schlosses Hanfelden leisten.
Damit könnte ein Gebäudeinformationssystem (BIM)
zum historischen Kulturerbe entstehen.
Autoren
Wolfgang Sulzer
Universität Graz
Institut für Geographie und Raumforschung
wolfgang.sulzer@uni-graz.at
Josef Gspurning
Universität Graz
Institut für Geographie und Raumforschung
josef.gspurning@uni-graz.at
Justin Catau
Universität Graz
justin.catau@edu.uni-graz.at
Viktor Kaufmann
Technische Universität Graz
viktor.kaufmann@tugraz.at
Robert Fürhacker
Restaurator
fuerhacker@gmail.com
Fabian Wack
Universität Graz
Institut für Geographie und Raumforschung
fabian.wack@uni-graz.at
52
Die römische Straßenstation Viscellis in Unterzeiring53
Paul Bayer
Schlagworte: Römerzeit, Straßenstation, Viscellis, Ausgrabung, Norische Hauptstraße
Zur norischen Hauptstraße im Pölstall53
über den Verlauf der Straßen voraus. In den Alpen
folgen die Straßen den Tälern und überqueren meist
Der Verlauf der römischen via publica von Virunum die selben Passübergänge wie die modernen Straßen,
(Zollfeld bei Maria Saal) nach Ovilava (Wels) wird der Verlauf ist also bereits einigermaßen vorgegeben
seit dem 19. Jh. intensiv erforscht. Diese sogenannte und stellenweise auch archäologisch nachgewiesen,
„Norische Hauptstraße” überquerte von Süden hinzu kommen Funde von römischen Meilensteikommend den Neumarkter bzw. Perchauer Sattel, nen entlang der Trassen. Von den aus den antiken
verlief entlang der Mur, zweigte ins Pölstal ab, über- Straßenverzeichnissen bekannten Orten liegen mit
wand den Triebener Tauern und erreichte durch das hoher Sicherheit Viscellis und Tartursanis (beide TP)
Paltental und das Ennstal die Donau. Das Römische im Pölstal. Tartursanis wird nördlich von St. Johann
Reich verfügte über ein dichtes Netz an Straßenstati- am Tauern verortet, Viscellis im Bereich Oberzeiring 54
onen (mansiones), in denen die Reisenden und deren Möderbrugg - Unterzeiring.
Tiere Schutz fanden, verpflegt wurden, rasten und
übernachten konnten. Diese wurden üblicherweise
im Abstand von Tagesetappen angelegt, bevorzugt Archäologische Forschungen in Unterzeiring
an Kreuzungspunkten. Die Hauptquelle dazu sind
zwei durch mittelalterliche Abschriften überlieferte Im Zuge geophysikalischer Untersuchungen im
antike Dokumente: das Itinerarium Antonini (IA) aus Schloss Hanfelden durch die ZAMG (heute GeoSphere
dem 3. Jh., das die Wegstrecken zwischen Siedlungen Austria) im Jahr 201855 wurden von Klaus Löcker und
und Straßenstationen auflistet sowie die sogenannte Ralf Totschnig auch Luftbilder der Umgebung ausgeTabula Peutingeriana (TP) aus dem späteren 4. Jh., wertet. Dabei wurde in den Bildern der Befliegung
auf der schematisch die Tagesetappen zwischen 2013 (GIS-Steiermark) eine Fundstelle aufgrund
verschiedenen Orten mit Meilenangaben dargestellt negativer Bewuchsmerkmale in Form linearer Struksind. Nicht zuletzt aufgrund des zeitlichen Abstan- turen auf der Wiese östlich des Schlosses entdeckt.
des zwischen dem Entstehen der beiden Dokumente Eine im selben Jahr durchgeführte Prospektion
sind die Angaben von Ortsnamen und Entfernungs- mittels Bodenradar56 konnte diesen Befund präzisieangaben nicht immer deckungsgleich, im Laufe der ren: Es handelt sich um ein Gebäude mit einer fassZeit sind unterschiedliche lokale Trassenführungen baren Ausdehnung von 28,5 × 34 m, dessen Fronten
und die Aufgabe alter und die Anlage neuer Stra- in einem Winkel von ca. 45° zu den Haupthimmelsßenstationen sowie Fehler in der Kartierung und richtungen orientiert sind. Die Räume sind um einen
Überlieferung anzunehmen. Die Lokalisierung bzw. ca. 18,5 × 19,5 m großen Innenhof gruppiert, zuminBenennung römischer Siedlungen erfolgt, ergänzt dest an der nordwestlichen Lang- und der südwestvon (in)schriftlichen und archäologischen Quellen, lichen Schmalseite dürfte es sich um zwei parallele
anhand der Meilenangaben auf den genannten Raumgruppen handeln. Der Innenhof ist durch eine
Verzeichnissen. Dies setzt die sichere Lokalisierung von Nordwesten nach Südosten verlaufende Mauer
einzelner Siedlungen und Stationen sowie Kenntnis in zwei etwa gleich große Bereiche geteilt (Abb. 48).
53 Dieser Text fasst den von Manfred Lehner und dem Verfasser gehaltenen Vortrag zusammen: „Focus Pölstal: Die Norische
Hauptstraße als Lebensader für die Obersteiermark zur Römerzeit” (THEO Oberzeiring, 2.3.2023).
54 Lehner 2023a, 43–50 mit Überlegungen zu römischen Straßentrassen, archäologischer Evidenz, Forschungsgeschichte und
Quellenkritik; Lehner 2023b.
55 Theune/Winkelbauer 2018.
56 Schiel 2018.
53
Abb. 48: Lage und Grundriss des Gebäudes in Unterzeiring (Bearbeitung: P. Bayer, S. Karl 2022).
Zumindest seit dem 17. Jh. ist kein Gebäude an der
Fundstelle nachweisbar.57 Vielmehr deutete der sehr
ähnliche Grundriss eines römerzeitlichen Gebäudes
in Katsch an der Mur58 auf eine römerzeitliche Datierung des Befundes hin. Römerzeitliche Funde sind in
der näheren Umgebung zwar bekannt, ließen aber
bisher keine klare Lokalisierung einer Straßenstation
oder Siedlung zu.
Im Zuge des Projekts „Archäologieregion MurauMurtal 3.0.: Museum im Raum” wurde eine vom
Arbeitskreis Falkenberg beauftragte archäologische
Ausgrabung durchgeführt (Archaeogon, Bayer & Karl
GesbR), um die vermutete Datierung des Gebäudes
sowie dessen Erhaltungszustand festzustellen.59
Die Geländearbeiten fanden zwischen dem 2. und 14.
Oktober 2022 bei gutem Wetter statt. Eine 12 × 1 m
große Grabungsfläche wurde anhand der geophysikalischen Daten etwa in der Mitte des Nordwestflügels
des Gebäudes vom Innenhof durch zwei Räume bis
in den Außenbereich angelegt. Im Bereich des Innenhofs wurde die Fläche beidseitig auf einer Länge von
1,5 m um je 1 m verbreitert, insgesamt wurden somit
16 m² archäologisch untersucht. Fundamentreste
kamen bereits in einer geringen Tiefe von 0,15–0,20
m zum Vorschein. Es handelt sich um die untersten
Teile von Mauerfundamenten, die aus lokal anstehenden, etwa 20–30 cm langen gerundeten Granitgneisen gebaut sind. Von den beiden äußeren
57 Georg M. Vischer, Topographia Ducatus Stiriae, s. v. Hanfelden (Graz 1681). Auf dem Stich ist im Bereich der Fundstelle
lediglich das heute noch bestehende sogenannte Zerwinklerhaus mit Nebengebäuden erkennbar.
58 Steigberger 2020; Fuchs 2022.
59 Siehe Bayer 2022a für den ausführlichen Grabungsbericht, die Vorlage der Funde und weitere Beobachtungen.
54
Abb. 49: Grabungsfläche nach Abtragen des Humus (links) und nach Grabungsabschluss (rechts) (Plan: P. Bayer, S. Karl 2022).
Mauern waren nur die untersten Steinlagen erhalten, die etwas tiefer fundamentierte Hofmauer war
mit 3–4 Steinlagen etwas besser erhalten. Im rechten
Winkel an diese angesetzt war eine den Innenhof in
zwei etwa gleich große Bereiche teilende Mauer.
Die Fundamente des umgebenden Gebäudes waren
mit 0,6–0,8 m breiter als die Mauer im Innenhof mit
0,4–0,5 m (Abb. 49, Abb. 50).
Abgesehen von den Fundamenten konnten keine
Befunde festgestellt werden, durch den späteren
Ackerbau und die Wiederverwendung der Steine
in den umliegenden Gebäuden ist das Vorhandensein von Benutzungshorizonten oder aufgehendem
Mauerwerk nicht zu erwarten.
Das Fundmaterial stammt großteils aus den oberen,
vom Ackerbau verlagerten Schichten und besteht
hauptsächlich aus spätmittelalterlicher (14. und 15.
Jh.) und neuzeitlicher (16. Jh. bis 20. Jh.) Keramik, aber
55
Abb. 50: Die an das Gebäude angesetzte Mauer durch den
Innenhof (Foto: P. Bayer 2022).
auch aus Ziegelsplitt, Glas, Eisen, Münzen und Schlacke. Die datierbaren Funde passen zur Geschichte
des etwa 150 m westlich der Fundstelle gelegenen
Schlosses Hanfelden, das etwa ab der Mitte des 14.
Jhs. errichtet wurde und kamen wohl im Zuge landwirtschaftlicher Tätigkeit auf den Acker. Ein kleinräumiger, aber intensiver Metalldetektor-Survey60
im Bereich des Gebäudes erbrachte ausschließlich
neuzeitliches Fundmaterial.
Dennoch konnte die vermutete Datierung des Gebäudes bestätigt werden: Eine kleine Menge römerzeitlicher Gefäßkeramik befand sich in den durchackerten
Schichten, aber auch darunter. Es handelt sich um
Töpfe mit Kammstrichdekor, einen Teller, eine Dreifußschüssel, einen Deckel sowie ein Fragment einer
Terra-Sigillata-Schüssel (Abb. 51).61 Das Fundmaterial
belegt eine Nutzung des Platzes zumindest im 2./3.
Jh. n. Chr., eine genauere Datierung ist anhand der
vorliegenden Keramikscherben nicht möglich.
die auch später wohl nicht zufällig vom nur 150 m
entfernten Schloss Hanfelden besetzt wird. Erwähnenswert ist, dass die Errichtung der sogenannten
„Römerbrücke” über den Blahbach zwischen Oberund Unterzeiring erst im Mittelalter erfolgt ist62,
was die Lokalisierung römerzeitlicher Straßentrassen im Pölstal weiter erschwert. Die Meilenangaben
auf der Tabula Peutingeriana passen mit gebotener
Vorsicht nach Unterzeiring, sodass eine Benennung
der als Straßenstation interpretierten Fundstelle mit
dem römerzeitlichen Viscellis durchaus plausibel
erscheint.
Autor
Paul Bayer, MA
Archaeogon, Bayer & Karl GesbR, Graz
paul.bayer@lupa.at
Abb. 51: Römerzeitliche Keramik aus der Grabung
(Foto: P. Bayer 2022).
Fazit
Für die Interpretation des römerzeitlichen Gebäudes
in Unterzeiring als Straßenstation spricht der große
quadratische Umriss mit Hof, der u. a. in Katsch an
der Mur bei einem ebenfalls als Straßenstation angesprochenen Gebäude eine Entsprechung findet. Die
Lage am Eingang ins obere Pölstal ist der letzte Punkt,
an dem eine Alternativroute über Oberzeiring durch
den Gföllgraben ins Wölzertal abzweigt, somit ergibt
sich eine günstige Lage an einer Kreuzungssituation,
60 Bayer 2022b.
61 Bayer 2022a, 10 f.
62 Hebert – Steinklauber 2015, 8–10; siehe auch Hinker 2010, 315 Abb. 9.
56
Zur Geschichte der Sammlung Hußlik-Kneißl, Enzersdorf bei Pöls
Robert Fürhacker
Schlagworte: Sammlung, Lokalmuseum, Forschungsgeschichte, Pöls-Oberkurzheim
Abstract
In dieser chronologischen Zusammenstellung wird die Geschichte der lokalhistorisch bedeutenden Sammlung Hußlik-Kneißl über drei Generationen beleuchtet:
Im Jahre 1896 zog Ignaz Hußlik aufgrund seiner Heirat mit Ludmilla Tatschl, Erbin des Tatschl-Gutes nach
Enzersdorf, wo er eine kulturgeschichtliche Sammlung aufbaute. Ab 1913 wurde diese in diversen Zeitungsberichten erwähnt und Kontakte zu Wissenschaftlern des Landesmuseum Joanneum sind nachweisbar. Die
ursprünglich in einem Zimmer des zum Besitz gehörigen Gasthofes aufgestellte Sammlung wurde später in
einem Nebengebäude des Hofes untergebracht. 1918 besuchte ein Vertreter des damaligen Staatsdenkmalamts Enzersdorf und verfasste einen detaillierten Aufsatz über die Sammlung. Hußlik wurde in Folge zum
Korrespondenten der Zentralkommission für Denkmalpflege ernannt. Zum Anlass seines Todes im Jahre 1928
verfasste der Volkskundler Pater Romuald Pramberger einen Nachruf, in welchem er einen 5 Jahre zuvor
stattgefundenen Museumsbesuch ausführlich beschrieb. Schwiegersohn Heinrich Kneißl führte das Museum
weiter, setzte die Sammlungstätigkeit fort, hielt es für Besucher offen und stellte für mehrere Ausstellungen
Leihgaben zur Verfügung. 1958 wurde das Museum auf drei Räume erweitert und der Obmann des Museumsvereins Judenburg Ernst Klepsch-Kirchner setzte sich dafür ein, dass die Sammlung inventarisiert und
neu aufgestellt wurde. Die Arbeiten führte Frau Dr. Elfriede Grabner, Mitarbeiterin des Steirischen Volkskundemuseums, durch. In seinem Testament vermachte der 1972 verstorbene Heinrich Kneißl die Sammlung der
Gemeinde Pöls, doch wurde dies von seinem Adoptivsohn Friedrich Siebenbäck-Kneißl erfolgreich angefochten. Trotzdem war die Gemeinde Pöls weiterhin an der Sammlung sehr interessiert. Dr. Johann Andritsch,
Leiter des Judenburger Stadtmuseums und Archivpfleger des Bezirks Judenburg, setzte sich intensiv für den
Erhalt der Sammlung ein, was dazu führte, dass diese 1973 als Einheit unter Denkmalschutz gestellt wurde.
Ein Lokalaugenschein des Bundesdenkmalamtes 1975 führte zu einer Überarbeitung des Inventars und eine
Expertise zur Bedeutung der Sammlung wurde erstellt. Darin schrieb Frau Dr. Grabner, dass „die Gegenstände
der 1958 neu aufgestellten Sammlung [...] völlig verschmutzt und in 2 Räumen unsachgemäß zusammengeworfen“ waren, merkte aber an, „daß die Gegenstände der einstigen Sammlung Hußlik-Kneißl […] eine Unterdenkmalschutzstellung durchaus rechtfertigen.“ Verschiedene Bemühungen, die Situation zu verbessern,
scheiterten und 1990 erkundigte sich Siebenbäck-Kneißl beim Bundesdenkmalamt bezüglich der rechtlichen
Situation bei einem Verkauf der Sammlung. Trotz der Information, dass ein Verkauf nur als Ganzes möglich
ist, dem Bundesdenkmalamt der neue Eigentümer bekannt gegeben werden muss und dem neuen Besitzer
mitzuteilen ist, dass die Sammlung als Einheit unter Denkmalschutz steht, verkaufte Siebenbäck-Kneißl große
Teile der Sammlung ohne die rechtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen und wurde Anfang 1994 wegen
Verstoßes gegen das Denkmalschutzgesetz rechtskräftig verurteilt. Nach seinem Tod 2016 wurden von den
Erben noch vorhandene Reste der Sammlung an verschiedene Personen veräußert.
Einleitung
erer Institutionen und privater Sammlungen64
Im Zuge der Bearbeitung archäologischer Funde aus eine Chronologie erstellt. Diese kann in drei Zeitabder ehemaligen Sammlung Hußlik-Kneißl63 wurde schnitte gegliedert werden, welche vorangig auf die
versucht die Geschichte der Sammlung zu rekonstru- Eigentumswechsel nach dem Tod der Vorbesitzer
ieren und anhand von Unterlagen aus Archiven mehr- zurückzuführen sind.
63 Bayer/Karl/Fürhacker 2023; Die Funde befinden sich im Besitz von G. Kaser (Pöls-Oberkurzheim).
64 Folgenden Institutionen und Personen wird für die Unterstützung gedankt: Stadtmuseum Judenburg; Bundesdenkmalamt
Landeskonservatorat Steiermark; Universalmuseum Joanneum, Abt. Volkskunde und Archäologie; Gerfried Kaser
(Pöls-Oberkurzheim); B. Reitmaier (Möderbrugg), I. Mirsch (Graz).
57
Abschnitt Ignaz Hußlik (um 1900 – 1928)
Zur Person
Ignaz Johann Hußlik wurde am 21.6.1868 als Sohn
von Helene Hußlik (geb. Hieden) und Ignaz Hußlik
(Communitätlicher Forstwart) in Tragöß-Oberort
geboren. Am 9.11.1896 heiratete er Ludmilla Hußlik
(geb. Tatschl, 1872-1958), Tochter von Theresia
Tatschl (geb. Gritsch) und Maximilian Tatschl, Besitzer
des Tatschl-Gutes in Enzersdorf und Gastwirt, 18861891 Bürgermeister von Pöls. Das Ehepaar Hußlik
führte die von den Eltern bzw. Schwiegereltern übernommene Land- und Gastwirtschaft in Enzersdorf 1
(heute Enzersdorfer Str. 53, Gem. Pöls-Oberkurzheim)
weiter. Ignaz Hußlik betätigte sich als Land- und Gastwirt sowie Fuhrwerksunternehmer und war 19181919 Gemeindevorsteher von Pöls. Er verstarb am
5.5.1928 im 60. Lebensjahr in Enzersdorf bei Pöls.65
Wann Ignaz Hußlik mit dem Aufbau seiner Sammlung begann ist unbekannt, doch könnten von ihm
im Bereich des Pölshalses geborgene archäologische Funde und Kontakte zu Wissenschaftlern des
Landesmuseum Joanneum damit im Zusammenhang
stehen.
11.5.1913: Erste bekannte Erwähnung der im Extrazimmer des Gasthofes untergebrachten Sammlung
Abb. 52: Ignaz Hußlik (1868-1928).
Ignatz Hußlik baute eine kulturhistorische Sammlung mit volkskundlichem Schwerpunkt auf, „deren
Objekte meist aus der Umgebung stammten.“66
Diese beinhaltete auch archäologische Funde, wie
die früheste bekannte Nennung der Sammlung zeigt:
„Pöls. (Gräberfund.) Herrn Ignaz Hußlik, Grundbesitzer in Enzersdorf, gelang es auf der Suche nach
Altertümern, ein römisches Kipengrab zu entdecken.
Dasselbe mißt in der Länge 2,3 m und in der Breite 70
cm. Die einzelnen Steine sind mit römischen Mörtel
vergossen. Dieser Fund gibt auch den klaren Beweis
von der Nähe der römischen Station Castra montana.
Herr Hußlik, auf dessen Grunde das Grab liegt, hat
die Liebenswürdigkeit, die Grabstätte, sowie seine
Sammlung antiker Gegenstände zu zeigen.”67
In einem eine Woche später erschienenen Artikel
wurde der Aufstellungsort der Sammlung erwähnt:
„Pöls. (Vom römischen Kipengrabe.) Am 15. Mai
besichtigte der k. k. Bezirkshauptmann Herr Baron
Wildburg und der k. k. Bezirksschulinspektor Herr
Jabornik unter Führung der Frau Hußlik das Kipengrab. Die genannten Herren besahen auch die Sammlung antiker Gegenstände. Das Kipengrab liegt
nördlich vom Hause des Straßenwärters am Südabhange eines Hügels und ist in wenigen Minuten von
der Höhe des Pölshalses zu erreichen. Die reichhaltige, sehenswerte Antikensammlung hat Herr Hußlik
im hübschen Extrazimmer seines Gasthauses untergebracht.“68
65 Taufe Pfarre Tragöß: https://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/graz-seckau/tragoess/9383/?pg=160: Trauung Pfarre
Pöls: https://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/graz-seckau/poels/12430/?pg=54 genealogische Recherchen durch
R. Fürhacker sen.
66 Murtaler Zeitung, 30.8.1914, Jg. 3, Nr. 35, 5.
67 Murtaler Zeitung, 11.5.1913, Jg. 2, Nr. 19, 4.
68 Murtaler Zeitung, 18.5.1913, Jg. 2, Nr. 20, 3.
58
14.9.1913: Bekanntgabe eines Neubaus für die
Aufstellung der Sammlung als „Pölstaler Museum“
Murtaler Zeitung: „Oberzeiring. (Kunst und Altertum.) Nun werden die ungemein reichhaltigen
Sammlungen des Herrn Ignaz Huslik, Gasthof-und
Fuhrwerksbesitzers in Enzersdorf bei Pöls, in einem
eigenen Neubau als „Pölstaler Museum” aufgestellt
werden. Herr Huslik, der sich in neuerer Zeit auch
um die Grabungen bei den prähistorischen und
römischen Gräbern am Pölshals verdient gemacht
hat, besitzt nicht nur prähistorische Funde aus dem
Pölstal und römische Antiken, von der alten Tauernstraße, sondern auch wertvolle alte Gemälde, Bücher,
Geräte und Möbel. Besonders wertvoll erscheint
seine sehr seltene Münzensammlung, welche
Münzen von den Römern bis auf die Neuzeit beinhaltet. Nicht ohne Interesse ist auch die jagdliche und
sportliche Sammlung Husliks. Man muß staunen, mit
welcher Sachkenntnis und lobenswertem Sammeleifer dieses „Pölstaler Museum” zusammengetragen
wurde. Dadurch hat Herr Huslik wertvolle Altertümer
den Judenhänden entrissen und der Heimat erhalten. Der Aufstellung des eigenartigen Museums in
Enzersdorf bei Pöls (an der Tauernreichsstraße) wird
eine Einweihungsfeier folgen. Historiker und SchriftAbb. 53: Ignaz Hußlik führt durch seine Sammlung (um 1925).
steller, wie Professor Müllner, Landesarchäologe Dr.
Schmid, Steiner-Wischenbart rc., haben die SammVor bzw. um 1913: Kontakte zur archäologischen Ab- lungen Husliks besichtigt und ihr Lob darüber ausgedrückt.“71
teilung des Landesmuseum Joanneum
Ein weiterer Zeitungsartikel vermerkte, dass die EröffWalter Schmid, Landesarchäologe am Joanneum nung des „Pölstaler Museums“ im Laufe des Jahres
zeichnete und beschrieb ein Serpentinbruchstück 1914 erfolgen soll.72 Ob eine offizielle Eröffnung des
mit Schleifrinnen aus der Sammlung Hußlik. Dieses Museums stattfand, ist nicht bekannt.
Stück, gefunden am Pölshals, wurde zusammen mit
weiteren Funden 1913 dem LMJ geschenkt.69
Im August 1914 schrieb die Murtaler Zeitung unter
„Beschauenswertes“: „Herr Ignaz Hußlick, Gasthof1913: Übergabe von volkskundlichen Gegenständen und Fuhrwerksbesitzer in Enzersdorf, hat in seinem
an das Steirische Volkskundemuseum
Hause in geschmackvollster Weise eine Sammlung
zusammengestellt, deren Objekte meist aus der
Laut Inventarbuch des Volkskundemuseums, überUmgebung stammen. Die Besichtigung bietet eine
ließ Herr „Huslick“ diesem folgende Gegenstände:
Fülle des Interessanten. Verschiedene Gegenstände,
Feuerschlageisen (Inv. Nr. 3838), Krippenfigur (Inv. Nr.
darunter einige Münzen, sind antiker Natur.“73
5105), Ledergürtel (Inv. Nr. 5251).70
Auch Schülergruppen wie die sechste Knabenklasse
aus Kumpitz besuchten „eine der schönsten und
größten Privat-Altertumssammlungen“, durch die
69
70
71
72
73
Jahrbuch Joanneum 102, 1913, 26; Obereder 1989, Konvolut D, Nr. 20-27.
Freundl. Mitteilung von Frau Ursula Grilnauer UMJ Joanneum, volkskundliche Abteilung), Mail vom 3.2.2023.
Murtaler Zeitung, 14.9.1913, Jg. 2, Nr. 37, 4.
Murtaler Zeitung, 22.3.1914, Jg. 3, Nr. 12, 5.
Murtaler Zeitung, 30.8.1914, Jg. 3, Nr. 35, 5.
59
Herr Hußlik seine Besucher führte: „Das Interesse an
den hier hinterlegten Kunstschätzen war allseits, ein
Stück der Vergangenheit des Pölstales zog an dem
Geiste der Beschauer vorbei, als Herr Hußlik seine
interessanten Erklärungen über die einzelnen Stücke
gab.“74
Zinngeschirrs, der Gläser und Glasurware, des Porzellans, der Textilien, Skulpturen und Hinterglasmalerei, etc. Ein bemalter Krug mit Müllerzeichen und
eine das Martyrium des hl. Erasmus von Rotterdam
darstellende Holzskulptur wurden abgebildet.
13. - 20.8.1918: Besichtigung und Erstellung eines
Berichts über die Sammlung Hußlik durch den
Konservator Dr. Arthur Haberlandt im Auftrag des
Staatsdenkmalamtes
Der Volkskundler und spätere Direktor des Museums
für Volkskunde in Wien Dr. Arthur Haberlandt (18891964) besuchte im August 1918 Enzersdorf.75 Er
verfasste einen verhältnismäßig umfangreichen
Bericht insbesondere über den volkskundlichen Teil
der „eine Art Ortsmuseum“ bildenden Sammlung.76
In dem mit „Kulturgeschichtliches aus einem Ortsmuseum“ betitelten Beitrag wurde anhand der HußlikSammlung exemplarisch die Bedeutung von lokalen
Sammlungen für die Wissenschaft erläutert und „die
Absicht des Staatsdenkmalamtes, auch die volkstümlichen Kulturgüter der österreichischen Länder
kunsttopographisch aufzunehmen“ als „wesentlich
belangreich für Heimatkunde und Kulturgeschichte“
betont. Haberlandt drückte seine Überraschung
darüber aus, „welch vielseitige Handels- und
Verkehrsbeziehungen sich an den Stücken ablesen
lassen, die zum größten Teil im Pölstal, zum geringeren Teil aus dem Ennstal jenseits des Tauernpasses
herstammen.“ Er betont die besondere Stellung des
Pölstales als „alter Kulturboden“, das „dank seinem
Erzreichtum [...], mit klösterlichen Gütern (Propstei
in Zeyring usw.) bestiftet, ehemals auch Sitz reicher
Gewerksherren und zugleich durch seine Lage an
der noch heute von der Reichsstraße Pontafel-Linz
benutzen Verkehrslinie“ in einen „weiteren Kulturund Lebenskreis einbezogen“ wurde, was zu einer
gewissen „Weltläufigkeit der einheimischen Bevölkerung“ führte. Summarisch wurden die verschiedenen Schwerpunkte der Sammlung erörtert und auf
einige Einzelobjekte, beispielsweise eine Reisekarte
von G.M. Vischer von 1678, ein Renaissancebett von
1697 oder einen Reisekoffer aus dem 17. Jhdt. näher
eingegangen. Es folgten teils ausführliche Beschreibungen der Möbel, Bilder und Klosterarbeiten, des
74
75
76
77
Abb. 54: Abbildung aus Haberlandt (1919), 104, Fig. 90.
17.10.1918: Bekanntgabe der Ernennung von Ignaz
Hußlik zum Korrespondenten der Zentralkommission für Denkmalpflege
Das Grazer Volksblatt vermerkt in einer Kurznachricht, dass neben fünf weiteren Steirern auch „Ignatz
Hußlik, Gastwirt und Besitzer in Enzersdorf“ zum
Korrespondenten der Zentralkommission für Denkmalpflege ernannt wurde.77
Murtaler Zeitung, 19.8.1916, Jg. 3, Nr. 34, 4.
Kyrle 1919
Haberlandt 1919
Grazer Volksblatt, 17.10.1918, Jg. 51, Nr. 502, Morgenausgabe, 4
60
dei aus der Zeit um 1800, wechseln mit Ölbildern
hochfürstlicher Portraits daneben Scherzbildern,
Musikanten in niederländischer Manier ab. Von den
Waffen wären zwei Büchsen mit den fein gravierten
Stahlbeschlag zu erwähnen. Reiches Glasgeschirr,
Rubingläser u. dgl. zahlreiche Porzellanarbeiten,
haupts. Alt-Wien sowie bäuerliche Holzschnitzereien,
Zinnarbeiten, Krüge aus dem 18. - 19. Jahrh. finden
wir hier vor. Zwei mit getriebenen Silber und Bändern
verzierte Hochzeitbitterstöcke, diverse historische
Gewandstücke führen uns Trachten vergangener
Zeiten vor Augen. Bemerkenswert sind noch die religiösen Holzfiguren, Uhren, usw. Alle noch in diesem
reichen Museum befindlichen Gegenstände anzuführen, mangelt es an Raum.“
Eine weitere Serie von 14 vermutlich etwas später
entstanden Photographien zeigt Hußlik mit einzelnen
Gegenständen aus seiner Sammlung, einige Regale
im Überblick und besondere Einzelstücke.
Abb. 55: Abbildung aus Haberlandt (1919), 106, Fig. 91.
Sommer 1923: Pater Romuald Pramberger besucht
das Hußlik-Museum
In einer von dem Volkskundler Pater Romuald Pramberger (1877-1967) zum Anlass von Hußliks Tod 1928
verfassten Skizze79 wurde dessen kulturelles EngageUm 1920: Hußlik bewirbt seinen Gasthof und das
ment ausführlich gewürdigt. Detailreich beschrieb
Museum mit Ansichtskarten und einer WerbebroPramberger seinen ersten Besuch in Enzersdorf im
schüre
Sommer 1923, bei dem er auch das Museum besichHußlik ließ vom Gasthof und dem Museum vier tigen konnte: „In einem großen Raume in einem rückPhotopostkarten mit Aufnahmen der Museums- wärtigen Trakte seines ausgedehnten Besitzes hatte
räumlichkeiten sowie zwei Lichtdruck-Mehrbildkar- er eine bedeutende Sammlung hinter Eisentüren mit
ten, letztere verlegt vom Photograph J. v. Bosio in Vorhängeschlössern verwahrt. Was ich nun dort sah,
Judenburg, anfertigen. In einem mit den Photogra- zusammengepfercht in dem viel zu kleinen Raume,
phien illustrierten 4-seitigen Faltblatt wurde neben das übertraf weit meine Erwartungen. In Vitrinen
dem Gasthof auch das Museum vorgestellt.78 Der Text unter Glas waren eine Reihe Trachtenhauben und
wurde zum Teil wörtlich aus dem Artikel von Arthur Goldhauben untergebracht, ferner ein breiter, faltriHaberlandt übernommen: „Dieses Museum birgt ger Frauenhut, „Judenburgerkreis“ genannt, zwei
seltene Schätze. Die zahlreichen in der Sammlung prächtige, gestickte Spenzer, zwei Hochzeiter-Hüte,
dieses Museums vertretenen Münzen u. Medaillen, ein interessantes, altes, grünes Kapperl für einen
Denk- und Schaustücke zu feierlichen Anlässen und behäbigen Wirt der alten Zeit, ein Haftelrock, PerlWallfahrten, legen von der Welttätigkeit der einhei- stickereien und anderes mehr.
mischen Bevölkerung bemerkenswertes Zeugnis ab. Diesem Schrank gegenüber stand der überreiche
Unter den Druckschriften befindet sich unter andern Glaskasten mit wertvollem Zinngeschirr. Gottlob, daß
eine Originalausgabe der Kosmographie Seb. Müns- er dies gerettet hatte! Ein weiterer Schrank enthielt
ters 1567. Auch geschriebene Gebetsbücher mit Bücher, darunter Vischers Schlösseralbum, alte
hübschen Initialzeichnungen kommen vor. Recht Spielkarten, eine vierfache Sanduhr. An der Wand
zahlreich kolorierte Stiche von Venedig und Lombar- nebenan hängen außer Ölmalereien auch hübsche
78 Exemplare der Postkarten, Photos und der Broschüre befinden sich in einer Privatsammlung.
79 Pramberger 1928.
61
Abb. 56: Vier Ansichtskarten zeigen die Räumlichkeiten des
Museums.
Abb. 59: Vier Ansichtskarten zeigen die Räumlichkeiten des
Museums.
Ein Schrank wiederum war voll mit Wachsstöcken in
Topf- und Buchform, Wachsopfertieren, eisernen
Opfern, Amuletten und verschiedenes anderes mehr.
Weiters drängte sich ein gotischer Drehtabernakel
vor, interessante Stöcke standen in einem Winkel,
ein Bergmannstock, eine Stockflöte. Große und
kleine Truhen, geschnitzt und bemalt, reihten sich
an der Wand, darauf lagen Bratspieße, standen ein
Spanleuchter und ein uraltes Spinnrad. Ein Schrank
ließ eine Unmenge Rubingläser, wertvolles Porzellan
und Fayence schauen und davor unter Glas präsenAbb. 57: Vier Ansichtskarten zeigen die Räumlichkeiten des
tierten sich eine Papiergeld- und Münzensammlung
Museums.
wie auch die Ausgrabungen am Pölshals, endlich eine
große Zahl von Pfeifen und Spindeluhren. Zwei alte
Krippen, eine Reihe alter Wanduhren, lebensgroße
und winzigkleine Heiligenstatuen, ferner eine schöne
Waffensammlung, Scheibenfiguren und Sättel und
zwei Wattfassel von alten Fuhrleuten beschlossen
das reichhaltige Museum des warmherzigen Freundes seiner Heimat.“
Anschließend führte Hußlik seinen neu gewonnenen Freund zu der von ihm entdeckten archäologischen Fundstelle am Pölshals: „Zuerst besuchten
wir den Hügel zwischen Pölshals und Enzersdorf, wo
Hußlik vor Jahren römische Münzen und ein leeres
Steinkistchengrab entdeckte; dort vermutete er nun
die Römerstation Castra montana. Von dort aber
Abb. 58: Vier Ansichtskarten zeigen die Räumlichkeiten des
erklommen wir einen steilen Hügel, der schon zum
Museums.
Teil durch einen Steinbruch verringert worden war.
Klosterarbeiten. Drei Kästen mit prächtiger Einlegear- Hußliks Vorgänger hatte diesen Steinbruch angelegt
beit, ein schönes Bauernhimmelbett, ein Rokokobett, und dabei ein steinzeitliches Grab gefunden, doch
daneben auf einem Kasten eine Empireuhr und auf weiter nicht beachtet. Hußlik aber sammelte sorgeinem anderen eine Reihe künstlerisch ausgeführter fältig, was noch zu retten war, und hinterlegte es in
Lebzeltmodel. Nebenan hängt eine eigenartige Geige, seinem Museum, zwei neolithische Steinhämmer,
eine kleine Zither; auch ein paar mächtige Alphörner einen Spinnwirtel, ein paar durchlochte Plättchen,
hatte Hußlik vor Vernichtung bewahrt und erworben.
62
einige Topfscherben und Beinnadeln. Ein Großer der
steinzeitlichen Pölstaler mochte hier begraben sein
gerade an der Grenze vom Pölstal, hoch ober dem
Murtale bei Sauerbrunn. Und von dort wies Hußlik
noch auf ein paar niedere Tumuli hin und sprach
seine Vermutung aus, daß auch sie so manches aus
der Vorzeit bergen dürften. Dann gingen wir nach
Enzersdorf zurück und schmiedeten Pläne, dieses
prähistorische Gebiet auszubeuten; leider kam die
Sache auf die lange Bank und erst 1927 legte Landesarchäologe Doktor Schmid eine uralte Dorfsiedlung
ober Enzersdorf auf Hußliks Anregung hin auf.“
22.-23.9.1926: Archäologische Ausgrabungen am
Pölshals durch den Landesarchäologen Dr. Walter
Schmid (1875-1951)
zer in Möderbrugg) geboren. Am 28.4.1926 heiratete
er Ludmilla Hußlik (1897-1970), die ältere der beiden
Töchter von Ignaz Hußlik. Er starb am 20.10.1972 in
Enzersdorf bei Pöls im 74. Lebensjahr.
Kneißl führte das von seinem Schwiegervater übernommene Museum weiter, unterstützte dessen
Inventarisierung sowie Neuordnung und erweiterte
es um weitere Sammlungsgegenstände.
1.10.1933: Museumsbesuch durch den Mariatroster
Männergesangverein
Unter dem Titel „Sängerreise ins Oberland“ wurde
der Besuch des Museums beschrieben83: “In Enzersdorf besuchte der Männergesangverein das Museum
Am 22. und 23. September ließ Schmid einige archäologische Schnitte an mehren Stellen im Bereich des
Pölshalses anlegen über deren Ergebnisse er mehrfach berichtete.80 Weiteres befinden sich im Archiv
der archäologischen Abteilung des Joanneum
Aufzeichnungen von der Ausgrabung, deren Funde
erstmals rund 30 Jahre nach der Auffindung von
Richard Pittioni publiziert wurden.81 Dieser definierte
mit den vom Pölshals stammenden kupferzeitlichen
Funden der Lasinja-Kultur den Typus „Pölshals-Strappelkogel“.
In einer Postkarte an Schmid vom 29.10.1926 teilte
Hußlik diesem mit, dass er nach den von Schmid
gesuchten Scherben gefahndet hatte, jedoch ohne
Erfolg.
5.5.1928: Ignaz Husslik verstirbt im 60. Lebensjahr
In der Murtaler Zeitung erschien aus diesem Anlass
der oben zitierte umfassende Artikel von Pater
Romuald Pramberger, dem Gründer der volkskundlichen Sammlung Pramberger im Stiftsmuseum St.
Lambrecht.82
Abb. 60: Heinrich Kneißl (1899-1972), aus Brunner (1975), 284.
Abschnitt Heinrich Kneißl (1928 – 1972)
Zur Person
Heinrich Kaspar Kneißl wurde am 6.8.1899 als Sohn
von Ludmilla Kneißl und Heinrich Kneißl (Grundbesit80
81
82
83
des Gasthofbesitzers Ignaz Hußlik; in diesem einfachen Bauerngasthause würde man solche Schätze
wohl nicht vermuten: alte Waffen (auch eine Kanone),
sehr hübsche eingelegte Kästen, gemalte Schränke,
Denk- und Schaustücke von feierlichen Anlässen und
Schmid 1925-1929; Schmid 1926; Schmid 1927.
Pittioni 1953, 9-12.
Pramberger 1928
Anonym, Sängerreise ins Oberland, Süddeutsches Tagblatt, 9.10.1933, Jg. 43, Nr. 464, Nachtausgabe, 12.
63
Wallfahrten, alte Porträte, Medaillen und Münzen,
hübsche, reichverzierte Gewänder, Porzellan- und
Elfenbeinarbeiten, Glasgeschirre und Rubingläser
in auserlesenen Stücken, religiöse Holzfiguren, eine
Uhrensammlung usw.; dieses leider nicht sehr weit
bekannte Museum sollten nicht nur Fachleute besuchen, sondern die ganze Bevölkerung von Steiermark
(Fremdenverkehr).“
Schlösser, Schlüssel, Ausgrabungsobjekte, Heiligenbilder, Portraits, Urkunden, Glas-, Porzellan-, Majolika/¬Fayencenobjekte, Unterglasbilder, Stickereien.
Ich schätze ja, daß man so gut an die 10.000 Inventarnummern zusammenbrächte.“
1950: Leihgaben für die Ausstellung des Museumsvereins Judenburg im Rahmen der „Murtaler Leistungsschau 1950“
Dr. Leopold Kretzenbacher, Leiter des Volkskundemuseums des Landesmuseum Joanneum „sucht aus
dem Hußlikmuseum Objekte aus, die für die historische Ausstellung in Oberzeiring besonders geeignet
sind.“86
1956: Leihgaben für eine historische Ausstellung im
Rahmen der Feier „1000 Jahre Oberzeiring“
Heinrich Kneißl stellte auf Anfrage des Museumsobmannes Ernst Klepsch-Kirchner (1881-1971) diverse
volkskundliche und archäologische Gegenstände für 1956/58: Ausbau des Museums
die Ausstellung als Leihgaben zur Verfügung.84
Das Museum wurde um einen dritten Raum erweitert, was zu einer ca. 80-prozentigen Vergrößerung
1955: Überlegungen zu einer „Hußlik-Ausstellung“
der Ausstellungsfläche führte.87
in Judenburg
In einem Schreiben von Klepsch-Kirchner an Kneißl
schrieb dieser über seinen „schon vor langer Zeit
gefassten Entschluß, sobald als möglich mit besonderen Glanzstücken der Sammlung eine Ausstellung
in Judenburg zu arrangieren.“85 Darin versuchte er
Kneißl dazu anzuregen mit Hilfe seiner Schwiegermutter die Biographie Hußliks zu rekonstruieren und
dessen Motivation zum Aufbau der Sammlung und
die Herkunft einzelner Objekte zu eruieren: „Von wem
stammen die vielen Gegenstände? Vielleicht doch
einige geographische bzw. persönliche Begriffe, vielleicht weiß Frau Schwiegermama, doch von einzelnen Stücken noch die Herkunft? Die Objekte sind
ebenso von Bauernhöfen, von Gewerbetreibenden,
von Markt- und Stadtbürgern, aber auch von Herrschaftsbesitzen. Die zwei Sättel z.B. stammen unbedingt aus einem Schloß. Die vielen Gürtel, Münzen,
Waffen, Kleidungsstücke, Möbel, Eisenwerkzeuge,
1958: Neuaufstellung und Erstellung eines Inventars
durch das Volkskundemuseums des Landesmuseum
Joanneum im Auftrag der Steiermärkische Landesregierung
Pläne zur Erstellung eines Inventars gab es bereits
1956, wie ein Briefwechsel zwischen dem Obmann
des Museumsvereins Judenburg Klepsch-Kirchner
und Dr. Gertrude Smolik, Leiterin des Museums für
Kulturgeschichte und Kunstgewerbe am Joanneum
zeigt.88 Klepsch-Kirchner bekundete darin auch sein
Interesse, Dubletten für das in Gründung befindliche Judenburger Stadtmuseum übernehmen zu
wollen. Die beharrlichen Bemühungen von KlepschKircher „aus den vom alten Herrn Hußlik aufgebauten Sammlungen ein besuchsreifes und lehrreiches
Volkskunde- bzw. Heimatmuseum zu machen“89,
führten über Vermittlung des Leiters des Volkskunde-
84 Anonym, Leistungen vergangener Zeiten - Schau des Museumsvereines Judenburg, Murtaler Zeitung, 2.9.1950, Jg.39,
Nr. 35, 7.
85 Schreiben vom 13.11.1955, Ernst Klepsch-Kirchner (Museumsverein Judenburg) an Heinrich Kneißl (Hußlik Museum),
Archiv Museumsverein Judenburg, Schuber Bezirk Murtal / Judenburg, Mappe „Pöls Hußlikmuseum“.
86 Schreiben vom 22.1.1956, Ernst Klepsch-Kirchner (Museumsverein Judenburg) an Dr. Gertrude Smolik (Museum für
Kulturgeschichte und Kunstgewerbe), Archiv Museumsverein Judenburg, Schuber Bezirk Murtal / Judenburg, Mappe
„Pöls Hußlikmuseum“.
87 Schreiben vom 10.4.1958, Heinrich Kneißl (Hußlik Museum) an Ernst Klepsch-Kirchner (Museumsverein Judenburg);
Schreiben vom 16.4.1958, Ernst Klepsch-Kirchner (Museumsverein Judenburg) an Dr. Leopold Kretzenbacher
(Volkskundemuseum), Archiv Museumsverein Judenburg, Schuber Bezirk Murtal / Judenburg, Mappe „Pöls Hußlikmuseum“.
88 Schreiben vom 22.1.1956, Ernst Klepsch-Kirchner (Museumsverein Judenburg) an Dr. Gertrude Smolik (Museum für
Kulturgeschichte und Kunstgewerbe); Schreiben vom 24.2.1956, Dr. Gertrude Smolik an Ernst Klepsch-Kirchner, Archiv
Museumsverein Judenburg, Schuber Bezirk Murtal / Judenburg, Mappe „Pöls Hußlikmuseum“.
89 Schreiben vom 26.4.1958, Ernst Klepsch-Kirchner (Museumsverein Judenburg) an Dr. Maximilian Karnitschnigg (
64
museums am Joanneum Dr. Leopold Kretzenbacher
dazu, dass dessen Mitarbeiteren Dr. Elfriede Grabner
vom 15. bis 31. Juli mit ersten Ordnungs- und Inventarisierungsarbeiten begann.90
tend folgendermaßen beschrieben: „Auf der Straße
nach Oberzeiring steht in Enzersdorf das Gasthaus
der Eheleute Heinrich und Ludmilla Kneissl, in deren
Eigentum sich das Heimatmuseum Hußlik befindet, das man in einigen Räumen besichtigen kann.
Am 8.10.1958 teilte Kretzenbacher Klepsch-Kirchner Die umfangreiche Sammlung Hußlik ist vor etwa 50
mit, „daß die Steiermärkische Landesregierung die Jahren entstanden. Herr Hußlik hat mit Eifer und
Angelegenheit der Sichtung, Ordnung und Inventari- Interesse eine große Anzahl von meist volkskundsierung jener sehr schönen und reichen Privatsamm- lichen wichtigen Gegenständen aus der Umgebung
lung des Herrn Hauptmann a.d. Kneißl in Enzersdorf seines Wohnortes gesammelt und damit ein wertdem Steirischen Volkskundemuseum übertragen hat. volles Museum geschaffen, das im Sommer 1958 von
Wie Ihnen ja bekannt ist, hat unsere freie, also nicht Fachkräften des Landesmuseum Joanneum gesichtet
beamtete Mitarbeiterin, Fr. Dr. Elfriede Grabner, und geordnet wurde.“ Der Kontakt zwischen Kadletz
bereits den Großteil der vorerst notwendigen Arbei- und Kneißl dürfte auf Vermittlung von Klepsch-Kirchten in Enzersdorf geleistet. Der Rest, also die schrift- ner zustande gekommen sein.95
liche Erstellung des Inventars, wird bis spätestens
Mitte November abgeschlossen sein. Das Steirische 1960: Erstellung eines „Bücherverzeichnisses der
Volkskundemuseum wurde von Herrn LR Univ.-Prof. Privat-Bibliothek H. u. L. Kneissl“
Dr. Koren ermächtigt, in diesem einen Fall eine Honorierung der Bestandsaufnahmen für das Volkskun- In einem 37-seitigen gebundenen Verzeichnis wurde
demuseum vorzunehmen.“91 Zumindest teilweise die Büchersammlung (116 Einzelposten) nach den
wurden die Arbeiten durch Umwidmung einer Förde- „Wissensgebieten“ Medizin (31 Titel), Sprachen (8
Titel), Literatur (24 Titel), Kirchengeschichte (28
rung des Bundesdenkmalamtes finanziert92.
und Geschichte (3 Titel)
Eine Kopie des von Frau Dr. Grabner erstellten Titel), Wissenschaft (22 Titel)
96
„Inventarverzeichnisses des Privatmuseums Husslik- geordnet dokumentiert.
Kneissl, in Enzersdorf bei Judenburg“ befindet sich im
1963: Möglicher Verkauf von Gegenständen an das
Stadtmuseum Judenburg (aufgenommen im Oktober
„Heimatmuseum Trautenfels“
1958, Inv. Nr. 3139).93 Dieses hat 93 Seiten und ist
nach 3 Räumen gegliedert (Raum I bis III). Inventar- Es liegt ein Brief vor, der Verkaufsgespräche zwischen
nummern wurden für die 992 angeführten Posten der Familie Kneißl und Dr. Haiding vom „Heimatmunicht vergeben, vereinzelt finden sich kleine Skizzen seum Trautenfels“, einer Außenstelle des Landesmuder Objekte.
seums Joanneum belegt.97 Ob Verkäufe stattfanden,
ist nicht bekannt.
1958/60: Kurzbeschreibung des Museums in steirischen Museumsführern
20.10.1972: Heinrich Kneißl verstirbt im 74. Lebensjahr
In zwei von Dr. Willi Kadletz verfassten Museumsführern94 wurde das „Hußlik-Museum“ gleichlau- In einem in der Murtaler Zeitung veröffentlichten
90
91
92
93
94
95
96
97
Bürgermeister von Oberzeiring), Archiv Museumsverein Judenburg, Schuber Bezirk Murtal / Judenburg, Mappe „Pöls
Hußlikmuseum“.
Schreiben vom 28.9.1958, Heinrich Kneißl (Hußlik Museum) an Ernst Klepsch-Kirchner (Museumsverein Judenburg),
Archiv Museumsverein Judenburg, Schuber Bezirk Murtal / Judenburg, Mappe „Pöls Hußlikmuseum“
Schreiben vom 8.10.1958, Dr. Leopold Kretzenbacher (Volkskundemuseum) an Ernst Klepsch-Kirchner (Museumsverein
Judenburg), Archiv Museumsverein Judenburg, Schuber Bezirk Murtal / Judenburg, Mappe „Pöls Hußlikmuseum“.
GZ 1233/59, 1404/59 und 6517/59, Akt Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat f. Steiermark.
Archiv Museumsverein Judenburg, Schuber Bezirk Murtal / Judenburg, Mappe „Pöls Hußlikmuseum“.
Kadletz 1958, 34; Kadletz 1960, 72.
Schreiben vom 28.3.1958, Ernst Klepsch-Kirchner (Museumsverein Judenburg) an Heinrich Kneißl (Hußlik Museum);
Schreiben vom 10.4.1958, Heinrich Kneißl an Ernst Klepsch-Kirchner, Archiv Museumsverein Judenburg, Schuber Bezirk
Murtal / Judenburg, Mappe „Pöls Hußlikmuseum“.
„Bücherverzeichnisses der Privat-Bibliothek H. u. L. Kneissl“ 1960, Privatsammlung.
Schreiben vom 16.10.1963, Heimatmuseum Trautenfels an Frau Kneißl, Privatsammlung.
65
Nachruf wurde auch kurz das Museum erwähnt: „Als
Bulme-Absolvent hatte Heinrich Kneißl auch den
feinen technischen Sinn zur Führung seines großen
Heimatmuseums.“98
des Landesmuseums sogar ein provisorisches Inventar
angelegt (Nach privater Information durch Univ. Prof.
Dr. Kretzenbacher und Frau Dr. Smola). Der Besitzer
dieser Sammlung, Heinrich Kneißl ist am 20. Oktober
1972 plötzlich verstorben, der Erbe des Anwesens ist
der Adoptivsohn Fritz Kneißl-Siebenbäck, doch wußte
Abschnitt Friedrich Siebenbäck-Kneißl (1972 –
ich durch Herrn Kneißl selbst, daß er die Sammlung
2016)
selbst vom landwirtschaftlichen Besitz getrennt
einer wissenschaftlichen Institution (ich dachte an
Zur Person
das Landesmuseum Joanneum) vermachen wolle.
Friedrich Siebenbäck bzw. Siebenbäck-Kneißl (ab
Nach Erkundigungen erfuhr ich heute vom Juden29.10.1959) wurde am 15.2.1934 als Sohn von
burger Notar, Herrn Dr. Karl Kellermann (Judenburg,
Antonia Siebenbäck (geb. Stadlober) und Alois
Hauptplatz 12), daß der Verewigte vor vier Wochen
Siebenbäck (vulgo Möschbauer in Kumpitz bei Fohnsein Testament verfassen ließ, worin er diese museale
dorf) geboren. Am 29.10.1959 wurde zwischen ihm
Sammlung der Gemeinde Pöls mit dem Auftrag,
und dem kinderlosen Ehepaar Heinrich Kneißl und
eine „Kneißl-Stiftung“ zu stiften, vermacht habe. Als
Ludmilla Kneißl ein Adoptionsvertrag abgeschlossen
Archivpfleger des Bezirkes Judenburg habe ich bisher
und er an Kindesstatt angenommen. Anzumerken ist,
sowohl den Landwirten Fritz Kneißl-Siebenbäck wie
dass Friedrich Siebenbäck-Kneißl‘s Urgroßvater und
auch den Herrn Notar Dr. Kellermann auf die WichHeinrich Kneißl‘s Vater Halbbrüder waren. Er starb
tigkeit der Sammlung hinsichtlich der Erhaltung
am 3.6.2016 in Enzersdorf bei Pöls im 84. Lebensjahr.
von Kulturgütern unserer engeren Heimat aufmerk16.11.1972: Heinrich Kneißl vermacht die Sammlung sam gemacht. Dr. Kellermann versprach mir auch,
der Gemeinde Pöls; Situationsbericht von Dr. Johann als Gerichtskommissär für die Verlassenschaft, eine
Sperrung des Wirtschaftsgebäudes bis zur Klärung
Andritsch, Leiter des Stadtmuseum Judenburg
der Angelegenheit zu veranlassen. Er versprach auch,
Dr. Johann Andritsch richtete als Archivpfleger des in dieser Angelegenheit Fachgutachter vom LandesBezirkes Judenburg und als Obmann des Museums- museum zu erbeten, um einer eventuellen zweckvereins Judenburg (Stadt- und Bezirksmuseum) widrigen Entwendung von Sammlungsgegenständen
jeweils ein Schreiben an die Landesregierung (Landes- entgegenzuwirken. Als verantwortlicher Archivpflerat Prof. Kurt Jungwirth), die Historische Landeskom- ger für den Bezirk erachte ich es als meine Pflicht, sie
mission für Steiermark (Dr. Othmar Pickl) und die in er derzeitigen Lage der Angelegenheit in Kenntnis
Direktion des Landesmuseums Joanneum (Dr. Walter zu setzen und ersuche Sie, mir mitzuteilen, was ich
Modrijan). In diesen berichtete er über die kulturhis- unternehmen kann, daß diese wertvolle Sammlung
torische Bedeutung der Sammlung Hußlik-Kneißl und als geschlossenes Museum für unseren Bezirk erhalwies auf die durch das Ableben von Heinrich Kneißl ten bleibt.“
entstandene Gefahr einer Auflösung bzw. Veräuße- In einem internen Schreiben des Bundesdenkmalrung von Teilen der Sammlung hin. Den Schreiben amtes wurde vermerkt, „daß die Gemeinde Pöls an
legte er einen gesonderten „Bericht über das Schick- einer Zuerkennung bzw. am Erwerb der gesamten
sal der „Sammlung Kneißl“ in Enzersdorf bei Pöls“ Sammlung hoch interessiert ist.“99
bei: „Im Wirtschaftsgebäude des Besitzers Heinrich Kneißl befindet sich eine Privatsammlung von 1972: Anfechtung der testamentarischen Verfügung
wertvollen kulturhistorischen und volkskundlichen durch den Adoptivsohn Friedrich Siebenbäck-Kneißl
Gegenständen aus dem Bezirk Judenburg-Knittelfeld.
Die Sammlung wurde etwa seit 80-100 Jahren vom Die testamentarische Verfügung wurde „hinsichtehemaligen Besitzer Hußlik und nach dessen Tod von lich eines Umfanges von drei Achteln, weil dies der
seinem Schwiegersohn, Herrn Heinrich Kneißl ange- Pflichtteil nach seiner Adoptivmutter, Frau Ludmilla
legt und stets erweitert. Vor Jahren wurde im Auftrag Kneißl, gewesen wäre, die Miteigentümer der Samm98 W.H., Pöls: Ergreifender Abschied von Heinrich Kneißl, Murtaler Zeitung, 28.10.1972, Jg. 61, Nr. 44, 2.
99 Schreiben vom 29.3.1973, Landeskonservator für Steiermark Dr. Ulrich Ocherbauer an Dr. Hans Horcicka
(Bundesdenkmalamt Wien), GZ 463/73 Akt Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat f. Steiermark.
66
lung gewesen sei und nicht eigens über ihren Anteil
verfügt hätte“ angefechtet.100
Rede stehenden Gegenstände als Einheit kulturelle
Bedeutung besitzen, sohin als Denkmal anzusprechen sind. Der Bescheid wurde ohne vorangegange28.3.1973: Ansuchen des Volkskundemuseums an
nes Ermittlungsverfahren erlassen, da es [...] sich um
das Bundesdenkmalamt die Sammlung unter Denkeine unaufschiebbare Maßnahme wegen Gefahr im
malschutz zu stellen
Verzug handelt. [...] Daß eine allfällige Vorstellung
gegen diesen Bescheid keine aufschiebende Wirkung
In dem von Dr. Elfriede Grabner unterfertigten
hat, ist im Gesetz begründet. Es war daher spruchSchreiben101 wurde die Bedeutung der Sammlung
mäßig zu entscheiden. Damit ist im Sinne des dort
Hußlik-Kneißl betont - „Es darf noch darauf aufmerkzitierten Gesetzes die Sammlung Hußlik-Kneißl als
sam gemacht werden, daß die Sammlung wertEinheit unter Denkmalschutz gestellt. Die freiwillige
volle Stücke enthält, die nicht einmal im Steirischen
Veräußerung oder Belastung einzelner Gegenstände
Volkskundemuseum vorhanden sind“ und auf deren
ist verboten.“ Dem im sogenannten Mantatsverfahakute Gefährdung durch die Testamentsanfechren erlassenen Bescheid liegt eine Inventarliste bei,
tung hingewiesen: „Sollte dieser Anfechtung Recht
die inhaltlich jener 1958 vom Volkskundemuseum
gegeben werden, so bestünde die Gefahr, daß diese
erstellten entspricht.
eine geschlossene Dokumentation der Volkskultur
des Raumes von Pöls und Umgebung darstellenden 31.10.1973: Die Sammlung wird vom Bezirksgericht
Sammlungsgegenstände entgegen der ausgespro- Judenburg Friedrich Siebenbäck-Kneißl zugesprochenen Widmung des Erblassers aufgeteilt bezw. chen
teilweise veräußert würden. Damit wäre die Bedeutung dieser geschlossenen Sammlung, die heute Die Entscheidung des Gerichts wurde dem Bundesnicht mehr zu ergänzen wäre, weitgehend in Frage denkmalamt in Wien mitgeteilt, das die Information
an das Landeskonservatorat weiterleitete.103
gestellt.“
30.3.1973: Unterschutzstellung der Sammlung durch
das Bundesdenkmalamt
Aus dem Unterschutzstellungs-Bescheid102: „Es wird
festgestellt, daß die Erhaltung der aus insgesamt
992 Objekten, die in der beiliegenden, einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildenden
Inventarliste angeführt sind, bestehenden Sammlung
Hußlik-Kneißl [...] als einheitliches Ganzes im öffentlichen Interesse gelegen ist. [...] Bei der Sammlung
handelt es sich um volkskundliche Gegenstände,
die einerseits durch ihre Vielzahl aus einem engen,
überschaubaren Raum von dokumentarischem
Wert für das Gebiet von Pöls und Umgebung sind,
andererseits um z.T. bedeutende Stücke von überregionalem Wert. [...] Es steht somit fest, daß die in
21.1.1974: Vereinbarungsvorschlag von Friedrich
Kneißl-Siebenbäck an die Gemeinde Pöls
Vorausgesetzt dass die Gemeinde Pöls das alleinige
Eigentumsrecht anerkennt, schlug der Erbe vor, bis
zum Frühjahr 1975 museumsgerechte Räumlichkeiten für ein „Hußlik-Kneißl Heimatmuseum Pöls“ zur
Verfügung zu stellen und dieses gegen Entgelt der
Öffentlichkeit zugänglich zu machen.104
5.12. 1974: Einbruch in das Museum
Bei einem Lokalaugenschein am 27.2.1975 gab Friedrich Siebenbäck-Kneißl bekannt, dass im Museum
eingebrochen wurde, wobei Zinngegenstände und
Waffen gestohlen wurden. Das Bundesdenkmalamt
100 Schreiben vom 28.3.1973, Dr. Elfriede Grabner (Steirisches Volkskundemuseum) an den Landeskonservator für Steiermark
Dr. Ulrich Ocherbauer, GZ 463/73 Akt Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat f. Steiermark.
101 Schreiben vom 28.3.1973, Dr. Elfriede Grabner (Steirisches Volkskundemuseum) an den Landeskonservator für Steiermark
Dr. Ulrich Ocherbauer, GZ 463/73 Akt Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat f. Steiermark.
102 Bescheid vom 30.3.1973, GZ 2529/73, Bundesdenkmalamt Wien; GZ 463/73 Akt Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA
Landeskonservatorat f. Steiermark.
103 Schreiben 8.1.1974, GZ 67/74 Bundesdenkmalamt Wien an das Bezirksgericht Judenburg, darin wird auf ein Schreiben
des Bezirksgerichts an das Bundesdenkmalamt Wien vom 31.10.1973, GZ 497/72 Bezug genommen; GZ 46/74 Akt
Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat f. Steiermark.
104 Schreiben vom 21.1.1974, Gemeinde Pöls ob Judenburg an Landeskonservator für Steiermark, GZ 89/74 Akt
Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat f. Steiermark.
67
forderte vom Gendarmerieposten Pöls eine Liste der Pramberger von 1928 zitiert.107 In dem von Dr. Walter
gestohlenen Gegenstände an. Dieser teilte mit, dass Brunner verfassten Abschnitt „Aus der Vor- und Frühdie Nachforschungen ergebnislos waren.105
geschichte des Pölstales“ wurde auf Hußliks Beitrag
bei der Entdeckung der Fundstelle am Pölshals einge27.2.1975: Lokalaugenschein des Bundesdenkmalgangen und eine Vitrine mit vor- und frühgeschichtli106
amtes
chen Gegenständen aus dem Museum abgebildet.108
Teilnehmer: Eigentümer Friedrich Siebenbäck-Kneißl
und dessen Schwager sowie sein Rechtsanwalt,
Vertreter des Bundesdenkmalamtes Wien und des
Landeskonservatorats (Dr. Hans Horcicka, Dr. Georg
Kodolitsch), des Steirischen Volkskundemuseums
(Dr. Josef Walter), Bürgermeister und Gemeindesekretär von Pöls (Othmar Gall, Werner Schlager).
Nach der Besichtigung der Museumsräumlichkeiten
begab man sich in das Wohnhaus, in welches nach
dem Einbruch die Skulpturen und Schußwaffen verlagert wurden. Der Bürgermeister wurde auf Wunsch
des Eigentümers ausgeschlossen. Eine sofortige
Überprüfung des Inventars war nicht möglich und
es wurde mit dem Vertreter des Volkskundemuseums vereinbart, dass dieses bzw. dessen Mitarbeiterin Frau Dr. Elfriede Grabner im Oktober 1975
eine Expertise zur Bedeutung der Sammlung und
ein genaues Inventar der vorhandenen Gegenstände
erstellen sollte. Der Bürgermeister erklärte, dass die
Gemeinde Pöls nach wie vor großes Interesse daran
habe, die Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich
zu machen. Der Vertreter des Landeskonservatorats betonte, dass die Sammlung im Raum Judenburg verbleiben solle, da sie kulturhistorisch hierher
gehöre.
1975: Beitrag von Dr. Elfriede Grabner über die
Sammlung Hußlik-Kneißl in Walter Brunners Ortschronik „Geschichte von Pöls“
In dem mit den Portraits von Ignaz Hußlik und Heinrich Kneißl sowie Photos von einzelnen Sammlungsgegenständen illustrierten Beitrag wurde kurz auf
die Entstehungsgeschichte der Sammlung eingegangen und ausführlich aus dem Bericht von P. Romuald
August 1975: Überprüfung bzw. Neuerstellung des
Inventars durch das Volkskundemuseum
Frau Dr. Elfriede Grabner verglich das von ihr 1958
aufgenommene Inventar mit den aktuellen Gegebenheiten und erstellte ein neues, diesmal nach
Objektgruppen und Räumen bzw. Vitrinen gegliedertes Inventar. Inventarnummern wurden auch diesmal
nicht vergeben. Die zahlreichen sich vorher in den
Museumsräumlichkeiten befindlichen und jetzt im
Wohnhaus aufbewahrten Gegenstände wurden mit
einem „W“ gekennzeichnet. Zusätzlich erstellte sie
einen „Kurzbericht über den derzeitigen Zustand
der Privatsammlung Hußlik-Kneißl“109: „Die Gegenstände der 1958 neu aufgestellten Sammlung sind
völlig verschmutzt und in 2 Räumen unsachgemäß
zusammengeworfen. Von der einstigen Aufstellung
(3 Räume) ist kaum noch eine Ordnung zu erkennen.
140 Gegenstände sind nicht mehr vorhanden, vom
1972 verstorbenen Besitzer Herrn Heinrich Kneißl
sind ungefähr 80 Stück (soweit es sich um wertvolle
volkskundliche Gegenstände handelt) neu erworben worden. Zahlreiche Gegenstände befinden sich
zur Zeit im Wohnhaus von Herrn Siebenbäck-Kneißl.
Die im August 1975 durchgeführte Überprüfung
bzw. Neuinventarisierung konzentrierte sich nur auf
die wertvolleren volkskundlich-kulturhistorischen
Gegenstände. Nicht berücksichtigt konnten die noch
vorhandenen Waffen, Eisengegenstände, Bücher und
vor allem das zahlreich herumliegende Gerümpel
werden, deren Inventarisierung nicht in den Bereich
der Volkskunde fallen. Hier wäre es angezeigt, diese
Restaufnahmen von dafür spezialisierten Fachkräften vornehmen zu lassen. Abschließend sei bemerkt,
daß die Gegenstände der einstigen Sammlung
105 Schreiben vom 14.4.1975, GZ 3284/75 Gendarmerieposten Pöls an Bundesdenkmalamt Wien, GZ 619/75 Akt
Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat für Steiermark. Die Liste der gestohlenen Gegenstände fehlt im
Akt und wurde (auch) an das Volkskundemuseum übermittelt.
106 Schreiben vom 3.3.1975, GZ 1832/75 Bundesdenkmalamt Wien an Landeskonservatorat f. Steiermark, GZ 46/75 Akt
Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat für Steiermark.
107 Grabner 1975
108 Brunner 1975, 37-42 und Abbildung 13.
109 Schreiben vom 7.10.1975, Dr. Elfriede Grabner (Steirisches Volkskundemuseum) an Dr. Ulrich Ocherbauer
(Landeskonservatorat f. Steiermark), GZ 2048/75 Akt Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat für
Steiermark. (Der beiliegende Kurzbericht ist vorhanden, das Inventarverzeichnis fehlt).
68
Hußlik-Kneißl, unter denen sich noch immer zahlreiche gute und bemerkenswerte Stücke befinden, die
eine Unterdenkmalschutzstellung durchaus rechtfertigen, im derzeitigen Zustand und der unzulänglichen
Unterbringung kaum einem Besucher zugemutet
werden können. Dazu bedürfte es einer gründlichen
Reinigung und Neuaufstellung, bzw. Restaurierung
der zur Zeit in einem wenig erfreulichen Zustand
befindlichen Objekte. Eine solche sauber aufgestellte
Sammlung wäre für die Gegend Pöls-Judenburg, aus
deren näheren oder weiteren Umgebung die einzelnen Gegenstände stammen, sicherlich ein kultureller
Anziehungspunkt und kulturgeschichtlicher Gewinn.“
Herr Siebenbäck-Kneißl erhielt folgende Auskunft:
„Sollten Sie den Verkauf der Kunstsammlung als
Ganzes planen, so genügt die Mitteilung an das
Bundesdenkmalamt unter Namhaftmachung des
Erwerbers. Die Veräußerung einzelner Gegenstände
aus der als Einheit unter Denkmalschutz gestellten
Sammlung bedarf der schriftlichen Bewilligung des
Bundesdenkmalamtes. Die Veräußerung ohne Bewilligung ist verboten und gemäß § 879 ABGB nichtig.
Der Verkauf der Sammlung ins Ausland wäre gemäß
§1 des Ausfuhrverbotsgesetzes für Kulturgut verboten.“115
1990/92: Verkauf der Sammlung durch Friedrich Siebenbäck-Kneißl
30.8.1976: Bestätigender Denkmalschutzbescheid
Das von Dr. Grabner neu erstellte Inventar wurde
Friedrich Siebenbäck-Kneißl übermittelt und dieser
beeinspruchte die Einbeziehung von zwei Gegenständen und zwar eines Rokoko-Schreibschranks
und einer Truhe (datiert 1844).110 Diesem Einspruch
wurde stattgegeben und ein abschließender Denkmalschutzbescheid erstellt.111 Dieser bezog sich nur
auf die im Inventar aufgeführten Objekte, ebenfalls vorhandene Waffen wurden nach Rücksprache
mit dem Leiter des Zeughauses, Dr. Krenn aufgrund
„mangelnder Qualität“ nicht berücksichtigt.112 Gegen
den Bescheid wurde nicht berufen.113
17.4.1990 Anfrage von Friedrich Siebenbäck-Kneißl
beim Bundesdenkmalamt bezüglich eines Verkaufs
der Sammlung
Das Bundesdenkmalamt Wien informiert das
Landeskonservatorat Steiermark über die Verkaufsanfrage zur „allfälligen Veranlassung (Kontrolle)“.114
Mehr als zwei (!) Jahre später erging am 16.10.1992
vom Landeskonservatorat (Dr. Friedrich Kaiser) an
Siebenbäck-Kneißl die Anfrage, „ob sich am Zustand
und Umfang der Sammlung eine Veränderung
ergeben hat“ und die „höfliche Bitte um eine Terminvereinbarung bezüglich einer Besichtigung der
Sammlung.“116 Erst nach einem Erinnerungsschreiben antwortete Siebenbäck-Kneißl Anfang 1993 und
teilte mit, dass er die Sammlung als Ganzes an Max
Garber, Wolfern bei Steyr (Oberösterreich) verkauft
habe. Dem Verkauf der Sammlung seien folgende
Überlegungen vorausgegangen:
„1. Im Jahre 1988 war Herr Prof. Schöpfer bei uns,
um einige Gegenstände für die Landesausstellung
in Judenburg auszuleihen. Im Gespräch teilte Prof.
Schöpfer mit, daß die Sammlung zu vielfältig sei und
es wäre richtig, Teilbereiche zu veräußern, um ein
einheitliches Museum zu errichten.
2. Im Jahre 1989 fand eine Besprechung über den
Ausbau und Planung des Museums statt. Es war der
110 Schreiben vom 5.3.1976, Dr. Gustav Tiroch (Rechtsanwalt von Friedrich Siebenbäck-Kneißl) an das
Bundesdenkmalamt Wien GZ 2742/76, GZ 868/76 Akt Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat für
Steiermark.
111 Bescheid vom 30.8.1976, GZ 6056/76, Bundesdenkmalamt Wien; GZ 868/76 Akt Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA
Landeskonservatorat f. Steiermark. (Das Inventarverzeichnis fehlt. Ein Exemplar des dem Bescheid beiliegenden Inventars
aus dem Nachlass der Familie Hußlik- Kneißl mit dem Eingangsstempel 3.9.1976 befindet sich in einer Privatsammlung)
112 Schreiben vom 8.7.1976, Landeskonservatorat f. Steiermark an Bundesdenkmalamt Wien, GZ 868/76 Akt
Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat f. Steiermark.
113 Schreiben vom 20.9.1976, GZ 8099/76, Bundesdenkmalamt Wien an Landeskonvervatorat f. Steiermark, GZ 868/76 Akt
Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat f. Steiermark.
114 Schreiben vom 20.4.1990, GZ 12859/1/90, Bundesdenkmalamt Wien an Landeskonvervatorat f. Steiermark, GZ 388/1/90
Akt Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat f. Steiermark. Laut einem aufgeklebten Zettel bedeutet
„allfällige Veranlassung“ im Bemessen des Landeskonservators liegend.
115 Schreiben vom 20.4.1990, GZ 12859/1/90, Bundesdenkmalamt Wien an Friedrich Siebenbäck-Kneißl, GZ 388/1/90 Akt
Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat f. Steiermark.
116 Schreiben vom 16.10.1992, Landeskonservator für Steiermark an Friedrich Siebenbäck-Kneißl, GZ 388/1/92 Akt
Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat f. Steiermark.
69
Plan das Dachgeschoß für Museumszwecke auszubauen. Bei dieser Besprechung waren anwesend: Frau
Dozent Dr. Grabner, Graz; Herr Vizebürgermeister
Galler, Pöls; Herr Baumeister Zotter, Judenburg; Herr
Handelskammersekretär Dr. Jaklitsch, Judenburg.
Nach Besichtigung und Begehung der Räumlichkeiten stellte ich an Baumeister Zotter die unverbindliche Frage der Ausbaukosten. Dieser sagte nach
Überlegung etwa an die 2.000.000,--. Dann stellte ich
an Frau Dozent Dr. Grabner die Frage, mit welchem
Geldbetrag aus ihrer Sicht aus Graz als Beteiligung
zu rechnen sei. Frau Grabner stellte dann S 40.000,-bis 50.000,-- in Aussicht. Nach dieser Aussage war
ich und meine Familie sehr geschockt und ich brach
die Verhandlung (Besprechung) ab. Dieser Tropfen
Wasser auf einen heißen Stein, welchen uns Frau Dr.
Grabner in Aussicht gestellt hat, hat uns vor Augen
geführt, daß diese Sammlung in Wirklichkeit (oder
den Anschein hat) wenig Bedeutung hat. Darum
haben wir die Sammlung verkauft.“117
Eine Anfrage bei Herrn Gaber ergab, dass dieser die
Sammlung in Unkenntnis des bestehenden Denkmalschutzes erworben und einen Großteil der Gegenstände bereits verkauft habe, sowie ein Teil in die
eigene Sammlung übergegangen sei.118
Herr Siebenbäck-Kneißl wurde wegen der Übertretung des Denkmalschutzgesetzes zu einer Strafe in
der Höhe von 10.000,- Schilling rechtskräftig verurteilt.120
10.1.1994: Verurteilung von Friedrich SiebenbäckKneißl wegen Verstoßes gegen das Denkmalschutzgesetz
2016: Veräußerung von Restbeständen der Sammlung Hußlik-Kneißl
1995: Aufhebung des Denkmalschutzes
Aufgrund des Umstands, dass die Sammlung als
solche nicht mehr vorhanden ist, wurde ein Bescheid
erlassen, der besagt, dass an der Erhaltung der
Sammlung aufgrund „Totalverlust“ kein öffentliches
Interesse mehr besteht.121
um 1998: Besuch des Museums durch Dr. Michael
Schiestl (Stadtmuseum Judenburg)
Nach der Übernahme der Leitung des Stadtmuseums Judenburg besuchte Dr. Schiestl das Museum
und war über dessen Vernachlässigung überrascht.
Er schlug dem Besitzer eine Kooperation bzw. eine
Überführung von Gegenständen nach Judenburg vor,
was vom Besitzer ausgeschlagen wurde.122
2013/2014: Provisorische Teildokumentation der
Sammlung
Bei Besuchen durch Dr. Wolfgang Artner und Mag.
Jörg Obereder, Gerfried Kaser, Mag. Ingo Mirsch
14.10.1993: Anzeige gegen Friedrich Siebenbäckund Ulrike Kaier wurden Übersichtsphotos gemacht
Kneißl wegen Verstoßes gegen das Denkmalschutzund insbesondere die noch vorhandenen archäogesetz
logischen Funde, römische Münzen, Waffen und
Anzeige aufgrund § 14 Abs. 3 Z. 2 und § 4, Abs. 4, weitere Gegenstände im Detail photographisch
die besagen, dass das Bundesdenkmalamt bei einem dokumentiert. Die archäologischen Funden in der
Verkauf der Sammlung ohne Verzug zu informieren Vitrine wurden zeitlich bestimmt und Zettel mit der
und der Käufer über den bestehenden Denkmal- Bestimmung beigelegt123 sowie eine Liste mit Objektschutz in Kenntnis zu setzen ist.119
beschreibungen und Maßen erstellt.
117
118
119
120
121
122
123
Schreiben vom 11.1.1993, Friedrich Siebenbäck-Kneißl an Landeskonservatorat für Steiermark, GZ 388/1/93 Akt
Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat f. Steiermark.
Anzeige vom 14.10.1993, GZ 12859/1/93 Bundesdenkmalamt Wien an Bezirkshauptmannschaft Judenburg, GZ 388/3/93
Akt Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat f. Steiermark.
Anzeige vom 14.10.1993, GZ 12859/1/93 Bundesdenkmalamt Wien an Bezirkshauptmannschaft Judenburg, GZ 388/3/93
Akt Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat f. Steiermark.
Schreiben vom 8.2.1994, GZ 12859/1/94 Bezirkshauptmannschaft Judenburg an Bundesdenkmalamt Wien, GZ 388/1/94
Akt Kunstsammlung Hußlik-Kneißl, BDA Landeskonservatorat f. Steiermark.
Bundesdenkmalamt Wien, GZ 12859-1-95; Informationen aus der HERDIS-Datenbank des Bundesdenkmalamtes,
HERDIS-ID. 37363
Mündliche Mitteilung von Dr. M. Schiestl.
Mündliche Mitteilung von G. Kaser.
70
Am 3.6.2016 verstarb Friedrich Siebenbäck-Kneißl in
Enzersdorf bei Pöls im 84. Lebensjahr.124 Nach seinem
Tod wurden von dessen Erben noch vorhandene
Teile der Sammlung Hußlik-Kneißl an verschiedene
Personen veräußert.125 Die Vitrinen finden eine neue
Verwendung im Schaudepot von Schloss Hanfelden /
Unterzeiring.
Autor
Robert Fürhacker, Unterzeiring
fuerhacker@gmail.com
forschung@hanfelden.at
124 Grabstein der Familie Hußlik-Kneißl am Friedhof von Pöls,
https://tng.adler-wien.eu/showmedia.php?mediaID=88226&cemeteryID=243.
125 So wurden beispielsweise die Büchersammlung, noch vorhandene archäologische Funde, eine Krippe und der von
Haberlandt 1919 erwähnte Frauenhut „Judenburger Kreis“ von G. Kaser (Pöls-Oberkurzheim), Obmann des
Vereins ‚Archäologie Pölstal’ übernommen.
71
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75
Vom „Interdisziplinären Arbeitskreis Schloss Hanfelden“ zum
„Arbeitskreis Schloss Hanfelden plus“
Robert Fürhacker und Wolfgang Sulzer
„Interdisziplinärer Arbeitskreis Schloss Hanfel- Zusammenfassender Überblick bisheriger Aktiden (IASH)“
vitäten:
Am 22.10.2015 wurde der „Interdisziplinären Arbeitskreises Schloss Hanfelden“ (IASH) gegründet. Neben dem
Eigentümer Georg Neuper waren Robert Fürhacker, Gerfried Kaser, Robert Midl und Robert Reif die ersten Mitglieder.
Mit der Gründung des Arbeitskreises wurde damals eine
Initiative ins Leben gerufen, die zwar personellen Veränderungen unterworfen war, deren langfristigen Ziele sich
in den letzten acht Jahren jedoch nicht grundlegenden
verändert, aber doch erweitert haben:
• Interdisziplinäre Erforschung der Geschichte von Schloss
Hanfelden aufgrund schriftlicher, archäologischer, bauhistorischer und bildlicher Quellen. Für die jüngste Geschichte werden auch Zeitzeugenberichte der örtlichen Bevölkerung und ehemaliger Schlossbewohner einbezogen.
• Dokumentation der materiellen Strukturen des Schlosses sowie Durchführung notwendiger Konservierungsund Restaurierungsmaßnahmen.
• Behutsame Wiederbelebung des Schlosses durch regelmäßige kulturelle Veranstaltungen.
Der ‚Tag des Denkmals’ und weitere kulturelle Veranstaltungen
Bereits ein Jahr vor der Gründung des Arbeitskreises war
das seit 1965 unter Denkmalschutz stehende Schloss am
28. September 2014 auf Initiative des Vereins „Archäologie Pölstal“ erstmalig Programmpunkt beim ‚Tag des
Denkmals’, einer jährlich stattfindenden Veranstaltung
des Bundesdenkmalamtes. Diese erstmalige Möglichkeit das Schloss offiziell zu besichtigen und an Führungen
teilzunehmen, nahmen mehr als 500 Personen wahr. Inzwischen wurde die wiederholte Teilnahme am ‚Tag des
Denkmals’ 2016 (Abb. 61), 2018, 2019, 2021 und 2023
bereits zu einer Art Tradition.
„Arbeitskreis Schloss Hanfelden plus“
Es erwies sich als sinnvoll dem losen Zusammenschluss Interessierter die organisatorische Struktur eines Vereines
zu geben, sodass die Möglichkeit besteht an nationalen
und internationalen Förder- und Forschungsprogrammen
teilzunehmen.
So fand am 23.9. 2023 die Gründungsversammlung des
Vereins „Arbeitskreis Schloss Hanfelden plus“ statt, der
den 2015 gegründeten „Interdisziplinären Arbeitskreis
Schloss Hanfelden“ ablöst. Der Zusatz „Plus“ steht für die
Absicht, die bisherigen und zusätzliche unten angeführten
Aktivitäten von der unmittelbaren Umgebung des Schlosses Hanfelden auf das gesamte obere Pölstal auszuweiten:
• Kultur- und naturwissenschaftliche Forschung, Vorträge, Führungen, Präsentationen, Workshops und kulturelle
Veranstaltungen.
• Herausgabe wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Publikationen.
• Aufbau und Führung eines analogen/digitalen Archivs.
• Betrieb und Pflege einer Homepage oder sonstiger elektronischer Medien.
Abb. 61: 28. September 2016: Tag des Denkmals, Besucher an
der Südseite des Schlosses.
Am 27. September 2015 wurde das sogenanntes „Maximilianfest“, eine Art Mittelalterfest veranstaltet. Am
15.10.2016 fanden Dreharbeiten des ORF für Sepp Forcher’s „Klingendes Österreich“ statt (Abb. 62) und die Sendung wurde erstmals am 1.4.2017 ausgestrahlt.
Besonders gut besucht war der „Pölstaler Adventzauber“,
der am 26.11.2017 im Schlossareal stattfand. Im September 2018 zeigte der Künstler Kurt Kellner seine Bilder
(Abb. 63). Am 28. und 29.9.2018 wurde im Rahmen des
vom THEO (Theater Oberzeiring) veranstalteten Werkstattfestivals von der Gruppe „Das Planetenparty Prinzip“
das Stück „Aufwachen“ aufgeführt (Abb. 64). Dem folgten
im Sommer 2020 mehrere Aufführungen des THEO mit
dem Stück „Mord im Park“ im Außenbereich des Schlosses (Abb. 65).
76
Abb. 65: 22. Juli 2020: Aufführung des Stücks „Mord im Park“
durch das Theater Oberzeiring/THEO.
Die Zeitschrift „Schloss Hanfelden einst & jetzt“
Abb. 62: 15. Oktober 2016: Sepp Forcher bei Filmarbeiten für
die ORF-Sendung ‚Klingendes Österreich’.
Abb. 63: September 2018: Ausstellung von Bildern des Malers
Kurt Kellner.
Im Sommer 2021 führte Katharina Steiner ein Filmworks
hop für Kinder durch, bei dem im Schloss ein Film mit
dem Titel „Mutprobe“ gedreht und am 12.9.2021 vor Ort
uraufgeführt wurde.
Abb. 64: 28. September 2018: Die Schauspielgruppe „Das Planetenparty Prinzip“ führt das Stück „Aufwachen“ beim Werkstattfestival auf (Veranstalter: Theater Oberzeiring/THEO).
Frau Steiner hat 2021 bzw. 2022 auch Filminterviews mit
der von 1945 bis 1956 im Schloss aufgewachsenen Katharina Weber und mit Herrn Peter Wahl von Schloss Propstei aufgenommen.
In den Jahren 2016, 2018, 2021 und 2023 konnte zum Tag
des Denkmals jeweils eine Ausgabe des Magazins „Schloss
Hanfelden einst & jetzt“ präsentiert werden.
Die Ausgabe 1/2016 (16 Seiten), erstellt von R. Fürhacker und Cl. Theune bringt eine Zusammenfassung der
Besitzer- und Nutzungsgeschichte nach Walter Brunners
„Schloss Hanfelden“ (Ortschronik St- Oswald-Möderbrugg, 2002) sowie der Baugeschichte nach Martin Aigners „Bauaufnahme auf Schloss Hanfelden bei Unterzeiring, Steiermark“ (Beiträge zur Mittelalterarchäologie in
Österreich, Band 18, 2002).
Ausgabe 2/2018 (28 Seiten): Der Einleitung von Claudia
Theune folgen ein Artikel vom Historiker Manfred Hollegger „Hans Han d. J. (ca. 1450-1516), Amtmann und
Mautner zu Oberzeiring und Unterzeiring, Erbauer von
Schloss Hanfelden – eine Spurensuche“und ein Beitrag
von Claudia Theune „Neue archäologische Forschungen
im Schloss Hanfelden“. Iris Winkelbauer beschreibt „Die
Wärmeversorgung in Schloss Hanfelden“ und die „Geschirrkeramik aus Schloss Hanfelden“, Robert Fürhacker
schreibt „Zu den Kacheln aus dem Schloss Hanfelden am
Joanneum“.
Ausgabe 3/2021 (48 Seiten): Claudia Theune beschreibt
nach der Einleitung die „Topographie und Lage am Triebener Tauern“ und bringt einen „Exkurs: Silberbergwerk
in Oberzeiring und Schloss Hanfelden“ gefolgt von einem
Beitrag von Wolfgang Sulzer, Josef Gspurning, Viktor
Kaufmann, Thomas Mikl und Gernot Seier zum Thema
„Geographische Technologien (Geospatial Technologies)
im Einsatz für die Erfassung und Geovisualisierung des
Schlosses Hanfelden“. Robert Fürhacker und Wolfgang
Schnabl verfassen einen Beitrag zum Thema „Gibt es noch
Hoffnung für das Schloss Hanfelden? - Konservierung und
Restaurierung 2015 bis 2021“. Es folgen Gulia Bizzarri mit
„Die Umfassungsmauer und Ecktürme: eine bauhistorische Untersuchung“ und Iris Winkelbauer mit „Archäologische Untersuchungen in der ehemaligen Schlossküche
2020“.
Ausgabe 4/2023 (80 Seiten): Zum Inhalt siehe Inhaltsverzeichnis.
77
Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen
Jahrzehntelange Vernachlässigung führte zu teils massiven
Schäden in mehreren Bereichen des Schlosskomplexes.
Eine erste Pilotarbeit zur Konservierung der Ringmauer
wurde im September/Oktober 2015 durchgeführt. Dieser
folgten 2016 umfangreiche Arbeiten am Nebengebäude, dem sogenannten Roßstall, welcher bereits seit den
1960er-Jahren kein Dach hatte. Nach der Rekonstruktion
der Mauerkrone (Abb. 66) wurde vom Zimmerer Peter Jesche ein neuer Dachstuhl errichtet (Abb 67), der in seinem
äußeren Erscheinungsbild dem ursprünglichen Dachstuhl
ähnelt. Im selben Jahr fanden erste Dachdeckerarbeiten
zur Erneuerung des undicht gewordenen Schutzdaches
aus Gutanit statt, welches in den 1980er-Jahren vom
Bundesdenkmalamt aufgebracht bzw. finanziert wurde.
Es folgten Konservierungs- und Rekonstruktionsarbeiten
an der Mauerstruktur der vierseitigen Ring- bzw. Umfassungsmauer und des Hauptgebäudes (Tor, Latrinen, Stützmauer (Abb. 68).
durch den Revitalisierungsfonds Steiermark, das Bundesdenkmalamt und den Eigentümer. Auch die Gemeinde
Pölstal stellte Mittel zur Verfügung.
Abb. 68: 15. August 2019:
Rekonstruktionsarbeiten am
Stützpfeiler an der Ostseite.
Abb. 69: 26. Juni 2020: Pilotprojekt zur Stabilisierung der
Putzschichten der Südfassade.
Archäologische Forschungen
Im Dezember 2015 wurde mit Frau Prof. Claudia Theune
vom Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie der Universität Wien eine Kooperation eingegangen.
Daraufhin fand im Juli 2016 eine erste Lehrgrabung des
Instituts im Schloss Hanfelden statt (Abb. 70).
Abb. 66: 26. September 2016: Rekonstruktionsarbeiten an der
Mauerkrone des Nebengebäudes.
Abb. 70: Juli 2016: Lehrgrabung: Dokumentationsarbeiten im
Erdgeschoß des Schlosses.
Abb. 67: 8. November 2016: Nebengebäude: Bau des neuen
Dachstuhls durch Zimmermann Peter Jesche.
Auch das teilweise eingebrochene Gewölbe des Nebengebäudes wurde rekonstruiert. Erste Schritte zur Stabilisierung der Fassade wurden gesetzt, um die noch vorhandenen Reste der Verputzschichten der mehrfach
umgestalteten Schlossfassade zu erhalten (Abb. 69) und
Weitere jeweils vierwöchige Kampagnen wurden 2017 bis
2020 durchgeführt (Abb. 71, Abb. 72, Abb. 73). In Abstimmung mit den notwendigen Konservierungsmaßnahmen
und zur Beantwortung diverser Forschungsfragen fanden
archäologische und bauarchäologische Untersuchungen
an verschiedenen Bereichen innerhalb und außerhalb des
Schlosses statt. Unterschiedlichste Befunde und Strukturen wurden doku mentiert und umfangreiches Fundmaterial, dessen Datierung von der Frühzeit des Schlosses um
1500 bis in die Zeit der letzten Nutzung des Gebäudes für
Wohnzwecke Ende der 1960er-Jahren reicht, geborgen.
In zwei Räumen wurden noch vorhandene Hinterlassenschaften der einstigen Bewohner bewusst als Zeitkapseln
belassen.
78
Abb. 71: 1. August 2017: Abb. 72: 1. August 2017: LehrgraLehrgrabung: Tag der of- bung: Tag der offenen Tür, Besucher
fenen Tür, Präsentation
im Innenhof.
neuer Funde.
Abb. 74: Juli 2019: 8. August 2016: Dendrochronologische Probennahme im Dachstuhl durch Dr. Michael Grabner (BOKU).
Abb. 73: Juli 2018: Lehrgrabung: Ausgrabungsarbeiten im
Nebengebäude.
Im Rahmen der Ausgrabungen fand jeweils ein ‚Tag der
offenen Tür’ statt, der immer gut besucht war.
Für die Verlegung von Wasser- Strom und Abflussleitungen ergab sich 2022 die Notwendigkeit einer weiteren
Ausgrabung im Bereich des Zubaus zum Nebengebäude.
Diese wurde von Archaeogon im Oktober 2022 durchgeführt (siehe Bericht in diesem Heft). Parallel dazu fand
in Unterzeiring eine weitere Ausgrabung statt. Bei dieser
konnte in unmittelbarer Nachbarschaft des Schlosses ein
römerzeitliches Gebäude dokumentiert werden (siehe
Bericht in diesem Heft).
Dendrochronologische Untersuchungen
Ende 2015 führte Dr. Michael Grabner vom Institut für
Holztechnologie und Nachwachsende Rohstoffe der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) erstmals eine
dendrochronologische Beprobung durch. Die Beprobung
der Hölzer im Schloss wurde in den darauffolgenden Jahren fortgesetzt (Abb.7), sodass aktuell 157 datierte Bauhölzer von verschiedenen Bereichen des Schlosses vorliegen. Diese bilden eine sehr wichtige Grundlage für die
Erforschung der komplexen baulichen Entwicklung.
Weitere Vermessungen führte im Rahmen der Bauforschung des Instituts für Urgeschichte und Historische Archäologie Ronny Weßling (Grazy Eye) durch.
Bereits im Oktober 1986 wurde vom Institut für Angewandte Geodäsie und Photogrammetrie (Abt. für Photogrammetrie und Fernerkundung) der TU Graz „Photogrammetrische Geländeübungen“ durchgeführt um Lage- und
Ansichtspläne zu erstellen. Im Oktober 2019 wurden die
1986 durchgeführten Arbeiten von Viktor Kaufmann und
Thomas Mikl (beide TU Graz) mit einer photogrammetrischen Aufnahme der Fassaden erweitert. Drohnengestütze Aufnahmen und terrestrische Lasercankampagnen
wurden von Wolfgang Sulzer und Josef Gspurning (Institut für Geographie und Raumforschung der Universität
Graz) koordiniert. Ergänzt wurden diese Arbeiten durch
zwei Lehrveranstaltungen 2021/22. Im Rahmen der Geländearbeiten der Lehrveranstaltung „Geovisualisierung“
wurden im Mai 2021 neben dem Schloss verschiedene
Objekte im Umkreis des Schlosses (Richtstätte, Arme Sünder Kapelle, sog. Römerbrücke und Zerwinkler-Gebäude)
aufgenommen und 3-dimensional visualisiert. Es folgte im
November 2022 die Lehrveranstaltung „Akquisition und
Management von Geodaten“, bei der mittels Photoaufnahmen und Vermessungen maßstabsgetreue Darstellungen der einzelnen Räume des Schosses entwickelt wurden
(Abb. 75).
Vermessungsarbeiten
Bereits lange vor der Gründung des Arbeitskreises und
dessen Aktivitäten wurden von Martin Aigner im Winter
2001/2002 umfangreiche Vermessungen und Bauaufnahmen des Schlosses durchgeführt, die 2022/23 mit der Erfassung des Dachraumes fortgesetzt wurden.
79
Abb. 75: November 2022: Studierende am Ende der umfangreichen Geodaten-Akquisition.
IASH - Interdisziplinärer Arbeitskreis Schloss Hanfelden
Mit der Gründung des Interdisziplinären Arbeitskreises Schloss Hanfelden (IASH) im Jahr 2015 wurde eine Initiative
ins Leben gerufen, die sich langfristig verschiedene Ziele gesetzt hat, um die Geschichte des Schlosses archäologisch
und bauhistorisch zu erforschen, eine Bestandssicherung und Instandhaltung der materiellen Strukturen zu gewährleisten bzw. es behutsam zu konservieren, nötigenfalls restauratorische Maßnahmen zu setzen, und das Schloss durch
kulturelle Veranstaltungen für die lokale und überregionale Bevölkerung zu öffnen.
Folgende Zielsetzungen stehen im Mittelpunkt des IASH: Die interdisziplinäre und ganzheitliche Erforschung der Geschichte des Schlosses aufgrund schrifthistorischer, archäologischer, bauhistorischer und auch bildlicher Quellen. Für
die jüngste Geschichte werden zudem Zeitzeugenberichte der örtlichen Bevölkerung und ehemaliger Bewohner mit
einbezogen. Die behutsame Bestandsbewahrung und Sicherung des Schlosses durch Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten. Die behutsame Wiederbelebung des Schlosses durch regelmäßige kulturelle Veranstaltungen.
Der Interdisziplinäre Arbeitskreis Schloss Hanfelden hat derzeit 7 Mitglieder, deren Kompetenzen optimal auf die
Ziele abgestimmt sind:
Martin Aigner, Historische Bauforschung
Robert Fürhacker, Restaurator, Unterzeiring
Ing. Georg Neuper, Eigentümer von Schloss Hanfelden, Unterzeiring
Robert Reif, Öffentlichkeitsarbeit, Oberzeiring
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Wolfgang Sulzer, Geografie und Raumforschung, Universität Graz
Univ.-Prof. Dr. Claudia Theune, Urgeschichte und historische Archäologie, Universität Wien
Mag. Iris Winkelbauer, selbstständige Archäologin und Historische Bauforscherin
Kontakt und Anfragen für Führungen: info@hanfelden.at bzw. führungen@hanfelden.at
Homepage: www.hanfelden.at
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Impressum
Herausgeber: Interdisziplinärer Arbeitskreis Schloss Hanfelden / Unterzeiring
Autor*innen: Martin Aigner, Paul Bayer, Stephan Karl, Claudia Theune, Magdalena Sulzer, Wolfgang Sulzer, Robert
Fürhacker.
Die Autor*innen sind verantwortlich für den Text und die Einholung der Bildrechte.
Layout und Gestaltung: Iris Winkelbauer
Druck: Buch-, Kunst- und Offsetdruckerei „IRIS“ Judenburg
Erschienen: Unterzeiring 2023
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